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Sascha Scheiblette – Codewort: Liebe

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

 

Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

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Text: Sascha Scheiblette mit Unterstützung von Sissi Kaiserlos

 

Foto von shutterstock

 

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

 

Codewort: Liebe

 

Emil ist nicht schlank. Rashid ist Jude. Was liegt da näher, als eine Zweckgemeinschaft zu bilden? Doch mit der Zeit wird aus dem schmalen Rashid, der den Spitznamen Schneewittchen mit Fassung trägt, ein echter Brecher. Nicht körperlich, darin bleibt er Emil unterlegen, doch kopfmäßig trumpft er auf. Aus der Zweckgemeinschaft entsteht eine Freundschaft. Freunde können sich doch alles sagen, oder? Die Schulparty an Nikolaus scheint Emil als der geeignete Moment, im Wodkarausch Geheimnisse auszuplaudern.

~ * ~

1.


Rashid kam zu Beginn des 8ten Schuljahres in die Klasse. Seine Eltern waren kurz vor dem Sommerferien nach Hamburg gezogen. Emil erinnerte sich, wie der schmächtige Junge vor der Tafel stand und unsicher in die Gegend blinzelte. Damals trug Rashid eine dicke Brille und dank seiner schmächtigen Statur und feinen Gesichtszüge hätte er locker als Mädchen durchgehen können. Das brachte ihm auch schnell seinen Spitznamen ein: Schneewittchen. Sein rabenschwarzes Haar und der milchige Teint waren dabei ausschlaggebend.

Der Platz neben Emil war frei, daher wurde Rashid neben ihn gesetzt. Zu dem Zeitpunkt hatte er einige Kilo Übergewicht und wurde dank seiner Pausbacken von den lieben Mitschülern gern B-Hörnchen genannt. Kinder konnten wirklich grausam sein, Jugendliche noch viel mehr. Als herauskam, dass Rashid Jude war, stempelte ihn das endgültig zum Außenseiter. Juden waren doch die, die nur koscheres Zeug aßen und mit merkwürdigen Hüten herumliefen, unter denen ihre Zöpfe herausbaumelten. Außerdem war da immer noch unterschwellig etwas Neid, da Angehörige dieser Religion angeblich ein geschicktes Händchen für finanzielle Transaktionen hatten. Jedenfalls glaubte Emil das, auch wenn er nicht in die Köpfe seiner Klassenkameraden hineinsehen konnte.

Er war damals 14 und auf dem besten Weg, in die Pubertät zu rutschen. Erste Schamhaare sprossen schon seit einer Weile, Pickel auch. Interesse am anderen Geschlecht hatte er noch nicht, dafür aber an seiner eigenen Sexualität. Die Zeit zwischen Zubettgehen und einschlafen widmete er der Erforschung des eigenen Körpers. Das Ergebnis klebte dann meist in seiner Schlafanzughose, bis er so geschickt war, sich Taschentüchern zu bedienen.

Rashid und er schlossen schnell Freundschaft, allein aus der Not heraus. Beide waren sie Außenseiter und wurden beim Sport als letzte in irgendwelche Mannschaften gewählt. So etwas verband stärker, als gemeinsame Interessen. Emil war froh über diese Verbindung, außerdem mochte er den Jungen. Rashid war klug, ruhig und auf seine Weise lustig. Er hatte die Gabe, bei jedem Menschen die Schwachstelle zu finden und das nutzte er schamlos aus. Im Laufe des Schuljahres wurde seine Zunge so scharf, dass man ihm lieber aus dem Weg ging, anstatt sich mit ihm anzulegen. Nur Emil blieb verschont.

Wie der Zufall es so wollte, wohnte Rashids Familie in der gleichen Siedlung wie Emils Eltern, nur eine Straße entfernt. Als Gabriele, Emils Mutter bestand darauf, dass er sie beim Vornamen nannte, davon erfuhr, dass ein Jude in seiner Klasse war, beschloss sie sogleich, einen Antrittsbesuch zu machen. Emils Eltern gehörten zu den Deutschen, die ihre Vergangenheit überaus ernst nahmen und ein wenig zu Ökotum neigten. Gabriele flocht zwei Kränze aus Gänseblümchen, setzte einen davon auf ihr gelocktes Haar, schnappte sich eine Flasche selbstgebranntem Holunderschnapses und eilte davon. Einige Stunden später kam sie wieder heim. Ihre Augen funkelten und die Wangen waren gerötet. Die Flasche hatte sie nicht wieder mitgebracht, was darauf schließen ließ, dass sie entweder als Gastgeschenk gedient hatte oder geleert worden war. Emil tippte auf letzteres, da seine Mutter, sorry, Gabriele mit schwerer Zunge von Rashids liiiieben Eltern schwärmte. Sie wären ja sooo aufgeschlossen, obwohl sie – hicks – Juden waren. Ups! Kleiner Faux-pas. Wenn Gabriele einen im Kahn hatte, konnte sie schon mal politisch unkorrekt werden. Emil wünschte, seine Mutter würde öfter trinken.

Nachdem Gabriele also für die Völkerverständigung gesorgt hatte, durfte Rashid ab und zu Emil besuchen. Sie machten gemeinsam Hausaufgaben oder lagen nebeneinander auf dem Bett und redeten Schwachsinn.

„Wenn du wählen könntest, würdest du dann lieber ein Mädchen sein?“, fragte Emil einmal.

Rashid runzelte die Stirn und dachte so lange nach, dass Emil beim Warten auf die Antwort beinahe einschlief. „Betrachten wir es so: Wäre ich ein Mädchen, würde ich dann jetzt neben dir liegen?“

Mit Rashid zu reden war anstrengend. Er pflegte in Rätseln zu sprechen und oft verstand Emil nicht, was sein Freund ihm sagen wollte. Manchmal kam er sich neben dem brillanten Kerl nahezu dumm vor.

„Was ist das für eine Antwort? Willst du lieber Titten und eine Muschi, statt einem Schwanz?“

„Nein“, erwiderte Rashid wie aus der Pistole geschossen. „Dann müsste ich so einen Busenquetscher tragen wie Sibille und das sieht verdammt unbequem aus.“

Manchmal konnte Rashid verflixt logisch sein. Emil nickte zustimmend, auch wenn das für ihn nicht der Hauptgrund war, auf eine Geschlechtsumwandlung verzichten zu können. In letzter Zeit hatte er festgestellt, dass sein Orgasmus sich steigern ließ, wenn er an Schwänze dachte. Noch besser wurde es, wenn er sich heimlich im Internet Pornos mit Kerlen ansah. Dabei war er schon mehr als einmal aus Versehen in seiner Hose gekommen, ohne dass er großartig nachhelfen brauchte. Der Verdacht, schwul zu sein, nagte an ihm. Andererseits war er noch in der Testphase. Vielleicht ging es anderen Jungen genauso wie ihm?

„Findest du Titten geil?“

Wieder überlegte Rashid so lange, dass Emil schließlich die Augen zuklappten.

„Ich finde schon, dass sie manchen Mädels stehen.“

Boah! Über so eine lapidare Antwort musste Rashid so lange grübeln? Emil gähnte und rollte sich auf die Seite, um seinen Freund besser angucken zu können. Rashid besaß erstaunlich lange Wimpern. Sie passten zu dem zarten Profil und der Spitzname Schneewittchen fiel Emil in genau diesem Moment ein. Wenn er ein Prinz wäre, würde er Rashid sofort wachküssen. Also: Rein rhetorisch.

„Hast du schon mal …?“

Rashids Kopf ruckte herum. Emil wurde aus sehr dunklen Augen angestarrt.

„Was?“

„Na. Du weißt schon. Rumgemacht.“

„Mein Vater würde mir die Eier abschneiden und in den Mund stopfen. Nein, habe ich nicht.“ Rashid wirkte verärgert und zog die Brauen zusammen. „Vergiss nicht, dass ich unter anderen Umständen lebe als du. Sexuelle Freizügigkeit ist etwas, was es in meiner Familie nicht gibt. Wir sind orthodoxe Juden.“

Emil beschloss, dass er das mal googlen sollte. Im Grunde wusste er wenig über Rashids Religion, aber auch nur, weil sein Freund ihm klargemacht hatte, dass er selbst nicht daran glaubte. Musste man sich an religiöse Regeln halten, selbst wenn man sie ablehnte? Puh! Es war wohl zu warm im Zimmer, dass er gedanklich auf solche philosophischen Abwege geriet. Aber immerhin besser, als einen Ständer zu haben, wie so oft in Rashids Nähe.

In diesem Moment wurde zaghaft an die Tür geklopft. Gabrieles Stimme ertönte gedämpft: „Jungs? Wollt ihr Limonade haben? Ich habe gerade frischen Waldmeister gesammelt.“

„Nein danke“, rief Emil und verzog genervt das Gesicht. „Gabrieles Waldmeisterlimo schmeckt wie Gülle“, erklärte er flüsternd.

„Ich würde sie gern probieren. Habe noch nie Gülle getrunken.“ Rashid feixte.

Das war das letzte Gespräch zwischen ihnen, in dem Mädchen thematisiert wurden. Oder Sex

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sascha Scheiblette - Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5963-0

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