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1.

 

Der wasserstoffblonde Paradiesvogel flatterte in Adamos Rücken hin und her. Im Spiegel konnte er jede affektierte Geste des kleinen Kerls sehen. Es war wie bei einem Unfall: Auch wenn man besser weggucken sollte, musste man einfach hinstarren.

„Wie laufen die Geschäfte?“ Tony, der ihm gerade die Haare schnitt, schaute kurz hoch.

„Ausgezeichnet. Demnächst muss ich neues Personal einstellen.“

„Falsche Antwort. Du musst jammern, so, wie es alle tun.“

„Das ist langweilig, außerdem mag ich das nicht. Frag nach meinen Eltern.“

Tony lachte und fragte gehorsam: „Wie läuft es mit deinen Eltern?“

„Katastrophal! Am letzten Wochenende haben sie mir gleich zwei Heiratskandidatinnen vorgestellt. Wie bekomme ich nur endlich in ihre Köpfe, dass ich nicht auf Frauen stehe?“

Sein Friseur zuckte die Achseln. „Schaff dir einen Partner an.“

„Sehr witzig.“

„Das ist heutzutage der letzte Schrei.“ Tony trat einen Schritt zurück, betrachtete ihn und rieb sich das Kinn. „Ich hab selbst schon darüber nachgedacht.“

„Wenn das so ist, muss es wirklich in Mode sein.“

Adamo kam seit Jahren in den Salon Haarspalterei. Niemand verstand es besser als Tony, beim Schneiden seine Wirbel zu berücksichtigen. Ohne ihn würde Adamo herumlaufen, als trüge er einen Wischmop auf dem Kopf. Gut, er übertrieb. Bevor er Tony fand, war er auch mit einer anständigen Frisur herumgelaufen, aber sie war eben nur anständig gewesen. Das, was Tony zauberte, hatte das gewisse Etwas. Er holte wirklich das Beste aus Adamos Schopf heraus.

„Willst du damit andeuten, dass ich jeden Mist mitmache?“ Tony stand inzwischen links neben ihm und schnippelte an seinen Kotletten herum.

„Bestimmt nicht. Das trifft wohl eher auf den Kleinen da zu.“ Adamo wackelte mit den Augenbrauen und guckte vielsagend auf Sandros Rücken.

„Der hat seinen eigenen Stil. Blond ist gerade so was von out.“

Es trat eine Gesprächspause ein. Tony kniff konzentriert die Augen zusammen, was bedeutete, dass man ihn besser nicht störte. Nachdenklich beobachtete Adamo das Treiben in seinem Rücken. Sandros kleiner Arsch geriet in seinen Fokus. Sexy war der Mann schon, aber für seinen Geschmack zu quirlig. Keine Minute stand dessen Mundwerk still und er wusste vom Hörensagen, dass Sandro mal beim Gestikulieren einen Kunden mit der Schere verletzt hatte.

Adamos Gedanken wanderten zu der Veranstaltung am nächsten Wochenende. Seine Mutter hatte ihn dazu verdonnert, an einer Spendengala teilzunehmen. Es ging um Tiere, soweit er sich erinnerte. Bestimmt hingen wieder haufenweise langweilige Leute dort herum und trugen ihren Reichtum zur Schau. Er war schon oft bei solchen Events gewesen und daher im Bilde, was auf ihn zukam: Ein Abend voller Heuchelei. Im Grunde ging es dem überwiegenden Teil der Gäste gar nicht um den guten Zweck, sondern darum, ihre Spendenwilligkeit an die große Glocke zu hängen.

„So. Fertig.“ Tony griff nach einem Wedel und fuhr damit über seinen Nacken.

Kritisch beäugte sich Adamo von links und rechts im Spiegel. Wie immer war der Schnitt perfekt. Er wartete, bis Tony ihm den Frisierumhang abgenommen hatte, stand auf und folgte dem Mann zum Tresen. Während er seine Börse hervorkramte, guckte er zu Sandro rüber. Der Kleine wandte ihm gerade den Rücken zu und beugte sich etwas vor, was den knackigen Hintern in der rosa Hose hervorragend zur Geltung brachte. Rosa! Es gab Männer, die in Hemden in diesem Farbton maskulin wirkten. Bei Sandro sah es einfach nuttig aus.

„Warum nimmst du nicht mal Sandro mit zu deinen Eltern? Hinterher dürften sie geheilt sein.“ Tony lachte. „Sorry. Das war nur ein Scherz.“

Adamo zahlte, gab ein großzügiges Trinkgeld und verließ den Salon. Dieser lag strategisch günstig, genau in der Mitte zwischen seiner Kanzlei und seinem Zuhause. Meist nutzte er die Mittagspause für seine regelmäßigen Besuche, doch heute hatte er nur einen Termin am späten Nachmittag ergattern können. Ein guter Grund, um rechtzeitig Feierabend zu machen. Das kam ohnehin viel zu selten vor.

 

Der Oktober zeigte sich von seiner schönsten Seite. Bunte Blätter flogen umher, ein paar Wolken zogen über den ansonsten strahlendblauen Himmel. In dem Park, an dem er gerade vorbeiging, spielten Kinder auf der Wiese Fußball. Ein Hund rannte zwischen den Kleinen umher und kläffte wild. Adamo fühlte sich schmerzlich an seine eigene Kindheit erinnert. Kindermädchen und Au-pairs hatten sich abgewechselt. In der Schule galt er als Streber, nur weil ihm die guten Noten zuflogen. Dementsprechend war er ein Außenseiter, was sich erst an der Uni etwas zum Guten wendete.

Noch heute unterhielt er Kontakt zu einigen seiner ehemaligen Kommilitonen, bei denen es sich inzwischen ausschließlich um Familienväter handelte. Entsprechend selten sah man sich und wenn, langweilten ihn diese Treffen schnell. Die Fotos von Kindern und Ehefrauen, sowie Berichte, was die Kleinen angestellt hatten, interessierten ihn nicht sonderlich.

 

Adamo bog in eine von prunkvollen Altbauten gesäumte Straße ein. Leere Kastanienschalen lagen zwischen herbstlichem verfärbten Laub auf dem Bürgersteig und oft blockierten abgestellte Fahrräder den Weg. Eine echte Pest in diesem Stadtteil, dennoch liebte Adamo Eppendorf. Er war am Elbufer aufgewachsen, in einem von Villen geprägten Bezirk. Ordnung bestimmte dort das Bild. Gärtner sorgten für akkurat gepflegte Gärten, Hausmeister dafür, dass die Gebäude stets Top in Schuss waren. Eine Welt, die irgendwie unecht wirkte, jedenfalls für Adamos Empfinden. Seine Eltern sahen das natürlich anders.

Er erreichte das Stadthaus, in das er sich vor einigen Jahren auf Anhieb verliebt hatte. Es lag in einer Reihe ähnlicher Gebäude, die alle maximal drei Stockwerke hoch waren. Das Darlehen, das er für den Kauf aufnehmen musste, war mittlerweile abgelöst. Dafür hatte er hart geschuftet, manchmal an sieben Tagen in der Woche. Bevor er die vierzig erreichte, sollte er wirklich mal langsam anfangen sein Leben zu genießen.

Im Briefkasten steckte ein Wust aus Werbebroschüren. Er klemmte sich den Kram unter den Arm, schloss die Tür auf und warf das Zeug im Flur auf die Garderobe. Wie gewohnt wechselte er als erstes die Klamotten. In Jeans und Sweatshirt kehrte er aus dem Schlafzimmer, das im ersten Stock lag, zurück und brachte die Post in die Küche. Zwischen Flyern von Lieferdiensten fand er einen Brief mit dem Absender seiner Eltern. Er öffnete das Kuvert, zog einen edlen Briefbogen daraus hervor, wobei zwei Kärtchen auf den Tisch segelten.

„Lieber Sohn, anbei die Karten für die Spendengala. Bring bitte eine nette Begleitung mit. Deine Mutter“, las er.

Seit wann überließ sie ihm die Entscheidung, mit wem er irgendwo auftauchte? Normalerweise lud sie über seinen Kopf hinweg Frauen ein, mit denen er sich dann den ganzen Abend unterhalten musste. Manchmal war ein Glücksgriff dazwischen gewesen, wie zum Beispiel Greta. Mit ihr hatte er sich prächtig amüsiert, allerdings nicht in dem Sinne, der seiner Mutter vorschwebte. Greta sah aus wie eine lebendige Barbiepuppe, verfügte über einen derben Humor und den Intelligenzquotienten eines Genies. Sie hatten wirklich viel Spaß gehabt. Schade, dass sie kein Mann war.

Seufzend sammelte er die Karten ein und legte sie, zusammen mit dem Brief, auf die Fensterbank. Anschließend holte er Kartoffeln aus dem Kühlschrank, schnappte sich ein Messer und nahm am Tisch Platz. Während er die Erdäpfel schälte, dachte er an das Gespräch im Salon. Vielleicht war Tonys Idee gar nicht mal so schlecht. Mit Sandro im Schlepptau würde er in jedem Fall für Aufsehen sorgen und mit viel Glück unterließ es seine Mutter zukünftig, ihn zu solchen Veranstaltungen einzuladen.

 

 

Sandro hatte sich wie immer sehr bemüht, seine Gestalt ins rechte Licht zu rücken. Dass er ausgerechnet an dem Tag, an dem Adamo in den Salon kam, seine rosa Jeans trug, war eben Pech. Wenigstens kam sein Hintern darin gut zur Geltung. Mehrfach hatte er bemerkt, dass Adamo ihn ansah. Leider lag keinerlei Interesse in dem Blick, mit dem er gemustert wurde. Es war lediglich milde Neugier und vielleicht sogar ein Funke Spott. Wie sollte es auch anders sein? Ein Typ wie Adamo, der stets im klassischen Anzug erschien, konnte jemanden wie ihn doch gar nicht ernstnehmen.

Ändern würde er deshalb nichts an seinem Äußeren. Für Sandro war Kleidung eine Lebenseinstellung und seine bestand darin, stets das Positive zu sehen. Dazu gehörten ausgefallene Klamotten, außerdem ein passendes Styling. Entweder man nahm ihn so wie er war, oder man ließ es bleiben. Letzteres traf betrüblicherweise auf Adamo zu.

 

Schon eine ganze Weile war er in den smarten Anwalt verliebt. Warum das so war, obwohl sie kaum je ein Wort miteinander gesprochen hatten, wusste er nicht. Aber Liebe fragte eh nicht nach Logik. Sie passierte einfach und schlug meist dann zu, wenn man überhaupt nicht damit rechnete. Das letzte Mal war das vor vielen Jahren geschehen. Damals hatte er sich in einen Zirkusartisten verliebt und war eine Weile mit der buntgemischten Truppe herumgezogen. Irgendwann stellte er ernüchtert fest, dass sein Liebster neben ihm eine Beziehung zu der Frau aus dem Kassenhäuschen unterhielt. Er hatte seine Sachen gepackt und sich geschworen, beim nächsten Mal besser aufzupassen. Tja. Schöner Vorsatz.

 

„Hinten bitte noch kürzer“, verlangte sein Kunde.

Sandro seufzte innerlich, gehorchte aber. Mit wenigen Schnitten versaute er die schöne Frisur, doch der Träger schien damit zufrieden zu sein. Manchmal fragte er sich, warum er Typen wie diesem nicht einfach eine Plastikschüssel überstülpte, einmal drum herum schnippelte und gut.

„Mit Ihrem Gesicht können Sie alles tragen“, behauptete er kühn. „Selbst eine Glatze würde Ihnen stehen.“

Selbige war sowieso nicht mehr fern. Am Hinterkopf des Mannes lichtete sich das Haar bereits, genau wie an den Geheimratsecken.

„Echt? Nein, das mag meine Freundin gar nicht.“

Tja, dann würde die Liebste wohl bald davonlaufen. Sandro wedelte den Nacken des Kerls aus und nahm ihm den Umhang ab. Anschließend schickte er ihn zum Tresen, um bei Tony zu bezahlen.

Nachdem er den Platz gesäubert hatte, ging er zu einem Kunden mit Plastikhaube. Das Färbemittel musste nur noch ausgespült werden, einen Schnitt wollte der Mann nicht. Dabei hätte er ihn bitter nötig.

Während er die chemische Substanz aus den Haaren des Kunden spülte, dachte er wieder an Adamo. Adamo von Perlenstein, so sein vollständiger Name, war ein echtes Sahnestückchen. Sandro schätzte ihn auf über eins achtzig. Seine Gesichtszüge waren kantig, was von dem schön geschwungenen Mund und den dichtbewimperten Augen abgemildert wurde. An den Schläfen durchwirkte Silber die ansonsten braunen Strähne, was ihm eine besondere Note verlieh und seine natürliche Eleganz unterstrich. Wie gern würde er einmal mit Tony tauschen, um die Finger durch Adamos seidig wirkende Haare gleiten zu lassen.

„Hallo? Mein Nacken wird steif“, beschwerte sich der frisch erblondete Mann.

„Tschuldigung. Nur noch kurz shampoonieren, dann sind wir fertig.“

Der Typ grunzte.

„Diese Farbe passt ausgezeichnet zu Ihrem dunklen Bartschatten“, schwafelte Sandro. „George Michael hat das in jungen Jahren genauso getragen.“

„Wer?“

„Na, der war doch mal bei Wham, einer Boygroup. Bestimmt kennen Sie dieses Lied.“ Sandro begann, last christmas zu trällern.

„Ach du Scheiße. Sofort aufhören. Das Zeug kann ich nicht mehr hören.“

Sofort verstummte er und konzentrierte sich beleidigt auf die Haarwäsche. Anschließend wickelte er ein Handtuch um den Kopf des Kulturbanausen.

„Wollen Sie wirklich keinen Schnitt?“

Ein ablehnender Blick traf ihn im Spiegel.

„War nur eine Frage. Ich hole schnell einen Fön.“ Sandro huschte davon.

 

An manchen Tagen, wenn zu viele Kunden mit Geschmacksverirrung auf einmal auftauchten, hasste er seinen Job. Dann gab es die anderen Tage. Die, an denen er Schönheiten erschuf. Unter manchem wildwuchernden Schopf verbarg sich ein interessantes Gesicht, das nur einen passenden Rahmen brauchte. Noch ein paar Kleidungstipps hier und einige Hinweise auf geeignete Pflegeprodukte da, schon verließ ein zufriedener Mann den Salon.

 

Um sieben schloss der Salon. Sandro fegte den Boden, den Rest erledigte eine Putzkraft in den frühen Morgenstunden. Nachdem er seine Jacke aus dem Hinterzimmer geholt hatte, verabschiedete er sich von Tony. Sein Chef war damit beschäftigt, die Kasse abzurechnen und schaute nur kurz hoch.

„Schönen Abend. Bis morgen.“

Sandro trat in die inzwischen abkühlende Oktoberluft hinaus. Tagsüber war es noch warm gewesen, doch nun fegte ein kalter Wind durch die Straßen und wirbelte das Laub auf. Schnell schlüpfte er in die Ärmel seiner dünnen, sehr stylischen Jacke. Er schlug den Kragen hoch, stopfte die Hände in seine Hosentaschen und steuerte die nächste Bahnstation an.

Adamo geisterte erneut in seinem Kopf herum. Oft stellte er sich vor, wie der Mann wohl nackt aussehen mochte. Bei einem Anzugträger besaß das einen besonderen Reiz. Während Typen in engen Jeans und Shirts seiner Fantasie kaum Raum ließen, bot sich in Bezug auf Adamos Outfit ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Schlank war der Mann, aber ob er Muskelansätze oder einen festen Arsch hatte, blieb im Verborgenen.

Eine heftige Böe ließ Sandro kurz anhalten, um die Knöpfe seiner Jacke zu schließen. Wie oft hatte seine Mutter geschimpft, wenn er mitten im Winter in Stoffturnschuhen und lediglich mit einer Jeansjacke bekleidet weggehen wollte? Unzählige Male. Das war lange her und seit seinem Outing als Siebzehnjähriger ohnehin Geschichte.

 

Sandro joggte die Stufen zum Bahnsteig hoch, guckte auf die Anzeigetafel und stieß einen verhaltenen Fluch aus. Der verdammte Zug war vor einer Minute abgefahren, was hieß, dass er weitere neun Minuten der Kälte ausgesetzt war.

Bibbernd kauerte er sich auf eine Bank. Den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen, dachte er an seine Eltern. Wie es denen wohl ging? Seit fünfzehn Jahren hatte er keinen Kontakt mehr. An dem Abend, an dem er von seiner Mutter mit Nils im Bett ertappt worden war, durfte er gleich seine Sachen packen. Sein Vater brachte ihn zum Kriseninterventionsteam des Jugendamtes und stellte klar, dass er in der elterlichen Wohnung nicht länger erwünscht war. Sandro hatte das Glück, auf einen verständnisvollen Sozialarbeiter zu treffen. Der Mann nahm ihn mit nach Hause und sorgte dafür, dass er schon bald in einer Wohngruppe untergebracht wurde. Ohne diese Hilfe hätte er wohl einen noch größeren Dachschaden davongetragen.

 

Sandro linste zur elektronischen Anzeige. Noch vier Minuten. Ein paar Glatzköpfe kamen die Treppe hoch und ließen, als sie ihn entdeckten, einige dämliche Sprüche fallen. Wie üblich kamen die Worte Schwuchtel und Schwanzlutscher darin vor. Obwohl er das inzwischen gewohnt sein sollte, verletzte es ihn, aber er zeigte keine Reaktion. Die Kerle zogen weiter den Bahnsteig hinunter. Glück gehabt. Im Prinzip war es völlig egal, wie er sich verhielt. Wenn die Typen auf Krawall aus gewesen wären, hätten sie ihn so oder so verprügelt. Bisher war Sandro von solch einer Erfahrung verschont geblieben, was aber nicht heiß, dass Fortuna ewig ihre schützende Hand über ihn hielt.

 

Endlich kam die Bahn. Sandro wählte ein Abteil aus, in dem genug normal aussehende Leute saßen, um sich einigermaßen sicher zu fühlen. Er setzte sich auf eine freie Bank und guckte aus dem Fenster, ohne die vorbeiziehenden Häuserfronten wahrzunehmen.

Trotzdem der Rausschmiss aus der elterlichen Wohnung so lange her war, schmerzte die Erinnerung immer noch. Damals kam er sich vor wie ein Spielzeug, das wegen eines Makels weggeworfen wurde. Es hatte lange gedauert, bis er wieder an Selbstvertrauen gewann. Nach und nach legte er sich das Image eines Paradiesvogels zu, um es mit der Zeit zu perfektionieren. Eigentlich war es eher eine Maske, hinter der er den wahren Sandro verbarg. Manchmal wusste er selbst nicht mehr, wie der eigentlich aussah.

 

In seiner Wohnung roch es muffig. Sandro riss alle Fenster auf und ließ kalte Luft herein. Anschließend sammelte er einen Arm voll Wäsche vom Boden auf und brachte sie ins Bad, um sie in die Waschmaschine zu stopfen. Während die Maschine ihrer Bestimmung nachging, kramte Sandro irgendein Tiefkühlgericht aus dem Froster. Er stellte es in die Mikrowelle, überlegte kurz, nahm es wieder heraus und warf es zurück ins Eisfach. Nach Essen war ihm gar nicht zumute.

Tony schimpfte zwar oft, dass er viel zu dünn war, aber hallo? Immer noch besser, als vor Fett nicht mehr aus den Augen gucken zu können. Verhungern würde er schon nicht.

Vor dem Küchenfenster grölten ein paar Betrunkene herum. Sandro schloss es, genau wie die anderen und fegte eine Zeitschrift von seinem Schreibtischstuhl, um sich darauf niederzulassen. Eine Weile chattete er mit ein paar Bekannten, verlor aber schnell die Lust daran. Stattdessen öffnete er die Homepage der Kanzlei von Perlenstein und himmelte Adamos Portrait an. Als er auch davon genug hatte, klaubte er weitere Kleidungsstück von der Couch, dem Fußboden und – wie war seine Pants bloß auf die Fensterbank gelangt? Der ganze Kram landete vor der noch laufenden Waschmaschine.

Da er eh schon im Bad war, betrachtete er sich prüfend im Spiegel. Seine Haaransätze mussten dringend nachgefärbt werden. Sandro war von Natur aus blond, jedoch mit einem Stich ins rötliche. Das zeigte sich insbesondere in seiner übrigen Körperbehaarung. Wenn er seine Scham nicht glatt rasierte, sah sie aus wie ein Nest aus Karottenstreifen. Das galt auch für die Haare unter seinen Achseln. Wenigstens war Mutter Natur so barmherzig gewesen, ihn mit einem Brustteppich zu verschonen.

In jedem Fall musste er Tony bitten, mal wieder nach Feierabend im Salon seine Frisur nachbessern zu dürfen. Normalerweise stellte das kein Problem dar. Schon wegen dieser Großzügigkeit liebte er seinen Chef.

2.

 

Adamo konnte sich immer mehr für seine Idee begeistern. Eigentlich war er nicht der Typ dafür zu provozieren, aber manchmal musste man eben über seinen Schatten springen, um eine bahnbrechende Wirkung zu erzielen.

In der vergangenen Nacht hatte er sogar davon geträumt, mit Sandro an der Hand den Festsaal zu betreten. Die missbilligenden Blicke der anderen Gäste und vor allem die entsetzte Miene seiner Mutter standen ihm noch deutlich vor Augen.

Geistesabwesend fuhr er mit einer winzigen Harke durch den Kies seines Mini-Zen-Gartens. Ein Geschenk der Mitarbeiter zu seinem letzten Geburtstag. Das Ding war kitschig, dennoch gefiel es ihm. Es beruhigte ihn, die kleinen Steinchen zu ständig neuen Mustern anzuordnen. Gerade entstand eine Spirale um ein paar Bonsai-Attrappen. Das Läuten des Telefons riss ihn aus der Versunkenheit. Auf dem Display erkannte er die Nummer seiner Eltern.

„Adamo, Schatz“, legte seine Mutter gleich los. „Wegen der Gala am Wochenende: Die Tochter meiner Freundin Lisa will dich schon lange kennenlernen.“

Was die Liste von angeblichen Freundinnen betraf, war diese ellenlang. Außerdem war jede einzelne von ihnen mit Töchtern gesegnet, die danach dürsteten, seine Bekanntschaft zu machen. Manchmal glaubte er, dass seine Mutter einen Partnervermittler beschäftigte, um all diese heiratswilligen Kandidatinnen ranzuschaffen.

„Wie schön. Ich habe aber schon Begleitung.“ Damit lehnte er sich weit aus dem Fenster, doch irgendetwas machte ihn sicher, dass Sandro gern mitkommen würde.

„Ach? Wer ist es denn? Kenne ich sie?“

„Nein. Lass dich überraschen.“

„Nun gut. Ich bin gespannt. Bis Samstag.“

„Gruß an Papa.“ Adamo beendete die Verbindung, um gleich darauf die Nummer des Salons zu wählen.

Haarspalterei, Tony am Apparat.“

„Hallo, hier ist Adamo. Hat Sandro heute Dienst?“

„Ja. Nun sag nicht, du willst dir von ihm die Haare schneiden lassen.“

„Auf keinen Fall! Wann ist die beste Gelegenheit, mit ihm unter vier Augen zu reden?“

„Du hast Glück. Er wird heute Abend länger hier sein. Soll ich ihm sagen, dass du vorbeikommst?“

„Nein. Lieber nicht. Was heißt länger?“

Tony schnalzte mit der Zunge. „So, wie ich ihn kenne, locker zwei Stunden.“

„Hat er eigene Kundschaft?“

„Quatsch.“ Sein Lieblingsfriseur lachte. „Er kümmert sich nur um sein eigenes Styling.“

„Ach so. Danke für die Info.“

„Immer gern. Darf ich fragen, was du mit ihm vorhast?“

„Nein.“

Beleidigtes Schweigen folgte.

„Na gut“, erbarmte sich Adamo. „Ich will ihn zu der verdammten Spendengala einladen.“

„Wow! Da wird er sich ein Ei wegfreuen!“

„Na, hoffentlich nicht.“ Was Sandros Gehänge anbetraf, wollte er nicht schuld sein, wenn da plötzlich etwas fehlte.

„Du stehst heimlich auf ihn“, behauptete Tony.

„Quatsch! Ich brauche nur einen, sagen wir mal, extravaganten Begleiter.“

„Tu mir einen Gefallen: Sei lieb zu ihm. Er ist gar nicht so oberflächlich, wie er vorgibt.“

Klar. Als wenn in dem Modepüppchen überhaupt Platz für etwas tiefergehendes, als eine Peelingmaske wäre.

„Ich gebe mir Mühe.“

„Ups! Ich muss aufhören. Illustre Kundschaft naht. Viel Glück für heute Abend.“ Übergangslos legte Tony auf.

Adamo guckte noch ein Weilchen versonnen den Mini-Zen-Garten an, bevor er sich endlich dem Tagesgeschäft widmete.

 

Gegen acht, also nicht so früh, um Sandro bei irgendeinem Haarfärbevorgang zu stören, aber auch nicht zu spät, um ihn zu verpassen, klopfte er an die Salontür. Die Schaufenster ließen keinen Blick ins Innere zu, Dekoration füllte den gesamten Rahmen aus. Auch die Tür war von einer Jalousie verdeckt, so dass nur schwacher Lichtschein nach außen drang.

Er musste noch ein paar Mal anklopfen, bis endlich die Glastür einen Spalt geöffnet wurde und Sandros Kopf, umwickelt mit einem Handtuch, erschien.

„Wir haben … Oh! Was willst du denn hier?“

„Hast du ein paar Minuten?“

„Bist du mit deiner Frisur nicht zufrieden? Ich schneide nicht so gut wie Tony.“ Sandro beäugte ihn misstrauisch.

„Nein. Es geht um was anderes. Kann ich reinkommen?“

„Öhm. Okay.“ Zögernd schob Sandro die Tür weiter auf, ließ ihn herein und schloss gleich wieder ab.

Entgegen seiner sonstigen Aufmachung, wirkte er nahezu normal: Ausgewaschene Jeans und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift: ‚Zu schön, um nicht schwul zu sein‘: Nur der Kopfputz, bestehend aus einem grünem Handtuch, gab ihm einen schrägen Touch.

„Frisch gefärbt?“ Adamo zeigte auf den Turban.

„Mhm. Ja. Auch.“

„Schneidest du deine Haare selbst?“

Sandro nickte. „Ich kann mir Tony nicht leisten.“

„Will nicht lange stören. Samstag findet eine Spendenveranstaltung statt. Lust, mich dahin zu begleiten?“ Adamo gab sich Mühe die Worte wie leichthin klingen zu lassen, obwohl sein Herz plötzlich wie wild schlug.

Augenbrauen flogen hoch, bis unters grüne Frottee. Aus kugelrunden Augen glotzte Sandro ihn an. Ein Mundwinkel zuckte, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Beide Arme um den Leib geschlungen, schüttete sich der kleine Mistkerl vor Heiterkeit aus. Adamo kam sich mehr und mehr verarscht vor.

„Du-hu wi-hi-hilst mi-hit mir auf ei-hei-ne Spe-he-henden-Dingenskirchen?“, brachte Sandro glucksend hervor. „Mit mir?“, wiederholte er etwas nüchterner. „Du willst mich verkackeiern.“

Statt einer Antwort setzte Adamo eine erboste Miene auf und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Echt jetzt?“ Sein Gegenüber begann zu strahlen. „Du meinst das ernst?“

Er nickte.

Oh Mann! Ich hab nichts zum Anziehen!“ Sandro riss das Handtuch herunter und strubbelte sich durchs Haar. „Und meine Frisur! Ich muss Tony fragen, ob er mir die Haare ordentlich schneidet. Oh mein Gott!“

Weiter vor sich hin lamentierend, rannte er kreuz und quer durch den Salon. Wild wedelte er dabei mit dem grünen Frottee herum und erwischte ein Regal Haarpflegeprodukte. Dumpf polterten die Plastikflaschen nacheinander auf den Boden. Sandro stoppte abrupt und starrte erschrocken die Bescherung an.

„Ach du Scheiße. Na ja, wenigstens ist nichts kaputtgegangen“, murmelte er beschämt.

„Es ist nur eine simple Spendenveranstaltung, keine Modenschau.“ Adamo schlenderte zur Unglücksstelle und ging in die Hocke, um einige der Flaschen aufzuheben.

„Aber ich muss gut aussehen“, beharrte Sandro, sank auf die Knie, schnappte sich eine Shampooflasche und wies damit in seine Richtung. „Du brauchst einen Begleiter, der dir äußerlich das Wasser reichen kann.“

„Nun komm bloß nicht auf die Idee, im schwarzen Zweireiher zu erscheinen.“

„Nein, das nicht. Ich hab einen coolen hellblauen Anzug.“ Sandro stellte die Flasche zurück ins Regal.

Innerhalb kurzer Zeit stand alles wieder an seinem Platz. Adamo richtete sich auf und hielt Sandro eine Hand hin, um ihm hoch zu helfen. Er rechnete fest damit weiche Finger zu spüren und war erstaunt, wie rau und schwielig sich die Haut anfühlte. Anscheinend hatte er den Beruf des Friseurs falsch eingeschätzt. Wie dumm von ihm. Natürlich stellte der tägliche Umgang mit Wasser und irgendwelchen Chemikalien eine starke Belastung dar.

„Ähm. Was ist?“ Sandro, dessen Hand er immer noch hielt, blinzelte zu ihm hoch.

„Nichts.“ Schnell ließ er die Finger los und brachte etwas Abstand zwischen sie. „Hellblauer Anzug? Aber bitte nicht mit Rüschenhemd darunter.“

„Mist. Genau das schwebte mir vor.“ In Sandros blauen Augen funkelte Schalk. „Darf ich stattdessen mein Pailletten-T-Shirt tragen?“

„So etwas besitzt du?“

„Nein. Aber ich hätte gern eines.“

„Zieh an was du willst, Hauptsache nicht die rosa Hose.“ Adamo warf einen Blick zu der riesigen Uhr, die überm Empfangstresen hing. „Ich lass dich wohl mal besser weitermachen.“

„Was? Ach so. Ich bin so gut wie fertig. Sag mal …“ Sein Gegenüber sog die Unterlippe zwischen die Zähne und senkte den Blick. „Wieso ausgerechnet ich?“

Bevor Adamo vorhin aufgebrochen war, hatte er sich eine Ausrede überlegt. Eigentlich wollte er behaupten, dass sein ursprünglicher Begleiter abgesprungen war. Nun erschien ihm diese Begründung dumm, außerdem beantwortete sie Sandros Frage nicht. Er schwenkte einen Sessel herum, ließ sich hineinplumpsen und schlug ein Bein übers andere.

„Meine Eltern versuchen mich ständig mit irgendwelchen Frauen zu verkuppeln, trotzdem ich kein Geheimnis daraus mache, dass ich auf Männer stehe. Wenn ich mit dir auftauche und wir ein bisschen flirten, dürfte sie das überzeugen. Sie und all die anderen Mütter mit heiratswütigen Töchtern.“

„Aber das könntest du doch genauso gut mit Tony oder irgendeinem anderen.“

„Ich brauche einen Mann, der nicht zu übersehen ist. Außerdem sollte ihm das Wort schwul auf die Stirn geschrieben sein.“

„Du willst mich benutzen?“ Über Sandros Stirn zogen Gewitterwolken auf.

„Nein. So ist das nicht gemeint. Ich möchte nur ein bisschen provozieren.“

„Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.“

„Überleg’s dir.“ Adamo stand auf. „Bestimmt gibt es leckeres Essen und reichlich zu trinken. Ich brauche deine Antwort bis morgen Mittag, damit ich mir im Falle deiner Ablehnung Ersatz suchen kann.“

Die Hände in den Hosentaschen vergraben, sah Sandro ihn finster an. „Ich denk drüber nach“, brummelte er.

„Ich lege meine Visitenkarte auf den Tresen. Würde mich echt freuen, wenn du mitkommst.“ Adamo fischte auf dem Weg zur Tür ein Kärtchen aus seiner Börse, warf es auf die blankpolierte Theke und ließ sich selbst hinaus.

 

 

Sandros Euphorie war wie weggeblasen. Ernüchtert ging er zur Salontür, schloss ab und schnappte sich die Visitenkarte, um sie in seine Gesäßtasche zu stopfen. Anschließend setzte er sich in den Sessel, der noch warm von Adamos Körper war. Langsam drehte er ihn im Kreis, seinen Kopf in den Nacken gelegt und dachte nach. Ihm blieb gar keine Wahl. Er musste Adamos Einladung annehmen und die Chance irgendwie nutzen. Vielleicht gelang es ihm sogar ein bisschen Eindruck zu schinden, schließlich besaß er Manieren und konnte sogar leidlich tanzen. Vor einigen Jahren hatte er aus einer Laune heraus einen Tanzkurs besucht und beherrschte noch einige Schritte.

Mit neuem Elan sprang er auf, holte einen Fön und stylte seine in frischem platinblond erstrahlenden Haare. Nachdem er aufgeräumt hatte, schlüpfte er in seine Jacke, löschte alle Lichter und verriegelte sorgfältig den Laden. Auf dem Weg zur Bahnstation legte er sich einen Plan zurecht. Wichtig war, dass er Adamos Ansprüchen entsprach, also wie eine Schwuchtel herumlief. Das stellte für ihn keine Schwierigkeit dar, nur sollte sein Outfit kultiviert, statt nuttig aussehen.

Während der Fahrt nach Hause ging er im Geiste seinen Kleiderschrank durch. Sandro war zwar eine Schlampe, aber eine mit einem fotografischen Gedächtnis. Trotz der Vielzahl an Klamotten, die er besaß, hatte er jedes einzelne Stück genau vor Augen. Nacheinander kombinierte er verschiedene Kleidungsstücke, bis das ultimative Ensemble stand: Eine silbergraue Hose, ein Hemd in der gleichen Farbe, das er noch besorgen musste, dazu eine lavendelfarbene Krawatte und sein hellblaues Jackett.

Sehr zufrieden mit dieser Auswahl zückte Sandro sein Smartphone und wollte schon mit der Suche nach dem Hemd beginnen, als ihm einfiel, dass die Zeit für Internetshopping zu kurz war. Ihm blieben nur zwei Tage bis zur Gala. Er steckte das Gerät wieder ein, guckte aus dem Fenster und sprang erschrocken auf. Ganz in Gedanken hatte er das Umsteigen verpasst.

 

Den ganzen nächsten Vormittag war Sandro so unkonzentriert, dass er irgendwann eine Rüge von Tony einfing. Danach riss er sich zusammen, auch wenn es ihm schwerfiel. Immer wieder guckte er zur Uhr und sehnte den Mittag herbei. Als es endlich so weit war, huschte er ins Hinterzimmer und holte Adamos Visitenkarte sowie sein Handy hervor. Mit zitternden Fingern tippte er die Nummer ein, klatschte sich das Gerät ans Ohr und atmete mehrmals tief durch.

„Von Perlenstein“, ertönte Adamos tiefe Stimme.

„Hier ist …“ Hektisch befeuchtete er seine Lippen. „Sandro.“

„Hallo Sandro. Wie sieht’s aus?“

„Ähm. Gut. Ich würde deine Einladung gern annehmen.“

Nach einer winzigen Pause, in der er glaubte Adamo aufatmen zu hören, sagte dieser: „Wunderbar. Ich hole dich am Samstag um sieben ab. Gib mir deine Adresse.“

Sandro stammelte gerade seine Anschrift, als Tony hereinkam. Sein Chef hob mit einem wissenden Grinsen eine Augenbraue. Nachdem Sandro aufgelegt hatte, seufzte er abgrundtief und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.

„Du weißt Bescheid?“

Tony, der sich gerade Kaffee eingoss, nickte. „Ich hab gestern mit Adamo telefoniert.“

„Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte mich besser vorbereiten können und …“ Er warf die Arme in die Luft und zog eine Grimasse. „Vergiss es. Ich wäre sicher rumgerannt wie ein aufgeschrecktes Huhn.“

„Genau.“ Sein Chef nahm gegenüber Platz, pustete in die schwarze Brühe und betrachtete ihn nachdenklich. „Du stehst auf ihn, richtig?“

„Aber so was von.“ Ein verträumtes Lächeln auf den Lippen, guckte er in die Ferne. „Adamo ist einfach Zucker.“

„Der Mann ist ganz sicher nicht einfach zu händeln. Pass bloß auf dich auf.“

„Ja, ja, Papa.“ Er streckte Tony die Zunge raus. „Ich muss für ein Stündchen weg, ein Hemd kaufen. Geht das?“

„Aber sicher doch, außer gleich kommt ein unangemeldeter Kunde. Ich bin nämlich in einer Viertelstunde schon terminiert.“

„Danke.“ Sandro schoss hoch, sein Stuhl fiel um, Holz splitterte. Im selben Moment kündigte die Türglocke Kundschaft an. Unglücklich beäugte er das lädierte Möbel. Wieso musste er immer wieder so ein Pech haben?

 

Erst am späten Nachmittag bekam er Gelegenheit, für eine Weile den Laden zu verlassen und in einem nahegelegenen Secondhandgeschäft zu stöbern. Leider ohne Erfolg. Auch der Besuch eines Kaufhauses blieb ergebnislos. Enttäuscht kehrte er in den Salon zurück.

„Na, Kleiner. Nichts gefunden?“, begrüßte ihn Tony.

„Nein.“ Mit hängendem Kopf latschte er ins Hinterzimmer, entledigte sich seiner Jacke und biss einmal von dem Sandwich ab, das seit dem Morgen auf dem Tisch lag. Allmählich rutschte seine Hose und er spürte, dass er dringend mehr Kalorien brauchte, um bei Kräften zu bleiben. Lust auf Essen hatte er trotzdem nicht.

Er wollte gerade in den Salon gehen, als Tony in der Tür auftauchte und zwischen ihm und dem halbaufgegessenen Brot hin und her guckte.

„So geht das nicht weiter“, entschied sein Chef. „Nach Feierabend lade ich dich zum Italiener ein und danach shoppen wir zusammen.“

 

Einige Stunden später war Sandro gemästet wie eine Weihnachtsgans, außerdem hielt er eine Tüte mit einem genau passenden Hemd, sowohl farblich als auch vom Schnitt her, in der Hand. Überglücklich für den Moment, verabschiedete er sich von Tony und fuhr nach Hause.

Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2015

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