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One night stand – Böse Buben!

One night stand – Böse Buben!


Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.


Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.


Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.


Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!



Text: Sissi Kaiserlos


Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann


Idee: Danke Ulla, für dein ständiges Anstupsen. Es kam nun aber anders …


Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/


Böser Galeriebesitzer


Wie magisch von einem Gemälde angezogen, stoppt Moses vor den Fenstern einer Galerie. Zwei Männer, versunken in den Anblick des jeweils anderen. Irgendwie weckte das Bild in ihm eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was er sich selbst kaum eingesteht. Ob dieses Gemälde ihn trösten kann? Doch Moses ist in keiner Weise auf den Inhaber des Geschäfts vorbereitet…

~ * ~


1.

„Hey! Ist das da drüben nicht der Inhaber?“ Henning stieß Moses in die Seite und wies mit der Champagnerflöte auf einen Smokingträger am anderen Ende des Raumes.

„Schrei noch lauter. Ja, das ist Jo Westerwelt.“

Er hatte den Mann auch schon entdeckt und versuchte seitdem, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Wann immer es ging, suchte er Schutz hinter irgendwelchen Exponaten oder Hennings breiter Gestalt. Als Henning vorschlug zu dieser Vernissage zu gehen, war ihm klar, dass Jo auch dort sein könnte, immerhin war er der Inhaber der Galerie. Irgendwie hatte er das erfolgreich verdrängt und da sein Partner unglaublich gern die Bilder sehen wollte, schließlich nachgegeben.

„Versteh nicht, wieso ein Kerl in dem Alter mit langen Haaren herumrennt.“ Henning schüttelte den Kopf. „Sieht doch affig aus.“

Moses fand Jos Zopf unheimlich sexy. Manchmal konnte Henning echt spießig sein. Eigentlich störte ihn das nicht, da es gleichzeitig Beständigkeit bedeutete. Man musste nicht immer gleicher Meinung sein, um eine Partnerschaft zu führen. „Ich würde gerne gehen“, bat er.

„Jetzt schon? Ich würde lieber noch ein bisschen bleiben. Hab noch gar nicht alle Bilder gesehen.“

Als einer der livrierten Angestellten mit einem Tablett an ihm vorbeikam, griff er verdrossen nach einem vollen Glas. Es war bereits sein drittes innerhalb kurzer Zeit und er konnte die Wirkung schon deutlich spüren. Vielleicht sollte er sich gründlich besaufen, bis ihm schlecht wurde. Dann müsste Henning ihn wohl oder übel nach Hause bringen. Wieder wanderte Moses‘ Blick zu Jo und er kam nicht umhin, den sexy Kerl für seine elegante Haltung zu bewundern. Seine Gedanken wanderten zurück zu jenem Tag vor zwei Jahren, an dem er die Galerie das erste Mal besucht hatte.



Damals war ihm ein Bild im Schaufenster ins Auge gefallen, das er unbedingt besitzen musste. Die beiden ineinander verschlungenen Männerkörper gefielen ihm über alle Maßen, so dass er sich ein Herz gefasst und die Galerie betreten hatte. Staunend wanderte er durch den hohen Raum, bis ihn eine tiefe Stimme von hinten ansprach.

Kann ich Ihnen helfen?“

Moses fuhr erschrocken herum. Er war so in die Betrachtung der Bilder vertieft, dass er den Mann gar nicht hatte näherkommen hören. Aus aufgerissenen Augen starrte er den geilen Kerl an und war für einen Moment sprachlos. Er wurde intensiv gemustert, dann verzog sich der Mund des Mannes zu einem verführerischen Lächeln.

Brauchen Sie einen Schluck Wasser? Sie sind ganz blass.“

Mhmnein. Geht schon wieder. Sie haben mich erschreckt.“

Das tut mir leid. Ich neige zum Schleichen.“

Unwillkürlich huschte Moses‘ Blick runter, zu den Schuhen des Mannes. Schwarze Slipper aus feinem Leder. Dazu trug er eine schwarze Hose und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Grüne Augen sahen ihn neugierig an, als sein Blick wieder oben ankam. Der Mann hatte die dunklen Haare zu einem Zopf gebunden, was seine kantigen Gesichtszüge noch betonte.

Das Bild im Schaufenster, das mit den zwei männlichen Akten, was kostet das?“, fragte Moses leise, von der direkten Art, wie der Kerl ihn ansah, leicht irritiert.

Ah! Ja, das ist wirklich ein schönes Stück. Ich hole es gern für sie aus der Auslage.“ Der Typ eilte davon, noch bevor er reagieren konnte. Von hinten sah der Mann genauso fantastisch aus wie von vorn. Der Zopf hing weit über seinen Rücken hinab, fast bis zu dem hinreißenden Arsch in der engen Hose. Mit dem Bild in der Hand kehrte er gleich darauf zurück, ging zu einem Tisch und legte es vorsichtig ab. „Öl auf Leinwand. Der Künstler ist in Deutschland kaum bekannt, dafür aber in seiner Heimat, Großbritannien.“

Moses trat neben den Mann. Ehrfürchtig betrachtete er das Gemälde, das aus der Nähe noch intensiver auf ihn wirkte. Die beiden Männer sahen aus, als ob sie einander gleich küssen würden. Ihre Mienen waren leidenschaftlich verzogen, die Blicke glutvoll. Leider hatte der Künstler die Szene so geschickt gestellt, dass keine Geschlechtsteile zu erkennen waren. „Was kostet das Bild?“

Der Mann nannte eine Summe, die so hoch war, dass Moses schwer schlucken musste. Bei aller Liebe, aber das konnte er sich wirklich nicht leisten. Enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Schade. Dann … danke. Aber das ist zu teuer.“

Er wollte sich gerade abwenden, als der Kerl ihn am Ärmel packte und näher heran zog. „Wir könnten über einen Rabatt reden. Ich hätte da eine Idee.“ Unmissverständlich lüstern leckte der Typ sich über die Lippen und ließ den Blick erneut an Moses runterwandern, wobei er in seinem Schritt länger verweilte.

Oh nein! Soweit war er nun doch noch nicht gesunken, dass er für ein Bild seinen Arsch hinhielt. Andererseits … er wollte es wirklich gern haben und der Galeriebesitzer, um den es sich offenbar handeln musste, sah sehr sexy aus. Anscheinend hatte er zu lange überlegt, da ein triumphierendes Grinsen um den Mund des Mannes spielte. Er schien sich schon am Ziel zu wähnen, beugte den Kopf und sein Gesicht kam immer näher. Wie hypnotisiert starrte Moses in diese unglaublich grünen Augen, dann spürte er den fremden Mund. Ganz sachte strichen Lippen über seine, betörten ihn mit Zärtlichkeit und wunderbarem Duft. Moses‘ Augen fielen zu. Automatisch hob er die Arme, schlang sie um den Nacken des sexy Kerls. Er musste sich dafür auf Zehenspitzen stellen, da der Typ ein ziemlicher Riese war. Im nächsten Moment wurde er am Hintern gepackt, hochgehoben und quer durch den Laden getragen.

Sein Denken setzte erst wieder ein, als die Sache vorbei war. Moses lag vornübergebeugt über einem Schreibtisch, die Hose bis zu den Knien runtergeschoben und hatte gerade einen megageilen Abgang hinter sich. Er spürte, wie der dicke Schwanz aus ihm rausgezogen wurde, anschließend half der Mann ihm in die Senkrechte.

Das war ziemlich geil“, flüsterte der Galeriebesitzer in sein Ohr.

Die tiefe Stimme verursachte eine Gänsehaut und das, obwohl er gerade erst gekommen war. Moses beeilte sich seine Hose hochzuziehen, dabei stieg Schamgefühl in ihm auf. Wie hatte das hier nur passieren können? Er vögelte nie mit Fremden.

Warte hier. Muss kurz aufs Klo.“ Der Mann verschwand durch eine Tür zu seiner Rechten.

Niemals würde er dem Typen in die Augen sehen können. Moses nutzte die Gelegenheit und flüchtete. Seitdem hatte er nie wieder einen Fuß in die Galerie gesetzt, bis heute.



Ob Jo Westerwelt, dessen Namen er nach diesem Vorfall im Internet recherchiert hatte, ihm das Bild damals geschenkt hätte? Moses folgte Henning zum nächsten Gemälde, irgendeiner abstrakten Darstellung einer Landschaft, sofern er das richtig erkannte. War sein Arsch wirklich so viel Geld wert? Nein, bestimmt nicht. Sicher hätte Jo ihm lediglich einen winzigen Rabatt eingeräumt. Er stürzte den Champagner herunter, winkte einen der Kellner heran und tauschte das leere Glas gegen ein volles.

„Trink nicht so viel“, kam warnend von Henning.

„Ja, ja, Papi.“ Moses warf seinem Partner einen bösen Blick zu, linste wieder heimlich zu Jo und … Verdammt! Der Mann sah ihn direkt an. Ohne Zweifel: Jo Westerwelt hatte ihn erkannt und funkelte ihn verärgert an. Schnell wandte Moses den Blick ab und betete, dass der Boden sich auftäte und ihn verschlingen würde. Natürlich geschah nichts dergleichen, nur dass alles leicht schwankte. „Ich muss mal aufs Klo“, flüsterte er Henning zu.

„Mhm. Ich warte hier.“ Sein Partner war ganz in den Anblick des Gemäldes vertieft.

Moses schaute sich auf der Suche nach einem Hinweisschild um. Er entdeckte das entsprechende Symbol an einer Tür genau hinter Jo. Wenn er einen Bogen schlug, konnte er vielleicht hinter dessen Rücken ungesehen auf die Toilette gelangen. Langsam, als wolle er sich die Bilder ansehen, ging er in die entgegengesetzte Richtung. Er nutzte die Deckung, die einige andere Gäste boten, um sich seitlich an Jo anzuschleichen und schnell in den Toilettenraum zu huschen. Gerade wollte er aufatmen und den Riegel vorschieben, als die Tür aufgestoßen und er rückwärts geschleudert wurde. Unsanft prallte er gegen das Waschbecken und sah sich einem zornigen Jo Westerwelt gegenüber.

„Wieso bist du damals einfach abgehauen?“, wurde er angefaucht.

„Ich …“ Der Rausch war mit einem Schlag verflogen. Moses zuckte die Achseln. Was sollte er darauf antworten? Dass es ihm peinlich gewesen war?

„Mann!“ Jo fuhr sich durchs Haar, woraufhin sich einige Strähnen aus dem Zopfgummi lösten und ihm wild ins Gesicht hingen. „Ich hab gesagt, du sollst warten.“

„Ich tue nicht immer das, was man mir sagt“, erwiderte Moses schnippisch und reckte kampfeslustig das Kinn vor.

„Nun komm mir nicht so blöde. Ist der Kerl da draußen dein Stecher?“

„Henning ist mein Partner.“

„Weiß er, dass du deinen kleinen Hintern verkaufst?“ Jo grinste wölfisch.

„Ich hab mich nicht verkauft. Hab von dir keinen Cent gesehen.“

„Tja. Wenn du gewartet hättest …“ Westerwelt verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und hob arrogant eine Augenbraue.

„Was dann? Hättest du mir einen Zehner in die Unterhose geschoben, oder was?“ Moses kam langsam in Fahrt.

„Ich wollte dir das Bild schenken.“ Jos Stimme klang plötzlich ganz sanft. „Gib mir deine Adresse, dann bringe ich es vorbei. Es ist bei mir zu Hause. Hab’s für dich aufbewahrt.“

Das Herz sackte Moses in die Hose. Oh nein! Wenn Jo vor ihrer Wohnung auftauchte, musste er Henning das erklären. Er wusste, wie sein Partner reagieren würde. Henning war überaus konservativ und besaß bestimmt kein Verständnis dafür, dass er, Moses, seinen Arsch für ein Gemälde feilgeboten hatte. Auch wenn das im Grunde nicht stimmte, da er einfach überrumpelt worden war. Eigentlich glich die Sache eher einer Vergewaltigung, allerdings einer ohne Gegenwehr. Im Gegenteil: Wenn er sich recht erinnerte, hatte er aktiv gestöhnt und der Orgasmus war auch ziemlich geil gewesen.

„Nein. Ich gebe dir meine Adresse nicht.“

„So, so.“ Ein spöttisches Grinsen erschien auf Jos Gesicht. „Dann frage ich mal deinen Lover.“ Gelassen drehte er sich um, öffnete die Tür und Moses konnte sehen, dass Jo direkt auf Henning zuhielt. Entsetzt stolperte er hinterher und erreichte seinen Partner kurz nach Westerwelt. „Ich bin Jo Westerwelt, der Galeriebesitzer. Sie interessieren sich für abstrakte Kunst?“

Deutlich geschmeichelt schüttelte Henning die ihm dargebotene Hand. Moses schloss kurz die Augen, da ihm schwindelig wurde vor Angst. Als er sie wieder öffnete, lag Hennings Blick besorgt auf ihm. „Was ist mit dir? Bist du betrunken?“

„Er kann sich in meinem Büro ausruhen“, bot Jo sogleich selbstlos an, wofür Moses ihn am liebsten getreten hätte.

„Es geht schon wieder“, behauptete er.

„Also: Sie mögen abstrakte Kunst?“, wandte Westerwelt sich wieder an Henning. „Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, kann ich sie über günstige Angebote auf dem Laufenden halten.“

„Nein! Also, ähm, Henning mag schon die Gemälde, aber er kauft nie welche“, mischte Moses sich verzweifelt ein.

„Ach?“ Hennings Augenbrauen flogen hoch.

„Ich meine, Schatz, das können wir uns doch gar nicht leisten.“ Moses sah aus dem Augenwinkel, dass Jo bei dem Wort Schatz das Gesicht grimmig verzog.

„Wenn Herr Westerwelt so nett ist, mir Angebote zu schicken ….“ „Nennen Sie mich Jo“, bat Westerwelt, indem er Henning unterbrach. Was für ein perfider Schurke! Moses hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft vor Frust.

„Gern. Ich bin Henning Mausbach und das ist Moses Assad, mein Partner.“

„Angenehm.“ Jo strahlte ihn an.

„Ach, hier bist du“, ertönte in diesem Moment hinter Moses eine Stimme. Gleich darauf hängte sich ein schlanker Braunhaariger an Jo und schlang vertraulich einen Arm um dessen Schultern. Westerwelts Miene verzog sich einen winzigen Moment genervt, dann wurde sie wieder aalglatt. Moses triumphierte innerlich. Anscheinend durchkreuzte der Neuankömmling Jos gemeinen Plan, ihn zu kompromittieren.

„Hallo Arthur. Dachte, du hast heute keine Zeit.“

„Hab mich freigeschaufelt. Extra für dich.“ Dieser Arthur himmelte Westerwelt offensichtlich an. „Freust du dich nicht?“

„Öhm. Hier, meine Visitenkarte“, meldete sich Henning zu Wort, reichte Jo ein Pappkärtchen und Moses‘ Hoffnung sackte zu einem Häufchen Asche zusammen. Die verdammten Visitenkarten waren das erste, was sein Partner nach ihrem Zusammenziehen hatte anfertigen lassen. Nun wurden sie ihm zum Verhängnis. Er konnte deutlich sehen, wie Jos Augen voller Triumph aufblitzten.

„Danke. Sie hören von mir.“ Mit Arthur im Schlepptau entfernte sich Westerwelt, während Moses‘ Beine butterweich wurden. Er suchte Halt an Henning, lehnte sich schwer gegen ihn und sah seine Welt schon in die Brüche gehen. Irgendwie musste er diesen Verrückten aufhalten, aber wie?

„Mhm? Du siehst müde aus, Schatz. Komm, lass uns gehen“, murmelte Henning versöhnlich.



2.

Zwei verdammte Jahre hatte er nach dem süßen Kleinen gesucht, nun lief er ihm direkt in die Arme. Jo frohlockte auf der einen Seite, auf der anderen war er stinksauer. War er wirklich so hässlich, dass Moses weglaufen musste? Der Sex hatte dem Süßen gefallen, dem ekstatischen Stöhnen – das er immer noch in seinen Träumen hörte – nach sogar sehr. Von Widerstand konnte auch nicht die Rede sein und die Küsse waren freiwillig erwidert worden. Wie ein Irrer hatte er jedes beschissene Internetportal abgesucht, sich in Chats rumgetrieben und nichts gefunden. Damals besaß er ja noch nicht mal einen Namen, war darauf angewiesen, irgendwo ein Foto zu finden.

„Gehen wir zu dir?“ Verspielt strich Arthur ihm eine Haarsträhne hinters Ohr.

Er mochte den Mann, aber in seinem Herzen hatte sich eine kleine exotische Schönheit eingenistet. Eine, die gerade mit diesem unscheinbaren Henning die Galerie verließ. Ob die beiden gleich wild rumvögeln würden? Der Gedanke verursachte stechende Eifersucht.

„Jo? Erde an Jo! Hallo!“ Arthur wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum.

Er zwang ein Lächeln auf seine Lippen, wandte den Blick von dem ungleichen Paar ab und seufzte leise. „Ja. Lass uns gehen. Bin hier eh überflüssig. Der Künstler …“ Er sah zu einem kunterbunt gekleideten Mann rüber, der eifrig gestikulierte und auf ein Ehepaar einredete. „… kommt mit Kenneth gut klar.“

Kenneth Mager war sein langjähriger Angestellter. Promovierter Kunsthistoriker, sehr charmant und überaus fähig. Jo vertraute ihm und war sicher, dass er die Vernissage allein zu einem guten Ende bringen würde. Mit den Augen suchte er die Menge nach dem Mann ab, entdeckte ihn auf der anderen Seite des Raumes und winkte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Kenneth nickte als Zeichen, dass er ihn bemerkt hatte. Im nächsten Moment kam er auf sie zu, wobei sein Blick auf Arthur lag. Jo ahnte schon lange, dass Kenneth Interesse an dem Mann hegte und fühlte sich mies, dass er als eine Art Nebenbuhler dastand. Doch was sollte er gegen Arthurs nahezu kriecherische Ergebenheit tun? Außerdem war er ein Mann, keine Mumie und hatte eben körperliche Bedürfnisse.

„Kommst du allein klar?“, fragte er leise, als Kenneth vor ihm stand.

„Sicher. Ist ja eh nur noch eine Stunde. Hallo Art.“

„Hey Ken.“ Wie immer, wenn Arthur mit Kenneth sprach und diesen dämlichen Spitznamen verwendete, troff seine Stimme vor Ironie. Jo wusste nicht den Grund dafür und vermutete einfach mal Eifersucht, obwohl er mit Kenneth nie etwas hatte oder haben würde. Sie waren Freunde und Kollegen. Punkt. Dass sie beide schwul waren, tat diesem Umstand keinen Abbruch.

„Okay. Dann geh ich mal. Bin verdammt müde.“ Er fasste Arthur am Ellbogen und dirigierte ihn an Kenneth vorbei zum Ausgang. Als er nach draußen trat, musste er dringend tief Luft holen und die herrlich frische Aprilluft vertrieb ein wenig das dumpfe Gefühl aus seinem Inneren. Wenigstens gab es nun einen Hoffnungsschimmer, da er die Adresse von Henning und, wenn er recht begriffen hatte, damit auch die von Moses besaß. Nun galt es die Karten richtig auszuspielen. Ein bisschen Erpressung hier, ein wenig Überredungskunst da und natürlich brauchte er verdammt viel Glück. Im Moment brauchte er einfach einen Hintern, an dem er sich abreagieren konnte. Genau den bot Arthur und er würde den Teufel tun, darauf zu verzichten.



Am nächsten Tag kam eine Lieferung neuer Bilder von A. Stark, dem Künstler, der auch das Gemälde, das Moses so sehr gefiel, gemalt hatte. Jo packte selbst die Kiste aus, bewunderte jedes der Kunstwerke ausgiebig und fragte sich mal wieder, ob jemand dafür Modell stand. A. Stark beschränkte sich auf männliche Akte, meist in einem romantischen Kontext. Jedes seiner – oder ihrer? Jo kannte den Künstler nicht persönlich – Werke drückte Gefühl aus und hinterließ in seinem Magen ein angenehm erotisches Kribbeln. Daher verkauften sich die Bilder auch gut und es war im Prinzip Sünde, dass er das Gemälde, für das Moses seinen Arsch verkauft hatte, in seiner Wohnung versteckte. Er konnte sich jedoch nicht davon trennen. Es war über die lange Zeit das einzige Verbindungsglied zwischen Moses und ihm gewesen und nun … Nun sollte es dazu dienen, dessen Herz zu gewinnen. Nachher, wenn Feierabend war, wollte er das Werk einpacken und zu Hennings Adresse fahren. Noch war der Plan eher vage, aber Jo sicher, dass ihm schon etwas einfallen würde. Moses‘ Panik war am Vortag deutlich zu erkennen gewesen. Dass dieser Henning nicht zu ihm passte, genauso glasklar. Nun galt es nur noch, Moses davon zu überzeugen und sobald der Weg frei war, die Werbung zu beginnen.

„Nette Motive.“ Kenneth trat hinter ihn und betrachtete das Bild, das Jo gerade vorsichtig aufhängte.

„Was meinst du? Ist A. Stark eine Frau oder ein Mann?“

„Ich würde mal sagen …“ Sein Kollege schlang die Arme um Jos Taille und parkte das Kinn auf seiner Schulter. „… es ist ein Künstler. Mit der Fähigkeit, Emotionen einzufangen. Einfach fantastisch.“

„Es. Okay. Ein Neutrum.“ Jo lachte, lehnte kurz die Wange gegen Kenneth‘ und löste sich dann aus der Umarmung. „Sag mal … Du bist hoffentlich nicht sauer auf mich, weil ich Arthur vögele, oder?“

„Iwo!“ Entrüstet schüttelte sein Kollege den Kopf. „Art kann rumbumsen wie er will. Mir doch egal.“

„Mhm. Schon klar.“ Jo boxte dem Lügner in die Rippen.

„Du denkst doch nicht etwa …?“ Kenneth riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf.

„Iwo“, äffte Jo ihn nach. „Nie im Leben.“ Lachend ging er ins Büro, kippte Kaffee in einen Becher und sah versonnen ins Leere.

Vergangene Nacht hatte er Arthur richtig hart durchgenommen. All seine Wut an ihm ausgetobt und dabei an Moses gedacht. Zwei Orgasmen später war er eingeschlafen, nur um irgendwann schweißnass aus einem Alptraum aufzuwachen. Henning und Moses im Standesamt. Etwas, was ihm Magenschmerzen bereitete. Er musste den Kleinen vorher für sich gewinnen.

„Jo? Kommst du mal?“ Kenneth‘ Stimme riss ihn aus den Gedanken. Jo sah zur Uhr, seufzte und wünschte, dass endlich Feierabend wäre. Noch zwei Stunden, bis er nach Hause konnte, um den ersten Teil seines Planes umzusetzen. Er stellte den Becher weg, ging in den Laden und setzte ein professionelles Lächeln auf. Als er Moses erblickte, sackten seine Mundwinkel schlagartig nach unten. Dessen starre Miene verhieß nichts Gutes.

„Ich muss mit dir reden.“ Moses maß ihn mit kaltem Blick.

„Komm ins Büro. Kenneth? Bitte entschuldige mich für ein paar Minuten.“

Deutliche Neugier lag in Kenneth‘ Augen, als er Moses heranwinkte und ins Büro geleitete. Er warf seinem Kollegen einen um Verständnis heischenden Blick über die Schulter zu, bevor er die Tür schloss. Moses baute sich vor dem Schreibtisch, auf dem er den süßen Kerl vor fast genau zwei Jahren gevögelt hatte, mit verschränkten Armen auf. Wenn Blicke töten könnten, würde Jo in den nächsten Sekunden den letzten Atemzug tun.

„Du … du willst meine Beziehung kaputtmachen“, stieß Moses hervor. „Warum? Lass das! Bitte!“

„Er passt nicht zu dir.“

„Ach? Bist du Experte? Henning und ich … wir kommen klar. Ich brauche ihn. Bitte, mach das nicht kaputt!“ Es lag echte Verzweiflung in Moses‘ Stimme, was Jo tief rührte.

„Wieso brauchst du ihn?“

„Ich … ich brauche einen Halt. Jemanden, dem ich vertrauen kann. Henning ist dieser Mensch. Er ist für mich da und was hast du davon, wenn du mir das wegnimmst?“

Dich! Das sagte Jo lieber nicht laut, dachte es nur. „Na gut. Treffen wir uns in der Mitte. Du kommst morgen zu mir und wir essen zusammen, danach nimmst du das Bild mit. Okay?“

Sekundenlang starrte Moses ihn stumm an. Jo konnte förmlich sehen, wie sich die Zahnrädchen in seinem Kopf drehten. Dann nickte er bedächtig. „Okay. Du rührst mich aber nicht an. Klar?“

„Klar.“ Jo kreuzte die Finger hinter seinem Rücken. „Also Morgen um sieben.“

Ein zaghaftes Lächeln erhellte Moses‘ Gesichtszüge. Er nickte abermals. „Gut. Und danke. Bist wohl doch ganz anständig.“ Mit diesen Worten ging Moses zur Tür, öffnete sie und verschwand aus Jos Blickfeld. Lange starrte er auf die Öffnung und dachte darüber nach, wirklich die Finger von dem Süßen zu lassen. Wenn Moses glücklich war, hatte er dann ein Recht daran etwas zu ändern? Aber war er glücklich, nur weil er diesen Henning brauchte? Konnte er das nicht besser auf ihn, Jo, anwenden?



An diesem Abend saß er lange vor dem Bild, das er für Moses aufbewahrte und sah die beiden Männer an. Sie wirkten so innig und vertraut, dass es ihm seine Einsamkeit schmerzlich bewusst machte. Genau das, was die beiden miteinander teilten, wollte er auch. Als er Moses das erste Mal gesehen hatte, war dieses Gefühl erwacht und hielt ihn seitdem im Atem.

Eigentlich war Jo ein rationaler Mensch, der sich dank eines frühen Erbes, nachdem seine Eltern verunfallt waren, eine Existenz aufbauen konnte. Mit sicherem Gespür hatte er Künstler entdeckt, die Galerie eröffnet und war inzwischen Inhaber von drei Läden. Einer Galerie in Mailand, New York und der in Hamburg. Die Geschäfte liefen gut und das Geld stapelte sich allmählich. Nur in seinem Privatleben stapelte sich nichts, außer seelenlosem Sex. Apropos. Er sollte Arthur anrufen.

Seit einigen Monaten trafen sie sich regelmäßig. Jo hatte von vornherein klar gemacht, dass es für ihn nicht mehr als ein Hormonausgleich war. Arthur versuchte dennoch ständig ihn zu einer Beziehung zu überreden. Vielleicht wurde es Zeit, dass er die Sache beendete, bevor noch Herzen zerbrachen.

Arthur meldete sich nach dem ersten Rufton. „Sehen wir uns heute noch?“

„Lass uns auf einen Drink treffen. In einer Stunde im Rostigen Nagel?“ Es war nicht die feine Art, etwas am Telefon zu beenden. Jo hasste solche Gespräche, drückte sich aber nicht davor.

„Du willst reden?“

„Ja.“

„Über uns?“

„Ja.“ Es tat weh zu hören, wie Arthur leise schniefte.

„Du machst Schluss, richtig?“

„Hör mal, ich mag das nicht am Telefon besprechen. Lass uns zusammen was trinken und wie zwei vernünftige Menschen reden.“

„Scher dich zum Teufel!“ Arthur legte einfach auf.

Perplex starrte Jo sein Smartphone an. Damit hatte er nicht gerechnet, da Arthur normalerweise nicht so überemotional veranlagt war. Wahrscheinlich hätte er sich nie auf die Affäre einlassen sollen. Ach, was nützten solche Überlegungen?



Am Abend des folgenden Tages wuchs seine Nervosität beständig an. Er hatte eher Feierabend gemacht, bei einem Feinkostladen allerlei Delikatessen besorgt und eine Flasche Rotwein geöffnet. Im Wohnraum seines Lofts lag nun eine Decke mit orientalischem Muster auf den Boden. Ein paar bunte Kissen luden zum Verweilen ein. Die Speisen hatte er in der Mitte platziert, umgeben von Weintrauben. Ob Moses sich auf dieses improvisierte Picknick einlassen würde? Jo konnte sich den hübschen Kerl mit den Mandelaugen und pechschwarzen Haaren verdammt gut auf der Decke vorstellen, vorzugsweise nackt. Unruhig warf er einen Blick zur Uhr, deren Zeiger sich so gar nicht vorwärts bewegen wollten. Noch sieben Minuten und ihm war jetzt schon speiübel vor Angst, die Sache zu vermasseln. Wie sollte er es anstellen, Moses von sich zu überzeugen, wenn er ihn nicht anfassen durfte?

Jo lief ins Schlafzimmer, musterte sich im bodentiefen Spiegel und überlegte, ob er die lässige Jeans gegen etwas Formelleres tauschen sollte. Andererseits konnte er schlecht im Anzug auf der Decke hocken, das würde merkwürdig aussehen. Er löste den Zopf, wuschelte sich durchs Haar und zupfte an dem weißen T-Shirt herum. War es zu eng? Man konnte seine Muskeln und Brustwarzen durch den dünnen Stoff erkennen. Als er es gerade über den Kopf ziehen wollte, ertönte die Türglocke.

„Moses? Fahr ganz nach oben“, sagte er in die Gegensprechanlage, anschließend öffnete er die Wohnungstür und beobachtete den Fahrstuhl.

Nur sein Appartement befand sich in der obersten Etage, was ihm viel Privatsphäre bot. Er kannte kaum einen der anderen Mieter, bis auf die alte Dame im Erdgeschoss und das, obwohl er annährend zehn Jahre hier wohnte. Die Leuchtanzeige des Lifts verriet ihm, dass der Aufzug gleich im obersten Stockwerk ankommen würde. Jos Handflächen waren ganz schwitzig, etwas, was er so gar nicht von sich kannte. Er rieb sie an seiner Jeans trocken, fixierte die Fahrstuhltüren und atmete mehrmals tief durch. Als sie auseinanderglitten, hatte er sich einigermaßen im Griff.

Moses war ganz in schwarz gekleidet, was sein exotisches Äußeres noch unterstrich. Mit deutlich angespannter Miene verließ er die Kabine und trat auf Jo zu. „Ich hab nicht lange Zeit. Hab Henning gesagt, dass ich mit ein paar Kollegen etwas essen gehe.“

Na, das fing ja gut an. Jo machte eine einladende Handbewegung und schloss hinter seinem Gast die Tür. „Deine Jacke kannst du da aufhängen.“ Er wies auf die Garderobe gleich neben dem Eingang.

„Wow! Na ja, hatte ich schon irgendwie erwartet, dass du so großzügig wohnst.“ Moses streifte seine dünne Lederjacke ab und hängte sie an einen Haken. Neugierig schaute er sich um, wobei er die Hände in den Gesäßtaschen versenkte.

„Wirke ich wie ein Geldsack oder was willst du damit sagen?“

„Quatsch! War ein dummer Spruch, vergiss es.“ Langsam ging Moses auf die Decke zu, musterte das Arrangement und sah über die Schulter zu Jo, der an der Tür stehengeblieben war. „Picknick?“ Er hob erstaunt die Augenbrauen.

„Warum nicht? Magst du Rotwein?“ Jo schlenderte in Richtung Küche.

„Eigentlich trinke ich lieber Bier.“

In der Hinsicht war Jo flexibel. Er besorgte zwei Flaschen Pils aus dem Kühlschrank, kehrte zur Decke zurück und ließ sich im Schneidersitz nieder. Sein Gast wirkte einen Moment etwas unschlüssig, streifte aber seine Schuhe ab, um sich gegenüber niederzulassen. So hatte Jo sich das vorgestellt: Der zierliche Moses passte haargenau in dieses exotische Ambiente. Lächelnd reichte er seinem Gast eine Flasche, stieß mit ihm an und trank einen Schluck.

„Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht.“ Jo schob einen Teller zu Moses rüber und hoffte, dass er selbst ein paar Bissen runterbekommen würde. Im Augenblick fühlte sich sein Magen wie zugeknotet an.

„Mhm.“ Interessiert betrachtete Moses die verschiedenen Salate. „Was ist denn das da?“ Er zeigte auf

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 12.02.2015
ISBN: 978-3-7368-8016-0

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