Cover

Männerherzen im Winter

 

 

Eine Anthologie der HomoSchmuddelNudeln

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autoren und erwerben eine legale Kopie. Danke!

Texte: Die Rechte liegen bei den Autoren

Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann

Korrekturen: Bernd Frielingsdorf, Aschure, Sissi Kaiserlos

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

 

Vorwort


Im Jahre 2013 ersannen Kooky Rooster und ich das Label HomoSchmuddelNudeln, ursprünglich mit dem hohen Ziel, 365 Gutenachtgeschichten für den guten Zweck herauszugeben. Vielleicht haben wir die angestrebte Marke, wenn man alle gespendeten Storys zusammenzählt, inzwischen erreicht, aber viel wichtiger ist, dass erhebliche Summen an karitative Einrichtungen gingen.

Dafür danke ich allen Mitwirkenden auf und hinter der Bühne und natürlich allen Lesern, die die Werke erworben und somit den Erfolg überhaupt erst möglich gemacht haben. Ihr seid Klasse.

Aktuell gehen die Spenden an die Schwestern der perpetuellen Indulgenz in Berlin. http://www.indulgenz.de/ Auch ihnen gilt mein Dank für die umsichtige Verwendung der Spenden und die hohe Einsatzbereitschaft, um Menschen in Not zu helfen.


Sissi Kaiserlos im HomoSchmuddelNudeln-Gewand

Hamburg im Januar 2018


Kilian und Floyd – Januarblues – Sissi Kaipurgay


Aus heiterem Himmel verlässt Kilian am 1. Januar samt Gepäck die gemeinsame Wohnung …

~ * ~

1.

„Wir stecken in einer Krise“, hatte Kilian am Morgen des 1. Januar, als sie beim ersten Kaffee in der Küche saßen, gesagt. „Kann sein, dass bloß ich eine habe, aber … ich muss erst mal hier raus.“

Mit zwei Rollkoffern im Schlepptau verschwand Floyds langjähriger Partner eine Viertelstunde später. Ein Zeichen dafür, dass es sich um keinen spontanen Entschluss handelte. Kilian musste sie bereits vorher gepackt haben. Floyds verkaterter Zustand ließ kein logisches Handeln zu. Er überschüttete Kilian erst mit Fragen, dann mit Vorwürfen, doch der schwieg stoisch und schob ihn energisch beiseite, als er die Wohnungstür zu blockieren versuchte.

Seitdem, also seit zehn Tagen, hatte er von Kilian weder etwas gehört noch gesehen. Warum das Zerwürfnis passiert war, entzog sich seiner Kenntnis. Sicher, es hatte in letzter Zeit ein paar Streitpunkte gegeben, doch alles nur gewöhnliche Lappalien.

Seufzend strich Floyd über das unbenutzte Kissen neben seinem. Wenn er doch nur wüsste, wo Kilian war. Wahrscheinlich in einem Hotel. Zu Kilians Eltern war der Kontakt vor langer Zeit abgebrochen und von ihren Freunden wusste auch niemand etwas über den Verbleib seines Liebsten. Auf der Arbeit hatte sich jener krankgemeldet.

Handelte es sich bloß um eine Midlife-Crisis? Kilian wurde Anfang Februar 40. Brauchte er bloß warten? Gerade die Unwissenheit setzte ihm erheblich zu.

Pflichtschuldig schwang er seine Beine aus dem Bett. Die Arbeit wartete. Seine Kollegen waren so weit okay und solange am Postschalter Betrieb herrschte, verging der Tag einigermaßen schnell. Er liebte den Kundenkontakt, obwohl einige von denen Arschlochqualitäten besaßen, die freundlichen wogen das jedoch wieder auf.

Abends kam endlich ein Nachricht von Kilian. „Können wir uns auf einen Kaffee treffen? Hab totale Scheiße gebaut.“

„Komm doch her. Du wohnst hier, schon vergessen?“, textete er zurück.

„Lieber auf neutralem Terrain.“

Das ließ tief blicken. Wollte Kilian den endgültigen Schlussstrich ziehen? Sein Herz krampfte sich zusammen. „Schlag was vor.“

„In einer halben Stunde im Café Stark?“

Das war in der Nähe der Reeperbahn. Lebte Kilian etwa dort in irgendeiner Absteige? „Okay. Ich mach mich auf den Weg.“

Die Fahrtzeit dauerte nur eine Viertelstunde, die Parkplatzsuche fast das Doppelte an Zeit. Als er endlich das Café betrat, konnte er Kilian auf den ersten Blick nicht entdecken. Erst auf den zweiten erkannte er in dem Mann mit dem Bart in einer Ecke seinen Lebensgefährten. Zum einen wegen der schlechten Lichtverhältnisse, zum anderen war Kilian normalerweise glatt rasiert.

Auf dem Weg zum Tisch winkte er dem Typen hinterm Tresen zu. „Einen Cappuccino, bitte. Ich sitze dahinten.“

Er nahm gegenüber Kilian Platz. „Hi. Freut mich, dass du dich endlich gemeldet hast.“

„Tut mir leid. Ich musste erst mal mit mir selbst ins Reine kommen.“

„Und? Ist dir das gelungen?“

Stumm schüttelte Kilian den Kopf. „Ich weiß nur, dass ich alles ungeschehen machen möchte.“

„Vielleicht erzählst du mir erst mal, was los ist“, schlug Floyd vor.

„Ich werde erpresst.“

Überrascht runzelte er die Stirn. Kilian war zwar nicht arm, aber auch kein Millionär. „Womit das denn?“

Der Kellner brachte seine Bestellung.

Nachdem der Mann wieder weg war, brach aus Kilian heraus: „Ich bin fremdgegangen.“

Irgendwie hatte er damit gerechnet, dennoch traf es ihn tief, die Bestätigung zu erhalten.

„Es ist nach der Weihnachtsfeier am 21. Dezember geschehen. Ich war total betrunken, was natürlich keine Entschuldigung ist.“

„Also mit einem Kollegen?“

„Gewissermaßen. Julius arbeitet in der Filiale in Stuttgart. Er ist nur alle zwei Wochen in Hamburg. Reiner Zufall, dass er ausgerechnet an jenem Tag da war. Wir haben uns gut unterhalten und sind nach der Feier in eine Bar umgezogen. Es ist in einer dunklen Seitenstraße passiert, bevor er mich in ein Taxi verfrachtet hat.“

An jenem Abend war Kilian völlig besoffen nach Hause gekommen und sofort ins Bett gekippt. „Und wie ging’s weiter?“

„Am nächsten Tag kam eine E-Mail von ihm, dass er das wiederholen möchte. Ich hab ihm natürlich eine Absage geschickt. Daraufhin hat er gedroht, mich im Betrieb als Schwuchtel zu outen, wenn ich nicht mitspiele.“

Kilians wunder Punkt. Im letzten Unternehmen hatte man ihn aus diesem Anlass rausgemobbt, ein Outing war daher eine Horrorvorstellung. Die Schilderung ließ vermuten, dass außer Alkohol auch K.-o.-Tropfen eine Rolle spielten.

„Hat er dir was ins Getränk getan?“

„Keine Ahnung.“ Sein Gegenüber zuckte die Achseln. „Vielleicht. Wenn ich viel trinke, wirkt sich das normalerweise negativ auf meine Libido aus.“

Was er bestätigen konnte. „Wie hast du auf seine Drohung reagiert?“

Kilian ließ den Kopf hängen. „Zwischen Weihnachten und Neujahr war er privat in Hamburg. Ich hab mich mit ihm getroffen.“

„Ihr hattet Sex?“

„Mhm.“ Kilian nickte, ohne aufzuschauen.

„War’s wenigstens schön?“, ätzte er, weil die Vorstellung unheimlich wehtat.

„Es war eine einzige Demütigung. Er hat mich spüren lassen, dass Typen wie er kein nein akzeptieren. Hinterher konnte ich einen Tag nur unter Schmerzen sitzen. Das einzig Positive: Er hat zumindest Gummis benutzt.“

Das Schlimmste war eigentlich, von alldem nichts bemerkt zu haben. Immerhin führten sie seit über fünf Jahren eine Beziehung. Im Nachhinein fiel ihm auf, dass Kilian stiller als sonst gewesen war. Er hatte das auf die Weihnachtszeit geschoben, die meist Erinnerungen an das verloren gegangene Elternhaus hervorrief. Allerdings war Kilian in den Jahren davor nie über mehrere Tage lang betrübt gewesen, sondern bloß an Heiligabend.

Was sagte das über ihre Partnerschaft aus? Sie steckten wirklich in einer Krise, allerdings nicht wegen Kilians Ausrutscher. Vielmehr sollten sie besser aufeinander achtgeben. Aufmerksamer sein.

„Ich bin momentan krankgeschrieben. Wie’s weitergehen soll, weiß ich noch nicht, aber Julius will ich keinesfalls wiedersehen.“

„Wo bist du untergekommen?“

„In einer billigen Pension in der Bremer Straße. Die Zimmer sind einigermaßen sauber.“

„Bitte, komm nach Hause.“ Über den Tisch hinweg griff er nach Kilians eiskalter Hand. „Wir finden gemeinsam eine Lösung.“

„Kannst du mich denn überhaupt noch in deiner Nähe ertragen, nachdem ich …“ Sein Gegenüber sah hoch. „… nachdem ich dich betrogen habe?“

„Das ändert doch nichts an meinen Gefühlen. Natürlich bin ich verletzt, aber das heilt wieder, wenn du mich ein bisschen pflegst.“

Ein winziges Lächeln ließ Kilians Mundwinkel kurz hochzucken. „Dafür muss ich wohl vor Ort sein. Fernpflege funktioniert nicht.“

„Gut erkannt.“

„Dann pack ich nachher meine Sachen und checke morgen aus.“

„Wieso morgen?“ Floyd zückte sein Smartphone, um aufs Display zu gucken. „Es ist erst acht.“

„Mein Wagen steht zwei Bahnstationen entfernt. Falls man den nicht inzwischen abgeschleppt hat.“

„Zu meinem sind es nur ein paar Minuten zu Fuß.“ Floyd spähte zum Tresen und gab dem Kellner ein Handzeichen. „Zahlen, bitte.“



2.

Was die Sauberkeit anbetraf, stimmte Kilians Aussage. Der Rest jedoch: ohne Worte. Das Zimmer war schäbig möbliert, besaß nur einen altertümlichen Fernseher und die Wände bestanden wohl aus Papier. Während sie zusammen Kilians Sachen in den Koffern verstauten, erlebten sie nahezu live den Abgang eines Mannes nebenan.

Er war heilfroh, als sie die billige Pension, die wohl gern vom horizontalen Gewerbe genutzt wurde, verlassen konnten und seinen Wagen ansteuerten. Den einen Trolley wuchtete er in den Kofferraum, den anderen verstauten sie auf der Rückbank. Anschließend nahmen sie vorn Platz.

Während der Fahrt herrschte Schweigen. Es war erst mal alles gesagt, außerdem dachte er über Kilians Situation nach. Im Grunde gab es nur zwei Lösungsansätze: Beten, dass dieser Julius die Drohung nicht wahr machte, oder die Flucht nach vorn. Vermutlich präferierte Kilian Ersteres, doch es bedeutete zugleich, das ständig über einem schwebende Damoklesschwert zu ertragen.

Nachdem sie in der Tiefgarage das Gepäck ausgeladen und in den 1. Stock in ihre gemeinsame Wohnung verfrachtetet hatten, sah sich Kilian seufzend um.

„Wie hab ich das hier vermisst. Vor allem dich.“

„Hättest du gleich mit mir geredet, anstatt auszubüxen, wäre …“

„Ja, ja“, schnitt Kilian ihm das Wort ab. „Ich brauchte aber erst mal Abstand, um alles zu verdauen.“

„Hast du davon genug bekommen oder möchtest du im Wohnzimmer schlafen?“

„Wenn dir das lieber ist.“

„Quatsch! Bring deine Sachen ins Schlafzimmer. Ich mach uns derweil einen Punsch.“ Er ließ Jacke und Schuhe an der Garderobe, ging in die Küche und holte eine Flasche Glühwein aus dem Schrank.

Als das Gebräu zu köcheln anfing, gesellte sich Kilian zu ihm und sog das Aroma vernehmlich ein. „Mhm. Das riecht gut. Hast du deine Spezialkräutermischung da reingetan?“

„Du meinst den tüchtigen Schuss Rum? Ja, hab ich.“ Lächelnd füllte er einen der beiden bereitstehenden Becher.

„Darf ich dich küssen oder ist dir das noch zu früh?“

„Frag nicht, mach einfach“, gab er zurück, woraufhin Kilian den Topf aus seiner Hand nahm, auf den Herd stellte und ihn in die Arme zog.

Es war wie nach Hause gekommen. Kilians vertrauter Duft, der gewohnte Geschmack der weichen Lippen, die Zärtlichkeit ihrer Berührung.

Bloß der Bart störte ein wenig und erinnerte ihn daran, dass es noch einiges aufzuarbeiten gab. Schließlich hatte zwischen ihnen zehn Tage Funkstille geherrscht. Etwas, das er nie wieder erleben wollte. Außerdem sollten sie mehr über die Wirkung von K.-o.-Tropfen herausfinden. Floyd kannte das Zeug nur vom Hörensagen. Falls das stimmte, was er darüber wusste, war Kilian eher zum Opfer denn zum Fremdgänger geworden.

Er löste sich aus ihrem Kuss und lächelte schief. „Nimm’s mir nicht übel, aber glatt rasiert gefällst du mir besser.“

„Wird sofort erledigt.“ Kilian salutierte, um gleich darauf ins Bad zu eilen.

Diese Gelegenheit nutzte er, hockte sich im Wohnzimmer vors Notebook und suchte nach Informationen über die sogenannte Vergewaltigungsdroge. Es fanden sich zahlreiche Berichte von Betroffenen im Internet. Mit wachsendem Entsetzen las er und zuckte zusammen, als sich plötzlich eine Hand wie aus dem Nichts auf seine Schulter legte. Er hatte Kilian gar nicht herannahen hören.

„Ich hatte eigentlich gehofft, wir trinken zusammen Punsch und reden ein bisschen.“ Das klang ziemlich enttäuscht. „Aber wenn du lieber surfen möchtest …“

„Setz dich.“ Auffordernd klopfte er auf die Couch und rückte ein Stückchen zur Seite, damit Kilian ebenfalls auf den Monitor sehen konnte. „Da rächt sich nun, dass wir beide nie Discogänger waren. Anscheinend gilt es in der Szene als Kavaliersdelikt, jemanden mit diesen Scheißtropen willig zu machen.“

Kilian beugte sich vor, um die zuletzt von ihm aufgerufene Seite zu studieren. Ein besonders ekelhafter Erfahrungsbericht. Zunehmend spiegelte sich Begreifen auf Kilians Miene.

„Wahrscheinlich sollte ich froh sein, dass dieses Arschloch mir keine Überdosis verpasst hat. Eine Mitschuld trage ich dennoch, schließlich bin ich nicht mehr 18 und hätte …“

„Sch-sch!“, stoppte Floyd die Selbstanschuldigungen, klappte das Notebook zu und schob es weg. „Ich hab dir das gezeigt, damit du dich besser fühlst. Du hattest überhaupt keine Chance.“

„Aber beim zweiten Mal stand ich nicht unter Drogen …“

„Sondern unter starker seelischer Belastung“, unterbrach er Kilian erneut. „So. Und nun lass uns das Thema wechseln. Ich hol den Punsch.“

Nachdem er den Glühwein ein zweites Mal erhitzt hatte, trug er die Becher ins Wohnzimmer und ließ sich wieder auf der Couch nieder. Kilian nahm einen und schloss beide Hände darum, wie um sich zu wärmen, dabei war die Wohnung wohltemperiert. Bei Gemütsschieflagen pflegten Kilians Finger eisig zu werden. Ebenfalls ein Anzeichen, das er vor dem Ausbruch am 1. Januar ignoriert hatte.

„Ich möchte, dass wir keine Geheimnisse voreinander haben. Die letzten zehn Tage waren schrecklich.“ Bei der Erinnerung daran bröckelte seine Stimme leicht. „Ich hatte solche Angst, dass du einen anderen hast.“

Kilians Blick wurde ganz weich. Die braunen Augen mit den langen Wimpern waren eh Attraktionen, mit diesem Ausdruck darin zum Schmelzen schön. Auch der Rest von Kilian besaß hohen Suchtfaktor: Der schlanke Körper, die hübschen Lippen und – nicht zu vergessen – einnehmenden Charakterzüge.

Sie hatten sich vor sechs Jahren auf der Geburtstagsfeier eines Freundes kennengelernt. Es folgten ein paar Dates, bei denen er sich immer mehr in Kilian verliebte. Ihren ersten Sex hatten sie in einem Meer aus Kerzen zelebriert. Einen Monat später waren sie zusammengezogen.

„Ich will keinen anderen als dich“, flüsterte Kilian, stellte den Punsch beiseite und schlang beide Arme um ihn.

Ohne den Bart konnte er sich ganz auf ihre Küsse einlassen. Mit jedem schwand ein bisschen der Last, die sich auf seinem Herz angesammelt hatte. Als Kilian von ihm abließ, war mindestens die Hälfte bereits abgetragen.

„Wir sollten wohl mal langsam unseren Glühwein austrinken und ins Bett gehen. Muss morgen früh aufstehen.“ Außerdem brauchte Floyd unbedingt mehr körperliche Nähe, wenn auch vorläufig bloß auf Streicheleinheiten begrenzt.

„Hast du Frühdienst?“

„Leider ja.“ Was in seinem Fall bedeutete, um acht den Dienst in der Postfiliale anzutreten.

„Dafür bist du eher wieder zu Hause.“ Lächelnd zwinkerte Kilian ihm zu, griff nach dem abgestellten Becher und reichte ihm den anderen.

Wenig später lagen sie im Bett. Kilian kuschelte sich an ihn und zog die zweite Decke so über ihre Körper, dass beide zusammen einen wärmenden Kokon bildeten. In diesem Nest tauschten sie Küsse, streichelten einander und murmelten sich Liebesworte zu. Auf diese Weise schlief Floyd mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ein.



3.

Am nächsten Tag kehrte er gegen fünf von der Arbeit heim. Morgens hatte Kilian ihm versprochen die Einkäufe zu erledigen, daher konnte er sich den Weg zum Supermarkt sparen und direkt nach Hause fahren.

Als er die Wohnung betrat, schlug ihm wohlriechender Essensduft entgegen. Rasch entledigte er sich seiner Jacke sowie Schuhe und lief in die Küche. Im Backofen brutzelte ein Hähnchen, auf dem Herd standen Töpfe mit fertig geschälten Kartoffeln und Gemüse. Von Kilian keine Spur.

„Schatz? Ich bin im Bad.“

Kilian klang aufgekratzt. Misstrauisch beäugte Floyd die Flasche Rotwein, die geöffnet auf dem Tisch stand. Sie war jedoch nicht angebrochen. Neugierig, warum Kilian derart gut gelaunt war, ging er zum Badezimmer und spähte hinein. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Kilian stand vorm Waschbecken, das Kinn noch halb eingeschäumt und einen Rasierer in der Hand.

„Es gibt etwas zu feiern. Ich war heute in der Firma beim Betriebsrat. Man hat mir, falls Julius rumspinnt, volle Unterstützung zugesagt. Montag gehe ich wieder zur Arbeit.“

Das waren wirklich gute Nachrichten und er hatte auch eine. „Ich hab morgen den Dienst getauscht und brauche erst um zehn da sein.“

„Wow! Dann lassen wir es heute richtig krachen.“ Vielsagend wackelte Kilian mit den Augenbrauen und nahm die Rasur wieder auf.

Das bedeutete wohl eine längere Bettorgie. Nach der letzten enthaltsamen Nacht und den vielen einsamen davor, jagte der Gedanke einen kribbelnden Schauer über seine Haut. Inzwischen war Floyd mehr als bereit, ihre besondere Verbindung zu erneuern.

Sobald Kilian das Bad freigegeben hatte, belegte er es mit Beschlag. Unter der Brause entfernte er sorgfältig seine Körperhaare und benutzte verschwenderisch viel Duschgel. Rasiert hatte er sich bereits morgens, also tat das nicht not. Etwas Aftershave verteilte er trotzdem auf seinem Kinn, weil er wusste, wie sehr Kilian den Duft mochte.

Als er in frischer Kleidung die Küche wieder betrat, war der Tisch schon gedeckt. Kilian stand am Herd und rührte in einem der Töpfe. Offenbar war das Hähnchen gar, denn es lag zerteilt auf einer Platte im Ofen.

„Setz dich. Es geht gleich los“, verkündete Kilian über die Schulter.

Er schenkte ihre Gläser voll, bevor er auf einem der Stühle Platz nahm.



Während des Essens hing latent in der Luft, was danach geschehen würde. Trotzdem herrschte keine Hast, dazu war das Mahl zu köstlich und der Abend gerade erst angebrochen.

„Warum hast du eigentlich bis zum 1. Januar gewartet?“, verlangte Floyd nach einer Weile schweigenden Speisens zu begreifen, was ihm seit dem Erwachen auf der Seele lag.

„Wollte dir Silvester nicht versauen. Hört sich bestimmt dumm an, aber das war der Gedanke dahinter.“

Irgendwie hatte er das geahnt. Zu wissen, wie sehr sich Kilian für ihn bemüht hatte den Schein zu wahren, rührte sein Herz. Einmal mehr flog es seinem Schatz zu.

„Auf uns!“ Er hob sein Glas, prostete Kilian zu und setzte hinterher: „Auf den liebsten und schärfsten Mann der Welt.“

Sein Gegenüber errötete leicht und stieß mit ihm an, die Wimpern gesenkt. „Womit hab ich dich bloß verdient? Erst lehne ich letzten Sommer deinen Heiratsantrag ab mit der Bitte um Bedenkzeit, dann tue ich dir nochmals weh … du bist viel zu gut für mich.“

„Heißt das, wenn ich dich erneut frage, sagst du wieder nein?“

Fahrig leckte sich Kilian über die Lippen, nippte am Wein und sah ihm geradewegs in die Augen. „Hast du die Ringe noch? Diesmal möchte ich dir die entscheidende Frage stellen.“

Mit einem Schlag geriet das Abendessen zur Nebensache. Sein Teller war eh fast leer, der von Kilian auch.

„Die müssten noch irgendwo liegen. Hab sie damals irgendwo hingepfeffert.“ Eine glatte Lüge. Natürlich wusste er genau, wo er die Schachtel hingelegt hatte, brauchte aber eine winzige Auszeit. „Ich guck mal nach.“

Sprach’s, erhob sich und hastete ins Schlafzimmer. Die Schatulle befand sich in der Schublade, in der er seine Unterwäsche aufbewahrte. Nachdem er sie hervorgekramt hatte, hockte er einen Augenblick auf der Bettkante und atmete tief durch. Mit solch einer Entwicklung hätte er niemals gerechnet. War es richtig, in dieser Situation eine derartige Entscheidung zu treffen? Was ihn anging, war er absolut sicher, mit seinem Partner den ehelichen Bund eingehen zu wollen. Kilian hingegen befand sich in einer seelischen Schieflage, auch wenn die Zeichen in der Firma nicht mehr auf Sturm standen.

Zurück in der Küche, legte er die Schachtel auf den Tisch und nahm wieder Platz. „Du musst dich nicht genötigt fühlen, nur weil ich dir verziehen habe.“

Ihn traf ein böser Blick. „Für den blöden Spruch räumst du zur Strafe die Küche auf. Ich schaffe derweil die richtige Atmosphäre für einen ehrlich gemeinten Antrag.“

In einem Zug leerte Kilian das Glas, schnappte sich die Schachtel und ließ ihn allein. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Er liebte Kilians schwache Momente, mochte die energischen aber genauso sehr. Weiterhin lächelnd begann er seine Strafarbeit zu verrichten. Absichtlich trödelte er dabei herum, um Kilians Vorbereitungen nicht zu stören. Was sich der wohl unter dem richtigen Ambiente vorstellte? Vermutlich ein Teelicht sowie eine Packung Taschentücher. Diesbezüglich war an seinem Liebsten kein großer Romantiker verloren gegangen.

Umso mehr wunderte er sich, als er auf Kilians ungeduldiges ‚Wo bleibst du denn?‘ hin ihr Schlafzimmer betrat. Anstatt nur einem, waren rund ein Dutzend Teelichter an strategisch günstigen Stellen verteilt. Insbesondere die auf dem schmalen Sims überm Kopfende illuminierten die Szene eindrucksvoll und warfen flackernden Schein auf die blütenweiße, frische Bettwäsche. Auf dem Nachtschrank stand ein Strauß Rosen. Keine dunkelroten überzüchteten, sondern welche in einem zarten rosa Farbton.

„Die gab’s im Supermarkt im Sonderangebot“, erklärte Kilian, der, nur mit schwarzen Pants bekleidet, die Schatulle in den Händen drehte. „Hätte ich vorher gewusst, wofür die herhalten müssen, wären sie selbstverständlich rot gewesen. Allerdings sahen die alle schon ziemlich welk aus.“

Oh Mann! Wenn der Antrag genauso nüchtern ausfiel, würde er seinen Schatz tüchtig zappeln lassen, bevor er ja sagte.

Nervös wippte Kilian auf den Fersen und blies sich eine verirrte Strähne aus der Stirn. „Nun mach dich schon nackig!“

Es war nur fair, ebenfalls bis auf seine Shorts blankzuziehen. Anschließend bedeutete ihm Kilian stumm, auf dem Bett Platz zu nehmen, beugte ein Knie und öffnete die Schachtel. Im Kerzenlicht schimmerten die beiden goldenen Ringe auf dunkelblauem Samt.

„Möchtest du …“, setzte Kilian krächzend an, räusperte sich und begann von Neuem: „Möchtest du mein Mann werden? Von mir in guten wie auch schlechten Tagen geliebt werden? An meiner Seite stehen, selbst wenn sich alles gegen uns verschwört?“

Sprechen war gerade nicht drin, der dicke Kloß in seiner Kehle ließ kein Wort hindurch. Schweigend streckte er Kilian seine Hand entgegen, woraufhin der den größeren Reif aus dem Samtbett fummelte. Geschmeidig glitt das Edelmetall über seinen Finger. Im Gegenzug streifte er Kilian den anderen Ring über. Ein zarter Kuss besiegelte ihr Eheversprechen.

„Geh nicht weg. Ich hol den Wein.“ Kilian küsste ihn auf die Nasenspitze, sprang auf und kehrte umgehend mit ihren Gläsern und der Flasche wieder.

Händchen haltend stießen sie miteinander an und tranken, ohne sich aus den Augen zu lassen. Glückshormone überfluteten Floyd und erzeugten einen rosa Nebel, in dem ihm sein zukünftiger Gatte noch begehrenswerter erschien. Vor Sehnsucht begann er zu zittern. Kilian wirkte auch aufgeheizt, entwand ihm sein Glas und stellte es zusammen mit dem anderen auf den Nachtschrank.

Wie ausgehungert fielen sie übereinander her. Stoff riss, als er Kilian die Pants runterzerrte. Seine Shorts mussten ebenfalls dran glauben. Wollüstig rieben sie sich aneinander, ihre Lippen zu einer Einheit verschweißt. Als das nicht mehr reichte, fischte Floyd mit ausgestrecktem Arm Gleitcreme aus der Nachttischschublade. Sofort rollte sich Kilian auf den Rücken und zog die gespreizten Beine in den Kniekehlen hoch. Ein Anblick, der seine Libido befeuerte. Hektisch schmierte er seinen Ständer mit Gel ein, begab sich in Position und setzte an.

Während er Kilian eroberte, wandelte sich seine Geilheit zu etwas anderem. Zu dem Gefühl, mit seinem Liebsten eins zu werden. So ging es ihm eigentlich immer, außer sie waren beide scharf auf einen harten Fick, doch diesmal besaß diese Emotion eine neue Tiefe. Etwas Vollkommenes. Als ob sie damit auf ewig verschmölzen. Kilian schien ebenfalls so zu empfinden. Jedenfalls war dessen Blick andächtig auf sein Gesicht gerichtet.

„Lieb dich so“, bestätigte Kilian heiser seinen Eindruck. „Geb dich nie wieder her!“

Unter Küssen nahm er einen langsamen Rhythmus auf. Anfangs entsprach das auch seinem Bedürfnis, doch mit zunehmender Anspannung kostete es erhebliche Konzentration, sich Kilian zuliebe zurückzuhalten. Diese Bürde trug er gern. Um Kilian Lust zu verschaffen, würde er noch ganz andere Dinge tun. Wie ein Schwein zu schwitzen und seine Selbstkontrollfähigkeit aufs Äußerste zu strapazieren, erschien ihm dagegen ein geringer Preis.

„Mehr! Härter!“, erlöste Kilian ihn schließlich und stemmte die Fersen in seinen Hintern.

Er ließ los. Gleich einer Dampframme stieß er in Kilians Enge. Sein Atem verkam zu einem angestrengten Schnaufen. Als Kilians Hand nach unten wanderte, folgte ihr sein Blick. Zuzusehen, wie die Finger, mit dem funkelnden Ring daran, die purpurn angeschwollene Erektion bearbeiteten, trieb ihn unbarmherzig auf den Gipfel zu. Den letzten Stoß versetzten ihm die Kontraktionen sowie ekstatischen Laute, die von Kilians Höhepunkt zeugten.

Sein Orgasmus katapultierte ihn ins Sternenmeer. Dicht an Kilian gepresst streifte er die Milchstraße und trat in der Rettungskapsel, die die um seinen Hals geschlungenen Arme für ihn bedeuteten, wieder in die Atmosphäre ein.

Kurz darauf musste sein Schatz leider auf einen erschlaffenden Körperteil von ihm wieder verzichten. Kilian machte aber den Eindruck, mit dem Rest vorerst recht zufrieden zu sein. Sein Schatz schnurrte wie ein satter Kater.



Epilog - Montag

Trotz allem fürchtete Floyd den Montag. Als der Tag anbrach, wirkte auch Kilian in sich gekehrt und war beim Frühstück ungewohnt mundfaul. Beim Abschied küssten sie einander so intensiv, als ob eine lange Reise bevorstünde. Irgendwie entsprach das ja auch den Tatsachen.

Den ganzen Vormittag war Floyd angespannt und trug sein Smartphone, auf Vibrationsalarm eingestellt, stets bei sich. Als bis mittags kein Anruf gekommen war, begab er sich in der Pause nach draußen und rief Kilian an.

„Hi Schatz. Was gibt’s?“, drang dessen Stimme munter an sein Ohr.

„Ich mach mir Sorgen. Alles okay?“

„Wie man’s nimmt. Für Julius dürfte heute ein schwarzer Tag sein.“

„Echt? Erzähl!“

„Nachdem ich letzte Woche mit dem Betriebsrat gesprochen habe, ist hier einiges passiert. Die Geschäftsleitung hat einen Aushang angeordnet, in dem auf die Gleichberechtigung aller Menschen verwiesen wird. Egal welchen Geschlechts, welcher Nationalität oder sexuellen Gesinnung. Daraufhin haben sich einige Frauen über sexuelle Belästigungen beschwert und – du wirst es nicht glauben – ein Kollege über Julius. Anscheinend bin ich nicht sein erstes Opfer. Allerdings war der Typ schlauer als ich und hat sich Julius von Anfang an vom Leib gehalten.“

„Wow!“ Erleichtert ließ sich Floyd auf einen Mauervorsprung sinken und tastete selbstvergessen nach einer Packung Zigaretten, bis ihm einfiel, dass er das Rauchen vor über einem Jahr aufgegeben hatte. Manche Gewohnheiten legte man wohl nie ab.

„Jedenfalls bekommt Julius eine Abmahnung, nachdem er heute via Intranet seine Drohung wahr gemacht hat.“

„Ach. Das ist doch nur ein blödes Stück Papier.“

„Außerdem wird man ihm dringend vorschlagen, einen Posten in der Niederlassung in Bautzen anzunehmen. Das sind aber Interna und weißt du nicht von mir.“

„Bautzen? Ist das nicht irgendwo da unten?“

„Richtig. Auf der Höhe von Dresden.“

„Tja. Landschaftlich soll es da ja ganz nett sein.“

„Hab ich auch gehört.“ Kilian gluckste. „Ich muss jetzt auflegen. Bin zum Mittag mit ein paar Kollegen verabredet. Bis nachher.“

Es folgte ein Kussgeräusch, dann war die Verbindung beendet. Versonnen sah Floyd einen Moment ins Leere. Der graue Januartag konnte sein Glücksgefühl nicht beeinträchtigen. In seinem Inneren leuchteten die bunten Farben der Liebe.



Da er diesmal mit Einkaufen dran war, hielt er auf dem Heimweg an seinem Lieblingssupermarkt. In seinem Einkaufskorb landeten nacheinander die Zutaten für Chili con Carne. Genau das richtige Gericht bei den niedrigen Temperaturen. Zum Schluss stand er lange vor der armeseligen Auswahl an Blumengebinden. So manchen Strauß hätte er schon rein aus Mitleid gekauft, um jenem ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen. Schließlich entschied er sich für ein halbwegs frisches Exemplar, bestehend aus bunten Rosen mit irgendwelchem schleierkrautähnlichen Zeug darin.

Daheim angekommen, tauschte er als Erstes den verwelkten Strauß gegen den neuen aus. Als Nächstes verstaute er seine Einkäufe und schaffte ein bisschen Ordnung. Kilian war zwar keine ausdrückliche Schlampe, ließ aber stets überall etwas herumliegen. Eine Socke im Bad, die es nicht in den Schmutzwäschebehälter geschafft hatte. Eine aufgeschlagene Zeitschrift auf dem Couchtisch, obwohl sich darunter ein Fach dafür befand. Die Nagelfeile auf der Fensterbank, weil sich Kilian auf dem Balkon die Nägel manikürt und sie hinterher einfach dort hingeworfen hatte.

Kleinigkeiten, die vor dem Super-GAU einen Streit ausgelöst hätten. Genau wie sein penibler Ordnungssinn. Inzwischen hatten sie beschlossen, ihre Eigenheiten zu akzeptieren. Solange das Große und Ganze stimmte, waren der Rest Kinkerlitzchen.

Das Läuten des Telefons hielt ihn davon ab, Zahnpastaspritzer vom Spiegel im Bad zu polieren.

Mit dem Putzlappen in der Hand lief er ins Wohnzimmer und meldete sich: „Smith.“

„Hi. Hier ist Frank. Hab’s am Wochenende schon versucht. War aber nicht so dringend, dass ich dich auf dem Handy kontaktieren musste. Wollte dich bloß für nächsten Samstag einladen. Ich werde 40.“

„Uns.“

„Hä? Was ist denn das für eine Antwort?“

„Uns einladen. Kilian ist wieder aufgetaucht.“

„Und? Wo hat das Arschlo… ähm, wo hat er gesteckt?“

„In einer Absteige auf der Reeperbahn. Frag nicht nach den Umständen. Es ist etwas kompliziert. Nur eins ist wichtig: Wir werden heiraten.“

„Hei-ra-ten?“, echote Frank. „Oh Mann! Wer von euch trägt das Brautkleid?“

„Du trägst ein Veilchen, wenn du weiter so dumm laberst.“

„Nichts darf man.“ Frank lachte. „Okay. Dann haben wir Samstag noch was zu feiern. Ich wünsch mir eine Buddel Captain Morgan. Grüß Kilian von mir.“

Grinsend legte Floyd auf und kehrte zum Spiegel zurück. Akribisch widmete er sich der Aufgabe, die gesamte Fläche komplett von jedem kleinsten Fleckchen zu befreien. Darin war er so versunken, dass er Kilians Ankunft erst bemerkte, als der hinter ihm auftauchte.

„Hallo, meine süße Putzfee.“

„Klappe, sonst bist du dran mit Kochen.“

„Mir doch egal“, brummelte Kilian, umfing ihn mit beiden Armen und begann an seinem Hals zu knabbern.

Das war hinterhältig! Dort gab es nämlich eine Stelle, von der ein direkter Draht zu seinem Schwanz führte. Natürlich wusste Kilian genau, wo sich diese befand und bearbeitete sie sanft mit den Zähnen. Prompt wurde es eng in seiner Jeans.

Der Lappen fiel ihm aus der Hand. Er drehte sich in der Umarmung, schlang einen Arm um Kilians Hals und verband ihre Münder zu einem wilden Kuss. Zugleich fummelte er mit der freien Hand an ihren Hosenverschlüssen herum, bis beide offen standen. Kilians Levi’s sackten sogleich runter. Zehn Tage unfreiwillige Diät hatten seinen Schatz ein paar Kilos gekostet. Bei ihm waren ebenfalls einige Pfunde gepurzelt, doch nur überflüssige, so dass er etwas nachhelfen musste, damit seine Hose ebenfalls bis in die Kniekehlen rutschte.

„Scheiße, bin ich scharf“, stieß Kilian in einer Kusspause hervor.

Tja, da sollte er wohl besser für Abhilfe sorgen. Ohne ihre Lippen zu trennen, dirigierte er Kilian an seinen Platz, fischte blind Gleitgel vom Regal neben dem Spiegel und ließ den Tubendeckel aufschnappen.

„Mhmja. Musik in meinen Ohren“, flüsterte Kilian heiser, wandte ihm den Rücken zu und zog sich die Pants über den Hintern.

Wäre Floyd nicht schon heiß wie nichts Gutes, hätte ihn der Anblick der kernigen Arschbacken im Nu entflammt. Zügig verteilte er Gel auf seinem harten Schwanz und prüfte mit zwei glitschigen Fingern die Aufnahmebereitschaft des rosigen Lochs. Mühelos glitten sie hinein.

„Nicht rumspielen! Mach schon!“ Auffordernd wackelte Kilian, vornübergebeugt und beide Hände aufs Waschbecken gestützt, mit dem Arsch.

Mehr Ansporn brauchte es nicht. Mit einer Hand bog er seine Erektion in den richtigen Winkel, mit der anderen umfasste er Kilians Schulter. Ein Ruck und er steckte bis zur Hälfte drin. Den Rest versenkte er in kurzen, auf den Hotspot abzielenden Stößen. Abwechselnd beobachtete er dabei Kilians lustverzerrte Miene im Spiegel und die Stelle, an der sie eins wurden.

Diesmal legte er keine Pause ein, sondern gleich los. So schön ihre innigen Nummern auch waren, wusste er einen harten Fick zwischendurch sehr zu schätzen. Simplen Druckabbau, wobei mit Kilian selbst das eine zärtliche Note besaß. Sie streichelten einander mit Blicken, während ihre Körper das Paarungsritual ausführten.

Zum Finale hin schlang er einen Arm um Kilians Brust und seine Finger um dessen Latte. Deutlich spürte er das einsetzende Pumpen in seiner Faust, sah Kilians angespannte Gesichtszüge und im nächsten Moment den Ausdruck, den er über alles liebte: Den Mund zu einem staunenden „Oh“ geöffnet, die Augen zusammengekniffen und Nasenflügel gebläht, kam sein Schatz in heftigen Schüben. Ein Placken Sahne explodierte auf der blank polierten Spiegeloberfläche, sein Schwanz ebenfalls in Kilians Innerem.

Gefühlte Liter später ließ das Beben allmählich nach. Etwas schwach auf den Beinen hielt er sich an Kilian fest, bis seine Gliedmaßen wieder einigermaßen standfest waren. Im Spiegel grinsten sie einander dümmlich an.

„Sieht so aus, als ob deine Putzerei umsonst war“, meinte Kilian im Hinblick auf die Sauerei mit übertriebenem Bedauern.

„Vielleicht hab ich ja für dein Kunstwerk nur die richtige Leinwand schaffen wollen.“

Ein amüsiertes Glucksen drängte seinen erschlaffenden Schwanz schneller aus der warmen Höhle, als ihm lieb war. Kilian rücklings an ihn gelehnt sahen sie zu, wie dessen Sperma in Schlieren an der blanken Fläche herablief.

„Joseph Beuys hätte dafür einen passenden Namen gefunden und es für ein paar Milliönchen verkauft“, sinnierte Floyd. „So was Hochtrabendes wie ‚Selbstreflexion ungeborenen Lebens‘ oder ‚Verschwendungssucht in ihrer pursten Form‘.“

„Hast du heute einen Philosophen gefrühstückt?“

„Du inspirierst mich eben.“ Er drehte Kilian herum und strich ein paar verirrte Strähnen aus dessen Stirn. „Vorschlag: Du machst zumindest das Gröbste hier weg, danach kochen wir zusammen.“

„Was gibt’s denn überhaupt?“

„Chili con Carne.“

„Okay. Ich übernehme das Öffnen der Dosen.“ Kilian gab ihm einen Kuss, griff nach einem Waschlappen und stellte den Wasserhahn an.

Nacheinander säuberten sie ihre Intimbereiche. Anschließend überließ er Kilian das Bad und begab sich in die Küche, um schon mal alles bereitzustellen. Dabei fiel ihm Franks Einladung ein.

„Frank feiert am Wochenende seinen Vierzigsten. Wir sind eingeladen“, rief er.

„Klasse. Geben wir dann auch unsere Verlobung bekannt?“, gab Kilian zurück.

„Ich hab’s ihm schon gesteckt.“

„Und was meinte er dazu?“

„Das willst du nicht wissen.“

„Wieso?“ Kilian tauchte im Türrahmen auf.

„Er fragte, wer von uns das Brautkleid trägt.“

„Natürlich ich.“ Feixend kam Kilian herein, legte beide Arme um seinen Hals und lehnte die Stirn an seine. „Ach, Quatsch. Ich bin für schwarze Anzüge.“

„Das ist mir zu trist. Ich in Silbergrau, du in Weiß?“

„Hört sich gut an.“ Kilian küsste ihn zärtlich. „Und nun her mit dem Dosenöffner. Ich hab Hunger.“



ENDE



Von kaltem Schnee und heißen Typen – Alica H. White



Das Frühstück mit meinen Eltern war, wie erwartet, anstrengend. Die Kinder rennen aufgeregt um den großen Weihnachtsbaum im Speisesaal. Die geschmückte Tanne funkelt und leuchtet ganz unschuldig an diesem Heiligabend. Langweilige Kaufhaus-Weihnachtsmusik macht die Show komplett.

„Will die eigentlich keiner zur Ordnung rufen?“, maule ich und nicke mit dem Kopf in die Richtung. Meine Mutter lächelt nur verständnisvoll.

„Als ich Kind war, hättest du das nie erlaubt“, setze ich hinterher.

„Du weißt, das stimmt gar nicht. Warum bist du nur so auf Krawall gebürstet?“

„Warum nicht? Ich bin schließlich nicht freiwillig hier.“

„Jetzt mach aber mal einen Punkt. Natürlich war es deine Entscheidung, Weihnachten und Silvester hier mit uns zu verbringen“, tadelt mein Vater mich.

„Ja, aber da wusste ich noch nicht, dass hier kein Schnee liegen wird. Diese Aktion wird tödlich langweilig“, meckere ich.

„Wir wussten das auch nicht, mein Junge. Da muss man eben das Beste draus machen“, meint meine Mutter besänftigend.

„Kannst du mich bitte nicht ‚Mein Junge’ nennen?“

„Wieso? Bist du das nicht?“

Genervt rolle ich mit den Augen. Gott sei Dank wird gerade der Nachtisch des Festmenüs mit einem Riesenspektakel zelebriert und alles starrt auf die brennenden Wunderkerzen.

Mir wird auch eine Portion vor die Nase gestellt. Lebkuchencreme – wer denkt sich eigentlich solche perversen Sachen aus? Angewidert schiebe ich die kleine Schüssel mit dem braunen Etwas in die Mitte des mit Tannenzweigen und allerlei blinkendem Krimskrams geschmückten Tisches.

„Möchtest du deine Portion nicht?“, fragt meine Mutter beiläufig. „Ist doch lecker.“

„Wie das schon aussieht!“

„Warum musst du uns eigentlich diesen schönen Abend verderben?“, fragt sie.

„Geh doch auf dein Zimmer und langweile dich da“, schlägt mein Vater vor.

„Es war ein Fehler mitzufahren … okay?“

„Vor allem war es ein Fehler, dich mitzunehmen, wenn du hier nur schlechte Stimmung verbreiten willst“, mault Paps.

„Streitet euch doch nicht. Wir haben es nur gut gemeint, Junge“, fleht meine Mutter.

„Sorry, bin nicht gut drauf … wenn wenigstens Schnee liegen würde.“

Meine Eltern seufzen und ich seufze hinterher. Mein Budget als Student ist nur begrenzt und allein zu Hause wollte ich die Feiertage auch nicht verbringen. Aber ohne die Zerstreuung im Schnee ist es sehr schwer, seine Freizeit mit den Eltern zu verbringen. Um besser Luft zu bekommen, lockere ich meine Krawatte.

„Sieh mal, Max, das hübsche Mädel dort. Wäre das nicht etwas für dich? Sie sieht so aus, als würde sie sich auch langweilen. Sprich sie doch einfach mal an, ob ihr zusammen ins Kino gehen wollt … oder so.“

Genervt reibe ich mir über die Augen. „Hörst du bitte auf mich zu verkuppeln, Mama? Du weißt doch, dass ich schwul bin.“

„Ich verkupple dich doch nicht“, entrüstet sie sich. „Ich mache nur Vorschläge. Du hast es noch nicht mit einer Frau probiert. Sei doch mal ein bisschen offener für alles.“

„Sei DU doch mal ein bisschen offener für alles!“

„Pssst! Nicht so laut. Es müssen doch nicht alle davon erfahren!“, raunt sie entsetzt. „Der Sex mit einer Frau ist doch bestimmt viel besser. Das musst du nur mal ausprobieren.“

„Ich muss vor allem den Sex mit einem Mann ausprobieren. Mutter, ich bin stockschwul, finde dich damit ab.“

„Du bist noch Jungfrau!?“; ruft meine Mutter einen Tacken zu laut. Eine Frau am Nebentisch dreht sich dezent um und ich möchte im Boden versinken.

Mit roten Ohren rutsche ich ein Stückchen weiter den Stuhl runter.

„Du musst ja auch nicht gleich mit ihr ins Bett gehen“, mault Mama beleidigt.

„Ich. Will. Aber. Nicht. Ich will mich auch mit nicht mit einer Frau anfreunden. Nachher versteht sie es falsch und verwandelt sich zur Klette.“

„Psssst!“, zischt meine Mutter.

„Lass ihn doch“, wirft mein Vater ein. „Du weißt doch, er mag das nicht!“

„Nee, einfach kein Bedarf“, erkläre ich mit gedämpfter Stimme. „Wenn die wirklich keine Beziehung wollen, dann werde ich womöglich der Vorzeigeschwule, den man einfach in der Freundesliste haben muss. Da gibt es viel zu viele einschlägige Filme.“

„Die Filme kenn ich auch, aber das sind doch alles Schwuchteln! Du bist doch keine Schwuchtel!“

Jetzt bin ich dran mit dem „Pssst!“.

Freundschaft mit Frauen, ein leidiges Thema, von dem ich eigentlich noch gar nicht weiß, was ich davon halten soll.

Meine Grübeleien werden unterbrochen, als die Musik aussetzt und der Wirt nervtötend mit dem Finger auf ein Mikro klopft. „Wir kommen jetzt zum Höhepunkt unseres heutigen Abends, der Bescherung. Die findet natürlich nur für artige Kinder statt, also setzt euch.“

Sofort rennen alle Kids zu ihren Sitzplätzen. Als Geräuschkulisse hört man sie aufgeregt tuscheln und nervös auf ihren Stühlen herumrutschen.

„Aber ihr wisst ja, liebe Kinder, ohne Weihnachtslied keine Geschenke. Schließlich muss etwas den Weihnachtsmann anlocken. In Anbetracht des Wetters schlage ich mal Schneeflöckchen Weißröckchen vor“, führt der Ansager weiter aus.

Oje, warum tue ich mir das an? Der Gastwirt fängt an zu singen – nein, eher zu krächzen – und die Menge stimmt fröhlich ein. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten, denn so viel gute Laune ist nur schwer zu ertragen. Ein Weihnachtsmann betritt kurz darauf den Speisesaal. Erfreut gibt der Wirt das Mikro an ihn weiter und jetzt fängt der auch noch an zu singen…

Doch schon nach wenigen Worten hänge ich an seinen Lippen. Der Mann kann singen – und wie! Sein aufregendes Timbre geht mir, trotz des harmlosen Liedes, durch Mark und Bein. Wie er wohl unter Bart und Mantel aussieht?

Die Kaufhausmusik setzt ganz leise wieder ein, als die Geschenke von ihm verteilt werden. Jeder Gast wird aufgerufen und bekommt eine Tüte mit weihnachtlichen Leckereien. Die Kinder bekommen auch ihre Geschenke überreicht. Ich muss schon sagen, der Santa mit der heißen Stimme hat eine echte Gabe, mit denen umzugehen. Er entlockt ihnen Lieder, Gedichte und allerlei Beiträge, die zur allgemeinen Erheiterung beisteuern. Fasziniert beobachte ich das Geschehen.

Als mein Name aufgerufen wird, wünschte ich erneut, der Erdboden würde mich verschlucken. Da aber alle anderen Erwachsenen das Spiel mitmachen, kann ich schlecht den Spielverderber mimen. Außerdem erhasche ich so vielleicht einen näheren Blick auf den lieben Santa. Also erhebe ich mich und mache mich auf den Weg, um meine Geschenke in Empfang zu nehmen.

„Untersteh dich zu fragen, ob ich brav war“, raune ich ihm so leise zu, dass der Rest des Saals nichts verstehen kann.

Der Weihnachtsmann lacht und seine blauen Augen mit den langen schwarzen Wimpern funkeln amüsiert. Sein Lachen fährt in meinen Unterleib – schräge Geschichte. Ich schnappe nach Luft und meine Ohren werden warm. Hoffentlich merkt keiner, wie verlegen ich bin.

„Möchtest du vielleicht ein Gedicht aufsagen?“

Diese Bemerkung ist wie eine Ohrfeige und meine Stimmung fällt in eine Gletscherspalte. Ich versuche, ihm den tödlichsten Blick meines Lebens zu senden – Weihnachtsmann hin oder her. „Tut es vielleicht Zicke Zacke Hühnerkacke?“

Wieder dieses Lachen, das erneut meine Sehnsüchte weckt. Zögernd stimmt das Publikum ein.

„Na, vielleicht etwas kurz … aber … na ja.“ Mit diesen Worten überreicht er mir eine Naschtüte und dazu eine festlich verpackte Rolle. Die kann ja nur von meinen Eltern kommen. Umgehend nehme ich mir vor, nie wieder mit den beiden in den Urlaub zu fahren, sonst werde ich nicht alt. Nachdenklich drehe ich die geschmückte Rolle in der Hand, während Santa schon den nächsten Namen aus dem dicken Buch vorliest.

Zurück auf meinem Platz packe ich mein Geschenk aus. Es ist ein Snowboardkurs mit allem Drum und Dran. Auch wenn ich den wegen des Schneemangels wohl nicht in Anspruch nehmen kann, so bin ich meinen Eltern doch wahnsinnig dankbar. „Mama … Papa … Danke für das tolle Geschenk. Drückt die Daumen, dass es doch noch schneit.“ Die beiden bekommen ein Küsschen und strahlen um die Wette.

„Das war ja eine tolle Bescherung. Vielen Dank an den lieben Weihnachtsmann!“, verkündet der Wirt am Ende. „Vielleicht treffen wir uns jetzt beim nächsten Programmpunkt, dem Glühwein auf Kosten des Hauses.“

Ich nicke begeistert. Glühwein ist jetzt genau das Richtige. Gott sei Dank sind meine Eltern zu müde.


Ich betrete die Après-Ski-Bar, als die Party schon voll im Gange ist. Wer kann schon in Schlips und Kragen Spaß haben? Und das hier ist so ziemlich meine letzte Möglichkeit, an diesem Tag Spaß zu haben. Deshalb habe ich erst mal meinen „leichten Bieranzug“ angelegt. Meine Lieblingsjeans, die nach Meinung meiner Mutter viel zu verschlissen sind, und ein knallenges, schwarzes Shirt. Das bringt wunderbar meine Muskeln zur Geltung. Die vielen Stunden in der Muckibude müssen sich schließlich irgendwann mal rentieren. Okay, ich geh ebenfalls deshalb hin, weil so viel heiße Typen da sind.

Wie auch immer, ich bin kaum drin, da wird mir schon der erste Glühwein von einem hübschen Mädel hingehalten. „Kannst ruhig annehmen, ist vom Wirt bezahlt.“

Ich sehe sie fragend an. Hoffentlich will sie keinen Flirt anbahnen.

„Ich trinke keinen Alkohol, weil ich sonst so leicht die Kontrolle verliere“, erklärt sie.

„Oh … ja … danke. Kontrolle verlieren … das wollen wir ja alle nicht.“ Und noch während ich das sage, bleibt mein Blick wie hypnotisiert an Santa hängen. Er hat den Bart heruntergezogen und die Mütze abgesetzt. Ein Gesicht, das mindestens so heiß ist wie seine Stimme, war darunter verborgen. Mein Unterleib fängt schon wieder an zu kribbeln.

Angeregt unterhält er sich mit einem älteren Pärchen. Er muss wirklich ein Charmebolzen sein, denn die Blicke des Pärchens kann man nur als entzückt bezeichnen. Jetzt lachen sie auch noch aus vollem Hals.

Irgendwie wünsche ich mir gerade nichts sehnlicher, als auch vom Weihnachtsmann beachtet zu werden. Aber wie stelle ich das verdammt noch mal an? Man könnte sich ja vielleicht Mut antrinken, schießt es mir durch den Kopf … und sich dann immer mehr in seine Richtung vorarbeiten.

Dank des Weins, den es zum Essen gab, steigt mir der Punsch gleich zu Kopf. Als er ausgetrunken ist, hält mir eine Bedienung gleich einen neuen vor die Nase. Sie lächelt mich vielsagend dabei an, aber ich bedanke mich nur und weiche ihrem Blick aus.

Vorsichtig linse ich zu Santa hinüber. Es soll schließlich keiner denken, ich starre ihn an. Die Bar ist schrecklich voll, überall muss ich mich durchschlängeln. Immer wieder werde ich von Leuten aufgehalten, die mich zum Trinken einladen. Da nehme ich doch gerne an, schließlich ist das mein Plan. Zum Ausgleich wechsle ich ein paar höfliche Worte mit den lieben Spendern.

Immer mutiger drängle ich mich so Schritt für Schritt voran. Mein Herz jubiliert, als ich sehe, dass das vereinnahmende Pärchen sich von meinem Hot Santa verkrümelt. Richtig so, ist schließlich Bettgehzeit für alte Leute.

Jetzt bleiben meine Augen doch wie Magneten an ihm hängen. Lässig an die Bar gelehnt blickt er zufrieden über die Menge, was ihm bei seiner imposanten Größe auch nicht schwerfällt. Wie er wohl unter seiner Verkleidung aussieht? Ob es gepolsterte Weihnachtsmannmäntel gibt? Wohl eher nicht, aber das deutet dann auf ein breites Kreuz hin. Ich muss schlucken, als in meinem Kopf ein Bild von einem muskelbepackten Supermann entsteht. Ob da irgendwelche anderen Drogen in dem Glühwein sind? Mir wird jedenfalls fast unerträglich heiß.

Gleichzeitig lähmt mich diese Fantasie, weiter auf ihn zuzugehen. Wie soll ich Hänfling Eindruck bei so einem machen? Durch meine Wortgewandtheit? Keine Chance! Ein Stoßseufzer entfährt mir.

Da ich ziemlich dicht an der Bar bin, bestelle ich mir diesmal selbst einen Wein. Mein Alkoholpegel reicht definitiv nicht, um mein schwaches Selbstbewusstsein auszublenden. Ab jetzt werde ich mich am Tresen entlanghangeln. Inzwischen brauche ich auch etwas zum Festhalten, denn mir wird langsam schwindelig.

Nur noch ein paar Meter, dann bin ich da und mir fällt sicher etwas als Anmachspruch ein.

Vielleicht so etwas wie: „Ich will jetzt doch ein Gedicht aufsagen: Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich bitte begehrlich an. Packe deine Rute aus, dann geht die Party ab im Haus.“

Durch den alkoholbedingten Tunnelblick muss ich das Objekt meiner Begierde immer stärker fokussieren. Plötzlich nimmt er mich wahr, unsere Blicke bleiben sekundenlang aneinander haften. Was geht ihm da durch den Kopf? In seinem Gesicht erscheint eine Regung: Leider bin ich nicht mehr in der Lage, sie zu analysieren. Ich sehe nur, dass sein Mund sich öffnet, als wolle er mir etwas sagen.

Fuck! Ich hab es mit dem Alkohol übertrieben!

Bevor ich mich weiter vorarbeite, werde ich besser ein Wasser trinken. Erst als die Bedienung es mir hinstellt, merke ich, wie durstig ich bin. Gierig stürze ich das kalt prickelnde Getränk in mich hinein. Immer wieder sehe ich zu meinem Santababy hinüber.

Manchmal linst er zurück, aber ich kann seinem Blick nicht standhalten, bevor ich nicht wieder nüchtern bin. Als eine Frau meine Observierung behindert, muss ich husten, weil ich mich verschluckt habe. Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ausgerechnet die Schnalle, die mir meine Mutter vorhin andrehen wollte. Und er? Gibt erneut den charmanten Plauderer.

Fuck! Er ist bestimmt wieder so ein verdammter straight guy, auf die ich viel zu oft abfahre.

Eifersucht lässt meinen Atem stocken. Ich muss jetzt wieder runterkommen und das Manöver abbrechen. Da sehe ich, wie er aufblickt. Hitze steigt in meinen Schädel und sprengt ihn fast.

Er legt die Hand auf die Schulter der Tante und fängt an, sich zu mir durchzudrängeln.

Oh mein Gott!

Meine Kehle wird verdammt trocken und ich hab kein Getränk mehr. Krampfhaft klammere ich mich ans Thekengeländer. Je näher er auf mich zukommt, desto breiter wird sein Grinsen.

„Hi Max! So heißt du doch, oder?“

Ich kann nur nicken und versuche verzweifelt, die Wüste in meiner Kehle durch Schlucken zu befeuchten – vergeblich.

„Du hast echt Glück mit deinem Snowboardkurs. Es soll heute Nacht noch anfangen zu schneien.“

„Echt?“, krächze ich. Woher weiß der eigentlich von meinem Snowboardkurs?

„Morgen wird es laut Wettervorhersage erst mal kräftig schneien. Übermorgen kann‘s dann losgehen.“

„Aha“, antworte ich nickend, mehr bekomme ich einfach nicht heraus. Wenigstens ist das Ende der Langeweile absehbar.


Als die Sonne durch die Vorhänge blinzelt, scheint mein Brummschädel zu platzen. Unausgeschlafen fahre ich mir durch die Haare. Scheiße! Mein Nacken ist völlig verspannt, ich muss irgendwie schräg gelegen haben. Erst jetzt merke ich, dass ich noch vollkommen angezogen bin. Ich hab mich gestern wohl einfach so aufs Bett geworfen. Mein Gott, dieses bescheuerte Mut-Antrinken muss ich mir dringend abgewöhnen. So bin ich ohnehin noch nie zum Erfolg gekommen. Heute wird mir diese Erkenntnis jedoch leider noch nichts nützen.

Kraftlos schlurfe ich ins Bad, um zu duschen. Ich ertrage nur perfekt temperiertes Wasser, aber das löst endlich meine Nackenverspannungen. Kaum sind die besser, bemerke ich, dass sich woanders Druck aufgebaut hat. Dieser blöde Santa von gestern geistert immer noch in meinem Kopf herum.

Na, herzlichen Glückwunsch!

Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen und unter dem warmen Strahl meine Spannungen abzubauen. Sanft gleiten meine Hände nach unten, zum Lustzentrum. Vor meinem inneren Auge erscheint er, mit seinem warmen Lächeln. Welche Augenfarbe? Egal! Hab ich noch nicht erkunden können. Sein Kehlkopf bewegt sich, als er mich anspricht: ‚Hallo Max’. Die Erinnerung an seine Stimme lässt mich erschauern – trotz der warmen Regendusche. Ich stöhne und umfasse meinen harten Schwanz.

Meine Fantasie reflektiert seinen Prachtkörper, während ich mich pumpe und streichle. Fetter Bizeps, prachtvolles Sixpack und natürlich atemberaubend bestückt. Allein von der Vorstellung rast mein Herz und ich verstärke die Zärtlichkeiten an mir. Meine Fantasie ist so erregend, dass ich nicht lange bis zum Orgasmus brauche. Schade, dass er eine Hete ist, aber so ist das ja immer.

Beim Aussteigen aus der Dusche wird mir klar, dass ein Frühstück mit meinen Eltern bevorsteht. Ich stöhne. In meinem Zustand ist das besonders anstrengend. Wenn ich sage, ich hab keinen Hunger, wird es aber sicher noch anstrengender.

Nun wage ich es, die Vorhänge zurückzuziehen, denn die Sonne hat sich wieder verzogen. Das war wohl nur eine kleine Wolkenlücke, die mich aus dem Bett treiben sollte. Im Moment ist der Himmel dunkelgrau und aus schweren, tief hängenden Wolken wirbeln dicke Flocken auf die Erde. So ähnlich muss es schon die ganze Nacht geschneit haben, denn es hat sich mittlerweile eine beachtlich hohe Schneedecke gebildet.

mit gefülltem Magen geht es mir besser. Dabei habe ich auch erfahren, dass es wohl noch den ganzen Tag schneien wird. Der Wetterbericht warnt vor Schneestürmen und Verwehungen. Es wird empfohlen, nicht nach draußen zu gehen. Das sieht wieder einmal nach einem Aufenthalt im großen Wellnessbereich aus. Gedacht, getan. Mit meinem E-Reader bewaffnet mache ich mich auf in den Ruheraum und breite mein Handtuch auf einer Relaxliege aus.

Als Erstes plane ich einen Saunagang, um den Alkohol von gestern wieder auszuschwitzen. Was für eine gute Idee, so früh zu kommen, denke ich, als ich in die Kabine trete. Ich bin ganz allein und genieße die himmlische Ruhe. Zum Abkühlen renne ich nach draußen und lasse ein paar kalte Flocken auf der Haut schmelzen, bevor ich mich auch noch mit Schnee einreibe. Es ist unglaublich still hier, die weiße Pracht dämpft jedes Geräusch.

Im Wellnessbereich ist es mit der Ruhe jedoch bald vorbei. Natürlich bin ich nicht der Einzige, der diesen Tag so nutzen will. Zum Glück steht meine Liege etwas abseits der großen Blase. Auch wenn man an ihr vorbeimuss, um in den Saunabereich zu gelangen, herrscht hier etwas weniger Trubel. So kann ich mich entspannt meiner neuesten Lektüre widmen, einer schwulen Romanze. Solch ein Buch würde ich ja nie in der Öffentlichkeit als Print lesen, aber auf diese Art braucht niemand etwas von meiner heimlichen Leidenschaft erfahren.

Ich schaffe es, die ganze Story zu verschlingen. Jetzt noch einmal zum krönenden Abschluss in die Sauna, bevor ich meinen Bärenhunger stillen gehe. Auf diese Art werde ich morgen gut erholt auf die Piste marschieren.

Der Schweiß rinnt mir bereits in Bächen über die Stirn, da tritt ER ein. Auch ohne Bart erkenne ich ihn gleich wieder. Sofort kann ich meinen Pulsschlag in den Ohren spüren. Ich war ausgehungert? Jetzt bin ich das im doppelten Sinne. Mit offenem Mund kann ich nicht anders, als ihn anzustarren. Sein massiger Körper ist das Männlichste, was ich je gesehen habe. Definierte Muskeln in perfekter Proportion mit einer das Gesamtbild unterstreichenden Behaarung auf der Brust. Mir bleibt die Luft weg, als ich erkennen kann, dass sein Schwanz mindestens so groß ist, wie von mir unter der Dusche erträumt. Gott sei Dank, denn sonst würde ich pfeifend ausatmen.

Sein Blick schweift suchend durch den Raum und bleibt an mir haften. Seine Miene erhellt sich, bevor er mir grüßend zunickt. Mit einem unsicheren Lächeln winke ich zurück. Ob er sich für meine visuelle Belästigung von gestern rächen will? Er starrt mich geradezu an und ich sehe schnell verlegen auf den Heizblock in der Mitte.

Die Hitze wird unerträglich, als er sich tatsächlich neben mich setzt. „Ich darf doch, oder?“

Ich nicke ängstlich. Wie soll ich jetzt reagieren? Ruhig bleiben? Unmöglich! Ich bekomme ja schon bei seinem Anblick eine Latte. Sein göttlicher Geruch steigt mir in die Nase. Hmmm, ich schmelze. Obwohl er eigentlich nichts tut, brennt die Luft zwischen uns, sodass ich eine Erektion nicht verhindern kann. Fuck! Mein Handtuch ist viel zu klein. Alle können sehen, was in mir vorgeht, wenn ich die Sauna so verlasse. Wieso muss ich auch immer im Abseits sitzen, sodass der Platz neben mir frei ist? Leise seufzend atme ich aus. Ich habe nur eine Chance: Drinbleiben, bis er wieder hinausgeht.

Die Zeit vergeht immer langsamer. Inzwischen bahnen sich auf seinem göttlichen Körper dicke Schweißtropfen einen Weg nach unten. Mir wird flau. Ein Angestellter kommt herein und macht einen Aufguss. Den werde ich definitiv nicht überstehen, ohne ohnmächtig zu werden. Das Gute ist: Er lenkt die anderen Gäste ab, während ich mich schnell verkrümle.

Mein Kreislauf ist angeschlagen. Ich muss mich erst mal setzen, bevor ich nach draußen gehe, um mich abzukühlen.

„Sag mal, Max … so heißt du doch, oder?“

Meine Atmung setzt aus, als die anscheinend in mein Gehirn programmierte Stimme von Santa meine Nerven in intensive Schwingungen versetzt. Ich schließe die Augen und wage es nicht, mich umzudrehen. Leise knirscht der frische Schnee unter seinen Füßen, als er näher kommt.

„Hast du eigentlich was gegen mich?“, setzt er nach und fasst meinen Arm.

Die Berührung lässt meine Knie zu Gummi werden. Mein Atem wird schneller. Eilig schüttle den Kopf, weil ich immer noch kein Wort herausbringe.

„Eben hatte ich das Gefühl, dass es dir nicht gefallen hat, dass ich mich neben dich gesetzt habe“, raunt er und sieht mich durchdringend an.

„Ähm … nein … ich musste raus … dringend“, stottere ich und senke den Blick. Diese Nähe macht mir Angst. Da denke ich die ganze Zeit an nichts anderes, als ihm nahe zu sein, und jetzt, als es endlich so weit ist und wir allein nackt im Schnee stehen, will ich nur noch flüchten.

Du bist ein erbärmlicher Feigling, Max!

„Kann es sein, dass du gerade rot wirst?“, fragt er und hebt mein Kinn.

„Quatsch! Was soll das?“

„Ich darf dich nicht anfassen?“, fragt er grinsend, dann sieht er nach unten. „Dein kleiner Freund da sagt aber etwas ganz anderes.“

Seine Offenheit verschlägt mir wieder die Sprache. Panisch entziehe ich mich seinem Griff und steuere den Weg zum Gebäude an.

„Warte!“, ruft er und hält mich erneut fest. „Entschuldigung, mein Verhalten ist unangemessen. Aber sorry, du machst mich ganz kirre. Sieh nur, ich reagiere genauso wie du.“

Ich wage einen Blick in tiefere Gefilde, der mir bestätigt, dass er auch erregt ist. „Du bist auch …?“

„Jepp“, antwortet er nickend. „Und ich bin genauso verwirrt wie du. Wenn ich dich sehe, setzt mein Verstand aus.“

„Woher weißt du …?“

„Ich hatte gesehen, dass du in den Wellnessbereich gingst und gedacht, das ist eine gute Möglichkeit, mal die Lage abzuchecken, und bin dir gefolgt.“

Inzwischen scheint der Aufguss beendet zu sein, denn die Menge strömt nach draußen.

„Komm mit“, fordert er und zieht mich hinter einen immergrünen Busch. Mit einem Rest Skepsis lasse ich das zu. Mein mulmiges Gefühl wächst, als er mich, vor neugierigen Blicken geschützt, in den Arm nimmt und versucht zu küssen. Ich habe meinen Mut immer noch nicht gefunden und schrecke zurück.

„Was ist? Magst du mich doch nicht?“, flüstert er.

„Doch … schon …“

„Aber das geht dir zu schnell?“

„Na ja …“

Er zieht scharf Luft ein, bevor er „Oh … eine Jungfrau“ flüstert.

Ich muss schlucken und senke den Kopf.

„Mensch, das muss dir doch nicht peinlich sein. Mir fällt das auch nicht leicht, denn ich bin nicht gerade ein Aufreißer.“

Er lächelt verlegen, als ich aufsehe.

„Komm schon … wir kriegen das hin … ich meine … nur, wenn du mich willst.“

„Und ob ich will“, antworte ich erleichtert und lasse mich von ihm küssen. Unsere Lippen treffen sich und wie von selbst öffnen sich unsere Münder, um die Zungen zärtlich tanzen zu lassen. Wir vergessen die Zeit und verschmelzen, bis ich anfange zu zittern.

„Ich glaube, wir sollten langsam wieder reingehen. Sonst erkältest du dich noch und das, wo doch morgen dein Kurs beginnt.“

Wir lösen uns voneinander und müssen erst mal warten, bis unsere sichtliche Leidenschaft wieder abgekühlt ist. „Woher weißt du das eigentlich mit dem Kurs?“, frage ich.

„Weil ich dein Snowboardlehrer bin. Die Frau, die du gestern auf der Party so eifersüchtig angesehen hast, ist eine Schülerin von mir“, antwortet er lachend.

„Oh … ja dann, sorry … sag mal … wie heißt du eigentlich?“

„Jetzt nicht lachen, ja?“

„Wieso?“

„Weil ich Moritz heiße.“

Die Meute ist inzwischen wieder hineingegangen, deshalb lachen wir dann doch beide lauthals los. Er drückt kurz meine Hand, bevor wir uns zurück ins Gebäude begeben.


Ja, und so kam es, dass ich bei Moritz nicht nur Snowboardfahren gelernt habe.

ENDE

Hasenfuß & Katzenjammer - AnBi Öz



Ich beende das Gespräch mit meinem Chef, der mir heute – am Silvestertag – eröffnet hat, dass ich „bis auf weiteres“ als Ausbilder einspringen muss. Mein Kollege, der das sonst erledigt, hatte in seinem Skiurlaub einen Unfall und fällt für die nächste Zeit aus. Ich als Ausbilder?! Eher trägt Rambo ein lilaglitzerndes Spitzentutu!! Herzlichen Glückwunsch zum Jahreswechsel, Stuart. Imaginär schüttele ich mir selbst die Hand. Na prima! Ich habe jetzt schon Muffensausen. Lautes Alarmtrommeln meines Vierbeiners reißt mich aus meinen Gedanken. Irritiert nehme ich Jacksons schon vorbereitete Futterschüssel und begebe mich eilig auf den weitläufigen, drei Wohnungen umfassenden, Balkon.

Was mich dort erwartet erschüttert mich zutiefst und lässt mich vor Wut kochen. Vor dem Freilaufgehege, das direkt mit Jacksons Stall verbunden ist, steht Edwin. Der etwa zehnjährige Nachbarsjunge schmeißt mit kleinen Steinchen auf meinen Hasen. Dieser blutet im Gesicht und klopft vehement mit seinen Hinterläufen auf die Betonplatten auf denen das Gehege steht.

So schnell kann der Bengel gar nicht schauen, wie ich bei ihm bin, ihn an seinem Shirt packe und dabei „Was machst du da, du kleine Mistkröte?“, fauche. Dabei schüttele ich ihn ein wenig durch. Sofort fängt Edwin, wie auf Knopfdruck, an zu plärren. Mit den geknurrten Worten „Das hat ein Nachspiel“, lasse ich ihn los. Beim Weglaufen murmelt diese Mistratte „Wichser“. Auf seiner Flucht vor mir kommt er an dem Kater meines Nachbarn vorbei, tritt ihn mit voller Wucht während des Laufens und setzt seinen Weg fort, während das hinkende Fellbündel versucht sich hinter den Gartenstühlen zu verstecken. Sofort bin ich bei dem kleinen Tierchen, um ihn nach Verletzungen abzusuchen. Äußerlich kann ich nichts feststellen, aber er muss

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: bei den Autoren
Bildmaterialien: shutterstock design Lars Rogmann
Cover: Lars Rogmann
Lektorat: Bernd Frielingsdorf, Aschure, Sissi Kaiserlos
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2018
ISBN: 978-3-7438-5153-5

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