Männliche Balletttänzer sind überaus geeignetes Anschauungsmaterial für visuell veranlagte Menschen. Nicht nur Frauen mögen die guten Proportionen, auch Männer wissen sie durchaus zu schätzen.
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos
Foto: depositphotos, shutterstock
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Geo und Austin wollen den gleichen Tänzer, aber will der überhaupt einen von ihnen? Oder gar beide? Die zwei sind sich nicht grün, jedenfalls glauben sie das. Wird Jan sich entscheiden? Und wenn, für welchen der beiden starrköpfigen Kerle? Fragen über Fragen ...
Georgious Adranapopolis richtete das Opernglas auf Romeo und ergötzte sich an dem fantastischen Körper des Tänzers. Kein Gramm Fett, alles schieres Muskelfleisch und der Arsch wirkte so hart, als würde man Nüsse darauf knacken können. Was gäbe er dafür, dieses geile Stück Fleisch in die Hände zu bekommen! Der Gedanke entfachte ein sehnsüchtiges Gefühl in seinem Schoß und der Kragen des Hemdes wurde zu eng. Genervt ließ er das Glas sinken, zupfte an seinem Schlips herum und wünschte, er könnte ihn sich vom Leib reißen. Normalerweise wäre das auch kein Problem, wenn er nur nicht so eitel wäre.
Nach einigen Minuten ließ die innere Hitze nach. Sein Blick wanderte zur gegenüberliegenden Loge. Moment! Hatte der Mann da drüben nicht schon gestern dort gesessen? Und Vorgestern? Die lässige Erscheinung war ihm schon am Vortag aufgefallen. Offenbar konnte der Kerl sich keinen Anzug leisten oder er legte keinen Wert auf Etikette. Das war wohl eher der Fall, da er sich immerhin den teuren Platz gönnte. Verärgert hob Georgious das Opernglas und musterte den Mann.
Braune Haare, ein schmales Gesicht. Zu einem Jackett trug er eine Art T-Shirt, mehr konnte Georgious nicht erkennen. Er bemerkte, dass der Kerl, genau wie er selbst, die Bühne durch ein Opernglas beobachtete. Ob er die Primaballerina anhimmelte? Romeo tanzte gerade nach links, während seine Partnerin in der Mitte verharrte. Das Glas des Gegenübers folgte eindeutig dem Tänzer. Unverschämt! Romeo gehörte ihm! Georgious hatte schon an den Vorabenden Blumen in die Garderobe schicken lassen und war bis jetzt überzeugt gewesen, dass er zum Zuge kommen würde. Immer vorausgesetzt, dass der Solist am selben Ufer fischte. Wenn der Kerl da drüben nun das Gleiche tat, sank seine Chance um genau 50 Prozent. Jedenfalls musste er den Konkurrenten ausschalten.
Bis zur Pause saß er wie auf Kohlen und widmete dem unverschämten Nebenbuhler mehr Aufmerksamkeit, als dem Tänzer. Als der Vorhang fiel, sprang er auf und begab sich auf den Gang. Halt! Was, wenn der Typ von drüben sitzenblieb? Schnell ging er zurück in die Loge und stellte zufrieden fest, dass der Platz auf der anderen Seite verlassen war.
Im Foyer herrschte Trubel. Dank seiner Größe von eins achtzig überragte Georgious viele der Besucher und konnte den Mitbewerber schon bald an dem Tresen links an der Wand ausmachen. Entschlossen steuerte er auf den unverschämten Kerl zu, postierte sich neben ihm und wartete ungeduldig ab, bis der Barkeeper die Bestellung ausgeführt hatte. Mit einem Glas bernsteinfarbiger Flüssigkeit in der Hand wandte der Mann sich ihm zu, trank und musterte ihn abschätzend. Aha! Also hatte der Kerl erkannt, mit wem er es zu tun hatte.
„Ich bin Georgious Adranapopolis“, stellte er sich der Form halber vor. „Es sieht so aus, als hätten wir das gleiche Interesse.“
„So? Welches denn?“ Der unverschämte Mann grinste, lehnte sich gelassen gegen den Tresen und zog die Augenbrauen hoch.
Wenn er nicht so fixiert auf Romeo gewesen wäre, hätte der Typ glatt sein Interesse wecken können. Aus der Nähe war er unglaublich attraktiv und das T-Shirt entpuppte sich, bei genauerem Hinsehen, als eine Art Seidenhemd ohne Kragen. Ein Bartschatten betonte die kantige Linie des Kinns und hob die schön geschwungenen Lippen hervor. Georgious riss sich aus seinen Betrachtungen und fixierte die grünen Augen des Kerls.
„Romeo“, antwortete er knapp. „Was kostet ihr Rückzug?“
„Geld? Hab ich selbst.“ Der arrogante Arsch nippte an seinem Drink. „Haben Sie ein interessanteres Angebot?“
„Geld kann man nie genug haben.“
„Ich kann nicht klagen. Sind Sie nicht dieser reiche Popel, der in Öl macht?“
Die offene Beleidigung prallte an Georgious ab. Er war schon mit ganz anderen Dingen konfrontiert worden.
„Und mit wem habe ich das zweifelhafte Vergnügen?“, fragte er herablassend.
„Austin Kummerfeld.“
Der Name sagte ihm etwas. Georgious fiel ein, dass er neulich im Internet über eine Fitnesscenter-Kette gestolpert war, die horrende Gewinne einfuhr. Muscle-Tonic war der Name und der Inhaber stand ihm gegenüber.
„Ach, der Muskel-Millionär … Für angemessene Kleidung reicht das Geld wohl trotzdem nicht.“ Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, aber so langsam wurde er fuchsig. Der Tänzer gehörte ihm. Er hatte ihn zuerst entdeckt.
„Ich bin kein Spießer und schnöder Mammon ist mir nicht wichtig. Man hat ihn oder auch nicht.“ Kummerfeld leerte sein Glas. „Auf das der Bessere gewinne“, sagte er noch, dann drehte er sich um und ließ Georgious einfach stehen.
Was für ein eingebildeter Kerl! Wutentbrannt stieg Georgious die Stufen zur Loge wieder hoch. Das Licht wurde schwächer, der Vorhang ging auf. Er griff nach dem Opernglas und starrte zur gegnerischen Partei hinüber. Dort geschah das Gleiche. Der verflixte Kummerfeld winkte sogar! Entschlossen richtete Georgious das Glas wieder auf den Tänzer, doch der Abend war verdorben.
Austin konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Dieser griechische Obermufti wirkte, als hätte er einen Stock verschluckt. Er wusste gar nicht, was er lustiger fand: Die steife Haltung oder die Forderung, gegen Geld die Finger von dem geilen Tänzer zu lassen. Eine gewisse Attraktivität strahlte der Grieche schon aus, aber Austin bevorzugte lockere Männer und im Moment hatte er sich auf Romeo eingeschossen. Der bürgerliche Name des Tänzers war Jan Sander. Er war einfach hinreißend und passte haargenau in sein Beuteschema. Austin stellte sich vor, wie es wäre, mit dem blonden Kerl über verschwitzte Laken zu rollen und seufzte sehnsüchtig.
Vor rund 10 Jahren hatte er mit seinem damaligen Partner das erste Fitnesscenter eröffnet. Schon bald folgte das zweite, das dritte, das vierte. Austin war erst Ende zwanzig gewesen und hatte all seine Kraft in die Läden gesteckt. Ein 12-Stunden-Tag war eher die Regel als die Ausnahme gewesen. Darüber war die Partnerschaft ins Trudeln geraten und da er sich ohnehin eher als polygam sah, hatte er seinem Freund keine Träne nachgeweint, als der sich nach 5 Jahren sowohl geschäftlich als auch privat von ihm trennte. Weitere harte Zeiten folgten und dann, vor zwei Jahren, kam der Durchbruch. Seitdem liefen die Geschäfte wie verrückt und inzwischen besaß Austin in Hamburg 11 gutlaufende Center und im norddeutschen Raum weitere Läden. Immer noch arbeitete er hart, jedoch weit weniger als vorher. Daher hatte er sich auch das Opern-Abonnement gegönnt und frönte nun seiner Leidenschaft fürs Ballett, was ihm vorher nie gegönnt war.
Im nächsten Jahr würde er 40 werden und manchmal sehnte er sich zurück in die Zeit, als er noch nicht allein gewesen war. Das geschah immer dann, wenn er zu viel grübelte. Im Grunde war er für eine monogame Partnerschaft nicht der Typ, aber ein wenig Beständigkeit und jemand, der ihn einfach mal in den Arm nahm, fehlte schon. Nur wie sollte das gehen? Austin nahm das Opernglas hoch, betrachtete Romeo und schwenkte dann wieder zu der Loge seines Kontrahenten. Mann! Wie konnte man nur so grimmig gucken? Er musste schon wieder lachen und als der letzte Vorhang fiel, fühlte er sich beschwingt. Auch wenn der Tänzer ihn nicht erhörte, war der Konflikt mit dem starrköpfigen Griechen überaus amüsant.
Am nächsten Abend wartete Austin vor dem Opernhaus, bis er Adranapopolis herannahen sah. Er stellte sich dem Kerl in den Weg. Ein empörter Blick mit arrogant hochgezogenen Augenbrauen ließ seinen Bauch vor freudiger Erwartung kribbeln. Wieder trug der Grieche einen eleganten Zweireiher, mit korrekt gebundener Krawatte. Wie mochte er erst mit Fliege und Smoking aussehen? Puh! Geiles Kopfkino. Austin zwang sich in die Realität zurück.
„Was ist, wenn Romeo keinen von uns will?“, fragte er lauernd.
„Remis“, kam es trocken zurück.
„Und wenn er uns beide will?“
„Ich teile nicht.“
„Wie gesagt: Möge der Bessere gewinnen“, gab Austin sich kämpferisch, allein um den eingebildeten Kerl zu provozieren.
„Oder der Größere“, konterte Adranapopolis und lenkte seinen Blick deutlich auf Austins Schritt.
„Dann können Sie einpacken.“ Grinsend starrte er auf die lockere Anzughose des Griechen.
„Wir werden sehen.“ Der Mann drängelte sich vorbei und verschwand im Inneren des Opernhauses. Austin schlenderte langsam hinterher. Bisher hatte er die Ballettabende ausschließlich wegen des Tänzers, der Darbietung und Musik genossen, nun hatte er einen neuen Fetisch. Den stocksteifen Griechen zu ärgern, machte Spaß und versprach einiges an amüsanter Unterhaltung. Immerhin, zwei Wochen hatten sie noch, bis das Stück abgesetzt wurde.
~ * ~
Schon wieder zwei üppige Blumensträuße. Jan stöhnte genervt, fischte die Karte aus dem Ersten, las und wusste schon, was im zweiten steckte. Offensichtlich lieferten sich hier zwei Geldadlige ein Duell um ihn. Erschöpft sank er auf den Hocker vorm Schminktisch, streifte die Ballettschlappen ab und rieb aus purer Gewohnheit seine rechte Wade. Im letzten Jahr hatte er einen Muskelfaserriss erlitten und seitdem war klar, dass seine Karriere bald enden würde. Mit 32 war er eh an dem Punkt, wo es langsam zu anstrengend wurde. Jan hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Nach dieser Saison wollte er eine Auszeit nehmen und seine Zukunft neu planen. Ihm graute davor. Mit dem Training, den Auftritten und den Schmerzen kam er klar, aber nicht mit der Ungewissheit und seiner eigenen Unruhe. Wenn er doch nur wüsste, was er eigentlich wollte.
Das war wie mit den beiden Rosenkavalieren. Der eine war ein griechischer Mogul, der andere ein reicher Fitnesscenter-Besitzer. Im Prinzip gefielen ihm beide nicht, jedenfalls was die Blumen anging. Die Kärtchen waren nichtssagend, die gekritzelten Nachrichten auch, wobei die Schrift des Griechen anziehender war. Gestochen scharf und dominant. Dieser Austin schrieb runder, kaum lesbar, dafür waren die Texte interessanter.
„Ich bewundere Sie“, schrieb der Grieche, während Austin kritzelte: „Du bist ein Ausnahmetalent. Lust auf einen Drink?“
Bisher hatte Jan sich nicht entscheiden können, ob er überhaupt einem der beiden begegnen wollte. Immer, wenn er nach einem Akt von der Bühne abging, war sein Blick anschließend über die Logen und das Parkett gewandert. Hinter dem Vorhang verborgen, hatte er die infrage kommenden Männer gemustert und nach einer Woche war klar gewesen, dass sich seine Verehrer links und rechts in den Logen befinden mussten. Dort saßen immer die gleichen Besucher und inzwischen war Jan sicher, dass sich rechts der Grieche und links der andere befand. Das dunkle Haar, die Hakennase und die korrekte Kleidung hatte den einen entlarvt, daher musste der andere dieser Austin sein.
„Geiles Gemüse“, rief Karl und grinste ihm im Spiegel zu, als er hinter Jan vorbei zu seinem Platz lief.
„Geschmacklos“, murmelte Juri, nahm auf dem Hocker neben Jan Platz und starrte auf seinen leeren Tisch.
„Willst du einen Strauß abhaben?“, bot Jan, dem die Enttäuschung des Kollegen wehtat, sogleich an.
Juri war begabt, jung und hatte noch eine steile Karriere vor sich. Dass ihm nie Avancen gemacht wurden lag sicher daran, dass er in der Menge unterging.
Er besaß eben noch nicht genug Ausstrahlung, um die Zuschauer auf sich aufmerksam zu machen. Später, da war sich Jan sicher, würde sich das noch entwickeln. Juri hatte Ehrgeiz und eine natürliche Eleganz, die ihn selbst schon jetzt überzeugte.
„Nö. Lass mal.“ Juri zog sich mit raschen Bewegungen aus, kramte ein Handtuch aus seinem Rucksack hervor und ging in Richtung Duschen.
Der Kollege war schwul, genau wie noch zwei weitere Ensemblemitglieder. Das war kein Problem und es gab keine Anfeindungen. Jan machte aus seiner sexuellen Ausrichtung kein Geheimnis, trug sie aber auch nicht offen vor sich her. Er liebte seine Ruhe und wollte eh nur tanzen, nicht mit den Kollegen herumklüngeln.
Eine halbe Stunde später war er frisch geduscht und trug normale Straßenklamotten. Einige Tänzer hatten die Garderobe schon verlassen. Er gehörte meist zu den letzten, weil er es einfach hasste, sich abzuhetzen.
„Jan? Besuch für dich.“ Juri stand in der offenen Tür und grinste über die Schulter. „Bis morgen.“ Er trat auf den Gang hinaus, wobei er die Garderobentür hinter sich zuzog.
Jan seufzte, nahm seinen Rucksack hoch und grüßte in die Runde: „Schönen Abend.“ Wer machte ihm seine Aufwartung? Der Grieche oder der andere? Er öffnete die Tür, linste in den Flur und entdeckte den Fitnessmann, Austin Kummerfeld, wenn er sich recht erinnerte. Der Kerl lächelte ihm überaus liebenswürdig entgegen, hatte die Hände lässig in die Hosentaschen gestopft und stieß sich von der Wand ab, als Jan aus der Garderobe trat.
„Hallo, ich bin Austin. Du warst heute noch besser als sonst. Lust auf einen Drink?“
Warum eigentlich nicht? Die Anmache war geradezu feinsinnig. In den drei Sätzen war noch nicht vom Bett die Rede, auch wenn’s am Ende auf das Gleiche hinauslief. Tänzer waren beliebte Bettgenossen und im Prinzip hatte Jan auch nichts dagegen, gelegentlich ein wenig Sex zu haben. Immerhin brauchte er sich nicht mühsam einen Partner suchen, sie servierten sich sozusagen selbst auf dem Silbertablett.
„Gern. Wo soll’s hingehen?“ Er schwang sich den Rucksack über die Schulter, nickte mit dem Kinn nach rechts, in Richtung Bühnenausgang und wartete, dass Austin sich in Bewegung setzte.
„Ganz in der Nähe ist eine Bar.“
Langsam schlenderte der Mann auf ihn zu und als sie auf gleicher Höhe waren, passte sich Jan dem gemächlichen Tempo an. Ein Hauch verführerischen Duftes umgab Austin. Aus dem Augenwinkel stellte er fest, dass der Mann nicht nur gut roch, sondern auch verdammt gut aussah. Er schätzte ihn auf Ende dreißig, gemessen an den leichten Fältchen neben Mund und Augen. Die braunen Haare waren gekonnt verstrubbelt und die Kleidung für einen Operngänger ungewöhnlich lässig.
„Stört es dich, wenn ich dich duze?“, fragte Austin, während sie hintereinander auf die Straße hinaustraten.
„Etwas anderes würde kaum zu dir passen.“ Jan sog die frische Luft tief in seine Lunge, guckte unschlüssig erst nach links, dann nach rechts. „Wo lang?“
Austin wandte sich nach links. Sie gingen ein paar Meter am Opernhaus entlang, trafen auf die Hauptstraße und überquerten sie. Nach wenigen Schritten erreichten sie eine hellerleuchtete Bar. Höflich überließ Austin ihm den Vortritt.
Es war bereits nach elf und obwohl es ein Wochentag war, saßen verhältnismäßig viele Gäste am Tresen oder den kleinen Tischen. Jan steuerte einen leeren Platz in einer Nische an, hängte den Rucksack über die Stuhllehne und streifte die dicke Lederjacke ab. Austin nahm gegenüber Platz, warf einen kurzen Blick auf die Getränkekarte und fragte: „Was willst du trinken?“
„Für mich nur Wasser, bitte.“
„Ein Pils und ein Mineralwasser“, sagte Austin zu dem eifrig herangeilten Kellner. „Trinkst du nie?“, wandte er sich an Jan.
„Doch. Aber wenn ich jetzt Alkohol trinke, schlafe ich im Sitzen ein.“
„Ups! Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl? Ist meine Gesellschaft so langweilig?“ Austin verzog gespielt enttäuscht das Gesicht.
„Kann ich noch nicht beurteilen.“
„Haben dir die Blumen gefallen?“
„Ehrlich, jetzt? Nicht besonders. Viel zu protzig und außerdem mag ich keine Nelken“, antwortete Jan geradeheraus.
Der Ober brachte die Getränke. Austins Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, während der Mann die Gläser auf dem Tisch abstellte. Als der Kellner außer Hörweite war, erwiderte er: „Ich hätte die Blumen selbst aussuchen sollen. Dir hätte ich wahrscheinlich besser eine einzelne Rose geschickt. Du bist ganz schön dornig.“
„Nur, weil ich meine Meinung offen sage?“
„Genau. Aber was ist vom Star des Ensembles auch anderes zu erwarten?“
„Jedenfalls bedarf es mehr als ein paar bunter Blüten, um mich ins Bett zu kriegen.“ Jan hob das Glas an die Lippen und zwinkerte Austin zu. „Und darum geht es ja, nicht wahr?“
„Im Endeffekt schon. Trotzdem bin ich neugierig auf dich. Wolltest du schon immer Tanzen?“
„Wenn du damit meinst, dass ich schon als kleiner Junge vor dem Spiegel Pirouetten gedreht habe, täuschst du dich. Eigentlich wollte ich erst Sänger werden und hab jeden verdammten Popsong mitgeschmettert, bis es meiner Familie zu viel wurde. Also hab ich mich für den stummen Ausdruck entschieden.“
„Du kannst nicht singen?“, mutmaßte Austin.
„Absolut nicht, dafür aber mit Inbrunst. Keine Karaoke-Bar ist vor mir sicher.“
„Käme auf einen Versuch an.“ Austin lachte, trank einen Schluck und Jan merkte, wie er sich immer mehr entspannte. Sein Begleiter schien nett zu sein, keiner dieser reichen Schnösel, die glaubten, sie könnten ihm mit Geld imponieren. „Ich würde dich gern mal zum Essen einladen“, meinte Austin, lehnte sich zurück und betrachtete ihn unter halbgesenkten Lidern. „Oder ist dir das zu plump?“
„Plump wäre, wenn du mich in dein Bett einladen würdest, ohne mich vorher auszuführen. Leider hab ich während der Saison kaum Zeit, daher wird das schwierig.“ Jan seufzte. „Noch zwei Wochen, dann wird das Stück abgesetzt. Einerseits bin ich froh, andererseits auch nicht.“
„Wieso?“
Sollte er mit einem völlig Fremden die Sorge um seine Zukunft teilen? Wohl kaum. Jan entschied sich für eine Ausrede. Wieso hatte er auch unbedacht drauflos geplappert? Er sollte sich besser unter Kontrolle halten.
„Es ist immer komisch, wenn etwas zu Ende geht, wofür man so lange gearbeitet hat.“
„Das verstehe ich. Manchmal kann ich immer noch nicht begreifen, dass ich den Aufbau meiner Studios hinter mir habe. Irgendwie fehlt etwas. Nennen wir es den Pioniergeist.“
„Du hast das allein geschafft? Wow!“ Anerkennend lächelte Jan seinem Gegenüber zu. Natürlich hatte er im Internet sowohl den Griechen, als auch Austin etwas ausspioniert. Man wollte schließlich wissen, mit wem man es zu tun bekam.
„Nicht ganz. Anfangs waren wir zu zweit. Dann wollte mein Partner aussteigen und ja, seitdem habe ich den Laden allein aufgezogen. Aber es war mehr Glück, als Verstand.“
„Bescheidenheit steht dir.“ Jan gluckste amüsiert.
„Danke. Muss ich dich so verstehen, dass ich mich zwei Wochen zu gedulden habe?“
„Sonntag ist mein freier Tag. Ich könnte ihn für dich reservieren.“
„Bitte! Das ist zwar noch ewig hin, aber ich übe mich in Geduld.“ Austin schmunzelte, funkelte ihn aus seinen grünen Augen an und trank das Glas leer. „Ich will dich nicht länger langweilen. Darf ich dich nach Hause bringen?“
„Du langweilst mich nicht. Müde bin ich aber schon. Ich nehme dein Angebot mal ganz frech an.“
Auf dem Weg zu Austins Wagen stellten sie fest, dass sie nur wenige Straßen voneinander entfernt wohnten. Jan war erleichtert, da ihn schon ein schlechtes Gewissen plagen würde, wenn Austin einen Umweg hätte machen müssen. So aber war es perfekt. Er mochte es nicht besonders, nachts mit der Bahn zu fahren, zudem taten seine Füße weh.
Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten, sagte ein Freund von ihm stets. Da Jan keinen Schimmer hatte, was er sagen sollte, schwieg er. Austin schien das nicht zu stören. Sicher lenkte er die Mercedes-Limousine durch die Straßen, hielt vor Jans Wohnhaus und ließ den Motor laufen.
„Also haben wir am Sonntag ein Date?“, fragte er leise.
„Ja, haben wir. Wann und wo?“
„Ich hole dich um sieben ab, wenn das für dich okay ist.“
„Das passt. Dann … schönen Abend.“ Jan stieg aus, schlug die Tür zu und sah dem davonfahrenden Wagen hinterher. Austin gefiel ihm. Eigentlich hatte er damit gerechnet, noch in dieser Nacht in dessen Bett zu landen und der Gedanke war ihm gar nicht einmal so abwegig erschienen. Schon oft hatte er seelenlosen Sex gehabt, warum also nicht mit einem attraktiven Mann wie Austin? Dass sie es langsamer angingen, machte Hoffnung. Vielleicht war sein Ritter in schimmernder Rüstung endlich aufgetaucht. War das nicht schon immer sein Wunschtraum gewesen, seit er als Kind Prinz gespielt hatte? Grinsend ging Jan auf die Haustür zu.
Irritiert beobachtete Georgious die gegenüberliegende Loge. Sein Kontrahent gab auf? Er hatte sich so sehr daran gewöhnt, von Kummerfeld Paroli zu erhalten, dass dessen plötzliche Abwesenheit schal schmeckte. Vergeblich versuchte er, sich auf den Tänzer zu konzentrieren.
Immer wieder schwenkte er das Opernglas von der Bühne weg, hoch zu dem leeren Sitzplatz. Vielleicht erschien die Konkurrenz erst nach der Pause, schließlich hatten sie beide das Stück inzwischen unzählige Male gesehen.
Doch auch während der zweiten Hälfte der Aufführung blieb die Loge verwaist. Georgious Blick wanderte zu der Rose, die, sorgfältig in Zellophan verpackt und mit einem Wasserreservoir versehen, auf dem Platz neben ihm lag. Eigentlich hatte er damit gerechnet, bei seiner Werbung von Kummerfeld weiterhin behindert zu werden, aber so war es natürlich viel besser. Er würde die Gunst der Stunde nutzen.
Nach dem letzten Vorhang verharrte er eine Weile in der Loge, schlenderte dann hinunter ins Foyer und betrat den Gang, der zu den Garderoben der Künstler führte. Vor dem Umkleideraum der Primaballerina tobte ein regelrechter Auflauf. Auf der anderen Seite war weniger los. Ein paar weibliche Fans lungerten vor der Herrengarderobe herum. Georgious hielt sich im Hintergrund, bis die Damen befriedigt abgezogen waren. Nach ein paar weiteren Minuten Karenzzeit, klopfte er an die Garderobentür und legte sich dabei die einstudierten Worte zurecht.
„Ist Herr Sander zu sprechen?“, fragte er den Kerl, der den Kopf zur Tür herausstreckte.
„Jan? Hier ist jemand für dich!“ Der Mann verschwand und an dessen Stelle tauchte Romeo auf.
„Ja bitte?“
Anscheinend war der Tänzer nicht bekleidet, denn auch er lugte nur durch den Türspalt. Georgious ärgerte sich, dass er nicht länger gewartet hatte. So gefiel ihm die Situation überhaupt nicht. Er zeigte Sander die Rose und räusperte sich umständlich. „Ich würde Sie gern auf einen Kaffee einladen.“ Wo waren all die schönen Worte hin? Er verfluchte sich innerlich dafür, nur so einen blöden Satz herauszubekommen, aber dem sexy Tänzer direkt gegenüberzustehen war selbst für einen gestandenen Mann wie ihn irritierend.
„Ich muss mich noch umziehen. Wenn Sie warten wollen?“
„Ja. Möchte ich.“ Wie ein Idiot stand er da, die Hand mit der Rose ausgestreckt und wild klopfendem Herzen.
„Gut. Ich beeile mich.“ Sander schnappte sich die Rose, wofür er einen nackten Arm durch den Türspalt stecken musste. „Bis gleich.“
Die Tür klappte zu. Georgious atmete auf. Die erste Hürde war genommen. Normalerweise machte er Balletttänzern keine Avancen, Jan Sander war der erste. Eigentlich machte er Männern überhaupt nie Avancen, sie kamen von selbst zu ihm. Als reicher Mann war er stets umgeben von einer Traube Anhänger, egal wo er auftauchte. Das Szenario langweilte ihn inzwischen und die Speichellecker ohnehin. Er wollte etwas Neues, Frisches erleben und nicht nur wegen seines Geldes angehimmelt werden. Es klang vielleicht blöde, aber er wollte um seiner selbst willen gemocht werden.
Georgious lehnte sich gegen die Wand und beobachtete das Treiben um ihn herum. Gegenüber kamen, eine nach der anderen, die Tänzerinnen aus der Garderobe und ihn streifte der eine oder andere interessierte Blick. Er hatte im Laufe der letzten Jahre gelernt damit umzugehen und wich ihnen aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit trat endlich Sander auf den Gang, schulterte seinen Rucksack und machte einen Schritt auf ihn zu.
„Wo soll’s hingehen?“
„Hier in der Nähe gibt es eine gemütliche Bar. Es sind nur ein paar Schritte.“ Georgious löste sich von der Wand. „Danke, dass Sie mir ein wenig ihrer kostbaren Zeit schenken.“
Der Tänzer runzelte kurz die Stirn, grinste und zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Darf ich Ihren Namen erfahren?“
Aua! Was für ein Fauxpas! Georgious nahm unbewusst Haltung an und streckte die Hand aus. „Georgious Adranapopolis. Freunde nennen mich Geo.“
„Angenehm. Ich bin Jan.“
Schmale, warme Finger drückten kräftig zu und ließen viel zu schnell wieder los. Georgious spürte ein Kribbeln, das sich bis zu seiner Schulter fortsetzte. Der Tänzer hatte eine atemberaubende Ausstrahlung und es kostete ihn redlich Mühe, eine unbeteiligte Miene beizubehalten. Während der Wartezeit hatte er festgestellt, dass die anderen alle nach rechts verschwunden waren, daher nahm er an, dass sich dort
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
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Tag der Veröffentlichung: 22.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4997-6
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