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Prolog

Prolog

„Ich hab gestern mit einem Kunden gesprochen, der eine Galerie besitzt. Er möchte sich deine Bilder mal ansehen.“ Benjamin kuschelte sich an Moritz‘ Schulter.

„Meinst du, sie sind gut genug?“

„Also, die mit dem Sperma mag ich nicht besonders, aber die anderen finde ich wunderschön.“

„Die Spermabilder gehören aber in die Serie.“

„Apropos: Wie sieht’s mit Nachschub aus?“

„Nimmersatt. Gib mir ein paar Minuten, dann nehme ich dich richtig ran.“ Moritz gluckste und hielt Wort.

 

Am folgenden Samstag luden sie seine Gemälde in Benjamins Wagen. Während der Fahrt wurde Moritz immer nervöser und als sie vor der Galerie Unterzollern im neuen Wall hielten, bekam er riesengroße Augen.

„Aber … aber das ist doch …“, stammelte er, wobei er das Gefühl hatte, gleich vor Angst in die Hose zu machen.

„Was denn? Ist doch nur eine simple Galerie.“

„Bitte? Das hier ist die nobelste Adresse der Stadt. Die werden meine Bilder niemals ausstellen.“

„Bleib ganz ruhig. Los, wir bringen ein paar der Bilder rein und lassen den Fachmann entscheiden.“ Benjamin beugte sich zu ihm, küsste ihn auf die Wange und stieg aus.

 

Eine Stunde später verließen sie den Laden wieder, wobei Moritz wie auf Wolken schwebte. Der Inhaber war nicht nur begeistert gewesen, sondern hatte auch gleich einen Termin für eine Vernissage festgelegt. In zwei Wochen sollte diese stattfinden.

„Ich glaub’s nicht“, murmelte Moritz immer wieder vor sich hin.

„Ich bin schrecklich stolz auf dich.“ Benjamin streichelte ihm über die Wange.

„Und wenn die Ausstellung eine Pleite wird?“

„Quatsch! Die Leute werden deine Bilder lieben.“

„Und wenn nicht?“

„Dann hast du noch meine Liebe.“ Benjamin startete den Motor, was Moritz nicht daran hinderte, seinem Schatz einen dicken Kuss auf die Wange zu schmatzen.

1.

Linus war spät dran. Normalerweise konnte er pünktlich Feierabend machen, doch ausgerechnet heute hatte der blöde Disponent ihm richtig viel Arbeit aufgehalst. Eine ganze Stunde länger als sonst musste er durch die Gegend fahren und Pakete abliefern. Dafür würde er den dämlichen Kerl morgen richtig zur Schnecke machen.

Während er die Reeperbahn entlang hastete, fing es zu nieseln an. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Natürlich besaß die stylische Bikerjacke, die er sich neulich in einem Anfall von Wahnsinn geleistet hatte, keine Kapuze. Leise vor sich hin fluchend lief er noch schneller. Die letzten paar Meter sprintete er, da es plötzlich wie aus Eimern goss. Vor der Tür des Valenzia schüttelte er sich wie ein Hund und strubbelte durch seine Haare. Mehr konnte er im Moment nicht für sein Äußeres tun.

Erwartungsvoll trat er in den Salon, in dem sich neben Boris‘ Stammpersonal lediglich ein Kunde aufhielt. Mikosch, der an der Bar saß, lächelte ihm entgegen. Wie immer sah er verteufelt anziehend aus. Der blonde Schopf war ordentlich gescheitelt und nach hinten gekämmt, was Mikoschs ebenmäßige Gesichtszüge betonte. Dichte dunkle Brauen und Wimpern bildeten einen hübschen Rahmen für die blauen Augen. Wenn Linus es nicht besser wüsste würde er vermuten, dass sich Mikosch die Haare färben ließ.

„Du bist spät dran. Wollte schon wieder abhauen.“ Mikosch leerte sein Glas und stellte es auf den Tresen.

„Tut mir leid. Musste länger arbeiten.“

„Schon gut. Nun bist du ja hier. Lass uns hochgehen.“ Auffordernd wurde ihm eine Hand hingehalten, die er nur zu gern ergriff.

Als sie an Jegor vorbeikamen, brummelte dieser: „Immer bekommen die Freiberufler die Sahneschnitten.“

Linus kümmerte sich nicht um den Blödmann. Er war ziemlich sicher, dass der Russe auch dann keine Chance bei Mikosch hätte, wenn er der letzte Mann auf dem Planeten wäre. Sein Kunde hatte ihm nämlich verraten, dass er ein Faible für Twinks besaß. Vornehmlich für so süße, wie Linus einer war.

Auf der Treppe ließ Mikosch seine Hand los und ihm den Vortritt. Das tat er immer. Linus wackelte aufreizend mit dem Arsch, während er die Stufen hinaufging. Wie gewohnt steuerte er das Zimmer, das mit einem Whirlpool ausgestattet war, an. In den zwei Monaten, in denen Mikosch mittlerweile ins Valenzia kam, hatten sie immer diesen Raum benutzt. Er ließ die Jacke von seinen Schultern gleiten und hängte sie ordentlich über die Lehne des einzigen Stuhls.

„Scharfe Lederjacke. Du in dem Ding und mit Stiefeln.“ Mikosch seufzte. „So würde ich dich gern mal vögeln.“

„Hinterher müsste ich sie wegschmeißen. Du weißt doch, dass ich immer tierisch schwitze.“

„Dann kaufe ich dir eine Neue.“ Mikosch setzte sich auf die Bettkante und winkte ihn mit einem Finger heran. „Und nun zeig mal, was du Schönes zu bieten hast.“

Genau das mochte Linus besonders. Obwohl sein Kunde ganz genau wusste, was sich unter der Kleidung verbarg, tat er jedes Mal so, als wäre er überrascht. Stück für Stück wurde sein Körper freigelegt und ausführlich liebkost. Besonders sein Nabel und die kleinen Knöpfchen schienen es Mikosch angetan zu haben. Ein Glücksfall. Genau dort war Linus nämlich besonders empfindlich, genau wie in den Achselhöhlen und der Halsbeuge. Auch das wusste Mikosch und nutzte es oft aus, indem er kurz vorm Höhepunkt dort hineinbiss.

„Deine Haut ist so weich.“ Bewundernd strich Mikosch ihm über die Brust. „Und deine Augen …“ Er sah hoch. „Dunkler als Zarbitterschokolade.“

Die blumigen Worte nutzten sich nicht ab. Obwohl Mikosch sie oft sagte, hörte Linus sie immer wieder gern. Das lag bestimmt an seiner blöden Verliebtheit.

„Deine Lippen erinnern mich an Rosenblätter.“ Mikosch lächelte versonnen. „Wenn ich ein Fotograf wäre, würde ich mich ganz auf sie und deine Schokoaugen konzentrieren.“

„Was ist mit meinem Schwanz?“, versuchte Linus die Stimmung, die gerade zu sehr ins Romantische abdriftete, zu zerstören.

„Zu dem komme ich gleich.“ Nach einem Kuss auf seinen Nabel, öffnete Mikosch ihm die Hose. Nahezu andächtig breite er den Stoff auseinander, beugte sich wieder vor und schnupperte an seiner Pants. „Mhm. Moschus.“

So schön dieses Prozedere auch war wünschte Linus, er dürfte Mikosch seinerseits genauso erkunden. Leider war hier das Berühren der Figüren mit den Pfoten verboten, wie sein Kunde gleich zu Anfang erklärt hatte. „Keine Küsse. Anfassen ja, aber möglichst wenig. Keine Kratzspuren oder ähnliches. Keine Knutschflecken. Wenn du das hinbekommst sind wir im Geschäft.“

Linus hielt sich an diese Regeln, obwohl er darunter litt. Würde er gegen sie verstoßen, wäre das Ergebnis allerdings das Gleiche: Mikosch nie wieder sehen zu dürfen war genauso schlimm, wie ihn nicht streicheln zu dürfen. Also behielt er seine Finger brav bei sich und da sie ohnehin nur im Doggystyle fickten, bestand keine Gefahr beim Orgasmus tiefe Kratzer zu hinterlassen. Jedenfalls nicht in Mikosch Rücken. Die Matratze malträtierte er schon mit den Fingernägeln. Ein Glück für ihn, dass sie nicht das Zimmer mit dem Wasserbett benutzten.

Unterdessen hatte Mikosch ihm die Jeans bis auf die Knöchel geschoben. Rasch streifte er die Sneakers von seinen Füßen und hob ein Bein an, damit ihm die Socke ausgezogen werden konnte. Nachdem auch die zweite auf dem Boden lag, folgte die Hose. Wieder presste Mikosch die Nase gegen den Stoff seiner Pants und atmete tief ein.

„Wow! Wenn das, was sich darunter verbirgt, genauso gut schmeckt wie es duftet, bin ich im Himmel.“

Linus hatte keine Ahnung, wie sein Schwanz roch oder schmeckte. Etliche Versuche es herauszufinden waren fehlgeschlagen. Einmal musste er hinterher sogar zum Arzt, weil er sich dabei einen Wirbel ausgerenkt hatte.

„Holla! So einen Prügel schleppst du mit dir herum?“ Grinsend sah sein Kunde zu ihm hoch. „Ich weiß, ich rede dummes Zeug. Verzeih mir. Ich mag es eben.“

„Schon okay“, nuschelte Linus, dem immer ganz flau im Magen wurde, wenn er so direkt mit Mikoschs blauen Augen konfrontiert wurde. Wie mochte es sich erst anfühlen, wenn er beim Sex hineinschaute? Lieber gar nicht erst ausmalen.

„Du hältst mich sicher für einen versponnenen Greis.“

„Du bist nicht alt und …“ Linus atmete tief durch. „… und außerdem wahnsinnig sexy und sehr nett.“ Er hätte lieber noch ganz andere Dinge gesagt. Noch viel lieber würde er sich Mikosch an den Hals werfen und um einen Kuss betteln. Beides kam nicht infrage, wenn er diesen Kunden behalten wollte.

„Das ist wirklich süß von dir.“ Mikosch richtete den Fokus wieder auf seine Pants, in der sich inzwischen ein mächtiger Ständer befand. Irgendwie voll das Klischee, aber es traf eben auf Linus zu. Er war klein, zierlich und mit einem Mordsgerät ausgestattet. Wahrscheinlich hatte sich Mutter Natur gedacht, dass er wenigstens an einer Stelle etwas sehr männliches besitzen sollte, um zum Fortbestand der Menschheit seinen Anteil beizutragen. Wenn sie wüsste, dass stattdessen meist sein Arschloch beglückt wurde, hätte sie sicher geschmollt.

„Dann packe ich jetzt mal aus.“ Vorsichtig schob Mikosch zwei Finger links und rechts unter den Bund der Hose und streifte sie in Zeitlupe herunter. Linus‘ Schwanz wippte ins Freie, wobei sich ein sämiger Faden von dessen Spitze abseilte. Etwas, was ihn früher oft in Verlegenheit gebracht hatte. Es war das eine steif zu werden, das andere, dabei einen großen feuchten Fleck in der Jeans zu verursachen.

„Du bist ja schon feucht“, freute sich Mikosch, bog seinen Schwanz hoch und nahm mit der Zunge das glitzernde Band auf.

Linus wurde eine Weile gelutscht, was ihm puddingweiche Knie und Mikosch noch mehr Vorsaft einbrachte. Als sein Kunde endlich die Kleider abstreifte und ordentlich auf dem Stuhl stapelte, war er mehr als bereit für den Hauptgang. Wie gewohnt kniete er sich aufs Bett und umklammerte das schmiedeeiserne Kopfteil. In dem Spiegel, der darüber hing, konnte er Mikosch beobachten. Sein Ringmuskel wurde gezüngelt, anschließend mit Fingern geweitet und dann – endlich! – von einer dicken Schwanzspitze durchbrochen.

Mikosch verstand sich darauf ihn windelweich zu ficken. Das endete regelmäßig damit, dass Linus‘ schweißnasse Finger vom Bettgestell abglitten, er einknickte und sie ins Laken grub. Keuchend und am ganzen Körper von einem salzigen Film überzogen, wurde er ins Finale gebumst. Der Höhepunkt seiner Woche. Jeden Mittwoch. Nur darauf fieberte er seit einiger Zeit hin und nahm keinen anderen Kunden mehr an.

Atemlos lagen sie danach auf dem Bett. So wortreich Mikosch beim Vorspiel war, wurde er hinterher sehr schweigsam. Linus wusste, dass sie, sobald sie sich einigermaßen erholt hatten, noch baden würden. Das tat Mikosch immer hinterher. Wahrscheinlich damit dessen Gattin nicht roch, was er getan hatte. Linus nahm einfach an, dass es eine gab. Immerhin trug Mikosch einen Ring an der rechten Hand.

„Lass uns ein Bad nehmen“, murmelte Mikosch in seine Gedanken hinein und stand auf.

Linus kroch vom Bett und ging leicht wacklig ins Bad. Die weichen Knie waren eher seinem Gemütszustand, als körperlicher Überforderung zuzuschreiben. Sein Hintern brannte minimal. Wenn’s nach ihm ginge, hätte Mikosch ihn die ganze Nacht rannehmen dürfen. Möglichst von vorn.

„Hey. Du siehst blass aus.“ Mikosch, der auf dem Wannenrand hockte, sah ihn stirnrunzelnd an.

„Geht schon. War ein langer Tag.“

„Wem sagst du das.“ Mikosch richtete seine Aufmerksamkeit auf den Whirlpool, was Linus die seltene Gelegenheit gab, dessen Körper neugierig zu betrachten. Sein Kunde war rund zehn Zentimeter größer und acht Jahre älter als er. Klar ausgeprägte Muskeln spielten unter der makellosen Haut, die in Schulterhöhe mit einem Tattoo verziert war. Ein Greif mit ausgebreiteten Flügeln spannte sich von der Wirbelsäule bis zum Schulterblatt. Schimmernder goldener Flaum bedeckte Unterarme und Beine. Der Beweis, dass Mikosch von Natur aus blond war. Sein Hintern war straff und seitlich von zwei Kerben akzentuiert. Das Gesamtpaket war so schön, dass Linus innerlich seufzen musste.

 

Wenig später saßen sie zusammen in der Wanne. Er mit dem Rücken zu Mikosch, an dessen Brust er sich lehnte. Aus dem Nebenraum drang Stöhnen, unterbrochen von klatschenden Geräuschen, durch die dünne Wand.

„Da mag es jemand hart“, murmelte Linus versonnen.

Mikoschs streichelnde Finger versetzten ihn in einen herrlich losgelösten Zustand. Genüsslich brummend schmiegte er sich näher an den Mann. Der Moment wäre perfekt, wenn sie sich jetzt küssen würden.

„Jedem das seine. Ich muss dir was sagen.“ Mikosch klang sehr ernst, was Linus aufhorchen ließ. „Das hier ist das letzte Mal. Ich werde nicht wieder herkommen.“

„Was?“ Mit einem Schlag völlig ernüchtert, klappte er hoch und rutschte auf die andere Seite, wo er sich umdrehte. Die heftige Bewegung sorgte für Wellen. Ein bisschen Wasser schwappte über den Wannenrand.

„Tut mir leid.“

„Ist es wegen deiner Frau?“

„Das geht dich nichts an.“ Mikosch  guckte ihn frostig an.

„Können wir uns vielleicht woanders treffen?“

„Nein.“

Linus‘ Augen begannen zu jucken. Keinesfalls wollte er vor Mikosch losheulen, weshalb er rasch aus dem Whirlpool stieg und sich in ein Handtuch wickelte. „Dann wünsche ich dir alles Gute“, würgte er mühsam hervor, ohne Mikosch dabei anzusehen. „Leb wohl.“

Er drehte sich um, verließ den Raum und stieg so schnell es ging in seine Klamotten. Zum Schluss riss er die Lederjacke von der Stuhllehne. Aus dem Bad war kein Mucks zu vernehmen. Linus hätte gern einen letzten Blick auf Mikosch geworfen, war aber sicher, dass er dann losflennen würde. Er schnappte sich das Geld, das wie immer auf dem Nachtschrank lag und ging mit schleppenden Schritten aus dem Zimmer.

 

Draußen regnete es Bindfäden. Linus schloss seine Jacke, stellte den Kragen hoch und stopfte seine Hände in die Hosentaschen. Während er langsam in Richtung Bahnstation ging, rann ihm Wasser übers Gesicht. Seine Tränen vermischten sich mit dem Regen und tropften ihm vom Kinn. Als er herkam war ihm die Welt, trotz des miesen Wetters, noch als schön erschienen, doch nun hatte sie sich in einen trostlosen Ort verwandelt. Ein eisernes Band um seine Brust schnürte ihm die Luft ab, zusätzlich verstopfte seine Nase. Er kramte ein Taschentuch hervor, schnäuzte hinein und knüllte es anschließend zusammen. Wenn doch Moritz nicht am Arsch der Welt wohnen würde. Linus könnte gerade ein bisschen Trost gebrauchen.

In der Bahn zückte er sein Handy und rief Benjamin an. Natürlich erreichte er nur dessen Mailbox. Bestimmt waren die beiden mal wieder am rumvögeln. Frustrierte wollte er das Smartphone gerade wieder in die Tasche stecken, als es zu vibrieren begann. Benjamins Nummer blinkte im Display auf.

„Kann ich euch besuchen?“, fiel er mit der Tür ins Haus.

„Klar. Wo bist du?“

„St. Pauli.“

„Ich hol dich vom Bahnhof ab, okay?“, bot Benjamin an.

„Danke. Ich müsste in einer Dreiviertelstunde dort sein.“ Linus beendete das Gespräch und checkte die Uhrzeit. Es war bereits halb neun. Da blieb nur zu hoffen, dass er bei Moritz schlafen konnte, sonst würde er die halbe Nacht für den Heimweg brauchen.

 

Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Lektorat: Aschure
Tag der Veröffentlichung: 02.09.2015

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