Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
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Text: Sissi Kaiserlos
Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann
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Robert war für einen Junggesellenabschied bestellt worden. Er selbst fand diesen Kram ja relativ dämlich, vor allem dann, wenn kreischende, betrunkene Weiber sein Publikum waren. An der Adresse, die ihm telefonisch durchgegeben worden war, fand er allerdings alles andere, als kreischende Zuschauer.
~ * ~
Die Adresse stimmte, aber Robert konnte keinen Partylärm hören, als er an der Fassade des mehrstöckigen Wohnhauses hochsah. Vielleicht war es ein stiller Junggesellenabschied, für den er gebucht worden war. Er drückte auf den Klingelknopf neben dem Schild ‚A. Müller‘ und wartete. Es dauerte eine Weile, bis der Türöffner summte. Robert ging ins Treppenhaus, stieg die Stufen empor und musterte in jeder Etage die Namensschilder. Im zweiten Stock stand eine Tür halb offen und als er anklopfte, ertönte von drinnen eine Stimme: „Moment, ich komme gleich.“
Neugierig linste er in den Flur. Holzdielen, helle Wände, rechts zwei Türen, geradeaus eine weitere. Ein großer Mann trat von irgendwo links in sein Blickfeld. Die Augen auf eine Börse in seinen Händen gerichtet, kam A. Müller näher. Plötzlich ertönte die Türglocke und der Kerl schaute auf. „Sie sind nicht der Pizzabote?“
„Öhm. Nein.“ Sollte er sich doch in der Anschrift vertan haben? Robert kramte den Zettel aus der Tasche und las halblaut: „Wangerstraße 11, Andre Müller. Das ist doch hier, oder?“
„Ja. Oh Mann! Mir kommt da ein Verdacht. Wer hat Sie herbestellt?“ Müller verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse, während unten im Treppenhaus Schritte erklangen. Die Haustür fiel laut ins Schloss.
„Moment. Ein Jakob Schlumbohm.“ Zum Glück hatte Robert den Namen auch auf dem Blatt Papier notiert.
„Hätte ich mir doch denken können. Lassen Sie mich raten: Stripper oder Nacktputzer?“
Bevor er antworten konnte, kam ein Pizzabote die Stufen hochgerannt. Geld wechselte den Besitzer, Müller nahm einen Pappkarton entgegen und der Bote hastete wieder davon. „Ich putze nicht gern“, antwortete Robert grinsend.
„Also ein Stripper. Hören Sie, die Veranstaltung ist abgesagt. Wenn Sie eine Entschädigung wollen, wenden Sie sich an Herrn Schlumbohm.“ Müller machte Anstalten die Tür zu schließen, was Robert geistesgegenwärtig mit einem Fuß zu verhindern wusste, indem er ihn dazwischenschob. So einfach ließ er sich nicht abservieren.
„Moooment mal. Ich bin quer durch die ganze Stadt gefahren. Da hab ich ja wohl zumindest einen Kaffee oder ein Glas Wasser verdient.“
Müller betrachtete ihn mit nachdenklicher Miene, gab dann die Tür frei und verschwand in einem Raum zur Rechten. Robert trat in den Flur, hörte die Kühlschranktür klappen und im nächsten Moment tauchte sein Gastgeber wieder auf. „Oder lieber ein Bier?“
„Oh ja. Nun, wo ich nicht mehr im Dienst bin.“
„Strippen und saufen geht nicht zusammen?“ Andre Müller legte den Kopf schief.
„Schlecht. Ich brauche volle Konzentration, damit ich beim Ausziehen nicht auf die Fresse fliege.“ Er folgte dem Mann in die Küche, ließ die Tasche neben der Tür auf den Boden fallen und sah sich um. An einer Wand stand ein kleiner Tisch, der gerade mal Platz für zwei bot, an der anderen befand sich eine Küchenzeile aus glänzendem Edelstahl.
Müller öffnete den Kühlschrank, holte zwei Flaschen heraus und nickte zum Esstisch. „Setzen Sie sich.“
„Ich bin Robert.“ Er zog seine Jacke aus, hängte sie über die Stuhllehne und nahm Platz.
„Andre. Angenehm. Na ja, die Umstände sind eher weniger angenehm. Fürchte, der gute Herr Schlumbohm wird dich nicht bezahlen. Der Arsch.“ Andre stellte das Bier auf den Tisch, entfernte die Kronkorken, setzte sich auf den anderen Stuhl und betrachtete mit gerunzelter Stirn den Pizzakarton. „Eigentlich hab ich keinen großen Hunger. Machen wir halbe-halbe?“ Er sah über den Tisch und hob fragend die Augenbrauen.
„Gern. Hab extra für den Auftritt gehungert. Könnte gerade ein halbes Schwein verspeisen.“
„Echt? Wieso das denn?“ Andres Blick wanderte zu seinem Bauch.
„Jedes Gramm Fett zählt, wenn man sich vor vielen Leuten auszieht. Ich bin da eigen.“ Ehrlich gesagt war Robert mehr als eigen. Er war stolz auf seinen Körper, hatte aber, was sich selbst anbetraf, ein überkritisches Auge. Wahrscheinlich würden manche ihn als Spinner bezeichnen, was ihm jedoch ziemlich egal war. Er griff nach einer der Flaschen und setzte sie an die Lippen.
„Ich hab auch mal gestrippt, allerdings im Vollsuff. Die Folge war eine angeknackste Rippe, weil ich vom Tisch gefallen bin.“ Sein Gegenüber grinste kurz. „Na ja, wenigstens hatten die anderen ihren Spaß.“
Robert gluckste amüsiert. Andre gefiel ihm von Sekunde zu Sekunde besser. Der Kerl war ziemlich attraktiv, auf seiner persönlichen Bewertungsskala eine glatte 10. Braune strubbelige Haare umrahmten ein kantiges Gesicht. Auffällig waren das Grübchen im Kinn und die dunklen Augen mit den dichten Wimpern. Er schätzte ihn auf knapp eins neunzig, also etwas größer als er selbst es war. Andres Körper war schlank und vor allem gefielen ihm die gepflegten Hände. Lange, schmale Finger mit kurzen Nägeln. „Um auf das Angebot zurückzukommen …“ Er starrte bedeutsam auf den Karton.
„Oh! Klar. Geht schon los.“ Andre sprang auf, holte zwei Teller aus einem Oberschrank und kramte Besteck aus einer Schublade.
Kurz darauf war die Pizza aufgeteilt. Robert schnappte sich ein Achtel und biss heißhungrig hinein. Das Bier auf fast nüchternen Magen hatte schon Wirkung gezeigt. Er fühlte sich beschwingt und von seinem Gegenüber angezogen. Es würde das Beste sein, wenn er nach dem Essen ging. Offenbar war er in ein Liebesdrama gestolpert und hatte keine Lust sich in einen Mann zu verlieben, der noch nicht über den Ex hinweg war.
„Ich werde normalerweise von Frauengruppen gebucht. War höllisch froh, als dieser Schlumbohm sagte, dass es sich um einen Junggesellenabschied handelt. Ups!“ Robert hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Tschuldige. Das ist so rausgerutscht.“
„Schon okay. Ich leide nicht an gebrochenem Herzen oder so. Ich bin nur stinksauer auf mich selbst.“ Andre seufzte und schob die Pizza, von der er nur zwei Stücke verspeist hatte, in die Mitte des Tisches. „Magst du das Zeug auch noch essen? Ich glaube, ich ernähre mich heute lieber flüssig.“
„Gern. Also, wenn du wirklich nicht mehr magst.“ Robert schnappte sich ein Achtel und versuchte langsam zu kauen. Sein Bauch fühlte sich wie ausgehöhlt an, ihn weiterhin schnell vollzustopfen war nicht ratsam und würde nur zu Übelkeit führen. „Wieso stinksauer?“
„Weil ich Idiot glaubte, dass ein Riesenarschloch wie Jakob treu sein könnte.“ Er wurde einer kurzen, intensiven Musterung unterzogen. „Du gehst so locker mit mir um, dass ich einfach mal annehme, dass du auch schwul bist. Richtig?“
Robert nickte mit vollem Mund.
„Vor vier Tagen hab ich den Mistkerl mit einem anderen erwischt. Danach kam raus, dass das kein Zufall war. Im Prinzip gehe ich davon aus, dass er in dem einen Jahr unserer …“ Andre malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. „… Beziehung öfter mit anderen, als mit mir im Bett war.“
„Und warum wolltet ihr heiraten?“ Bedauernd betrachtete Robert den leeren Teller. Er hätte sich noch mal das Gleiche einverleiben können.
„War meine Scheißidee. Tja. Alter schützt vor Dummheit nicht. Hey, ich mach dir ein Brot. Du guckst ja, als wenn du gleich vor Hunger umfällst.“ Bevor er protestieren konnte, war Andre schon aufgesprungen und steckte den Kopf in den Kühlschrank. Nacheinander landeten Salami, Käse, Butter und eine Packung Frischkäse auf dem Tisch. Nun kam sein bisher unbenutztes Besteck zum Einsatz. Robert schmierte auf die Scheibe frisches Brot, die Andre von einem dicken Laib abgeschnitten hatte, eine Schicht Fett und legte einige Scheiben Salami darauf. Genüsslich biss er in die Brotscheibe und spürte, während er kaute, wie allmählich Sättigung einsetzte. Der leichte Glimmer, den der Alkohol ausgelöst hatte, war inzwischen verschwunden.
„Ich Blödmann hab Jakobs Antrag angenommen.“ Andre setzte sich wieder hin und schüttelte den Kopf. „Was für eine Wahnsinnsidee, aber irgendwie hat sie mir gefallen.“ Kurz zuckten seine Mundwinkel hoch, als er zugab: „Bin da verdammt spießig.“
„Echt?“, nuschelte Robert kauend.
„Ja.“ Andre nickte, trank einen Schluck Bier und seufzte. „Hab keinen Bock auf die Szene und wünsche mir Beständigkeit. Na ja, das wirst du kaum verstehen. Siehst verdammt jung aus.“
„Bin schon 27 und du ja wohl gerade mal über dreißig.“ Leicht empört zog er die Augenbrauen zusammen. „Außerdem muss man nicht alt sein, um die Rumfickerei zu verabscheuen. Klar?“
„Ui! Tschuldige! Hab da wohl einen wunden Punkt erwischt.“
„Geht schon. Ich bin jetzt echt satt. Danke. Sollte wohl mal los.“ Er stand auf, sammelte die Sachen vom Tisch und sah Andre fragend an. Als der ihm mit einem Nicken Einverständnis signalisierte, packte er sie in den Kühlschrank, dabei analysierte er auf die Schnelle dessen Inhalt. Die Gemüseschale war gut gefüllt und es waren die Lebensmittel vorhanden, die jemand benötigte, der selbst kochte. Schon wieder ein Pluspunkt für Andre. Er gehörte also nicht zur Tiefkühlnahrungsfraktion.
„Magst du noch bleiben? Mein Junggesellenabschied fängt gerade an mir zu gefallen.“ Andre schenkte ihm ein bittendes Lächeln.
„Okay. Noch ein Bier, aber dann muss ich los.“ Robert holte zwei Flaschen hervor und warf die Kühlschranktür zu. „Hab schließlich noch einen weiten Weg vor mir.“
„Ach? In welcher Gegend wohnst du denn?“
Zwei Stunden und etliche Bier später saß er immer noch in der Küche. Inzwischen wusste Andre nicht nur, dass er als Postbote arbeitete, sondern auch einige andere Dinge. Roberts Zunge war durch den Alkohol locker geworden, zudem genoss er die sympathische Gesellschaft. Wann traf er schon mal auf einen Gleichgesinnten, der nicht gleich auf Sex aus war, wenn man mehr als drei vernünftige Worte miteinander wechseln konnte? Andre gefiel ihm immer besser und – klar - mittlerweile dachte Robert auch an Sex. Er war zwar, wenn er in einer Beziehung steckte, eine treue Seele, zurzeit jedoch solo. Vor einem Jahr hatte Tony ihn wegen eines anderen verlassen, davor lag eine lange Periode, die mit kurzen Partnerschaften gespickt war. Im Grunde war sein ganzes bisheriges Leben eine lieblose Wüste und er sehnte sich verzweifelt nach mehr, als einem Schwanz in seinem Arsch.
Küsse waren, zum Beispiel, absolute Mangelware. Gute Küsse, wohlgemerkt. Es gab da gravierende Unterschiede. Die meisten Kerle küssten nur deshalb, weil es für sie irgendwie dazugehörte. Dann gab es die, die sich Zeit ließen und echtes Gefühl in die Berührung zweier Lippenpaare steckten. Bislang hatte Robert leider mehr Männer der Kategorie A, als aus der zweiten Abteilung getroffen. Er verstand Andre nur zu gut. Nichts wünschte er sich mehr als jemanden, auf den er sich verlassen konnte. Den Fels in der Brandung.
„Oh Mann! Ich sollte wirklich los.“ Robert zog sein Smartphone aus der Tasche und checkte die Uhrzeit. „Mist! So spät schon?“ Für acht war er gebucht worden, inzwischen war es kurz vor elf.
„Sag mal … Jakob wird dich nicht bezahlen, aber ich tue es, wenn du für mich strippst.“ Andre grinste spitzbübisch.
„Du spinnst. Ich flieg auf die Schnauze, wenn ich das jetzt versuche.“ Trotz seiner Bedenken spürte Robert ein erregendes Kribbeln bei dem Gedanken, für Andre zu tanzen. Es konnte ihm doch egal sein, wenn er dabei stolperte oder ungeschickt wirkte. Inzwischen hatte er Vertrauen zu seinem Gegenüber gefasst und es war doch völlig in Ordnung, wenn er dessen versauten Junggesellenabschied mit einer Slapstickeinlage etwas verschönte. „Okay. Wo kann ich mich umziehen?“
Andre führte ihn über den Flur und machte Licht in einem Raum, der sich als Schlafzimmer herausstellte. „Was muss ich tun? Haste irgendwelche Musik, die ich auflegen soll?“, nuschelte sein Gastgeber. Andre hatte deutlich mehr getrunken als er selbst.
„Warte.“ Robert kramte aus seiner Sporttasche eine CD hervor. „Leg die hier ein, räum die Möbel beiseite und setz dich irgendwo hin. Ach ja.“ Er kicherte albern. „Falls ich stolpere, will ich keine Abzüge in der B-Note haben. Klaaar?“
„Werde großzügig drüber hinwegsehen.“ Andre zuckelte mit der silbernen Scheibe davon und schloss rücksichtsvoll die Tür.
Schon oft hatte Robert in fremden Schlafräumen seine Klamotten gewechselt, aber in Andres fühlte sich das sehr intim und besonders an. Aufmerksam, so weit sein Zustand das noch zuließ, betrachtete er die Einrichtung und versuchte den Mann, vor dem er sich gleich ausziehen würde, einzuschätzen. Das breite Bett war von zwei Nachtschränken flankiert, an einer Wand befand sich ein verspiegelter Kleiderschrank. Ein Stuhl und eine Kommode, auf der allerlei Zeug lag, rundeten die Ausstattung ab. Robert entdeckte eine kleine Schachtel mit dem Logo eines bekannten Juweliers zwischen einsamen Socken und Cremetöpfen. Ein abgeliebter Teddy saß inmitten all dem Kram und sah ihn aus dem verbliebenen Auge starr an. Die Bettwäsche wies bunte Streifen auf, erinnerte an Eiscreme. Auf einem der Nachtschränke stand ein Wecker, daneben eine kleine Leuchte. Das hier war ein klarer Singlehaushalt, soweit Robert das beurteilen konnte. Nicht, dass er Zweifel an Andres Status gehabt hätte.
Rasch schlüpfte er aus seinen Sachen, zog das Stripperoutfit über und öffnete die Tür. In der Küche war es nun dunkel, dafür war der Raum am Ende des Flures hell erleuchtet. Auf nackten Fußsohlen tapste er über die Dielen, linste um den Türrahmen des Wohnzimmers und prustete los. Andres Anblick, der sehr aufrecht und mit gefalteten Händen in einem Sessel hockte, die Augen gespannt auf ihn gerichtet, war einfach zu süß. Wie ein Kind, das auf den Weihnachtsmann wartete.
„Ich glaub, das hier schaff ich doch nicht“, brachte er kichernd heraus.
„Och Menno! Bitte! Warte, ich starte die CD.“ Andre griff nach einer Fernbedienung und drückte auf einen Knopf. Die ersten Klänge von Roberts bevorzugter Stripmusik kamen so laut aus den Boxen, dass er unwillkürlich zusammenzuckte. „Sorry“, rief Andre über den Lärm hinweg und regelte die Lautstärke. Erwartungsvoll richtete er den Blick wieder auf Robert. Bei so einem aufmerksamen Publikum konnte der nicht widerstehen, nahm Haltung an und tänzelte ins Zimmer. Nach wenigen, vielfach einstudierten Bewegungsabläufen, fand er seinen Rhythmus und blendete Andre völlig aus. Der Alkohol sorgte dafür, dass er sich noch enthemmter als sonst der Musik hingab. Robert liebte es zu tanzen, dabei seine Klamotten abzuwerfen, störte ihn in diesem Rahmen überhaupt nicht. Er tat es für Andre, dafür, dass der liebe Kerl seine Enttäuschung vergaß und abgelenkt wurde. Als er sich, nur noch in einem String, der von Schleifen auf beiden Seiten gehalten wurde, vor Andre aufstellte, schwankte er leicht und war außer Atem. „Du bist dran“, stieß er hervor und lächelte breit auf den steif Dasitzenden herunter. „Brauchst nur an den Bändern ziehen.“
„Kann das nicht.“ Andre glotzte erst auf Roberts Mitte, dann huschte sein Blick hoch und er lächelte entschuldigend. „Ist auch so okay.“
Irgendwie verletzte dieses Verhalten Roberts Stolz. Wollte Andre ihn nicht ganz sehen? Er löste selbst die Bänder, der Stoff fiel auf seine Füße. Normalerweise brachte er sich vor einem Strip selbst in Stimmung und fixierte die Erektion mit einem Cockring, doch darauf hatte er verzichtet. Andres Blick reichte, um seinen Schwanz steif werden zu lassen. Leicht schief wies sein Ständer auf das Gesicht des Gastgebers.
„Oh Gott! Rob!“ Andre kniff die Augen zu und krampfte die Finger in den Stoff seiner Jeans.
Was ging hier vor? Sah Andre weg, weil ihm sein Körper nicht gefiel oder gerade deswegen? Robert wollte das unbedingt herausfinden. Rittlings stieg er auf Andres Schoß, packte dessen Wangen mit beiden Händen und zwang sein Gesicht nach oben. Einen Herzschlag später lagen seine Lippen auf Andres Mund. Erst kam keine Reaktion, dann öffnete Andre seine Lippen und stöhnte derart wollüstig, dass Robert fast abgespritzt hätte. Ihre Zungen nahmen ein wildes Spiel auf, dabei hielten sie einander in enger Umarmung. Wie lange sie so dasaßen, wusste er hinterher nicht mehr. Irgendwann landeten sie auf Andres Bett und verloren sich in Zärtlichkeiten. Gegenseitig griffen sie sich an die Schwänze, die Lippen verschmolzen. Robert kam, hörte Andre laut aufstöhnen und spürte, dass seine Faust warm geflutet wurde. Als nächstes umfing ihn wohliger Schlaf.
Fahl dämmerte ein Januarmorgen vorm Fenster, Licht kroch durch die dünnen Vorhänge ins Zimmer. Roberts Schädel pochte dumpf und seine Zunge fühlte sich pelzig an. Der Geschmack war widerlich und Anlass genug, dass er trotz Müdigkeit aus dem Bett kroch und sich ins Bad schleppte. Der blasse Kerl, der ihm aus dem Spiegel über dem Waschbecken entgegen glotzte, wirkte fremd. Robert schaufelte sich Wasser ins Gesicht, spülte den Mund aus und saß hinterher lange auf dem Klo. Er hatte alle seine Ideale verraten, indem er mit Andre am ersten Abend ins Bett gestiegen war. Was mochte der Mann von ihm denken? Dass er das immer tat? Na, und wenn schon. Andre war frisch getrennt und hatte ihn sicher nur als Ablenkungsmittel benutzt. Auf mehr als Sex brauchte Robert nicht einmal im Traum zu hoffen.
Er holte seine Tasche aus dem Schlafzimmer, zog sich auf dem Flur an und sammelte die Stripperklamotten ein. Nach einem letzten Blick auf den schlafenden Andre, holte er seine Jacke aus der Küche und verließ die Wohnung. Ihm war kreuzelend zumute, nicht nur wegen des Katers, sondern auch, weil er sein Herz verloren hatte. Wieso ausgerechnet an Andre, der bestimmt noch lange brauchen würde, bis er zu einer neuen Beziehung bereit war? Niemand stürzte sich Hals über Kopf von der einen Partnerschaft in die nächste, das war einfach nicht richtig. Eine angemessen Trauerzeit hielt Robert für unbedingt nötig. Vielleicht sollte er in einem halben Jahr wieder bei Andre anklopfen und sein Herz bis dahin in den Winterschlaf schicken. Wenn das nur so einfach wäre.
Zu Hause angekommen ging Robert gleich wieder ins Bett. Schlafen konnte er leider nicht, da seine Gedanken ständig im Kreis liefen. Er erinnerte sich, dass Andre davon gesprochen hatte, mehr sauer als traurig zu sein. Wieso wollte man einen Mann heiraten, wenn man ihn nicht liebte? Das war schon recht merkwürdig. War Andre so sehr auf eine Partnerschaft aus, dass er dafür sogar auf Gefühl verzichtete? Abgefahren! Robert konnte sich das überhaupt nicht vorstellen, musste aber zugeben, dass seine Vorstellungen ziemlich idealistisch waren. Wer traf im Leben schon den Richtigen? Diese Traumprinzen-Scheiße war doch eigentlich nur etwas für Naivlinge, die der Realität nicht ins Auge sahen. Also für Leute wie ihn. Trotz seines Kummers musste er schmunzeln und schlief kurz darauf ein.
~ * ~
Wenn nicht ein Hauch von Roberts Duft dem Kopfkissen anhaften würde, hätte Andre alles für einen Traum gehalten. Nachdem er seinen schmerzenden Schädel dank einiger Aspirin einigermaßen kurieren konnte, ließ er die Ereignisse des Vorabends Revue passieren. Robert hatte ihm gleich, von dem Moment an, als er ihn vor der Tür erblickte, gefallen. Kein Wunder, da der Mann höllisch attraktiv war. Mit den strohblonden Haaren und blauen Augen wirkte er wie ein Engel, der im rechten Augenblick vom Himmel gefallen war, um sein Trübsal zu verscheuchen. Mit jeder verstreichenden Minute war Jakob mehr in Vergessenheit geraten, was natürlich auch ein wenig am Bier gelegen haben konnte.
Als er Robert schließlich um den Strip bat, musste Andre kaum noch zurechnungsfähig gewesen sein. Er erinnerte sich, dass er beim Herumrücken der Möbel mehrfach gestolpert war. Anschließend hatte er dagesessen und war bei Roberts Tanz immer geiler geworden. Wieso er sich nicht auf den Kerl gestürzt, sondern die Kraft gefunden hatte, die Hände bei sich zu behalten, grenzte an ein Wunder. Robert war schuld, dass er dann doch die Kontrolle verloren hatte. Wie gut, dass er die Schuld abwälzen konnte, sonst wäre ihm noch elender zumute. Jakob wäre es zwar egal, wenn er von der Sache erführe, aber Andre konnte selbst nicht gut damit leben, seinen Ex so schnell vergessen zu haben. Er war eben spießig.
Nach einer ausgiebigen Dusche und einem leichten Frühstück räumte er das Wohnzimmer auf. Im DVD-Player fand er Roberts CD, unter dem Couchtisch den verdammten String. Besonders gründlich war der Stripper wohl nicht vorgegangen, als er heute Morgen so klammheimlich verschwunden war. Andre packte beide Sachen auf die Kommode im Flur und nahm sich vor, das Zeug in einen Umschlag zu stecken und Robert zuzuschicken. Bei der Gelegenheit fiel ihm ein, dass er dem Mann Geld schuldete, jedenfalls nahm er das an. So genau konnte er sich allerdings nicht erinnern, was er im Einzelnen gesagt hatte.
Im Laufe des Tages tauchten immer mehr Bilder des vergangenen Abends auf. Roberts Lächeln, als er ihm gegenüber am Tisch gesessen hatte. Die sexy Bewegungen, mit denen er sich seiner Klamotten entledigt hatte. Als es draußen dämmerte war der Film fast vollständig. Andre setzte sich mit einem Becher Tee auf die Couch und spulte sein Kopfkino ab. Roberts Küsse, sein sexy Körper, der geile Schwanz. Noch nie hatte ein Mann ihn so ausdauernd und voller Gefühl geküsst. Ach nein. Er wusste doch gar nicht, ob Robert gefühlvoll oder routiniert küsste. Vielleicht machte er das bei allen Männern so.
Der Gedanke an die Küsse ließ ihn nicht mehr los. Andre war ziemlich sicher, dass er, wenn er nicht so besoffen gewesen wäre, wohl erkannt hätte, ob mehr dahinter steckte. Robert hatte doch beteuert, dass er die Rumvögelei verabscheute. Warum war er dennoch mit ihm ins Bett gestiegen? Ach, sicher, weil er genauso betrunken wie Andre gewesen war. Sich einzubilden, dass der blonde Halbgott mehr als Sex wollte, war purer Wahnsinn. Dabei konnte er nur verlieren, also ließ er das besser sein.
Eine Woche später lag Roberts Kram immer noch auf der Kommode. Andre hatte mittlerweile mit Jakob gesprochen, ihm tüchtig den Kopf gewaschen und dabei die Handynummer des Strippers herausbekommen. Sein Ex tat natürlich entsetzt und entschuldigte sich, Robert nicht abbestellt zu haben, aber Andre traute ihm nicht. Jakob war und blieb ein Blödmann und warum er ihn hatte heiraten wollen, war ihm inzwischen mehr als schleierhaft. Er musste blind gewesen sein, zu sehr auf den Wunsch nach etwas Beständigem fixiert. Was Jakobs Antrieb war lag auf der Hand: Der Kerl wusste ein gut gefülltes Bankkonto wohl zu schätzen und hätte sich auf Andres Einkommen nur zu gern ausgeruht.
Damit CD und Minihöschen endlich zurück zu ihrem Besitzer kamen, fasste Andre sich am Samstagabend ein Herz und rief Robert an.
„Hallo, hier ist dein Junggesellenabschied von letzter Woche. Du hast hier was vergessen“, redete er gleich drauflos. „Außerdem hab ich dir, glaube ich zumindest, Geld versprochen.“ Einen Moment herrschte Stille.
„Das mit dem Geld vergiss mal. Schick den anderen Kram einfach mit der Post, okay?“ Roberts Stimme klang unterkühlt, was Andre ziemlich verletzte. Was hatte er dem Mann denn getan, außer beim Ausziehen zuzugucken und sich hinterher verführen zu lassen?
„Dann gib mir deine Adresse. Hab nur deine Nummer.“ Er gab sich Mühe, noch eisiger als Robert zu klingen. Kurz darauf hatte er die Anschrift notiert, murmelte: „Danke. Mach’s gut“, und unterbrach die Verbindung. Wahnsinnig enttäuscht über den Verlauf des Gesprächs, ließ er sich in einen Sessel plumpsen. Ihr wurde klar, dass er sich irgendetwas erhofft hatte. Ein bisschen netter hätte Robert schon sein können, gerade im Hinblick auf ihre wilde Knutscherei. Also, er selbst würde zu einem Mann, den er geküsst hatte, deutlich freundlicher sein. Oder?
Die Sache ließ ihm keine Ruhe. Da er eh nichts Besseres vorhatte, zog er Winterjacke und Schuhe an, schnappte sich Autoschlüssel und Roberts Sachen und ging in die Tiefgarage. Mal gucken, ob der verflixte Eisklotz auch so ätzend war, wenn er ihm gegenüberstand.
Eine halbe Stunde später stand er vor einem Altbau und malträtierte den Klingelknopf. Während der Fahrt war er noch mehr in Rage geraten. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein, erst einen auf nett zu machen und ihm dann so hochnäsig zu kommen? Aus der Gegensprechanlage erklang blechern Roberts Stimme: „Ja?“
„Hier ist der persönliche Postbote von Herrn Kobitz. Ich habe Ware abzugeben.“
„Andre? Was soll das?“
„Lässt du mich jetzt rein oder nicht?“, polterte Andre in das Scheißmikrophon.
„Schon gut. Bleib
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock Design Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 27.12.2014
ISBN: 978-3-7368-7094-9
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Widmung:
Für alle, die sich nicht entscheiden können, in welche Falle sie tappen wollen.