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1.

1.

Boris guckte durch die Küchentür in den Salon, in dem sich gerade, neben seinen vier Jungs, zwei Freiberufliche aufhielten. Also genug Angebot, falls sich in der nächsten Zeit ein Kunde einfand.

„Kazys? Komm mal in die Küche. Ich brauche Hilfe“, bat er, wobei seine Tonlage keinen Zweifel daran ließ, dass es sich um einen Befehl handelte.

Der Angesprochene verzog keine Miene, während er sich aus der Gruppe löste und auf Boris zukam. Kazys war wirklich ein harter Knochen. Er lächelte überaus selten, eigentlich nur, wenn es galt einen Freier zu umgarnen. Ansonsten gab er sich gelangweilt und redete wenig. Letzteres galt auf für die anderen drei Jungs, Artem und Kyrylo aus der Ukraine, sowie Jegor aus Russland, aber bei Kazys fiel es besonders auf. Vielleicht, weil seine beiden Landsmänner, die inzwischen ihre Märchenprinzen gefunden hatten, so anders waren.

„Ich der Küche kann ich kein Geld verdienen“, maulte Kazys.

„Jemand muss mir helfen, fünf hungrige Mäuler zu stopfen. Bin schließlich nicht mehr der Jüngste.“ Boris wies mit dem Kinn zum Tisch, auf dem Tomaten, Paprika und Zwiebeln darauf warteten, verarbeitet zu werden. „Außerdem bist du von allen am geschicktesten in der Küche.“

Was er verschwieg war, dass er Kazys in letzter Zeit lieber aus der Schusslinie holte. Sollten doch die anderen die Kunden zufriedenstellen. Er wollte Kazys für sich allein, auch wenn er sich keine Hoffnungen machte, dass seine Vernarrtheit jemals erwidert werden würde. Immerhin trennten sie dreizehn Jahre. In Kazys‘ Augen galt er sicher als Gruftie.

Boris ging zum Herd, stellte die Platte an, auf der eine riesige Pfanne stand und holte ein Paket Hackfleisch aus dem Kühlschrank. Während das Fett heiß wurde, beobachtete er Kazys, der geschickt die Zwiebeln häutete und in kleine Stücke schnitt.

„Den anderen Kram musst du noch waschen.“

Es kam keine Erwiderung. Stumm erledigte Kazys seine Arbeit und wandte ihm dabei den Rücken zu. Das gab Boris Gelegenheit, ausführlich den knackigen Hintern in der engen Jeans zu bewundern. Trug Kazys keine Unterwäsche? Der fadenscheinige Stoff schmiegte sich wie eine zweite Haut um die prallen Backen. Innerlich seufzend wandte sich Boris wieder zum Herd.

Die Margarine war inzwischen flüssig geworden. Vorsichtig beförderte er das Hack in die Pfanne und griff nach einem Kochlöffel. Auf einer weiteren Herdplatte wartete ein großer Topf darauf, mit dem Gemüse gefüllt zu werden. Es gab mal wieder Chili, neben Spaghetti Bolognese die Lieblingsspeise seiner Jungs und einfach herzustellen. Boris zerteilte das Hackfleisch mit dem Löffel, wobei er immer mal über die Schulter guckte. Kazys kam gut voran. Die Zwiebeln standen schon bereit.

„Sag mal, kann es sein, dass du in letzter Zeit nachgelassen hast?“, fragte er im schönsten Plaudertonfall.

„Wie meinst du das?“

„Neulich hat sich ein Kunde beschwert, dass du beim Blasen nicht besonders euphorisch warst.“

Bitte?“ Kazys klang aufgebracht.

„Versteh mich nicht falsch. Vielleicht hatte der Typ einfach einen schlechten Tag.“ Boris grinste in sich rein, den Blick fest auf die Pfanne gerichtet.

„Das lass ich nicht auf mir sitzen! Ich blase erstklassig!“

Er drehte sich um und sah direkt in empört funkelnde braune Augen. Wenn Kazys seine Maske fallenließ, war er einfach hinreißend. Es lohnte sich ihn aus der Fassung zu bringen, was leider selten gelang. Natürlich hatte sich niemand beschwert, aber wie sonst sollte Boris den Kerl aus dem Schneckenhaus locken?

Er zuckte gespielt gelangweilt die Achseln. „Wollte es nur erwähnt haben.“

„Das ist eine Frechheit! Gleich nach dem Essen zeige ich dir, was für einen genialen Job ich mit meinem Mund erledige.“ Kazys zeigte mit dem Messer auf ihn. „Hinterher wirst du völlig platt sein.“

„Das zweifle ich an.“ Boris hob arrogant eine Augenbraue.

„Warts ab.“ Kazys wandte sich wieder dem Gemüse zu.

Das war ja besser gelaufen als erwartet. Vergnügt schmunzelnd widmete sich Boris dem Hack.

 

Nach dem Essen half Kazys ihm wortlos beim Aufräumen. Boris war vor Vorfreude bereits halbsteif und konnte es gar nicht erwarten, in den Genuss einer heißen Mundhöhle zu kommen. Obwohl er in einem Bordell lebte, hatte er selten Sex. Davor, als er noch als Koch arbeitete, war er oft durch die Clubs gezogen und Stammgast im Darkroom gewesen. Vielleicht lag es am Alter, vielleicht auch daran, dass er das belanglose Rumgeficke satt hatte.

„Lass uns in meine Wohnung gehen.“ Boris wusch sich die Hände am Spülbecken und trocknete sie mit einem Geschirrtuch ab.

Kazys zuckte lediglich die Schultern und folgte ihm die Treppe hinauf.

 

Boris‘ Wohnung lag, genau wie der Schlafraum der Jungs, im zweiten Stock. Sie war sein Heiligtum und niemand, außer der Putzfrau und Freunden, durfte sie betreten. Dass nun Kazys in den Genuss dieses Privilegs kam, sollte den Jungen eigentlich stolz machen. Leider zeigte dieser mal wieder keine Regung, als sie in den großzügigen Flur traten.

„Geh geradeaus durch, auf die Terrasse. Ich komme gleich nach.“ Boris nickte in die entsprechende Richtung und besorgte rasch aus der Küche eine Flasche Wasser und zwei Gläser. Als er auf die große Dachterrasse trat, stand Kazys an der Brüstung und guckte in die Gegend. Sie befand sich im rückwärtigen Teil des Hauses, zum Innenhof hin. Bäume gab es dort keine, nur ein paar hohe Büsche. Boris hatte einige Kübel mit winterharten Palmengewächsen aufgestellt, die ein bisschen Privatsphäre schufen. Außerdem standen ein Strandkorb und ein Tischchen auf dem mit Kunstrasen ausgelegten Boden.

„Von mir aus kann’s losgehen“, meinte er betont lässig, wobei er Gläser und Flasche auf dem kleinen Bistrotisch abstellte.

„Hier?“ Kazys drehte sich um.

„Im Strandkorb sind wir vor fremden Blicken geschützt.“

„Okay“, meinte Kazys gedehnt, schlenderte herbei und musterte ihn ausführlich, als würde er eine Ware abschätzen. „Dann zeig mal, was du hast.“

Boris wurde nun doch etwas mulmig zumute. Es war das eine zu provozieren, das andere, die Hosen runterzulassen. Was war, wenn er Kazys nicht gefiel? Würde er sich dann zukünftig dumme Sprüche über einen zu kleinen Schwanz oder andere Makel anhören müssen? Leider kamen ihm diese Bedenken zu spät. Er konnte jetzt keine Rückzieher mehr machen, wenn er das Gesicht wahren wollte. Mit wild schlagendem Herzen setzte er sich in den Strandkorb und nestelte ungeschickt an seiner Hose herum. Mitsamt der Pants schob er sie bis auf die Knöchel runter und ließ die Beine auseinanderfallen.

Kazys, der sich unterdessen auf den Kunstrasen vorm Strandkorb gekniet hatte, verfolgte die Aktion sehr aufmerksam. Boris ließ sich zurücksinken und zog das T-Shirt hoch, bis sein muskulöser Bauch entblößt war. Angst vor Ablehnung schnürte ihm die Kehle zu, während er Kazys beobachtete. Anscheinend wirkte er nicht abstoßend. Ein lüsternes Lächeln kräuselte Kazys‘ Lippen und in den braunen Augen blitzte so etwas wie Anerkennung auf.

„Bist gut in Form“, kam gemurmelt die Bestätigung.

Nachdem Kazys ein Kondompäckchen auf das Sitzpolster gelegt hatte, ging es zur Sache. Er griff in Boris‘ Kniekehlen und zog ihn näher zum Rand, bis seine Eier über die Kante hingen. Als nächstes wurde sein Schwanz mit kräftigen Zungenschlägen bearbeitet, zugleich die Kronjuwelen massiert. Dumpf pochte das Blut in Boris‘ Ohren, als Erregung seine Sinne in Beschlag nahm. Kazys verstand es wirklich zu blasen. Boris biss die Zähne zusammen, damit er nicht mit einem Stöhnen verriet, wie gut es ihm gefiel. Das war zwar Unsinn, da sein hartes Geschlecht Beweis genug war, dennoch wollte er sich diese zusätzliche Blöße nicht geben.

Kazys umzüngelte die Eichel, sog sie in den Mund und nahm nach und nach den ganzen Schaft auf. Eine Glanzleistung, da Boris ganz gut ausgestattet war. Mit jedem verstreichenden Moment fiel es ihm schwerer, das Becken ruhig zu halten. Am liebsten hätte er nach oben gestoßen und Kazys‘ Mund gevögelt. Unter halbgeschlossenen Lidern hervor sah er zu, wie sein Schwanz zwischen den hübschen Lippen verschwand, wieder auftauchte, verschwand … Ein Finger an seinem Hintereingang lenkte ihn kurz ab. Frech drückte er sich durch den engen Ring und tastete sich bis zur Prostata vor. Diese doppelte Stimulation geilte Boris so sehr auf, dass ihm doch glatt ein gepresster Stöhnlaut entwich. Er spürte erste Vorboten des Höhepunkts, tastete nach dem Gummi und griff in Kazys‘ Schopf.

„Achtung“, krächzte er.

Kazys hob den Kopf, ließ aber den Finger an Ort und Stelle. Für seinen Erregungszustand recht professionell, rollte sich Boris das Kondom über. Wieder versank er in einer heißen Mundhöhle und preschte aufs Ziel zu. Ein gigantischer Orgasmus rollte durch seinen Körper und breitete sich bis in die letzte Zelle aus. Boris presste eine Hand vor seinen Mund, um nicht den ganzen Innenhof zusammenzustöhnen.

Völlig fertig lag er hinterher da und blinzelte ins schwindende Sonnenlicht. Kazys hatte nicht zu viel versprochen. Er war sicher, für die nächste halbe Stunde keinen Finger rühren zu können. „Gut gemacht“, lobte er heiser. „Magst du mir etwas Wasser geben?“

„Klar.“ Kazys stand auf, schenkte beide Gläser voll und reichte ihm eines. Das andere setzte er an die Lippen und leerte es in einem Zug.

Boris trank in kleinen Schlucken. Seine Kehle brannte, die Lunge auch. Er war es überhaupt nicht mehr gewohnt, derart intensiven Sex zu haben. Der mit der eigenen Faust glich eher einer Entspannungsübung und war nie besonders explosiv. Da Boris wenig Fantasie besaß, stellte er sich dabei meist lediglich den Schwanz seines letzten Sexpartners vor. Manchmal wichste er vorm Notebook und sah sich dabei sexy Clips an. All das war kein Vergleich zum echten Erlebnis.

„Du bist also zufrieden?“, fragte Kazys, ging in die Hocke und zog ihm das Kondom vom Schwanz.

„Mhm. Sehr. Keine Ahnung, was mit dem Kunden los war.“ Am liebsten hätte er die Lüge aufgedeckt, war aber nicht sicher, wie Kazys reagieren würde, daher ließ er es bleiben.

„Wenn du ihn mal wieder siehst, sag Bescheid. Dem blas ich das Gehirn weg.“ Mit grimmiger Miene betrachtete Kazys das Gummi, in dem sich eine ansehnliche Menge Sahne befand. „Ganz schöne Portion“, meinte er anerkennend.

„Du hättest auch schlucken dürfen. Ich bin negativ und ficke nicht durch die Gegend.“

„Ich schlucke nie.“ Kazys machte ein Knoten ins Kondom und guckte sich suchend um.

„Magst du es in der Küche im Mülleimer entsorgen?“ Boris lächelte, was Kazys zu seinem Erstaunen erwiderte. Beschwingt ging er davon und verschwand im Wohnungsinneren. Da Boris fest damit rechnete, dass Kazys die Gelegenheit nutzen und in den Salon zurückkehren würde, war er ziemlich erstaunt, als selbiger gleich darauf wieder auftauchte und sich zu seinen Füßen niederließ.

„Nette Wohnung.“

„Sicher findest du es unfair, dass ich euch in einen kleinen Raum pferche und selbst im Luxus lebe, nicht wahr?“

„Nö. Ist dein gutes Recht. Würde ich an deiner Stelle auch tun.“

Boris fühlte sich allmählich kräftig genug, um die Hose hochzuziehen, außerdem kam es ihm dekadent vor, halbnackt vor Kazys herumzuliegen. Nachdem alles wieder an Ort und Stelle war, griff er nach der Flasche und füllte sein Glas neu.

„Darf ich fragen, wieso du nach Deutschland gekommen bist?“

Kazys zog die Knie an seinen Körper und umschlang sie mit beiden Armen. Den Blick in die Ferne gerichtet, begann er zu erzählen. „Meine Eltern sind arme Bauern. Eigentlich sollte ich nach der zehnten Klasse mit der Schule aufhören und ihnen auf dem Hof helfen, aber meine Noten waren so gut, dass ein Lehrer sie überredete mich dort zu lassen. Nach dem Abitur begann ich zu studieren. Nebenbei musste ich arbeiten und sogar einige Urlaubssemester einlegen, um überhaupt genug Geld ranschaffen zu können. Dadurch verlängerte sich die Studienzeit und irgendwann verlor ich die Lust. Also kam ich her.“

„Was hast du studiert?“

„Medizin.“ Kazys‘ samtig braune Augen bekamen einen verträumten Glanz.

„Hochachtung. Schade, dass du nicht weitergemacht hast.“

„Mhm.“

„Schreib dich doch hier an der Uni ein. Soweit mir bekannt, müsste das gehen.“

„Wie soll ich das denn machen? Du verlangst von uns ständige Anwesenheit.“ Das klang nicht vorwurfsvoll, sondern lediglich nüchtern.

„Wir könnten eine Sondervereinbarung treffen.“

„Nein!“, stieß Kazys hervor, kniete sich hin und legte die Hände beschwörend auf Boris‘ Schenkel. „Nein“, wiederholte er weniger vehement. „Ich will das nicht. Es ist okay so, wie es ist. Wenn ich genug Geld beisammen habe, eröffne ich eine Kneipe. Wäre eh kein guter Arzt geworden.“

„Wieso?“

„Das ist eben so.“

Über so viel Verbohrtheit konnte Boris nur den Kopf schütteln. Am liebsten hätte er Kazys auf seinen Schoß gezogen und umarmt. Ihm ein bisschen Zuversicht und Wärme gegeben. Er war erstaunt, was für ein pessimistischer und resignierter Mensch hinter der kühlen Fassade steckte.

„Darf ich mich bei dir revanchieren?“, wechselte er das Thema.

„Ich muss wieder runter. Kundschaft aufgabeln.“

„Musst du nicht. Ich zahle, wenn ich dafür deinen Schwanz anfassen darf.“

„Du spinnst.“ Kazys begann zu grinsen, was sein Gesicht völlig veränderte. Anders als das lüsterne Lächeln machte es seine Miene ganz weich und ließ ihn jünger aussehen. Normalerweise wirkte er wie ein abgeklärter Endzwanziger, nun eher wie ein Schuljunge. Boris verlor sein Herz in diesem Moment ganz. Na ja, halbe Herzen konnte man nicht verschenken, also hatte es wohl schon vorher Kazys gehört.

„Sind wir im Geschäft?“, fragte er leise.

 

Kazys begann seine Jeans aufzuknöpfen und wie vermutet befand sich darunter blanke Haut. Boris vergaß zu atmen, als er die glatte Scham erblickte und den wunderschönen Schwanz, der halbsteif vor einem prallen Hodensack hing. Er rutschte von der Sitzfläche und hockte sich vor Kazys auf den Kunstrasen, den Blick fest auf dessen Geschlecht gerichtet.

„Wenn’s dir nichts ausmacht, hätte ich lieber … lieber deine Finger.“

Irritiert schaute er auf und die Verlegenheit, die sich auf Kazys‘ Miene spiegelte, beschleunigte seinen Puls. „Ich soll dich von innen massieren?“

„Mhm. Bitte.“

„Vorher ein bisschen rimmen?“, erweiterte Boris den Menüplan.

„Wenn du magst.“

„Her mit deinem Arsch“, flüsterte er und prompt ging Kazys auf alle Viere, um sein geiles Hinterteil anzubieten.

Wow! Das bot Stoff für die nächsten hundert Wichseinlagen. Andächtig strich Boris über die straffe Kehrseite, zog die Backen auseinander und weidete sich an dem Anblick. Das rosa Loch schrie förmlich nach seiner Zunge. Er leckte, bis der Muskel wunderbar weich und nachgiebig war. Erst dann schob er einen Finger hinein, gefolgt von einem zweiten und massierte den Punkt, der Kazys zum Stöhnen brachte. Zugleich setzte er immer wieder seine Zunge ein, um den empfindlichen Muskelkranz zu reizen.

Mittlerweile hatte sich Dunkelheit über die Dachterrasse gesenkt. Nur die umliegenden, hell erleuchteten Fenster und ein Abglanz der grellen Straßenlaternen spendete genug Licht, um ausreichend sehen zu können. Kazys‘ helle Haut, das rosige Loch und die straffen, herrlich glatten Backen prägten sich in Boris‘ Gehirn. Wie mochte es sich anfühlen, seinen Schwanz in das enge Loch zu schieben und …? Er verbot sich den Gedanken, da seine eigene Libido gerade nicht im Vordergrund stand. Kazys sollte Lust, die völlig selbstlos geschenkt wurde, empfinden. Genau so, wie er zuvor Boris einen Höhenflug der Superlative beschert hatte. Kazys‘ Arme knickten ein, als Folge reckte er den Arsch noch höher. Das zuvor laute Stöhnen erklang nun gedämpft. Boris spürte, dass Kazys‘ Anspannung wuchs und tastete nach dessen Schwanz. Ein schweres Glied landete in seiner Hand und es brauchte nur wenige Auf und Abs, bis warmer Honig sie benetzte. Seine Finger wurden in dem engen Kanal eingeklemmt, während Kazys langanhaltend kam.

 

2.

 

Kazys lag keuchend auf dem stoppeligen Kunstrasen und spürte den eigenen Erguss auf Brust und Bauch. Nun, wo die Erregung nachließ, setzte das Schamgefühl ein. Warum hatte er so viel von sich offenbart? Was mochte Boris bloß von ihm denken? Wahrscheinlich, dass er ein perverser Sexsüchtiger war. Dabei gehörte er normalerweise zu der Fraktion, die selbst beim Akt stets die Kontrolle behielt. So wie eben hatte er sich noch nie gehenlassen.

Eine raue Hand strich über seinen Rücken. Zärtlich wurde sein Nacken gekrault. Kazys hätte fast geschnurrt, so schön fühlte sich das an. In Litauen hatte er zwar einige Erfahrungen gesammelt, aber stets unter großer Heimlichtuerei, in irgendwelchen dunklen Ecken im Stehen. Dabei war es höchstens mal zu flüchtigen Küssen gekommen. Auch im Valenzia wurde nicht geschmust, sondern lediglich gebumst.

„Hier ist deine Haut ganz weich“, murmelte Boris, während er mit den Fingern durch den Flaum in Kazys‘ Genick strich.

Vor Wonne bekam er am ganzen Körper Gänsehaut. Kazys merkte, wie ausgehungert er nach harmlosen Berührungen war. Von ihm aus könnte Boris gern den Rest des Abends auf diese Weise weitermachen.

„Ich besorge ein paar Tücher.“ Die Hand verschwand.

Er hörte, wie sich Boris erhob und sah ihn in die Wohnung gehen. Vorsichtig rollte sich Kazys auf den Rücken, darauf bedacht, nicht in seinem eigenen Saft zu landen. Zum Glück war sein T-Shirt hochgerutscht und hatte nur wenig von der Sauerei abbekommen. Boris kehrte zurück, warf ein paar Papiertücher auf seinen Bauch und ging in die Hocke, um die Spuren von dem künstlichen Rasen zu entfernen.

Nachdem Kazys das Sperma weggewischt hatte, richtete er seine Kleidung. Die Situation kam ihm seltsam unwirklich vor, was an der schwachen Beleuchtung und der klassischen Musik, die aus einem der umliegenden Fenster drang, liegen konnte. Oder daran, dass ihn gerade sein Chef gerimmt hatte. Sein Blick wanderte zu Boris‘ Kinn mit dem Bartschatten. Er erinnerte sich an das aufregend kratzige Gefühl an seinem Hintern. Silberne Fäden durchzogen das braune Haar an den Schläfen. Boris‘ Gesicht war kantig, die Nase etwas schief. Erstaunlich lange Wimpern säumten die blauen Augen, was so gar nicht zu dem herben Mann passen wollte.

„Machst du das öfter? Einen deiner Angestellten hierher locken und verführen?“

Boris schüttelte den Kopf, knüllte die Tücher zusammen und richtete sich auf. „Nein. Ich mache so was nie.“

Sollte sich Kazys darauf etwas einbilden? Wohl besser nicht. Bisher war er immer gut damit gefahren, vom Schlimmsten auszugehen. Das hier war nur geschehen, weil sich ein Kunde beschwert hatte. Er stand auf, strich sein T-Shirt glatt und bückte sich nach den benutzten Papiertüchern. Hinter Boris her ging er in die Küche, um sie dort zu entsorgen.

„Möchtest du ein Bier?“

Kazys hob überrascht die Augenbrauen. „Lieber nicht. Vielleicht habe ich heute noch Kundschaft.“

„Nein, hast du nicht. Ich bin heute Abend dein Kunde. Basta! Also: Ein Bier?“

„Musst du nicht wieder runter?“

„Sladvik passt schon auf und meldet sich, wenn ich gebraucht werde.“ Boris klang allmählich genervt.

Kazys gab nach. „Okay. Dann hätte ich gern ein Bier.“

 

Nebeneinander saßen sie im Strandkorb, jeder eine Flasche Pils in der Hand. Auf dem Boden flackerte ein Windlicht und noch immer drang Klassik aus einem der Fenster. Am Firmament funkelten ein paar Sterne. Samtige Nacht hatte sich über die Stadt gelegt, was auf St. Pauli bedeutete, dass das Leben erst richtig zu toben begann. Ab und zu wurden Stimmen laut, grölte oder hupte jemand.

Kazys nahm das nur am Rande wahr. Der warme und gut duftende Körper direkt neben ihm lenkte ihn ab. Boris sah in den Himmel, wobei er gelegentlich einen Schluck trank. Das einvernehmliche Schweigen gefiel Kazys. Er lehnte sich entspannt zurück und stellte die Flasche auf seinem Bauch ab.

Wenn er erst seine Kneipe hatte, wollte er auch so schön wohnen. Vielleicht fand er sogar einen festen Partner. Ach nein, das war eher unwahrscheinlich. Kazys hatte die Erfahrung gemacht, dass er die, die er wollte, nicht haben konnte. Entweder waren sie nicht interessiert oder hetero. Gleich zu Anfang im Valenzia hatte er sich in einen Kunden verliebt und eine böse Abfuhr eingefangen. Für Kazys, der normalerweise sein Herz gut festhielt, ein böser Schlag in die Magengrube. Er hatte sich vorgenommen nie wieder so dumm zu sein.

„Ich möchte, dass du dir das mit der Sondervereinbarung noch mal überlegst. Du brauchst ja nicht studieren. Mach deinen Heilpraktiker, das reicht doch auch.“

„Hm, weiß nicht“, brummelte Kazys.

Boris‘ Interesse rührte ihn. Warum kümmerte sich der sonst eher burschikose Mann so intensiv um sein Leben? War das wieder so eine Samariternummer, wie bei Stasys? Die Jungs munkelten, dass Boris dem Typen, der den Kleinen mitgenommen hatte, sogar Geld obendrauf gab.

„Ich stell mir das so vor: Du wirst mein exklusiver Bläser, dafür brauchst du nicht mehr im Salon rumlungern, sondern kannst zur Schule gehen.“

„Ich soll dein Haus- und Hofbläser werden?“, spottete Kazys.

„Warum nicht? Mir hat’s gefallen und ich hab den Eindruck, dass dir die Revanche auch geschmeckt hat.“ Boris drehte den Kopf, leckte sich über die Lippen und grinste spitzbübisch.

Wie gebannt starrte er den sexy Mund an, dessen schöne Form von den dunklen Bartstoppeln noch betont wurde. Der Gedanke, dass diese Lippen noch vor kurzem sein Loch geküsst hatten, turnte Kazys mächtig an. Ob sie noch nach ihm schmeckten?

„Oder ekelst du dich vor mir alten Mann?“ Das klang leicht verzagt.

„Hör mit dem Kram auf. Du bist nicht alt.“

Boris gluckste. „Klar. Uns trennen nur dreizehn Jahre.“

„Mir ist das egal. Es geht um etwas anderes. Ich will für mein Geld arbeiten.“

„Wirst du auch müssen. Es dreimal täglich dem guten Boris zu besorgen ist kein Pappenstiel.“

„Dreimal? Wow! Schaffst du das?“ Kazys feixte, leerte seine Flasche und rülpste hinter vorgehaltener Hand.

„Frechdachs.“ Boris schnappte sich seine freie Hand und legte sie auf eine harte Wölbung. „Fühl mal.“

„Unglaublich. Ist nicht mal eine Stunde her.“

„Mhm. Muss an deinem sexy Duft liegen.“

Das tiefe Timbre, zusammen mit der anschwellenden Beule, sorgte für ein wundervoll kribbelndes Gefühl in Kazys‘ Unterleib. Er entsorgte die Flasche auf dem Boden, befreite Boris‘ Schwanz und ließ die Fingerspitzen über die samtige Länge fahren. Die Reaktion war überwältigend: Boris brummte genüsslich, reckte den Kopf und rieb die Nase an seinem Hals. Ein erregender Schauer rann über Kazys‘ Rücken. Sex gepaart mit Zärtlichkeit war ein unwiderstehliches Aphrodisiakum für ihn, stellte er gerade fest.

Boris‘ Bartstoppeln reizten die empfindliche Haut in seiner Halsbeuge. Heißer Atem strich über sein Ohr, gefolgt von Zähnen, die spielerisch daran knabberten. Kazys schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf diese wunderbare Liebkosung. Ein Lippenpaar wanderte vom Ohr über die Wange zu seinem Mund. Ehe er begriff was geschah, bekam er einen sanften, trockenen Kuss. Im nächsten Moment war es schon vorbei. Enttäuscht hob er die Lider und sah in Boris‘ blaue Augen.

„Ist Küssen okay für dich?“

Kazys nickte und bot seine Lippen, wobei er Boris‘ Schwanz fest umschloss. Der zweite Kuss dauerte länger und vor dem dritten wurde seine Jeans geöffnet. Raue Finger erkundeten seine Männlichkeit, während ihre Münder erneut verschmolzen. Diesmal kamen Zungen zum Einsatz. Anders, als er es bisher kannte. Statt roh und zielgerichtet, erkundete Boris seine Mundhöhle vorsichtig tastend und genüsslich. Neben dem Bier glaubte Kazys, etwas von seinem eigenen Geschmack wahrzunehmen. Das war verdammt verrucht und geil. Er spürte, wie sein Schwanz weiter anschwoll.

Plötzlich fluchte Boris, rückte ein Stück ab und Kazys merkte, dass sein Hosenboden nass wurde. Der Geruch von Bier breitete sich aus. „Mist. Hab die Flasche fallenlassen“, flüsterte Boris heiser, fischte sie hinter Kazys Rücken hervor und stellte sie auf den Boden. „Du solltest die Hose besser ausziehen.“

Das hatte der alte Schlawiner doch extra gemacht! Grinsend streifte Kazys die Jeans mitsamt Schuhen und Socken ab, während Boris steifbeinig in die Wohnung lief. Mit einem Handtuch kehrte er zurück, breitete es auf der Sitzfläche aus und nahm wieder Platz. Dass dabei die ganze Zeit sein Schwanz wie eine Fahnenstange vor ihm aufragte, fand Kazys ziemlich geil.

Wieder trafen ihre Lippen aufeinander. Gegenseitig spielten sie aneinander herum, bis die Lust mit aller Macht einen Weg nach draußen forderte. Boris zog sich die Hose über den Hintern, dirigierte Kazys auf seine Schenkel und umfasste ihre Ständer mit einer Hand. Zusammen rieb er sie zum Gipfel, wo nur noch fliegender Atem und ihr Stöhnen Kazys Universum bildeten.

 

„Fürchte, nun lässt sich eine Dusche nicht mehr umgehen“, meinte Boris nach langen, trägen Minuten.

Womit er recht hatte. Ihre Klamotten waren genauso eingesaut, wie ihre Bäuche. Das stellte Kazys fest, als er sich mühsam hochstemmte und zwischen sie linste. Er brachte ein schiefes Grinsen zustande.

„Sie leisten ganze Arbeit, Herr Müller.“

„Ihre Schuld, Herr Geringas“, konterte Boris, half ihm beim Aufstehen und erhob sich auch.

Sie boten wirklich ein Bild für die Götter. Boris‘ Jeans hing ihm in den Kniekehlen. Das T-Shirt klebte an seinem Bauch und war einem irren Sperma-Attentäter zum Opfer gefallen. Was allerdings für Kazys‘ Shirt ebenso galt. Sie musterten sich einen Augenblick und plötzlich prustete Boris los. Lachend beugte er sich vor, klopfte auf seine Schenkel und kriegte sich gar nicht wieder ein. Das war so ansteckend, dass Kazys schließlich einstimmte. Es dauerte, bis sie sich beide wieder beruhigt hatten.

„Lass uns zusammen duschen gehen“, schlug Boris vor, streifte Schuhe, Hose und Socken ab und reichte ihm die Hand.

 

Als Kazys wenig später in seinem eigenen Bett lag – Boris‘ Einladung gemeinsam zu schlafen hatte er kategorisch abgelehnt – bereute er seine Entscheidung. Seit Stasys nicht mehr putzte, stank der Raum penetrant nach Schweiß und überall flog Staub herum. Die Kollegen waren noch am Arbeiten, weshalb er das Zimmer für sich allein hatte. Kazys ließ den Abend Revue passieren und wurde dabei hart. Während er an seinem Schwanz rumspielte, dachte er an Boris‘ Zärtlichkeiten, was ein merkwürdiges Gefühl in seinem Bauch auslöste. So etwas wie Hunger. Eine Leere, die nur durch Küsse und Streicheleinheiten gefüllt werden konnte. Rasch brachte er sich zum Abschuss, um die unerwünschten Emotionen zu vertreiben und schlief hinterher bald ein.

 

Fahles Zwielicht und Jegors Schnarchen weckten ihn in den frühen Morgenstunden. Zu dem Schweißgestank hatte sich Wodkadunst gesellt. Artem, in dem Bett über ihm, stöhnte, als würde er abgestochen. Wahrscheinlich wichste er gerade oder hatte mal wieder einen Alptraum. Kazys blinzelte und wünschte sich weit weg. Vielleicht sollte er Boris‘ Angebot annehmen, um dieser beklemmenden Situation zu entkommen. Allerdings barg das ein hohes Risiko.

Er wälzte sich auf die andere Seite, zog die Decke über den Kopf und versuchte wieder einzuschlafen. Leider vergeblich. Zum einen war es zu warm, zum anderen rotierten in seinem Kopf die Gedanken. Im Grunde blieb ihm keine Wahl. Wenn er hier raus wollte, musste er Boris‘ Hilfe annehmen, womit der nächste Super Gau vorprogrammiert war. Er hatte es schon am Vortag gespürt: Boris kroch ihm unter die Haut.

Erneut rollte er sich herum. Das Ammenmärchen mit dem unzufriedenen Kunden hatte er anfangs geglaubt, doch spätestens in Boris‘ Wohnung war ihm klargeworden, dass es sich um eine Finte handelte. Sein Chef war lediglich auf Sex aus gewesen. Woran er das gemerkt hatte? Lediglich ein Gefühl, etwas in der Art, wie Boris mit ihm umgegangen war. Ein unzufriedener Bordellbesitzer hätte ihn nach dem Test zurück zu den anderen geschickt und nicht …

Wieder wechselte er die Seite. Im Grunde hatte er eh verloren. Egal, ob er Boris‘ Vorschlag annahm oder nicht. Artem atmete inzwischen ruhiger, wohingegen sich Jegors Schnarchen zu einem Kettensägenmassaker steigerte. Kazys seufzte, stand auf und schlurfte in den Waschraum. Unter der Dusche dachte er weiter nach.

Noch nie hatte er sich derart wohl gefühlt und so oft gelacht, wie am vergangenen Abend. Am Ende war ihm weniger das Bier, als Boris‘ Nähe zu Kopf gestiegen. Er brauchte nur daran zu denken, wie sie nach der ganzen Sauerei kichernd unter der Brause standen, schon bekam er Herzklopfen. Schlimmer als bei dem Kunden, in den er sich verliebt hatte. Das konnte nur eines bedeuten: Diesmal hatte es ihn richtig erwischt. Wo es nun also eh zu spät war, konnte er doch gleich offenen Auges ins Unglück rennen.

Kazys stellte das Wasser ab, schob die Kabinentür auf und griff nach einem Handtuch. Während er sich abtrocknete, versuchte er die Lage nüchtern zu überdenken. Er hatte sich also in Boris verliebt. Dieser suchte lediglich Sex und bot dafür gewisse Freiheiten. Die Gleichung sah folgendermaßen aus: Dreimal täglich Boris einen blasen = Keine anderen Kunden = Zeit = Chance auf eine Ausbildung = Er kam hier raus. Den Liebeskummer würde er schon irgendwie überleben. Im Ganzen ein anständiger Deal.

In das Duschlaken gewickelt, kehrte Kazys in die Schlafkammer zurück. Jegor war mittlerweile wach und hustete wie verrückt. Er teilte Boris‘ Vorliebe für selbstgedrehte Zigaretten und stand oft mit selbigem vor der Tür, um zu rauchen. Kyrylo hatte die Decke weggestrampelt und präsentierte seine nackte Kehrseite. Dunkler Flaum überzog seinen Hintern und ließ ihn, in Kazys‘ Augen, wie einen Teddybären aussehen. Er selbst bevorzugte blanke Backen, wohingegen eine echte Männerbrust schon dicht behaart sein durfte. So wie Boris‘. Die hatte er gestern waschen dürfen. Gern erinnerte er sich an das prickelnde Gefühl unter seinen Fingerspitzen.

„Na? Bist gestern Cheffe in Arsch gekrochen?“, murrte Jegor heiser.

Anscheinend hatte jemand sie zusammen die Treppe raufgehen sehen und seine eigenen Schlüsse gezogen. Die Kollegen hatten ihre Augen überall und Gerüchte machten schnell die Runde.

„Klappe!“ Kazys stieg in seine Klamotten und hasste die Rivalität, die hier gerade aufkam. Bisher hatten die Kollegen mal gemosert, wenn er einen Kunden mehr als sie abschleppen konnte. Das zählte noch unter normal. Was ihm jetzt entgegenschlug, war blanker Neid.

„Und? Du nun Boris‘ Schlampe?“, stichelte Jegor.

„Leck mich. Vielleicht.“

Jegor war klug genug, das Maul zu halten. Kazys kochte inzwischen und verließ den Raum, um seine Zähne zu putzen. Anschließend lief er die Treppe runter und traf in der Küche auf Boris. All seine Wut verpuffte angesichts des sexy muskulösen Mannes, der gerade Kaffee aufbrühte. Boris‘ Miene war gewohnt freundlich und als er ihn entdeckte, begann er zu lächeln.

„Gut geschlafen?“

Kazys nickte erst, doch dann schüttelte er den Kopf. „Hab nachgedacht.“

„Ich auch“, gab Boris zu. „Das mit dem Angebot … lassen wir das.“

Wie jetzt? Der Morgen, der so Scheiße angefangen hatte, drohte gerade richtig in Schieflage zu geraten.

„Ehrlich gesagt hab ich mich da zu weit aus dem Fenster gelehnt.“ Boris seufzte und verzog bekümmert das Gesicht. „Wenn ich dir helfe will ich mehr, als nur drei Blowjobs.“

„Vier?“, bot Kazys an.

Ein bedauerndes Kopfschütteln und Boris murmelte: „Dich.“

„Was, bitte, heißt das?“

„Dich. In meinem Bett. Jede Nacht.“ Boris nahm ein Ei aus einer Packung, um es geschickt in die Pfanne zu schlagen.

„Das ist …“ Kazys war so geschockt, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.

„Meine Bedingung“, ergänzte Boris den Satz, wobei er ein weiteres Ei aufschlug.

„Aber …“ Er klappte den Mund gleich wieder zu. Es würde nur unausgegorener Kramm herauskommen. Boris‘ Forderung änderte die Lage völlig. Niemals konnte Kazys jede Nacht neben ihm liegen und vor unerfüllter Sehnsucht keinen Schlaf finden.

„Überleg’s dir.“

Kazys setzte sich an den Küchentisch und versank in Grübelei, während der Duft von gebratenem Speck, Eiern und Kaffee den Raum erfüllte. Ein voller Becher wurde vor ihm abgestellt. Er murmelte einen Dank und nippte an dem schwarzen Gebräu. Die Türglocke bimmelte, aber es war nur Sladvik, der hereinkam. Der Barmann, zugleich Boris‘ rechte Hand, nahm ihm gegenüber Platz. Auch vor ihm wurde ein Becher hingestellt.

„Toast zu den Eiern?“, fragte Boris, wobei er zwischen ihnen hin und her sah.

„Für mich bitte ja“, antwortete Sladvik sofort.

„Ich hab noch keinen Hunger.“ Kazys hätte sich gern irgendwo zum Nachdenken verkrochen, aber wo? Im Salon war noch nichts los, aber er hasste diesen Raum. In der Schlafkammer dürften noch die anderen herumlungern, bliebe nur eine Klokabine. Auch keine gute Idee, da die Kollegen dort bestimmt für Lärm und Gestank sorgten.

Sladvik bekam seine Portion vorgesetzt, anschließend gesellte sich Boris mit einem gefüllten Teller zu ihnen. Kazys‘ Magen knurrte, woraufhin ihm ein fragender Blick zugeworfen wurde.

„Ich nehme mir schon selbst“, erwiderte er auf die stumme Frage.

 

Sie aßen schweigend. Hin und wieder guckte Kazys heimlich zu Boris rüber. Im hellen Morgenlicht erschien ihm das, was am Vorabend geschehen war, wie ein Traum. Hatte er wirklich mit diesem imposanten attraktiven Mann Sex gehabt?

„Gehst du gleich ins Studio?“, durchbrach Sladvik die Stille.

„Nein, erst später. Vorher hab ich mit Kazys was zu besprechen.“

Das war schlecht, hatte dieser doch noch keine Ahnung, was er nun tun sollte. Kazys schlang den Rest seiner Portion herunter, stellte das Geschirr in die Spülmaschine und schenkte sich Kaffee nach.

„Ich geh noch ein bisschen nach oben“, meldete er an.

„Du bleibst schön hier“, hielt Boris ihn auf. „Oder geh schon in mein Büro. Die Tür ist offen.“

Kazys entschied sich fürs Büro, wo er in dem Sessel vorm Schreibtisch Platz nahm. Während er in kleinen Schlucken trank, wanderte sein Blick ruhelos umher. Die Einrichtung wirkte schäbig, als stünde sie schon Jahrzehnte in dem Raum. Nur Boris‘ Ledersessel sah neu aus. Auf dem Schreibtisch stapelte sich Papier neben einem Notebook. Boris‘ Vorschlag mit dem Heilpraktiker fiel Kazys wieder ein. Eigentlich keine schlechte Idee. Es war schon immer sein Wunsch gewesen Gutes zu tun, weshalb er letztendlich auf die Sache mit der Kneipe verfallen war. Ein guter Wirt war zugleich ein Therapeut.

Die Tür ging auf, Boris trat ein und begab sich hinter den Schreibtisch. Mit ernster Miene ließ er sich in den Sessel fallen und faltete die Hände vor seinem Bauch. Einen Moment sahen sie einander stumm an.

„Also: Wie hast du entschieden?“, fragte Boris schließlich.

„Ich finde, das ist ein bisschen viel, was du da verlangst. Vielleicht schnarchst du, oder ich tue es. Außerdem kennen wir uns doch kaum.“

„Du arbeitest seit über drei Monaten hier.“

„Ja, schon, aber …“

„Wenn ich schnarche, kannst du auf die Couch ausweichen“, unterbrach Boris sein Gestammel. „Oder ins Gästebett.“

„Wieso kann ich nicht gleich im Gästebett schlafen?“

„Hör mal …“ Boris beugte sich vor, wobei er die Hände auf den Schreibtisch legte. „Ich biete dir freie Kost, Logis und Unterkunft. Da ist ein warmer Körper in meinem Bett doch wohl eine geringe Gegenleistung.“

„Und drei Blowjobs“, erinnerte Kazys.

„Dafür bekommst du regelmäßig ein Rimming“, trumpfte Boris auf.

Langsam erinnerte diese Unterredung an einen türkischen Basar. Kazys seufzte und rang sich zu einer Entscheidung durch. „Also gut. Ich tu’s. Diese Heilpraktiker Sache … Können wir mal zusammen gucken, wie man das wird?“

„Aber sicher doch. Nimm den Stuhl da …“ Boris wies auf einen abgeschabten Holzstuhl. „… und setz dich neben mich.“

 

Anscheinend hatte sich Boris bereits schlau gemacht, denn er ging zielsicher auf Seiten, auf denen verschiedene Einrichtungen Kurse anboten. Er roch nach Nikotin, was Kazys gar nicht gefiel. „Du solltest das Rauchen aufgeben“, murmelte er.

„Gib mir einen guten Grund.“

„Ich küsse dich nicht, wenn du wie ein Aschenbecher stinkst.“

Boris gluckste. „Okay. Du hast gewonnen. Allerdings musst du mich dann auch regelmäßig küssen.“

Gerade hatte sich Kazys selbst eine Falle gestellt. Seufzend reckte er den Hals und gab Boris einen Kuss auf die weichen Bartstoppeln. „Als Anzahlung.“

Es fühlte sich merkwürdig vertraut an, zu zweit vorm Notebook zu hocken und über die vorhandenen Möglichkeiten zu diskutieren. Der Preis für ein Vollzeitstudium war erschreckend hoch. Boris bot sofort einen zinslosen Kredit an, den Kazys nach der Ausbildung in Raten ablösen konnte. Es war erstaunlich, wie viel sein Chef zu geben bereit war, nur damit er ein bisschen Sex bekam. Dabei war Boris attraktiv genug, um sich auf dem freien Markt für umsonst bedienen zu können. Kazys verstand das echt nicht, aber im Prinzip sollte es ihm egal sein. Was zählte war, dass er auf dieser Tretmühle rauskam und sich ein geordnetes Leben aufbaute.

Schließlich entschied er sich für ein Studium an einer anerkannten Hamburger Klinik. Boris versprach sich um die Anmeldung zu kümmern und klappte das Notebook zu.

„Bekomme ich jetzt einen richtigen Kuss?“ Blaue Augen hingen an Kazys‘ Lippen.

Der Nikotingestank war mittlerweile verflogen, dennoch reichte er Boris den Becher mit dem letzten Schluck Kaffee. Gehorsam wurde das Zeug getrunken und anschließend gab es keinen Grund mehr sich herauszureden. Eigentlich wollte Kazys das auch gar nicht. Er sehnte sich nach Boris‘ Berührung und rückte so nah wie möglich an ihn ran. Ihre Münder trafen sich, anfangs verspielt, dann mit wachsender Leidenschaft. Kazys schlang einen Arm um Boris‘ Nacken und hätte ewig so weitermachen können.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie auseinanderfahren. Sladvik steckte seinen Kopf durch einen Spalt und verkündete: „Da ist gerade ein armes Würstchen eingetroffen. Kommst du bitte und guckst es dir an?“

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Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2015

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