Cover

Sascha Scheiblette – Schachzüge eines Presseopfers

 


Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten sind rein zufällig.


Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.


Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.


Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!


Text: Sascha Scheiblette
mit freundlicher Unterstützung von Sissi Kaiserlos


Foto : shutterstock 22948918

 

Schachzüge eines Presseopfers

 

Louis arbeitet als Journalist in einem Verlagshaus. Vorzugsweise schreibt er Kolumnen, doch als er eine Serie über Sex im Büro schreiben soll, gerät er an seine Grenzen. Ein schwuler Mann findet es eben nicht erregend, über Mösen und Möpse zu philosophieren. Zum Glück lässt der Chef sich überzeugen und Louis darf über Männer fantasieren. Da kommt ihm der neue Kollege Dion gerade recht, um ein paar nette Dinge auszuprobieren. Irgendwann läuft das Ganze etwas aus dem Ruder …

***

1.


„Stell dir vor, dass die vollbusige Kollegin, die dir gegenüber sitzt, keine Unterwäsche trägt. Du kannst unter ihren Schreibtisch gucken und ab und zu schlägt das Luder die Beine übereinander. So wie Sharon Stone in diesem Film, den alle gesehen haben, nur du nicht. Du kannst immer, wenn sie das tut, einen Blick auf ihre rasierte Scham werfen und wirst immer geiler. Die Mittagspause naht und die Kollegin wirft dir eindeutig lüsterne Blicke zu. Ihre Spalte glitzert und …“



Puh! Louis lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte auf seinen Text. Bei ihm tat sich gar nichts, im Gegenteil. Die Vorstellung einer nassen Muschi törnte ihn derart ab, dass er einfach nicht weiterschreiben konnte. Wenn er von Schwänzen schreiben dürfte, wäre sein Problem gelöst. Dann würde ihm warm werden und die Worte nur so aus ihm herausfließen. Aber so …

„Kommst du mit in die Kantine?“ Kurt Dabelstein, ein Kollege aus der Anzeigenabteilung, lehnte im Türrahmen und zeigte mit bedeutsamem Blick auf seine Armbanduhr. „Es ist schon zwölf.“

Louis musste schmunzeln. Kurt gehörte zu den Leuten, die um sieben Uhr auf Arbeit erschienen und daher früh Hunger hatten. Er war eher der späte Vogel und kam meist erst gegen neun, weshalb er noch keinen Appetit spürte. Da er aber Kurt mochte und gern mit ihm plauderte, schloss er das Dokument und sprang auf.

„Klar. Was gibt es denn heute?“, erkundigte er sich, während er nach seinem Jackett griff und in die Ärmel schlüpfte.

„Keine Ahnung“, behauptete Kurt unschuldig, was Louis ihm natürlich nicht abnahm, aber nicht weiter nachfragte.



„Wie macht sich der Neue?“ Louis stocherte lustlos in einem Salat und beobachtete Kurt beim Essen.

„Der ischt voll schüchtern.“ Kurt kaute zu Ende, schluckte und fügte hinzu: „Den braucht man nur etwas barscher anreden, schon wird der rot. Armer Kerl.“

„Wie hieß er noch gleich?“

„Dion Cortez. Sein Vater ist Spanier. Bei dem Vornamen muss ich allerdings an Senf denken. Warum nur?“ Kurt lachte, griff nach seinem Wasserglas und trank in großen Schlucken.

„Senf. Hmm …“, murmelte Louis, pickte eine Tomatenhälfte auf und betrachtete sie abwesend. „Weißt du was? Ich komm gleich mit in dein Büro und guck mir den Senfhappen mal an.“



Kurt gönnte sich einen Nachtisch, eine Art Pudding, dessen Anblick bei Louis Übelkeit aufsteigen ließ. Das glibberige Zeug erinnerte ihn an die Mösen-Sache. Schnell genehmigte er sich einen Schluck Cola.

„Diese Scheiß-Kolumne, Sex im Büro … Die macht mich echt fertig.“ Er seufzte. „Für mich ist es total schwer, glaubhaften Heten-Sex zu schreiben. Kannst du das nicht machen?“

Kurt lachte laut los und prustete dabei ein paar helle Schaumflöckchen über den Tisch. Mit dem Löffelchen wies er auf Louis und antwortete: „Wer ist hier der Kreative? Ich kann nur Anzeigen verkaufen, dafür brauche ich keine Fantasie. Glaub mir, mein Geschreibsel würde niemand lesen wollen.“

„Meines auch nicht, jedenfalls nicht, wenn ich diesen Mist tippen muss“, murrte Louis.

„Ach! Nur weil du schwul bist? Vielleicht solltest du deinen Erfahrungsschatz mal erweitern.“ Kurt wackelte anzüglich mit den Augenbrauen, schaufelte den Rest Pudding in sich rein und warf anschließend den Löffel aufs Tablett. „Was ist mit deinem Salat?“ Deutlich interessiert guckte er Louis‘ Teller an.



Nachdem Kurt sich auch noch die welken Salatblätter, nebst einiger Maiskörner und einem Tomatenstück, einverleibt hatte, brachten sie die Tabletts weg und verließen die Kantine. Inzwischen war diese gut gefüllt. Die meisten Mitarbeiter machten um halb eins Mittagspause, eine Angewohnheit, die regelmäßig zu Staus an der Essenausgabe führte. Dennoch wich keiner davon ab.

„Armes Deutschland“, murmelte Louis, während er neben Kurt den Flur hinunterging und immer wieder Entgegenkommenden ausweichen musste.

„Wieso?“

„Weil wir nicht dazulernen.“

„Ach? Das sagt ja der Richtige.“ Kurt grinste und hieb Louis den Ellbogen in die Seite. „Such dir eine Frau und vögele sie. Dann kannst du deine Kolumne aus dem Effeff schreiben.“

„Vielleicht möchte ich das nicht. Ich will noch nicht einmal daran denken.“ Louis schnaubte angewidert. „Und nein: Ich will auch von dir keine Berichte aus dem Nähkästchen.“

„Da gibt es auch nichts, was berichtenswert wäre.“

„Sag bloß!“ Louis stoppte vor den Fahrstühlen und schaute Kurt erstaunt an. „Was ist denn bei dir los?“

„Nix.“ Kurt seufzte und zog die Schultern hoch. „Ich hab’s einfach nicht drauf.“

„Ach, wird schon …“, nuschelte Louis unbeholfen, klopfte dem Kollegen aufmunternd auf die Schulter und schob ihn in den Lift. „Du bist attraktiv und verdienst gut. Also … ich würde dich nicht von der Bettkante schubsen.“

„Schmeichler.“ Kurt grinste breit und tippte spielerisch gegen Louis‘ Kinn. „Ich würde schreiend wegrennen, wenn ich dich in meinem Bett finde.“

„Na, Dankeschön!“ Louis drückte die Taste für den 5ten Stock. „So hässlich bin ich nun auch wieder nicht.“

„Nö. Aber du hast ein Zipfelchen da, wo ich lieber eine saftige Spalte vorfinde.“

„Oh nein! Nicht wieder dieses Kopfkino“, stöhnte Louis und kniff die Augen zu. „Ich rede mit Hans-Hermann. Der soll den Mist einem anderen geben.“



Kurts Büro lag nur wenige Meter von den Fahrstühlen entfernt. Ein strategisch guter Standort, denn auch zu den Toiletten war es nicht weit. Gespannt betrat Louis hinter Kurt den Raum und entdeckte enttäuscht, dass der zweite Arbeitsplatz verlassen war.

„Ist entweder auf dem Klo oder in der Kantine“, kommentierte Kurt, während er hinter seinen Schreibtisch eilte. „Ach nein, der bringt sich ja immer eine Stulle mit.“

„Stulle?“, echote Louis.

„Das sind zwei Brotscheiben, zwischen die man Belag klemmt. Hat Mutti dir früher immer zur Schule mitgegeben“, dozierte Kurt abwesend.

Seine Augen waren auf den Monitor gerichtet. Offenbar fand da gerade etwas Spannendes statt.

„Weiß ich doch“, maulte Louis, schob eine Arschbacke auf Kurts Schreibtischkante und fixierte die Tür. „Ich geh hier nicht weg, bis ich die Senfschnitte …“

Es schnürte ihm die Luft ab. Sein Gehirn wurde zu Brei. Sein Magen tanzte Tango und etwas tiefer sammelte sich Blut. Eine Harfe spielte eine wundervolle Melodie, die sich für immer unauslöschlich in Louis‘ Kopf fraß. Dion stolperte herein und war so schön … so schön, dass es ihm das Herz aus dem Leib riss.

„Tschuldige, war nur kurz auf der Toilette“, nuschelte Dion, nahm aus dem Augenwinkel einen fremden Mann wahr und trat sich selbst auf den Schnürsenkel. Wild mit den Armen rudernd, bekam er knapp den Türrahmen zu fassen. Erleichtert darüber, dass sein Auftritt nicht mit einem Sturz geendet hatte, lächelte er dem Fremden scheu zu. „Hallo“, wisperte er, bückte sich und machte umständlich eine Schleife.

„Das ist Louis Kramersen aus der Schreiberlingsabteilung“, stellte Kurt vor, löste nur für einen Moment den Blick vom Monitor und fuhr fort: „Und das ist Dion Cortez, mein neuer Kollege.“

„Freut mich“, hauchte Dion, ging vorsichtig zu seinem Platz und setzte sich sehr gerade auf den Stuhl, wie ein Musterschüler.

„Mich auch“, flüsterte Louis und als Dion ihn direkt anschaute war klar, dass sie beide in der gleichen Liga spielten.

Nein, falsch: Sie fischten am gleichen Ufer. Dion gehörte jedoch zu der Sorte Männer, die erobert werden wollten, wohingegen Louis gern jagte. Zudem wirkte Dion so, als wenn er komplett unerfahren war, trotzdem er älter als Louis sein musste.

Sein feingeschnittenes Gesicht wurde von rabenschwarzen Locken eingerahmt. Zwei Onyxe strahlten unter geschwungenen Augenbrauen und rosenblütengleiche Lippenbögen vollendeten die Schönheit dieses anziehenden Gesichtes. Dions Körper war schlank, jedoch nicht mager und sein Hintern hatte eines der Formate, die Louis zu gern kneten und lecken würde.

„Louis? Alles klar bei dir?“, holte Kurts Stimme ihn aus seinen Betrachtungen.

„Ja … ja, sicher. Ich geh dann mal wieder an die Arbeit“, murmelte Louis, stieß sich vom Schreibtisch ab und nickte Dion zu. „Man sieht sich.“



Dion duckte sich hinter seinen Monitor und staunte dem attraktiven Kollegen hinterher. Louis hatte das Gesicht und die Figur eines Top-Models. Braune, etwas zu lange Haare bildeten einen aufregenden Rahmen um harte Züge. Unter dunklen Brauen funkelten graue Augen mit dichten Wimpern. Dion seufzte heimlich und verwünschte seine Schusseligkeit und Scheu. Wie mochte sein blöder Auftritt auf Louis gewirkt haben?

„Stell das Sabbern wieder ein“, kam es vom gegenüberliegenden Schreibtisch. „Die Arbeit wartet.“

„Tschuldige“, nuschelte Dion, schaute auf seinen Bildschirm und versuchte sich zu konzentrieren.



Unterdessen suchte Louis den Besitzer des Verlages auf, Hans-Hermann Strenger, Herrscher über rund 500 Mitarbeiter. Trotz seines Status hatte Hans-Hermann sich eine Politik der offenen Tür geschworen, sodass jeder Mitarbeiter Zugang zu seinem Büro erhielt, sofern dieser ihn nicht ermorden wollte.

„Hallo Louis“, grüßte die Chefsekretärin freundlich. „Was kann ich für dich tun?“

„Hat Hans-Hermann Zeit?“ Louis bewunderte zum x-ten Male Clothildes Hochsteckfrisur. Wie schaffte sie es nur, dass der Dutt a la Hepburn so tadellos hielt?

„Ja, geh nur durch.“ Die Frau nickte mit dem Kinn nach rechts, zu der Tür, hinter der Hans-Hermann residierte.

„Danke“, murmelte Louis und betrat nach einem kurzen Anklopfen das feudale Büro des Chefs.

Hans-Hermann studierte gerade irgendein Schriftstück. Ohne Aufzuschauen bedeutete er Louis mit einem kurzen Wink, in dem Sessel vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Nach einigen Sekunden ließ er das Blatt sinken und lehnte sich zurück, wobei er die Hände vor dem Bauch faltete. Seine Augen blickten gütig, da zwischen Louis und ihm ein gutes Verhältnis bestand.

„Was gibt’s denn?“, fragte er jovial.

„Diese Kolumne … ich kann die nicht schreiben. Ehrlich! Sex unter Männern und Frauen ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Können wir nicht, anlässlich des Christopher Street Days, eine Kolumne mit schwulem Bürosex anbieten?“

„Hmm … Schwuler Bürosex? Gibt es den denn?“, fragte Hans-Hermann sichtlich interessiert.

„Aber sicher! Genau wie den anderen auch!“, behauptete Louis überzeugt, obwohl er damit keine Erfahrung hatte. Wieso musste er gerade in diesem Augenblick an Dion denken?

„Lieber Louis …“ Sein Chef beugte sich vor und nahm das Schriftstück hoch, in dem er bei meinem Eintreten gelesen hatte. „Du wirst es nicht glauben, aber ich habe hier gerade den Entwurf für ein zweiwöchiges Feuilleton, das wir vor und nach dem CSD bringen wollen. Da kommt mir dein Vorschlag doch gerade recht. Also: Du schreibst über schwulen Sex im Büro und deine Kolumne übernimmt …“ Hans-Hermann überlegte kurz. „Alfred! Der ist doch bekannt für seine Eskapaden! Prima! War’s das?“ Er senkte den Blick auf den Schreibtisch und sammelte geschäftig Blätter zusammen, womit unser Gespräch als beendet erklärt war.

„Danke“, sagte Louis aus tiefstem Herzen, sprang auf und lief zur Tür, als ihm etwas einfiel. Er drehte sich um und fragte. „Wer sagt es Alfred?“

„Ach ja …“ Sein Chef schaute hoch. „Bist du so gut? Ich hab gleich eine Konferenz.“

„Okay“, stimmte er zu.



Alfred feixte, als Louis ihm seine Aufgabe übertrug. Er war fast fünfzig, besaß einen Bauchansatz und schütteres graues Haar. Dennoch hatte er den Ruf, dass er es mit fast allen Kolleginnen schon getrieben haben sollte. Vielleicht war es sein Charme, vielleicht zahlte er dafür, keine Ahnung.

„Willst du mir deinen angefangenen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos / Sascha Scheiblette
Bildmaterialien: shutterstock 22948918
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2014
ISBN: 978-3-7368-1995-5

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /