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Schännieh Dunkelstrauch - Sounds like love

Die HomoSchmuddelNudeln präsentieren:

Schännieh Dunkelstrauch - Sounds like love

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

 

Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren.

 

Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!

 

Text: Schännieh Dunkelstrauch

 

Fotos von shutterstock, Design Lars Rogmann


Für die Korrekturen ein Danke an Aschure.


Vorwort:

Lieber Leserinnen und liebe Leser,

 

für diesen Sonderband hat die Autorin Schännieh Dunkelstrauch ihre knapp 48.000 Worte umfassende Story ‚Sounds like love‘ gespendet. Eine Geschichte über einen Mann, der endlich die Liebe findet. Ich danke Schännieh für diese selbstlose Spende, deren Erlös wieder im vollen Umfang den Schwestern der Perpetuellen Indulgenz e.V. in Berlin zukommt.

 

Für die Nudeln

 

Sissi Kaiserlos

 

Hamburg im Mai 2015


Schännieh Dunkelstrauch - Sounds like love


Kennt ihr das, wenn ihr das Gefühl habt, dass alles, aber wirklich ALLES in eurem Leben perfekt läuft?

Nein?

Nun, ich auch nicht. Hier und da gibt's ja immer Kleinigkeiten, die verbesserungswürdig erscheinen.

Aber alles in allem würde ich sagen: Ich hab ein tolles Leben!

Ich hab tolle Freunde, einen geilen Körper, immer die neuesten Trends im Schrank, Sex so viel mein Hintern vertragen kann und einen Job, der echt fetzt.

Liebe hat für mich nie ne Rolle gespielt. Was soll ich auch damit? Ich bin glücklich, so wie es ist und auf Rücksichtnahme, Einschränkungen und auf „tu dies nicht und mach das nicht“ hab ich echt keinen Bock.

Was aber passiert, wenn sich auf einmal so ein braungelockter Typ in dein Leben spielt, der alles auf den Kopf stellt? Wenn du auf einmal dieses seltsame Gefühl im Bauch hast, dein Herz schneller schlägt und die komischen Flattermänner in deinem Bauch dann ganz plötzlich böse abstürzen?

Richtig. Das ist Scheiße und macht das Leben plötzlich ziemlich unperfekt...


1. Von Kontaktanzeigen, Speeddating und anderen Übeln

Immer wieder die gleiche Leier.

Tagein, tagaus.

Nun ja, nicht ganz, aber zumindest im Wochentakt und es nervt.

Echt.

Am Anfang hielt ich Nicos gestrahltes „jetzt braucht nur noch Paul jemanden“ ja noch für ne nette Floskel, aber inzwischen geht's mir echt monströs auf die Eier. Sein ständiges Gefrage, ob ich denn inzwischen schon jemanden kennen gelernt hab und die dauernden Verkupplungsversuche.

Einfach. Nur. Nervig.

So auch heute.



„Nico, wie oft soll ich's dir noch sagen?“, motze ich und verdrehe die Augen, während ich angepisst in meinem Salat herum stochere. „Entweder Prinz Charming läuft mir von sich aus über den Weg, badabing, badabum, oder eben nicht. Auch schön. Aber nur weil du das so willst, mach ich mich bestimmt nicht zum Vollhorst“, knurre ich. Seine glorreiche Idee diesmal? Kontaktanzeige, pfff. Was bitte kommt als nächstes? Speeddating?

Er zieht eine Schnute und guckt mich leidlich gekränkt an. Irgendwas will er noch sagen, er öffnet schon den Mund, aber Luca legt ihm eine Hand auf den Unterarm und bedeutet ihm, das Thema endlich fallen zu lassen.

Tut er dann auch. Gott sei Dank. Er ist ja so ein braves Schatzi.

Feiner Nico, lieber Nico! Braaaav. Nachher, wenn ich weg bin, bekommst du bestimmt nen Keks. Oder alternativ einen Fick. Keine Ahnung. Will ich nicht wissen.

Mir geht dieses neuerliche Liebes-blabla inzwischen gehörig auf den Zeiger. Wobei „neuerlich“ inzwischen drei Jahre umfasst, immer noch eine rosarote Brille trägt und auf Plüschflauschwölkchen schwebt. Sie überlegen sogar gerade, sich ein Nest zu bauen. Häuschen suchen und so.

Wirklich, ich liebe Nico, er ist mein bester Freund. Mein allerbester! Aber wenn er nicht bald aufhört, mir eine Beziehung nach der anderen mit immer wieder neuen Trollen an die Backe labern zu wollen, läuft er demnächst Gefahr, dass ich zum psychopathischen Paulchen mit den Scherenhänden mutiere. Und der schnibbelt dann bestimmt keine lustigen Tiere aus Büschen, sondern aus Nicos Locken ein unsagbar hässliches Vogelnest. So!



Gott sei Dank kann ich diesen Plan aber, wie so oft, fürs Erste verwerfen, denn er findet schnell ein neues Thema.

Halleluja!

Sein Holder hat bald Geburtstag, (juhu!), und da lassen die beiden nächsten Samstag ne kleine Wie-schön-dass-du-geboren-bist-Sause steigen. Nichts wirklich Großes. Nur lustige Partyhütchen, ein paar Freunde, Luftschlangen, ein paar Leute aus Studienzeiten, Fressalien, ein paar Kollegen und jede Menge Alkohol.

Pi mal Daumen so um die fünfzehn, zwanzig Leute. Wie gesagt, nichts Großes.

Die Frage ist nur: Was schenkt man einem in die Jahre kommenden Mann? Da muss ich mir wohl echt noch nen Kopf drüber machen.



Nachdem wir aufgefuttert haben, verabschieden die beiden sich und auch für mich wird es Zeit aufzubrechen.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bereits halb sieben ist. Nachdem die beiden mich vom samstäglichen Arbeiten abgeholt haben, waren wir ein bisschen Bummeln und noch was essen, aber so langsam muss auch ich mich sputen nach Hause zu kommen und mich fertig zu machen.

Die Bahn fährt, Gott sei Dank, im fünf Minuten Takt und ich brauch nur zwei warten, bis meine ratternd in den S-Bahnhof einfährt. Mit quietschenden Bremsen kommt sie ruckelnd zum Stehen, die Türen öffnen sich und ich lasse ein paar Fahrgäste aussteigen, bevor ich selbst ins Abteil schlüpfe. Tatsächlich ist sogar noch einer der begehrten Sitzplätze frei. Kein Stehen für Paulchen, juhu! Ich habe für heute ja wohl auch wahrlich genug gestanden, mir brennen ein wenig die Füße, und so nehme ich auf einem Vierer mit drei Jugendlichen Platz, die mir nur kurz einen Seitenblick zuwerfen, sich aber nicht weiter um mich kümmern.

Die Fahrt dauert von hier aus knapp eine Viertelstunde, dann bin ich gegen sieben zuhause. Duschen, rasieren, frisieren und Co. dauern auch noch mal anderthalb Stunden und die Fahrt später dann auch noch mal ne halbe. Dann sollte ich so gegen...

„...bah, voll die Schwuchtel. Hat der doch glatt nen Kerl geknutscht, wie abartig ist das denn bitte? Wäh!“, bringen mich die pubertierenden Worte meines Sitznachbarn aus der Planung. Ich ziehe eine meiner gezupften Augenbrauen nach oben und werfe ihm einen abschätzigen Seitenblick zu, den er gar nicht bemerkt.

„Ja, voll eklig! Ist doch pervers. Vielleicht sollte dem mal einer aufs Maul hauen, damit‘s bei dem im Hirn wieder richtig gepolt wird!“, wiehert Pickelgesicht von der anderen Seite aus und schlägt mit der Faust auf die flache Hand. Dummbrot neben mir stimmt glucksend ein, während der Typ, der mir gegenüber sitzt, reichlich still wird und den Kopf senkt. So ein kleiner, blonder Twink mit Strubbelhaaren, der mein Schwulenradar sofort laut aufpiepen lässt.

Ich höre mir das dämliche Gelaber noch eine ganze Weile mit an. An der nächsten Station muss ich aussteigen. Dennoch habe ich was gegen homophobe Arschlöcher und kann nicht anders.

„Wusstet ihr, dass Homophobie meist von eigener, sexueller Unsicherheit herrührt? Ich würde mir eher mal darüber Gedanken machen, statt mich über andere Menschen lustig zu machen und mich fragen ob's nicht sein kann, dass bei mir selbst da was im Argen liegt. Hundert Prozent heterosexuelle Männer haben nämlich so gut wie nie ein Problem mit Schwulen“, werfe ich daher lapidar ein und erhebe mich von meinem Platz.

Pickelgesicht und der Typ mit der Hose, die ihm bis in die Kniekehle hängt, sehen mich ziemlich entgeistert und mit geöffneten Mündern an, senken dann ihre hochroten Köpfe, während der Blick des blonden Twinks noch immer an mir klebt, als die nächste Station genannt wird.

„Und du...“, wende ich mich direkt an ihn, ziehe eine Visitenkarte aus meiner Hosentasche und drück sie ihm in die Hand. „...könntest mal ne neue Frisur brauchen.“

Ich trete an die Tür und halte mich fest, als die Bahn mit dem gewohnten Ruckeln zum Stehen kommt, drücke das Knöpfchen zum Türöffnen und werfe dem Blonden ein kleines Zwinkern zu, als ich die Bahn verlasse. Ein schüchternes Lächeln liegt auf seinem Gesicht.



2. Glück ist, wenn der Bass einsetzt

Der Samstagabend und das Glory gehören für mich inzwischen genauso zusammen, wie Farbe und Schnitt, wie Fön und Skelettbürste, wie ich und mein geiles Hemd und die heißgeliebten Chucks. Ohne diese Kombi ist es irgendwie nicht so richtig das Wahre und auch ziemlich doof.

Was habe ich da nur für ein Glück, dass heute Samstagabend UND Glory auf dem Programm stehen? Dass meine Chucks und das Hemd dabei ebenfalls am Start sind, ist auch nicht gerade des Zufalls Sohn.

Ich glückliches Schwein, ich.

Entsprechend versaut grinse ich, als ich die heiligen Hallen betrete und vom Bass und Strobolicht verschluckt und in eine andere Welt entführt werde. Eine Welt, in der die eigenen Probleme für ein paar Stunden nicht existent sind. Die gibt man nämlich einfach so zusammen mit seiner Jacke an der Garderobe ab. Total praktisch, wenn man mich fragt. So auch heute. Hier ist nämlich kein Nico, der mich nervt, ich solle sesshaft werden.



Zielstrebig steuere ich die Bar des Mainfloors an. Das Gedresche nebenan ist nicht so meins und dazu lässt es sich auch immer so schlecht fummeln, so, wie die Typen im Hardfloor rumzappeln. Da ist mir House schon deutlich, deutlich lieber.



Dennis steht hinter der Bar, wie immer, sieht und erkennt mich im flackernden Licht und mustert mich mit diesem aufgegeilten Blick. Seine Augen wandern über mein weißes, eng anliegendes und modern geschnittenes Hemd, durch das sich mein Nabelpiercing abzeichnet.

Er grinst ziemlich dreckig, erinnert sich offenbar noch daran, was leichtes Ziehen und Drehen an diesem kleinen Schmuckstück mit mir macht. Ich bin da ziemlich empfindlich.

Sein Blick wandert weiter, hinab über meinen flachen Bauch, hin zum Saum meiner Jeans, über den Schritt, meine Beine hina... okay, das ist jetzt aber genug. Ich trete näher und lasse mir mein obligatorisches Getränk zuschieben, das ich auch prompt bekomme. Mit einem spitzbübischen Lächeln bedanke ich mich und auch ich erinnere mich an unsere Nacht zurück.

Es war ziemlich frustrierend, irgendwie waren an besagtem Abend neben den hässlichen Vögeln nur Vollhonks da. Keiner, der mich wirklich vom Hocker gerissen hätte und so tat ich die halbe Nacht und die frühen Morgenstunden nichts weiter, als zu grottiger Musik zu tanzen. Irgendwann fand ich mich an der Bar wieder, hatte zwei, drei Drinks zu viel; war ziemlich fickrig und ebenso sehr frustriert. Nur noch wenig war los und so kam ich irgendwie mit Dennis ins Gespräch, der mir zuvor nie ernsthaft aufgefallen war und das, obwohl er wirklich ein hübsches Gesicht und einen ansehnlichen Körper vorzuweisen hat.

Nun, eins hatte zum anderen geführt und „anderes“ uns wiederum in sein Bett. War nett. Ein guter Fick, mehr aber auch nicht, wenn man davon absieht, dass ich seither ab und an in den Genuss des ein oder anderen Freigetränks komme. Genau wie jetzt auch.



Ich lasse meinen Blick wandern, sehe alles und nichts. Vor allem aber nichts, das mir sofort ins Auge springt, wenn man von Frodos hässlichem Cousin und einer jüngeren Ausgabe von Gargamel absieht, die neben mir gerade ziemlich hübsch sabbernd rum... na ja... ich würde ja „rumknutschen“ sagen, aber irgendwie sieht es mehr so aus, als würden die im Mund des jeweils anderen nach Öl bohren. Uärgs. Reichlich unappetitlich.

Aber der Abend ist ja noch jung.



Wieder lasse ich den Blick schweifen, der Beat geht mir ins Tanzbein, was hier ziemlich selten der Fall ist. Die wirklich guten DJs sind leider immer im Maria, im Berghain oder den ganzen anderen Hetenclubs zu finden. Dort, wo es vorrangig tatsächlich ums Tanzen geht. Tut's hier nicht, deshalb ist gute Musik im Glory zumeist leider Mangelware. Heute jedoch nicht.

Gut dosierter Bass und schwelgende Melodien wiegen mich. Exakt sechsunddreißig Takte pro Minute. Locker, flockig bewege ich mich mit geschlossenen Augen rhythmisch zum Beat, aber lange kann ich mich nicht zurück halten. Ich nippe noch einmal am Amaretto-Apfelsaft, drücke mich vom Rand der Bar ab und begebe mich auf die Tanzfläche; lasse mich treiben, folge den Bewegungen, die die Musik meinem Körper vorgibt.

Der nächste Track spielt langsam ein. Ich erkenne den Song sofort, genau wie mein Körper, der autonom seinen Bewegungsablauf ändert.



Mein Blick streift das DJ-Pult, das nur leidlich erhellt ist; nur Schemen und Schatten eines Mannes darstellt, den ich kaum mehr als erahnen kann.

Wer ist das? Bob? Nein, der Typ da oben ist schlanker. Smash vielleicht? Nein, kann auch nicht sein, der ist viel kleiner.

Ich kneife die Augen ein wenig zusammen, versuche zu fokussieren, durch das Dunkel sein Gesicht zu erkennen, was bei dem grottigen Licht absolut unmöglich ist. Dafür ist jetzt allerdings mein Interesse geweckt.

Ich kenne alle DJs die hier auflegen, aber er ist keiner von ihnen. Keiner hier spielt Techhouse. Zumindest bisher nicht. Er schon und seine Stil gefällt mir. Wer zur Hölle ist das?



Ich tanze geschmeidig zwischen den anderen hindurch. Hier und da streift mich eine Hand, ich höre meinen Namen von irgendwo her, einmal versucht sogar jemand nach mir zu greifen, aber ich schüttle ihn ratzfatz ab.

Mein Ziel ist weiter vorne, da, wo die Groupies ungelenk ekstatisch tanzen, offensichtlich schmachten, Augenzwinkern nach oben werfen.

Es sind immer die Gleichen, die hoffen, dass ein bisschen was von dem nicht vorhandenen Ruhm des DJs auf sie abfärbt. Auf dass auch sie sich ein wenig in ihrem unauffindbaren Licht sonnen dürfen. Peinliche, arme Tröpfe.



Es dauert nicht lange, bis ich mich schließlich im vorderen Drittel der Tanzfläche befinde. Ich drängle mich an einem dürren, langen Kerl in Lederkluft vorbei, der, freundlich ausgedrückt, sehr originell tanzt und dann seh' ich ihn, hinweg über den Dunst der Nebelmaschinen.

Das braune, leicht gewellte, bis weit über die Ohren reichende Haar umrandet, zusammen mit großen Kopfhörern und einem stylischen Hut, sein makellos geschnittenes Gesicht, schafft einen Rahmen für konzentrierte Augen, die die Plattenteller fokussieren; eine gerade Nase und verwegen lächelnde Lippen, die sich leicht zum Rhythmus der Musik bewegen.

Der Beat steuert seinen Höhepunkt an, gleich sind die sechsunddreißig Takte voll.

Kurz nur dauert es noch. Mein Körper wartet auf seinen Einsatz, zählt Takte mit und ich fiebere dem big bang entgegen, während sich die Musik höher schraubt. Höher und höher und dann... Bäääm. Glück ist, wenn der Bass einsetzt. Und das tut er. Mit voller Wucht schlägt er ein und mein Herz bewegt sich, tanzt, während ich innerlich tobe und äußerlich zum Beat abgehe.

Und so tanze ich, tanze die halbe Nacht lang, lasse mich mit geschlossenen Augen von Melodien und Rhythmen treiben.

Meine Bewegungen sind geschmeidig, ich gehe vollkommen aus mir raus; blende die Menschen um mich herum aus und lächle, weil die Musik mich glücklich macht.

Es scheint, als wäre nur ich noch hier. Ich und das Strobolicht und die Musik und natürlich der hübsche Mann hinter den Plattentellern.

Hin und wieder fällt mein Blick auf ihn, möglichst unauffällig, aber ich zweifle daran, dass es mir gelingt.

Aber es spielt sowieso keine Rolle. Seine Augen sind meistens ohnehin auf das Equipment gerichtet. Nur selten hat er seinen Blick schweifen lassen, während ich zu seiner Musik tanze, als gäb‘s kein Morgen mehr...



3. Mr. Gutaussehend

Es ist halb zwei Uhr morgens, als er abgelöst wird, sein Zeug zusammenpackt und kaum nimmt er die letzte Platte vom Teller, fällt schlagartig der Spaßfaktor. Graues Einerlei aus Asbach-Tracks und unsauberen Übergängen dringt nun statt geiler Musik aus den großen Boxen neben dem Pult. Es ist echt zum Heulen, während sich Mister Gutaussehend durch die feiernde Masse drückt.

Ich folge ihm mit einigem Abstand. Die Musik hat ohnehin deutlich an Qualität verloren und nach dem was der hübsche DJ vorgelegt hat, hab ich keinen Bock zu dieser grottenschlechten Musik zu tanzen, die jetzt aus den Boxen dröhnt. Also drängele ich mich durch das feierwütige Volk, das den Wechsel nicht einmal bemerkt hat.

Ich jedoch schon, allerdings hab' ich auch die ganze Zeit darauf gewartet und meine Chance ist gekommen, als das aktuelle Objekt meiner Begierde die Bar ansteuert, sich gegen einen der Hocker lehnt und nun doch endlich dazu durchringt, seinen Blick über die feiernde Menge gleiten zu lassen.



Seine Augen sind der Wahnsinn, auch wenn ich die Farbe nicht erkennen kann. So seltsam intensiv, obwohl er mich nicht mal ansieht. Die Nase ist grade, während ein Dreitagebart die Konturen von Kiefer und Wangen ziert und seine Lippen... Ein Traum!

Hier drinnen gibt es einige, wirklich schöne Männer. Klassische Schönheiten neben wohlgeformten, austrainierten Muskelpaketen. Obwohl er keine klassische Schönheit ist und er hier unten, weit weg von der Bühne, furchtbar weltfremd wirkt, sticht er dennoch irgendwie aus der Masse hervor. Ich meine, er ist ganz sicher nicht hässlich, ganz im Gegenteil. Er ist gutaussehend, ohne Frage. Dennoch wirkt er auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar, unnahbar. Deplatziert. Er gehört nicht in diese Welt, man sieht es ihm an, auch, wenn er da oben routiniert gerockt hat. Zwei Welten, so nah beieinander und doch so furchtbar weit entfernt, wie mir scheint.

Es ist seltsam... so viele Männer bewegen sich wie kleine Lichter in meinem Kosmos, der sich Glory nennt. Tanzen, grinsen lasziv, bewegen sich um mich herum. Aufreizend, dominant oder schüchtern. Doch bei ihm ist es seltsam.

Je länger ich ihn beobachte, desto mehr verwirrt er mich. Er ist irgendwie... anders.

Anders als die Anabolika und/oder Stroh-Typen.

Er ist irgendwie besonders, wie ein helles Licht zwischen den ganzen Gestalten um mich herum.

Anders als die anderen.

Er ist so... wirkt so.... Keine Ahnung.

Er fasziniert auf diese seltsame Weise! Zumindest mich.

Ich muss ihn kennen lernen! Also stoße ich mich von der Säule ab, von der aus ich ihn beobachte und gehe direkt auf ihn zu. Ich drücke den Rücken durch und straffe die Schultern. Kinn nach oben, Brust raus, eine Hand lässig in der Hosentasche. Geschmeidiger Gang, sexy Hüftschwung, keckes Lächeln. Dann fällt sein Blick tatsächlich endlich auf mich und lässt mein Herz hüpfen.

Seine Augen sehen in meine, als ich auf ihn zu trete. Sein Blick fokussiert mich, sein Mund öffnet sich leicht. Doch noch bevor ich ihn erreiche, dreht er sich um, richtet seinen Blick auf die Bar und hält nach Dennis Ausschau.

Er will spielen? Okay, kann er haben, aber eines ist klar: Du gehörst mir, Baby.



Ich stelle mich neben ihn, betont lässig, und strecke den Hintern ein wenig raus, als ich meine Unterarme auf der Bar abstütze, warte bis der Barkeeper zu uns herüber kommt. Sofort reicht er mir einen Drink.

„Sag mal Dennis...“, gebe ich mich in Geplänkel und spiele mit einer meiner Haarsträhnen. „Was meinst du, was hübsche, brünette DJs so trinken?“ Ich schreie es ihm über die Bar hinweg zu, die Musik ist ja immer noch recht laut, und ernte dafür ein verdutztes Gesicht. Dann grinst Dennis. Sein Blick huscht neben mich, der schöne Unbekannte hat meine Worte mit ziemlicher Sicherheit auch gehört und zuckt etwas zusammen.

„Mhm...“ sinniert Dennis, der seine Unterarme nun ebenfalls auf der Bar abgestützt hat und kratzt sich demonstrativ an seinem Bärtchen. „Ich glaube vorhin hatte er nur ein Wasser, wenn ich mich recht erinnere.“

Ein Wasser? Im Ernst jetzt?

„Ich glaube einen Cuba Libre könnte er besser vertragen, oder? Das löst die Probleme mit der falschen Schüchternheit.“ Ich zwinkere Dennis zu, grinse und werfe einen Seitenblick zu dem Mann neben mir, der... oh, gar nicht gut anzukommen scheint.

Mr. Gutaussehend steht nämlich mit verschränkten Armen da und guckt ziemlich finster aus der Wäsche. Noch immer ist sein Blick auf Dennis gerichtet, der gerade nach einem Glas greifen will.

„Ein Wasser, bitte“, schreit er ihm über die Musik hinweg überdeutlich entgegen und dreht mir dann, auf dem Hocker sitzend, den Rücken zu.

Okaaaay...

Dennis wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich nicke leicht und lege ihm etwas irritiert einen Zehner hin, ehe ich meinen DJ umrunde, mich demonstrativ vor ihn stelle und schief grinse. Ich lehne mich zu ihm und lege dabei, natürlich ganz aus Versehen, meine Hand auf sein Knie.

„Hi, ich bin...“

„Nicht interessiert, danke“, brummt er abwehrend und wischt meine Hand von seinem Bein. Ich kann nicht anders, als ihn ein bisschen perplex anzustarren.

Bitte was? Ich bin doch süß und klein und niedlich! Ich bin noch nie abgeblitzt! Daher lasse ich auch nicht locker, als er sich wieder Richtung Bar dreht und nach seinem Wasser greift.

„Das ist meins“, stelle ich trocken fest, lächle freundlich, als er mit gehobener Braue zu mir rüber sieht. „Ja, das ist meins! Ich habe es bezahlt und da du ja willst, dass ich dich in Ruhe lasse...“ Ich zucke mit den Schultern und grinse wieder. Er verdreht nur die Augen und nippt an der klaren Flüssigkeit. Bläschen sprudeln, kitzeln seine verführerischen, feucht schimmernden Lippen. Ob er wohl ein guter Küsser ist? Seltsam, über so was mache ich mir sonst nie Gedanken.

„Okay“, beschließe ich nicht locker zu lassen. „Da du mir schon mein Wasser weg säufst, bist du mir ja jetzt ganz offenbar was schuldig. Mhm... wie wäre es mit einem Tänzchen?“ Immer näher bin ich ihm bei den Worten auf die Pelle gerückt. So nahe, dass ich den Duft seiner Haut wahrnehmen kann. Er trägt kein Parfum, glaube ich, riecht nur nach sich selbst und frischem Schweiß, der mich zu locken scheint. Eine seiner Haarsträhnen kitzelt meine Wange, meine Lippen berühren beinahe sein Ohrläppchen, ein sachter, kleiner Hauch nur. Er zuckt kurz darunter zusammen, während ich ihm meinen Vorschlag gurrend unterbreite, doch das war offenbar ein Fehler. Sein Blick kann nämlich ziemlich böse werden.

Bisher wirkte er nur genervt, jetzt scheint er ernstlich sauer zu sein, so wie er guckt und das bestätigt er mir auch sofort.

„Sag mal, was an NICHT INTERESSIERT raffst du nicht, hä?“, brüllt er mich an und knallt sein Glas auf die Theke. Wasser schwappt über, während ich mit geweiteten Augen vor ihm stehe. Er funkelt mich ziemlich wütend an und ich bin ernsthaft... sprachlos. „Bist du echt so dämlich, dass du es nicht blickst, dass ich keinen Bock auf dich und deinen kleinen Arsch habe? Denkt ihr notgeilen Idioten eigentlich auch jemals daran, dass es mehr gibt, als stupides Rumgeficke?“

Ich kann nichts weiter tun, als ihn stumm und mit weit aufgerissenen Augen anzusehen. Das ist... war... also...

Ich starre ihn an, sekundenlang. Mir kommt es jedoch wie Stunden vor, dass ich in seine blitzenden Augen sehe, die zwischen meinen hin und her huschen. Hilflos gefangen in dem Strudel aus Wut, der darin tobt, bis er mit einem Augenrollen aufspringt, seinen Plattenkoffer schnappt und in Richtung Ausgang stürmt.

Ich sehe ihm nach. Mein Blick folgt ihm durch die tanzenden Körper hindurch, an denen er sich wenig rücksichtsvoll vorbei drängelt, solange, bis er von der Masse verschluckt wird.



Es dauert eine Weile, bis ich mich gefangen habe und mit den Schultern zucke.

Ich nehme einen kräftigen Zug von meinem Drink, lasse mich auf dem Stuhl nieder, auf dem der schöne Fremde noch vor kurzem gesessen hat und sehe mich um. Der Hocker ist noch ganz warm. Ich seufze.

Die Auswahl heute ist wirklich nicht berauschend, stelle ich zum zweiten Mal fest. Überhaupt ist die Top-Quote inzwischen ziemlich gering. Mager, um genau zu sein.

Ich kenne sie alle. Bekannte Gesichter. Mit nem Großteil war ich schon im Bett, weiß, wer von ihnen brauchbar ist und wer nur denkt, er sei es.

Ich seufze ein weiteres Mal, als mein Blick an der Bar entlang wandert und ich ein paar fremde Augen entdecke, die auf mir ruhen.

Ein Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht, als sich unsere Blicke kreuzen und ich kann nicht anders, als dreckig zu grinsen.

Keine Ahnung wer er ist, ich hab ihn hier noch nie zuvor gesehen, aber das spielt keine Rolle. Ich stehe auf, gehe an ihm vorbei und werfe ein eindeutiges Nicken in Richtung Darkroom. Er folgt mir.



4. Nachtgedanken

Es ist kurz nach halb vier, als ich den Club verlasse. Kühle Nachtluft schlägt mir entgegen, weht über mein Gesicht, weckt langsam ermüdende Lebensgeister und die vom Rausch des Orgasmus‘ noch leicht benebelte Sinne. Ein paar Seelen, die sich für eine gemeinsame Nacht zusammenschließen, stehen noch vor dem grauen Betonbau, während mich meine Füße, weg von den immer mehr verblassenden Beats, die nur noch sporadisch beleuchtete Straße hinab in Richtung S-Bahnhof tragen.



Knapp eine halbe Stunde später liege ich in meinem Bett.

Eigentlich bin ich total fertig. Ich hab heute verhältnismäßig viel getanzt und meine Füße und Waden tun mir ganz schön weh, obwohl ich vom täglichen Stehen eigentlich so Einiges gewohnt bin. Der Fick hat sein Übriges getan. War schon recht nett mit dem Kerl, aber irgendwie will es mit dem Einschlafen trotzdem nicht so ganz klappen. Meine Gedanken hängen noch immer an dem schönen Fremden und dem Korb, den ich kassiert habe.

Ich habe noch nie einen Korb kassiert!

Das Schlimme ist, bei den meisten Idioten wäre es mir wohl egal. Es gibt viele wie sie. Sie alle sind austauschbar, was meine Zwecke betrifft. Aber er....

Er hatte etwas... keine Ahnung. Worte wie >geheimnisvoll< fallen mir ein, aber die klingen irgendwie abgedroschen und ziemlich dämlich.

Ich seufze.

Dennoch...

Sie alle in den Clubs sind ersetzbar. Reversibel, einfach, nichts Besonderes. Geistige Planschbecken, wenn man so will, denen es an Tiefgang mangelt. Weshalb sonst sind sie wohl auf der Suche nach schnellem Sex? Warum wohl sind sie sonst noch auf dem freien Markt zu haben?

Nacht für Nacht strömen sie in die Clubs und Bars. Suchen nach dem Richtigen, wie die Nadel in einem Haufen voll Heu und hoffen, dass sie ihn dort finden. Den Einen, der ihre Welt zum Beben bringt! Doch meistens ist es eben doch nur ihr Bett.

Und überhaupt, wie wahrscheinlich ist das schon? Zwischen schwitzenden Körpern, Gestöhne in dunklen Räumen, Strobolicht und dem lauten Gerumse von Bass?

Selbst Frodos hässlicher Cousin und der junge Gargamel scheinen da mehr Tiefgang zu besitzen. Die haben sich ganz sicher nicht im Club gefunden. Die haben‘s richtig gemacht. Besser als die meisten Aufreißer-Sahneschnitten im Glory, mit dem Hirn voll Stroh und Anabolika in den Venen.



Und wenn ich ehrlich bin, bei mir sieht‘s da nicht anders aus. Und nein, ich meine nicht die Anabolika und auch mein Tiefgang hat nicht wirklich etwas mit einem Planschbecken gemein. Dass ich Scheiße aussehe, kann man auch wirklich nicht behaupten, aber woran liegt es dann?

Will ich nur einfach nicht? Oder hat meine Gefühlswelt nen Schuss weg? Vielleicht wartet mein Herz wirklich nur auf seinen Prinzen mit dem weißen Gaul? Keine Ahnung woran es liegt.

Ich liebe meine Schwester, meine Eltern und auch Nico. Der Schwachkopf ist nicht umsonst mein bester Freund. Zumindest, wenn er nicht gerade versucht, mich an irgendwelche Idioten zu verschachern. Selbst Luca hab ich gern. Mein Herz funktioniert also einwandfrei. Ich bin demnach kein Gefühlskrüppel.

Aber richtige Liebe... mit Herzklopfen und Schmetterlingen, die ihre Kreise in meinen Eingeweiden drehen und so... Nein. Hatte ich noch nie.

Aber wer braucht das auch schon... Liebe geht meist mit Herzschmerz einher. Hab ich oft genug gesehen. Da wär ich echt bescheuert, mir das freiwillig anzutun. Außerdem tun Verliebte immer echt bescheuerte Dinge, so dass man meinen könnte, die Hormone würden im Hirn irgendwelche wichtigen Verbindungen kurzschließen. Ich kam bisher auch immer bestens alleine klar. Wieso sollte ich daran plötzlich etwas ändern wollen?

Wegen Nicos Geschwätz? Wegen der Abfuhr eines Typen, der alles, nichts und doch irgendwie besonders war?

Nein danke. Ich verzichte.



5. Das Peek & Cloppenburg-Jeansdilemma

Die Woche läuft wie gewohnt.

Ich habe Stress, Stress und Stress. Ach ja, habe ich den Stress schon erwähnt? Nein? Also: Ich habe Stress! Alles wie immer also, doch momentan bin ich ausnahmsweise froh darüber.

Auf der Arbeit läuft es wie gewohnt, die Kunden stehen wie immer Schlange, um einen der begehrten Termine bei mir zu ergattern. Überstunden werden geschrubbt.

Ich färbe, schneide, wickle und frisiere im Akkord. Bis siebzehn Uhr geht das so, ehe es ohne Umweg weiter ins Studio geht. Mein Körper kommt leider auch nicht von ungefähr, also strample und stemme ich anderthalb Stunden vor mich hin, eh ich mich noch mit irgendwem zum Essen treffe.

Es ist selten, dass ich mal selbst koche.

Man sollte annehmen ein schwuler Mann, vor allem einer wie ich es bin, müsste so etwas können, aber weit gefehlt. Nein, ich kann es nicht. Im Kochen bin ich eine absolute Niete. Mir brennt sogar Wasser an und das soll mir erstmal einer nachmachen.

An den wenigen Tagen zwischendrin, an denen ich mal nichts für meinen Körper tue, verbringe ich meine Zeit zumeist mit shoppen. Womit ich ja in gewisser Weise auch was für meinen Körper tue. Immerhin muss der gekonnt in Szene gesetzt werden.

Aktuell befinde ich mich deshalb auch in einer Umkleidekabine von Peek & Cloppenburg und probiere verschiedene Jeans an.

Ich liebe Jeans, doch sie lieben mich nicht. Dabei habe ich ihnen doch gar nichts getan.

Na ja,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Schännieh Dunkelstrauch
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 13.05.2015
ISBN: 978-3-7368-9465-5

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