„Mein Onkel hat eine Hütte, die liegt gleich neben einem See“, hat Jamal gesagt. „Wir könnten angeln, einfach ausspannen“, hat er geschwärmt. „Mal fern der Zivilisation ein Wochenende verbringen wie echte Männer.“
***
Nach vierstündiger Fahrt hält Jamal vor einer Holzbaracke, die ich eher als Stall bezeichnen würde, denn als Hütte. Wir befinden uns irgendwo hinter Kassel in der Einöde. Seit etwa dreißig Minuten ist rechts und links nur noch Wald zu sehen gewesen. Um die Baracke herum lichtet sich der Baumbestand und der versprochene See liegt wirklich nur wenige Meter von dem Holzbau entfernt.
„Ist das nicht toll?“, freut sich Jamal, klettert aus dem Wagen und streckt sich.
Dabei rutscht sein verdammt knappes T-Shirt hoch und gibt den Blick auf einen flachen Bauch frei. Ich schließe die Augen und frage mich wohl zum hundertsten Mal, wieso ich nur auf diese Scheißidee eingehen konnte. Jamal weiß nicht, dass ich auf Männer stehe und wenn es nach mir geht, bleibt das auch so.
Seit fünf Jahren sind wir Arbeitskollegen und anfänglich mochten wir uns überhaupt nicht. Erst in den letzten zwölf Monaten haben wir uns immer besser verstanden und schließlich Freundschaft geschlossen. Seitdem trinken wir ab und zu mal ein Bier zusammen oder verbringen die Mittagspause miteinander, mehr war da nie. Dieser Ausflug … absolut hirnrissig von mir, zumal mein Kollege ein ausnehmend hübscher Kerl ist.
Jamal ist Halbmarokkaner und hat den dunklen Teint seiner Mutter geerbt. Auch die dunklen Locken und Augen stammen von ihr, das nehme ich zumindest an. Typisch für Männer haben wir nie über Familie geschwatzt, sondern zumeist über die Arbeit oder aktuelle Ereignisse. Ich weiß nicht einmal, ob er eine Freundin hat. Eigentlich armselig und wahrscheinlich verdient unser Verhältnis den Titel Freundschaft gar nicht.
„Komm, steig aus! Wir müssen Holzhacken, bevor es dunkel wird“, ruft Jamal mit vor Freude funkelnden Augen und rennt auch schon zum Kofferraum, um unser Gepäck auszuladen.
Ich würde – ehrlich gesagt – lieber gleich umkehren, zurück in die Zivilisation, die wir vor etwa einer Stunde hinter uns gelassen haben. Was passiert überhaupt, wenn einer von uns krank wird? Gibt es hier Handyempfang?
Ich ziehe mein Mobilteil aus der Hosentasche und prüfe die Funktionen. Alles klar, das geht wenigstens. Etwas beruhigt stecke ich es zurück und steige aus dem Wagen. Es riecht nach Kiefernöl, Erde und irgendwie … frisch. Indem ich mich strecke, wie zuvor schon Jamal, sauge ich tief die angenehme Luft in meine Lunge.
„Schön, nicht wahr?“, begeistert sich Jamal, der eifrig zwischen Hütte und Auto hin und her rennt.
„Mhm“, mache ich, da ich mich der Begeisterung noch nicht so recht anschließen kann.
Erst mal gucken, was mich in der Baracke erwartet.
„Das ist nicht dein Ernst“, sage ich kurz darauf fassungslos.
Ich stehe vor dem französischen Bett, das nebst einem Tisch und zwei Stühlen die einzige Einrichtung der Hütte darstellt. An einer Wand ist eine breite Arbeitsplatte angebracht, darunter befindet sich ein Kasten, in dem ich Geschirr vermute … oder eher erhoffe, denn ich sehe uns schon hausen wie zwei Eingeborene und mit den Fingern aus einer Erdmulde essen.
„Wieso? Es ist doch alles da“, meint Jamal und schaut mich ratlos an.
Ich kann ihm schlecht sagen, dass das verdammte Bett zu schmal ist und … Ach, ich kann auf dem Boden schlafen und sollte mich wirklich nicht so anstellen. Mein Kollege strahlt eine solche Begeisterung aus, dass ich keine Lust habe, ihm die Laune zu verderben.
„Stimmt“, sage ich daher und wende den Blick von der nur knapp eins vierzig breiten Liege ab. „Was müssen wir jetzt tun?“
Fünf Minuten später bin ich schweißüberströmt und habe doch erst ein paar der Holzscheite kleingehackt. Meine Kondition ist erbärmlich, aber normalerweise brauche ich die auch nicht, schließlich bin ich Softwareprogrammierer, kein Holzfäller.
„Lass mich weitermachen“, bietet Jamal an, zieht das T-Shirt über den Kopf, stopft es in die Gesäßtasche und nimmt mir die Axt aus der Hand.
Oh Mann! Will er mich umbringen? Ich starre seinen nackten Oberkörper an und beobachte das Anschwellen seiner Muskeln, als er mit einem Hieb das erste Scheit spaltet. Das macht er nicht zum ersten Mal, es sieht eindeutig sehr gekonnt und … seeehr sexy aus! Ich wende den Blick ab, glotze zum See und der Wind trägt Jamals Duft zu mir herüber.
Schweiß. Mann. Moschus!
„Das dürfte genügen“, sagt er und ich merke, dass ich schon eine ganze Weile bewegungslos in die Gegend gestarrt habe.
Ein kühler Windhauch lässt mich frösteln, die Sonne ist hinter den Baumwipfeln verschwunden und Schatten greifen mit immer länger werdenden Fingern nach der Hütte.
„Wo ist hier das Klo?“, frage ich und ahne, was nun kommt.
„Hinter der Hütte. Sei vorsichtig, es stinkt ziemlich“, antwortet Jamal, zieht das T-Shirt aus der Tasche und wischt sich damit über die Brust und Stirn.
Der Gestank ist wahrlich bestialisch. Ich bin nach dem Besuch des Herzhäuschens dermaßen abgeturnt, dass ich wahrscheinlich bis Montag keinen mehr hochkriegen werde.
Diese Hoffnung hält sich allerdings nur, bis ich um die Ecke der Hütte biege und Jamal sehe. Das T-Shirt wie ein Handtuch um den Nacken geschlungen, schleppt er die Scheite in die Baracke. Die Jeans ist ihm weit über die Hüftknochen gerutscht und ich ahne den Ansatz der Schambehaarung. Der eben noch in meiner Nase hängende Geruch ist vergessen.
„Ich mach uns eine Dose warm“, ruft Jamal und lächelt mir zu. „Ruh du dich doch am Steg aus.“
Es ist absolut unfair, ihn die ganze Arbeit allein machen zu lassen, aber ich bin zu aufgewühlt, um zu widersprechen. Langsam trotte ich zu dem erstaunlich stabil wirkenden Steg, der gut vier Meter ins Wasser ragt und lass mich an dessen Ende nieder.
Die Sonne hat sich endgültig hinter den Bäumen verkrochen und Dämmerung senkt sich über die Lichtung. Während ich auf den See hinausstarre, Mücken in kleinen Schwärmen vor meinen Augen tanzen und sich die eine oder andere an mir verlustiert, denke ich nach. Worüber? Ziellos schweifen meine Gedanken umher, in die Vergangenheit, ins Jetzt.
Mit einem beherzten Klatschen meiner Handfläche erlege ich zwei der Blutsauger, die sich gerade erdreisten, durch den Stoff der Jeans mein Knie anzuzapfen. Die beiden machten auf mich glatt den Eindruck zweier Teenager, die sich bei McDonalds gegenübersitzen und einen Softdrink aus Strohhalmen zu sich nehmen wollten. Geht ja gar nicht!
Wo war ich? Ach ja, mein verschissenes Leben.
Seit mittlerweile siebenunddreißig Jahren vegetiere ich auf diesem Planeten und seit ich das erste Mal bei dem Anblick von Lenny Kravitz einen hochbekam war klar, dass ich … auf Männer stehe. Insbesondere auf Kerle, die eine dunkle Hautfarbe haben, aber wählerisch war ich deshalb nie.
Anfangs habe ich alles gefickt, was nicht rechtzeitig nein sagen konnte. Dann geriet es umgekehrt und irgendwann wurde es öde. Ich wünschte mir eine feste Beziehung und da war plötzlich Jonas. Mit ihm war alles anders. Wir redeten, stritten uns und im Bett … Wow! Es war wahnsinnig schön! Fünf Jahre dauerte es, bis ihn eine simple Lungenentzündung dahinraffte. Erst auf dem Sterbebett gestand er mir, dass er HIV-positiv war.
Und ich Dämlack habe mich immer gewundert, dass er auf Kondome bestand und eine gemeinsame Wohnung ablehnte, aber so bin ich eben: Naiv und leicht zu übertölpeln. Ich habe Jonas in der Stunde seines Todes verziehen und monatelang um ihn getrauert. Gleichzeitig war da auch Hass, weil er mich ausgeschlossen und ohne Vorbereitung in ein tiefes Tal des Kummers getrieben hatte. Dennoch fühlte ich immer auch Mitleid mit ihm, denn was musste es ihn Kraft gekostet haben, mir diese schreckliche Tatsache zu verheimlichen?
Seit Jonas‘ Tod treibe ich wie ein loser Faden durchs Leben. Ich habe keinen Mann mehr angefasst und das, obwohl es mittlerweile fast zehn Jahre her ist, dass ich seinem letzten Atemzug beigewohnt habe. Es ist nicht so, dass Jonas noch meine Gedanken beherrscht, sondern eher Resignation. Ich glaube nicht mehr an Liebe und schon gar nicht unter Männern. Irgendwie bin ich abgestumpft.
„Tobiaaaas!“, dringt Jamals Stimme zu mir. „Essen ist fertig!“
Der Bohneneintopf schmeckt recht gut. Entgegen meiner Befürchtungen gibt es Teller und sogar Löffel. Wir sitzen an dem kleinen Tisch und essen schweigend. Im Kamin knistert das brennende Holz, darüber hängt an einer eisernen Kette ein Kessel. Ein wenig beginnt die einfache Umgebung mir zu gefallen, auch wenn ich mich nach einer heißen Dusche sehne.
„Lass uns nach dem Essen schwimmen gehen“, schlägt Jamal vor.
„Aber … es wird schon dunkel“, gebe ich zu Bedenken.
„Pah! Wir nehmen eine Laterne mit, dann geht es schon. Außerdem fühle ich mich klebrig und will unbedingt ein Bad nehmen. Du musst ja nicht mitmachen.“ Mein Freund seufzt, steht auf und räumt die Teller zusammen. „Ich gebe zu, dass ich ein wenig mehr Luxus nicht schlecht fände, aber irgendwie … löst das hier in mir immer etwas Positives aus. Man ist näher am Leben, an sich selbst.“
Wie Philosophisch! Ich muss erst grinsen, bis mir einfällt, was mir auf dem Steg durch den Kopf gegangen ist. Er hat recht, die Atmosphäre hier dringt in die Seele und gräbt anscheinend Dinge aus, die man gar nicht wissen will.
Jamal hat unterdessen Wasser aus dem Kessel in eine Schüssel gegossen und wäscht das Geschirr ab. Ich springe auf, lange nach einem Geschirrhandtuch und trockne ab, was er mir in die Hand gibt. Fühlt sich gut an, dieses Teamwork.
Die Petroleumlampe wirft einen Lichtkegel auf den Boden, während wir zum See tappen. Es ist noch nicht vollständig dunkel, aber in gut einer halben Stunde wird die Nacht anbrechen. Der Mond hat sich als ganze Scheibe bereits auf den Weg nach oben gemacht.
Jamal stellt die Lampe auf dem Steg ab und beginnt, seine Sachen auszuziehen. Ich streife meine Kleidung ab, bis auf die Shorts und starre in das schwarze Nass. Ob es hier Fische gibt?
„Komm!“, ruft Jamal, schnappt sich meine Hand und springt.
Ich will ihn noch abschütteln, doch er hält meine Finger fest umklammert, sodass ich neben ihm im kalten Wasser lande. Es ist an dieser Stelle so flach, dass ich sofort Grund unter den Füssen ertaste. Erleichtert mache ich mich von Jamal los und schöpfe das Nass über meine Schultern und ins Gesicht. Keine zehn Pferde werden mich dazu bringen, in dem unbekannten Gewässer eine nächtliche Schwimmtour zu unternehmen.
„Boah! Ist das kalt“, meint Jamal, reibt sich über die Arme und plötzlich … taucht er unter!
Ich starre auf die Stelle, an der er eben noch stand und überlege, ob ich auch den Mut finde das zu tun, da kommt er prustend wieder hoch. Lachend schüttelt er das Wasser aus den Haaren und wischt sich mit beiden Händen übers Gesicht.
„Mann, tut das gut“, sagt er und funkelt mich an. „Hey, du solltest das auch probieren.“
„Ich … weiß nicht recht“, murmele ich unschlüssig.
„Ach, sei kein Spielverderber“, fordert Jamal, dabei kommt er langsam näher. „Wir machen es zusammen“, fügt er hinzu, packt mich an den Schultern und sagt noch: „Tief Luft holen!“, dann befinde ich mich plötzlich unter Wasser.
Voller Panik kralle ich mich an seinen Armen fest und als wir wieder auftauchen, muss ich erst mal nach Luft schnappen. Eigentlich will ich ihn beschimpfen, aber er kann ja nicht wissen, dass ich niemals tauche und im Wasser Panikanfälle erleide. Irgendwie hat es auch gutgetan und meine Haare waren ganz verschwitzt. Ich versuche zu lächeln.
„Hey, alles gut?“, fragt Jamal besorgt und streicht über meinen Arm.
„Ja. Alles okay. Ich hatte nur kurz … etwas Angst“, erwidere ich leise und seufze tief. „Ich hab’s nicht so mit Wasser. Also, mit Gewässern, meine ich.“
„Tschuldige“, murmelt Jamal, streichelt noch einmal kurz über meinen Oberarm und watet dann zum Steg.
Ich folge ihm, klettere auf die Holzbalken und schnappe mir ein Handtuch. Die Luft wirkt plötzlich kühler als das Wasser und ich bekomme eine Gänsehaut. Jamal rubbelt sich einen Meter entfernt trocken und automatisch wandert mein neugieriger Blick in seine Mitte. Verflixt! Wieso kann ich mich auch nicht beherrschen? Die weiße Shorts ist von der Nässe durchsichtig geworden und gibt mehr preis, als sie verbirgt.
Unbefangen lässt Jamal das Handtuch fallen und streift den Stoff von seinen Hüften. Ich muss schwer schlucken und drehe mich um, da mir sonst wohl die Augen aus dem Kopf gefallen wären. Allerdings konnte ich noch sehen, dass Jamal seine Schambehaarung anscheinend rasiert. Ungewöhnlich für einen Hetero, aber es soll vorkommen. Ach, was denke ich hier überhaupt?
„Das war nötig“, sagt Jamal in meinem Rücken.
„Mhm“, mache ich, wickle mich in das Handtuch und sammle meine Klamotten auf.
Ich will so schnell wie möglich zurück in die Hütte. Mir ist kalt und Mückenschwärme schweben über der Wasseroberfläche. Die eine oder andere verlustiert sich bestimmt schon an meinem Blut.
Endlich läuft Jamal an mir vorbei, in der Hand die Petroleumlampe. Ich stapfe stumm hinter ihm her und starre dabei stur auf meine Füße. Kleine Steine und harte Gräser pieken unter meinen Fußsohlen, hätte ich doch nur die Schuhe übergestreift.
„Ich geh noch mal eben hinters Haus“, kündigt Jamal vor der Hütte an.
Während er um die Ecke verschwindet, husche ich in die Baracke und schlüpfe schnell in frische Shorts und ein T-Shirt. Die anderen Klamotten werfe ich auf einen der Stühle und mustere dann das Bett. Es ist für einen Städter noch verhältnismäßig früh, dennoch bin ich müde und würde gern schlafen gehen. Vorher muss ich jedoch auch noch zu dem Herzhäuschen.
Nachdem Jamal zurück ist, übergibt er mir die Lampe und ich latsche los. Das Klo ist, wie schon beim ersten Mal, eine Erfahrung für die Nase, auf die ich gern verzichten würde. Mit angehaltenem Atem verrichte ich mein Geschäft so schnell es geht.
Jamal liegt bereits im Bett, als ich zurück in die Hütte komme. Neben ihm auf dem Boden steht die andere Petroleumlampe und wirft weiche Schatten auf die Wände. Wenn wir ein Liebespaar wären … die Atmosphäre hätte kaum romantischer sein können.
„Ich bin müde“, murmelt Jamal und gähnt als Beweis. „Wenn es dich nicht stört, würde ich gern schlafen.“
„Ist okay, ich bin auch erschöpft“, erwidere ich, lösche meine Lampe und stelle sie auf den Tisch.
Vorsichtig krabbele ich ins Bett, bemüht, Jamal nicht zu berühren. Ein schwieriges Unterfangen bei, zwei ausgewachsenen Kerlen auf der schmalen Matratze. Zudem ist das Ding etwas durchgelegen, wodurch wir automatisch bei jeder Bewegung in die Mitte rollen. Schließlich schaffe ich es doch, ganz nah am Rand in eine Decke gerollt Abstand zu halten.
Jamal seufzt und sagt leise: „Gute Nacht.“
„Nacht“, flüstere ich.
Jamal löscht das Licht, die Bettfedern quietschen, als er sich bewegt, dann wird es still.
„Tobias?“
„Hm?“, murmele ich.
„Ich muss dir was sagen.“
„Mhm?“
„Ich bin schwul, aber keine Sorge, ich fass dich nicht an“, flüstert Jamal.
Meine Schläfrigkeit verpufft. Was soll das denn jetzt? Will er mich testen oder umbringen? Mit weit offenen Augen starre ich in die Dunkelheit und lausche. Jamal atmet zwar regelmäßig, aber für einen Schlafenden zu flach. Soll ich …? Nein, auf keinen Fall!
Ich wälze mich herum und die weiche Matratze gibt nach, sodass Jamals Körper gegen meinen rollt.
„Tschuldige“, flüstert er und rückt weg.
„Warum … erzählst du mir das jetzt?“, frage ich in die Dunkelheit.
„Ich dachte, du hättest es eh bemerkt. Ich hab dich … vorhin angegafft und du warst so komisch, daher …“
„Du hast mich angegafft? Nichts bemerkt“, brummele ich und weiß im Moment so gar nicht, was ich denken soll.
Hat er mich hierher mitgenommen, um mich zu verführen? Oder … ist es wirklich nur ein Männerausflug um Männersachen zu machen? Was – bitteschön! – sind überhaupt Männersachen? Holz hacken? Angeln?
„Dann ist ja alles gut“, nuschelt Jamal und ich höre, wie seine Atemzüge immer tiefer werden.
Während er ruhig neben mir schlummert, liege ich noch lange wach und starre nach oben. Irgendwann fallen mir die Augen zu und ich werde von wilden Träumen heimgesucht.
Noch bevor ich die Augen öffne, nehme ich einen unglaublich exotischen Duft wahr. Hinzu kommt, dass ich einen warmen Körper neben meinem spüre. Vorsichtig klappe ich ein Auge auf und entdecke dunkle Locken, darunter olivfarbene Haut. Mit einem Schlag bin ich wach und begreife, dass ich dich an Jamal gekuschelt liege.
Sein einzigartiger Geruch lässt meine Libido sofort anspringen. ‚Bitte nicht!‘, bete ich stumm, wobei ich gaaanz vorsichtig von Jamal abrücke, damit er meine Latte nicht bemerkt. Auf der Bettkante bleibe ich liegen und glotze seinen Rücken an. Mit meiner Aktion habe ich diesen bloßgelegt und kann nun ungehindert alles sehen, was die Shorts nicht verbirgt Im Schlaf ist der Stoff in Jamals Spalte gerutscht, ein T-Shirt fehlt ganz. Ist mir gestern gar nicht aufgefallen.
Jamal ist so groß und schmal wie ich. Sein Hintern besteht aus zwei entzückenden Halbkugeln und die Grübchen darüber … Ich unterdrücke einen Seufzer, winde mich irgendwie von der Matratze und knall dabei fast auf den Boden. Nur mit Mühe verhindere ich den Sturz, taumle ein paar Schritte vom Bett weg und fahre mir übers Gesicht.
Das hier ist Wahnsinn! Ich will nicht mit meinem Freund vögeln, doch es scheint fast unvermeidbar. Wenn wir noch eine Nacht auf diesem schmalen Ding zubringen müssen, kann ich für nichts mehr garantieren.
Ich schlüpfe in meine Schuhe und begebe mich auf den unvermeidbaren Gang hinter die Hütte. Der Güllegestank lässt mich runterkommen und jeglicher Gedanke an Sex gerät in weite Ferne. Eigentlich ganz praktisch, dieses Plumpsklo.
Als ich die Holzbehausung wieder betrete, ist Jamal bereits aufgestanden und entfacht gerade ein Feuer im Kamin. Ich murmele ein ‚Morgen‘ und schlurfe zum Stuhl, ziehe die Jeans von gestern über und fahre mir durchs Haar. Sicher sehe ich total zerstrubbelt aus.
„Morgen“, erwidert Jamal, springt auf und schenkt mir ein breites Lächeln. „Ich lauf mal schnell ums Haus, dann gibt es Frühstück.“ Er verschwindet durch die Tür.
Ich grabe in meiner Tasche und hole den Kulturbeutel hervor. An einen Spiegel habe ich natürlich nicht gedacht, aber an einen Kamm. Ich bändige meine Haare und fahre mir anschließend prüfend übers Kinn. Wuchernde Bartstoppel fühlen sich rau unter meinen Fingern an, doch eine Rasur ohne Spiegel ist unmöglich. Außerdem gehört ein Bartwuchs doch auch zu einem echten Männerwochenende, jedenfalls nach meinem Verständnis.
„Es gibt zum Frühstück Rührei und Toast“, informiert Jamal mich zehn Minuten später.
Irgendwie macht er die ganze Arbeit. Allerdings habe ich auch keine Ahnung, was zu tun ist und er ist offensichtlich in seinem Element, daher lass ich mich bedienen. Soll er doch sagen, wenn ich etwas helfen kann.
„Hol mal Teller aus der Truhe“, sagt er in diesem Moment.
Ich habe die ganze Zeit auf einem Stuhl gehockt und in die Gegend gestarrt. Der erste Kaffee entpuppte sich als Instantprodukt, das nur mit heißem Wasser aufgegossen werden muss. Schmeckt einigermaßen und der Koffeingehalt stimmt auch, doch lecker ist anders.
Erleichtert darüber, etwas tun zu können, springe ich auf und hole zwei flache Teller aus dem Kasten unter der Arbeitsfläche. Da wir sicher auch Besteck benötigen, schnappe ich Messer und Gabeln und trage alles zum Tisch.
Inzwischen erfüllt der Duft von gebratenen Eiern die Hütte und es riecht nach Toast. Mein Magen knurrt vor Freude.
Nach dem Frühstück und Abwasch schlägt Jamal vor, dass wir die Holzvorräte aufstocken könnten. Das hört sich zwar nach Arbeit an, aber ich stimme zu.
Einige Stunden sind wir dann damit beschäftigt, im Wald nach Baumstämmen, die für unsere Zwecke geeignet sind, zu suchen, diese in transportfähige Stücke zu sägen und zur Hütte zu schleppen. Als wir eine ansehnliche Menge beisammen haben, tut mir jeder einzelne Muskel weh und ich könnte gut und gern eine Stunde schlafen. Jamal wirkt auch etwas erschöpft.
„Lass uns ein bisschen ausruhen“, sagt er und verschwindet in der Hütte, um gleich darauf mit zwei Wolldecken zurückzukehren.
In der warmen Sonne werde ich schnell schläfrig und dämmere bald weg.
Etwas kitzelt an meiner Nase und als ich unwillig danach schlage, lacht jemand und das Kitzeln hört nicht auf. Ich öffne die Augen und entdecke Jamal, der mit einem langen Grashalm über mein Gesicht streicht.
„Du bekommst einen Sonnenbrand, wenn du noch länger hier rumliegst“, sagt er leise und wirft den Halm über die Schulter.
Nach dem Stand der Sonne zu urteilen muss Mittag schon lange vorbei sein. Ich strecke meine steifen Glieder, rolle mich auf die Seite und lagere den Kopf auf meinen Armen. Neben Jamal liegt ein aufgeschlagenes Buch und er sieht verdammt munter und … hübsch aus.
Ich erwähnte eingangs, dass ich bei Lenny Kravitz‘ Anblick das erste Mal einen hochbekommen habe. Das ist natürlich gelogen, denn schon vorher war mein Schwanz oft steif. Allerdings habe ich mir dann beim Wichsen andere Dinge vorgestellt, als den geilen Kerl. Was genau das war, weiß ich nicht mehr, es ist verblasst. Daher bleibt mir auf ewig der Moment im Gedächtnis, als ich in der Glotze Lenny sah und meine Hose zum Gefängnis wurde. Aber ich schweife ab.
Jamal hat sehr dunkle, kurze Locken und kohlschwarze Augen. Seine Haut ist olivfarben, wird im Sommer jedoch dunkler und gleicht einem Milchkaffeebraun. Er ist schlank und hat dennoch feste Muskeln. Seine Nase ist etwas breiter, als von Europäern her gewohnt, passt aber gut in sein feingeschnittenes Gesicht. Die Lippen sind schön geschwungen und auch die Augenbrauen wirken, wie von einem Maler gezeichnet. Er ist im Ganzen eine sehr attraktive Erscheinung und ich müsste blind sein, um das nicht zu bemerken.
„Ich habe Hunger.“ Mit großen Augen schaue ich Jamal an und hoffe, dass er den Wink versteht.
„Ich auch. Warte, ich bestelle uns Pizza oder Chinesisch. Was magst du lieber?“ Er lacht, richtet sich auf und klappt das Buch zu. „Ich mach uns eine Dose warm“, sagt er und steht auf.
Ich stiere auf seine Kehrseite, bis er in der Hütte verschwunden ist. Im Moment fühlt sich das Leben gut an, schwerelos und bar jeglicher Sorgen. Hier draußen gibt es nichts, was dringend erledigt werden muss. Kein Telefon klingelt, nichts stört. Irgendwie … unerwartet angenehm. Wie es wohl wäre, immer so zu leben? Nur für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen und einfach nur … da zu sein, zu genießen, dass die Sonne scheint?
Ich wälze mich auf den Rücken und träume ein wenig vor mich hin. Ein kleines Lüftchen kühlt meine Haut, ab und zu schiebt sich eine Wolke vor die Sonne. Vögel zwitschern und Blätter rascheln leise. Herrlich!
„Hey, Schlafmütze! Wach auf!“
Ich werde unsanft gerüttelt und entdecke Jamal, über mich gebeugt und mit diesem schönen Lächeln auf den Lippen.
„Ich hab doch gar nicht geschlafen“, behaupte ich.
„Ach?“, sagt er bloß und lässt meine Schultern los.
„Ich hab nur geträumt. Wie es wohl ist, wenn man immer hier lebt und nur für das Nötigste sorgen muss“, murmele ich, setze mich hin und reibe mir die Augen.
„Im Sommer klasse, im Winter eine Katastrophe“, meint Jamal trocken, reicht mir einen Teller und schiebt einen Löffel in meine andere Hand.
Stumm schaufle ich den Eintopf in mich rein, während mir seine Worte durch den Kopf geistern. Daran habe ich natürlich überhaupt nicht gedacht. Wenn es kalt ist und jeder Gang zu dem Stinkehäuschen zur Qual wird … nicht wegen des Gestanks, sondern weil man müde und vielleicht nur notdürftig bekleidet ist. Oh nein! Da ist eine warme Wohnung allemal vorzuziehen, auch wenn dadurch die Zivilisation direkt nebenan wohnt. Meine rosa Seifenblase verpufft.
Nachdem wir gemeinsam den Abwasch erledigt haben, wandern wir zum Steg und lassen uns an dessen Ende nieder. Die Sonnenstrahlen sind inzwischen weniger warm und erste Schatten machen die Lichtung kleiner. Ich starre ins Wasser, baumle mit den Beinen und meine Gedanken fliegen frei durch die Gegend. Jamals Nähe ist unaufdringlich, gleichzeitig wohltuend. Vielleicht liegt es daran, vielleicht aber auch an der Unwirklichkeit der Situation, dass ich einfach losplappere.
„Ich stehe auch auf Männer.“
Eine Libelle surrt über den See, verschwindet dann in Richtung der Baumstämme. Irgendwo ist das Tackern eines Spechtes zu hören. Blätter rascheln leise im Wind. Das Wasser kräuselt sich, als ein Fisch kurz an die Oberfläche kommt, sogleich aber wieder wegtaucht. Jamal seufzt.
„Ich ahnte es“, sagt er leise.
Eine Biene summt vorbei, die Sonnenstrahlen brechen sich auf der spiegelnden Wasserfläche. Zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Sees taucht ein Reh auf, schaut herüber und grast dann friedlich.
„Und … sind wir deshalb hier?“, frage ich in die Stille hinein.
„Ich dachte, wenn du und ich hier allein sind … Ich hab die Blicke bemerkt, die du anderen Männern zugeworfen hast und daher gehofft, dass wir am selben Ufer fischen und mit uns … Aber das ist dumm, nicht wahr? Nur, weil wir beide schwul sind, ist ja keine Love-Story vorprogrammiert.“ Jamal zieht die Schultern hoch und guckt stur ins Wasser.
„Lovestory!“ Ich lache bitter auf und verschränke die Arme vor der Brust. „Als wenn es so etwas gäbe.“
„Ich glaube daran“, sagt Jamal und streift mich mit einem verletzten Blick.
Wieder tritt Stille ein. Nach einer Weile lockere ich meine Haltung, falte die Hände im Schoß und hole tief Luft.
„Ich schlafe nicht mehr mit Männern“, sage ich und gucke in die Ferne.
„Ach? Bist du umstiegen?“, fragt Jamal leise.
„Nein! Ich kann es nur nicht mehr weil … weil es sinnlos ist, leer, irgendwie so … so kalt.“ Ich schlinge instinktiv die Arme um meinen Oberkörper und dann bricht die ganze Geschichte aus mir raus.
Jamal lauscht und neigt dabei den Kopf, nickt ab und zu und anschließend starren wir aufs Wasser, schweigend und jeder in seinen Gedanken gefangen.
„Ich war verheiratet“, fängt Jamal an zu reden. „Sie war meine beste Freundin und ich wollte so sehr Familie … daher habe ich es getan und sie war unglaublich … rücksichtsvoll. Dann wurde sie schwanger und ich dachte schon, alles wird gut. Aber … der da oben …“, er schaut hoch und seufzt, „… der da oben hatte andre Pläne. Sie starb an einer Schwangerschaftsvergiftung. Sie war jung, gerade erst verdammte zweiundzwanzig und mein Traum … löste sich auf. Danach …“
Ich kann nicht anders, muss den Arm um seine Taille schlingen und Jamal an meine Schulter ziehen. Seine Körperwärme überträgt sich auf mich und für den Moment fühlt es sich an, als würde aller Kummer der Welt außen vor sein. Jamal und ich, der Himmel und unzählige Mücken, die in der beginnenden Dämmerung die Wasseroberfläche erobern.
„Warum erzähle ich dir das?“, flüstert Jamal, löst sich von mir und steht auf. „Ich hoffe immer noch, dass ich einen Mann finde, der zu mir steht und irgendwie … diese verdammte Einsamkeit von mir nimmt.“
Nach diesen Worten trottet er in Richtung Hütte und ich bleibe mit den biestigen Insekten zurück.
Keine Ahnung, wie lange ich noch sitze und seine Worte in meinem Kopf umherschwirren. Einsamkeit. Ja, die kenne ich auch. Doch woher nimmt er die Hoffnung? Meine ist schon lange begraben, zusammen mit dem Mann, an den ich mal geglaubt habe und der mich doch so schändlich betrogen hat. Allerdings nicht mit einem anderen, sondern …
Oh nein! Ich werde jetzt nicht sentimental werden und vor allem muss dieses Wochenende vorübergehen, ohne dass etwas Katastrophales passiert.
Als ich versuche aufzustehen, sind meine Glieder ganz steif. Die Schatten haben die Lichtung ganz erobert und mir wird klar, dass ich wohl länger als eine Stunde gesessen haben muss. Mühsam rappele ich mich hoch und torkele mit eingeschlafenen Beinen über den Steg. Ein Wunder, dass ich nicht ins Wasser falle.
Aus der Hütte dringt ein heimeiliger Lichtschein. Bevor ich jedoch hineingehe, wanke ich zu dem Abort und erst danach betrete ich die Baracke. Was mich dort erwartet, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen niemals vorstellen können.
Auf dem Tisch steht eine halbleere Whiskyflasche und Jamal liegt quer auf dem Bett. Die Hose hängt in seine Kniekehlen, das T-Shirt ist bis unter die Achseln hochgeschoben. Die eine Hand spielt zwischen seinen Beinen herum, die andere fährt über seine Brust. Selbstvergessen zupft er an seinen Nippeln und stöhnt dabei ekstatisch.
Wie mit Kaugummi festgeklebt backt mein Blick an ihm und ich kann noch nicht einmal mehr atmen. Die Luft scheint plötzlich von Lust geschwängert und meine so lange unterbundenen Triebe brechen sich brachial eine Schneise durch meine Vernunft.
Ich tapse zum Bett, sinke auf die Kante, die Augen auf Jamals Gesicht geheftet. Er nimmt mich wahr, lächelt betrunken und schiebt den Kopf auf meinen Schenkel.
„Halt mich einfach“, bittet er und streichelt sich weiter selbst.
Erregt starre ich auf seine Faust, die mit langsamen Strichen an dem prallen Schwanz auf und ab gleitet. Er fährt sich über die Brust, dann langt er zwischen seine Beine. Selbstvergessen wiegt er seine Eier, spreizt die Schenkel und allein dieser Anblick treibt mir Tränen in die Augen.
Noch nie hat sich ein Mann mir so anvertraut, selbst … Nein! Weg mit der Erinnerung!. Von einem ungewohnt zärtlichen Gefühl angetrieben lege ich eine Handfläche an Jamals Wange, während ich mit der freien Hand über seine Brust fahre.
„To-bi-as“, nuschelt Jamal sehnsüchtig und ein tiefer Seufzer folgt.
Seine Faust wird schneller, er zieht die Stirn in Falten und als ich seine kleinen, hellbraunen Knöpfchen reize, zuckt er und gleich darauf wimmert er erneut meinen Namen. Undeutlich, es klingt eher nach ‚Bias‘, aber er kann nur mich meinen. Zuckend verströmt er Sperma über seinen Bauch, glotzt mich dabei an und lächelt verzückt. Ich habe mich noch nie gleichzeitig so elend und dennoch glücklich gefühlt.
Jamals Atem beruhigt sich langsam, nach einer Weile lässt er seinen Schwanz los und schläft übergangslos ein. Ich sitze noch eine Weile da, starre ihn an und das Herz will mir aus der Brust springen. Was – Zum Henker! – was ist hier gerade passiert?
Ewig kauere ich auf der Bettkante, trinke von dem Whisky und glotze Jamal an. Nachdem ich ihn ausgezogen habe, hatte ich wenigstens den Anstand, eine Decke über ihn zu werfen. Dennoch … Ich starre sein entspanntes Gesicht an und mir fließen lautlos Tränen über die Wangen. Dieser Scheißkerl hat mich aufgewühlt, in ein neues Universum katapultiert und dann einfach mit der Pein allein gelassen. Was soll das alles? Ist das irgendeine Taktik, um mich zu etwas Dummen zu bewegen?
Tief in mir ist durch ihn eine Pflanze aufgekeimt, die ich verloren geglaubt habe. Hoffnung. Kleine Blätter treiben an dem nackten Zweig hoch und mein Herz brennt. Vielleicht liegt genau vor mir der Mann, mit dem es klappen könnte. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie er dazu steht, doch er scheint mich zu mögen. Reicht mögen für den Anfang?
Jamal öffnet plötzlich die Augen und sein Blick irrt umher. In meinem Alkoholnebel krabbele ich aufs Bett, pflanze einen ungeschickten Kuss auf seine Lippen und lass mich mit einen wohligen Seufzer neben ihn fallen. Ohne nachzudenken streife ich schnell meine Sachen ab und schmiege mich an Jamals warmen Körper. Das fühlt sich sehr geil an und trotz des Nebels in meinem Kopf merke ich, wie sehr mir die Nähe zu einem anderen Mann gefehlt hat.
„Tobias?“, raunt Jamal verwirrt.
„Will kuscheln“, nuschle ich und dränge ihm eine enge Umarmung auf, aus der er sich vehement befreit.
„Auf keinen Fall!“, sagt er empört und stiert mich an, als wäre ich Abschaum.
„Jamal?“ Mein verdammtes Herz macht Kapriolen und will partout aus meiner Brust. „Jamal? Bitte! Nur küssen.“
Sein Blick wird weicher, er rückt näher und gibt mir endlich den ersehnten Kuss, dabei legt er einen Arm locker über meine Brust. Die Berührung seiner Lippen, sein Geschmack und Duft wirken zusammen mit dem Whisky auf mich, als würde ich von einer brennenden Dampfwalze überrollt. Es ist viel zu lange her, dass ich Sex mit einem Mann hatte, Zärtlichkeiten gegeben und empfangen habe. Mein Gehirn schaltet ab.
Mein Hintern brennt und in meinem Schädel grassiert ein Dampfhammer. Nur vage erinnere ich einzelne Sequenzen der vergangenen Nacht. Jamals Hände, sein Schwanz in mir und ein gigantischer Höhepunkt. Danach ist tiefe Schwärze. Ich muss wohl gleich nach dem Orgasmus eingeschlafen sein.
Die Hütte ist leer, durch die Fenster dringt strahlender Sonnenschein. Im Kamin knistert ein kleines Feuer und der obligatorische Kessel hängt darüber. Von Jamal und dessen Klamotten keine Spur. Hat er mich zurückgelassen und ist weggefahren?
Ich krabbele vom Bett, schlurfe zum Fenster und entdecke den Wagen vor der Baracke. Also muss mein Freund noch in der Nähe sein.
Auf der Arbeitsfläche steht ein Becher, daneben der Instantkaffe. Etwas zittrig von dem Kater bereite ich einen Kaffee zu und trinke ihn in kleinen Schlucken, dabei fällt mein Blick auf den Tisch. Wieso habe ich den Zettel nicht eher bemerkt.
„Bin spazieren. J.“, steht auf dem kleinen Blatt.
Gut, nun weiß ich wenigstens, wo er steckt.
Nachdem ich eine Shorts übergezogen habe, tappe ich zum See. Die Luft ist heiß und flirrt über dem Wasser, sodass es kaum Überwindung kostet, ein kurzes Bad zu nehmen. Nass lege ich mich anschließend auf den Steg und lass mich von der Sonne trocknen. Langsam wird der Kopfschmerz weniger und immer mehr Fetzen der letzten Nacht flattern wie Bildschnipsel durch mein Gehirn.
Ich muss mich wie ein brunftiger Stier aufgeführt haben und erinnere mich, völlig hemmungslos um Jamals Schwanz gefleht zu haben. Die Worte, die ich dafür benutzt habe, treiben mir noch im Nachhinein das Blut in die Wangen. Eigentlich bin ich nicht so ein wildes Tier, doch irgendetwas muss in mir geplatzt sein.
Was mag Jamal von mir denken? Sind wir jetzt ein Liebespaar? Nein, dann wäre er doch nicht weggegangen. Sicher wird er mir nach seiner Rückkehr erklären, dass unsere Freundschaft beendet ist. Der Gedanke bohrt sich wie ein scharfer Splitter in mein Herz.
Sogar die Shorts ist nach kurzer Zeit trocken. Ich trotte zurück zur Hütte, schnappe mir eine Decke und breite sie auf der Wiese vor der dem Holzhaus aus. Die Krone eines nahestehenden Baumes spendet Schatten, sodass es gut auszuhalten ist. Ich lege mich hin, starre in den Himmel und versuche abzuschalten.
Irgendetwas weckt mich Stunden später. Am Stand der Sonne kann ich erkennen, dass es Nachmittag geworden ist. Als ich den Kopf wende, entdecke ich Jamal, der langsam vom Wald her auf mich zu gestapft kommt. Seine Miene ist ernst und die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Vor mir hält er an und schaut auf mich runter.
„Hallo!“, sage ich heiser und blinzle zu ihm hoch.
Jamal seufzt, lässt sich neben mich plumpsen, zieht die Beine an und schlingt die Arme darum. Er sagt eine ganze Weile nichts, guckt in die Gegend und irgendwann wird das Schweigen unangenehm.
„Wegen gestern … bist du sauer?“, nehme ich das Gespräch auf.
„Du warst völlig weggetreten und hast versaute Sachen gesagt“, murmelt Jamal. „War ganz schön wild.“
„Hat es dir … gefallen?“, frage ich unsicher.
„Ja, schon, aber …“ Er seufzt und bedenkt mich mit einem verlegenen Blick. „Ich war etwas überrumpelt. Erst weist du mich ab, dann fällst du über mich her. Okay, meine Aktion war auch … unüberlegt und sicher habe ich damit den Eindruck erweckt, ich wäre … notgeil, oder so. Das bin ich aber nicht. Ich will – wennschon – etwas Echtes. Ich mag es lieber, wenn ich beim Sex mehr als nur Geilheit empfinde.“
Darauf kann ich erst mal nichts sagen. Meine Gefühle sind noch so neu und ungewohnt … Es erscheint mir falsch, damit herauszuplatzen und am Ende festzustellen, dass sie nur aus der ungewohnten Nähe resultieren.
„Ich mag dich sehr, das weißt du“, fährt Jamal fort. „Ich habe mir wohl zu viel von dem Wochenende erhofft und eigentlich war klar, dass es mit uns … dass es zwischen uns nicht funkt. Immerhin kennen wir uns seit langer Zeit und da war von deiner Seite nie etwas. Vielleicht sollten wir einfach packen und jetzt schon abreisen.“
Ich halte es nicht länger aus, seine hängenden Schultern zu sehen und die Trauer in seiner Stimme zu spüren. Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, setze ich mich auf, fahre mit den Fingerspitzen über seinen Arm und taste mich bis zu seiner Hand vor. Er lässt zu, dass ich meine Finger zwischen seine schiebe und drückt sogar leicht zu. Fühlt sich gut an und nimmt ein wenig den Druck von meiner Brust.
„Ich … ich bin noch nicht soweit“, flüstere ich. „Es ist so neu und … ich brauche etwas Zeit. Bitte!“, setze ich flehend hinterher.
Jamal wendet mir das Gesicht zu, mustert mich prüfend, dann zuckt einer seiner Mundwinkel, in der Andeutung eines Lächelns, nach oben.
„Du meinst … wir haben eine Chance?“, erkundigt er sich verzagt.
„Wenn du möchtest.“ Mein Bauch verkrampft sich vor Angst, dass er ablehnen könnte und mir keine Zeit einräumen will.
„Ja, möchte ich“, raunt Jamal, lässt seine Beine los und wendet sich mir ganz zu.
Wie in Zeitlupe kommt sein Gesicht immer näher, dann spielen seine Lippen sanft mit meinen. Er legt eine Hand in meinen Nacken, krault mit den Fingern den Haaransatz und berauscht mich mit seinem Duft. In einem tiefen Kuss versunken landen wir auf der Decke und umarmen uns so heftig, als würden wir ohne den anderen ertrinken.
In logischer Konsequenz sind wir wenig später nackt und unsere Becken prallen, in der Imitation des Liebesaktes, rhythmisch gegeneinander. Es ist Jamals Hand, die schließlich zwischen uns runterwandert und beide Schwänze umfasst. Keuchend schiebe ich meinen Steifen in die enge Faust, sehnsüchtig die Erlösung anstrebend. Jamal ist nicht minder erregt und gemeinsam erreichen wir das Ziel.
In stiller Übereinkunft packen wir schon bald darauf unsere Sachen. Jamal schließt die Hütte ab und noch einmal geht es nacheinander auf den stinkenden Abort, bevor wir ins Auto steigen und die Heimfahrt antreten.
Diesmal kommen wir zügig durch, da der Rückreiseverkehr noch nicht eingesetzt hat. Schon nach drei Stunden hält Jamal vor dem winzigen Haus, das ich mein Eigen nenne. Er lässt den Motor laufen, wendet sich zu mir und ich sehe, dass er schluckt. Mir hängt auch ein Brocken in der Kehle und mein Magen hat sich im Laufe der Fahrt zu einem Knoten geballt.
„Ich lass dir Zeit“, flüstert Jamal. „Bitte, lass mich nicht zu lange warten.“
Er beugt sich zu mir, haucht einen Kuss auf meinen Mund und bittet: „Steig aus, bevor ich zu heulen anfange.“
Ich gehorche, hole meine Tasche aus dem Kofferraum und schaue dem Wagen hinterher. Es fühlt sich an, als nähme er ein Teil von mir mit.
Auch wenn das unverständlich sein mag, irgendwie kann ich nicht aus meiner Haut. Wahrscheinlich, weil ich schon viel zu lange hinter einer Mauer lebe und mir jegliche Emotionen verboten habe. Das mit mir und Jamal … am Montagmorgen erscheint es wie ein Hirngespinst.
Da wir nicht im gleichen Raum, nicht einmal auf demselben Flur arbeiten, müssen wir uns nicht zwangsläufig sehen. Ich vermeide alle Räume, wie zum Beispiel die Kantine, in denen es zu einer Konfrontation kommen könnte. Das halte ich die ganze Woche durch und es scheint, als wenn auch Jamal mir aus dem Weg geht.
Nur einmal begegnen wir uns vor den Toiletten. Jamal dreht sofort um und verschwindet den Gang hinunter, während ich die Räume betrete. Keine Ahnung wieso, aber ich bin innerlich wie abgestorben und nicht in der Lage, auch nur das Wort an ihn zu richten.
Nachts quälen mich Alpträume, in denen Jonas eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Doch es ist nur sein Kopf, der Körper darunter gehört Jamal und wir haben so wilden Sex, dass ich jeden Morgen mit klebriger Shorts aufwache. Warum mich das quält? Weil es liebloser, triebgesteuerter Sex ist, nach an dessen Ende ich jedes Mal einen Arschtritt verpasst bekomme.
Als ich am Freitagmorgen erwache, hat sich irgendetwas geändert. Meine Hose klebt zwar, aber das Gefühl ist anders. In dieser Nacht war der Traum anders und Jonas‘ Gesicht war verschwunden, durch Jamals ausgetauscht. Der Sex war eine einzige Kuschelorgie und ich fühle endlich wieder. Mein Herz ist ganz leicht, der Bauch mit kribbelnder Erwartung gefüllt.
Leider steckt in diesem Tag der Teufel. Ich bin schon morgens so eingespannt, dass ich erst nach der Mittagspause dazu komme, nach Jamal zu suchen. In dem Büro, das er sich mit einem Kollegen teilt, sitzt nur noch selbiger und schaut auf, als ich hereingeschneit komme.
„Wo ist Jamal?“, frage ich ohne Umschweife.
„Hat schon Feierabend gemacht. Wollte übers Wochenende wegfahren“, murmelt der Mann und starrt weiter auf seinen Monitor.
Während ich zurück zu meinem Zimmer eile, überlege ich, wohin Jamal will. Zur Hütte? Allein? Oder hat er … einen anderen Mann mitgenommen? Ist das vielleicht eine Masche von ihm und ich nur eines seiner Opfer? Jegliche Leichtigkeit verabschiedet sich und schwere Steinbrocken sammeln sich in meinem Magen. Bittere Enttäuschung macht sich in meinem Inneren breit und erstickt das keimende Pflänzchen von heute Morgen.
Ich sacke auf meinen Stuhl und starre auf den Monitor. Irgendwann taste ich nach meinem Handy, wähle Jamals Nummer, doch die Mailbox springt sofort an. Gefrustet stecke ich das Mobilteil in meine Gesäßtasche und sitze eine Weile herum, bis ich entschlossen den PC herunterfahre und meine Sachen packe.
Eine Stunde später habe ich die Elbbrücken hinter mir gelassen und quäle mich durch den dichten Verkehr in Richtung Süden. Es ist bereits nach vier Uhr und die Autobahn ein Hexenkessel. Es scheint, als wenn wirklich jeder verflixte Hamburger übers Wochenende verreisen will. Wenn es so langsam weitergeht, werde ich kaum vor Mitternacht an der Hütte ankommen.
Was mich dort erwartet, wage ich mir kaum auszumalen. Werde ich Jamal mit einem anderen im Bett antreffen? Werde ich die Hütte überhaupt finden? Was tue ich, wenn meine schlimmsten Befürchtungen eintreffen? Was aber werde ich machen, wenn sie nur ein Hirngespinst sind?
Gegen acht Uhr erreiche ich endlich Kassel und fahre ein paar Mal im Kreis, bis ich endlich den Wegweiser in Richtung des Naturschutzgebietes gefunden habe, in dessen Nähe die Hütte liegt. Insgeheim verfluche ich die Unachtsamkeit, in der ich sowohl auf dem Hinweg, wie auch auf der Rückfahrt kaum auf die Umgebung geachtet habe.
Nachdem ich zweimal falsch abgebogen bin, befinde ich mich endlich auf dem schmalen Sträßchen, das zur Hütte führt. Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen und ich durchgeschwitzt. Erschöpfung macht sich bemerkbar, meine Hände zittern und die Knie werden immer weicher, je näher ich dem Ziel komme.
Es ist schon fast halb zehn, als ich endlich die Hütte erreiche. Jamals Wagen parkt vor dem Holzhaus und aus den Fenstern dringt ein schwacher Lichtschein. Ich stelle mein Auto neben dem anderen ab und sitze einen Moment da, bevor ich hinter dem Steuer hervorkrabbele.
Mit schweren Schritten, angstvoll pochendem Herz und immer kurz davor, wieder umzukehren, gehe ich auf die Hütte zu. Sollte ich erst durch eines der Fenster die Lage peilen? Ich schleiche näher und luge durch die Scheibe, ängstlich angespannt und mit dem Schlimmsten rechnend.
Was ich jedoch erblicke, lässt den Eisklumpen in meinem Bauch schmelzen. Jamal hockt am Tisch, den Kopf gesenkt, vor ihm eine Flasche. Außer ihm befindet sich niemand in dem Raum. Wie konnte ich je annehmen, dass er es nicht ehrlich mit mir meint? Scham kriecht an die Stellen, an denen vorher Zweifel die Macht übernommen hatte. Ich laufe zur Tür und stoße sie einfach auf.
Jamals Kopf ruckt hoch, seine Augen weiten sich ungläubig. Dann rülpst er und greift nach der Flasche.
„Wegen dir werde ich noch zum Säufer“, murmelt er, grinst schief und setzt die Pulle an seine Lippen.
Mit zwei langen Schritten bin ich bei ihm, reiße ihm die Flasche aus den Händen und bringe sie auf der Arbeitsfläche außer Reichweite.
„Arschloch!“, knurrt Jamal und kommt schwankend hoch.
„Spinner!“, erwidere ich, stemme die Hände in die Seiten und funkle ihn an.
„Schwanzfopper!“, sagt Jamal.
„Herzensdieb“, erwidere ich sanft und lass die Arme hängen.
„Du … verfickter …“, flüstert er und seufzt dann leise. „Mir gehen gerade die Schimpfworte aus“, bekennt Jamal und sein Blick hängt voller Hoffnung an meinem Gesicht. „Herzensdieb?“, fragt er sehr leise.
„Aber so was von“, murmele ich, überwinde die kurze Distanz und ziehe ihn an meine Brust.
Uns trennen fünf Jahre und fünf Zentimeter, um die Jamal mich überragt. Doch was zählt das, wenn alles andere stimmt? Ich bin verliebt und will – Verdammt noch mal! – endlich wieder fühlen und bin auch endlich bereit dazu.
„Du hast mich überzeugt“, sage ich sehr leise, bevor ich meinen Mund auf Jamals presse.
Er schmeckt nach Gin und nach Glück. Ich wage einen Vorstoß mit der Zunge, der begeisterte Erwiderung findet. Seine Finger fahren über meine Rücken, Handflächen packen frech meinen Hintern und mit einem Ruck lande ich ganz an Jamals heißem Körper.
Irgendwie gelangen wir zum Bett, plumpsen auf die altersschwache Matratze und befreien uns gegenseitig von störendem Stoff. Die Erschöpfung ist von mir abgefallen, jeder einzelne Nerv vibriert mit einem freudigen Summen. Jamals Berührungen und seine kehligen Seufzer bringen mein Blut in Wallung. Ich will ihn so sehr, dass sich dieser Wunsch schmerzhaft in meinem Unterleib manifestiert.
„Jamal? Schläfst du mit mir? Bitte!“, wispere ich in sein Ohr.
„Erst die Zauberworte“, antwortet er, packt meine Wangen und fixiert mich mit seinen Kohleaugen.
Ich weiß, was er hören will. Dass es plötzlich so schwer ist, diese einfachen Worte auszusprechen, die ich doch schon die ganze Zeit fühle, kommt unerwartet. Ich glotze ihn an und meine Kehle ist so trocken, dass die Sahara dagegen ein Schiss ist. Jamal seufzt und schüttelt gespielt empört den Kopf.
„Hör mal. Ist doch ganz leicht!“, brummelt er. „Jamal, du bist für mich alles. Ich liebe dich von ganzem Herzen und würde jetzt sehr gern deinen Arsch erobern. Also? Sag es!“
Seine Worte locken ein Kichern herauf und ich kann nicht anders, muss losprusten und jegliche Hemmungen fallen von mir ab.
„Jamal … du bist … mein Augenstern …“ Mich schüttelt ein Lachanfall, der schon fast hysterisch ist. „Ich … Oh Scheiße! … Ich liebe dich … so sehr … und würde so gern …“ Plötzlich erstirbt die Heiterkeit und ich schaue Jamal voller Ernst an. Erwartungsvoll erwidert er meinen Blick und es scheint, als wäre er komplett ernüchtert.
„Ich liebe dich. Bitte, schlaf mit mir“, sage ich mit fester Stimme und spüre, wie mein Herz bei diesen Worten einen Salto hinlegt.
„Geht doch“, knurrt er, doch seine Augen beginnen zu glänzen, trotz dieser nüchternen Worte.
„Jamal!“, flüstere ich und ersticke ihn für Sekunden mit einer wilden Kussattacke. „Jamal, ich liebe dich. Verzeih mir, dass ich nicht eher …“, füge ich atemlos hinzu.
„Es hat sich gelohnt.“ Er beginnt zu lächeln, bis seine Mundwinkel gegen die Ohrläppchen stoßen. „Und nun: Fick mich endlich!“
So einfach mache ich es ihm nicht. Mit Lippen und Fingern falle ich über ihn her, erkunde jeden Winkel seines Körpers und entlocke ihm damit die schönsten Töne. Irgendwann schubst er gegen meine Brust und schenkt mir einen glutvollen Blick.
„Nun mach schon!“, nörgelt er.
„Ich habe zehn Jahre auf einen Mann verzichtet. Nun will ich alles. Also: Stell dich nicht an“, knurre ich und Jamal lacht, streckt die Arme seitlich aus und spreizt die Beine.
Wow! Sieht wahnsinnig geil aus und gehört alles mir! Erneut begebe ich mich auf Entdeckungsreise und erforsche selbst die intimen Winkel, die Jamal nur verschämt kichernd freigibt. Dann hat auch meine Geduld ein Ende.
„Kondome? Gleitgel?“, frage ich mit vor Geilheit rauer Stimme.
„Öhm …“, macht Jamal und guckt unschuldig.
„Mist!“, stöhne ich, lecke zwei Finger an und schiebe sie ungeduldig zwischen seine Beine.
Kurz darauf drängele ich mich selbst in seinen Hintereingang, dabei halte ich sein Gesicht in den Handflächen. Jamal keucht, empfängt mich aber entspannt und willig. Das letzte Mal ohne Gummi liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück, daher gleicht es einem Wunder, dass ich nicht schon beim Eindringen abspritze.
„Jamal“, raune ich, ganz in ihm drin. „Das geht nicht lange gut.“
Er kapiert und langt zwischen uns. Während ich vorsichtig in ihn stoße, huscht mein Blick zwischen seinem wunderschönen Gesicht und seinem Schwanz hin und her. Die schmalen Finger um das steife Glied, die Art, wie er sich selbst bearbeitet … Meine Lust kocht brodelnd hoch und als er nur Sekunden später zwischen uns ejakuliert, dabei rau aufstöhnt … sein Darm meinen Schwanz noch enger umschließt … explodiert mein Inneres und zugleich ergieße ich mich tief in meinem Liebsten.
„Du … bist jetzt meiner!“, stöhne ich an seinem Mund.
Jamal erdrückt mich fast und sagt nichts, nur seine keuchenden Atemzüge dringen zu mir durch.
„Lenny“, murmele ich Minuten später, in denen wir uns ein wenig erholt haben, verträumt.
Jamal glotzt so verpeilt, dass ich laut auflachen muss.
„Der Held meiner Jugend“, erkläre ich. „Der Hauptakteur meiner einsamen Faust-Fantasien.“
„Ach so“, murmelt er und grinst schief. „Weißt du, an wen ich immer gedacht habe?“ „Orlando Bloom“, sagt er gleich darauf und wir prusten beide los.
Scheint so, als wenn wir den Helden unserer Teenagerzeit begegnet sind. Jamal ähnelt meinem und ich habe Ähnlichkeit mit seinem. Doch das ist nicht alles, was uns verbindet. Irgendwie … ist zwischen uns mehr. Viel mehr.
Als wir am Sonntagabend vor den Wagen stehen, sind viele Stunden voller Sperma und Liebesbeteuerungen vergangen. Es gibt kein Stückchen Haut an Jamals Körper, das ich nicht gebissen oder irgendwie liebkost habe. Dennoch … es ist nicht genug und ich will keine Minute mehr auf ihn verzichten, für den Rest meines Lebens.
„Ich liebe dich“, sage ich freimütig und umarme ihn, als würden wir uns nie wiedersehen.
„Und ich liebe dich“, erwidert er ebenso klar, dabei zieht ein entzückendes Grinsen seine Lippen auseinander.
„Also … zu dir oder zu mir?“, frage ich schelmisch.
„Zu dir. Wer zuerst da ist … liegt heute oben“, antwortet Jamal und rennt zu seinem Auto.
Da mir der Hintern noch brennt, drücke ich auf die Tube und gelange doch wirklich satte acht Minuten vor Jamal vor meinem Haus an. Also liegt er unten und … Ach, es ist echt egal. Ich bin gefangen in Gefühlen, von denen ich niemals gedacht hatte, dass ich sie je wieder spüren würde. Nur, dass diesmal alles echt ist und zwischen mir und Jamal kein Geheimnis existiert.
Er zieht zu mir und oft fahren wir wieder zu der Hütte, doch eigentlich genießen wir es sehr, in meinem bescheidenen Heim einen Garten und eine Dusche zu haben. Zudem stinkt das Klo nicht und auch mein breites Bett bietet so einige Vorteile. Jamal liebt mich und jede Minute, die uns miteinander vergönnt ist, werde ich auskosten.
Es sieht sogar danach aus, als wenn wir irgendwann verwittert und alt, Hand in Hand, auf dem Steg sitzen werden. Ich freue mich darauf, aber bis dahin ist es noch lang hin.
ENDE
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: depostiphotos
Tag der Veröffentlichung: 24.03.2014
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