Cover

SEX, AMRUM UND ...

SEX, AMRUM UND ...

  1. Sex, Amrum und der Bodybuilder + 4. Sex, Amrum und der coole Kommissar

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei er-funden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Korrekturen: Aschure, Dankeschön!

Fotos: shutterstock, depositphotos

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

https://www.sissikaipurgay.de/



3. Sex, Amrum und der Bodybuilder - Martin

Martin Sägenschild ist Inhaber eines Fitnessstudios und mit seinem gestählten Körper das beste Aushängeschild für seinen Laden. Im Urlaub auf Amrum verliebt er sich in Tom, der für ihn unerreichbar ist. Dabei helfen ihm leider auch seine Kräfte nicht weiter.

Der fleischgewordene Traum

Martin war der fleischgewordene Traum aller Frauen und Männer, die auf Muskeln standen. Dessen ungeachtet besaß er eine sensible Seele. So konnte der äußere Schein doch trügen. Sein größter Wunsch: Seinen Seelenverwandten zu finden. Leider hatte sich in seinem 32 Jahre andauernden Leben dieser Mensch noch nicht gemeldet.

Eventuell besaß derjenige seine Telefonnummer nicht oder war in Unkenntnis, dass Martin auf ihn wartete. Erschwerend kam hinzu, was er erst kürzlich entdeckt hatte: Seine Vorliebe für Männer.

Während eines Kurztrips nach Amrum hatte er festgestellt, dass er dem eigenen Geschlecht zugeneigt war. Anlass: Tom, in den er sich verliebt hatte, der aber seine Zuneigung nicht erwiderte. Stattdessen hatte Emilio - sein bester Freund seit Kindertagen - Toms Herz errungen. Insofern stand außer Frage, sich um seinen Herzbuben zu bemühen. Sinn hätte das sowieso nicht ergeben. Emilio und Tom waren unzertrennlich und sagenhaft verliebt.

Martin schloss die Tür seines Fitnessclubs ab und überlegte auf dem Weg zu seinem Wagen, ob er sich wirklich in die schwule Szene stürzen wollte. Man konnte ja vieles über ihn sagen, aber feige war er nicht. Nachdem er sich innerlich mit seiner neuen Ausrichtung angefreundet hatte, war er entschlossen, von dem verheißungsvollen Kuchen zu naschen.

Kuchen. Hübsche Umschreibung, dachte Martin amüsiert und lenkte seinen Wagen vom Parkplatz. Seine Eltern und auch ein paar Ehefrauen-Anwärterinnen würden garantiert nicht begeistert sein, wenn er seine neue sexuelle Neigung offenbarte.

Sein Freund Emilio hatte sich vor versammelter Mannschaft geoutet, wie ihm erzählt worden war. Das imponierte Martin sehr. Bevor auch er diesen Schritt tat, wollte er erst mal wissen wie es war, mit einem Mann zu vögeln. Im Zusammenhang mit seiner entdeckten Neigung erschien ihm dieses Wort plötzlich nicht mehr allzu roh. Frauen wurden davon abgeschreckt, doch in seiner neuen Umgebung und ohne Liebe war dies der richtige Begriff für das, was er plante: Einen Mann zu ficken.

In seiner Wohnung machte er sich gleich an die Vorbereitung des großen Abends. Als erstes stellte er sich unter die Dusche. Danach rasierte er sich gründlich. Neugierig betrachtete er sein Gesicht im Spiegel. Er sah jedoch immer noch so aus, wie vor der Erkenntnis.

Blaue Augen mit dichten Wimpern, die mit seinem fast schwarzen Haar kontrastierten. Eine gerade Nase und ein hübscher Mund. Fast ein wenig weibisch mit den vollen Lippen, aber hübsch. Im Ganzen war er sehr mit sich zufrieden.

Er wechselte zu dem Spiegel im Flur und betrachtete sich von allen Seiten. Muskeln, wohin man auch sah. Probeweise spannte er seine Arschbacken an. Wow! Nicht übel. Sollte er sich vielleicht auch seine Schambehaarung abrasieren, wie Emilio und Tom es getan hatten?

Martin strich über seine definierte Brust, die von dunklen Locken überzogen war. Ach nö. Das würde Scheiße aussehen, so, als wäre seinem Schöpfer ab Bauchnabel das Haar ausgegangen. Ein bisschen trimmen war aber in Ordnung. Summend vor Aufregung begab sich Martin wieder ins Bad und schnippelte an seiner Schambehaarung herum, bis er zufrieden war.

Die Auswahl seiner Kleidung war einfach: Sexy sollte es sein. Er griff nach seiner schwarzen Jeans, zog ein schwarzes T-Shirt über und betrachtete sich im Spiegel. Wunderbar. Er stopfte drei Kondome in seine Gesäßtasche und war damit ausgehfertig.

Während er durchs nächtliche Hamburg zu einem der angesagtesten Clubs der Stadt fuhr überlegte er, was er täte, wenn ihn Emilio und Tom nicht begleiten würden. Er hatte nämlich ganz schön Muffensausen. Wahrscheinlich wurde der Abend sowieso ein totaler Reinfall, weil er seinen Schwanz im entscheidenden Moment nicht hochbekam.

Dumpfe Rhythmen hämmerten und es war sehr dunkel, als er den Club betrat. Blinzelnd schaute sich Martin um, bis er Emilio entdeckte. Er schlängelte sich zwischen den Gästen hindurch zu seinem Freund und umarmte ihn.

„Ich bin total froh, dass du hier bist“, gestand er.

Emilio drückte ihn und gab ihn wieder frei. „Kein Problem. Ich wollte ja eh her.“

In diesem Moment entdeckte Martin auf der Tanzfläche Tom. Sein Blick verfing sich an dessen kleinen Hintern. Bei der geilen Aussicht wurde seine Hose eng. Also stimmte es weiterhin, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Er richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf Emilio.

„Trotzdem. Allein hätte ich mich unwohl gefühlt.“

Emilio tätschelte seine Schulter und trank einen Schluck Bier. „Und? Schon was Interessantes entdeckt?“

Martin schüttelte den Kopf. Ihm war allerdings aufgefallen, dass er in den Fokus einiger Männer geraten war.

Der Barkeeper lehnte sich über den Tresen und musterte Martin mit hochgezogenen Augenbrauen. „Hallöchen, Hübscher. Was zu trinken?“

Schwuchtelgehabe war ihm verhasst. Er bestellte ein Bier und wandte sich wieder der Tanzfläche zu. Sein Blick wanderte über die zappelnden Leute und stoppte bei einem Mann, der selbstvergessen die Hüften zu dem Beat schwenkte. Der wackelnde Hintern zog seine Aufmerksamkeit an.

Wie von unsichtbaren Fäden gezogen rutschte er vom Hocker und schlängelte sich an den Tanzenden vorbei, bis er vor dem Kleinen stand. Der schaute hoch und musterte ihn, dann lächelte er. Hilfe, war das süß! Selbstvergessen begann Martin, sich ebenfalls im Takt der Musik zu bewegen. Getanzt hatte er bisher nie, doch diesmal packte ihn der Rhythmus. Während er seine Hüften schwang, beobachtete er seinen Tanzpartner.

Ich bin Michael!“, brüllte der Kleine über den Lärm hinweg.

Martin lächelte ihm zu. Der Bursche hätte Brutus heißen können, auch das wäre ihm total egal. Sein Schwanz hatte Witterung aufgenommen und wollte nur noch eines: ins Ziel. Frauen hätten das volle Programm verlangt: Gespräche, Einladungen, die erste zarte Berührung. Vielleicht sogar Wochen voller Erwartung, sinnloser Telefongespräche, bis es endlich zu der heißersehnten Begegnung kam: Schwanz in Möse. Hier tickten die Leute jedoch anders.

Michael griff nach Martins Hand und zog ihn mit sich, raus aus den Tanzenden. Raus aus dem Club. Die frische Hamburger Nachtluft hätte Martin ernüchtern müssen, aber er war nicht betrunken, sondern einfach nur geil. Seine Hose spannte im Schritt und er kannte nur noch ein Ziel. Das stand vor ihm und grinste frech.

„Dein erstes Mal?“

Er nickte und wurde ein paar Schritte weiter gezogen, in einen Hauseingang. Michael lächelte weiterhin und schob sich die Jeans von den Hüften. Martin keuchte erregt auf, als er den steifen Schwanz sah.

Dann drehte der Kleine sich um und präsentierte seinen süßen Knackarsch. „Besorg‘s mir.“

Zwei Worte. Ein Schwanz. Hart und fest pulsierte Martins Erektion, als er sie befreite. Kondom, extra feucht. Zitternd zog er es über sein steifes Glied, dann griff er nach dem süßen Hintern und umfasste ihn mit beiden Händen. Sein Atem kam abgehackt, als er die Backen auseinander zog. Da war es. Süß und rosig. Martin konnte nicht mehr denken, er fühlte nur noch.

Er stellte sich vor, Tom stünde vor ihm. Mit diesem Gedanken griff er nach seinem Schwanz und schob ihn in die enge Rosette. Verdammt eng. Er stieß zu und entlockte seinem Sexpartner ein tiefes Stöhnen.

„Gut?“, hakte er nach.

Michael nickte. „Fick mich“, bat er.

Diesen Wunsch erfüllte Martin nur allzu gern. Er rammelte den Kleinen, bis er Sterne sah, und das ging ziemlich schnell. Mit einem lauten Stöhnen spritzte er in das Kondom, in den Kleinen rein, der mit diesem rasenden Tempo nicht hatte mithalten können.

„Mach weiter“, flehte Michael.

Durch den Nebel in seinem Gehirn empfing Martin den Befehl und traf ein paar empfindliche Punkte, stieß Michael damit über die Kante. Warme Sahne spritzte gegen die Wand. Nach Atem ringend lehnte sich Michael dagegen, während Martins erschlaffter Schwanz aus ihm herausglitt.

„Geil, Mann“, murmelte Michael.

Das fand Martin auch, allerdings hatte er nicht mit der Ernüchterung gerechnet, die dem Fick folgte. Ohne seine Erektion erschien ihm die Situation nahezu grotesk. Mit runtergelassener Hose, mit einem völlig fremden Kerl stand er in einem Hauseingang. Schnell streifte er das Kondom ab und ordnete seine Klamotten.

Michael zog ebenfalls die Hose hoch und warf Martin einen neugierigen Blick zu. „Bist neu in der Szene, was?“

Er nickte, auf seine Schuhspitzen fixiert.

„Du gefällst mir“, flüsterte Michael.

Martin schaute hoch und musterte das Bürschchen. Trotz der schwachen Beleuchtung erkannte er, dass sich Michael die Haare schwarz färbte. Die Augenbrauen waren nämlich hell, die Augen blau. Er sah Tom ein kleines bisschen ähnlich, hatte die gleiche Figur.

„Du bist süß“, stellte er fest.

Seine Bemerkung quittierte Michael mit einem niedlichen Grinsen. „Kommst du mit zu mir? Wir könnten zusammen einen durchziehen und noch ein bisschen vögeln.“

Tatsächlich vögelte Martin den Kleinen die halbe Nacht, angeheizt durch ein paar Joints und die heißen Küsse, die sie tauschten. Überhaupt gefielen ihm die Zärtlichkeiten fast mehr als die Bumserei. Wie geil musste es sich erst anfühlen, das Ganze mit seinem Seelenverwandten zu tun.

In den frühen Morgenstunden schlich sich Martin aus der Wohnung, ließ Michael in seligem Schlummer zurück. Während er seinen Wagen durch Hamburgs fast leere Straßen lenkte, überkam ihn ein eigentümliches Hochgefühl. Er hatte seine erste Nacht mit einem Mann verbracht und es fühlte sich gut an. Michael war ihm zwar nicht unter die Haut gegangen, aber es war trotzdem schön gewesen.

Fast den ganzen Samstag verpennte er, bis ihn das Telefon aus dem Schlummer riss. Verschlafen langte er nach dem Mobilteil, das neben dem Bett auf dem Fußboden lag. „Hallo?“

Emilios muntere Stimme drang an sein Ohr: „Hey Martin. Du warst gestern Nacht plötzlich weg. War es schön?“

Er setzte sich auf und strich sich die Haare zurück. „Es war schon geil, aber wiedersehen möchte ich ihn nicht unbedingt.“

„Und dir geht es gut dabei?“

Martin horchte in sich rein. Japp. Er fühlte sich bestens. „Ja. Es fehlt zwar was, aber ich kann ja nicht gleich an meinem ersten Abend als bekennender Schwuler meinen Seelenverwandten treffen.“

Ein leises Glucksen kam aus dem Hörer. „Seelenverwandten. Den findest du bestimmt nicht in Clubs. Kommst du morgen zum Essen vorbei? Toms Bruder ist zu Besuch.“

Hatte Martin nicht auf einen Zwillingsbruder gehofft? Er nahm die Einladung an. Nachdem sie einander verabschiedet hatten, warf er den Hörer auf die Bettdecke und sank zurück in sein Kissen. Wenn dieser Bruder auch nur annähernd Tom ähnelte ... Quatsch! Als ob sich Liebe an Äußerlichkeiten orientierte.

Der fast Zwilling

Tim hatte die ganze Strecke von Köln nach Hamburg in einem Rutsch mit seiner alten Klapperkiste zurückgelegt. Als er die Adresse erreichte, die Tom ihm gegeben hatte, gab sein Wagen endgültig den Geist auf. Mit einem letzten Krächzen erstarb das Motorengeräusch. Er ließ die Kiste in eine Parklücke rollen.

Während er seine Tasche aus dem Wagen nahm überlegte er, dass er ein echtes Glückskind war. Der Motor hätte viel eher kaputt gehen können, hatte jedoch durchgehalten, bis er genau dort angekommen war, wo er hinwollte. Fröhlich pfeifend ging er auf den Hauseingang zu und studierte die Namensschilder. Wagenknecht und Meier. Wie niedlich, dass beide Namen dort standen. Sein Bruder hatte ihm am Telefon erzählt, dass er einen tollen Freund gefunden hatte. Die offensichtliche Gemeinschaft auf dem Klingelschild fand er rührend.

Er betätigte die Klingel. Der Öffner summte, woraufhin er schwungvoll die Haustür aufstieß und die Treppe in Angriff nahm. Tom stand in der Wohnungstür und sah ihm entgegen. Es war fast ein Jahr her, dass sie sich das letzte Mal getroffen hatten. Entsprechend groß war Tims Freude über ihr Wiedersehen.

Kurzerhand fiel er seinem Bruder um den Hals und hob ihn hoch, musste ihn aber schnell wieder absetzen. „Du bist fett geworden“, stellte er fest.

„Alles Muskelmasse“, erklärte Tom stolz und ließ ihn herein.

Sein Bruder ging voran und erklärte dabei, dass das Gästezimmer eigentlich Emilios Arbeitszimmer wäre. Inzwischen wurde es jedoch kaum noch benutzt. Tom stieß eine Tür auf und verkündete: „Dein Reich.“

Achtlos ließ Tim seine Tasche auf den Boden fallen. Noch nie hatte er einen von Toms Partnern kennengelernt und brannte nun darauf, diesen Emilio zu sehen. „Und wo ist nun dieser Traumtyp?“

„Einkaufen. Er kommt gleich wieder.“

Sie begaben sich in die Küche, wo sich Tim auf einem Stuhl niederließ. Die Wohnung stank richtiggehend nach Geld. Auch die Küchenzeile roch nach Reichtum. Das schlichte Design in Edelstahl musste ein Vermögen gekostet haben. „Hast du dir also endlich mal einen vermögenden Stecher gesucht.“

Tom, der sich gerade an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, runzelte die Stirn. „Sag nicht Stecher, wenn Emilio dabei ist. Er mag das nicht. Wir sind Partner.“

„So, so.“ Tim feixte. Hier spielte sich also die große Liebe ab. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Tom noch vor ihm unter die Haube kam? „Wollt ihr heiraten?“

Tom zuckte mit den Schultern. „Ich schon. Aber Emilio – also, er hat mich noch nicht gefragt.“

„Ach. Dann bist du die Frau in eurer Beziehung?“

An Toms erboster Miene erkannte er, dass er ganz schön ins Fettnäpfchen getreten war. Sein Bruder regte sich aber sofort wieder ab und gesellte sich zu ihm an den Tisch. „Hüte deine Zunge. Du bist schließlich ein Gast.“

Bevor Tim eine weitere blöde Bemerkung machen konnte, hörte er die Wohnungstür ins Schloss fallen. Neugierig drehte er sich in Richtung Flur. Ihm fiel die Kinnlade runter, als ein ausnehmend hübscher Typ, in beiden Händen Einkaufstüten, die Küche betrat. Da hatte sich Tom ja einen richtigen Adonis geschnappt.

Würde er auf Männer stehen, wäre er gelb vor Neid geworden. Tim stand aber auf Pussis, davon war er überzeugt. Okay-okay, das andere hatte er noch nie ausprobiert. Emilio würde er ganz vielleicht, wenn keine Muschi in der Nähe und er ausgehungert nach jahrelanger Abstinenz wäre, ganz vielleicht nicht von seiner Bettkante stoßen. Jedenfalls nicht sofort.

„Hi Tim“, begrüßte ihn Emilio.

„Hi“, erwiderte er.

„Martin wird tot umfallen“, murmelte Emilio.

„Stimmt“, meinte Tom.

„Warum?“ erkundigte sich Tim.

Vergeblich wartete er auf eine Erklärung. Stattdessen fing Tom an zu erzählen, wie er und Emilio einander kennengelernt hatten. Anschließend war Tim dran zu berichten, was im vergangenen Jahr geschehen war. Er hatte mal hier, mal da gejobbt und nun war er hier, in Hamburg, und wollte sich mal umsehen.



„Ziehen wir heute Abend los, Frauen aufreißen?“ erkundigte er sich nach dem Essen.

Tom verdrehte die Augen gen Himmel. „Wir gehen auf die Reeperbahn. Da gibt es ein paar Clubs, in denen du bestimmt was Passendes aufgabeln kannst.“

Zufrieden verschwand Tim in sein Zimmer, um sich ausgehfein zu machen.

Sie zogen durch diverse kleine Clubs, die in Seitenstraßen der Reeperbahn lagen. Tim trank ein Bier nach dem anderen, bis eine rassige Rothaarige in sein Visier geriet. Kaum war sein sexuelles Interesse geweckt, ließ er die Finger vom Alkohol und konzentrierte sich aufs Abschleppen. Das konnte er wahrhaft meisterlich. Nach nur einer halben Stunde hatte er die Rothaarige überredet, das Gästebett mit ihm zu teilen.

Kurz darauf saß Tim mit der Rothaarigen auf dem Rücksitz von Emilios SUV und knutschte mit ihr. Ihre Versuche, ihm an die Hosen zu gehen, unterband er allerdings. Schließlich wollte er keinen Ärger mit seinem zukünftigen Schwager, der sie ständig im Rückspiegel beobachtete.

„Und ihr seid wirklich schwul?“ erkundigte sich seine Auserkorene lautstark, als sie im Treppenhaus die Stufen hochstiegen.

Tim gluckste. „Sind sie. Keine Chance auf einen flotten Vierer.“

Sie kicherte und hielt zum Glück während des restlichen Weges den Mund. Sonderlich intelligent war es ja nicht, was da rauskam. Egal. Hauptsache sie wusste, wie man die Beine breitmachte.

Sobald sie die Wohnung betreten hatten, schob Tim sie in Richtung seines Zimmers. Seinen Bruder warnte er über die Schulter: „Es könnte laut werden. Ich hoffe, ihr habt Ohrstöpsel.“

Martin fällt beinahe tot um

Überpünktlich erreichte Martin Emilios Adresse. Auf sein Läuten hin ertönte der Summer. Er betrat das Treppenhaus. Während er die Stufen erklomm versuchte er den Neid, der beim Anblick der zwei Namen auf dem Klingelschild aufgekeimt war, zu bezwingen. Er gönnte den beiden ihr Glück. Sie konnten nichts dafür, dass er sich einsam fühlte. Gestern hatte er sogar überlegt, noch mal zu diesem Michael zu fahren. Letztendlich war er daheim geblieben. Das, was er ersehnte, konnte er bei Michael nicht finden, sondern nur Sex.

Emilio erwartete ihn in der offenen Wohnungstür. „Du bist früh dran.“

Martin drängelte sich an ihm vorbei in den Flur. „Wie sieht er aus?“, platzte er heraus.

Emilio schob ihn in Richtung Wohnzimmer. „Wie Tom.“

„Wo ist er?“

„Wahrscheinlich noch in der Rothaarigen im Gästezimmer. Ich habe ihn vorhin nur kurz auf dem Klo getroffen.“

Kaum hatte Emilio zu Ende gesprochen, wurde es laut. Ein helles Stöhnen, dann rammte etwas gegen die Wand. Das Wummern wurde lauter und lauter, das Stöhnen auch.

Martin runzelte die Stirn. „Nagelt er die Frau durch die Wand?“

Emilio seufzte. „Das habe ich mich schon gestern gefragt. Ich hoffe, sie übersteht das heil. Würde ungern den Notarzt rufen.“

Das Wummern hörte auf. Emilio feixte und ging auf den Flur, dicht gefolgt von Martin und legte das Ohr an die Tür des Gästezimmers.

„Lass mich auch mal.“ Er schob Emilio weg und nahm dessen Platz ein.

„Oh ja. Fick mich.“ Erschrocken wich er zurück, als er die helle Stimme vernahm. „Mach es mir, du geiler Hengst.“

Martins Mundwinkel zuckten nach oben. Bei Emilio passierte das Gleiche.

„Na los. Schieb dein dickes Ding in mich rein. Fester. Ja. Fester. Oh ja, los. Fick mich durch. Mach schon.“

Martin wieherte leise und fuhr erschrocken herum, als unversehens Tom hinter ihm schimpfte: „Hey, ihr Spanner! Weg da!

Beschämt ging er hinter Emilio und Tom in die Küche, wo man die Geräuschkulisse aus dem Gästezimmer bloß gedämpft hörte. Emilio und Martin setzten sich an den Tisch, während Tom begann, an der Kaffeemaschine zu hantieren. Niemand sagte einen Ton.

Bei Tom und seiner Besucherin kam es zum Finale. „Ja“, jubelte die helle Stimme. „Bums mich zu, du geiler Stier.“

Martin grinste, bemühte sich aber gleich wieder um eine ernste Miene. Desgleichen beobachtete er bei Tom und Emilio.

„Ich komm“, vernahm er ein dunkles Organ.

Ja, ja. Spritz los!“ Das war sie. Ein animalisches Stöhnen, dann erneut sie: „Ja! Spritz mich voll! Du geiles Stück.

Martin prustete los. Auch Tom und Emilio fingen an zu lachen. Als sie den Heiterkeitsanfall einigermaßen überwunden hatten, klappte eine Tür. Ein nackter Mann taumelte an der Küche vorbei und brummelte: „Muss pissen.“

Martin erstarrte. Tim – der sah wirklich haargenau so aus wie Tom! Sogar noch attraktiver. Und er hatte einen riesigen - Nein! Nicht dran denken! Er kniff die Augen zu und stellte sich Leberwurst vor, um das Kribbeln in seinem Schritt zu bekämpfen. Er hasste nämlich Leberwurst. Leider musste er, statt an die verhasste Wurst, an Tims Riesenwurst denken.

„Martin? Alles in Ordnung?“, riss Emilios Stimme ihn aus seiner Fantasievorstellung.

Er atmete tief durch und blinzelte. „Ich – ich geh dann wohl besser.“

„Was ist mit dem Essen?“, wandte Tom ein.

„Ein anderes Mal.“ Martin sprang auf und hastete in den Flur. Just in dem Moment sprang die Badezimmertür auf. Fast rannte er in Tim hinein. Geistesgegenwärtig griff er nach Tims Arm und hielt ihn fest, weil er bedrohlich schwankte. Ein Kribbeln rann durch seine Finger bis hoch zur Schulter. War das der berühmte Funke, der übersprang? Tim starrte, ohne zu blinzeln, zu ihm hoch. Merkte er es auch? Die Zeit schien stillzustehen.

„Hey, mein Hengst, wo bleibst du?“, unterbrach eine weibliche Stimme den ergreifenden Moment.

Martin erwachte aus der Starre, ließ Tim los und rieb seine weiterhin kribbelnden Finger. Tim guckte in Richtung Gästezimmer. Ein dümmliches Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

„Ich komme schon, mein Täubchen“, säuselte er und huschte an Martin vorbei.

Einen Augenblick stand Martin da wie betäubt, dann setzte er seinen Weg zur Wohnungstür fort. Langsam stieg er die Stufen runter, ging zu seinem Wagen und setzte sich hinein. Er war total aufgewühlt. In seinem Bauch tanzten Schmetterlinge und in seiner Hose herrschte Enge.

Um wieder zur Besinnung zu kommen, schlug er die Stirn aufs Lenkrad. Nun tat zwar sein Kopf weh, doch das lenkte wunderbar von dem Gekribbel in seinem Magen ab. Gegen den Ständer half nur eins: Michael. Er startete den Motor und raste los.

Michael lächelte erfreut. Dennoch quiekte er erschrocken auf, als Martin ihn am Arm direkt ins Schlafzimmer zerrte und kurzen Prozess mit ihren Klamotten machte.

„Ich will ficken“, verkündete Martin.

„Können wir nicht vorher ein bisschen küssen?“ fragte Michael leise.

Martin riss ihn in seine Arme und gab ihm einen harten Kuss.

„Okay, lass uns loslegen“, gab Michael nach.

Martin legte los. Nach Strich und Faden rammelte er Michael durch. Anschließend legte er eine kurze Pause ein, um ihn dann erneut zu vögeln. Erst nach dem zweiten Orgasmus fand er etwas Ruhe.

Während er sich anzog warf er Michael, der wie eine zerbrochene Gliederpuppe auf dem Bett lag, einen entschuldigenden Blick zu. „Sorry, es war dringend.“

„Komm wieder her, wenn du es brauchst.“

Er gab Michael einen Kuss auf die Stirn, bevor er die Wohnung verließ. Sein Schwanz war nun zufrieden, doch sein Herz weiterhin sehnsüchtig. Es hatte ihn voll erwischt, noch viel schlimmer als bei Tom. Gegen seine ehemaligen Gefühle war es wie ein Tornado im Vergleich zu einem lauen Lüftchen.

Diesmal verzichtete er darauf, seine Stirn gegen das Lenkrad zu schlagen. Er fürchtete um seine hübsche Visage, und geholfen hatte es auch nicht wirklich. Irgendwie musste er klarkommen, denn Tim war unerreichbar. Ausgerechnet bei einem Hetero war ihm sein Herz ausgebüxt.

Andererseits war Emilio auch einer gewesen, und nun waren er und Tom das glücklichste Paar der Welt. Die Hoffnung starb immer zuletzt.

Martin fuhr nach Hause. Die halbe Nacht wälzte er sich schlaflos im Bett von einer Seite auf die andere. Liebeskummer war das Schlimmste aller Leiden. Die Welt würde untergehen, wenn er Tims Liebe nicht gewinnen konnte.

4. Sex, Amrum und der coole Kommissar - Anton

Hochzeit auf Amrum: Alle feiern, dann wird eine Tote gefunden. Kommissar Anton Schumacher ermittelt, unterstützt von Emil, dem Saisonbullen. Zwischen ihnen sprühen Funken.

Prolog

In dieser Saison wird unsere schöne Insel durch Wachtmeister Emil Pedersen aus Hamburg noch sicherer sein. Für drei Monate entlastet er unseren hiesigen Polizisten, Wachtmeister Bjarne Brunkenstrunk. Wir wünschen ihm eine schöne und vor allem ruhige Zeit auf Amrum.

Emil ließ den Inselboten sinken und guckte aus dem Fenster der kleinen Polizeistation in Nebel. Wie süß, dass ein persönlicher Willkommensgruß in der Zeitung abgedruckt wurde. Weniger süß war sein Kollege Brunkenstrunk, der schnarchend auf der anderen Seite des Raumes in einem Sessel hing.

Entlasten hieß in diesem Fall eher, dass er die ganze Arbeit erledigte und sein Kollege pennte. Na ja ... von Arbeit konnte man kaum reden. Eigentlich gab es für Gesetzeshüter auf Amrum so gut wie keine, wenn man mal von Nachbarschaftsstreitigkeiten oder randalierenden Betrunkenen absah.

Emil seufzte und fuhr sich durchs Haar. Mit einem genervten Blick auf Bjarne verließ er die Dienststube und ging in den Waschraum. Während er sich seine Hände wusch, guckte er in den Spiegel. Mit den blauen Augen und dichten, langen Wimpern sah er nicht übel aus. Er lächelte sich zu. Jedenfalls hatte er noch nie Schwierigkeiten gehabt, einen Sexpartner zu finden.

Er stand auf Männer. Das war keine Schande, aber auf Amrum leider ein kleines Problem. Clubs, in denen er Gelegenheitsficks hätte aufreißen können, gab es hier nämlich nicht.

Er begab sich in die Klokabine. Einen Monat war er bereits hier und hatte dementsprechend genauso lange keinen Sex. Das bereitete ihm weniger Sorgen, sondern mehr die Durststrecke, die noch vor ihm lag.

Die schmutzigen Gedanken hatten ihn halb hart gemacht. Er holte seinen Schwanz hervor und rief sich das Bild des Typen, den er vor seiner Abreise auf dem Revier gesehen hatte, in Erinnerung. Groß, braunhaarig, muskulös, mit dunklen Augen. Seine Semierektion wurde zu einer ganzen. Unterdrückt stöhnend pumpte er in seine Faust, wobei er mit der anderen Hand seine Eier knetete. Rasch kam der Gipfel näher.

Plötzlich sprang die Tür zum Waschraum auf und Bjarnes Stimme erklang: „Emil?“ Ein Klopfen an der Kabinentür. „Bist du da drin? Ich brauche deine Hilfe. Da liegt ‘ne Leiche im Wald.“

Jasper heiratet

Der Aufmarsch vor dem Standesamt in Nebel konnte sich sehen lassen. Es wimmelte von Testosteronriesen und schönen Frauen, allen voran die Braut in ihrem weißen Spitzenkleid.

Stolz betrachtete Jasper seine zukünftige Frau und zog sie an sich, um sie zu küssen. Sanft strich er über ihren gewölbten Bauch. Wie immer, wenn er sich bewusst wurde, dass er Vaterfreuden entgegensah, erfüllte ihn Ehrfurcht. Er hatte Samira geschwängert, was war er doch für ein Held.

Samira lächelte ihren Zukünftigen an. „Na, Supermann. Alles klar?“

Jasper nickte. „Du hättest aber wirklich nicht alle einladen müssen.“

Sie kicherte und schaute sich um. Es fehlte wirklich niemand, bis auf Conan und Roxanne, die später kommen würden. Auch die Crew der Firma Low-Budget-Films sowie Lars und Hannes waren erschienen. Für diesen Anlass hatte sogar Karla ihren stets präsenten Gameboy in der Tasche gelassen und hielt sich stattdessen an ihrem Ehemann fest. Egon Schmierig, der Chef von Low-Budget-Films, stand etwas verloren mit Mona Flittig und Peter am Rand der Gesellschaft.

„Doch, ich musste es tun. Hier schließt sich der Kreis, wie Martin zu sagen pflegt.“ Sie guckte vielsagend in Richtung Martin und Tim. Eines der vielen Paare, die sich auf Amrum gefunden oder versöhnt hatten.

Der Standesbeamte erschien in der Tür und winkte ihnen zu. „Jasper, Samira, es geht los.“

Sie griff nach Jaspers Hand, die ganz kalt war. „Willst du immer noch ja sagen oder blasen wir alles ab?“

Es waren diese Momente, in denen Jasper seine zukünftige Frau besonders liebte: Sie ließ ihm eine Wahl, obwohl er keine hatte.

„Schätzchen, hier wird gar nichts geblasen. Lass es uns hinter uns bringen.“ Mit einem Schwung hob Jasper seine zukünftige Frau hoch und trug sie ins Standesamt. Er hatte schon andere Dinge gemeistert, da war eine Hochzeit doch ein Pappenstiel.

Trotzdem war er käsebleich, als er nach der Zeremonie wieder ins Freie trat. Die Braut hingegen strahlte und warf ihren Strauß in die Menge. Tim fing ihn auf. Schmunzelnd beobachtete sie, wie Martin mit funkelndem Blick auf Tim zuging, dann verstellten ihre Leute die Sicht.

Zwischen den ganzen Umarmungen und Glückwünschen erhaschte Samira einen Blick auf Peter, der mit Mona wieder am Rand stand. Die beiden schienen sich zu streiten. Sie beäugte ihren Mann, der langsam wieder Farbe im Gesicht bekam und das Ganze verdaut zu haben schien. Jasper schien einen Schock erlitten haben, sein Singletum endgültig zu verlieren. Zusammen mit dem Baby, das sie erwartete, war es ein Wunder, dass Jasper noch hier war und lächelte, statt im nächsten Flugzeug zu sitzen.

„Geht es dir gut, Schatz?“ flüsterte sie ihm zu.

„Ich bin mit dir verheiratet. Es muss mir gut gehen“, erwiderte Jasper. Tatsächlich fühlte er sich wohl zwischen all seinen Freunden, von denen viele sein Schicksal teilten.

Inzwischen war die bestellte Pferdekutsche, die das Brautpaar mit den engsten Freunden zurück nach Wittdün bringen würde, vorgefahren. Er griff nach Samiras Hand und führte sie zu dem Gefährt.

Während Samira direkt hinter dem Kutscher Platz nahm, warf sie noch einmal einen Blick in die Runde. Peter und Mona entdeckte sie in inniger Umarmung neben Egon Schmierig. Zufrieden seufzend, dass keine Gewitterwolken drohten, griff sie nach einem der bereitstehenden Sektgläser.



Im Garten von Tante Elviras Pension war ein großes Zelt errichtet worden. Das Brautpaar hatte das gesamt Haus angemietet, um sich und die Gäste unterzubringen. Als Stammgast, und guter Freund von Elviras Neffen Joe, war es Jasper möglich gewesen, Elvira für sein Vorhaben zu gewinnen. Sie war ohnehin romantisch veranlagt und geriet stets in Verzückung, wenn die Freunde ihres Neffen auf Amrum heirateten.

Die Hochzeitsgäste trudelten nach und nach ein. Fröhliches Stimmengewirr erfüllte den Garten. Martin hatte Tims Hand während der ganzen Fahrt nicht losgelassen. Dass ausgerechnet Tim den Brautstrauß gefangen hatte, erschien ihm wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Da würde er wohl demnächst mal mit einem Ring einen Antrag machen müssen.

Nachdem alle Gäste eingetroffen waren und ihr Verschwinden in dem Trubel gar nicht auffiel, zog er Tim in eine einsame Ecke des Gartens. Ihre Liebe war noch derart frisch, dass er jetzt dringend einen Kuss brauchte. Auch Tim schien so zu fühlen, denn er warf sich gleich in seine Arme, kaum dass sie hinter ein paar Büschen verschwunden waren. Ihre Lippen trafen sich zu einem stürmischen Kuss, der ihm das Blut in die Lenden trieb. Sehnsüchtig rieb er sich an Tims Hüften und stöhnte leise.

„Ich würde jetzt so gerne ...“, murmelte Tim mit rauer Stimme.

„Ich auch“, erwiderte Martin und küsste Tims Ohrmuschel.

Er wusste, dass sein Liebster dort überaus empfindlich war. Prompt legte Tim den Kopf in den Nacken, um mehr Angriffsfläche zu bieten. Ein leises Seufzen drang an Martins Ohr, als er sanft an Tims Kehle knabberte.

„Lass uns aufs Zimmer gehen. Wir werden bestimmt nicht vermisst“, schlug er vor.

Hand in Hand schlichen sie um das Haus herum, zum Hintereingang. Dort saß Elviras Mann und rauchte seine Pfeife. Er nickte ihnen zu und guckte dann wieder in die Gegend. Flink schlüpften sie ins Haus und rannten die Treppe in den ersten Stock hinauf. Martin vernahm Geräusche, die aus einem Zimmer am anderen Ende des Flures stammten.

„Da treiben es welche ja ganz wild“, meinte Tim mit einem dreckigen Grinsen.

Martin bugsierte Tim in ihr Zimmer. Er wollte es jetzt auch wild treiben, da interessierten ihn andere Paare wenig.

Kaum war die Tür abgeschlossen riss er sich die Klamotten vom Leib. Nackt stand er mitten im Raum und guckte zu, wie sich Tim aus den Kleidern schälte. Der Anblick machte Martin noch schärfer.

„Schneller“, bat er ungeduldig.

Ein mutwilliges Grinsen auf den Lippen und betont langsam schob sich Tim die Shorts von den Hüften, drehte sich um und bückte sich, um das Teil ganz auszuziehen. Ein Zischen, wie das einer Dampflok, entwich Martin, als er den heißen Knackarsch erblickte.

Mit einem Schritt stand er hinter Tim und legte seine Hände um die festen Backen. Dieser Hintern war absolut anbetungswürdig. Er sank auf die Knie, zog die Arschbacken auseinander und begann, seine Zunge zum Einsatz zu bringen. Tim liebte diese intime Liebkosung, bog sich ihm entgegen.

„Martin“, bettelte er. „Schnell, gib mir deinen Schwanz.“

Dieser Aufforderung konnte er nicht widerstehen, und sein Ständer noch weniger. „Leg dich aufs Bett“, befahl er.

Tim gehorchte, rollte sich auf den Rücken und zog die Knie bis an die Brust hoch, bot sich schamlos an. Der Anblick brachte sein Blut zum Kochen. Dennoch tat er gelassen, umfasste seine Erektion und pumpte sie ein bisschen, wobei er Tim angrinste. „Du bist so sexy.“

Sein Liebster erwiderte das Lächeln. Der Schlingel wusste genau, dass er nicht lange warten würde. Außerdem reizte er Martin noch mehr, indem er seine Arschbacken auseinander zog. Das brachte seine Beherrschung zum Einsturz.

Mit einem Satz befand er sich zwischen Tims Beinen und presste seine Latte gegen die enge Öffnung, die durch seinen Speichel schön nachgiebig war. Er stöhnte erleichtert auf, als er in sie hineinglitt. Vorgebeugt suchte er Tims Lippen und küsste ihn zärtlich.

„Liebe dich“, flüsterte er.

Tim reagierte mit Fickbewegungen der Hüften. Keuchend und zunehmend schwitzend wiegten sie sich dem Höhepunkt entgegen.

Atemlos lagen sie danach nebeneinander. Zarte Küsse. Sanftes Reiben von Nase an Nase und verliebte Blicke. Postkoitale Zärtlichkeiten gehörten zu ihrem Pflichtprogramm. Martin konnte nicht ohne und wie er inzwischen wusste, ging es Tim genauso.

„Wir müssen zurück zur Hochzeit“, mahnte er nach einer Weile.

„Gleich. Lass uns noch ein bisschen kuscheln“, bat Tim mit Welpenblick.

Als sie schließlich kuschelsatt waren, duschten sie gemeinsam, bevor sie sich anzogen und zur Hochzeitsgesellschaft zurückkehrten. Auf dem Flur waren wieder Geräusche, die vom hinteren Teil des Gangs stammten, zu vernehmen.

„Oh Mann, die treiben es aber wirklich lange“, merkte Tim schmunzelnd an.

Martin, ebenfalls lächelnd, griff nach Tims Hand und zog ihn die Treppe runter.

Das Fest war weiterhin voll im Gange. Zum Glück gab es noch reichlich zu essen, so dass sich Martin und Tim zwei Teller mit Essen beluden und nach einem Platz an einem der Tische suchten. Neben Lars und Hannes waren zwei Stühle frei.

„Wie läuft die Party?“ fragte Martin, als er sich neben Lars setzte.

„Ausgezeichnet. Der Bräutigam wirkt noch einigermaßen nüchtern und die Braut lächelt in einem fort.“ Lars gluckste. „Und wie läuft es bei euch?“

„Mega“, antwortete Martin mit vollem Mund.

„Spitzenmäßig“, ergänzte Tim kauend.

Derart offensichtliches Glück ließ Lars seufzen und nach Hannes‘ Hand tasten. Er beugte sich hinüber und küsste seinen Freund zärtlich auf die Lippen, als Geblubber auf der Straße laut wurde.

„Conan kommt“, murmelte Hannes an Lars‘ Mund.

Widerstrebend beendete Lars den Kuss. Am liebsten würde er sich mit Hannes ins Haus verziehen, doch das musste warten.

Das Geräusch erstarb. Kurz darauf teilte sich die Gästeschar, als der Fürst der Finsternis mitsamt Gattin auf das Brautpaar zuschritt. Conan trug das Haar offen und war ganz in schwarzes Leder gekleidet, genau wie Roxanne. Wenn Lars nicht gewusst hätte, dass Conan in Wirklichkeit ein Sensibelchen war, hätte er sich bei dem Anblick gefürchtet.

Conan umarmte Samira, während Roxanne Jasper in ihre Arme zog. Danach wechselten sie die Partner.

Die Gäste, die bei dem Auftritt verstummt waren, begannen wieder zu plaudern.

Conan, eine Flasche Bier in der Hand, gesellte sich zu Lars‘ Gruppe. „Na, ihr Turteltäubchen.“ Er ließ sich auf einem freien Stuhl nieder und beäugte Tim. „Und wer bist du?“

„Tim.“

„Er ist mein Freund“, erklärte Martin.

Conan warf Lars einen finsteren Blick zu. „Machst du jetzt alle um dich herum schwul?“

„Nö. Du bist ja noch hetero“, gab er grinsend zurück.

„Das bleibt auch so“, bemerkte Roxanne, die in diesem Moment auftauchte.

Conan sah zu ihr hoch und ein süßes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er zog Roxanne auf seinen Schoß und legte beide Arme um sie. „Stimmt. Ich bleibe lieber so, wie ich bin.“

Eine Bewegung im Hintergrund weckte Lars‘ Aufmerksamkeit. Mona trat aus der Pension, gefolgt von – ein paar Gäste verstellten Lars den Blick, so dass er die Person nicht sehen konnte. Er wandte sich wieder den anderen zu Sollte Mona doch machen, was sie und mit wem sie wollte. Es ging ihn nichts an.

Blaue Maus

Nachdem das Buffet geplündert und die Getränke fast aufgebraucht waren, zog ein großer Teil der Hochzeitsgesellschaft in die Blaue Maus um. Ein paar Gäste nutzten die Chance, sich in ihre Zimmer zu verkrümeln, so auch Lars und Hannes. Sie spürten das Bedürfnis nach inniger Zweisamkeit.

Jasper hatte inzwischen ein Stadium erreicht, in dem er nicht mehr genau wusste, wie er hieß. Die Braut hielt sich von ihrem betrunkenen Gatten fern und plauderte mit ihren Freundinnen. Martin und Tim hatten es sich mit Emilio und Tom am Tresen gemütlich gemacht. Es versprach ein entspannter Abend zu werden.

Peter torkelte durch die Kneipe und fragte mal den, mal den: „Hast du Mona gesehen?“, doch jeder schüttelte den Kopf.

Als der Wirt die Musik lauter drehte, fingen viele der Gäste zu tanzen an. Irgendwann trugen Conan und Joe den volltrunkenen Jasper, der die letzten Stunden schlafend in einem Strandkorb verbracht hatte, nach Hause. Als er von der Braut vermisst wurde, war man auf die Suche gegangen und hatte ihn draußen gefunden.

Zwischen zwei Gästen war ein Streit entbrannt. Nachdem sich Theo mit Jasper hatte volllaufen lassen, war es mit Alex zu einem kleinen Wortwechsel gekommen, der schließlich in eine lautstarke Auseinandersetzung mündete. Daraufhin hatte Alex wutentbrannt die Blaue Maus verlassen und war stundenlang durch die Dunkelheit gelaufen. Am Ende wusste sie nicht einmal mehr, worum sie eigentlich mit Theo gestritten hatte. Als sie in ihr gemeinsames Zimmer kam, war sie völlig fertig und kuschelte sich an den schnarchenden Theo.

Gegen drei Uhr morgens erloschen die Lichter in der Blauen Maus. Die letzten Gäste begaben sich auf den Heimweg. Es handelte sich um Conan, Roxanne und Peter.



Wenige Stunden später gönnte die Morgensonne den Schnapsleichen keine Ruhe, als sie sich ihren Weg durch die Gardinen suchte. Gequältes Stöhnen erklang in einigen der Zimmer im Obergeschoss von Elviras Pension. Bettdecken raschelten, Kissen wurden über den Kopf gezogen.

Eine Weile herrschte Ruhe, bis die ersten Frühaufsteher über den Flur trappelten. Elvira hatte bereits das Frühstücksbuffet aufgebaut, während ihr Mann vor der Hintertür Pfeife rauchte.

Ein bisschen weiter weg, im Steenodder Wald, ging eine Pilzpflückerin ihrer Passion nach. Ihr Hund wuselte um sie herum, während sie sich hier und da bückte, um einen Speisepilz zu ernten. Aus dem Augenwinkel entdeckte sie einen besonders schönen Steinpilz. Sie bahnte sich einen Weg durchs Unterholz, als ihr Blick auf einen Schuh fiel. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn in dem Schuh nicht ein Fuß gesteckt hätte, der wiederum zu einer Frau gehörte, die offensichtlich tot war. Die geöffneten Augen starrten ins Leere.

Die arme Pilzpflückerin erschrak sich mächtig. Sie stolperte rückwärts, fiel fast hin, wandte sich um und rannte davon. Erst als sie den Wald hinter sich gelassen hatte, griff sie nach ihrem Handy, um die Polizei zu rufen.

Kriminalpolizei - das Verhör

Bjarnes Hände am Lenkrad zitterten, als sie nach Steenodde fuhren. Das lag bestimmt eher an dem Leichenfund als der Situation, in der er Emil angetroffen hatte. Na gut, es war eh die Kabinentür dazwischen gewesen. Zumindest hoffte Emil, dass sein Tun unentdeckt geblieben war.

Trotzdem die Nachricht wie ein kalter Guss wirkte, hatte er kaum seinen Ständer in der Hose verstaut bekommen. Ausgerechnet in seiner Saison geschah ein Mord!

„Da wären wir“, murmelte Bjarne und parkte den Dienstwagen vor einem Waldstück.

Emil stieg aus und guckte sich um. Wiesen, Wasser, Wald und ganz viel Himmel. Himmel, Arsch und Zwirn! Wieso hatte der Mörder sein Opfer nicht woanders abgemurkst? Sowas konnte man doch in einer von St. Paulis dunklen Gassen erledigen.

Missmutig folgte er Bjarne in das Waldstück. Sein Blick wanderte dabei umher, auf der Suche nach Spuren.

„Hey, Emil, komm mal her!“, rief Bjarne, der sich ins Unterholz begeben hatte.

Hinter einem Baumstamm stand sein Kollege, ganz grün im Gesicht und starrte die ungefähr einen Meter entfernt liegende Leiche an. Auch Emil verspürte Würgereiz, wagte sich jedoch näher an den Tatort heran.

Während seiner Ausbildung hatte er zahlreiche Fotos von gewaltsam Verstorbenen angucken müssen. Im Vergleich sah die Tote gar nicht übel aus. Lange, blonde Locken lagen ausgebreitet um ihren Kopf. Ein hübsches Gesicht, das durch die starr blickenden Augen leider entstellt wurde. Sie trug Highheels. Emil fragte sich, was die Frau mit solchen Absätzen im Wald zu suchen hatte.

Kotzgeräusche in seinem Rücken. Er glotzte weiter die Leiche an und überlegte, was nun zu tun war. „Was machen wir nun?“ formulierte er seine Frage laut.

„Kriminalpolizei ist unterwegs“, nuschelte Bjarne, dann ging das Kotzen weiter.

Emil löste den Blick von der Toten und guckte sich um. Hübscher Wald, aber was tat man hier nachts? Ein Stelldichein mit einem Mann? Sein Blick wanderte zurück zu der Frau. In seinem Kopf begann ein Film zu laufen, wie es passiert sein könnte.

„Mann-o-Mann, Emil! Träum nicht. Wir müssen den Tatort absperren“, holte ihn Bjarne aus seiner Kinovorstellung.

Dankbar für diese Ablenkung folgte Emil seinem Kollegen zum Polizeiwagen. Im Kofferraum befand sich Absperrband, mit dem sie zurück zur Leiche gingen. Wie er es aus dem Fernsehen kannte, sperrte er den Tatort großräumig ab. Leider reichte das Band nicht aus. Einmal mit Profis arbeiten, dachte er seufzend.

„Hast du ein Seil oder so?“, wandte er sich an Bjarne, der stumm zugesehen hatte.



Unterdessen stand Kommissar Anton Schumacher an Bord der Fähre, die sich Wittdün näherte. Eigentlich war er auf dem Weg in den Urlaub. Leider besaß sein Chef von seinem Reiseziel Kenntnis, hatte ihn auf dem Handy angerufen und kurzerhand beauftragt, sich um einen Mord zu kümmern.

Missmutig betrachtete Anton die Häuser Wittdüns, die schon klar zu erkennen waren. Wieso traf es ausgerechnet ihn? Außerdem: Wenn gemordet wurde, dann doch bitte nur dort, wo genug Polizeipräsenz herrschte, um sich der Sache anzunehmen.

Eigentlich sollte niemand gemeuchelt werden, aber er konnte die Täter manchmal ein klitzekleines bisschen verstehen. Vor einiger Zeit war er in eine Situation geraten, in der er seinem Freund am liebsten den Hals umgedreht hätte, nämlich, als er das Arschloch beim Ficken mit dem Nachbarn erwischt hatte. Somit handelte es sich inzwischen um seinen Ex-Freund.

Was seine Neigung betraf: Davon brauchte keiner wissen. Er war der Meinung, dass ein Kommissar nicht öffentlich schwul zu sein hatte. Vielleicht war sein Ex deswegen fremdgegangen. Ach, der Grund sollte ihm doch egal sein. Tatsache war, dass es ihn tief verletzt hatte, den Nachbarn in seinem Liebsten steckend vorzufinden. Er teilte nicht gern, selbst wenn es sich um Arschlöcher handelte.



Gespannt beobachtete Emil die Leute, die von der Fähre kamen. Wie sah der Kommissar wohl aus? Er stellte sich gerade jemanden à la Men in Black vor, als ein großer, kräftiger Mann mit braunen Haaren und Sonnenbrille in sein Blickfeld geriet. Verdammt! Seine Wichsphantasie der letzten vier Wochen kam auf den Dienstwagen zu.

„Wachtmeister Brunkenstrunk?“, bellte der Mann.

Bjarne sprang aus dem Wagen und nahm Haltung an. „Kommissar Schumacher! Ich bin sehr froh, dass Sie so schnell kommen konnten.“

„Ich nicht“, brummelte Schumacher.

Diensteifrig riss Bjarne den Kofferraum auf, in den der Kommissar das Gepäck legte. Anschließend kletterte er auf die Rückbank.

„Hallo, ich bin Emil Pedersen“, stellte sich Emil vor.

„Schumacher“, erwiderte der Kommissar.

Während der Fahrt zum Tatort herrschte Schweigen. Selbst der sonst geschwätzige Bjarne hielt den Mund. Am Steenodder Wald hatte sich inzwischen eine kleine Menge Schaulustiger versammelt.

„Ich hoffe, Sie haben den Tatort wenigstens abgesperrt“, meinte Schumacher angesichts der Leute.

„Selbstverständlich“, antwortete Bjarne, stieg aus und öffnete die Tür für den Kommissar.

Über diese Aktion musste Emil grinsen, war sein Kollege doch sonst eher für gewisse Behäbigkeit bekannt. Das Grinsen verging ihm jedoch, als Schumachers kühler Blick ihn traf.

„Sie finden Morde lustig, Pedersen?“, fragte der Kommissar süffisant.

Da war aber jemand schlecht gelaunt. Emil setzte eine ernste Miene auf und schüttelte den Kopf. „Nein, Herr Kommissar. Keineswegs.“

Schumacher schnaubte und folgte Bjarne, der die Schaulustigen fortscheuchte und zwischen den Baumstämmen verschwand.

Neben der Toten, die er und Bjarne mit einer Plane abgedeckt hatten, hielt der Leichenbestatter Wache. Als sie näherkamen, straffte der Mann die Schultern und räusperte sich. „Ich habe niemanden hier rangelassen. Wie du befohlen hast, Bjarne.“

„Wunderbar“, knurrte Schumacher und zog die Plane weg. „Todesursache?“

Bjarne kratzte sich im Nacken und zuckte mit den Schultern.

„Spuren? Irgendwas? Zeugen? Verdächtige?“, fragte Schumacher weiter.

Erneutes Achselzucken.

„Wer ist die Tote?“ Der Kommissar winkte seufzend ab. „Ach – lassen wir das. Packen Sie die Dame ein. Ich habe nicht die richtige Ausrüstung dabei, um Spuren zu sichern. Verlassen wir uns darauf, dass irgendwer irgendwas gesehen hat.“

Schumacher guckte sich um und ertappte Emil bei einem spöttischen Grinsen. Flink bog er die Mundwinkel runter, doch zu spät.

„Sie, Pedersen. Irgendwelche nützlichen Informationen?“, blaffte Schumacher ihn an.

In diesem Moment begann es in Bjarnes Hosentasche zu vibrieren.

***

In Tante Elviras Pension saß man vollzählig am Frühstückstisch, bis auf das Brautpaar, das einen lautstarken Streit in seinem Zimmer austrug.

Lars richtete das Wort an Peter, der stumm in seine Kaffeetasse starrte. „Und? Hast du Mona gestern noch gefunden?“

Peter schüttelte den Kopf. „Nein. Und sie ist immer noch nicht aufgetaucht.“

Lars wandte sich wieder seinem Brötchen zu, eine Hand auf Hannes‘ Knie gelegt. Auf Amrum konnte man doch gar nicht spurlos verschwinden. Die Sache kam ihm merkwürdig vor. Er erinnerte sich daran, dass er Mona, ohne ihren Begleiter zu erkennen, gestern beim Verlassen der Pension gesehen hatte. War sie vielleicht entführt worden?

Lars erhob sich und ging zu Elvira in die Küche. Sie stimmte ihm zu, dass man zumindest bei der Polizei nachfragen sollte und diktierte ihm die Telefonnummer aus dem Gedächtnis. Logisch. Wenn jemand ein wandelndes Telefonbuch war, dann sie.

Eine Anrufweiterleitung führte das Gespräch auf ein Handy, und nach dem zweiten Klingeln ging jemand ran. „Brunkenstrunk.“

„Ich möchte eine vermisste Person melden“, sagte Lars.

***

„Es könnte sich um Mona Flittig handeln“, verkündete Bjarne nach dem Telefonat.

Schumacher hob die Augenbrauen. „Passt die Beschreibung?“

„Wie das Tüpfelchen aufs I“, meinte Bjarne und ergänzte eilig: „Sie ist ein Gast aus Tante Elviras Pension. Dort war gestern eine Hochzeit. Frau Flittig gehört zu den Gästen.“

Schumacher strich sich übers Kinn und fixierte erneut Emil, woraufhin der seine Schuhspitzen inspizierte, um dem stechenden Blick zu entgehen.

„Dann fahren wir mal da hin und befragen die Gäste, nicht wahr?“, sagte der Kommissar.

Bjarne ging voran zum Dienstwagen. Inzwischen hatte der Leichenbestatter die Tote in einen schwarzen Plastiksack verpackt und war dabei, sie mit zwei Gehilfen abzutransportieren.

„Sie da!“, bellte Schumacher, woraufhin der Bestatter in ihre Richtung guckte. „Haben Sie eine Kühlkammer?“

„Ja, schon, aber darin lagere ich momentan Schweinehälften.“

War der Mann zugleich Schlachter? Emil verbiss sich ein Grinsen.

„Tun Sie der Polizei einen Gefallen und bewahren Sie die Leiche dort auf, bis sie zur Obduktion abgeholt wird“, bat Schumacher.

Der Schlachter/Bestatter nickte und stieg zu den Gehilfen in den Wagen. Emil guckte dem Fahrzeug hinterher und überlegte, ob er jemals wieder Fleisch auf Amrum einkaufen würde. Die Vorstellung, dass es neben menschlichen Überresten lagerte, verdarb ihm den Appetit.

„Einen Penny für Ihre Gedanken“, riss Schumachers Stimme ihn aus seinen Gedanken.

„Keine gut Investition“, erwiderte er trocken.



In Tante Elviras Pension platzten sie in eine Frühstücksrunde. Als Bjarne voran den Raum betrat, verstummten alle und starrten sie an. Schumacher schob sich an Emils Kollegen vorbei und hielt plötzlich inne.

„Gibt es hier eine Hengstzucht?“ flüsterte der Kommissar Bjarne zu.

„Das sind meine Lieblingsjungs“, erklärte Elvira, die sich mit einer Kaffeekanne in der Hand an ihnen vorbeidrängelte.

Emil musterte die Lieblingsjungs. Insbesondere der große, dunkle Typ hinten in der Ecke wirkte gefährlich. Neben ihm trat Bjarne von einem Fuß auf den anderen und warf dem Kommissar fragende Blicke zu.

„Wir sind hier, um ein paar Fragen zu einer Mona Flittig zu stellen“, ergriff Schumacher das Wort.

Schweigen. Niemand rührte sich.

„Also, kennt jemand von Ihnen eine Mona Flittig?“, fragte Schumacher in die Runde.

Ein großer Blonder stand auf. „Ich habe angerufen und sie als vermisst gemeldet. Ist sie gefunden worden?“

„Dazu später“, erwiderte Schumacher. „Noch weitere Kommentare?“

„Ich kenn das Flittchen“, sagte jemand hinter ihnen.

Emil schaute über die Schulter. Ein Typ mit blutunterlaufenen Augen stand in der Tür.

„Ähm, Jasper?“ Ein zweiter Blonder warf einen vielsagenden Blick in Richtung Schumacher. „Ich denke, das hier ist eine ernsthafte Befragung. Also benutze nicht solche Ausdrücke.“

„Aber sie war – äh, ist ein Flittchen!“ Ein Typ guckte Blondie zwei vernichtend an.

Schumacher hob eine Hand. „Herrschaften, Ruhe bitte.“

Blondie eins setzte sich. Der Neuankömmling nahm ebenfalls Platz und zog eine Frau auf seinen Schoß.

„Also, Herrschaften“, lenkte Schumacher die Aufmerksamkeit, die auf den beiden lag, wieder auf seine Person. „Es geht mit höchster Wahrscheinlichkeit um einen Mord.“

Stille, dann brach ein Sturm aus. Alle redeten durcheinander. Bjarne wurde laut, um dem Kommissar Verhör zu verschaffen: „Ruhe! Verdammt nochmal! Haltet die Klappe!

„Ich würde gern mit jedem, der Frau Flittig gekannt hat, unter vier Augen reden. Frau – äh, Frau Elvira, kann ich eines Ihrer Zimmer dafür benutzen?“

Eilfertig bot die Dame ihr Arbeitszimmer dafür an. Ihre Wangen waren gerötet und es schien, als wäre alles an ihr gleichzeitig in Bewegung. Sie führte den Kommissar aus dem Raum.

Kurz darauf ertönte Schumachers Stimme: „Pedersen, helfen Sie mir bei der Befragung. Brunkenhorst, bleiben Sie bei den Gästen.“

Emil begab sich ins Arbeitszimmer und erlitt angesichts des Ambientes einen gelinden Schock. Wohin man auch sah: Rosen.

„Mein Gott“, murmelte er und ließ sich auf den Stuhl fallen, der neben Schumachers hinter einem wuchtigen Schreibtisch stand.

„Kann man wohl sagen“, gab Schumacher trocken zurück und holte ein Diktiergerät aus der Tasche. „Haben Sie schon mal eine Befragung durchgeführt?“

Emil schüttelte den Kopf. Er war vollkommen davon eingenommen, derart dicht neben seiner Wichsvorlage zu sitzen. Herber Seifenduft wehte zu ihm rüber. Es kostete ihn Mühe, sich zusammenzureißen und nicht auffällig zu schnuppern.

„Ich stelle die Fragen, Sie beobachten. Alles klar?“

Er nickte.

Einige Zeit später brummte ihm der Schädel. Fast jeder war verdächtig, sogar ein paar der Frauen. Die Flittig schien sich ja quer durch Testosteronhausen gebumst zu haben, was er ihr nicht verdenken konnte. Wenn auch nur einer dieser Typen schwul wäre ... na ja, es waren schon welche darunter, aber es handelte sich um fest liierte. Außerdem saß das Objekt seiner Begierde neben ihm und war bestimmt hoffnungslos hetero.

Schumacher lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Was meinen Sie, Pedersen? Wer ist verdächtig?“

„Der Bräutigam. Und der Beleuchter, dieser Peter. Und Emma.“

Schumacher schien der gleichen Meinung zu sein, denn er nickte. „Was ist mit Theo oder Alexandra?“

„Die haben kein Motiv.“

Der Kommissar stand auf und streckte sich. Bei den Stühlen bestand erheblicher Nachbesserungsbedarf. Das Polster war total durchgesessen. Auch Emil fühlte sich steif.

„Hier sind wir erstmal fertig. Helfen Sie Brunkenstrunk, die Personalien aufzunehmen“, bat Schumacher.

Rasch verließ Emil den Raum. Zum einen war er erleichtert, den erdrückenden Rosen zu entkommen, zum anderen Schumachers Nähe. Er ging in das Zimmer, in dem sich Bjarne inzwischen zu der Frühstücksrunde gesellt hatte und Kaffee trank.

„Wir sollen die Personalien aufnehmen“, teilte er seinem Kollegen mit.

Entsetzt guckte Bjarne sich um. „Von wem? Von allen?“

„Ich denke schon. Der Kommissar hat keine Personen einzeln benannt.“



Anton guckte ein Weilchen ins Leere, bevor er sich auf die Suche nach Elvira begab. Er brauchte nur dem Essensduft zur Küche folgen. Sie stand am Herd, in einer Schürze mit - Überraschung! - Rosenmuster.

„Frau Elvira. Wie es der Zufall so will, habe ich bei Ihnen ein Zimmer angemietet. Ist denn schon eines frei?“

Sie strahlte, als ob sie den Hauptgewinn in einer Lotterie gezogen hätte. „Nummer dreizehn ist für Sie reserviert. Ich hoffe, Sie sind nicht abergläubisch.“ Bei diesen Worten zog sie einen Schlüssel aus der Schürzentasche und warf ihn in Antons Richtung.

Geistesgegenwärtig fing er ihn auf. Da zahlte sich sein Training als Handballer aus. „Danke.“ Pfeifend verließ er die Küche.

Als er den Raum mit der Frühstücksgesellschaft betrat, richtete der Kerl namens Conan das Wort an ihn: „Sind wir jetzt alle verhaftet?“

„Nein, obwohl ich bei Ihnen schon eine Ausnahme machen würde.“

Der Mann feixte. „Sehe ich denn so böse aus?“

„Ein bisschen.“ Anton bemerkte, dass Pedersen spöttisch grinste. Der Kleine war echt nervtötend, aber auch süß und vor allem hatte er einen geilen Knackarsch.

„Dann dürfen wir also abreisen?“, hakte Conan nach.

„Sobald Ihre Personalien aufgenommen sind“, entgegnete der Kommissar.

Damit waren Pedersen und Brunkenstrunk fast fertig. Der Raum leerte sich schnell. Schließlich befanden sich nur noch die örtlichen Polizisten und er darin.

Brunkenstrunk schenkte sich Kaffee nach und nippte daran. „Hier gibt’s den besten Kaffee der Insel.“

„Und wo übernachten Sie, Herr Kommissar?“, wollte Pedersen wissen.

„Hier.“ Auch Anton bediente sich an der Kaffeekanne und probierte einen Schluck. Tatsächlich. Das Zeug schmeckte ausgezeichnet. Vielleicht wurde sein Urlaub doch noch einigermaßen, wenn die restliche Verpflegung genauso gut war.

Kurz darauf brachen Brunkenstrunk und Pedersen auf. Anton begleitete sie zum Dienstwagen, um seine Reisetasche zu holen.

„Was passiert jetzt?“ fragte Brunkenstrunk.

„Die Leiche wird heute noch zur Obduktion nach Flensburg gebracht.“ Die Kollegen aus Hamburg hatten den Vorgang ein wenig beschleunigt. „Morgen dürften wir erste Ergebnisse haben, dann sehen wir weiter.“

„Schönen Urlaubstag dann noch, Herr Kommissar“, wünschte Brunkenstrunk und schwang sich hinters Lenkrad.

Er guckte dem Fahrzeug hinterher und glaubte, Pedersens Grinsen im Rückspiegel zu sehen. Der Typ regte ihn echt auf. Woran das genau lag, konnte er nicht sagen.

Zurück in der Pension erklomm er die Stufen in den ersten Stock. Als er durch den Flur ging, vernahm er hinter der Zimmertür Nummer zwölf Geräusche, die auf ein aktives Liebespaar schließen ließen. Das verschlechterte seine Laune noch mehr.

In seinem Zimmer ließ er die Tasche auf den Boden fallen und schaute sich um. Überall Rosen und Rüschen. Damit hätte er rechnen müssen. Es wirkte irgendwie heimelig und zugleich schauderhaft.

Er legte sich aufs Bett, die Arme hinterm Kopf verschränkt. In seinen Augen gab es drei Verdächtige, wobei er fast sicher war, dass ausschließlich Peter für den Mord infrage kam. Für ihn stand es außer Zweifel, dass es sich um solchen handelte. Man fiel doch nicht einfach im Wald tot um. Kampfspuren hatte er allerdings keine festgestellt. Die Tote hatte ja sogar noch ihre Schuhe angehabt.

Die Grübelei ermüdete ihn. Er schloss die Augen.

Als er aufwachte, war es schon fast Abend. Die Sonne stand schräg und verursachte lange Schatten. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass er tatsächlich den halben Tag verschlafen hatte.

Gähnend schwang er die Beine aus dem Bett und streckte die Arme über den Kopf. Sein Magen meldete sich grummelnd.

In der Küche saßen zwei der Männer, die er vorhin vernommen hatte. Da man sich offenbar auf der Insel konsequent duzte, stellte er sich mit Vornamen vor: „Hi, ich bin Anton.“

„Ich bin Tim und das ist Martin“, antwortete der kleinere der beiden. „Bist du eigentlich ein echter Bulle?“

„Willst du meine Dienstmarke sehen?“ Er zückte seine Börse, klappte sie auf und hielt sie Tim vor die Nase.

Eingehend musterte der die Dienstmarke. „Willkommen auf Amrum, Herr Kommissar.“

Anton steckte die Börse zurück in seine Gesäßtasche und wandte sich an Elvira, die mal wieder vorm Herd stand. „Wann gibt es hier Abendessen?“

„Gleich“, erwiderte Elvira. „Deckt mal den Tisch, Jungs.“

Sofort sprangen die Jungs auf. Schmunzelnd guckte Anton zu, wie sie Elvira eifrig zur Hand gingen. Damit er nicht im Weg stand, setzte er sich auf einen Stuhl.

Nach dem Essen, das auch überaus köstlich war, fragte er: „Kann man hier abends irgendwo hingehen?“

Martin nickte. „Wir gehen nachher in die Blaue Maus. Du kannst gern mitkommen.“

Das hörte sich doch gut an. Anton nahm die Einladung an und begab sich wieder auf sein Zimmer. Unter der Dusche wanderten seine Gedanken zu Pedersen. Die Vorstellung, den kleinen Hintern nackt zu sehen, bescherte ihm eine stattliche Erektion. Er nahm sich der Sache an.

Derart erleichtert und erfrischt summte er vor sich hin, als er sich anschließend ankleidete. Er war gespannt, ob man sich in der Blauen Maus amüsieren konnte. Leider war es ihm verwehrt, selbst wenn sich die Möglichkeit bot, einen Mann aufzureißen. Er musste an seinen Ruf denken. Ein paar Bier in Martins und Tims Gesellschaft würden aber bestimmt auch recht lustig werden.

Blaue Eifersucht

Emil warf einen Blick auf die Gäste und wandte sich wieder dem Tresen zu. Es war bereits ziemlich voll, aber noch erträglich. Schade, dass er während seiner drei Dienstmonate auf Amrum praktisch kein Sexualleben führen konnte, außer mit seiner Faust. Andererseits waren seelenlose Ficks eh fade geworden. Wie wohl fast jeder sehnte er sich nach einem festen Partner, mit dem er mehr teilen konnte als bloß ein Bett.

Trübsinnig guckte er in sein Glas. Plötzlich bemerkte er aus dem Augenwinkel ein bekanntes Gesicht. Unwillkürlich zog er den Kopf ein, als Schumacher in Begleitung von zwei Typen - wenn er sich recht erinnerte Tim und Martin - hereinkam. Das nützte nichts. Schumacher entdeckte ihn sofort und schritt auf ihn zu.

„Na, was für ein Zufall, Pedersen.“ Ein kräftiger Schlag auf seine Schulter untermalte die Begrüßung.

„Emil“, murmelte Emil.

„Okay, Emil. Ich bin Anton.“ Selbiger kletterte auf den freien Hocker neben Emil und bestellte ein Bier, während sich Martin und Tim an einem der Tische niederließen.

Der Barkeeper musterte Schumacher ... okay, jetzt Anton und hob fragend die Augenbrauen. „Bist du nicht der Bulle, der wegen dem Mord hier ist?“

Die Insel war klein, entsprechend ausgezeichnet klappte die stille Post. Das hatte Emil am eigenen Leib in den ersten Tagen erfahren, als ihn so gut wie jeder mit seinem Namen gegrüßt hatte.

„Der bin ich. Ich frage jetzt lieber nicht, woher du das weißt“, erwiderte Anton.

Auf dem Gesicht des Barkeepers erschien ein breites Grinsen, wobei er ein Gläschen mit durchsichtiger Flüssigkeit über die Theke schob. Das hatte Emil schon hinter sich: Die Inseltaufe mit Strandhafer, ein Höllenzeug mit wer-weiß-wie-viel Umdrehungen.

„Trink das, Bulle. Ist ‘ne Art Willkommensgruß.“ Der Barkeeper feixte.

Anton beäugte das Glas, nahm es hoch und kippte es sich in den Schlund. Im nächsten Moment lief der Kommissar rot an und griff sich an den Hals. „Wasser!“

Emil konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als der Barkeeper ein Glas Wasser vor Anton abstellte. „Ist der Strandhafer zu hart, bist du zu weich.“

„Ha-ha“, krächzte Anton.

Einige Schlucke Bier später hatte sich die Lage wieder entspannt.

„Und? Bist du zum Frauen aufreißen hier?“, fragte Anton.

Emil zuckte mit den Achseln. „Und? Du auch?“

Anton nickte. „Klar. Und zum Trinken. Was macht man denn sonst noch so auf dieser Insel?“

Erneut zuckte er mit den Schultern. „Am Strand liegen, lesen, Fahrrad fahren. Leichen finden.“

„Bist ja ein ganz Witziger“, brummelte Anton.

Da sich der Kommissar abwandte und Löcher in die Luft guckte, nutzte Emil die Gelegenheit, um seine Wichsvorlage zu betrachten. Der Mann gefiel ihm immer besser. Wenn sie in Hamburg wären, hätte er einen Vorstoß gewagt. Ach, nein, hätte er nicht. Garantiert würde Anton ihm entrüstet die Meinung geigen. Manche Heteros reagierten überempfindlich auf die Anmache von Schwulen.

„Hallo, ihr Hübschen. Ich bin Natalie, wer seid ihr?“, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.

Neben ihm kletterte eine Schwarzhaarige auf den freigewordenen Barhocker und lächelte ihm und Anton zu. Niedlich, stellte Emil fest, interessant aber nur, wenn man auf Frauen stand. Das schöne Geschlecht war ihm ziemlich egal, so lange sie ihn in Ruhe ließen.

„Ich bin Emil und das ist Anton“, antwortete er.

„Wie süß!“ Natalie kicherte. „Wie bei Emil und die Detektive, Pünktchen und Anton. Ich hätte nicht gedacht, dass Leute heutzutage noch so heißen.“

„Hey, ich finde meinen Namen eigentlich ganz schön“, protestierte er.

„Ich auch“, brummelte Anton in seinem Rücken.

Eine Redepause, in der Natalie sie gründlich musterte, bevor sie sich erkundigte: „Seid ihr schwul?“

Er schüttelte den Kopf und ging davon aus, dass Anton es auch tat.

„Ein Glück.“ Natalie legte eine Hand auf Emils Knie. „Ich finde dich nämlich sehr süß.“

Im Laufe der nächsten Minuten schwitzte er Blut und Wasser, weil Natalie ihn heftig anflirtete und ständig betatschte. Er war kurz davor, ihre Hände wegzuschlagen, doch das hätte ihn entlarvt? Außerdem wollte er sie nicht öffentlich mit der Aktion beschämen.

Schließlich gesellte sich Anton zu Martin und Tim. Emil lotste daraufhin Natalie nach draußen, um ihr ein paar Takte zu erzählen. Leider verstand sie das falsch, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Überrascht ließ er es über sich ergehen.

Nachdem er passiv einige Küsse ertragen hatte, wich sie zurück und runzelte die Stirn. „Magst du mich nicht oder bist du doch schwul?“

Fieberhaft überlegte er, welche Ausrede passen würde und entschied, dass die Wahrheit am wenigsten schmerzte. „Niemand darf etwas davon wissen.“

Sie lachte auf und verpasste ihm einen Klaps auf die Schulter. „Ein Glück“, meinte sie. „Ich dachte schon, ich wäre nicht sexy genug. Ich brauche dich sowieso nur, um jemanden eifersüchtig zu machen.“

Ihm fiel ein Stein vom Herzen. „Du bist sexy und sehr süß. Wenn es dir hilft kann ich so tun, als wären wir verliebt.“

„Das wäre toll.“ Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „Und Anton – ist der auch?“

Emil seufzte. „Leider nicht.“

Sie gingen zurück in die Blaue Maus, wo sie den Rest des Abends das verliebte Pärchen spielten. Eigentlich war das gar nicht so übel, auch wenn er es lieber mit Anton getan hätte. Der warf ihnen ab und zu, warum auch immer, finstere Blicke zu. Vielleicht war er sauer, dass sich andere, im Gegensatz zu ihm, amüsierten.

Gegen zwölf brach Emil auf und verabredete sich für den nächsten Abend mit Natalie, um ihr Spiel fortzusetzen.



Mürrisch beobachtete Anton, wie Emil und Natalie Arm in Arm die Blaue Maus verließen. Damit stand fest, dass Pedersen hetero war. Schade. Er hatte sich bereits Chancen ausgerechnet.

Als Martin und Tim den Heimweg antraten, schloss er sich ihnen an. Der sternenklare Himmel über Amrum und das laue Lüftchen, das sie vor der Tür empfing, wirkte beruhigend auf Antons Nervenkostüm. Er entschied, das Kapitel Emil abzuschließen.

Am nächsten Morgen klingelte sein Smartphone, als er bei Elvira in der Küche seinen ersten Kaffee trank. Er begab sich in den Flur, bevor er den Anruf entgegennahm.

„Genickbruch. Keine Kampfspuren, keine Hautreste unter den Fingernägeln. Könnte auch ohne Fremdverschulden passiert sein“, setzte ihn der Gerichtsmediziner in Kenntnis.

Anton bedankte sich, schob das Handy zurück in seine Hosentasche und ging wieder in die Küche. Während er sich von Elvira mit Spiegeleiern verwöhnen ließ, drehte er die neuen Informationen in seinem Kopf hin und her. Eifersucht war ein häufiges Motiv bei Mordfällen. Vielleicht war dieser Peter der Frau aus Eifersucht in den Wald gefolgt und sie bloß gestolpert und gegen einen Baum geprallt. Die Möglichkeit gefiel Anton, denn Peter war ihm bei der Vernehmung sympathisch gewesen.

„Und? Wer hat Mona ermordet?“ fragte Elvira.

Er zuckte mit den Schultern und flüchtete. Niemals würde er ihr von seinem Verdacht erzählen, sonst könnte er es morgen im Inselboten lesen, soviel stand fest.

Er lieh sich eines der Fahrräder, die Elviras Mann für die Gäste bereithielt, und radelte nach Nebel zur Polizeistation. Dort fand er den schnarchenden Brunkenstrunk, der bei seinem Eintreten abrupt hochfuhr.

„Guten Morgen, Herr Kommissar“, stieß Brunkenstrunk hervor. „Gibt es neue Erkenntnisse?“

„Wo ist Pedersen?“

„Der kommt heute später. Hat wohl eine lange Nacht gehabt.“ Ein vertrauliches Zwinkern begleitete die Worte.

„Ich bekomme gleich den Obduktionsbericht. Darf ich an Ihren Computer?“

Der Gerichtsmediziner hatte den Bericht bereits per E-Mail geschickt. Anton las diesen noch, als Emil hereinplatzte.

„Tut mir leid. Ich hab verschlafen“, entschuldigte sich Pedersen.

Er bedachte Emil mit einem vernichtenden Blick, dann konzentrierte er sich wieder auf den Monitor. Pedersen verschwand, um mit einem Becher in der Hand zurückzukehren. Wäre es zu viel verlangt, ihm auch einen anzubieten?

„Und? Neue Erkenntnisse?“, wollte Emil wissen.

Anton lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Genickbruch. Keine Kampfspuren. Es ist davon auszugehen, dass es vielleicht ohne Fremdverschulden passiert ist.“

„Wow! Das wäre klasse!“, meinte Emil.

„Und ich dachte, es wäre ein Mord aus Eifersucht“, mischte sich Brunkenstrunk ein.

„Das hab ich auch angenommen. Morgen muss ich zurück nach Hamburg, dann werde ich die Verdächtigen nochmal befragen.“ Anton nickte den beiden zu, verließ das Gebäude und schwang sich wieder aufs Fahrrad.



Vom Fenster aus guckte Emil dem davonradelnden Kommissar hinterher. Selbst auf einem Drahtesel machte Anton eine äußerst gute Figur. Seine Wichsvorlage verschwand also morgen von der Insel. Schade. Oder ein Glück? Nachdenklich blies Emil in seinen heißen Kaffee.

„Da bist du ja endlich“, empfing ihn abends Natalie in der Blauen Maus. Sie legte die Arme um Emils Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann zog sie ihn an einen Tisch. „Er sitzt da drüben“, flüsterte sie. „Sieh nicht hin.“

Natürlich wollten seine Augen partout in die angegebene Richtung gucken. Es kostete ihn Kraft, dem Drang nicht nachzugeben.

Als sie saßen und beim Kellner bestellt hatten, schaute er doch verstohlen rüber zu dem Typen. Arme Natalie. In der Ecke saß ein waschechter Frauentraum, sofern man auf finstere Typen stand. Der Kerl trug schwarzes Leder und eine grimmige Miene zur Schau. Als der Typ den Blick schweifen ließ, hätte er sich fast geduckt.

„Heiß“, kommentierte er.

„Oh ja“, seufzte Natalie.

Kurz darauf erschienen neue Gäste: Anton, Martin und Tim. Ohne ihn zu beachten, setzte sich der Kommissar an den Tresen. Emil seufzte sehnsüchtig bei Antons Anblick. Vermutlich ging’s Nathalie genauso mit dem finsteren Burschen. Übrigens fühlte er sich unter dessen kühlen Blick zunehmend unwohl. Glücklicherweise verschwand der Typ bald, so dass er aufatmen konnte.

„Müssen wir das jetzt jeden Abend machen?“, wandte er sich an Nathalie.

Sie schüttelte den Kopf. „Aber es wäre toll, wenn wir es regelmäßig tun könnten, bis der Typ endlich anbeißt.“

„Meinst du, dass das der richtige Weg ist?“

„Ich weiß es nicht“, gab Natalie zu und erhob sich. „Ich geh jetzt nach Hause. Bringst du mich bis zu Tür? Nur für den Fall, dass er draußen steht.“

Während sie auf den Ausgang zusteuerten, legte Emil einen Arm um ihre Taille. Er wollte früh schlafen gehen, daher kam ihm der Aufbruch gerade recht.



Am folgenden Morgen verließ Anton die Insel mit der ersten Fähre. Als er auf dem Oberdeck stand und zusah, wie Amrum immer kleiner wurde, wanderten seine Gedanken zu Emil.

Irgendwie bekam er den Kerl nicht mehr aus dem Kopf, hatte sich mit Emils Bild vor Augen vorm Einschlafen einen runtergeholt. Es war gut, nach Hamburg zu seiner Arbeit zurückzukehren, um auf andere Gedanken zu kommen. Außerdem musste er sich dringend einen Typen zum Vögeln suchen, also am Freitag mal wieder ins Gay-Dance-Total gehen. Dort gab es haufenweise geile Kerle, die nichts gegen einen Gelegenheitsfick hatten. Mit diesem Entschluss ging es Anton gleich besser.

Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock depositphotos
Lektorat: Aschure - dankeschön
Tag der Veröffentlichung: 29.01.2021

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