Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
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Text: Sissi Kaiserlos
Foto von shutterstock, Cover gestaltet von Lars Rogmann
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Matthias hat einen Seitensprung begangen. Adam kann ihm das nicht verzeihen, da es zum einen ausgerechnet mit einem Freund geschehen ist und außerdem ist Treue für ihn absolut wichtig. Wenige Tage vor Heiligabend kommt es zum Streit und Matthias verlässt fluchtartig die gemeinsame Wohnung. Kurz darauf erscheint Chris, der Stein des Anstoßes und bietet Trost an.
~ * ~
„Wieso ausgerechnet mit Chris? Im meine, hättest du nicht wenigstens irgendeinen Fremden vögeln können?“ Adam kochte vor Wut, obwohl der Fehltritt inzwischen eine Woche zurücklag. Er brauchte nur daran denken, wie Matthias stöhnend einen anderen Mann als ihn beglückte, schon knallten bei ihm alle Synapsen durch. Er war eben monogam und erwartete das auch von seinem Partner.
„Ich war besoffen und Chris hat das ausgenutzt.“ Matthias hatte den Kopf eingezogen, den Blick gesenkt und bot im Ganzen das Bild eines reuigen Büßers. „Es tut mir so leid. Ich hätte ein Taxi rufen sollen, statt auf der Couch zu schlafen.“
Jeden Tag, wenn Adam von der Arbeit nach Hause kam, reagierte er seinen Zorn an Matthias ab. Anschließend verfielen sie in Schweigen und gingen sich aus dem Weg, soweit das in ihrer kleinen 2-Zimmer-Wohnung möglich war. Matthias schlief seit dem Vorfall im Wohnzimmer. Adam blockte jeglichen Versöhnungsversuch ab und hatte kategorisch erklärt, dass er erstmal Abstand brauchte. Im Prinzip wäre es wohl das Beste, wenn er vorläufig ausziehen würde, doch er wusste nicht wohin. Außerdem war er nicht derjenige, der Mist gemacht hatte. Sollte Matthias doch ausziehen.
„Adam? Ich liebe dich. Bitte! Ich war wirklich komplett weggetreten“, flehte Matthias.
Der bettelnde Blick aus blauen Augen bereitete Adam Bauchschmerzen, dennoch konnte er nicht über seinen Schatten springen. Der Stachel der Enttäuschung saß einfach zu tief. Matthias war der erste Mann, mit dem er sich überhaupt eine Partnerschaft hatte vorstellen können und nun das! Sogar seine Vorbehalte bezüglich einer gemeinsamen Wohnung hatte er für den Mistkerl über Bord geworfen. Seit drei Monaten wohnten sie zusammen und alles erschien rosig, bis vor einer Woche.
Chris hatte zu einer Fete eingeladen. Zum gleichen Zeitpunkt stand die Weihnachtsfeier in Adams Firma an. Der Chef bestand darauf, dass alle Mitarbeiter teilnahmen, daher hatte Adam keine Wahl. Matthias mitzunehmen kam leider nicht infrage, da er sich bisher nicht geoutet hatte. Das war sowieso ein Wermutstropfen in ihrer Beziehung. Matthias ging offen mit seinem Schwulsein um, während Adam daraus ein Geheimnis machte, jedenfalls im Beruf. Wer wollte seinen Wagen schon von einem homosexuellen Kfz-Meister reparieren lassen? Jedenfalls nahm Adam an, dass er erhebliche Nachteile durch ein Outing erleiden würde und hielt sich daher bedeckt. Bevor er Matthias kennenlernte, war das auch kein Problem gewesen.
Jedenfalls hatten sie sich gezofft und Matthias war zu Chris‘ Party gegangen, während Adam der Firmenfeier beiwohnte. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich rechtzeitig zu verabschieden und später bei Chris aufzutauchen. Leider kam es anders als gedacht. Die Kollegen ließen ihn einfach nicht gehen und der Abend war wirklich so nett, dass Adam blieb, bis die Feier sich lange nach Mitternacht auflöste. Zu dem Zeitpunkt war er so knülle gewesen, dass er nur noch nach Hause wollte.
Adam kannte Chris‘ Feten und wusste, dass diese manchmal bis in die frühen Morgenstunden andauerten. Daher wunderte es ihn nicht, dass Matthias bei seiner Ankunft noch nicht zurück war. Am nächsten Morgen war Matthias‘ Bettseite immer noch verwaist. Mit jeder verrinnenden Stunde machte Adam sich mehr Sorgen, rief mehrfach auf Matthias‘ Handy an, aber das war aus. Auch bei Chris ging niemand ans Telefon. Als er schon kurz davor war, ins Auto zu springen und zu Chris‘ Wohnung zu rasen, wurde die Tür aufgeschlossen. Matthias schlich in den Flur und das schlechte Gewissen stand ihm förmlich auf die Stirn geschrieben.
Adam hatte jede Einzelheit aus seinem Freund rausgepresst. Er wollte jedes Detail wissen, auch wenn es noch so wehtat. Danach hatte er sich für eine Weile ins Schlafzimmer verkrochen. Zorn, Enttäuschung und Eifersucht trieben ihn schließlich ins Wohnzimmer, um Matthias zusammenzustauchen. Seitdem wiederholte sich dieser Vorgang. Adam kam einfach nicht aus der Schleife von ohnmächtiger Wut und verletztem Herz heraus. Er konnte Matthias nicht verzeihen und glaubte langsam, dass er es nie schaffen würde.
„Adam? Es war doch nur Sex. Es war nicht mal gut.“
Das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Sex hatte für Adam einen besonderen Stellenwert, vor allem dann, wenn er Gefühl investierte. Dann war es Liebe machen und bedeutete für ihn vor allem Vertrauen und Nähe. Er wusste, wie leidenschaftlich Matthias im Bett war und wahrscheinlich war es genau dieser Umstand, der ihn fertig machte. Niemand anderer als er sollte den sexy Körper seines Freundes berühren.
„Und das ändert irgendetwas?“, ätzte er. „Für mich nicht. Verpiss dich! Geh und fick durch die Gegend. Ich kann deine Visage nicht mehr ertragen.“
Matthias zuckte zusammen, als hätte Adam ihn geschlagen. Für einen Moment stand er starr da, blinzelte und wirkte wie betäubt. Adam musste sich abwenden, da sein Herz wie verrückt schlug und der Anblick einfach wehtat. Er ging in die Küche, ließ Matthias im Flur stehen und sackte auf einen Stuhl. Kurz darauf hörte er Geräusche aus dem Schlafzimmer. Schranktüren wurden geöffnet, Dinge auf den Boden geworfen. Packte Matthias oder wütete er nur? Die Antwort erhielt er, als Schritte sich in Richtung Tür entfernten und diese leise zugezogen wurde. Matthias war weg.
Für einen Moment fühlte Adam sich wie befreit. Er atmete tief durch, sprang auf und ging ins Schlafzimmer. Der Schrank stand noch offen und es fehlten nur wenige Sachen. Er schmiss die Türen zu, lehnte sich dagegen und starrte lange ins Leere.
Es dauerte nur wenige Stunden, bis er sich fragte, wo Matthias hingegangen war. Sein Freund hatte keine Familie. War er bei Chris untergekommen? Der Gedanke gefiel Adam gar nicht, auch wenn das in jedem Fall besser war, als wenn Matthias unter einer Brücke schlafen würde. Sein Zorn verrauchte, machte Sorge Platz. Die Mattscheibe, über die irgendeine Soap flimmerte, verschwamm vor seinen Augen. Er sah Matthias zitternd hinter einem Busch kauern und die Schlagzeile am nächsten Tag: „Mann erfriert, weil sein Partner ihn rausgeschmissen hat.“
Adam sprang vom Sofa auf, lief in den Flur und fischte sein Smartphone aus der Jackentasche. Eine Nachricht blinkte im Posteingang. Er öffnete sie und las: „Bin im Hotel. Bitte ruf an, wenn du mir verziehen hast. M.“
Seine Knie wurden ganz weich vor Erleichterung. Sterben sollte Matthias nicht, dafür mochte er ihn zu sehr, auch wenn er ein verdammter Arsch war. Er steckte das Handy zurück in die Tasche und trottete wieder ins Wohnzimmer. In dieser Nacht schlief er das erste Mal seit Tagen fest und tief.
Matthias‘ Abwesenheit half, dass Adam klarer denken konnte. Anstatt sich in Eifersucht zu zerfleischen, gingen ihm all die schönen Stunden, die sie geteilt hatten, durch den Kopf. Am letzten Silvester waren sie sich das erste Mal auf einer Party begegnet. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie waren noch in derselben Nacht zusammen im Bett gelandet und danach unzertrennlich. Damals hatte Matthias mit Jonas eine WG gebildet. Nachdem sie praktisch ständig zusammenhingen, war die gemeinsame Wohnung eine logische Folge. Adam war noch nie so glücklich gewesen wie mit Matthias. Sie harmonierten im Bett und auch sonst. Nicht einmal der Haushalt führte zu Streit, nur Adams Einstellung zu seinem Outing. Eher gesagt: Nicht Outing.
Er war gerade nach Hause gekommen, als sein Handy summte. Adam fischte es aus der Jackentasche und sah aufs Display. Chris?
„Hey, Adam, wie geht’s?“
Der Kerl hatte ganz schön Nerven. Eigentlich hatte Adam sich vorgenommen, nie wieder ein Wort mit dem Verräter zu reden. Irgendwie fühlte er sich aber gerade einsam und war regelrecht froh, mit jemandem sprechen zu können.
„Schlecht. Muss dir wohl nicht sagen, dass hier Stunk herrscht.“
„Das tut mir echt leid. Matthias … ich wollte dir schon immer stecken, mit wem du es eigentlich zu tun hast.“ Chris seufzte übertrieben.
„Wie … meinst du das?“
„Ich komme auf ein Bier vorbei, okay?“ Chris legte einfach auf, bevor Adam etwas erwidern konnte.
~ * ~
Matthias guckte sehnsüchtig zu dem hellerleuchteten Fenster hoch. Einzelne Schneeflocken wirbelten durch die Luft und hatten den Boden bereits mit einer Puderzuckerschicht bedeckt. Ihm war kalt, seine Zähne klapperten und seine Füße fühlten sich wie Eisklumpen an. Seit einigen Stunden lief er ziellos umher, die Tasche über der Schulter und den Schal mehrfach um den Hals geschlungen. Zur Arbeit war er nicht gegangen, hatte stattdessen Urlaub genommen. In seinem Kopf herrschte Chaos und sein Herz wog schwerer als Blei. In diesem Zustand konnte er unmöglich Versicherungspolicen bearbeiten, daher zog er es vor, wie ein Penner durch die Gegend zu rennen.
Immer wieder ging er seine Erinnerung durch und verfluchte sich, dass er auf Chris‘ Party irgendwann eingeschlafen war. Dabei hatte er nur Bier getrunken. Als er am nächsten Tag erwachte, lag er nackt neben Chris, unter einer Decke auf dem Sofa. Ein benutztes Kondom klebte an seinem Bauch und damit war klar, was geschehen sein musste. Matthias konnte sich an nichts erinnern, wusste nur noch, dass er plötzlich unglaublich müde geworden war. Wie er es zustande gebracht haben sollte, Chris in diesem Zustand zu ficken, blieb ihm ein Rätsel, doch die Indizien hatten für sich gesprochen. Zusätzlich hatte Chris in höchsten Tönen von ihrem Sex geschwärmt, womit der letzte Zweifel ausgeräumt war. Trotzdem blieb das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Nur was? In dem Gummi hatte Sperma geklebt, da war Matthias sicher.
Langsam ging er weiter. In der vorigen Nacht war er in einem billigen Hotel auf der Reeperbahn untergekommen. Durch die dünnen Wände war er Zeuge zahlreicher Geschlechtsakte geworden, worauf er gern verzichtet hätte. Da an Schlaf ohnehin nicht zu denken war, würde er diese Nacht eben herumlaufen. Sein Budget ließ nicht zu, sich in einer teuren Unterkunft einzumieten. Er hatte nie gewagt Adam zu erzählen, dass sein Konto gnadenlos überzogen war. Bevor sie sich kennenlernten, hatte er weit über seine Verhältnisse gelebt und sich davon bisher noch nicht erholt. In wenigen Monaten wäre das Thema Geschichte gewesen, doch das konnte er nun wohl vergessen. Er rückte den Trageriemen der Tasche zurecht und trottete langsam die Straße hinunter. Gegenüber befand sich ein kleiner Park. Matthias wusste, dass er besser in Bewegung bleiben sollte, konnte aber nicht wiederstehen. Wie oft hatten Adam und er unter den Bäumen auf ihrer Bank gesessen und verliebt Pläne geschmiedet.
Wie alles rundherum wirkten auch die Holzplanken der Bank, als hätte jemand Puderzucker darüber ausgestreut. Matthias wischte das weiße Zeug notdürftig weg, setzte sich hin und stellte die Tasche auf seinen Beinen ab. Als wäre sie ein Kuscheltier, umarmte er den mager gefüllten Segeltuchstoff. Eine Träne kullerte aus seinem Augenwinkel und er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Ihm war nach sterben. Ohne Adam war alles trist und sinnlos.
Zum gleichen Zeitpunkt leerte Chris seine zweite Flasche Bier. Kurz nach ihrem Telefonat war er vor Adams Tür aufgetaucht und redete seitdem pausenlos. Es ging um Fußball, Freunde, dies und das, nur nicht um Matthias. Adam war inzwischen genervt und überlegte, wie er Chris unauffällig loswerden konnte.
„Hast du noch ein Pils für den armen Chris?“ Aus blauen Augen wurde er angepliert.
„Du musst noch fahren“, brummelte Adam.
„Muss ich?“ Federleicht berührten Fingerspitzen seinen Nacken. Chris rückte näher und seufzte. „Du bist doch nun solo. Was spricht dagegen, wenn ich hierbleibe? Hm?“
„Ich bin nicht allein. Was ist nun mit Matthias? Du hast da was angedeutet.“
„Ach ja …“ Chris grinste. „Dein Süüüüßer hat sich letztes Wochenende total betrunken. Ich hab noch gesagt: Hey, sauf nicht so viel. Aber Matthias hat sich weiter die Kante gegeben.“
„Aha“, nuschelte Adam neugierig. Er konnte sich gut vorstellen, dass Matthias gefrustet wegen der Scheißweihnachtsfeier gewesen war.
„Alle sind gegangen und ich hab noch gefragt, ob ich ihm ein Taxi bestellen soll …“ Chris schlang einen Arm um Adams Schultern und schloss die Lücke zwischen ihnen ganz. „… aber er hat mich einfach gepackt und geküsst. Na ja, den Rest erspare ich dir lieber.“
Adam spürte, wie Chris über seinen Arm strich. Bieratem drang in seine Nase. Irgendetwas stimmte nicht an der Sache. Er kam nicht darauf, was es war. In jedem Fall rückte Chris ihm gerade deutlich zu nah auf die Pelle, aber er war so erpicht darauf mehr zu erfahren, dass er es für den Augenblick zuließ.
„Erspare mir nichts. Was genau hat Matthias getan?“
„Na ja, er hat … er hat mir seine Zunge in den Hals gesteckt. Als nächstes war ich nackt und er auf mir drauf. Holla! Das ging so schnell, dass ich mich gar nicht wehren konnte. Ficken tut er ja ganz anständig. Allerdings kommt er recht schnell. Konnte kaum mithalten.“
„So? Tut er das?“
„Das solltest du wissen. Aber das ist ja nun Geschichte.“ Chris lächelte, wandte sich ganz zu Adam und beugte sich vor. „Weißt du, dass ich dich höllisch sexy finde? Dass ich total in dich verschossen bin, schon lange?“
Adam hatte genug gehört. Was auch immer passiert war, in jedem Fall hatte Matthias ihn nicht betrogen. Wieso hatte er je annehmen können, dass sein Schatz dazu in der Lage wäre? Er liebte ihn doch – sie liebten sich.
„Und Matthias hat abgespritzt? In ein Kondom?“
„Ja! Es war bis oben hin voll!“ Chris seufzte und schüttelte in gespieltem Entsetzen – dass es gespielt war, wusste Adam nun – den Kopf. „Mann-o-mann! Der ejakuliert echt wie ein Bulle.“
„Okay. Und nun die wahre Version“, verlangte er verärgert, schob Chris ein Stück weg und wischte den Arm von seiner Schulter.
„Glaubst du, ich lüge?“ Empört runzelte Chris die Stirn.
„Ja. Also: Was genau ist passiert und wie, zur Hölle, hast du das benutzte Gummi zustande gebracht? Hast du etwa selbst …?“
„Nein! Matthias hat …“
„Hat er nicht“, fuhr Adam seinem mittlerweile überaus unerwünschtem Gast dazwischen. „Kann er gar nicht. Also: Was genau hast du getan und warum?“
„Ist er … impotent?“
„Was mit Matthias ist, geht dich nichts an. In jedem Fall habt ihr nicht gevögelt. Also: Was, bitteschön, ist wirklich abgegangen?“ Adam hatte seine Stimme erhoben und fixierte den verdammten Kerl mit bitterbösem Blick. Er konnte zusehen, wie Chris in sich zusammensackte. Ein trauriger Blick streifte ihn, vermischt mit einer Prise Schuldbewusstsein.
„Woher weißt du …?“
„Ich weiß es eben. Also?“ Adam verschränkte die Arme vor der Brust und wollte nur noch eines: Chris loswerden und Matthias anrufen.
„Okeee. Ich hab ihm K.O.-Tropfen untergemischt. Für das Sperma hab ich ein Eiweiß vom Dotter getrennt. Wirkt total authentisch. Matthias hat die ganze Zeit geschlafen. Es ... es tut mir leid.“ Chris ließ den Kopf hängen und guckte, unter seinen Haarsträhnen hervor um Mitleid heischend, zu Adam hoch.
„Du bist so ein Arschloch! Warum machst du so was?“ Adams Stimme wurde immer lauter. Er konnte kaum noch stillsitzen. Sicher hockte Matthias irgendwo auf einem Hotelbett und hoffte auf seinen Anruf.
„Bin verlbt“, nuschelte Chris, deutlich beschämt und voller Trauer. „In dich. Schon lange.“
„Oh Mann! Du bist echt so ein Scheißkerl! Ich muss jetzt Matthias anrufen und du rührst dich nicht von der Stelle, bis er hier ist.“ Adams Knie waren weich wie Pudding, als er aufstand und in den Flur taumelte. Das Smartphone rutschte aus seinen zitternden Fingern. Gerade noch konnte er es auffangen, wählte Matthias‘ Nummer und presste es an sein Ohr.
„Matthias? Wo bist du?“, krächzte er und hörte ein schwaches: „Adam? Mir ist so kalt.“ Dann knackte es und die Verbindung wurde unterbrochen.
Lethargisch sah Matthias auf den Boden. Das Iphone lag neben seinen Schuhen. Es war aus seinen steifen Fingern geglitten, gegen die Bank geknallt und dabei war das Display zersplittert. Ach. Egal. Er fühlte eh nichts mehr. Seine Füße waren taub, die Hände auch. Ob er einen Hintern hatte, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Was wollte Adam? Hatte er ihm, Matthias, verziehen? Er beugte sich vor, sammelte das Handy auf, legte es sicherheitshalber diesmal auf die Tasche und drückte auf den Tasten herum. Oh Wunder! Es funktionierte noch. Leider war es aber nur ein kurzes Lebenszeichen, dann wurde das Display erneut dunkel.
„Shit!“, fluchte Matthias leise.
Irgendwo raschelte Laub, hinter ihm war ein Hecheln zu hören, dann schnupperte etwas an seinem Knie. Im Mondschein konnte er einen schwarzen Hund erkennen, gleich darauf knirschten Sohlen auf dem Sandweg. Das war seine Chance. Allein würde er kaum aufstehen, geschweige denn einen Schritt tun können. Ein großer Schatten kam in Sichtweite. Matthias nahm all seinen Mut zusammen und blickte dem Hundebesitzer entgegen.
„Könnten Sie mir …“ Seine Stimme war viel zu leise, nur ein Flüstern. Er räusperte sich und setzte erneut an: „Könnten Sie mir helfen, bitte?“
Ein vierschrötiger Mann blieb vor ihm stehen. „Jacky? Bei Fuß!“ Der Hund, der immer noch an Matthias herumschnüffelte, zog sich zurück und setzte sich brav neben seinem Herrchen auf den Hintern. Matthias war froh, dass er sich morgens rasiert hatte. Er wurde eingehend taxiert und bemühte sich um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bis auf die Knochen durchgefroren war.
„Obdachlos?“
„Nein. Nur Streit mit … einem Freund.“
„Und wie soll ich helfen?“ Der Mann beugte sich leicht runter und kraulte den Hund an den Ohren, wobei sein Blick weiter auf Matthias ruhte.
„Wenn Sie mir einfach bis zur Straße helfen würden. Danach komme ich schon klar.“
„Wenn’s weiter nichts ist.“
Ihm wurde eine Hand hingestreckt. So schnell es seine steifen Finger zuließen, schob Matthias das Smartphone in die Tasche. Anschließend ergriff er die Hand und wurde mit einem Ruck hochgerissen. Er schwankte, die Segeltuchtasche fiel runter. Der Mann schlang einen Arm um seine Mitte, hob die Tasche auf und ging langsam los. Der Hund sprang aufgeregt um sie herum, wetzte schließlich davon und verschwand im Dunkel. Matthias‘ Füße wollten ihm kaum gehorchen. Er torkelte wie ein Betrunkener und es war glückliche Fügung, dass der Hundebesitzer so kräftig war. Ein ums andere Mal wurde er nur durch dessen festen Griff davor bewahrt, auf die Schnauze zu fliegen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, kam die Straße in Sicht. Fast gegenüber Matthias‘ Wohnhaus traten sie aus dem Schatten der Bäume.
„Sicher, dass du jetzt allein klarkommst?“ Die tiefe Stimme des Hundebesitzers klang besorgt.
„Nicht ganz. Könnten Sie mich da drüben vor dem Hauseingang abstellen?“ Matthias wies auf die Haustür auf der anderen Straßenseite.
„Jacky!“, rief sein Retter und der Hund kam angerannt. „Moment. Muss meine Lady mal anleinen.“ Er wurde kurz losgelassen, als der Mann sich vorbeugte und eine Leine am Halsband des Tieres befestigte. Matthias war schwindlig. Er war froh, als gleich darauf wieder ein Arm um seine Taille geschlungen wurde. Langsam überquerten sie die still daliegende Straße.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock by Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 01.11.2014
ISBN: 978-3-7368-5616-5
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme diese Storys dem Advent. Und meiner Muse Christian B., meinem lieben Kollegen, den ich bald verlieren werde. *sfz*