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Uriel: Schutzengel vs. Rockstar

Ein modernes Märchen

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

Text: Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

Foto von shutterstock, depositphotos – Cover-Design Lars Rogmann

Korrektur: Aschure. Danke!

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/


Uriel: Schutzengel vs. Rockstar

Uriel ist Schutzengel und unzufrieden mit seinem Dasein.

Wesley ist Leader einer einigermaßen erfolgreichen Rockband, der Fucking Assholes und wechselt seine Bettpartner so oft, wie andere ihre Unterhosen.

Die beiden würden vielleicht zusammenpassen, wenn Uriel ein Mensch oder Wesley ein Engel wäre. Schließlich sind beide stur, zielstrebig und attraktiv. Gleich und gleich gesellt sich gern, heißt es doch so schön. Um Wesley in einen Engel zu verwandeln, bräuchte er nur zu sterben. (Allerdings, ohne vorher noch mehr Sünden als nur Vielweiberei und -männerei auf sich zu laden, womit ein Suizid schon mal ausgeschlossen ist.) Umgekehrt benötigt Uriel einen Menschen, der ihn liebt, um für immer ein irdisches Dasein zu führen. Insofern dürfte sich das Thema erledigt haben. Oder?

~ * ~


1.

Trübsinnig saß Uriel auf einer Wolke über Schottlands Küste, die raue Landschaft passte gut zu seiner Stimmung, und starrte aufs Meer. Er hatte alles so satt! Seit über 2.000 Jahren immer das Gleiche, tagein, tagaus. Ständig bekam er die langweiligen Menschen zugeteilt. Sein Versuch, zu den Amoretten zu wechseln, war auch in die Hose gegangen und ehrlich gesagt lag ihm dieses Liebe stiften sowieso nicht sonderlich. Er brauchte etwas anderes, nur was?

Er wechselte auf eine tiefhängende Wolke über Hamburg- Altona, seinen Lieblingsstadtteil. Hier war immer was los, egal ob Randale oder Party und manchmal war sogar beides zugleich im Gange. Vor der Fabrik, seinem Lieblingsclub, stand eine Menschentraube. Neugierig ließ er sich auf die Erde sinken und las den Aushang, auf dem die Band Fucking Assholes angekündigt wurde. Der Name klang schon mal gut. Uriel stand auf abgefuckt und Arschlöcher sowieso. Vermutlich, weil er selbst eines war, überlegte er selbstironisch und wechselte ins Gebäude.

Der überwiegende Teil der Anwesenden war in schwarzes Leder gekleidet. Uriel materialisierte sich, inklusive einiger Geldscheine in seiner Hosentasche. Passend zu den anderen trug er eine Lederhose, ein schwarzes T-Shirt und darüber eine Kutte mit Aufnähern verschiedener Bands. Er nahm an der Bar Platz und bestellte ein Pils.

Eigentlich war Engeln Alkohol untersagt, genau wie andere Drogen oder Sex. Darum hatte er sich noch nie geschert. Die anderen Engel waren zum größten Teil genauso drauf, daher hätten Strafmaßnahmen verheerende Folgen. Entweder duldete Petrus deshalb stillschweigend ihre Sünden oder war ebenfalls ein Schwerenöter.

Während er sein Bier trank, füllte sich der Club. Glücklicherweise empfanden Engel weder Hitze noch Kälte, sonst wäre er arg ins Schwitzen gekommen. Einige Gäste hatten Schweißperlen auf der Stirn und rote Gesichter, andere zogen ihre Oberteile aus.

Als die Band auf die Bühne kam, waren sowohl Erdgeschoss als auch der erste Stock des Ladens dicht an dicht mit Leuten besetzt. Uriel blieb an der Bar. Zum einen wegen des Getränkenachschubs, zum anderen besaß er Adleraugen und konnte auch aus der Ferne sehr gut sehen.

Der Schlagzeuger begann mit einem Solo, in das nach und nach die anderen Musiker einfielen. Als letztes betrat ein Typ mit schwarzer Mähne, hautenger Lederhose und obenrum nur einer Weste bekleidet die Bühne. Uriels Schwanz merkte angesichts des Brusttoupets interessiert auf. Männliche Männer waren echt sein Ding.

Der Typ fing an zu singen. Wow! Was für ein Organ! Uriel seufzte begeistert und spürte zunehmende Enge im Schritt. Nach einem raschen Rundumblick tauschte er die Lederhose gegen eine schwarze Cargo-Hose. Sein armer Schwanz atmete auf und seine gequetschten Eier waren nicht minder erleichtert.

Vor dem nächsten Stück hängte sich der Typ eine Gitarre um und stellte, untermalt von einigen Riffs, die Bandmitglieder vor. Uriel achtete nur auf einen Namen, nämlich den des Sängers: Wesley.

Anderthalb Stunden und vier Bier später wechselte er die Location. Er materialisierte sich in dem Haus, in dem sein Ex-Schutzengel-Kollege Barachiel mit Ehegespons lebte. Im Wohnzimmer brannte kein Licht, genau wie im Rest des Hauses, ausgenommen im Schlafzimmer. Typisch: Wochenende, und die zwei lagen schon im Bett, dabei war es erst halb zwölf.

„N’Abend“, rief er, um die beiden zu warnen, bevor er vorsichtig ins Schlafzimmer linste.

Eine Wolke Sexgestank schlug ihm entgegen. Barachiel und Thomas, nebeneinander im Bett liegend und bis zum Bauchnabel zugedeckt, sahen ihn missbilligend mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

„Sorry, dass ich so spät noch störe. Ich brauch Internet.“

„Hast du sonst noch Probleme?“, gab Barachiel bissig zurück.

„Jau, so einige, aber damit will ich euch jetzt nicht belästigen.“

Barachiel verdrehte die Augen gen Himmel. „Geh ins Wohnzimmer. Ich komm gleich nach.“

Uriel gehorchte, allerdings mit einem Schlenker über die Küche, wo er hoffnungsvoll in den Kühlschrank guckte. Kein Bier, nur ein Rest Weißwein. Mit diesem ließ er sich auf der Couch nieder. Kurz darauf erschien Barachiel, gefolgt von Thomas, beide in Bademäntel gehüllt.

„Nimm dir ruhig was zu trinken“, meinte letzterer ironisch, im Hinblick auf seine Selbstbedienung.

„Danke. Ich hab schon.“

Barachiel verdrehte erneut die Augen, setzte sich neben ihn und zog das Notebook, das auf dem Couchtisch lag, heran. Es war ziemlich ärgerlich, dass man als Engel keinen Internetzugang besaß. Im Himmel gab es zwar Terminals, doch die durfte man nur unter Aufsicht benutzen. Dazu, sich heimlich Zugang zu verschaffen, hatte er momentan keinen Nerv.

Barachiel gab das Passwort ein, öffnete einen Browser und schob ihm das Notebook rüber. „Was ist denn so dringend?“

„Muss was rausfinden?“, murmelte Uriel, tippte Fucking Assholes ins Suchfeld und drückte Enter.

„Suchst du nach dir?“, erkundigte sich Thomas, der auf seiner anderen Seite auf der Lehne der Couch saß.

„Dann hätte ich nur Arschloch eingegeben“, entgegnete Uriel trocken, trank einen Schluck aus der Flasche und rülpste, wobei er ausnahmsweise eine Hand vor seinen Mund hielt, weil er ja schließlich Gast war.

Es gab etliche Treffer und eine Homepage der Band. Er klickte auf den Link und durch die Rubriken. Die Gruppenmitglieder waren in einer aufgelistet, mit Fotos. Wesley Birmingham lautete der vollständige Name des Sängers, 1984 in Hamburg geboren. Selbst anhand des Bildes spürte er das Charisma des Mannes.

„Eine Metal-Band? Bist du ein Fan von denen?“, wunderte sich Barachiel.

„Jetzt ja.“ Uriel zeigte auf Wesleys Foto. „Der da soll mir singen und Gitarre spielen beibringen.“

„Ich lach mich schlapp. Hast du dir auch schon einen Künstlernamen ausgedacht? Vielleicht Uri-Eller oder so?“, spottete Thomas.

„Nö, aber jetzt, wo du es sagst.“ Uriel zog die Stirn kraus. „Eigentlich ist Uriel doch ein klasse Name für einen Rocker.“

Kopfschüttelnd ließ Thomas sie allein.

„Was hast du nun genau vor?“, verlangte Barachiel zu wissen. „Du kommst doch nicht mitten in der Nacht hierher, nur um dir ein paar Bilder anzugucken.“

„Wesley hat keinen Schutzengel, warum auch immer. Ich werde mich um den Posten bewerben.“

„Bestimmt hat er gesündigt“, mutmaßte Barachiel. „Dann kannst du das vergessen.“

„Och, ich bitte Petrus einfach ganz lieb, dann wird’s schon klappen.“

„Willst du ihm etwa einen Blowjob anbieten?“

Angewidert zog Uriel eine Grimasse. „So weit geht es nun doch nicht. Ich steh nicht auf Mumien.“

Barachiel gähnte demonstrativ. „Bist du fertig? Thomas und ich wollen endlich schlafen.“

„Ich halte euch nicht davon ab.“

Anstelle einer Antwort lüpfte Barachiel eine Augenbraue und sah ihn mit einem verschwinde-von-hier-Blick an.

„Ja, ja. Bin schon weg.“ Er trank den letzten Tropfen Wein, stellte die leere Flasche auf den Tisch und dematerialisierte sich, wobei er ein bisschen Glitzer in die Luft warf. Solche Effekte mussten sein, das war er seinem Image schuldig.

Bevor er Petrus aufsuchte, schloss er sich Gabriel und Michael für einige Runden Wolkengolf an. Bei dem Spiel konnte man sich herrlich abreagieren, außerdem musste er ein bisschen ausnüchtern. Petrus roch eine Fahne nämlich auf drei Kilometer Entfernung. Die Regeln waren simpel: Wer die meisten Löcher in eine Wolke schoss, egal wie, hatte gewonnen. Als Bälle dienten ausgemusterte Heiligenscheine, als Schläger zweckentfremdete Leiern. Bevorzugte Spielwiesen: Wolkenreiche Gebiete, wie die britischen Inseln, Grönland oder Kanada. Wer den Schwierigkeitsgrad erhöhen wollte, wählte den afrikanischen oder asiatischen Kontinent.

Gabriel gewann die ersten beiden Spiele, das letzte konnte Uriel für sich entscheiden. Anschließend begab er sich auf Wolke 5, wo Petrus hinterm Schreibtisch saß und bei seinem Erscheinen rasch etwas in einer Schublade verschwinden ließ. Wenn ihn nicht alles täuschte, handelte es sich um eine Spielkonsole, so ein Ding aus den 90ern. Na, sowas aber auch. Er hatte sich schon oft gefragt, was der liebe Petrus den ganzen Tag trieb.

„Ich habe eine Bitte“, ergriff er das Wort.

„Ja, mein Sohn?“

„Ich hätte gern Wesley Birmingham als Schützling.“

„Hm“, machte Petrus. „Birmingham? Was war noch mit dem?“ Grüblerisch krauste der Alte die Stirn und tippte sich gegens Kinn. „Ach ja! Der neigt zu Vielweiberei. Deshalb hab ich seinen Schutzengel einem anderen zugeteilt.“

„Aber er ist doch gar nicht verheiratet“, wandte Uriel ein. „Dann ist das doch keine Sünde.“

„Mein Junge!“ Mahnend hob Petrus einen Finger. „Der Akt an sich ist schon sündhaft, wenn er nicht dem Zweck der Zeugung dient.“

„Dann würde es hier aber verdam… ziemlich leer aussehen.“

„Beachte den Fortschritt. Geschlechtsverkehr aus Vergnügungssucht gilt nicht mehr als Todsünde, sondern lediglich als Kavaliersdelikt.“

„Trotzdem hast du Birminghams Bodyguard abgezogen.“

„Tja.“ Petrus legte die Fingerspitzen aneinander. „Es gibt eben immer Menschen, die es mehr verdient haben beschützt zu werden.“

Darauf ging Uriel lieber nicht ein. Diskussionen mit Petrus endeten immer zu dessen Gunsten. „Kann ich denn nun Birmingham als Schützling haben?“

„Gelobst du, mich dann einige Monate in Ruhe zu lassen?“

„Großes Ehrenwort.“

„Also gut. Du hast meinen Segen.“ Petrus wedelte mit der Hand. „Und nun geh. Ich hab zu tun.“

Frohlockend verließ Uriel Wolke 5. Er hätte seinen Plan auch ohne Petrus‘ Einwilligung durchgezogen, aber mit war es angenehmer. Nur ungern wollte er es sich mit dem Alten verscherzen. Wer bei Petrus verschissen hatte, durfte den Rest seines Engelseins auf den Wolken herumhängen und Löcher in die Luft starren. Nicht einmal Leier spielen war solchen Kandidaten genehmigt. Nein, das musste er wirklich nicht haben.

Er beamte sich, für eine erste Bestandsaufnahme, in Birminghams Wohnung, die im 3. Stock eines Neubaus in Altona lag. Drei Zimmer, eines davon voller Gitarren, ein großer Balkon mit Blick auf die Elbe. Es gab einen Fahrstuhl und eine Tiefgarage, beides potentielle Gefahrenzonen. Die eine aus technischen Gründen, die andere bot Gelegenheit für einen Hinterhalt. Das wusste Uriel aus etlichen Action- und Gruselfilmen.

Sein Schützling war noch nicht zu Hause. Wahrscheinlich feierte die Band irgendwo ihren Erfolg. Das Publikum hatte nicht nur frenetisch applaudiert, sondern auch Zugaben gefordert. Birminghams Abwesenheit nutzte Uriel, indem er sich materialisierte und das Schlafzimmer unter die Lupe nahm. Er fand massenhaft Kondome, Gleitgeltütchen - auf dem Nachtschrank stand ein großer Spender, also waren die wohl für unterwegs - zwei Paar Handschellen, einen Umschnall-Dildo … arbeitete Birmingham mit zwei Schwänzen zugleich? Krass! Einige Farbmagazine, sowohl schwul als auch hetero, ansonsten nichts Spannendes.

Im Kleiderschrank: Schwarze Klamotten neben schwarzen Klamotten. Da fiel die tägliche Auswahl leicht. In der Kommode: Schwarze Pants, Jockstraps und Socken. Ganz hinten in der Ecke: Ein roter String. Uriel beäugte das Teil näher. Ein Souvenir von einer Frau? Er warf das Teil zurück und musterte das Riesenbett. Was für eine Spielwiese. Stand Birmingham auf Dreier oder sogar Vierer? Genug Platz war dafür vorhanden.

Er wollte gerade ins Wohnzimmer gehen, als er ein verdächtiges Geräusch vernahm. Blitzschnell dematerialisierte er sich und schwebte in den Flur. Sein siebter Sinn hatte ihn nicht getäuscht. Jemand versuchte, die Wohnungstür zu öffnen. Er hörte deftige Flüche, dann schwang die Tür auf und Birmingham torkelte herein.



2.

Wes hätte sich einen der Groupies schnappen und im Bett feiern sollen, anstatt mit seiner Band zu saufen. Stöhnend wälzte er sich auf die andere Seite und spähte in Richtung Wecker. Halb zwölf? Was für eine Scheiße! In einer halben Stunde musste er los, um rechtzeitig bei seinen Eltern zum Mittagessen aufzuschlagen.

Er schlurfte in die Küche, zapfte am Kaffeeautomaten einen dreifachen Espresso und verbrannte sich die Zunge bei dem mutigen Versuch, das Gebräu in einem Zug runterzukippen. Fluchend begab er sich ins Bad. Eine kalte Dusche weckte die Lebensgeister, die trotz der Attacke noch schliefen. Danach stürzte er den Rest Espresso runter, gefolgt von zwei Aspirin und einem halben Liter Wasser.

In moderaten Klamotten, also solche ohne Risse oder irgendwelche provokativen Aufdrucke, verließ er seine Wohnung und fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage. Beim Anblick seines geliebten Alfa Romeos stieg seine Laune um wenige Prozentpunkte. Er hegte und pflegte den Oldtimer, den er nur selten fuhr. In Altona brauchte man im Grunde kein Auto. Es behinderte einen nur, weil man es weder irgendwo parken konnte, noch im dichten Verkehr vorankam.

Auf der Fahrt zu seinen Eltern, die beiden residierten in einer Villa in Blankenese, beschwor er sich, bloß die Nerven zu behalten. Sein Bruder mit Familie würde auch anwesend sein und ihn zweifelsohne provozieren. Matt war erfolgreicher Banker und hielt sich für etwas Besseres als den kleinen Bruder, der nur auf einer Gitarre herum schrummeln und dazu Unflätiges ins Mikro brüllen konnte.

Dieser miese Saftsack! Wes schlug aufs Lenkrad. In Matts Augen zählte nicht, wie viele Stunden er schon als Jugendlicher Gitarre geübt hatte. Praktisch jede freie Minute war in sein Hobby geflossen, das seit drei Jahren endlich Früchte trug. Zwei Songs der Fucking Assholes hatten es in die Charts geschafft und seitdem ging es bergauf.

Zugegeben: Davor hatte er hauptsächlich von dem Geld seiner Eltern und miesen Nebenjobs gelebt. Auch die Wohnung war ein Geschenk seiner Alten. Den Alfa hingegen hatte er sich ganz allein zusammengespart. Matt, der einen BMW-SUV fuhr, nannte seinen Wagen spöttisch Rostlaube. Erneut kochte Wut in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock
Cover: Lars Rogmann
Lektorat: Aschure - dankeschön
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2019
ISBN: 978-3-7487-1358-6

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