Cover

Ballett kostet manchmal das Herz

 

Männliche Balletttänzer sind überaus geeignetes Anschauungsmaterial für visuell veranlagte Menschen. Nicht nur Frauen mögen die guten Proportionen, auch Männer wissen sie durchaus zu schätzen.

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Foto: depositphotos, shutterstock

 

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

https://www.sissikaipurgay.de/


Mareks Zähmung

Marek ist frustriert. Er hat alles erreicht, was ein Tänzer erreichen kann. Das Geld wirft er für Luxusgüter raus, um seine innere Leere zu kompensieren. Dann stolpert er über Eike. Der Mann schleicht sich in sein Herz, will aber anscheinend nur das Eine.

1.

Mareks Stimmung war auf dem Tiefpunkt angelangt. Selbst sein Erfolg in der Rolle des Drosselmeyers, des Ballettmeisters aus dem Nussknacker, konnte ihn nicht befriedigen. In seinem Inneren herrschte gähnende Leere. Er lief durch sein luxuriöses Appartement, betrat den begehbaren Kleiderschrank und ließ die Finger über die zahlreichen kostbaren Anzüge gleiten, während er einmal bis zur hinteren Wand ging. Die Berührung löste nichts in ihm aus. Keinen Funken Besitzerstolz oder Zufriedenheit.

Im Wohnzimmer wanderte sein Blick über die kostspieligen Kunstwerke und plötzlich überkam ihn der dringende Wunsch, mit einem Baseballschläger alles kurz und klein zu schlagen. Nur ein Funke Vernunft hielt ihn davon ab. Irgendwo in ihm drin war noch immer der kleine Junge, der sich für seine Armut geschämt hat.

Seine Eltern waren arme ukrainische Bauern, deren Einkommen gerade mal so für ihn und die fünf Geschwister ausgereicht hatte. Marek musste die abgetragenen Kleider der älteren Brüder auftragen. Zu Weihnachten gab es manchmal ein neues Stück, dazu ein paar Naschsachen, mehr war einfach nicht drin.

Als sich herausstellte, dass Tanzen seine Leidenschaft war, hatten die Eltern ihn zu Verwandten in die Stadt geschickt. Die strenge Tante hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht, ihm eine fensterlose Kammer zugewiesen und den gesamten Haushalt aufgebürdet. Mareks Jugend war geprägt von harter Arbeit, gepaart mit dem Spott der Cousins, die sich über seine Neigung (die zum Tanzen, wohlgemerkt) und seine fadenscheinigen Klamotten lustig gemacht hatten. Geoutet hatte er sich erst, nachdem er mit Anfang zwanzig ein erstes Engagement im Westen ergattern konnte. Daheim würde die Familie ihn verstoßen, wenn sie von seiner sexuellen Ausrichtung wüsste. Marek hatte sämtlichen Kontakt abgebrochen und das war für ihn wie ein Befreiungsschlag gewesen. Weder zu Eltern noch Geschwistern war die Beziehung so eng, dass er sie vermisste.

Lag es daran, dass er sich so leer fühlte? Marek hatte eine Zeitlang geglaubt, in einen Kollegen verliebt zu sein. Juri war recht unscheinbar, dennoch gefiel ihm der Mann über alle Maßen. Er hatte ihn regelrecht gestalkt, bis der Tänzer sich einen Partner zugelegt hatte. Das brachte ihn zur Besinnung. Die Gefühle ließen nach und seitdem klaffte dieses verdammte Loch in seinem Bauch. Wahrscheinlich war es schon vorher dagewesen und er hatte es einfach nicht gemerkt. Die vergangenen Jahre waren davon erfüllt gewesen, Luxusgüter anzusammeln und jede Anschaffung hatte ihm ein bisschen Befriedigung verschafft. Diese Kompensation klappte nicht mehr. Allein der Gedanke, irgendetwas zu kaufen, widerte Marek mittlerweile an.

Er war nicht der Typ, der andere Menschen brauchte. Meist war er sich selbst genug. In seiner Kindheit hatte er das Zimmer mit drei Brüdern teilen müssen, danach, in der Zeit bei der Tante, war er froh über die eigene Kammer gewesen. Sie war sein einziger Rückzugsort, wenn er mal gerade nicht in der Schule oder beim Tanzunterricht weilte. Sobald er sie verließ, war die Verwandtschaft, mit ihren Forderungen und dämlichen Sprüchen, allgegenwärtig. Marek hatte gelernt den Mund zu halten, seine Gefühle zu verbergen und steckte nun in diesem Schema fest.

Es war Sonntag und keine Aufführung stand an. Wie ein gefangenes Tier rannte Marek seit Stunden von Raum zu Raum, dabei warf er immer wieder einen Blick zur Uhr, als würde die Zeit dadurch schneller vergehen. Er war es nicht gewohnt untätig zu sein. Sein Leben bestand aus Training, Training und nochmals Training. Dass es damit bald ohnehin vorbei sein würde, wenn sein Körper das Verfallsdatum eines aktiven Tänzers überschritten hatte, ignorierte er. Irgendetwas würde sich ergeben und selbst wenn nicht, konnte er immer noch seine ganzen Schätze versilbern und eine Weile mit dem Geld auskommen. Vielleicht endete er als Edelprostituierter. Der Gedanke gefiel ihm noch am besten von allen Möglichkeiten. Marek mochte Sex. Dafür auch noch bezahlt zu bekommen, war ein reizvoller Gedanke.

Der große Zeiger der Uhr rückte endlich näher zur vier. Der Lila Leguan öffnete um fünf. Marek wollte dort hin, ein Bierchen zischen und sich auf dem Klo gepflegt einen blasen lassen, so der Plan. Vielleicht erklärte Jannis sich endlich für einen Fick bereit. Das wäre natürlich eine nette Alternative, aber eher unwahrscheinlich.

Der Kleine behauptete immer, dass ihm das zu intim sei, genau wie Küsse. Irgendwie hatte der Kerl eine merkwürdige Weltanschauung: Mundhöhle war okay, Arsch nicht.

Natürlich hätte Marek einen einschlägigen Club aufsuchen können, aber das lag ihm nicht. Das Ambiente des Leguan, das ganz und gar dem einer normalen Kneipe entsprach, gefiel ihm besser. Ohnehin war er nicht der Typ, der sein Schwulsein gern offen zur Schau stellte. So wie er auch nichts von seinem Innenleben offenbarte. Na ja, da klaffte eh eine riesige Lücke.

Walter, der Wirt des Leguan, schloss gerade die Tür auf, als Marek den Laden erreichte. Er hatte es einfach nicht länger ausgehalten, grüßte knapp und ging direkt zum Tresen. Walter folgte ihm langsam, begab sich zur Zapfanlage und hob lediglich fragend eine Augenbraue. Marek nickte, woraufhin der Wirt nach einem Humpen griff und Bier hineinlaufen ließ.

„Bist früh heute“, murmelte er.

„Hab frei.“

„Das ist doch schön.“ Walter stellte das Glas ab, legte die Unterarme verschränkt auf die Tresenfläche und beugte sich in deutlicher Plauderlaune vor. „Du bist doch Tänzer, richtig?“

„Mhm.“

„Chance, mal ein paar vergünstigte Karten zu bekommen? Mein Gatte und ich haben bald Hochzeitstag. Wäre ein Klasse Geschenk.“

„Du und Ballett?“ Marek musste schmunzeln.

„Ja und? Sehe ich aus wie ein Althippie?“ Der Wirt richtete sich auf, füllte das Glas und stellte es anschließend vor Marek hin.

„Ehrlich? Ja.“ Grinsend setzte er das Bierglas an die Lippen und ließ den ersten Schluck genüsslich in seine Kehle laufen. Den Schaumbart wischte er nachlässig mit dem Handrücken weg.

„Ich bin früher gern in die Oper gegangen“, verteidigte sich Walter, nahm seine Plauschposition wieder ein und seufzte. „Seit ich die Kneipe habe geht das aber nicht mehr. Keine Zeit.“

„Das ist Mist. Irgendwie kenne ich das Problem.“

„Mhm. Wenigstens hat mein Schatz mich zu zwei Ruhetagen überreden können. Man lebt ja nicht ewig, nicht wahr?“

Der philosophische Themenwechsel gefiel Marek nicht. Als nächstes würde Walter ihm wohl auch noch aus seinem Eheleben erzählen und darauf konnte er wirklich verzichten.

„Ich guck mal, was ich machen kann“, lenkte er schnell ab. „Wann kommt Jannis?“

„Der hat frei. Seth kommt gegen sechs.“

„Seth?“

„Niedlicher kleiner Bursche. Wird dir gefallen.“

Die Tür ging auf und ein Schwall Gäste strömte herein. Marek war erleichtert, dass Walters Aufmerksamkeit nun anderweitig benötigt wurde. Normalerweise wechselte er nur ein paar Worte mit dem Wirt und das gerade eben glich schon fast einem tiefsinnigen Gespräch. Reden wurde überbewertet, er zog Schweigen vor. Während er einen weiteren Schluck trank, musterte er die Neuankömmlinge. Ach nein? War das da nicht Jan, der ehemalige Solist? Marek war dem Tänzer schon früher mal begegnet und erinnerte sich, dass der Mann eigentlich ganz nett war. Himmel Herrgott! Das Alleinsein schlug ihm wohl wirklich aufs Gehirn. Seit wann fand er Menschen nett?

Nach dem Bier stieg er auf Mineralwasser um. Während der Saison trank er selten. Früher hatte er sich oft betrunken, aber da war er noch jung und fit gewesen. Aktuell war er immer noch fit, doch inzwischen kostete das Training ihn viel Kraft.

Marek war eben über dreißig und das machte sich bemerkbar, jedenfalls was Muskeln und Sehnen betraf. Was seine Libido anging, könnte er als Jüngling durchgehen. Apropos: Gerade kam ein süßer Kerl zur Hintertür herein, ging zum Tresen und verstaute seine Jacke in einem Fach darunter.

Marek suchte Blickkontakt. Der Mann reagierte sofort, lächelte ihm zu und hielt fünf Finger hoch. Aha. Also brauchte er fünf Minuten, bis er bereit war. In Mareks Schritt ging der Countdown los. Vielleicht war dieser Seth zu mehr als Blasen bereit. Vorfreudig leckte er sich über die Lippen, kippte den Rest Wasser in einem Zug runter und schob das Glas als stumme Aufforderung über den Tresen.

Schweigend füllte Walter nach, wandte sich wieder weiteren Neuankömmlingen zu. Mareks Blick wurde wieder von Jan angezogen. Mit einem Südländer und einem Braunhaarigen saß der Ex-Kollege an einem Tisch und schien sich prächtig zu unterhalten. Hatte Jan zwei Lover? Oder waren das nur platonische Freunde? In diesem Moment lachte Jan laut auf, gab erst dem dunkelhaarigen Kerl einen Kuss, dann beugte er sich vor und küsste den anderen. Wieso hatte der verflixte Tänzer zwei Männer, er selbst nicht mal einen? Marek runzelte die Stirn. Seine Gedanken gingen gerade merkwürdige Wege. Er musste an Juri denken, an das Gefühl, diesen Kerl haben zu wollen. Am Ende hatte es sich zwar als Strohfeuer entpuppt, doch die Erinnerung an die verzehrende Sehnsucht war geblieben. Das verursachte wohl das Loch in seinem Inneren. Könnte ein einzelner Mann es ausfüllen? Oder brauchte er auch zwei, so wie Jan? Und welcher Kerl würde es mit ihm aushalten? Halt! Welchen könnte er selbst ständig ertragen?

„Ich wäre dann so weit“, flüsterte jemand an seinem Ohr.

Marek fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Er war so tief in seine Gedanken versunken gewesen, dass er Seths Herannahen gar nicht bemerkt hatte. Seine Lust war auch gerade im Keller.

„Fickst du?“, fragte er leise.

„Kommt drauf an.“

„Sind 100 okay?“

„Mhm. Geh vor, ich komm gleich nach.“ Seth lächelte ihm zu, huschte zu einem Tisch und nahm eine Bestellung auf.

Inzwischen war der Lila Leguan voll. Stimmengewirr erfüllte die Luft. Obwohl ihm gleich ein Fick winkte, überschlug Marek aus purer Gewohnheit die Anzahl der Gäste, multiplizierte sie mit deren Konsum und kam auf ein stattliches Ergebnis. Das geschah ihm häufig. Also: Diese betriebswirtschaftlichen Anwandlungen. Immer, wenn er auf den Weihnachtsmarkt ging, zählte er die Leute an den Glühweinständen und errechnete den Umsatz. Das Gleiche geschah, wenn er irgendwo einen Würstchenstand erblickte. Er hatte sogar schon mal auf einer Bank gegenüber einem mobilen Eisverkäufer Platz genommen, um dessen stündliche Einnahmen zu errechnen. Ganz schön kaputt! Allerdings hatte ihm Rechnen schon immer gelegen.

Marek schob sich vom Hocker, drängelte durch die Gästeschar zu den Toiletten und fand zu seinem Ärger alle Kabinen besetzt. Zudem stank es wie im Schweinestall. Irgendwie war das absolut abtörnend. Als Seth den Raum betrat, rümpfte auch der die Nase.

„Später?“, fragte Marek.

„Ja. Das geht gar nicht.“ Im Nu war Seth wieder verschwunden.

Marek erleichterte seine Blase an einem der Pissoirs, wusch sich die Hände und musterte noch einmal verärgert die Klokabinen. Konnten die verdammten Kerle nicht zu Hause kacken?

Auf dem Rückweg zum Tresen passierte er den Tisch, an dem Jan mit seinen Lovern saß. Aus irgendeinem Grund blieb Marek stehen, sah lächelnd auf den Ex-Kollegen runter und fragte: „Hallo. Darf ich mich zu euch setzen?“

Überrascht guckte Jan hoch, erkannte ihn und wies auf den freien Platz. „Klar. Hallo. Lange nicht gesehen.“

„Ich hol schnell mein Glas.“ Marek wusste nicht, was ihn zu dieser für ihn total ungewöhnlichen Aktion trieb. Er hatte sich plötzlich unwohl gefühlt, so allein zwischen den ganzen plaudernden Menschen. Mit dem Mineralwasser kehrte er zurück, setzte sich neben den Braunhaarigen und gleich ging es ihm besser. „Ich bin Marek“, stellte er sich seinem Nachbarn vor, sah dann zu dem Südländer und wiederholte: „Angenehm. Marek.“

„Das ist Geo …“, nahm Jan die Vorstellung vor. „… und das Austin.“

„Du bist also Marek.“ Der Südländer, der ihm gerade als Geo vorgestellt worden war, runzelte die Stirn. „Hab schon von dir gehört.“

„Geo! Lass das bitte!“ Jans Stimme war erstaunlich fest. So kannte Marek den Ex-Kollegen gar nicht. Allerdings würde ihn schon interessieren, wieso Geo von ihm Kenntnis hatte.

„Bist du Ballettfan?“, fragte er.

„Ich bin Inhaber mehrerer Firmen, unter anderem einer, die Personenschutz vermittelt.“

Marek starrte Geo an. Personenschutz? Klingelte da was bei ihm? Oha! Hatte Juri den Mann engagiert? War dessen Freund in Wirklichkeit ein Bodyguard? Von der Statur her passte das schon.

„Ähm. Könnten wir bitte Klartext reden? Ich bin nicht gut im Raten“, bat er leise.

„Okay.“ Sein Nachbar beugte sich leicht rüber. „Du bist der Typ, der Juri Angst gemacht hat, richtig?“

Scheiße! Da hatte Marek sich ja richtig ins Wespennest gesetzt. Aufstehen und Weggehen war sein erster Impuls, doch dann blieb er sitzen. Es hätte feige ausgesehen.

„Sieht so aus. Ich nehme an, dass der Riese also sein Bodyguard ist, nicht sein Freund?“, stellte er fest.

„Das sieht inzwischen so aus, dass Bertram und Juri tatsächlich ein Paar sind. Irgendwie dein Verdienst.“ Jan grinste breit.

„Meiner?“ Als Beziehungsstifter zu fungieren war fremd. Fühlte sich aber gar nicht so übel an. Jedenfalls besser, als die Rolle des fiesen Stalkers.

„Mir gefällt das Ergebnis. Die beiden sind absolut Zucker.“ Das kam von Austin.

„Dann wurde mir also verziehen?“, fragte Marek zynisch.

„Also, ich bin nicht nachtragend“, meldete Geo sich zu Wort.

„Ich nur ein bisschen“, gab Jan zu.

„Ich denke, du bist ganz in Ordnung“, sagte Mareks Tischnachbar, schlug ihm auf die Schulter und wechselte dann spontan das Thema: „In Tod in Venedig warst du brillant.“

Sie plauderten eine Weile über die Hamburger Staatsoper und Marek vergaß ganz, dass er eigentlich nur für einen Blowjob hergekommen war. Er vergaß sogar seine Redefaulheit. Geo und Austin waren ganz nach seinem Geschmack: Nüchterne Geschäftsleute mit einem Faible fürs Ballett, trockenem Humor und überaus sympathisch. Wegen seines Berufes war er bisher nie auf solche Menschen getroffen, wie auch? Sein Leben spielte sich in Trainingsräumen und auf der Bühne ab, ansonsten nur in seiner Wohnung und selten, so wie jetzt, in einer Kneipe.

Irgendwann tippte Seth ihm auf die Schulter. „Hast du noch Interesse?“, flüsterte der Mann ihm ins Ohr.

Marek überlegte kurz. „Ja“, entschied er, lächelte in die Runde und stand auf. „Bin gleich wieder da.“

Dass seine Gesprächspartner wissend grinsten, störte ihn nicht. Immerhin waren sie alle in der gleichen Situation, also warum sollte er sich für seine Bedürfnisse schämen? Seth wies mit dem Kinn zu den Toiletten und verschwand wieder zwischen den Gästen. Diesmal waren alle Kabinen frei, nur ein Mann stand an den Pissoirs. Marek wusch sich die Hände, kontrollierte sein Aussehen im Spiegel und betrachtete überrascht seine funkelnden Augen. Normalerweise trug er eine betont gelangweilte Miene zur Schau. Offenbar hatten die drei Männer ihm gutgetan, ohne dass er sich dessen bewusst geworden war.

Seth kam herein, steuerte die hintere Zelle an und Marek folgte ihm in die enge Kabine. Wortlos reichte er dem Kerl einen Schein, den der Stricher in die Hosentasche stopfte, die Jeans öffnete und sich übers Klobecken beugte. Marek holte seinen Schwanz hervor, machte ihn mit wenigen pumpenden Bewegungen hart, rollte ein Kondom über, anschließend prüfte er mit einem angeleckten Finger die enge Öffnung. Seth war entspannt. Er konnte mühelos eindringen und legte gleich los. Sein erster richtiger Fick seit langem, daher kam er sehr schnell. Marek musste sich einen Moment an Seths Hüften festhalten, bis er wieder klar denken konnte. Erst dann zog er sich zurück, half dem Stricher hoch und entsorgte das Kondom. Seth war voll erigiert. Erstaunt guckte Marek zu, wie der Mann seinen harten Schwanz ungerührt in der Jeans verstaute.

„Das ist für den nächsten“, erklärte Seth grinsend. „Hab schon eine Bestellung für die Latte.“

Das Kerlchen gefiel ihm. Seth war blond, sexy und besaß ein ausnehmend hübsches Lächeln. Sicher würde er noch öfter auf die Dienste des Mannes zurückgreifen. Marek wusch seine Hände, kehrte ins Lokal zurück und begab sich wieder zu den drei Männern. Sie redeten noch eine Weile, dann brachen seine Gesprächspartner auf. Erstaunt stellte er fest, dass es inzwischen nach zehn war. Die Zeit war wie im Fluge vergangen, zumindest nachdem er sich an den Tisch gesetzt hatte.

Er beglich seine Zeche, fuhr nach Hause und das Gefühl der Leere war plötzlich erträglich. Ob das an dem Fick oder an der netten Runde lag, konnte er nicht genau sagen. Marek war einfach froh, dass sein Ausflug erfolgreich gewesen war.



2.

Am nächsten Tag stieß ein neuer Tänzer zum Ensemble. Theo, der Leiter der Kompagnie, stellte den Mann kurz vor, aber Marek bekam nur den Vornamen mit: Eike. Er war wie gebannt von den blauen Augen. Braune, kurze Haare standen um ein feingeschnittenes Gesicht in alle Richtungen. Erst als jemand gegen ihn rempelte, weil er zur Salzsäule erstarrt mitten im Weg stand, kam wieder Bewegung in Marek.

Während des Trainings war er überaus konzentriert, einfach aus langer Übung heraus, doch danach richtete sich sein Fokus ausschließlich auf Eike. Als dessen Paten hatte Theo Aljoscha ernannt. Das war so üblich bei Neuen, damit sie sich gut einfügten. Immer, wenn Aljoscha Eike am Arm nahm, ihm etwas zuflüsterte, bohrte sich ein Stachel giftiger Eifersucht in Mareks Herz.

Als sie bei der Vorstellungsrunde in der Garderobe bei ihm ankamen, kochte er vor Wut.

„Das ist Marek, unser Solist“, stellte Aljoscha ihn vor.

„Freut mich.“ Eike streckte eine Hand aus und Marek ergriff sie. Ein Kribbeln lief über seine Finger, den Arm hoch bis zur Schulter. Fühlte Eike das auch? Dessen Miene drückte reine Freundlichkeit aus, sonst nichts.

„Willkommen“, murmelte Marek und rieb sich heimlich die Hand, als die beiden zum nächsten Kollegen gingen.

Für Eike erfüllte sich ein Traum. Er hatte schon immer zum Hamburger Ballett gehören wollen und nun, knapp vor Ende seiner Karriere – er wurde im nächsten Jahr 30 und wollte dann aufhören – war er endlich aufgenommen worden. Vielleicht würde er noch ein wenig länger machen als geplant, wenn sein Körper mitspielte.

Alle Kollegen waren nett, vor allem Aljoscha, sein Pate. Der Solist flößte ihm Ehrfurcht ein, was ein bisschen an dessen grimmigem Gesichtsausdruck lag. Flüsternd hatte Aljoscha ihn aufgeklärt, dass Marek aus der Ukraine stammte. Wahrscheinlich sollte Eike das als Erklärung für die abweisende Haltung dienen. Er kannte jedoch andere Ukrainer, die ein offenes Wesen hatten und beschloss, Marek in jedem Fall aus dem Weg zu gehen.

Zurzeit lief noch der Nussknacker und da Eike erst für das folgende Spiel, die Winterreise, vorgesehen war, brauchte er bei den Vorstellungen nicht anwesend sein. Er zog es dennoch vor,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2014
ISBN: 978-3-7368-5245-7

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