Cover

Feste feiern, wie sie fallen

 

Eine Anthologie der Homo Schmuddel Nudeln

Auch der Erlös aus diesem Band wandert direkt an die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz Berlin e.V., die die Gelder in voller Höhe an Hilfsorganisationen und hilfebedürftige Menschen weiterleiten. Es geht also nichts auf dem Verwaltungsweg verloren.

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autoren und erwerben eine legale Kopie. Danke!

 

Fotos von shutterstock, depositphotos, Coverdesign: Lars Rogmann

Korrekturen: Aschure, Bernd Frielingsdorf, Kooky Rooster, Sissi Kaiserlos

Rechte an den Texten: Die Autoren

Kontakt für die Nudeln: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

 

Vorwort:

Liebe Leserinnen und Leser,

dies ist die 26. Anthologie der Homo Schmuddel Nudeln und vierte Ausgabe in diesem Jahr.

Der Erlös aus dem Verkauf der Anthologien kommt gemeinnützigen Organisationen zugute. Im Jahr 2018 waren das bisher rund 6.300 Euro. Damit sind, seit der ersten Ausgabe in 2013, mehr als 39.000 Euro für den guten Zweck erwirtschaftet worden. Dies wäre ohne das Zutun der Autorinnen und Autoren, die ihre Storys kostenlos zur Verfügung stellen, sowie Leser, die die Bücher kaufen, nicht möglich. Vielen Dank an alle.

Leider mussten wir in diesem Jahr Bernd Schröder, einen sehr geschätzten Kollegen und eifrigen Geschichten-Spender, verabschieden. An dieser Stelle geht unser aufrichtiges Beileid an seine Familie und Freunde. In seinen Geschichten wird uns Bernd immer in Erinnerung bleiben.

Danke nochmal an all jene, die zum Erfolg beigetragen haben. Ein besinnliches Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins Neue Jahr wünscht:

Eure

Sissi Kaiserlos im Homo-Schmuddel-Nudel-Kostüm

November 2018


Geburtstagsgeschenk mal anders - Ohne dich ist alles doof - Sissi Kaipurgay

Tizian wünschte, er könnte seinen diesjährigen Geburtstag überspringen. Seit er Thomas abgeschossen hatte, war alles doof.

~ * ~


Seine Geburtstagsfeier war schön, die Lücke dennoch fühlbar. Obwohl sich seine Freunde alle Mühe gaben, ihn abzulenken, fehlte ihm Thomas immer noch. Kein Wunder, war ihre Trennung doch erst zwei Wochen her.

Er hatte Thomas den Wohnungsschlüssel weggenommen und eine Plastiktüte in die Hand gedrückt mit den persönlichen Sachen, die sich in ihrer fünfmonatigen Beziehung bei ihm angesammelt hatten. Thomas war gegen ihre Trennung und wollte reden. Auf eine Diskussion hatte sich Tizian aber nicht eingelassen, denn es ergab einfach keinen Sinn mehr. Sein Exfreund war ein Sturkopf und er … er leider ebenfalls.

Bedauerlicherweise ihre einzige Gemeinsamkeit, ansonsten waren sie grundverschieden. Tizian penibel, Thomas chaotisch. Das war dann auch der Trennungsgrund, jedenfalls für ihn. Er brauchte ein gewisses Maß an Ordnung, um sich wohlzufühlen. Mit Thomas ein Unding, weshalb ein Zusammenleben – und das wäre der nächste logische Schritt gewesen – in seinen Augen ein Ding der Unmöglichkeit war.

„Lieber Tizian“, meldete sich sein bester Freund Enrico zu Wort, als der Zeiger der Uhr immer näher zur zwölf rückte und damit das Ende seines Geburtstagstags nahte. Irgendwann hatte es sich eingebürgert, das Geschenk erst in letzter Minute zu überreichen. Enrico stand auf und wies grinsend in die Runde. „Wir haben uns in diesem Jahr etwas ganz Besonderes für dich ausgedacht: Eine Putzfrau, die morgen deine Bude aufräumen wird.“

Das nannte Tizian mal ein wirklich gut durchdachtes Geschenk. Erfreut bedankte er sich bei seinen Gästen und genoss den Rest seiner Feier so richtig. Der Gedanke an den nächsten Morgen war weit weniger unangenehm, nun, wo er wusste, dass ihm das lästige Aufräumen und Putzen erspart bleiben würde.


Er erwachte mit brummendem Schädel. In seiner Wohnung klapperte jemand mit Geschirr, was ihn wohl geweckt hatte. Gequält stöhnend rieb er sich über die Schläfe und blinzelte in Richtung Wecker. Bereits Mittag. Die Feier war bis in die frühen Morgenstunden gegangen und nun offenbar die Putzfrau schon am Wirken. Wer hatte sie in seine Wohnung gelassen? Wie war er überhaupt in sein Bett gekommen … und wer hatte die Kopfschmerztablette und das Glas Wasser auf seinen Nachtschrank gestellt?

Er richtete sich schwerfällig auf, stopfte ein Kissen in seinen Rücken und spülte die Tablette runter. Mann, war das eine affengeile Party. Wenn Thomas dabei gewesen wäre, hätte es allerdings noch weitaus mehr Spaß gemacht.

An seinen Ex zu denken tat weh. Er fragte sich zum bestimmt hundertsten Mal, ob er Thomas vielleicht doch noch eine Chance hätte geben sollen. Zwischen ihnen hatte eigentlich alles gestimmt, besonders der Sex, eben nur ihre unterschiedliche Auffassung von Sauberkeit und Ordnung war steter Anlass für Streit gewesen. Nach zwei Wochen ohne Thomas kam es Tizian ein bisschen kleinlich vor, ihre Liebe für so etwas Profanes weggeworfen zu haben.

Seufzend krabbelte er aus dem Bett und trottete ins Bad. Mithilfe von viel kaltem Wasser, das er sich ins Gesicht schaufelte, machte er sich halbwegs vorzeigbar. Aus dem Spiegel guckten ihm rot geäderte Augen entgegen. Der Whisky – den hätte er, nach dem ganzen Bier, wohl besser weggelassen. Tja, hinterher war man immer schlauer.

Gestern war er dreiunddreißig geworden, ein Meilenstein auf dem Weg zur Rente. Die Hälfte war also geschafft. Kritisch begutachtete er sein Spiegelbild. Seine Tränensäcke erschienen ihm dicker als sonst und neue Falten hatte er auch bekommen. Na ja, das konnte auch an seiner verwackelten Wahrnehmung liegen. Er streckte dem hässlichen Kerl die Zunge heraus, zog seinen Bademantel über und machte sich auf die Suche nach der Putzfee.

In der Küche wurde er fündig. An den Türrahmen gelehnt starrte er die Erscheinung an und brauchte ein paar Momente, um das, was er sah, zu verdauen. Ein nackter Arsch, über dem die Schleife einer Schürze baumelte. Diesen Hintern hatte er so oft geknetet und liebkost, dass er ihn unter Tausenden erkennen würde. Lange, dunkle Haare, im Nacken mit einem Gummi zum Zopf zusammengefasst. Kein Geringerer als Thomas stand am Spülbecken und wusch ab. Tizians Herzschlag geriet ins Stolpern und er merkte, wie der Kopfschmerz, welcher gerade begann erträglich zu werden, mit Macht zurückkehrte. Als sich Thomas umdrehte, versuchte er möglichst gelassen zu wirken.

„Hi Tizian“, begrüßte ihn Thomas mit sexy tiefer Stimme, für die man eine Waffenscheinpflicht einführen sollte.

„Was machst du hier?“, fragte er dämlich.

„Ich bin die Putzfrau, dein Geburtstagsgeschenk“, antwortete Thomas mit einem vorsichtigen Lächeln.

Er betrachtete die lächerliche Schürze mit Herzchenmotiv. „Ein Nacktputzer. Sehr originell.“

Anscheinend mangelte es seinem Tonfall an Begeisterung, denn Thomas’ Mund verzog sich zu einem Strich, wie immer, wenn er verletzt war.

„Ich hab zu tun“, brummelte er, wandte sich zur Kaffeemaschine und füllte einen Becher, den er auf den Tisch stellte. „Hier, für dich.“

Noch nie hatte Thomas Kaffee gekocht, geschweige denn überhaupt einen Finger im Haushalt gerührt. Tizian schlich in die Küche und schnappte sich den Becher, den er, gegen den Kühlschrank gelehnt, langsam leerte. Das Zeug schmeckte erstaunlich gut. Sein Blick klebte an Thomas’ Hintern, während der geschäftig herumräumte.

Schließlich, als er keine weitere Beachtung fand, trollte er sich ins Schlafzimmer und kroch wieder ins Bett. Ihm war noch ein wenig schwindlig, außerdem musste er von Thomas weg, dessen Nähe ihn zu sehr aufwühlte. Wer wollte schon an dem Tag nach seinem Geburtstag einen Herzkasper erleiden? Er jedenfalls nicht, allerdings auch an keinem anderen Datum.

Das Geklapper in der Küche dauerte noch eine Weile und kaum war es endlich verstummt, begann es im Wohnzimmer laut zu röhren. Sein alter Klopfsauger war ein Höllengerät, der Lärm unerträglich. Genervt sprang er aus dem Bett, eilte zum Wohnzimmer und hatte böse Worte auf der Zunge, doch Thomas’ Anblick stoppte sie. Dessen Rückenmuskeln sowie Bizepse spannten sich bei jeder Bewegung an. Wahnsinnig sexy. Obwohl er nicht in Stimmung war, begaffte er den geilen Arsch und hatte an dem vermehrten Speichelfluss, der sich automatisch einstellte, schwer zu schlucken.

Er holte tief Luft und brüllte über den Lärm hinweg: „Mach das verdammte Ding aus. SOFORT!

Die nachfolgende Stille war wunderbar, bis auf Thomas’ zitternde Unterlippe. Sein Ex guckte ihn so enttäuscht und traurig an, dass ihm die Knie weich wurden vor überbordendem Gefühl.

„Bitte, hör auf mit der Farce“, flehte er leise.

Den Blick gesenkt, lehnte Thomas den Sauger an die Wand und strich sich die Haare zurück, die sich aus dem Zopf gelöst hatten. Sein Ex wirkte sehr bedrückt, was bei ihm Herzschmerz auslöste.

„Das hier ist keine Farce, sondern die Bitte, dass du mich zurücknimmst. Ich will mich ändern, für dich. Ich vermiss dich so“, flüsterte Thomas eindringlich.

Erst jetzt bemerkte er die rote Schleife um Thomas’ Hals. Einerseits war das lächerlich, andererseits derart süß, dass Tränen hoch drängten. Er wollte Thomas so sehr und der Wunsch entsprach doch genau seinem. Sie mussten unbedingt miteinander reden und irgendwie einen Konsens finden, denn ohne Thomas war alles doof.

„Tizian?“, wisperte Thomas, riss sich die Schürze von der Taille und kam auf ihn zu.

Im Gehen löste er das Zopfgummi, sodass die Mähne über seine Schultern wallte. Er sah aus wie ein sexy Eingeborener und Tizians Herz flog ihm erneut zu. Im Grunde ging das gar nicht, da es Thomas bereits gehörte. Sein Blick huschte dorthin, wo sich eine zunehmende Erektion abzeichnete. Er zwang seine Augen wieder hoch, denn dieser Augenblick war zu bedeutsam, um ihn auf Körperlichkeit zu reduzieren.

„Tizian? Was sagst du dazu?“, drängte Thomas.

„Thommy“, hauchte er und streckte die Arme aus.

Vielleicht nicht die Antwort, die sich Thomas erhofft hatte, aber der Rückfall zum Kosenamen schien vorläufig zu genügen. Thomas’ Gesicht erstrahlte in einem breiten Lächeln. Er packte Tizian und warf ihn sich über die Schulter, als wäre er ein Fliegengewicht, marschierte durch den Flur und legte ihn im Schlafzimmer aufs Bett.

Mit funkelnden Augen beugte er sich über Tizian, öffnete den Gürtel des Bademantels und breitete den Stoff nahezu andächtig auseinander. Tizian erkannte, wie sehr sein Anblick gefiel. Lust spiegelte sich auf Thomas’ Miene und ein schiefes Grinsen zog einen Mundwinkel nach oben. Thomas’ Schwanz war inzwischen vollkommen hart und seiner ebenfalls steif. Er griff nach der Schleife, die nach einem kurzen Ruck abfiel.

Thomas lachte leise. „Jetzt …“, verkündete er rau, „jetzt machen wir Liebe.“

Ohne Tizian aus den Augen zu lassen, holte er Kondome und Gleitgel aus der Schublade des Nachtschranks. „Du, mein Schatz, wirst meinen Namen stöhnen, bis du heiser bist.“ Er rollte sich ein Gummi über und schmierte Gel darauf. „Ich werde dich so lange vögeln, bis du deinen Namen nicht mehr weißt.“

Tizian zog seine Knie an die Brust und lächelte ihn an. „Geiler Plan“, flüsterte er. „Aber heiser bin ich jetzt schon.“

„Macht nix“, meinte Thomas, setzte an, durchdrang den Muskel und beugte sich vor, während er immer tiefer glitt.

Er fickte Tizian den Verstand raus. Seine Haare hüllten sie ein, wenn sich ihre Lippen zu fahrigen Küssen trafen. Schweißnass und am ganzen Körper schlotternd saute Tizian schließlich ihre Bäuche ein. Thomas zuckte in ihm, dabei ächzte er: „Tizi.“

Irres Glücksgefühl erfüllte seinen Bauch und machte ihn ganz leicht, wie einen mit Helium gefüllten Ballon. Er umarmte Thomas ganz fest, der ihn mit glühend heißem Körper in die Matratze drückte.

„Oh Mann, bin ich fertig“, krächzte er.

Thomas hob eine Augenbraue. „Schon?“

„Gib mir zehn Minuten, dann geht’s weiter.“

„Mein Spinner.“ Thomas küsste ihn so zärtlich, dass er losheulen könnte.

Tatsächlich kullerte ihm eine Träne über die Wange, die Thomas aufleckte und sein Gesicht mit Küssen übersäte.

„Ich hab dich so vermisst“, gestand Tizian. „Ich lieb dich so.“

„Dann lass uns mal lieber zusammenbleiben.“ Thomas rollte sich mit ihm herum, sodass sie nebeneinanderlagen. „Ich gebe mir mehr Mühe und du wirst lockerer, okay?“

„Okay“, stimmte er zu. „Und – liebst du mich auch?“

„Oh Mann, ja, das tue ich“, brummelte Thomas und ein zärtliches Lächeln unterstrich die Worte.


An seinem nächsten Geburtstag bekam Tizian keine Putzfrau geschenkt, dafür einen Ring von seinem Schatz. Sie stritten immer noch, aber eigentlich nur zum Spaß, denn sie wussten, was wir aneinander hatten. Den Haushalt – ihren gemeinsamen – erledigten sie zusammen und manchmal, wenn ihnen danach war, zog Thomas die Schürze für ihn an. Geil, nur dieses Stück Stoff auf nackter Haut …


ENDE


Tims Geburtstag - Sissi Kaipurgay

Johannes hasst Geburtstage und hat dafür einen guten Grund. Ausgerechnet an Tims Ehrentag wird er damit konfrontiert.

~ * ~



Johannes

Vor drei Jahren war es an Johannes’ Geburtstag zum Bruch zwischen ihm und Hendrik gekommen. Er hatte diese Feier schon vorher verabscheut, aber in der Zeit mit seinem Partner mochte er diesen Tag wenigstens ein bisschen.

Hendrik hatte seinen Ehrentag stets besonders zelebriert. Der Morgen begann immer damit, dass jener nackt das Frühstück am Bett servierte. Danach gab es eine ausgedehnte Kuschelei mit anschließendem Fick. Auch das beherrschte Hendrik unglaublich gut, ein wahres Naturtalent und sehr sexy. Er kannte keine Hemmungen und besaß einen fantastischen Körper, der zum Abschlecken einlud. Oft fragte sich Johannes, was solch ein toller Typ ausgerechnet an ihm fand.

Zu seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag hatte Hendrik eine Party organisiert, zu der Johannes’ bester Freund Timothy – genannt Tim – einen Kumpel mitbrachte. Es schien gleich zwischen ihm – diesem Bernardo – und Hendrik zu knistern. Er fand die beiden irgendwann knutschend auf dem Klo und kotzte ihnen direkt vor die Füße. Im Nachhinein fand er seine Reaktion ziemlich lustig. Jedenfalls waren die Gesichter der beiden sehenswert. Übel war ihm allerdings schon vorher gewesen, da er sich sinnlos betrunken hatte, um die sich anbahnende Romanze ignorieren zu können.

Danach wechselten Hendrik und er kein Wort mehr miteinander. Sein Ex packte und verließ die Wohnung, die er somit wieder für sich allein hatte. Über die Zeit, in der er um Hendrik getrauert hatte, bewahrte er Stillschweigen. Hendrik war nun mal Geschichte.

Zurück zum heutigen Tag: Tim hatte Geburtstag und er konnte die Einladung schlecht ausschlagen. Immerhin war dieser sein bester Freund.

Als er ankam, war die Party schon im vollen Gange. Ein ihm unbekannter Typ ließ ihn herein. Er brachte seine Fracht in die Küche und machte sich auf die Suche nach dem Geburtstagskind. Im Wohnzimmer wurde er fündig.

„Ich hab den versprochenen Nudelsalat in die Küche gestellt“, brüllte er Tim ins Ohr.

„Super, Alter.“ Sein Freund fiel ihm um den Hals und drückte einen nassen Kuss auf seinen Mund.

Er wischte sich den Sabber mit dem Ärmel ab. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke. Du kennst dich ja aus“, gab Tim zurück.

Sein Freund war eine Frohnatur und sah auch so aus, mit den blonden Strubbelhaaren und fröhlich blitzenden blauen Augen. Sie waren beide Erzieher und arbeiteten zusammen in einer Kita in Winterhude. Er liebte Tim – natürlich platonisch, obwohl der damals diesen Bernardo angeschleppt hatte.

„Kannst du mal ein paar Getränke vom Balkon holen?“ Irgendjemand hatte endlich die Musik leiser gedreht, sodass er Tim besser verstehen konnte.

Er drängelte sich durch die Gästeschar, die er größtenteils kannte. Es standen ungefähr dreißig Menschen in der winzigen Zweizimmerwohnung herum. Er erreichte den Balkon und trat hinaus in die eisige Kälte. Es war Februar, noch lange kein Frühling in Sicht. Zehn Bierkisten stapelten sich auf dem kleinen Freisitz, zwei davon bereits leer. Gegen Mitternacht würde sicher eine kleine Gesandtschaft zur Tankstelle gehen, um Nachschub zu besorgen. Ein Ritual, das Tim regelmäßig zelebrierte, ohne daraus zu lernen.

Er schleppte volle Flaschen rein, leere raus und ging immer wieder in die Küche, um dort für Ordnung zu sorgen. So war die Arbeitsaufteilung zwischen Tim und ihm: Der sorgte für Stimmung, Johannes für Nachschub.

Kurz nach Mitternacht machte sich, wie vermutet, eine Delegation auf den Weg zur nächsten Tankstelle. Die Stimmung war inzwischen ruhiger, die Musik auch. Er ging von der Küche, in der er schmutzige Teller abgespült hatte, ins Wohnzimmer, schnappte sich ein Bier und ließ sich auf dem Sofa nieder. Bei gemächlichen Schlückchen aus der Flasche beobachtete er die restlichen Gäste, die sich in den unterschiedlichsten Rauschzuständen befanden. Als eine Lücke entstand, sodass er die gegenüberliegende Raumseite sehen konnte, traf sein Blick unerwartet auf den von Hendrik.

Die Zeit blieb stehen. Er starrte in dunkle Augen und nahm nichts anderes mehr wahr. Die Geräuschkulisse wurde zu einem nebensächlichen Rauschen. Drei Jahre waren vergangen und Hendrik sah noch immer so verdammt gut aus wie damals. Im nächsten Moment verstellte ihm jemand die Sicht. Vielleicht war es nur Einbildung gewesen. Er wischte sich mit einer Hand übers Gesicht, stellte die Bierflasche weg und atmete tief durch.

Tim plumpste neben ihm auf die Couch und schlang einen Arm um seine Schultern. „Ist das eine geile Party?“

„Ja, der reine Wahnsinn“, erwiderte er spöttisch. Tim fand jede Feier geil, wenn nur genug Alkohol floss und die Bude voll war.

„Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich Hendrik eingeladen habe.“

Also war es kein Traum. „Du hättest mir etwas sagen können“, beschwerte er sich.

Tim drückte ihm grinsend einen feuchten Kuss auf die Wange. „Dann wärst du nicht gekommen.“

„Ich hau jetzt trotzdem ab.“ Er befreite sich aus der Umarmung und stand auf.

Im Flur guckte er nach, ob das Bad frei war. Der Heimweg dauere zwar nur kurz, doch seine Blase war zum Bersten voll. Leider gab es keinen Schlüssel, was damals zu besagtem Unglück führte, denn die Party hatte hier stattgefunden.

Gerade war er fertig, da wurde die Tür aufgestoßen. Hastig verstaute er seinen Schwanz und richtete seine Klamotten.

„Hallo Jo“, grüßte Hendrik ihn mit ernster Miene.

„Hi“, erwiderte er und betätigte die Spülung.

In dem Raum war gerade mal Platz für Badewanne, Klo und Waschbecken. Um das Bad zu verlassen, musste er sich also dicht an der Wand halten. Hendrik presste sich zwar gegens Waschbecken, dennoch berührte Johannes ihn im Vorbeigehen. Der Funke sprang sofort über. Hendrik stieß ein Knurren aus und riss ihn heran. Ein Mund landet auf seinem, eine Zunge drang ein. Er spürte die wachsende Erektion, die gegen seine drückte.

Hendrik verschlang ihn regelrecht, beendete schließlich den Kuss und murmelte ihm ins Haar: „Ich bin so scharf auf dich.“

Schärfe hatte ihre Beziehung geprägt, sowohl beim Essen als auch im Bett. Er hatte das gründlich satt und aß nur noch milde Speisen. Auch beim Sex hatte er sich gemäßigt, allerdings nur deshalb, weil er nie wieder einen Bettpartner wie Hendrik gefunden hatte.

„Vergiss es.“ Er versuchte Hendrik wegzuschubsen, was in der Enge wenig Sinn ergab.

„Ach.“ Hendrik feixte und drückte eine Hand gegen seine Erektion. „Und was ist das?“

„Das ist mein Schwanz. Finger weg.“

„Er ist hart wegen mir, gib’s zu.“

„Ich sagte: vergiss es“, zischelte er, fegte die Finger weg und trat einen Schritt beiseite.

Plötzlich sprang die Tür auf. Bernardo torkelte herein, ganz grün im Gesicht. Er glotzte sie an, beugte sich vor und kotzte ihnen vor die Füße.

Ein Déjà-vu mit getauschten Rollen.

Abwechselnd guckte er auf seine Schuhe, hoch zu Hendrik, dann auf Bernardo. Tim erschien im Türrahmen, erfasste die Situation und begann lauthals zu lachen. Hendrik bewegte sich endlich, packte Bernardo und bugsierte jenen in die Wanne. Johannes reagierte ebenfalls, indem er Handtücher auf den Boden warf.

„Die Party löst sich eh gerade auf. Getränke sind alle“, meinte Tim kichernd.

Die Delegation war also nicht von der Tankstelle zurückgekehrt. Das passierte auch immer wieder, also keine Überraschung für Johannes. Er wischte seine Schuhe mit einem der Handtücher sauber und guckte zu, wie Hendrik Bernardo mit kaltem Wasser berieselte. Tim war wieder verschwunden.

„Erinnert dich das an etwas?“, fragte er Hendrik kühl.

„Ja“, erwiderte der und grinste schief. „Es erinnert mich an die schlechteste Idee, die ich je hatte.“

Er verließ den Schauplatz. Zu Hause angekommen geisterten ihm die Worte immer noch durch den Schädel. Nicht einmal ansatzweise fiel ihm ein, was damit gemeint sein könnte. Es zu ergründen kam allerdings auch nicht infrage. Der Schmerz hatte ihn damals fast aufgefressen. Hendrik durfte nie wieder in sein Leben.



Am nächsten Tag rief Tim an und entschuldigte sich. Johannes vergab ihm natürlich. Der Arme musste immerhin den Dreck im Bad wegmachen und mit Bernardos Schnapsleiche in der Wanne kämpfen. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich ein wenig verantwortlich für die Sauerei, auch wenn Bernardo wohl in jedem Fall gekotzt hätte. Gut, wenn er nicht im Weg gestanden hätte, wahrscheinlich ins Klo statt auf den Boden.

„Schon gut. War eine geile Party“, beruhigte er seinen Freund.

„Nicht wahr? Und stell dir vor: Zwei Stunden nachdem alle weg waren, kommt die Tankstellendelegation wieder an. Wir haben dann noch bis sechs Uhr morgens gefeiert.“

Er war froh, nicht dabei gewesen zu sein. „Ist deine Wanne wieder frei?“

Tim gluckste. „Ne, ich glaub nicht. Warte mal … Bernardo liegt da immer noch und schnarcht.“

„Und wo ist Hendrik?“

„Der ist kurz nach dir weg.“ Tim seufzte. „Also, ich muss dir was sagen. Die sind nicht zusammen, wenn du das denkst. Hendrik hat sich nach eurer Trennung eine kleine Wohnung genommen, nicht weit weg von hier. Wenn du willst …“

„Vergiss es, kein Interesse“, unterbrach er seinen Freund.

„Ooookay, ich halte schon den Mund.“

„Gut. Dann noch schönes Aufräumen“, wünschte er und legte auf.

Hendrik hatte eine eigene Wohnung? Das wollte ihm den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Er war überzeugt, dass Hendrik damals zu Bernardo gezogen war.



Sein Telefon klingelte am frühen Abend. Bestimmt wieder Tim. Er nahm ab und spottete: „Sag nicht, du feierst schon wieder.“

„Nein, danach ist mir bestimmt nicht zumute.“ Hendriks Stimme erkannte er sofort.

„Was willst du?“, flüsterte er.

„Bitte, lass uns reden.“

„Am Telefon?“

„Nein, ich möchte dich sehen, wenn ich mit dir spreche.“

„Und wenn ich nicht will?“

„Verdammt, Jo. Bitte.“

„Wozu soll das gut sein?“

„Vielleicht, um neu anzufangen?“

„Niemals. Ich will nicht mehr. Ruf nie wieder an.“ Er beendete die Verbindung und lauschte seinem rasenden Herzschlag.

Es war fast wie am ersten Tag nach ihrer Trennung. Hendrik hatte alles wieder aufgewühlt, und wozu? Er warf das Mobilteil auf den Couchtisch und ließ sich aufs Sofa plumpsen. Ihm war übel, dennoch wünschte er sich insgeheim, er hätte nicht so heftig reagiert. Das Telefon läutete erneut. Er schnappte sich das Gerät. Die gleiche Nummer wie eben.

„Ja?“, flüsterte er.

„Bitte, Jo“, erwiderte Hendrik.

„Wirklich nur reden?“

„Ja, versprochen.“

„Okay. Wann und wo?“

„Magst du herkommen? Ich hab Pizza gemacht.“

Er stimmte zu und ließ sich Hendriks Adresse geben. Sein Ex war ein begnadeter Koch. Hendrik sah zwar eher aus wie ein Rockstar, aber seine Pizza war die beste der Welt. Bei einer kurzen Recherche im Internet stellte Johannes fest, dass es nur fünf Gehminuten zu Hendrik waren. Er schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg.

Hendrik öffnete die Tür und begrüßte ihn mit einem zaghaften Lächeln. Die langen Haare waren zu einem Zopf gebunden und er trug eine Schürze, die dunklen Augen unergründlich wie immer. Er folgte Hendrik in die Küche und inhalierte vorfreudig den herrlichen Essensgeruch. Wie hatte er das doch vermisst.

„Setz dich“, bat Hendrik, beugte sich zum Backofen und bot so einen fantastischen Ausblick auf den geilsten Arsch der Welt.

Johannes nahm am Tisch Platz. Gleich darauf dampfte vor ihm ein großes Quadrat Hefeteig, knusperdünn und köstlich belegt. Trotz der angespannten Situation hatte er mächtig Hunger und verschlang drei Pizzastücke, bis sein Magen so voll war, dass er keinen Bissen mehr runterbekam.



Hendrik

Man wusste Dinge meist erst dann zu schätzen, wenn man sie verlor. So ging es Hendrik mit Johannes. Sie waren einander zwar nah gewesen und hatten phänomenalen Sex gehabt. Aus manchen Dingen hatte er Johannes jedoch ausgeschlossen und irgendwann machte es puff und es war vorbei. So, wie es stets in seinem Leben passierte.

Er konnte sich kaum an Johannes, der mit Genuss aß, sattsehen. Für ihn der schönste Mann der Welt. Dass sich die braunen Locken total weich in seinen Fingern anfühlten, hatte er nicht vergessen. Sie hingen wild um Johannes’ fein geschnittenes Gesicht. Die Wimpern hatte jener gesenkt, dennoch erinnerte er sich gut an die blauen Augen. Wenn sie miteinander schliefen, war es so, als ob er bis zum Grund der Seele gucken durfte, derart offen hatte Johannes ihn dabei angeschaut. In seinem Bauch begann es sehnsüchtig zu kribbeln.

Drei Jahre war er zu Therapeuten gerannt und mittlerweile einigermaßen gefestigt. Nun saß er hier und wollte nur noch eines: von Johannes umarmt werden.

„Schmeckt es dir?“, fragte er, um die herrschende Stille zu durchbrechen.

„Oh ja, es ist sehr lecker.“ Verhalten lächelte Johannes ihn an.

„Magst du ein Glas Rotwein dazu?“

„Hm, okay, eins trink ich“, murmelte Johannes und schob den leeren Teller weg.

Hendriks Hände zitterten so sehr, dass er beim Einschenken etwas daneben goss. Er schnappte sich einen Lappen und wischte damit hektisch herum, bis er fast eines der Gläser umkippte.

„Hendrik?“, flüsterte Johannes.

Er schaute auf.

„Was ist los?“, wollte Johannes wissen.

„Ich bin nervös.“

„Das tut mir leid.“

Hendrik stand da, den Wischlappen in der Hand und mit Bettelblick. „Könntest du mich in den Arm nehmen, bitte?“

Johannes nickte bedächtig, sprang auf, nahm ihm den Lappen weg und drückte ihn auf einen Stuhl, um sich rittlings auf seinen Schoß zu setzen. Arme schlossen sich um Hendrik. Eine Wange an seine gelegt, spendete Johannes ihm mit dieser Nähe Trost. Tief atmete er den vertrauten Duft ein und spürte, wie seine Unruhe allmählich wich. Umso länger Johannes ihn hielt, desto größer wurde sein Wunsch, die Mauern, die sie trennten, endlich einzureißen.

„Ich habe dir nie die Wahrheit über meine Eltern gesagt“, fing er leise an zu erzählen. „Sie sind nicht gestorben. Meine Mutter hat mich weggegeben, als ich ein kleiner Junge war. Meinen Vater hab ich nie kennengelernt. Ich kam in eine Pflegefamilie und später, als sich meine Pflegeeltern scheiden ließen, in ein Heim. Beide wollten mich nicht haben. Vielleicht habe ich deshalb diesen Schaden. Eigentlich wollte ich dich nur eifersüchtig machen. Ich war mir sicher, dass du mich nicht ausreichend lieben würdest und nur darauf wartest, einen Grund zu finden, um mit mir Schluss zu machen. Daher der Flirt mit Bernardo und ich hatte mal wieder recht. Du hast mich rausgeworfen, so wie alle anderen vorher.“

„Ich habe dich nicht rausgeworfen“, entgegnete Johannes.

„Ich weiß, aber für mich fühlte es sich so an.“ Er seufzte und fuhr fort: „Erst bin ich zu Bernardo geflüchtet, habe mir dann aber schnell eine eigene Wohnung gesucht. Anfangs hab ich überlegt, ob ich dich anflehen soll mich zurückzunehmen, aber mir wurde schnell klar, dass es niemals gut gehen würde, wenn ich nicht vorher mit meiner Vergangenheit aufräume.“

„Und? Hast du jetzt aufgeräumt?“

„Ich hab zahlreiche Therapiestunden hinter mir und hoffe, dass ich endlich ein normales Leben führen kann. Normal – pfft, was für ein Wort. Ich weiß nur eines ganz sicher: Ich vermiss dich immer noch. Ich wünsche mir so sehr, dass wir es gemeinsam schaffen.“ Bei diesen Worten zog er Johannes im Nacken näher heran.

„Stopp.“ Johannes rutschte von seinem Schoß und musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Nur reden, hast du gesagt und schon versuchst du wieder, mich ins Bett zu kriegen.“

„Entschuldige.“ Er ließ den Kopf hängen. „Entschuldige bitte.“

„Es ist ja nicht so, dass ich es nicht auch will, aber es wäre unvernünftig.“

Er schaute zu Johannes hoch. Sein vor Sehnsucht wild schlagendes Herz sprengte ihm fast den Brustkorb. Sein Ex sah verzweifelt aus, was ein winziges Fünkchen Hoffnung zündete. „Einmal nur“, flüsterte er. „Nur ein einziges Mal.“

„Ich weiß nicht.“ Johannes zauderte sichtlich, gab schließlich doch nach und streckte ihm eine Hand entgegen. „Na gut. Nur dieses Mal.“

Er ließ sich hochziehen, neigte den Kopf und fand Johannes’ Lippen für einen sanften Kuss, obwohl sein Hunger ihn beinahe überwältigte. Doch wenn es nur dieses eine Mal gab, sollte es langsam geschehen. Johannes unablässig küssend dirigierte er sie ins Schlafzimmer. Dort zog er seinen Liebsten aus, Stück für Stück und immer wieder innehaltend, um die freigelegte Haut zu liebkosen.

Johannes ließ ihn machen, grub die Finger in sein Haar und löst den Zopf. Das hat er schon früher gern gemacht und Hendrik liebte das Gefühl, wenn Finger seine dicken Strähnen durchkämmten. Endlich kam er zu Johannes’ Jeans, ging auf die Knie und presste seine Lippen gegen den flachen Bauch, während er den Verschluss öffnete und die Hose runterschob. Johannes’ Ständer schnellte hoch und traf ihn am Kinn. Er fing ihn ein, leckte über die Spitze und schaute dabei hoch. Johannes’ Wimpern waren gesenkt, die Miene vor Lust verzerrt. Er ließ das harte Stück Fleisch ganz in seinen Mund gleiten, umfasste die Eier und wog sie in seiner Hand.

Johannes schwankte und der Griff in seinen Haaren verstärkte sich. „Hendrik.“

Er verstand und gab den Lolli frei; bugsierte Johannes rückwärts aufs Bett, entfernte die restlichen Klamotten und genoss den Anblick. Johannes’ schmaler, fester Körper war ausnehmend sexy. Er mochte den angedeuteten Sixpack, die winzigen Brustwarzen und schmalen Hüften. Johannes’ Haut war seidenglatt und wenig behaart. Einst war es ihm gestattet, die paar Härchen im Schambereich zu entfernen. Die Rasur war stets sehr lustvoll gewesen, zugleich ein Vertrauensbeweis. Genau da wollte er wieder hin, dass sich Johannes ihm derart freimütig öffnete.

Schnell stieg er aus seinen Klamotten und legte sich ebenfalls aufs Bett. „Du bist so schön“, flüsterte er, bevor er Johannes’ Mund erneut eroberte.

Seine Hände gingen auf Wanderschaft. Sie kannten das Terrain noch und fanden zielsicher die erregbaren Stellen. In Hendrik brodelte eine Mischung aus Wonne und Angst. Immer wieder geisterte durch seinen Kopf, dass das hier vielleicht ein Abschiedsfick war.

„Fick mich endlich“, bettelte Johannes.

Er wollte auch nicht länger warten und bereitete sich vor. Währenddessen begab sich Johannes auf alle viere. Damit hätte er rechnen müssen, dennoch war es ein wie ein Tritt in seine Magengrube. Johannes wollte ihn also nicht dabei ansehen.

„Bitte, dreh dich um“, flüsterte er, aber Johannes schüttelte stumm den Kopf.

In seinem Frust, dass ihm die frontale Stellung verweigert wurde, war er gröber als beabsichtigt und versenkte sich mit einem Stoß. Johannes ächzte, was ihn zur Besinnung brachte. Vorgebeugt bedeckte er Johannes’ Rücken mit Küssen, als er sich langsam zu bewegen begann.

Endlich wieder mit seinem Liebsten vereinigt zu sein war wundervoll. Er liebte die Geräusche, die Johannes beim Akt machte; wusste genau, wie sein Ex tickte und was jener brauchte. Nach einer Weile erhöhte er das Tempo, eine Hand an Johannes’ Hüfte. Mit der andere umschloss er Johannes’ Erektion, was ihm mit einem geilen Stöhnlaut gedankt wurde. Triumphierend spürte er das einsetzende Pumpen und gab sich die letzten Längen, um gleichzeitig mit Johannes zu kommen. Bunte Sterne flitzten durch sein Gesichtsfeld.

Zusammen mit der Landung kam die Furcht zurück, dass Johannes wohl gleich gehen würde. Er schmiegte sich an dessen Rücken, kostete verzweifelt die letzten Momente von Nähe aus. Dann löste sich Johannes tatsächlich von ihm und rutschte zur Bettkante.



Johannes

Eine Stimme in Johannes’ Kopf flüsterte: ‚Du begehst einen Fehler‘, aber er achtete nicht darauf. Er angelte nach seinen Klamotten und begann sich anzuziehen. Es war herzlos, Hendrik gleich nach dem Akt wegzuschubsen, doch er musste es tun. Andernfalls hätte er sich festgeklammert, und das durfte nicht sein.

Wortlos verließ er den Raum, schlüpfte im Flur in seine Jacke und wagte keinen Blick zurück. Das, was er dort vielleicht sehen würde, könnte ihn seine Beherrschung kosten.

„Mach’s gut“, flüsterte er erstickt.

Er hörte ein Schniefen und zog schnell die Wohnungstür hinter sich zu.



Die folgende Nacht war fürchterlich. Er träumte von Hendrik, wenn er nicht gerade wach lag und nachdachte. Durfte er Hendrik trauen? Konnte er das überhaupt? Warum hatte er sich bloß auf das Schäferstündchen eingelassen?

Der nächste Tag wollte gar nicht vorübergehen. Tim schien auch mies gelaunt zu sein. Sie wechselten nur die nötigsten Worte und Johannes war froh, als der Feierabend nahte. Er war kaum zu Hause, als es an seiner Tür läutete.

Hendrik stand im Treppenhaus und hielt ihm ein in Alufolie gewickeltes Päckchen entgegen. „Das ist der Rest Pizza von gestern. Ich dachte, du hast vielleicht Hunger und du kochst doch nicht gern.“

„Danke“, erwiderte er überrascht, machte aber keinerlei Anstalten, das Paket anzunehmen. „Und was isst du?“

Hendrik verzog den Mund zu einem freudlosen Lächeln. „Ich hab eh keinen Hunger.“

„Wir könnten teilen“, schlug er impulsiv vor und öffnete die Tür weiter.

„Gern.“ Hendrik trat in den Flur und wirkte geschrumpft. Das musste an den hängenden Schultern und dem gesenkten Kopf liegen. Ein Bild des Jammers, welches bei ihm Bauchschmerzen auslöste.

„Soll ich sie warm machen?“, bot Hendrik an, bereits wie selbstverständlich auf dem Weg in die Küche.

Immerhin drei Jahre hatten sie zusammengewohnt und die Zeit, die dazwischenlag, schien plötzlich viel kürzer. Er folgte Hendrik, der schon die Pizzastücke in den Ofen verfrachtete, und holte Bier aus dem Kühlschrank.

Schweigend saßen sie am Küchentisch, bis ihr Essen heiß genug war. Hendrik zog das Backblech aus dem Ofen, verteilte die Stücke auf zwei Teller und stellte diese auf den Tisch. Weiterhin stumm verspeisten sie ihr Abendessen. Anschließend zogen sie ins Wohnzimmer um, wo sie sich auf die Couch setzten und Glotze guckten. Hendrik legte einen Arm um seine Schultern und hauchte ab und zu einen Kuss auf seine Schläfe. Es bedurfte keiner Worte. Johannes hätte eh nicht gewusst, was er sagen sollte.

Später kroch Hendrik in Shorts und T-Shirt zu ihm ins Bett. Nachdem er das Licht gelöscht hatte, rückten sie näher zueinander. Er spürte Hendriks Lippen auf seinen. Nur eine zarte Berührung und unglaublich schön.

„Schlaf gut“, murmelte Hendrik.

„Du auch“, flüsterte er. Hendriks Duft und Wärme hüllten ihn ein. Der anstrengende Tag forderte seinen Tribut, sodass er bald einschlief.



Am nächsten Tag musste er erst mittags zum Dienst. Entsprechend war er etwas mürrisch, als ihn jemand früh morgens mit einem Kuss auf die Stirn zu wecken versuchte.

„Was soll das?“, knurrte er und hörte ein dunkles Lachen, das ihn dazu brachte, die Augen aufzureißen.

Hendrik, eine karierte Schürze um die Hüften gebunden, darunter nackt, lächelte ihn an. Die schwarzen Haare wallten über seine Schultern und dunkle Augen waren liebevoll auf ihn gerichtet. Hendrik hielt ein Tablett in den Händen, auf dem sich ein Geburtstagsfrühstück befand.

„Setz dich hin, Morgenmuffel“, brummelte Hendrik.

„Ich hab gar nicht Geburtstag“, erwiderte er, gehorchte aber.

Hendrik stellte das Tablett auf seinem Schoß ab und krabbelte zu ihm. Vorher ließ er die Schürze fallen. Wenn Johannes’ Körpermitte nicht so voll beladen wäre, hätte sie aus der Decke ein Zelt errichtet. Er schluckte schwer und kämpfte gegen seine Erregung an.

„Das hier ist ein Dankeschön für die letzte Nacht“, verkündete Hendrik.

„Ist doch gar nix passiert.“ Er griff nach einem der Kaffeebecher.

„Doch, du hast mir vertraut.“

Hendriks Worte hingen im Raum. Johannes schnappte sich einen Toast und begriff, dass er Hendrik nicht nur in seine Wohnung, sondern auch in sein Herz gelassen hatte. Er war bereit, Hendrik eine Chance zu geben, denn ohne jenen war alles doof. Selbst wenn sie es wieder vergeigten, sie mussten es vorher einfach versuchen.

„Bist du satt?“, fragte Hendrik, nachdem er den letzten Krümel verspeist hatte.

Johannes nickte und Vorfreude auf das, was vielleicht gleich passierte, kribbelte in seinem Bauch. Hendrik verschwand mit dem Tablett, kehrte zurück und bückte sich nach der Jeans. Mit ungläubig geweiteten Augen guckte Johannes zu, wie er sie überstreifte. Was sollte das denn?

Er räusperte sich, um den plötzlichen Frosch aus seiner Kehle zu beseitigen. „Hendrik?“

Keine Antwort.

„Was wird das?“

„Ich zieh mich an“, erklärte Hendrik das Offensichtliche.

„Das sehe ich, aber was ist mit uns?“

Eine Socke in der Hand hielt Hendrik inne. „Das musst du mir sagen.“

„Bitte, bleib hier“, flüsterte er.

Hendrik setzte sich auf die Bettkante und betrachtete ihn eindringlich. „Willst du das wirklich?“

Mit den Fingerspitzen strich er über Hendriks Arm. „Mehr als alles andere.“ Er suchte Hendriks Blick. „Bitte, tu das, was du immer an meinem Geburtstag getan hast.“

Ein Lächeln huschte über Hendriks Gesicht. „Dich verführen?“

Er nickte stumm und sah zu, wie sich Hendrik die Jeans abstreifte und mit einer fließenden Bewegung zu ihm unter die Decke glitt. Ein Weilchen waren ihre Münder die einzige Stelle, an der sie sich berührten, dann drängte er sich an Hendriks warmen Körper. Hendrik stöhnte selig an seinen Lippen und umarmte ihn so fest, dass er kaum mehr Luft bekam.

Die Lustkurve stieg immer höher und damit die Sehnsucht, wieder ganz mit Hendrik zu verschmelzen. Auffordernd rieb er seine Hüften an Hendriks, schob eine Hand zwischen sie und streichelte seinen harten Schwanz, um ihn noch mehr zu reizen.

Hendrik lachte leise. „Wirst du ungeduldig?“

„Sehr. Bitte, mach endlich.“

„Ich liebe es, wenn du mich bittest.“ Hendrik gab ihm einen sanften Kuss auf den Mund und wandte sich zum Nachtschrank.

Johannes liebkoste den schönen, starken Rücken mit Blicken und Händen. Sein ganzer Körper bebte vor aufgestauter Begierde.

Endlich war Hendrik fertig und drehte sich zu ihm um. „Ich liebe dich.“

Die dunklen Augen guckten derart ernst, dass ihm vor Rührung zum Heulen zumute war. Er packte Hendrik im Nacken, zog ihn für einen Kuss heran. Im nächsten Moment rollte sich Hendrik auf ihn und ging in Position, um mit der Eroberung zu beginnen; nicht nur seinen Körper, sondern auch den Rest von ihm zu vereinnahmen. Über ihn gebeugt schnappte Hendrik nach seinen Lippen und fing an, das Becken rotieren zu lassen.

Sein Schatz beherrschte das Liebesspiel meisterlich, jedenfalls bei ihm. Wegen der Gefühlssuppe, die in ihm köchelte, war er ohnehin schon über alle Maßen erregt. So bedurfte es nur noch weniger Bemühungen, bis er, am ganzen Leib angespannt wie ein Flitzebogen, auf die Erlösung hinfieberte.

„Los, sag es mir“, forderte Hendrik.

„Liebe dich“, stieß er hervor.

Hendrik verpasste ihm ein paar harte Stöße, die ihn über die Klippe katapultierten. Unter Wonnelauten ergoss er sich zwischen sie. Kurz darauf folgte Hendrik, ekstatisch stöhnend. Ihr Blickkontakt machte die Vereinigung perfekt.



Eine Woche später …

„Du bist bei mir eingezogen, ohne dass ich es gemerkt habe“, stellte Johannes erstaunt fest.

Hendriks Klamotten hingen neben seinen im Schrank, das Rasierzeug sowie Zahnbürste befanden sich im Bad und in der Küche duftete es jeden Tag nach leckerem Essen. Hendrik lag schmunzelnd neben ihm im Bett, auf der Seite, die drei Jahre seine war.

„Tja, ich konnte keinen Tag länger warten.“

„Ich bin glücklich. Hab ich das schon mal erwähnt?“, flüsterte er in Hendriks Ohr.

„Jeden Tag dreimal, aber ich hör es immer wieder gern.“

„Und wie sieht es bei dir aus?“

„Großartig. Ich hab den Mann meiner Träume nackt im Bett. Gleich gibt’s knallharten Kuschelsex und unser Essen schmort im Ofen.“

„Das klingt gut. Kommt da noch mehr?“

Hendrik zog ihn in die Arme und rollte sie herum, sodass er unten lag. Beide Hände an seinen Wangen guckte Hendrik ihm tief in die Augen. „Ich liebe dich, Johannes Niedergang. Willst du mein Mann werden?“

Wow und noch mal Wow! Sprachlos nickte er.

„Dann werde ich die Braut jetzt mal küssen“, verkündete Hendrik und tat es dann auch.

Dunkle Haare hüllten ihn ein. Der Kuss war ein Versprechen auf eine schöne Zukunft. Johannes fühlte sich ganz leicht, trotz des schweren Kerls auf ihm. Sie hatten eine zweite Chance bekommen und diesmal würde ihnen kein beknackter Bernardo dazwischenfunken.



ENDE



Mitternachtsquadrille von Lois Nabakow


Oh let me see your beauty when the witnesses are gone

Let me feel you moving like they do in Babylon

Show me slowly what I only know the limits of

Dance me to the end of love …

 

Leonard Cohen


Ich war noch keine sechzehn, als man mir zum ersten Mal Geld für Sex anbot. Na ja, genau genommen war es gar kein Geld, sondern ein Versprechen, eine Gefälligkeit. Wie auch immer, letztendlich kommt es aufs selbe raus. Das war so: Mit der Schule hat es bei mir nie so richtig hingehauen, aber als dann in der Neunten Trigonometrie hinzukam, da war ich geliefert. Sinus, Kosinus, Tagens, Kotangens – allein schon beim Hören dieser Schreckensworte wurde mir schwindelig. Unser Mathelehrer war gleichzeitig unser Direx und sehr streng. Alle hatten Angst vor ihm, vor allem die Mädchen. Aber einmal, bei einer Schularbeit, als er neben mir stand, ist mir aufgefallen, dass er ziemlich lange auf einen fixen Punkt starrte – allerdings nicht auf meine Kritzelei, wie ich zuerst dachte, sondern auf die Beule in meinen knallbunten Beiker Schorts. Na ja, es war Sommer, und damals hatte ich fast ständig einen Steifen, egal wie oft ich mir am Tag einen runterholte.

Also, der Direx klebt mit seinem Blick an meinem Popolappen und ich denk mir, hoppala, der Kerl ist scharf auf dich und du hast bis jetzt nur Fünfer in Mathe eingeheimst – da lässt sich vielleicht was machen. Also kam es, wie es kommen musste. Er bot mir Nachhilfeunterricht an, zweimal die Woche nachmittags in seinem Büro. Ich ging hin, und anfangs wollte er mir auch tatsächlich etwas beibringen, aber meine Denkschüssel sperrte sich einfach gegen das Zeug. Und ich glaub, auch der Direx selbst war ziemlich abgelenkt, denn klarerweise hatte ich jedes Mal meine Beiker Schorts an und der Schwanz klebte mir buchstäblich am Bauch, so steif war er.

Irgendwann, nach der zweiten oder dritten Stunde, hab ich ihm dann gesagt, Herr Professor, vergeuden Sie nicht Ihre Zeit. Ich werd diese verdammte Trigonometrie sowieso niemals kapieren. Ich brauch nur die Note am Ende des Semesters. Einfach nur die Note, Okäi? Was er im Gegenzug von mir wollte, war nicht schwer zu erraten, und ich dachte mir: Warum eigentlich nicht? Ich habs sowieso im Überfluss und verschleuder’s täglich mehrmals … Und wenn er so drauf steht, na bitte, nichts leichter als das. Ich musste ihn nicht lange überreden. Der Kerl war so scharf auf mich, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich weiß noch, wie er mir das erste Mal die Hosen runterzog. Der zitterte am ganzen Körper vor Geilheit und der Sabber lief ihm übers Kinn, noch bevor ich ihm den Zapfhahn ins Maul steckte.

Na ja, in den ersten Wochen ging alles gut. Ich verabreichte ihm jedes Mal eine ordentliche Portion Sahne, manchmal auch zwei, und danach waren wir beide selig und zufrieden. Mathe wurde zu meinem Lieblingsfach, Trigonometrie-Tests ein Kinderspiel … Doch eines Tages hat die Schlaffnase dann vergessen, die Tür zum Direktionszimmer abzuschließen, und schwuppdiwupp platzte die Sekretärin rein. Fast wie in einem Kinofilm war das, ich schwörs – aber solche Dinge passieren halt auch im wahren Leben … Und ich frag mich, wozu hält man sich bitteschön eine Sekretärin, die nicht einmal die elementarste Diskretion besitzt, wie etwa, an eine geschlossene Tür zu klopfen.

Das Dämeltier hat ein Gesicht gemacht, das hab ich heut noch vor Augen! Der Direx kniete vor mir und gerade in dem Augenblick, als die Tür aufging, kam es mir und ich verpasste ihm die ganze Ladung ins Gesicht … Na ja, und das wars dann auch schon. Die Bullen sind gekommen und haben den Direx mitgenommen. Und ich musste vorm Richter aussagen. Der machte ein strenges Gesicht und brummte was vor sich hin, von wegen minderjährig und schutzbefohlen – und ich sagte: Also, befohlen wurde mir gar nichts, Euer Ehren, ich habs freiwillig gemacht, hundert pro. Genau genommen ist es ja auf mein Betreiben hin geschehen … Und außerdem ist der Direx Okäi, sagte ich, ein prima Kerl, also versteh ich nicht, warum das ganze Theater. Wenn überhaupt jemand schuldig war an der Sache, sagte ich, dann die Trigonometrie oder der perverse Typ, der sie erfunden hat. Den hätte man einsperren sollen, noch bevor er seine verdammte Theorie veröffentlichen konnte, dann wären Generationen von jungen Menschen von dieser Plage verschont geblieben. Wohingegen der arme Direx doch völlig harmlos … Aber der Richter wollte nichts davon hören. Ich jedoch sagte noch mehr, so einfach wollte ich mich nicht geschlagen geben. Schließlich hat man ja nicht täglich die Gelegenheit, vor einem Richter zu sprechen. Was für ein Schulsystem ist das, Euer Ehren, sagte ich, wo man nur heimlich im Klo wichsen kann? Da soll sich doch einer mal dort umsehen, die Wände ringsum vollgespritzt, das ist doch total eklig. Einen Raum, wo man – in aller Ruhe, entspannt und unter hygienischen Bedingungen! – aalbuttern kann: das ist es, was wir brauchen, wenn man uns schon unbedingt einen ganzen Tag lang in der Schule festhalten will. Anstatt so ’n blödes Chemielabor, sollten die uns besser ein Masturbatorium einrichten (genauso hab ichs gesagt), schön gemütlich mit Riläx-Liegen und allem Drum und Dran. Man kann doch von einem Fünfzehnjährigen nicht allen Ernstes erwarten, dass er acht Stunden lang trocken bleibt … Das ist doch nicht gut fürs Gehirn, hab ich gesagt.

Hat aber alles nichts gebracht. Der Direx wurde eingebuchtet und ich flog von der Schule. Hab ihn dann einmal sogar noch im Knast besucht, und der arme Teufel hat geweint und meine Hände geküsst (weil ich ihn heimlich wissen ließ, dass ich vorher gewichst hatte und meine Finger noch klebrig waren). Der Trottel von Aufseher stand nebenan und hatte keine Ahnung, was da so ablief … Ich bin nun alles andere als ein Weichei, aber auch mir kamen die Tränen, als ich den Direx vor mir sah, wie er weinte und meine Finger ableckte. Er hat mich aber gebeten, nicht wiederzukommen, er würde es auf Dauer nicht ertragen …

Also war ich die Schule endgültig los. Und ich dachte mir: He, mir solls recht sein! Wozu mir den Arsch noch weiter auf der Schulbank abreiben, wo ich ihn doch auch zu was Besserem benutzen kann?! Genauso dacht ichs mir und kurze Zeit später wollten mir dann auch alle gleich den Arsch lecken, weiß der Kuckuck warum. Ich dachte mir: Diese Volllampen müssen doch total bekloppt sein; lecken mir den Arsch und geben mir auch noch Geld dafür! Ich muss wohl ein Sonntagskind sein oder so. Mit der Zeit bin ich ganz schön süchtig danach geworden, dass man mir den Arsch leckt. Und wenns mal einer nicht von sich aus machte, hab ichs eben von ihm verlangt, und es gab keinen einzigen, der mir den Wunsch nicht bereitwillig erfüllt hätte!

Aber jetzt greife ich schon vor … langsam Ronni, alles schön der Reihe nach … Übrigens, mein Name ist Ronni, falls es irgendjemand wissen will, nur so nebenbei. Aber eigentlich geht das keinen was an. Ihr könnt mich nennen wie ihr wollt, solang ihr mich nicht Herr Professor nennt. Das vertrag ich nämlich überhaupt nicht. In unserer Bransch ist es sowieso üblich, sich einen Nicknäim zuzulegen, und ich hatte derer schon viele: Naitkwien, Fiftischeidsofgrej, Ändschelofdedarknes … um nur einige zu nennen …

Eins möchte ich noch klarstellen: Ich bin hier, weil mich die ehrwürdige Sodom-Akademie dazu bestellt hat, euch Pappnasen mit meiner reichen Erfahrung unter die Arme zu greifen – damit ihr den ehrwürdigen Beruf irgendwann mal ebenso erfolgreich betreiben könnt wie ich. Dafür erwarte ich einen gewissen Respekt, kapiert! Ja, genau dich hab ich gemeint, der Gähnaffe da in der dritten Reihe rechts. Was soll das Gekicher und das Grimassenschneiden, hä? Wem mein Gelaber nicht gefällt, der soll sich gefälligst packen! Im Übrigen ist es ohnehin fraglich, ob ich euch allzu viel von meinem Wissen beibringen kann. Denn für diesen Job braucht man, neben einem unempfindlichen Magen, vor allem eines: Talent! Und Talent lässt sich bekanntermaßen nicht erlernen. Okidoki?

*

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, ich bekam den Rauswurfbescheid und sagte denen in der Schule: verpisst euch, ihr könnt mich mal – und ging. Und die Kerle begannen scharenweise, mir für Geld den Popo zu lecken.

Na ja, ganz so einfach wars nun doch wieder nicht. Zunächst fuhr ich mit dem Zug nach W. Dachte mir: Das is ’ne Großstadt, da is was los, da geht die Post ab. Allein schon der Bahnhof erschien mir riesig … na gut, damals kannte ich Kingskross noch nicht. So, ich bin also in W. angekommen – und was jetzt? Ich hatte gerade noch genug Geld für ’n Burger und ’ne Cola … Also ging ich die Straße hinunter und kam in so ’nen Park. Ich legte mich auf ’ne Bank im Schatten einer Linde und schlief ein.

Als ich aufwachte, war es schon fast dunkel und ein Hauch von Lindenblüten lag in der Luft. Ich mag diesen Duft – so leicht, so zart – wie ein flüchtiger Kuss … Auch Pascal mag ihn … hat er mir selbst gesagt. Aber ich schweife ab von der Hauptsache, ist ’ne schlechte Gewohnheit von mir. Man sollte immer bei der Hauptsache bleiben, immer. Nur manchmal kommt es halt so über mich … kann nichts dagegen tun … ein Gedanke, ein zweiter, und schon ist man ganz weg vom Thema.

Wo war ich also stehengeblieben? Ich wachte auf und ein Mann saß neben mir. Er bot mir Zigaretten an und fragte mich, was ich so treibe. Hab ihm halt offen gesagt, wie es um mich steht. Daraufhin machte er mir prompt ein Angebot: Ich kann bei ihm wohnen, essen und schlafen, solang ich will – und Taschengeld krieg ich auch noch dazu. Er wollte mein Schugerdäddi sein. Okäi, sagte ich, und was wünscht der Herr im Gegenzug? Na los, ihr Ameisenhirne – dreimal dürft ihr raten. Was will ein Schugerdäddi von seinem Schugerboi? Zehn Punkte für die richtige Antwort.

Ich würde es gut haben bei ihm, er sei ein anständiger Mensch, versicherte er mir. Ich würde es bestimmt nicht bereuen. Es sah so aus, als flehe er mich beinahe an, mit ihm mitzugehen. Übrigens – ja, ich weiß, was ein Konjunktiv ist, du pseudoakademisches Arschgesicht da in der ersten Reihe! – und ich weiß ihn auch zu benutzen, wenn ich gerade Lust hab dazu. Meistens hab ich aber keine Lust. Alles klar?

Ich bin also mitgegangen. Was hätt ich sonst tun solln, eurer Meinung nach, hä? Keinen Heller in der Tasche und keinen Platz zum Pennen, außer dieser beschissenen Bank im Park. Soll man da etwa wählerisch sein?

Und so übel war der Typ ja gar nicht. Na gut, er war schon über vierzig, also eigentlich uralt, und hatte einen Bauch und eine halbe Glatze. Aber er war nett und hatte nicht zu viel versprochen. Von Anfang an hat er mich wie einen Prinzen behandelt – ja, wie einen Prinzen! – ich übertreibe nicht. Der Kerl hatte eine Riesenwohnung und eine Haushälterin, die sauber machte und für ihn kochte. Ich kriegte mein eigenes Zimmer und konnte bis mittags schlafen, wenn ich wollte. Ungestört, in meinem eigenen Bett – das heißt, wenn ich nicht gerade bei ihm im Bett war. Na ja, ein bisschen was hat er mir schon abverlangt für all die Annehmlichkeiten. Aber es war echt einfach mit ihm, überhaupt nicht anstrengend. Wenn ich dran denke, was ich später mit anderen so alles erlebt hab …

Er trank vorher immer eine halbe Flasche Wein – er sagte, er könne anders nicht ficken, nur, wenn er schon fast betrunken war. Und ich trank meistens mit ihm. Also leerten wir zuerst eine Flasche Blaufränkischen und gingen dann ins Bett. Er küsste mich zuerst überall, von Kopf bis zu den Fußsohlen – also, der Typ sparte wirklich nichts aus, das muss man ihm schon lassen. Besonders gern schnüffelte er in meinen Achselhöhlen (damals war ich noch nicht rasiert) und in meinem Arsch. Er leckte mir auch immer die Füße und lutschte an meinen Zehen. Dann blies er mir den Schwanz und knabberte an meinen Eiern. Das konnte er wirklich gut … Am Anfang versuchte ich auch ein wenig, an ihm herumzufummeln, aber das wollte er nicht – er sei zu erregt und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: bei den Autoren
Bildmaterialien: shutterstock, depositphotos
Cover: Lars Rogmann
Lektorat: Aschure, Bernd Frielingsdorf, Kooky Rooster, Sissi Kaiserlos
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2018
ISBN: 978-3-7438-8723-7

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