Käufliche Liebe 19
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!
Text: Sissi Kaiserlos
Foto von depositphotos – Design Lars Rogmann
Korrektur: Aschure. Danke!
Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/
Keegan war, im Vergleich zu einigen ehemaligen Kommilitonen, ein Glückskind. Seine Eltern unterstützten ihn finanziell und das Praktikum in der Agentur Heubusch & Partner machte ihm Spaß. Zudem hatte er gute Freunde und fesselnde Hobbys, wie fotografieren oder kochen. Plötzlich blieb jedoch der Geldfluss aus. Keegan, ein unverbesserlicher Optimist, glaubte aber fest daran, dass sich bald eine neue Quelle auftun würde. Er sollte Recht behalten.
~ * ~
An jedem 15ten des Monats überwiesen Keegans Eltern Geld auf sein Konto. Das taten sie, seit er sich nach dem Abitur abgenabelt und seine Zelte in Hamburg aufgeschlagen hatte. Davor war er mit ihnen durch die Weltgeschichte gereist. Ein paar Jahre hier, ein paar Jahre dort. Immer wieder stand er als Neuer vor einer Schulklasse, schloss Freundschaften und sobald er anfing, Wurzeln zu schlagen, ging es woanders hin.
Insgesamt fünfmal hatten sie in Deutschland den Wohnort gewechselt. Zumindest war ihm eine Sprachbarriere erspart geblieben. Die kulturellen Unterschiede waren auch so schon schwer genug zu verkraften. Es lebte sich eben anders in Norddeutschland, Bayern, Sachsen oder im Rheinland.
Womit genau seine Eltern ihren Lebensunterhalt verdienten, war ihm unbekannt. Sie kauften Immobilien, verscherbelten sie wieder und besaßen Aktien. Für ihn böhmische Dörfer. Da sich beide nie die Mühe gemacht hatten ihn einzuweihen, würde er vermutlich dumm sterben. Ihm war’s eh egal, solange der Rubel rollte.
Als seine Eltern vor einigen Jahren Hamburg Richtung Köln verlassen wollten, hatte er sich eine eigene Bude gesucht. Zu dem Zeitpunkt war er gerade mit der Schule fertig. Ein paar Jobs folgten, bevor er sich an der Uni einschrieb. Dort fand er Anschluss an eine Clique, bestehend aus vier Gleichgesinnten. Im zweiten Studienjahr kamen zwei weitere hinzu. Sie teilten die Vorliebe fürs Darten und für Männer. Natürlich gab es mehr als sieben Schwule unter den immerhin 40.000 Studenten, aber zwischen ihnen bestand eine besondere Verbindung, die nichts mit der sexuellen Ausrichtung zu tun hatte. Okay-okay, er war mal mit Tristan, einem aus der Clique, in die Kiste gehüpft, doch das bildete die Ausnahme.
Nach dem Studium machte jeder von ihnen etwas anderes, ihre Beziehung blieb jedoch bestehen. Regelmäßig trafen sie sich zum Darten und gingen manchmal zusammen weg. Irgendwie waren die Jungs eine Art Familie für ihn geworden. Trotzdem behielt er manche Dinge für sich, insbesondere finanzielle Geschichten. Bei Geld hörte die Freundschaft eben auf, so seine Meinung. Es waren deswegen schon ganz andere Verhältnisse in die Brüche gegangen oder sogar Kriege ausgebrochen.
Im September blieb die Zahlung seiner Eltern aus. Keegan dachte sich nichts dabei. Bestimmt hatten sie das bloß vergessen. Er besaß ein kleines Polster, so dass er keinerlei Not litt. Zwei Wochen danach kam eine E-Mail, die ihn allerdings nachdenklich machte.
„Hallo Schatz, wir haben im Moment einen Engpass. Man hat unsere Konten eingefroren. Das wird sich bestimmt bald aufklären, keine Sorge. Wir haben dich lieb, deine Eltern.“
Die beiden wohnten inzwischen in Monaco. Hatten sie Steuern hinterzogen oder warum waren die Konten gesperrt? So etwas geschah doch nicht ohne Grund. Ein Anruf bei seinen Eltern lief ins Leere. Vielleicht hatten sie mal wieder den Anbieter gewechselt, ohne ihn zu informieren. Er schickte also eine E-Mail, in der er um nähere Informationen bat.
Im Grunde war das Weshalb aber egal. Es änderte nichts an der Tatsache, dass er bald in die roten Zahlen rutschte. Seinen Dispo zu strapazieren widerstrebte ihm sehr. Einmal drin, kam man nur schwer wieder raus.
Jedenfalls schwebte das Damoklesschwert einer nahenden Pleite über ihm, als er an dem der Hiobsbotschaft folgenden Dienstag ins Grenzwertig ging. Die Kneipe war der Treffpunkt seiner Clique, um Dart zu spielen. Michael, Moshe und Serhan trafen kurz nach ihm ein, Janosch, Holger und Tristan im Abstand von jeweils einigen Minuten.
Wie stets zischten sie erstmal ein Bierchen, zum Warmwerden, und quatschten dabei. Tristan, der sich einen reichen Schnösel und geilen Job in einer Galerie geangelt hatte, berichtete von einer in Kürze stattfindenden Vernissage. Keegan zählte zwei und zwei zusammen: Wo teure Bilder angeboten wurden, trieb sich die Creme de la Creme herum. Vielleicht fand sich darunter ein Sugardaddy oder anderer Geldgeber. Er beschloss, die Chance zu nutzen. Moshe und Serhan bekundeten ebenfalls Interesse, die Ausstellung zu besuchen, doch vermutlich aus anderen Motiven.
Zu dritt gingen sie also zu der Vernissage. Keegan hatte sich extra fein rausgeputzt: Zu schwarzen Jeans trug er ein weißes Hemd mit Nadelstreifen, darüber eine schwarze Lederjacke. Seine blonden Locken hatte er mit Gel frisiert und etwas getönte Feuchtigkeitscreme aufgetragen, damit sein Teint weniger blass wirkte. Moshe und Serhan rissen darüber auf dem Hinweg dumme Sprüche, was er gelassen über sich ergehen ließ. Aus den beiden sprach nur purer Neid.
Aus Neugier hatte Keegan die Galerie schon mal besucht, um sich ein Bild von Tristans Arbeitsplatz zu machen. Auch Moshe war bereits dagewesen, nur Serhan noch nicht. Letzterer setzte sich daher gleich nach ihrer Ankunft ab, um sich ein bisschen umzuschauen. Moshe und Keegan hingegen plauderten mit Tristans Mutter, die hinterm Verkaufstresen residierte.
Zu Studienzeiten waren sie oft bei ihr zu Besuch gewesen, besonders in der Phase, als ihr krebskranker Sohn Chemo bekam. Damals durfte Tristan kaum unter Leute, wegen der Infektionsgefahr. Sie hatten versucht, ihm diese unfreiwillige Isolation etwas schöner zu gestalten. Dafür waren Freunde ja da.
Als sich Serhan wieder zu ihnen gesellte, unternahm Keegan einen Rundgang. Kunstliebhaber schienen nur paarweise oder in Form von Friedhofsverweigerern aufzutreten, stellte er missvergnügt fest. Nichts gegen reife Männer, doch wenn diese nur noch aus Falten bestanden - nein danke. Da streikte selbst seine ansonsten großzügige Libido.
Er versorgte sich mit neuem Sekt und wanderte wieder durch den Raum, diesmal auf die Bilder konzentriert. Die angewandte Technik fand er ziemlich interessant. Selbst die Werke mit weiblichen Fotografien betrachtete er eingehend. War das vielleicht die Lösung? Sollte er sich Farben kaufen und ebenfalls Fotos vollkleistern? Zutrauen würde er sich das, schließlich besaß er auch ein gutes Auge für Motive.
Gerade beäugte er ein Exponat mit zwei Männern, als ihn jemand von der Seite anquatschte: „Dich hab ich ja noch nie hier gesehen.“
Es handelte sich um einen attraktiven schwarzhaarigen Weißen, schätzungsweise Mitte bis Ende dreißig.
„Ich bin Keegan, ein Freund von Tristan“, stellte er sich vor.
„Ah ja?“ Der Typ musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Arbeitest du auch für die Escort-Agentur?“
Im ersten Moment war Keegan perplex, im nächsten fiel bei ihm der Groschen. Dafür hatte Tristan also die Fotos benötigt, die er vor einigen Wochen - angeblich für Bewerbungen als Model - schießen sollte. Dieser Schlawiner! Zugleich brachte ihn das auf eine Idee. Das hier war doch die Gelegenheit, das Loch in seiner Kasse zu stopfen.
„Gelegentlich. Meistens arbeite ich auf eigene Rechnung“, flunkerte er.
„Vielleicht kommen wir ja ins Geschäft“, meinte der Mann mit einem Augenzwinkern.
„Und wer bist du?“
„Maxwell.“
„Freut mich. Bist du nur wegen der Getränke hier oder stehst du auf Kunst?“
„Irgendwas muss man sich ja an die Wand hängen“, erwiderte Maxwell achselzuckend. „Bist du heute schon gebucht?“
Oha! Das ging ja mächtig schnell. Was sollte er denn bloß für Preise nennen, falls der Typ danach fragte? Noch nie hatte Keegan etwas mit Callboys zu tun gehabt. „Öhm … nein.“
„Sehr schön. Wollen wir unsere Unterhaltung nicht in einen privateren Rahmen verlegen?“
Hinter Maxwell tauchte Tristan auf, zog Grimassen und gestikulierte wild. Keegan vermutete, dass es sich um eine Warnung handelte. Anscheinend kannte Tristan den Typen näher. Da er sich das Geschäft nicht durch die Lappen gehen lassen wollte, ignorierte er seinen Freund. Außerdem war er schon groß und konnte auf sich aufpassen. „Gern. Wohin?“
„Gehen wir doch zu mir“, schlug Maxwell vor.
Regel Nummer eins: Gehe nie mit Fremden in deren Wohnung. Das hatten seine Eltern Keegan eingebläut. Regel Nummer zwei: Nimm nie Fremde mit in deine Wohnung. Die hatte er gerade selbst aufgestellt. „Wie wäre es mit einem Hotelzimmer?“
Maxwell zog die Augenbrauen zusammen, schien einen Moment zu überlegen und nickte schließlich. „Okay. Warte mal kurz.“
Während Maxwell ein Smartphone zückte und auf dem Display herumwischte, überlegte Keegan, wie teuer Sex auf dem hiesigen Markt sein mochte. Da sein Sexpartner in Spe anscheinend länger brauchte, holte er ebenfalls sein Gerät hervor und recherchierte im Internet. Leider fand er kaum Informationen, lediglich ein Artikel des Queer-Magazins gab etwas Aufschluss. Er steckte sein Handy zurück in die Hosentasche, just in dem Moment, in dem auch Maxwell fertig wurde.
„Alles klar. Lass uns gehen“, verkündete jener, nickte in Richtung Ausgang und setzte sich in Bewegung.
In Maxwells Kielwasser verließ Keegan den Laden. Auf dem Weg wo-auch-immer-hin beschloss er, gleich nach ihrer Ankunft im Hotel seinen Standort per SMS an Moshe und Serhan zu melden. Sie hatten zwar seit Neuestem auch eine WhatsApp-Gruppe, aber er wollte vermeiden, die gesamte Clique zu informieren. Es war ja nur für den Notfall. Er glaubte zwar nicht, dass es sich bei Maxwell um einen Mörder handelte, doch sein Gespür für Menschen könnte trügen.
Am Ende der Großen Bleichen bog Maxwell rechts ab und steuerte das Hotel Revivalissimo an. Ein Portier öffnete ihnen die Tür. Drinnen empfing sie unaufdringlicher Pomp.
„Geh schon mal in die Bar. Ich komm gleich nach.“ Maxwell wies mit dem Kinn in die entsprechend Richtung und begab sich zur Rezeption.
Als Kind und Jugendlicher hatte Keegan in zahlreichen Hotels logiert, wenn seine Eltern auf der Suche nach der nächsten Bleibe waren. Er empfand also keinerlei Ehrfurcht, als er durch die luxuriöse Lobby ging und sich an den Tresen setzte. Beim Barkeeper bestellte er ein kleines Pils und zog sein Smartphone aus der Hosentasche.
„Ich befinde mich im Hotel Revivalissimo. Sollte morgen meine Leiche gefunden werden: Maxwell ist der Mörder. LG Keegan“, tippte er und schickte die SMS ab.
Bevor er das Gerät wieder wegsteckte, schaltete er es auf stumm. Garantiert würde Moshe oder Serhan gleich versuchen ihn anzurufen, dafür kannte er die beiden gut genug.
Als der Barkeeper sein Getränk vor ihm abstellte, tauchte Maxwell auf und nahm neben ihm Platz. „Für mich das Gleiche, bitte.“
„Gab es noch ein Zimmer?“, erkundigte sich Keegan flüsternd.
„Natürlich. Ich hab doch vorher nachgeguckt.“
Da ihm nichts weiter einfiel, nippte er an seinem Bier und sah in die Gegend. Außer ihnen saßen ein Pärchen und zwei Männer am Tresen. An den Tischen war ein bisschen mehr los. Eine Familie mit einem gelangweilt dreinschauendem Teenager, eine Gruppe Touristen, vermutlich Japaner und zwei aufgedonnerte Frauen.
„Wie lange bist du schon bei dem Escort-Service?“, wollte Maxwell, der inzwischen auch ein Glas Pils in der Hand hielt, wissen.
„Och, so zwei, drei Monate.“
„Merkwürdig. Ich hab dein Profil dort nicht entdecken können.“
Mist! „Das hab ich deaktivieren lassen, weil ich mit Anfragen überschwemmt wurde“, improvisierte er.
Maxwell nickte verständnisvoll. „Löblich. Ist ja auch unfair, den anderen alle Kunden wegzuschnappen.“
Verarschte ihn der Typ gerade? „Na ja, sooo schlimm war’s nun auch wieder nicht. Ich kann nur nicht ständig unterwegs sein und nebenher meinen Job machen.“
„Was arbeitest du denn so?“
„Ich bin bei Heubusch & Partner.“
„Als was?“
Mädchen für alles wäre die Wahrheit, stattdessen behauptete Keegan: „Ich bin Assistent des Marketingleiters.“
„Hört sich nach einer guten Position an. Sag mal ...“ Maxwell senkte die Stimme. „Wir haben noch gar nicht über deinen Tarif geredet.“
Das kam wohl ein bisschen spät. Immerhin hatte Maxwell das Zimmer bereits gebucht. Keegan entschied, diese Tatsache zu seinen Gunsten auszunutzen. „400 für Blümchensex, natürlich nur mit Gummi. Wenn du was Ausgefalleneres willst, nehme ich einen Aufschlag.“
„Ausgefalleneres?“, hakte Maxwell stirnrunzelnd nach.
„Eben alles, was darüber hinausgeht. Irgendwelche Stellungen, bei denen man sich verknoten muss oder die Anwendung von Spielzeugen.“
„Wie sieht’s mit zärtlichen Schlägen aus?“
„Oh nein! Das ist gar nicht mein Ding.“
„Schade“, murmelte Maxwell, leerte das Glas und winkte den Barkeeper heran. „Schreiben Sie das bitte auf Zimmernummer 317.“
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock
Cover: Lars Rogmann
Lektorat: Aschure - dankeschön
Tag der Veröffentlichung: 12.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8413-7
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