One Night Stand - Gemüsediebe
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
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Text: Sissi Kaipurgay
Foto von shutterstock
Covergestaltung: Lars Rogmann
Korrektur: Aschure
Gabriel hat sich mit seinem Leben in einem Provinznest abgefunden. Für Spaß sucht er die nächste größere Stadt auf und ansonsten ist er eben der Dorfschwule. Eine Art Vorzeigeschwuchtel, die jedoch weitgehend in Ruhe gelassen wird. In dem Schrebergarten, den ihm sein Großvater vererbt hat, findet er zu seiner inneren Mitte, insbesondere dank der Tomatenzucht. Als genau diese in den Fokus eines Diebes gerät, wird er zum Tier.
~ * ~
Der August in diesem Jahr war komplett verregnet. Gabriel hockte auf der überdachten Veranda seiner Laube und sah missmutig der Regentonne beim Überlaufen zu. Ein Glück, dass sich seine Tomatenzucht im Gewächshaus befand, trotzdem brauchten die Früchte Sonnenschein, um zu reifen. Wenn es mit dem Wetter so weiterging, müsste er über künstliches Licht nachdenken. Noch hoffte er auf die zweite Augusthälfte und sah von derart verzweifelten Maßnahmen ab.
Der Schrebergarten, den Gabriel von seinen Großeltern geerbt hatte, war etwa 400 qm groß. Die Fläche reichte nicht aus, um richtigen Ackerbau zu betreiben, aber das wollte Gabriel auch gar nicht. Ihm genügten die Tomaten, ein paar Kräuter und gelegentlich experimentierte er mit Radieschen, Karotten oder Salat. Jedes Wochenende verbrachte er seit drei Jahren in dem Gärtchen, das an drei Seiten von hohen Hecken umgeben war. Nur zum Weg hin hielt er die grüne Einzäunung niedriger, eine Auflage des Kleingartenvereins.
Die Grundstücke links und rechts von seinem gehörten alten Leuten und wurden nur selten bewirtschaftet. Bisher hatte er die Eigentümer nur ein paar Mal gesehen, dabei war es bei einem freundlichen Gruß geblieben. Gabriel legte keinen Wert auf irgendwelche Bekanntschaften in der Kolonie. Er galt als Eigenbrötler und war mit den paar Kontakten, die er pflegte, überaus zufrieden. Dazu zählten einige Callboys in der nächstgrößeren Stadt und drei ehemalige Schulkameraden, die ihn nicht wegen seines Schwulseins verurteilten. Bleckede war eben ein Provinznest, in dem sich kaum etwas verheimlichen ließ.
Gabriel war hier aufgewachsen und hatte sich noch zu Schulzeiten geoutet. Damals gab es die üblichen Hänseleien, von tätlichen Übergriffen blieb er jedoch größtenteils verschont. Seine Eltern waren natürlich nicht begeistert und als sein Vater einen Job in Hamburg angeboten bekam, schoben sie ihn kurzerhand zum Großvater ab. Opa Hinrich war ein liberaler Mann, der mit Gabriels sexueller Ausrichtung kein Problem hatte. Er nahm seinen Enkel gern auf und versuchte ihm die Liebe zum Schrebern zu vermitteln, was bis zu seinem Tode wenig Erfolg zeigte. Gabriel war damals gerade 17 geworden, hatte Hummeln im Hintern und war ständig unterwegs. Er musste sich über lange Zeit die Hörner abstoßen, bevor er langsam zur Ruhe kommen konnte. Darüber war er 37 geworden und sein Großvater gestorben.
Inzwischen hatte er seinen 40ten Geburtstag gefeiert. Nur noch selten fuhr er in die Stadt, machte es sich stattdessen lieber im Schrebergarten gemütlich. Es gab immer etwas zu tun und er liebte die Ruhe, die Natur und die nahegelegene Elbe. Wenn er nicht gerade Gartenarbeit verrichtete, unternahm er Spaziergänge zum Fluss, an dem sogar winzige Sandstrände zu finden waren.
Die Wolkendecke brach auf und ein Sonnenstrahl ließ die herabfallenden Tropfen glitzern. Nach einer Weile wurde der Regen schwächer, bis er schließlich ganz aufhörte. Ein Regenbogen spann sich über den Himmel, schillerte in den schönsten Farben und fesselte Gabriels Aufmerksamkeit für einige Augenblicke. Seine Laune besserte sich ein wenig. Er ging in die Laube, die aus einem Raum mit Küchenzeile, einer Schlafkammer und einer winzigen Nasszelle mit Toilette bestand. Nach Opa Hinrichs Tod hatte er alles komplett renovieren lassen, so dass die Einrichtung auf dem neuesten Stand der Technik war. Es gab Strom, fließendes Wasser und sogar einen kleinen Pelletofen.
Gabriels Magen knurrte. Er hatte seit dem Frühstück nichts gegessen und konnte nun irgendetwas Warmes vertragen. Während ein Teller Ravioli in der Mikrowelle warm wurde, sah er durchs Fenster in den Garten. Bei solchem Wetter wirkte die ganze Anlage wie ausgestorben. Normalerweise kamen häufig Spaziergänger vorbei, doch heute hatte er erst einen mit Regenschirm gesehen. Zumeist handelte es sich um Hundehalter, die trotz des Scheißwetters raus mussten.
Ein Hund. Schon oft hatte Gabriel über die Anschaffung eines Haustieres nachgedacht. Bisher schreckte ihn die Verantwortung ab. Wer sollte tagsüber nach dem Tier sehen, wenn er seiner Arbeit nachging? Die Mikrowelle piepste. Gabriel nahm den Teller mit hinaus auf die Veranda und verspeiste die gefüllten Nudeln dort. Mittlerweile hatte sich der Sonnenschein durchgesetzt, Dampf stieg vom nassen Rasen auf. Nach dem Essen würde er einen Spaziergang unternehmen und für den Abend war ein Ausflug nach Lüneburg geplant. Gabriel musste endlich mal wieder Druck ablassen. Sein letzter Sex lag einen Monat zurück, jedenfalls der mit einem Mann. Er wurde langsam alt. Früher hatte er jede Woche mehrfach herumgevögelt, doch inzwischen fehlte ihm dazu der Elan. Das wäre natürlich anders, wenn es vor Ort jemand gäbe, aber der existierte nun mal nicht.
Das schöne Wetter hielt die ganze Woche an. Wenn Gabriel nach Feierabend nach seinen Tomaten sah, um sie zu gießen, konnte er deutliche Fortschritte im Reifungsprozess feststellen. Mit etwas Glück würden einige Früchte bis zum Wochenende bereits erntereif sein. Am Donnerstag zählte er acht Tomaten, deren Farbe von hell- zu dunkelrot gewechselt hatte. Er gab ihnen noch eine Schonfrist, damit sich das Aroma voll entfalten konnte, ließ sie hängen und radelte gut gelaunt nach Hause.
Voller Vorfreude fuhr er am Freitagabend zum Schrebergarten. Auf dem Heimweg hatte er bereits die nötigen Zutaten für einen Salat besorgt und gedachte, diesen mit frischem Weißbrot und einem Glas Rotwein zu genießen. Fröhlich pfeifend stellte er sein Fahrrad hinter dem Gartentor ab, brachte die Einkäufe in die Laube und ging anschließend ins Gewächshaus. Ihm blieb fassungslos der Mund offenstehen, als er das Fehlen der reifen Tomaten bemerkte. Nur zwei der vormals acht prallen roten Früchte hatte der Dieb zurückgelassen. Wer – bitteschön! – stahl Tomaten?
Gabriel untersuchte das Glashaus auf Spuren hin, konnte aber nichts Verdächtiges finden. Der Boden vor dem Haus war so trocken, dass keinerlei Schuhabdrücke zu entdecken waren. Doch selbst wenn er welche gefunden hätte, was nützte ihm das? Er konnte ja schlecht jeden Spaziergänger, der hier vorbeikam, bitten, seine Sohlen vorzuzeigen. Argwöhnisch sah er zum Weg. Gerade lief ein älterer Herr mit einem Dackel vorbei, nickte ihm freundlich zu und verschwand hinter der nächsten Wegbiegung. Er kannte den Mann vom Sehen, wie so viele andere Hundebesitzer.
Verärgert pflückte Gabriel die beiden reifen Tomaten. Der Abend war ihm vergällt und er überlegte, ob er eine Dosensuppe statt des Salats essen sollte. Schließlich schnitt er die Früchte doch auf und verspeiste sie, wie geplant, mit frischem Baguette und Schafskäse. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel, was ihn etwas aufmunterte. Dennoch, der Diebstahl wog schwer und beschäftigte ihn die ganze Zeit. Sollte er die Sache persönlich nehmen? Wollte ihm jemand absichtlich die Laune verderben? Es gab viele im Ort, die der Schwuchtel nicht gerade positiv gegenüberstanden, aber niemand wusste von seiner Tomatenleidenschaft. Außerdem würden diese Leute eher sein Gewächshaus zerstören, als die reifen Früchte klauen.
Bis zum Sonntag waren weitere Tomaten herangereift, so dass Gabriel endlich den ersehnten Salat zubereiten konnte. Während der Saison ernährte er sich fast ausschließlich von den süßen, aromatischen Früchten. Das Zeug, das es im Supermarkt zu kaufen gab, schmeckte einfach nicht, daher genoss er diese Zeit besonders. Ein wenig ausgesöhnt mit der Welt, radelte er an diesem Abend nach Hause.
Am Dienstag erwartete ihn der nächste Schock. Gabriel war absolut sicher, dass am Vortag zehn nahezu reife Tomaten an den Sträuchern gehangen hatten, nun waren es nur noch fünf. Grimmig suchte er erneut nach Spuren, jedoch erfolglos. Während er die verbliebenen Früchte zu Schwarzbrot aus biologisch unbedenklichem Korn verspeiste, sann er über eine Falle nach, um den fiesen Täter dingfest zu machen. Ihm fiel nichts Besseres ein, als ein simpler Stolperdraht.
Normalerweise schlief Gabriel unter der Woche in seiner Wohnung. Das war bequemer, als morgens erst mit dem Fahrrad heim und danach mit dem Auto in den Nachbarort, wo seine Arbeitsstelle lag, zu fahren. Nur wenn er die Sonnenstrahlen bis zur Neige auskosten wollte, stellte er seinen Wagen auf dem Parkplatz der Kolonie ab und übernachtete in der Laube. Am nächsten Tag war jedoch der Tomatendieb der Grund dafür, dass er mit dem Auto zum Schrebergarten fuhr.
Gabriel vermutete, dass der Täter in den frühen Morgenstunden zuschlug. Er hoffte das eher gesagt, denn wenn nicht, hatte er keine Chance ihn auf frischer Tat zu ertappen. Um acht musste er im Büro sein und Urlaubsanspruch besaß er keinen mehr, bis auf die paar Tage, die zwangsweise nach Weihnachten zu nehmen waren.
Er war ein Anhänger von hüllenlosen Sonnenbädern. Hinter dem Gewächshaus war er vor fremden Blicken von allen Seiten geschützt, so dass er ohne Bedenken nackt dort herumliegen konnte. Bis um acht genoss Gabriel im Garten das schöne Wetter, dann wurde es langsam unangenehm kühl, jedenfalls für FKK. Er schlüpfte in Shorts und T-Shirt, holte dicken Blumendraht aus der Werkzeugkiste und befestigte ihn auf halber Unterschenkelhöhe im Türrahmen des Gewächshauses. Wenn man nicht genau hinsah, war er kaum zu erkennen. Befriedigt schloss Gabriel die Tür, legte den Rest Draht zurück zum Werkzeug und machte es sich auf der Veranda mit einem Buch gemütlich.
Als er an diesem Abend in die Schlafkoje kroch, spürte er angespannte Erwartung und konnte lange nicht zur Ruhe kommen. Hoffentlich war der Dieb nicht der alte Herr. Einen Sturz würde der Mann wohl kaum unbeschadet überstehen und Gabriel war nicht scharf auf eine Leiche zwischen seinen Tomaten. Irgendwann, nachdem er sich mehrfach hin und her gewälzt hatte, schlief er endlich ein.
Im Morgengrauen riss ihn ein lautes Geräusch aus dem Schlaf. Mit einem Satz sprang Gabriel aus dem Bett und stürmte auf die Veranda. Hundegekläff empfing ihn. Wie wildgeworden hüpfte ein großer Setter vor dem Gewächshaus herum. Gabriel traute sich nur vorsichtig näher, da ihm der Hund ziemlichen Respekt einflößte. Als erstes gerieten lange Beine in sein Blickfeld, dann der Rest. Der Dieb lag auf der Seite und Gabriel erkannte in ihm einen der Hundehalter, die regelmäßig am Grundstück vorbeiliefen. Offenbar hatte er sich verletzt, denn sein Gesicht war schmerzverzerrt und er rieb sich den rechten Arm.
„Können Sie mal den Hund ruhigstellen?“, fuhr er den Kerl an.
„Wuschel! Mach Platz“, krächzte der Typ. Sofort kehrte Ruhe ein und der Hund setzte sich hin. Schuldbewusst guckte der Dieb Gabriel an. „Tut mir leid, das mit den Tomaten.“
„Ich sollte die Polizei rufen. Hausfriedensbruch und Diebstahl.“ Gabriel stemmte die Hände in die Seiten.
„Bitte nicht!“ Der Mann richtete sich zum Sitzen auf. „Ich bezahle auch für die Tomaten.“
„Ach? Ich verkaufe mein Gemüse aber nicht.“
„Mensch, Gabriel. Sei nicht so. Die roten Dinger haben mich regelrecht angelacht. Ich konnte einfach nicht widerstehen.“ Der Typ setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
Gabriel? Woher wusste der Kerl seinen Namen? Anscheinend stand ihm das Fragezeichen auf die Stirn geschrieben, denn der Mann erklärte: „Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich bin Matthew aus der Parallelklasse.“
Gabriel runzelte die Stirn. Braune Haare und Augen, eine markante Nase. Der Mann besaß einen ausgeprägten Brustkorb und lange Beine. Bei ihm klingelte nichts bei dem Namen. „Und wieso erkennst du mich, ich dich aber nicht?“
„Na ja, du weißt doch selbst, was die Leute so reden. Du bist hier bekannt wie ein bunter Hund.“ Matthew zuckte die Achseln.
„Na klasse.“ Gabriel seufzte. „Okay. Ich lass dich laufen. Aber wehe du klaust mir noch einmal Tomaten, dann verarbeite ich dich zu Hackfleisch.“
Die Drohung flößte dem Dieb offensichtlich gar keine Angst ein, denn der Typ feixte. Das wunderte ihn nicht sonderlich, da es wohl eher er selbst war, der bei einer körperlichen Auseinandersetzung Blessuren davontragen würde. Gabriel war kleiner und schmaler als Matthew, besaß dafür aber eine große Klappe. Da der Tomatendieb gerade Anstalten machte aufzustehen, sollte er wohl mal besser den Draht entfernen, bevor der Typ ein zweites Mal hinknallte. Immer noch regte sich in Gabriels Kopf keine Erinnerung an einen Matthew. Er würde heute Abend in den alten Fotos wühlen und nachschauen, ob dann bei ihm der Groschen fiel.
„Warte. Ich mach mal den Draht ab.“ Er holte die Werkzeugkiste aus der Laube, kramte eine Zange hervor, beugte sich vor und kniff den Stolperdraht durch. Damit sich niemand an den spitzen Enden verletzen konnte, rollte er sie ein und bog sie nach unten. Anschließend warf er das Werkzeug zurück und richtete sich wieder auf. „Wie spät ist es eigentlich?“
Beim Aufstehen hatte er keine Zeit gehabt, einen Blick auf den Wecker zu werfen. Der Helligkeit nach dürfte es ungefähr halb sieben sein.
„Viertel nach sechs“, murmelte Matthew, der immer noch seinen Ellbogen rieb und dabei ganz eindeutig in Gabriels Schritt glotzte.
Verwirrt sah er an sich runter. Verflixt! Da hatte sich doch seine Schwanzspitze durch das Hosenbein nach draußen gemogelt. Beim Schlafen trug Gabriel meist alte Shorts, die etwas ausgeleiert waren. Verlegen zupfte er an dem Stoff, der durch die Aktion von eben verrutscht sein musste. „Also: Lass die Finger von meinen Tomaten“, erinnerte er Matthew, nahm den Werkzeugkasten hoch und ging auf die Laube zu.
„Wünsche dir auch einen schönen Tag“, rief der Idiot ihm hinterher.
Was bildete der Typ sich eigentlich ein? Klaute seine Tomaten und verlangte hinterher noch Manieren. „Holzkopf“, brummelte Gabriel, nur für seine Ohren bestimmt, warf die Tür hinter sich zu und stellte den Kasten ab. Durch das Fenster über der Arbeitsfläche sah er zu, wie Matthew zum Gartentor humpelte, gefolgt von dem Hund. Das war wohl so eine Art Setter. Goldbraunes Fell, lange Ohren und ziemlich groß. Ein bisschen schlechtes Gewissen regte sich, da Matthew ganz schön angeschlagen wirkte, wie er so den Weg lang stakste. Ach, der Kerl hatte selbst Schuld. Niemand durfte ungestraft Gemüse klauen, schon gar nicht seines. Gabriel wandte sich ab und ging aufs Klo.
Abends kramte er die Kiste mit alten Fotos hervor und nahm sie mit in den Garten. Nachdem er die Tomaten gegossen und einige gepflückt hatte, begann er schon beim Essen in den Bildern zu wühlen. Erinnerungen kamen hoch. Viele der Aufnahmen hatte sein Vater gemacht. Was für ein hübscher kleiner Junge er doch gewesen war. Die braunen Locken trug er meist zu lang, die blauen Augen wirkten riesengroß in seinem schmalen Gesicht. Von dem jugendlichen Gabriel gab es weit weniger Fotos, als von dem Kleinkind. Bilder einer Schulveranstaltung fielen ihm in die Hände. Damals mussten sie ein Theaterstück aufführen und er hatte, trotz fehlender Begabung, den Clown spielen dürfen. Lächelnd wollte er das Foto schon weglegen, als ihm ein ernster Junge ins Auge stach. Er stand hinter ihm, trug kurze Hosen und ein weißes Hemd. Die Beine wirkten so dünn wie Streichhölzer. Konnte das Matthew sein?
Gabriel überlegte fieberhaft. Bei dem Stück hatte es sich um irgendetwas Modernes gehandelt. Das Kerlchen mit den kurzen Hosen … welche Rolle sollte das sein? Konzentriert kniff er die Augen zusammen, rieb sich die Nasenwurzel und kam einfach nicht drauf. Mein Gott, das war immerhin fast dreißig Jahre her. Niemand konnte sich nach so langer Zeit an derartigen Kleinkram erinnern.
Gabriel stopfte sich eine Tomatenspalte in den Mund und kramte kauend weiter. Fotos von Klassenreisen. Die meisten Pappnasen, mit denen er abgebildet war, redeten heutzutage nicht mehr mit ihm. Ein Bild von seiner Mutter und ihm. Das war, bevor er mit seinem Outing herausplatzte. Opa Hinrich im Garten. Er hielt im Kauen kurz inne, strich zärtlich mit dem Daumen über das Foto und seufzte innerlich. Manchmal vermisste er den alten Kauz. Das nächste Foto zeigte ihn und einige Mitschüler auf einer Schulparty. Sie grinsten in die Kamera wie Honigkuchenpferde. Links von ihm stand Mark, rechts Holger und die anderen fielen ihm gerade nicht ein. Mit den beiden hatte er heute noch Kontakt. Vielleicht sollte er sie fragen, ob sie Matthew kannten.
Was, zum Henker, tat er hier überhaupt? Was interessierte ihn ein Typ, nur weil er Tomaten stahl? Sicher, der Kerl war attraktiv, aber das war’s auch schon. Trotz seiner Verärgerung war ihm das heute Morgen schon aufgefallen. Na ja, man müsste schon blind sein, um es nicht zu bemerken. Braune Augen, so dunkel wie Kaffeelikör. Dazu strubbelige Haare und hohe Wangenknochen. Gabriel schnappte sich eine weitere Tomatenspalte und schob sie in den Mund.
Nur noch wenige Fotos lagen in der Kiste. Mann! Diese Sache mit Matthew juckte in seinem Kopf, war ein weißer Fleck, an dem die Erinnerung fehlte. Wie mochten sich Menschen mit Amnesie erst fühlen, wenn ihn schon dieses winzige abhandengekommene Stückchen total kribbelig machte? Er holte die restlichen Bilder hervor und sah sie schnell durch. Beim Vorletzten stockte er. Die Abschlussparty nach der 10ten Klasse. Wieder er, Holger und Mark und daneben … War das Matthew? Sie grinsten alle betrunken. Gott! Was hatten sie gesoffen und er hinterher gekotzt. Opa Hinrich musste ihn damals von der Schule abholen und er die erste und einzige Standpauke über sich ergehen lassen. Hm. Dieser junge Mann dort, der ähnelte Matthew schon ziemlich. Gabriel schloss die Augen und versuchte sich zu dem Abend zurückzudenken.
Holger hatte eine Flasche Wodka auf die Party geschmuggelt, Mark eine Pulle Korn. Opa Hinrich trank nicht, daher konnte Gabriel nichts beisteuern. Er war erst 17 und durfte noch keinen Alkohol kaufen. Sie hatten die Flaschen auf dem Klo im Spülkasten gebunkert und sich in Abständen dort getroffen, um ein paar Schlucke zu nehmen.
„Nicht so viel“, meinte Holger lachend und versuchte, ihm den Wodka wegzunehmen.
Gabriel gab schließlich nach und reichte ihm die Flasche. Zu dem Zeitpunkt war er schon mehr als angeheitert, das erste Mal in seinem Leben, deshalb erinnerte er das noch genau. Seine Zunge fühlte sich schwer an, die Worte kamen immer schwammiger aus ihm raus. Er torkelte rückwärts, rammte gegen die Kabinentür und das Ding gab nach. Die Riegel waren schon lange ausgeleiert. Nun hatte er auch klar die beschmierten Wände vor Augen. ‚Anna hat einen dicken Busen‘, stand da und: ‚Jenny, ich will dich ficken‘. Eben Zeug, das hormongesteuerte Jungs glaubten der Welt mitteilen zu müssen. Zurück zur Tür: Sie gab nach und er stolperte in den Vorraum. Jemand fing ihn ab, sonst wäre er wohl gegen die Fliesen geknallt.
„Ach du Scheiße. Der Streber“, stieß Holger mit aufgerissenen Augen hervor.
Streber? Wie in Zeitlupe drehte Gabriel sich um. Der Typ, der ihn gerade mit seinem Körper vor einem harten Aufprall bewahrt hatte, war …
Das war Matthew gewesen! Deutlich, wie bei einem Standfoto, sah er die dunklen Augen, das Lächeln und die schmalen Wangen vor sich. Wie hatte er diesen Moment nur vergessen können? Er erinnerte sich an den Rausch, die Klowand-Schmierereien und viele Details, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Holger und Mark gaben Matt etwas von dem Alkohol ab, als Schweigegeld, meinten sie. Danach waren sie noch ein paar Mal zu viert auf dem Klo verschwunden, bis bei ihm der Filmriss einsetzte. Er wusste noch, dass seine Freunde Matt hinter dessen Rücken als Klette betitelt hatten, was er damals nicht besonders nett fand.
Puh! Erleichtert sackte Gabriel gegen die Stuhllehne. Der weiße Fleck in seinem Gehirn schrumpfte immer mehr. Dunkle Augen, die ihn ständig auf dem Schulhof verfolgten. Damals hatte er angenommen, dass Matt ihn wegen seines Schwulseins anstarrte, wie so viele andere auch. Er ignorierte das, soweit es ihm möglich war. Einige Deppen konnte er zwar nicht ausblenden, weil sie sich lautstark in den Vordergrund drängten und ihn offen beschimpften, aber Typen wie Matt waren leicht zu übersehen. Das hatte sich nun deutlich verändert. Der Matthew von heute besaß Präsenz und ließ sich nicht so einfach aus seinem Bewusstsein verdrängen.
Er sammelte die Fotos ein und warf sie zurück in die Kiste. War der Diebstahl ein verspäteter Versuch, ihn für seine sexuelle Ausrichtung zu strafen? Wenn ja, wirkte er eher niedlich, denn bedrohlich. Gabriel schloss mit dem Thema Matthew ab. Er hatte genug über den Kerl nachgedacht und war sicher, dass der zukünftig eine andere Route für seine Spaziergänge wählen würde. Wer kehrte schon gern an den Ort seiner Niederlage zurück?
Der verdammte Draht hatte sich in den Jeansstoff gebissen und ihm an beiden Unterschenkeln rote Striemen verpasst. Nur gut, dass er nicht in kurzer Hose losgelaufen war, sonst wäre das ziemlich übel ausgegangen. Matthew seufzte, inspizierte die Schürfwunden an Ellbogen und Handballen und befand sie für harmlos, dabei aber ziemlich schmerzhaft. Langsam ließ er sich auf den Klodeckel sinken und starrte seine nackten Zehen an. Wieso musste er auch dem dämlichen Drang nachgeben und auf das verlockende Rot der Tomaten mit Diebstahl reagieren?
Er hielt die Sache weiterhin für einen Kavaliersdelikt, wie die Äpfel aus Nachbars Garten. Oft hatte er früher Obst aus fremden Gärten gestohlen, war mehrfach dabei ertappt worden und jedes Mal mit einer Gardinenpredigt davongekommen. Dass ausgerechnet Gabriel, der absolut harmlos wirkende Gabriel, ihm eine so fiese Falle stellte, hätte er nie vermutet. Matthew musste an den Moment zurückdenken, in dem er die Gewächshaustür öffnete, einen Schritt vorwärts machen wollte und sich plötzlich im freien Fall wiederfand. Mann! Er war volle Kanne nach vorn gerasselt, konnte gerade noch die Arme hochziehen und so sein Gesicht davor bewahren, die nackten Steinplatten zu küssen.
Matthew konnte von Glück reden, dass sein Hund klug genug gewesen war, ihm nicht kopflos hinterherzustürzen. Der verdammte Draht hätte dem lieben Kerl tief ins Fleisch geschnitten. Vielleicht sollte er Gabriel wegen versuchter Tierquälerei verklagen. Die Idee zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. „Wuschel? Komm mal her“, lockte er seinen Vierbeiner, der nur allzu willig herbeitrabte.
„Bist ein braver Hund.“ Er kraulte Wuschels Ohren, woraufhin der Irish Setter die Augen vor Genuss schloss. Wie dankbar er doch war, dass Susanne ihm den Hund nicht genommen hatte. Dafür besaß sie inzwischen mehr als die Hälfte dessen, was er mit seiner Hände Arbeit über all die Zeit … Nein!, befahl er sich. Nein, denk nicht mehr dran. Leider gehorchte sein Kopf nicht. 15 verdammte Jahre hatte er sich abgerackert, ein Haus finanziert und Susanne in den fruchtbaren Phasen regelmäßig beglückt. Er wollte unbedingt Kinder. Dafür hatte er ihre Prä-Monster-Launen ertragen, wie er die Zeit vor diesem Kram, was Frauen als Blutung betiteln, nannte. Auch vieles andere, was ihm nicht schmeckte, steckte er weg und tat seine Pflicht. Sie wurde trotzdem nicht schwanger.
Inzwischen war sie es und sah aus wie ein gestrandeter Wal. Allerdings stammte das Kind nicht von ihm. Matthew streichelte Wuschels Kopf. „Hey, Kumpel. Nie wieder Tomatendiebstahl. Das verspreche ich dir“, murmelte er und schickte den Hund mit einem Klaps aufs Hinterteil aus dem Bad.
Vor drei Jahren steckte seine Ehe in einer tiefen Krise. Susanne war unglücklich wegen des unerfüllten Kinderwunsches und wurde zunehmend rastloser. Ihr Arzt riet zu einem Haustier, was die Situation entspannen und ihr dadurch vielleicht zu der ersehnten Schwangerschaft verhelfen würde. Daraufhin hatten sie Wuschel angeschafft. Leider änderte das nichts. Irgendwann musste Susanne begonnen haben, sich nach einem anderen Mann umzusehen. Sie wurde schwanger und blühte auf.
Wenigstens war sie so anständig ihm nichts vorzulügen. Was die Trennung betraf, war sie weniger anständig und verlangte Ausgleich für die, wie sie es nannte, 15 verschenkten Jahre. Nun gehörte ihr das Haus, aber wenigstens musste er keinen Unterhalt zahlen. Ein Deal, der ihm die gesamten Früchte seiner Arbeit entrissen hatte. Matthew war vor sechs Monaten, nachdem er das Haus räumen musste, in seine Heimatstadt zurückgekehrt und in eine kleine Wohnung gezogen. Schwerfällig stand er auf und ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Die Arbeit wartete.
An diesem Abend wählte Matthew einen anderen Weg als sonst für den Gassigang. Vorerst mochte er Gabriel nicht unter die Augen treten. In ihm stritten die unterschiedlichsten Empfindungen, zwischen Verärgerung, Schuldgefühlen und … und Lust.
Als er Gabriels Schwanzspitze am Morgen aus dem Hosenbein hatte lugen sehen, war in ihm ein Gefühl erwacht, das er ewig nicht zugelassen hatte. Er wollte angesichts eines maskulinen Geschlechtsteils keine Erregung spüren. Basta! Die Verleugnung seiner Bedürfnisse war tief in ihm verankert. Er hatte mitbekommen, wie es Gabriel in der Schule erging und hätte niemals tauschen mögen. Es reichte, dass er auch so ein Außenseiter war, nur wegen seiner guten Noten. Die lieben Mitschüler bezeichneten ihn als Streber und mieden ihn. Damals hatte er entschieden, wenigstens im Hinblick auf seine Sexualität normal zu sein.
Natürlich guckte er trotzdem nackte Schwänze an, erst in einschlägigen Farbmagazinen, später im Internet und holte sich dazu einen runter. Das ließ er auch nicht sein, nachdem er seine Jungfräulichkeit bei einer Frau verloren hatte. Erst als Susanne in sein Leben trat, verbot er sich derartig abnorme Aktionen. Er wollte mit aller Macht normal sein und inzwischen … inzwischen war er das doch auch. Oder?
Nach dem Spaziergang versorgte er Wuschel mit Futter und Wasser. Tagsüber kümmerte sich seine Mutter um den Irish Setter, was auch der Grund für die Rückkehr in seinen Geburtsort war. Matthews Eltern besaßen ein Haus in Bleckede, waren beide Rentner und seine Mutter hatte die Aufgabe nur zu gern übernommen. Sie meinte, dass das ein schöner Ersatz für die ausgebliebenen Enkelkinder sei. Ob sie ihn damit nur trösten wollte oder es ernst meinte, wusste er nicht genau.
Während Wuschel sich über sein Fressen hermachte, wärmte Matthew die Reste vom Vortag in der Mikrowelle auf. Mit dem Teller ging er ins Wohnzimmer, setzte sich an den Schreibtisch und klappte das Notebook auf. Sollte er im Internet nach einer neuen Ehefrau suchen? Nein, erst musste er die Scheidung verwinden. Andere Männer wurden mit 60 noch Vater, daher hatte er noch etwas Zeit. Er spießte eine Kartoffel auf, schob sie sich in den Mund und surfte ein bisschen auf einschlägigen Kontaktseiten herum. Ob nun gewollt oder aus Versehen, landete er in einem Chat für schwule Männer. Der Hunger war vergessen. Wie gebannt starrte er die Bilder an und wenn Wuschel nicht in diesem Moment hereingekommen und den Kopf auf sein Knie gelegt hätte, wäre Matthews Hand sicher in der Hose gelandet. So aber besann er sich, wechselte zu einer Homepage mit harmlosen Kontaktanzeigen einsamer Frauen und gab vor diese interessiert zu lesen. Obwohl Wuschel nichts verraten konnte, war es ein komisches Gefühl, in dessen Gegenwart schwulen Kram anzugucken. Außerdem war er nicht schwul. Punkt!
Die nächsten zwei Tage blieb Matthew den Schrebergärten noch fern, dann zog es ihn wieder dorthin. Die Schmach ertappt worden zu sein, war verwunden und er wollte sich bei Gabriel entschuldigen. Im Nachhinein war ihm aufgegangen, dass er sich ziemlich unhöflich benommen hatte. Entgegen sonstiger Gewohnheit ging er nicht in den verschwitzten Arbeitsklamotten los, sondern duschte vorher und zog frische Kleidung an.
Der August näherte sich dem Ende. Nach der verregneten ersten Hälfte hatte sich der Sommer durchgesetzt und das mit ziemlich hohen Temperaturen. Matthew trug daher Shorts, ein Tanktop und Trekkingsandalen, mit denen er auch lange Strecken wandern konnte. Als er die Kolonie erreicht hatte, ließ er Wuschel von der Leine. Der Irish Setter stob davon und schlug automatisch den gewohnten Weg ein, während Matthew langsam folgte. Je näher er Gabriels Garten kam, desto aufgeregter wurde er. Das lag sicher an seinem schlechten Gewissen.
Die Veranda lag verwaist in der Sonne, aber das Fahrrad stand wie gewohnt hinter der niedrigen Hecke. Ein sicheres Indiz, dass Gabriel hier sein musste. Matthew pfiff nach Wuschel, nahm ihn an die Leine, öffnete die Pforte und betrat mit wild klopfendem Herzen den Garten. Langsam ging er den Gartenweg hinauf, dabei kam er sich wieder wie ein Einbrecher vor. Kurz vor der Laube stand eine Außenleuchte, an deren Mast er die Hundeleine festband. Gabriel schien nicht besonders viel von Hunden zu halten, weshalb er Wuschel lieber auf Distanz hielt. Brav legte sich der Irish Setter hin.
„Es dauert nicht lang“, versprach Matthew seinem Liebling.
Auf sein Klopfen hin geschah nichts. Probeweise drückte er die Klinke herunter und siehe da, die Tür ließ sich öffnen. Matthew riskierte nur einen kurzen Blick, bevor er die Laubentür wieder zumachte. Schließlich wollte er nicht erneut als Einbrecher deklariert werden. Gabriel musste in der Nähe sein, sonst hätte er doch bestimmt abgeschlossen. Matthew verließ die Veranda, wandte sich nach links und ging um das Haus herum. An der Rückseite befand sich ein Fenster, durch das er neugierig linste. Er erblickte ein leeres Bett, auf dem sich unordentlich Decken türmten. Versteckte Gabriel sich absichtlich, weil er ihn nicht sehen wollte? Matthew ging weiter, bog um die nächste Ecke und erstarrte zur Salzsäule.
Das, was er gestern im Internet gesehen hatte, war ein Schiss gegen Gabriel im Adamskostüm. Entspannt lag der Kerl auf einer Decke, die Stöpsel eines MP3-Players in den Ohren und die Augen geschlossen. Matthew ließ den Blick über den schlanken Körper wandern, wobei er länger als notwendig den schönen Schwanz anstarrte. Anscheinend nahm Gabriel oft auf diese Weise ein Sonnenbad, da er überall nahtlose Bräune aufwies. Was sollte Matthew nun tun? Lautlos wieder verschwinden? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Plötzlich machte Gabriel die Augen auf, entdeckte ihn und klappte blitzartig hoch, wobei er beide Hände vor seine Scham legte.
„Ich … Tschuldige. Ich wusste nicht …“, stammelte Matthew.
Gabriel zupfte einen Stöpsel aus seinem Ohr. „Willst du schon wieder klauen oder einfach nur spannen?“
„Ich wollte mich entschuldigen. Für neulich. Konnte doch nicht ahnen, dass du hier FKK spielst.“
„Ts. Normalerweise meldet man sich vor einem Besuch an.“ Gabriel streckte die Hand nach einem T-Shirt, das zu seinen Füßen lag, aus. „Außerdem darf ich hier tun und lassen was ich will.“ Er drapierte den Stoff über seine Mitte.
„Hör mal, es tut mir leid. Okay? Bin schon wieder weg.“ Die offen gezeigte Feindseligkeit verletzte Matthew. Er ging an Gabriel vorbei, band Wuschel los und verließ den Garten. Nie wieder würde er dieses Grundstück betreten, dessen Besitzer von Freundlichkeit anscheinend überhaupt nichts hielt. Was hatte er denn getan, außer ein paar doofe Tomaten zu stehlen? Und wieso, zum Henker, war sein Schwanz halb erigiert? Verärgert setzte er die Runde fort und beschloss, dass der blöde Gartenbesitzer es verdient hätte, wenn er ihm auch noch die letzten Früchte wegnahm.
Zurück in seiner Wohnung, war der Ärger verflogen und stattdessen geisterte das Bild des nackten Gabriel in seinem Kopf herum. Wuschel hatte vor dem Spaziergang Futter bekommen, daher brauchte Matthew sich nicht mehr darum kümmern. Nachdenklich ging er zum Schreibtisch, klappte das Notebook auf und setzte sich hin. Auf der Baustelle sah er den ganzen Sommer nackte Oberkörper, ohne dass es ihn sonderlich störte. Allerdings waren die meisten stark behaart und trugen einige Fettschichten zu viel. Gabriels Brust hingegen war glatt und schmal. Wenn Matthew die Augen schloss, konnte er die winzigen Brustwarzen direkt vor sich sehen. Auch Gabriels Schwanz war nackt. Ob er sich die Eier rasierte? Oh Mann! Matthew spürte, wie er immer härter wurde und es juckte ihm förmlich in den Fingern selbst Hand anzulegen.
Er schielte über die Schulter. Wuschel lag in seinem Körbchen vor der Heizung und linste zu ihm rüber. Niemals könnte er sich vor dem Irish Setter einen runterholen. Matthew wandte sich wieder dem Monitor zu und ging auf eine Seite mit normalen Kontaktanzeigen. Vielleicht ließ die Erregung nach, wenn er ein paar der Dinger durchlas. „F., 165 cm, 50 kg, Nichtraucherin sucht ihn, ab 180 cm, schlank, sportlich, intelligent. Vermögen kein Hindernis.“
Nein, das funktionierte leider nicht, auch wenn er bei den letzten Worten schmunzeln musste. Matthew seufzte, schloss das Notebook und ging ins Bad. Wie erbärmlich, dass er sich in der eigenen Wohnung aufs Klo zurückziehen musste, wenn er Sex mit der eigenen Hand haben wollte. Mit Gabriels Bild vor Augen holte er sich einen runter. Anschließend fühlte er sich saumies. Zum einen, weil er dem Bedürfnis nachgegeben hatte, zum anderen, weil sich das einsame Vergnügen irgendwie schal anfühlte. Wie mochte es sein, richtig mit einem Mann zu schlafen? Matthew kannte jede Spielart aus Filmen oder von Fotos. Wenn er eine Wahl hätte, würde er sich einen blasen lassen oder einen Arsch
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Lektorat: Aschure - danke
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2015
ISBN: 978-3-7368-8471-7
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