Cover

Die Liebe trägt Pradas

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei er-funden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmi-gung der Autorin.


Text: Karolina Peli, Sissi Kaiipurgay

Fotos von shutterstock, Design Lars Rogmann


Die Liebe trägt Pradas

Franco, ein Designer, der eher auf den schlichten Stil steht, trifft Mica. Dieser entspricht genau der Sorte Modegeck, auf die Franco normalerweise gar nicht kann. Doch das Model zeigt ihm, dass wesentlich mehr in ihm steckt, als ein modeverliebter Schönling. Ein Paar Pradas spielt dabei eine wichtige Rolle …


Franco

Die Türglocke läutet dezent und mein Assistent Sergej läuft sogleich nach vorn in den Laden, um den Kunden zu bedienen. Wir befinden uns im Hamburger Stadtteil Pöseldorf, den viele auch Schnöseldorf nennen, unweit der Alster und des Stadtkerns. Hier treibt sich die Schickeria herum und genau deshalb habe ich diesen Standort gewählt.

Meine Mode ist sportlich-elegant, genau richtig für einen Tag auf dem Wasser oder auch auf dem Golfplatz. Ich mag es schnörkellos, bei hoher Qualität, das zeichnet meine Entwürfe aus und dadurch natürlich auch die Preise meiner Kreationen. Die Kundschaft in der Umgebung schätzt meinen Stil, daher lohnt sich die hohe Miete.

Ach, ich will nicht jammern, meine Umsätze sind prächtig.

Auch in Mailand, Paris und Barcelona florieren meine Flagship Stores, daher darf ich mich inzwischen als vermögend bezeichnen. Das trage ich nicht direkt nach außen, lass es die Menschen nur durch meine Körperhaltung und die tadellose Kleidung spüren. Auch mich selbst pflege ich entsprechend, schon allein, weil ich inzwischen die Vierzig überschritten habe.

Von einer Haartönung sehe ich ab, da ich das affig finde. Graumeliert steht mir und bislang habe ich noch immer einen Kerl gefunden, der der gleichen Meinung ist. Ja, ich mag Männer so lange ich denken kann. Nie der Hauch einer Unsicherheit.

Bis vor zehn Jahren habe ich es richtig krachen lassen, dann den Rückzug angetreten und mich auf das Geschäft konzentriert. In letzter Zeit gehe ich nur noch ganz selten weg und dann in den „Rosa Pinguin“, in dem das Völkchen nicht so durchgeknallt und jugendfixiert ist, wie in den anderen einschlägigen Clubs der Stadt.



„Franco? Magst du mal kommen?“, ruft Sergej, unterbricht damit meine innere Selbstbeschau und zwingt mich, den Schreibtisch zu verlassen.

Mein Assistent steht vor einem blonden Kerl, der mit anklagendem Blick einen meiner Freizeitanzüge in den Händen hält. Sofort kann ich den langen Riss in der Hose erkennen.

„Ich habe den Anzug nur einmal getragen und es genügte ein schmales Zweiglein, um diesen Schaden anzurichten“, verkündet der Mann.

„Ein Zweiglein?“, wiederhole ich amüsiert, nehme ihm den Anzug aus der Hand und inspiziere den Riss. „Das sieht mir nach einem kräftigen Ast aus.“

„Es war ein Zweig“, beharrt der Kunde, läuft dabei aber rot an.

„Gut. Ich will Ihre Schilderung auch gar nicht in Zweifel ziehen. Sergej, gib dem Herrn einen neuen Anzug.“

Mein Assistent runzelt missbilligend die Stirn, gehorcht aber und händigt dem Mann einen neuen Freizeitanzug aus, den dieser mit einer schnellen Bewegung entgegennimmt. Mit einem gemurmelten ‚Danke. Auf Wiedersehen‘ verlässt er das Geschäft und hastet davon.

„Merkwürdiger Kauz“, meint Sergej.

„Allerdings. Hast du seine geckenhafte Kleidung beachtet? Dieses lila Jackett mit der roten Hose und den Stiefeln von Prada? Das ist ja so was von schwul und geschmacklos.“

Ich muss lachen, denn lustig hat der Kerl schon ausgesehen und auf eine besondere Art sexy, obwohl ich Modenarren noch nie leiden konnte. Jedenfalls nicht, wenn sie einen so ausgefallenen Geschmack hegen.

„Ein Spinner eben“, kommentiert mein Assistent und seufzt, als sein Blick auf den kaputten Anzug fällt. „Ein Zweiglein“, piepst er und prustet los.

Was genau der Kunde angestellt hat, um der Hose auf einer Seite diesen Riss von oben bis unten anzutun, kann ich mir nicht vorstellen, außer, er ist ein Freiluftfan und hat sich ein Stelldichein im Wald gegönnt. Möglich ist ja alles bei solchen Typen. Ich finde den Gedanken an Sex in der Öffentlichkeit nicht besonders reizvoll, jedenfalls heutzutage nicht mehr. Früher habe ich das oft genossen und den besonderen Kick sehr geliebt, den eine mögliche Entdeckung auslöst.

„Sergej, sei doch so gut und besorge mir einen Espresso von nebenan“, bitte ich, bevor ich mich in mein Büro zurückziehe, die kaputte Kleidung auf einen Stuhl werfe und wieder hinter dem Schreibtisch Platz nehme.

Stirnrunzelnd beuge ich mich über die Entwürfe, und schon nach wenigen Minuten ist der Modeidiot vergessen.

Mica

Ich fühle mich schon seit dem Aufstehen etwas wirr im Kopf. Nicht, das ich etwa ein normaler Mensch wäre, nein, ich schätze, das bin ich beileibe nicht. Dazu führe ich ein zu unstetes Leben. Es ist geprägt von unzähligen Stunden vor der Kamera. Nicht, dass ich diese nicht genieße, ganz im Gegenteil. Dennoch brauche ich keine Ewigkeit vor dem Schminkspiegel, was mich ungeheuer beruhigt. Da gibt es andere in meinem Alter … Und da es auch so bleiben soll, war ich gerne bereit, den Werbevertrag für Man`s face anzunehmen. Die Produkte riechen etwas muffig, es soll Pfirsich sein, was ich mir da ins Gesicht schmiere, für mich riecht es nach Heu. Nun ja, die Kohle stimmt. Also so what?

Nächste Woche unterzeichne ich für eine weitere Serie. Bodylotion, Duschgel und Badewässerchen. Hach, ich denke, wenn ich mich gut halte, bin ich für die nächsten Kampagnen „das“ Face. Da muss und will ich durch, auch wenn alles nach Heu stinken wird, was ich stark annehme. Meine Güte, ich kann ja nichts dafür, dass ich so empfindlich bin …

Außerdem trage ich das auch nur in der Öffentlichkeit. Normalerweise, wenn ich nicht arbeite, kommt mir nur Wasser und sonst nichts an mein Gesicht. Was meine Kleidung betrifft, da stehe ich auch privat nicht aufs Grobe. Obwohl ich dann anders herumlaufe, nicht so überkandidelt. Ich bevorzuge Jeans, die absolut Top Qualität haben. Bei denen ich nicht denken muss, welches arme Kind dafür stundenlang daran arbeiten musste, nur um etwas Geld in die Hand zu bekommen. Ja, bei aller Leichtigkeit meines Daseins, dieser Gedanke schafft mich. Meine private Kleidung ist eher schlicht, jedoch ever on top, wie man zu sagen pflegt. Jeansbilligläden, nein, das käme niemals in Frage. Und nein, man komme mir nicht mit dem bescheuerten Satz: Sag niemals nie … ich spare seit Jahren einen gewissen Betrag und daran rüttle ich nicht. Man kann ja nie wissen, auf einmal ist es aus mit der Schönheit.

Ich stehe gerade auf dem Balkon meiner Altbauwohnung. Vor zwei Jahren habe ich sie gekauft. Sie ist nicht besonders groß, bietet jedoch genügend Platz. Vier Zimmer, eine kleine Küche, ein geräumiges Bad und zwei WC. Ja, die Küche, darauf legte ich Wert. Ich koche leidenschaftlich gerne, was kaum einer weiß.

Wie auch, da ich selten jemand mit zu mir nehme. Eine Handvoll Freunde sind mir stets willkommen. Aber Sex bei mir Zuhause, das vermeide ich wie die Pest. Ich gebe mich in der Öffentlichkeit gerne zugeknöpft. Im Prinzip bin ich schüchtern.

Nur, wer glaubt mir das? Sicher nicht die Männer, die mir heute Nacht begegnen werden. Ich stehe vor dem Spiegel, ungeschminkt, nackt. Und gefalle mir. Ich würde mich jedenfalls wollen … aber die Kerle mich so auch? Wie lange möchte ich das noch? Seit fast zehn Jahren bin ich im Geschäft. Seufzend wende ich mich ab, greife zur Tusche, mache ein wenig auf Bling-Bling. Es wird 23 Uhr, bis ich ein Taxi rufe, das mich zum ‚Rosa Pinguin‘ fährt. Mit meinen neuen Pradas laufe ich wie auf Wolken, okay, sie drücken ein wenig, aber in dieser Hinsicht bin ich großzügig. Bin ja keine Zicke. Außerdem drückt mich etwas anderes … das ist weitaus unangenehmer … Ich weiß nicht, was ich genau hier mache. Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit mich zu vergnügen. Aber da mein Körper nicht nur von Äußerlichkeiten lebt … haha, wie Schminke oder Kleidung, sondern sich auch mal wieder an einen heißen Kerl schmiegen möchte, raffe ich mich eben auf …

Franco

Der ‚Rosa Pinguin‘, eigentlich ja nicht mein Club, aber wenn ‚Mann‘ dringend etwas sucht, dann ist man hier richtig. Ich bin das dritte Mal in Folge in dem Etablissement und bisher hat keiner der Gäste meine Aufmerksamkeit erregen können, bis auf diesen Kerl, der vor einigen Wochen mit dem angeblich durch ein ‚Zweiglein‘ zerrissenen Jogginganzug vor mir stand.

Wir haben geschwatzt die letzten Male, oberflächlich, dabei hat jeder von uns nach potentiellen Partnern Ausschau gehalten, offensichtlich und ohne falsche Scham. Mir ist klar, dass der Mann zu jung für mich ist und sein Desinteresse tat bislang auch nicht weh.

Heute ist das irgendwie anders. Ich stehe neben Mica, schlürfe einen Cocktail und gelegentlich streife ich ihn mit einem verstohlenen Blick. Gut sieht er aus. Schlank, schmal, feste Muskeln. Seine Augen wandern über die Gästeschar, während er immer mal wieder einen gezierten Schluck aus einem Glas mit bräunlicher Flüssigkeit nimmt. Whisky?

„Sag mal, was machst du eigentlich beruflich?“, frage ich, wobei ich meiner Stimme einen beiläufigen Klang verleihe.

„Bin Model“, murmelt Mica.

„Hm“, mache ich, dabei wandert mein Blick erneut an ihm rauf und runter.

Er ist für meinen Geschmack zu modisch gekleidet, aber eigentlich sind mir Äußerlichkeiten relativ egal. Mit dreiundvierzig bin ich abgeklärt genug, das Innere eines Menschen zu schätzen, und genau das gefällt mir an Mica. Er wirkt schüchtern, beinahe scheu, auch wenn er das mit cooler Gestik zu verbergen sucht. Wie er wohl im Bett reagiert? Ich werde steif.

„Klingt aufregend“, belebe ich das Gespräch.

„Ja“, murmelt Mica, lächelt mir kurz zu und sofort wandert sein Blick weiter.

Okay, so komme ich hier nicht voran. Entweder, ich gehe ran, oder das scheue Reh entschwindet wieder in die Nacht.

Mica

Ich schlendere mit einem Drink in der Hand ein wenig umher. Der Club hat zwei Ebenen. Ich gehe betont langsam, sodass man mich auch gebührend bewundern kann, die breite Treppe hoch. Meist stehe ich in der Nähe der Bar, um meinen Nachschub an alkoholischen Getränken zu sichern. Ich stelle mich an die Balustrade, sehe und werde gesehen.

Ach, da ist doch wieder dieser … wie hieß er noch mal? Franco. Er sieht umwerfend aus. Obwohl ich nicht auf diese Schmacko Typen stehe. Sie sind mir zu glatt gebügelt. Doch diesen würde ich nicht verachten, würde er eine Anfrage starten. Der hat was. Er wirkt obercool, fast sensationell abweisend. Kein typischer Jäger, meine ich, und genau das zieht mich an. Ach, ich und meine Beobachtungen. Auch so eine Sache, die dem Model Mica keiner zutraut.

Er kommt auf mich zu und lächelt. Die letzten Male, als wir uns hier getroffen haben, tauschten wir oberflächliche Worte.

Obwohl manches recht interessant rüberkam, was er so losließ. Langsam dämmert mir auch, wo ich ihn außerhalb des Clubs schon getroffen habe. Da war doch die Sache mit der dämlichen Hose. Ich muss mich abwenden, kichere in mein Glas. Da war doch die Sache mit Jeff, der unbedingt meinte, noch um Mitternacht joggen zu müssen. Ich hatte schon einige Gläser Wodka in mir. Nun ja, ich bin Finne, was soll ich sagen … Finnen machen schon mal lustige Dinge … Da ich nicht nur Jeffs Laufkunst kenne, sondern auch seinen Zungenschlag … rannte ich mit. Und im Eifer des Gefechts landeten wir, dank unseres Alkkonsums, letztendlich in einer Hecke. Den Riss in der Hose konnte auch Jeffs Blaskunst nicht mehr wettmachen. Na gut, irgendwie schon … Verdammt, habe ich mich geärgert.

Ich sehe mir die Männer an. Der eine oder andere blickt öfter hoch. Ich schaue zurück, doch bei nur einem geht bei mir was hoch. Und der steht dicht neben mir.

„Nix dabei da unten“, murmle ich leise und tue mir leid. Ich vermeide es ihn anzusehen. Meine

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Karolina Peli/Sissi Kaiserlos - für die Homo Schmuddel Nudeln
Bildmaterialien: shutterstock by Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 21.02.2014
ISBN: 978-3-7487-3195-5

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