Cover

Zwölf

Ich kann sehen wie die Zeiger der Turmuhr sich in ihrem Zenit treffen.

 

Eins. Ich zähle stumm mit, als der erste Schlag der Glocken einsetzt. Meine Brust hebt und senkt sich wie nach einem Marathon. Ich bin nackt, und auf mir liegt SIE. Ihr Atemrhythmus übertrumpft noch meinen. SIE sucht meinen Blick doch ich schaue weg. Bin nicht da. Bin noch immer an einem anderen Ort, an den SIE mich gebracht hat, den ich durch SIE erst erreicht hatte. Es ist etwas Neues. Etwas anderes. Ich glaube nicht, dass es bei einer anderen dasselbe gewesen wäre.

 

Zwei: Ich spüre ihre Wärme auf meinem Körper und einen belebenden Schmerz. Ich umarme SIE. Drücke SIE an mich, merke wie sich das Leben zwischen uns ausbreitet. Meine Atmung wird tiefer und langsamer. Mein Herzschlag, der eben noch in jeder Ader meines Körpers pulsierte, senkt sich. Es war mein erstes Mal.

 

Drei: Ich schaue mich um. Will mir jede Kleinigkeit dieser Nacht genau merken. Sehe auf die Turmuhr. Die bronzenen Zeiger liegen auf demselben Punkt. Umrandet von der Elf und der Eins. Läuten einen neuen Tag ein. Ich hatte Angst vor diesem Abend. Ich wusste er würde mich zu einem anderen Menschen machen. Das gleiche Blut, die gleiche Haut, die gleich Hülle ............................. und doch ein anderer. Der Junge, als der ich heute aufgewacht bin, ist weg. Ich hole tief Luft, will meinen ersten, bewussten Atemzug als Mann nehmen. Bin kein Kind mehr.

 

Vier: Als mein Blick SIE findet, sind ihre Augen geschlossen. Vorsichtig wie ein Schmetterling, der seine erste Flügelschläge macht, küsse ich ihre Stirn. Erinnerungen an meine Mutter kommen mir in den Sinn, als ich an ihrem Haar rieche. An dem Holunderstrauch der vor unserem Haus blühte. Dann schließe auch ich meine Augen und warte auf den nächsten Schlag.

 

Fünf: Ich lockere meine Umarmung und ziehe die scharlachrote Decke über uns. Will uns verstecken. Will, dass SIE und ich für immer zusammen sind. Lasse meine Gedanken Straßen aus diesen Träumen bauen. Wir steigen in einen Wagen und fahren sie entlang. Fahre, um auf ihnen zu entkommen.

 

Sechs: Doch die Straßen führen alle zum Anfang. Ich weiß das ich SIE nicht für immer alleine behalten kann. Das SIE weg muss. Dass auch ich gehen muss. Sich unsere Wege nicht wieder kreuzen werden. Ich SIE nach dieser Nacht nie wieder lächeln sehen werde. Nie wieder hören oder riechen werde, SIE nie wieder meinen Arm wie zufällig berührt, wenn wir uns unterhalten.

 

Sieben: Ich dachte Gefühle wären wie die Sonne. Dafür da mich zu wärmen und mir Kraft zu  geben. Sie sind aber eine Sandburg, wenn die Flut kommt. Stetig wir ein weiteres Stück zerrissen, bis sie so sehr beschädigt ist, dass sie zusammenfällt und wenn die Ebbe eingesetzt hat, ist nicht einmal mehr zu erkennen, dass, es jemals eine Sandburg gab.

 

Acht: Ich zittere. Ziehe die Decke weiter über uns, bis nur noch mein Gesicht nicht von ihrem Rot bedeckt ist. Ich drücke SIE stärker an mich, aber auch das schenkt mir keine Wärme. Versuche mir Erinnerungen zu greifen um die Kälte zu vertreiben aber zittere weiter.

 

Neun: Kein Gedanke kann mir helfen. Der Stoff über uns kann das Zittern nicht beenden. Mein Gebiss klingt wie tausend Teller, die nacheinander fallen gelassen werden. Ich kann es nicht bezwingen. Ich kämpfe und verliere wie die Sandburg. Ich höre was. Es wird lauter.

 

Zehn: Kann die Worte nicht verstehen. Starre an die Decke. Es war das, was ich wollte, wonach ich mich verzehrt hatte, was ich anstrebte, plante, durchdachte. Alles war berechnet. Ich wusste, wie es ablaufen würde und setzte es um. Warum wollen sich meine Hände nicht beruhigen lassen?

 

Elf: Es ist nicht die Nacht. Es ist die Tat. Kein Plan, kein Trick, kein Kalkül kann das erwarten, was man nicht kennt. Eins hatte ich vergessen. Es einfach nicht bedacht. Ich höre es jetzt. Zum erst mal klingt es klar und spricht zu mir.

 

Zwölf: Die Stimme ist klar. Sie schreit. Schreit "WARUM?". Ruft meinen Namen, ruft ihren Namen. Setzt einen Pfahl in meinem Kopf. Markiert die Zeit und die Erinnerung. Will mich nie vergessen lassen. Ich werfe die Decke weg und sehe SIE an. Sehe, was ich tat. Sehe das Rot. Sehe das Messer, dass bei Eins in ihren Rücken sank.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /