Cover

Käufliche Liebe 21

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

Text: Sissi Kaiserlos

Fotos von shutterstock, depositphotos – Design Lars Rogmann

Korrektur: Aschure. Danke!

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/


Advent, Advent, ein Herzlein brennt

Patrick Knüppel leitete die Galerie Schöneich in der Großen Bleichen, eine von Hamburgs Nobel-Einkaufsstraßen. Sein Herz war vor langer Zeit gebrochen, als sein Partner Philip ihn wegen eines anderen verließ. Seitdem empfand er nichts mehr, was tiefer ging. Seine Liebe galt ausschließlich der Kunst. Ein Dieb sorgte dafür, dass sich seine Prioritäten ein wenig verschoben.

~ * ~


1.

Eine Windböe wehte Patrick ein paar Blätter um die Füße, als er im Carport aus seinem Wagen stieg. Stirnrunzelnd betrachtete er das Auto seiner Schwester Grit, das schon morgens, als er zur Arbeit aufgebrochen war, vor der Garage auf dem Nachbarsgrundstück gestanden hatte. Dort wohnten seine Eltern, in der zweiten Hälfte des Doppelhauses. Normalerweise dauerten Grits Besuche nur wenige Stunden. Wollte er wissen, wieso sie diesmal länger blieb? Nach kurzer Überlegung entschied er sich dagegen. Es war bereits halb neun und seine Lust auf Smalltalk hielt sich stark in Grenzen.

Patrick liebte seine Schwester und deren Kinder, aber hinter ihm lag eine anstrengende Arbeitswoche und er sehnte sich nach Ruhe. Mit Grit konnte er bei ihrer nächsten Stippvisite immer noch reden. Sie kam ohnehin fast jedes Wochenende vorbei.

Er ging zum Haus, leerte seinen Briefkasten und schloss die Tür auf. Im Flur legte er seine Post auf die Garderobe und begab sich ins Schlafzimmer, um Wohlfühlklamotten anzuziehen. In Sweatshirt und seiner Lieblingsjeans stand er kurz darauf in der Küche, wo er sich einen Snack zubereitete, da klopfte es ans Fenster. Das konnte nur seine Schwester sein, weil sie die einzige war, die so etwas wagte. Selbst seine Eltern benutzten die Türglocke.

Er ließ sie herein und ahnte angesichts Grits bedrückter Miene sofort, dass etwas passiert war. „Hi Schwesterchen. Wie geht’s deiner Brut?“

„Ganz gut. Sie schlafen endlich.“ Sie folgte ihm in die Küche und lehnte sich, die Arme vor der Brust verschränkt, gegen die Arbeitsfläche. „Ich lass mich scheiden.“

Patrick hatte seinen Schwager noch nie ausstehen können. Grob unterteilt gab es Menschen, welche meinten, die Gesellschaft würde ihnen etwas schulden und solche, die das Umgekehrte dachten. Igor, Grits künftiger Exmann, gehörte in die erste Kategorie. Kein Job war dem feinen Herrn gut genug, was dazu führte, dass Igor meist auf der faulen Haut lag. Auch sonst legte sein Schwager ein asoziales Verhalten an den Tag und benahm sich stets herablassend und homophob, wenn sie einander sahen.

„Warum?“, erkundigte er sich pflichtschuldig, wobei er weiter sein Sandwich mit Gurken- und Tomatenscheiben belegte.

Grit schnappte sich ein Stück Gurke und wies damit auf ihn. „Als ob du das nicht wüsstest.“

„Und wie soll es weitergehen?“ Vor ihrer Ehe hatte seine Schwester als Friseurin oder Kellnerin gearbeitet. Von dem einen konnte man nicht leben, bei dem anderen waren auch die Arbeitszeiten für alleinerziehende Mütter inakzeptabel.

„Keine Ahnung und davon ganz viel“, gab Grit mit einem schiefen Lächeln zu.

Patrick nahm ein Bier aus dem Kühlschrank, seinen Teller und trug beides ins Wohnzimmer.

„Darf ich auch ein Bier haben?“, rief seine Schwester ihm hinterher.

„Bedien dich“, gab er zurück und ließ sich auf der Couch nieder. Normalerweise hätte er die Glotze angestellt, aber Grit hatte bestimmt Redebedarf. Er trank einen großen Schluck Pils und machte sich über sein spätes Abendessen her.

Eine Flasche in der Hand, schlenderte seine Schwester herein und stellte sich vors Fenster. Sie war schon immer schlank gewesen, doch nun wirkte sie richtiggehend mager. Schlechtes Gewissen keimte auf, sich so wenig um sie gekümmert zu haben. Wegen seiner Aversion gegen seinen Schwager war Patrick so gut wie nie nach Lüneburg, wo die beiden lebten, gefahren. Er hatte Grit daher meist nur gesehen, wenn die ihre Eltern besuchte und überaus selten unter vier Augen. Eigentlich, seit die Kinder da waren, gar nicht mehr.

Grit, die in den dunklen Garten geguckt hatte, wandte sich um. „Kann ich erstmal bei dir unterkriechen?“

„Natürlich.“ Ihm missfiel der Gedanke, aber Blut war nun mal dicker als Wasser. Außerdem standen die Zimmer im Obergeschoss eh leer. Seine Pläne, dort eine Einliegerwohnung einzurichten, lagen aufgrund Zeitmangels brach.

„Du bist ein Schatz.“ Grit schickte ihm einen Luftkuss, trank aus ihrer Bierflasche und rülpste anschließend hinter vorgehaltener Hand. „Sorry.“

Achselzuckend nahm Patrick die Entschuldigung entgegen.

Grit ließ sich in den Sessel ihm gegenüber plumpsen und schlug ein Bein übers andere. „Papa organisiert nächste Woche den Umzug. Er hat bereits Onkel Bert eingespannt.“

Also war das Ganze schon beschlossene Sache gewesen, bevor er gefragt wurde. Patrick verkniff sich einen bissigen Kommentar. Immerhin besaß Grit gewisses Anrecht hier zu wohnen. Das Haus hatte nämlich ihren Eltern gehört, bevor er die eine Hälfte kaufte und die andere überschrieben bekam. Auf diese Weise wollten sie sichergehen, dass Igor im Falle ihres Ablebens leer ausging.

„Und wie läuft es bei dir? Was macht Greg?“, erkundigte sich Grit.

Sie kannte seinen Chef und guten Freund von Partys zu verschiedenen Anlässen. „Er ist frisch verliebt. Wir sehen uns seitdem nur noch sporadisch.“

Seine Schwester zog eine Grimasse. „Autsch!“

„Ach, das ist schon okay. Dinge ändern sich eben. Trennen sich Igor und du einvernehmlich?“

„Seine letzten Worte, bevor er gestern mit einem Koffer zu seiner neuen Freundin gezogen ist, waren: ‚Du gehst mir auf den Sack.‘ Insofern scheint ihm nichts an einer Fortführung unserer Ehe zu liegen.“ Die Wimpern gesenkt, knibbelte sie am Etikett der Flasche und seufzte leise. „Eigentlich schade. Im Bett ist er eine Granate.“

Patrick verdrehte die Augen. Als ob Sex eine Familie ernährte. Zugegeben: Igor war äußerlich ein heißer Typ, doch das wog den miesen Charakter nicht auf. Er pickte das letzte Scheibchen Gurke vom Teller, schob es sich in den Mund und streckte zurückgelehnt seine Beine aus. „Wissen die Kinder Bescheid?“

„Noch nicht. Ich hab ihnen gesagt, dass Papa in Urlaub gefahren ist.“

„Und deshalb schlafen sie jetzt bei Oma und Opa im Gästezimmer? Sehr logisch.“

„Sie denken, wir machen auch Urlaub.“

Eines musste er seiner Schwester lassen: Sie war nicht auf den Kopf gefallen. Okay, mit Ausnahme bei ihrer Partnerwahl. Allerdings war er genauso blöde, was das betraf. Vor sieben Jahren hatte Philip ihn aus heiterem Himmel wegen einem anderen verlassen. Ihm war damals das Herz gebrochen und nie wieder geheilt.

„Ich geh mal wieder rüber“, verkündete Grit, leerte die Flasche und stand auf. „Die Kinder haben nach dir gefragt. Bist du morgen beim Frühstück dabei?“

„Klar.“

„Schön.“ Sie kaum zu ihm rüber, um ihn auf die Stirn zu küssen und verließ, das Leergut in der Hand, den Raum.

Gleich darauf fiel die Haustür ins Schloss. Patrick brachte seinen Teller in die Küche, kehrte mit einer Flasche Mineralwasser zurück und schaltete den Fernseher an. Es lief irgendeine Samstagabendshow. Mit halbem Auge sah er zu, während er versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, seine Schwester mit den Kindern zu beherbergen.

Es wäre ihm weitaus lieber, wenn seine Eltern die drei aufnehmen würden, doch sie besaßen nicht genug Platz. Die beiden bewohnten lediglich das Erdgeschoss, das anders als in seiner Hälfte aufgeteilt war. Es bestand aus drei kleineren, statt zwei großen Räumen. Das gesamte Obergeschoss gehörte zu Patricks Anteil, ein Bad sowie drei Zimmer. Eigentlich wollte er eines davon zur Küche umgestalten und mittels einer Außentreppe einen separaten Zugang anlegen lassen. Tja. Dumm gelaufen. Er sollte sich wohl schnellstmöglich um die Verwirklichung kümmern.

Patrick schob die Gedanken beiseite. Grit neigte manchmal zu Kurzschlusshandlungen. Vielleicht war die Scheidung, obwohl er die natürlich begrüßte, bald vorerst wieder vom Tisch und er zerbrach sich umsonst den Kopf.



Am nächsten Morgen läutete er um halb neun bei seinen Eltern. Er besaß zwar einen Schlüssel, benutzte den aber nur in Notfällen. Wenn man so nah beieinander wohnte, musste man gewisse Regeln einhalten. Schon deshalb graute ihm davor, mit seinem Neffen und seiner Nichte zusammenzuleben. Die beiden waren zu klein, um die Bedeutung von Privatsphäre zu kennen.

Seine Mutter öffnete und bot ihm ihre Wange für einen Kuss. „Morgen, mein Schatz.“

„Morgen Mama.“ Er folgte ihr ins Wohnzimmer.

Am gedeckten Esstisch saß bereits die ganze Familie. Der sechsjährige Max und die vierjährige Julia rutschten von ihren Stühlen und flitzten auf ihn zu. Beide kamen äußerlich nach dem hübschen Igor, mit ihren dunklen Haaren und Augen. Hoffentlich blieb das die einzige Gemeinsamkeit.

Er hob Julia auf seine Hüfte und wuschelte Max, der sein Bein umarmte, durchs Haar. „Na, ihr süßen Racker. Ihr seid ja schon wieder gewachsen.“

Seine Nichte kicherte und sein Neffe tat kund: „Ich komm nächsten Sommer in die Schule.“

„Was? Schon?“ Lächelnd strich er Max erneut über den Schopf. „Unglaublich! Einmal nicht hingeguckt und zack! - schon seid ihr erwachsen.“

Er setzte Julia ab, die die Chance nutzte ihm einen feuchten Knutscher zu geben, bevor sie zurück zum Tisch hüpfte. Max küsste ihn mit weitaus weniger Spucke auf die Wange und begab sich auch zurück zur Tafel. Nachdem er seinen Vater und seine Schwester begrüßt hatte, nahm Patrick ebenfalls Platz.

Anfangs erforderten die Kinder einige Aufmerksamkeit, dann wandte sich das Tischgespräch anderen Themen zu. Sein Vater, Zahnarzt in Rente, erkundigte sich nach seiner Arbeit. Sein alter Herr wusste Kunst zu schätzen und besaß einige Skulpturen sowie Bilder. Da Patrick einen neuen Künstler in die Ausstellung aufgenommen hatte, verabredeten sie für die kommende Woche ein Treffen in der Galerie.

Im Anschluss ans Frühstück begleitete er Grit und die Kinder auf den Spielplatz. Während die beiden herumtobten, besprachen sie ein paar organisatorische Dinge. Grit wollte sich gleich am nächsten Tag um einen Kindergartenplatz bemühen und ihre Wohnung kündigen. Die lief auf den Namen seiner Schwester, somit stellte das kein Problem dar. Um die Scheidung kümmerte sich ihr Vater, der Kontakte zu einem Rechtsanwalt, einem ehemaligen Kunden, unterhielt.

Danach war Patricks Geduld erstmal erschöpft. Er ließ Grit auf der Bank, auf der zwei weitere Mütter saßen, zurück und unternahm einen ausgedehnten Spaziergang. Um diese Jahreszeit waren die Bäume mit ihrem goldenen bis roten Laub besonders schön; außerdem mochte er die frische Luft, der teilweise ein erdiger Geruch anhaftete.

Mittags kamen Grit und die Kinder rüber, um ihm Tschüss zu sagen. Seine Schwester hatte den zweien versprochen, auf der Rückfahrt einen Zwischenstopp bei McDoof einzulegen, weshalb die beiden es kaum erwarten konnten in den Wagen zu steigen.

Den Rest des Tages verbrachte er damit, seinen Haushalt zu erledigen und zu relaxen.



Am Montagmittag trafen die Werke des neuen Künstlers ein. Er überließ es Tristan, seinem Mitarbeiter und zugleich rechter Hand, die Exponate auszupacken und zu katalogisieren. Es handelte sich um kleine Skulpturen, zumeist aus Bronze, die durch ihre Schlichtheit bestachen.

Im Laufe der Woche brachten sie gemeinsam die Exponate im Schauraum unter. Der Künstler, der am Donnerstag kam, um Ausstellung zu begutachten, war sehr zufrieden. Patricks Vater tauchte, wie verabredet, Freitagnachmittag auf und erwarb eine der Figuren, eine moderne Variante der Aphrodite.

Am Samstag verkaufte er zwei weitere Skulpturen. Wegen der relativ niedrigen Preise erfreuten sich die hübschen Werke ziemlicher Beliebtheit. Leider wohl auch bei Dieben, denn abends musste er feststellen, dass eine Figur fehlte.

Verärgert sah Patrick den leeren Platz an, auf dem morgens noch eine Statue, die dem berühmten Oscar ähnelte, gestanden hatte. Solche Verluste kamen in seiner Galerie überaus selten vor. Verirrten sich mal zwielichtige Leute in den Laden, behielt er diese im Auge, bis sie wieder draußen waren. An diesem Tag hatte er jedoch keine verdächtige Gestalt unter den Besuchern entdeckt.

Patrick überlegte hin und her, wer die Skulptur entwendet haben könnte. Solche Ware war für den Schwarzmarkt ungeeignet, da sie keinen hohen Wert hatte. Im Grunde kam nur jemand infrage, dem der kleine Oscar besonders gut gefiel und der nicht genug Geld besaß, um den Kaufpreis zu entrichten. Oder jemand, der ihn ärgern wollte. Wer sollte das sein? Soweit er wusste, hatte er keine Feinde; jedenfalls keine, die ihm auf diese Weise eins auswischen würden.

Igor? Ach nein, den hätte er bemerkt, zudem spielte Patrick bei der Scheidung seiner Schwester keine maßgebliche Rolle. Obendrein schien sein Schwager über die Auflösung der Ehe erleichtert zu sein. Jedenfalls hatte Grit so etwas geäußert und ihren Umzug um eine Woche verschoben.

Um kurz vor acht, Patrick hatte schon alles für den Feierabend vorbereitet, betrat einer von Tristans Freunden die Galerie. Moshe, wenn er sich recht entsann. Ab und zu kamen welche aus Tristans Clique vorbei, doch er hatte diesen Leuten nie großartig Beachtung geschenkt.

Moshe näherte sich mit reuevoller Miene dem Tresen. Patrick fiel ein, dass er den Mann vorhin in der Galerie gesehen hatte. Ihm schwante, weshalb Moshe solches Gesicht zog und richtig: Vor der Theke angekommen, holte jener den gestohlenen Oscar aus einem Jutebeutel und stellte ihn auf den Tresen.

„Es tut mir echt leid. Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist. Ich hab die Statue gesehen und gedacht: Die muss ich haben“, erklärte Moshe leise, den Blick gesenkt. „Kaum war ich draußen, hab ich es bereut, mich aber nicht getraut umzukehren.“

„So leid es mir tut, aber ich muss die Polizei rufen“, erwiderte Patrick streng.

„Bitte nicht!“ Moshe schaute hoch, die Augen erschrocken aufgerissen. „Ich tue alles, wirklich alles, wenn Sie davon absehen.“



2.

Es hatte Moshe einiges an Überwindung gekostet, die Figur zu stehlen. Als er sie vorhin unter seiner Jacke verschwinden ließ, war ihm vor Angst siedend heiß gewesen. Eigentlich hätte Patrick, der nur wenige Meter entfernt mit Kunden sprach, seinen lauten Herzschlag hören müssen.

Extra hatte er einen Tag gewählt, an dem sein Kumpel Tristan keinen Dienst tat. Zum einen wollte er seinen Freund nicht in den Verdacht bringen, Schützenhilfe geleistet zu haben; zum anderen war so gewährleistet, dass er mit Patrick allein war. Patrick, sein großer Schwarm. Seit Moshes erstem Besuch in der Galerie, hatte der Mann es ihm angetan. Seitdem kam er häufig her, um Patrick aus der Ferne anzuhimmeln. Oft nur durchs Schaufenster. Wenn Kundschaft im Laden war, traute er sich auch mal hinein.

Neulich, bei einem der Dienstags-Treffen in der Kneipe Grenzwertig mit seiner Clique, hatte er einen Gedankenblitz gehabt, wie er seinem Schwarm näherkommen könnte. Nun, mittendrin in seiner angezettelten Scharade, wurde ihm zunehmend mulmig zumute. Auf seine Ansage alles zu tun, um eine Anzeige abzuwenden, hatte Patrick noch nichts erwidert. Nachdenklich ruhten die blauen Augen, die er so umwerfend schön fand, auf ihm.

Schließlich, als er es einfach nicht mehr aushielt, stieß er hervor: „Ich hab kein Geld, aber ich könnte in Naturalien bezahlen. Bitte!“

Patricks geschwungene Augenbrauen flogen hoch. „Bieten Sie mir etwa Sex an?“

Moshe nickte verzagt. Erneut krauste Patrick die Stirn und taxierte ihn von oben bis unten. Ob er gefiel, konnte er nicht erkennen. Patricks Miene blieb unergründlich. Vor Nervosität begann er, von einem Fuß auf den anderen zu treten.

„Also“, ließ sich Patrick endlich zu einer Stellungnahme herab. „Das ist ziemlich unverschämt. Nur, weil Tristan schwul ist, bin ich das noch lange nicht.“

Trotz seiner Unruhe empfand Moshe leichte Verärgerung. Immerhin wusste er von seinem Freund, dass Patrick mit Gregor, dem Eigentümer der Galerie, rumgemacht hatte.

„Andererseits hat Ihr Angebot gewissen Reiz. Ich bin gerade sexuell ziemlich unterfordert und werde das wohl auch eine Weile bleiben“, fuhr Patrick fort. „Insofern lasse ich mir das mal in Ruhe durch den Kopf gehen.“

„Ähm … was genau heißt das?“

Anstelle einer Antwort ging Patrick zur Ladentür, schloss ab, schaltete die Beleuchtung aus, so dass nur noch aus dem Raum hinterm Tresen Lichtschein fiel und kehrte mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen zurück.

„Ich setze jetzt ein Schuldeingeständnis auf, das Sie unterschreiben werden. Danach sehen wir weiter.“ Mit dem Kinn wies Patrick auf die offenstehende Tür hinter der Theke.

In der dahinterliegenden Teeküche war Moshe mal anlässlich einer Vernissage gewesen, als er aufs Klo musste. Selbiges befand sich rechts davon, links ein Büro. Patrick stellte die Figur auf den Schreibtisch, ließ sich dahinter nieder und bedeutete ihm, auf dem Stuhl davor Platz zu nehmen. „Ich brauche Ihren Personalausweis.“

Moshe zückte seine Börse, fischte das Gewünschte heraus und legte es neben die Skulptur. Seine gefalteten Hände zwischen die Beine geklemmt guckte er zu, wie Patrick auf der Computertastatur herumtippte. Für sein Empfinden dauerte es eine Ewigkeit, bis der Drucker endlich ein Blatt Papier ausspuckte. Patrick las es durch und schob es ihm rüber, zusammen mit seinem Ausweis sowie einem Kugelschreiber. Moshe überflog es - zu mehr war er vor Anspannung nicht in der Lage - unterschrieb auf der gestrichelten Linie und steckte seinen Perso wieder ein.

Patrick nahm das Blatt und die Figur, verschwand in einer Kammer nebenan, kam ohne beides wieder heraus und hockte sich auf die Kante des Schreibtisches. „Ich hab derweil ein bisschen nachgedacht. Der gute Oscar kostet 600 Euro. Ich schlage vor, dass Sie mir im Gegenwert Blowjobs geben.“

Eigentlich hatte Moshe auf einen Ausflug ins Bett gehofft. Andererseits war das besser als nichts. Konnte man sich in das Herz eines Mannes blasen? Er würde es versuchen. „Okay. Öhm … wie viele wären das?“

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: depositphotos, shutterstock
Cover: Lars Rogmann
Lektorat: Aschure - dankeschön
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2018
ISBN: 978-3-7438-8732-9

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /