Wolfgang, der Kühlschrankdrache, lebt inzwischen mit seinem Liebsten auf Vulkanien. Gemeinsam mit zwei Menschen haben sie einen schwunghaften Handel ins Leben gerufen, der die Drachenbevölkerung mit Hosen ausstattet. Im Gegenzug bekommen die beiden, Harry und Jannis, Geldscheine, die auf dem Planeten gezüchtet werden. Dank der Drachenslips sind Verletzungen, die von ungeschickten Landeanflügen herrühren, seltener geworden, da die mächtigen Genitalien der Viecher von dem Stoff hochgehalten werden.
Es nähert sich das Jahresende und damit Wolfgangs erstes …
Weihnachten auf Vulkanien
Ein Planet in den Weiten des Weltraums. Drei Sonnen bescheinen ihn und die Milchstraße liegt gleich um die Ecke. Vulkanien. Hier leben Drachen in jeder Form, Farbe und Größe friedlich miteinander.
Richten wir jetzt unser Augenmerk auf eine kleine Höhle im Drachental, deren Eingang mit einem bunten Flickenteppich ausgelegt ist. Ein grüner und ein blauer Drache sitzen auf dem saftigen Gras vor den Felsen, vor ihnen stehen verschiedene Gläser. Gerade spießt der grüne Drache eine Gurke mit der Kralle auf und tunkt sie in ein Gefäß mit Schokocreme.
„Du-hu, Bolle, waf machen wir denn fu Weihnachten?“, fragt er und beißt genüsslich in das schokolierte Gemüse.
„Weih-nach-ten? Was ist das denn?“ Der Angesprochene blinzelt irritiert.
„Ach, daf gibt ef hier nicht?“
Der Grüne seufzt, seine Maulwinkel sinken nach unten.
„Oh, Wolle-Schatz, wenn es dir so wichtig ist, dann machen wir hier auch dein Weih-nach-ten“, tröstet Bolle schnell und legt eine Klaue auf Wolfgangs Knie.
„Nicht fo chlimm“, schnieft der grüne Drache. „Ich werde chon klarkommen. Keine Gechenke, kein Weihnachtfbaum, keine Chriftkinder. Chon okay.“
„Oh, Wolle-Baby, Schatz! Ich mach dir Weih-nach-ten“, flüstert Bolle und umarmt seinen Liebsten voller Inbrunst.
„Machft du daf? Bolle-Bärchen, ich hab dich fooo lieb.“ Wolfgang drückt dem blauen Drachen einen dicken Schmatzer auf die Schnauze.
Der bekommt in diesem Moment ein mulmiges Gefühl, da er so gar nicht weiß, was es mit diesem Weihnachten auf sich hat. Sicher, es wird irgendein Fest sein, so wie auf Vulkanien das große Brüten. Eine Festivität, die das Schlüpfen der neuen Drachenbrut begleitet.
Nach dem Abendessen begeben sich die Drachen in die Höhle und für eine Weile ist nichts zu hören, außer Seufzern und lustvollen Stöhnlauten. Was die beiden da wohl treiben? Die Nacht senkt sich über Vulkanien, eine Sonne nach der anderen verschwindet hinter dem Horizont, bis nur noch Stille und tiefe Dunkelheit herrschen.
„Ich muff fur Arbeit“, verkündet Wolfgang am nächsten Tag und gibt Bolle einen zärtlichen Kuss.
Die Drachen arbeiten nach einem strengen Plan auf den Feldern, und manchmal trifft es sich, dass Bolle frei hat, während Wolfgang arbeiten muss. Heute kommt das den Plänen des blauen Drachen entgegen.
„Bis nachher, Wolle-Bärchen“, ruft er seinem Schatz hinterher, dann rennt er schnell zu dem Kühlschrank, der vor der Höhle steht und eigentlich nur noch der Pilzzucht dient, springt hinein und wirf die Tür hinter sich zu.
Finsternis umfängt Bolle, der zitternd zwischen den Champignons sitzt. Nur selten hat er die Reise zu den Menschen allein gewagt, daher ist ihm der Kasten immer noch unheimlich. Nach angemessener Zeit und nachdem der Geruch der Pilze von etwas anderem abgelöst wurde, drückt er energisch gegen die Tür und purzelt in eine vertraute Küche.
„Harry? Jannis?“, ruft Bolle und reibt sich das Hinterteil, mit dem er unsanft auf die Fliesen geplumpst ist.
Eine Tür quietscht, tapsende Schritte nähern sich. Verschlafen kommt Harry um die Ecke, gähnt und streicht sich die Haare zurück.
„Hey Bolle. Wir haben dich und Wolfgang erst morgen erwartet“, brummt er, krault den blauen Drachen kurz am Ohr und macht sich daran, Kaffee zu kochen.
„Wolle-Schatz weiß nicht, dass ich hier bin. Es ist ein Geheimnis. Ich will für ihn Weihnachten machen und muss wissen, was das ist. Hilfst du mir?“, plappert Bolle los.
„Ausgerechnet Weihnachten“, knurrt Harry, dem dieses Fest zutiefst zuwider ist.
„Weihnachten ist geil“, ruft Jannis, der in diesem Moment in die Küche getappt kommt und den blauen Drachen prompt auf den Arm nimmt, um sich mit ihm auf einem Stuhl niederzulassen. „Ich liebe das Fest. Tannenduft, Mandarinen und Nüsse. Geschenke.“
„Klingt gu-hut“, stöhnt Bolle, der Jannis‘ kraulende Finger an seinem Kinn genießt.
„Eine Krippe, Lametta, Tannenbaumkugeln, Kerzen, ein Weihnachtsmärchen“, fährt Jannis fort. „Mistelzweige, unter denen man sich küssen muss. Der Duft von Glühwein, mein Mann mit Weihnachtsmütze.“
„Nur über meine Leiche“, knurrt Harry und wirft seinem Liebsten einen bösen Blick zu.
„Wo-ha-ha“, macht Bolle, dessen Bauch gerade neues Angriffsziel für Jannis‘ Fingerspitzen geworden ist.
„Nelken, Äpfel, Weihnachtsmarkt“, murmelt Jannis abwesend, dabei schaut er verwundert an dem blauen Drachen herunter.
Ein purpurnes Biskuitstängchen reckt sich munter nach oben, wackelt und Bolles lila Zunge schlängelt sich langsam aus dem Maul, um nach einem halben Meter schlaff herunterzuhängen.
„Jetzt hast du ihn scharf gemacht“, mault Harry.
„Ja-ne! Konnte ich ahnen …“, echauffiert sich Jannis.
„Hey, das ist ein Kerl. Ein … Drachenkerl. Also reagiert er auf Krauleinheiten, genau wie ich“, mosert Harry mit gerunzelter Stirn.
„Aber du wirst nie scharf, wenn ich dich am Bauch kitzele“, verteidigt sich Jannis.
„Ach?“
Harry hebt die Augenbrauen, geht zum Kühlschrank, reißt die Tür ruckartig auf und greift nach einer Milchtüte.
„BOLLE!“
Ein grüner Drache springt aus dem Gerät, strauchelt auf den glatten Fliesen, fängt sich, kommt schliddernd vor Jannis zum Stehen und streckt die Ärmchen aus.
„Bolle-Chatz! Waf machft du hier und … Warum fteht dein Ftängelchen?“ Die letzten Worte kommen warnend und gezischt.
„Frag den da“, murrt Harry nach einer Schrecksekunde, schnappt sich die Milch und weist mit der Tüte auf Jannis.
„Ich hab nur … Es war überraschend und … Es ist nicht, wonach es aussieht“, stottert sein Mann und hebt beide Hände hoch.
„Woah! Wolle-Bärschen, isch bin scho schpitz auf disch“, nuschelt Bolle, rutscht von Jannis‘ Schoß und fällt Wolfgang um den Hals.
„Fo-Fo“, meint der grüne Drache misstrauisch, legt beide Arme um den Blauen und wirft Jannis einen bösen Blick zu.
„Ich hab ihn echt nur gekrault … total unschuldig“, verteidigt sich dieser.
„Wer’s glaubt“, brummt Harry, kippt Kaffee in zwei Becher und wirft den Drachen einen mürrischen Blick zu. „Haut bloß ab ins Wohnzimmer. Der Teppich ist eh eingesaut. Aber seid leise.“
„Komm, Bolle-Butfilein. Wir machen jetft Bu-bu und dann erfählft du mir, waf du hier machft“, murmelt Wolfgang, schubst seinen Gefährten aus der Küche, Krallen trippeln über die Holzdielen, eine Tür wird zugeworfen.
„Na, die fühlen sich hier ja schon wie zuhause“, versucht Jannis die Stimmung zu verbessern.
„Scheint so.“ Harry knallt einen Becher auf den Tisch.
„Ach Schatz, nun reg dich wieder ab. Komm her, ich kraule dir das Bäuchlein“, lockt Jannis und streckt die Arme nach seinem Mann aus.
„Hab kein Bäuchlein“, murrt Harry zwar, tritt aber zu Jannis und lässt sich auf dessen Schoß ziehen.
Der Kaffee wird kalt.
Dreißig Minuten später erscheinen die beiden Drachen wieder in der Küche und schauen sich verwundert um. Der Raum ist leer.
„Wo sind die denn hin?“ Bolle guckt unter den Tisch.
„Oho, ich glaube, ich höre fie“, meint Wolfgang, spitzt die Ohren und ein breites Grinsen zieht seine Maulwinkel nach oben.
„Ah“, macht nun der Blaue, als er die eindeutigen Geräusche aus einem anderen Zimmer hört. „Die machen Bu-bu.“
„Cheint fo.“ Wolfgang klettert auf einen der Stühle. „Alfo: Waf machft du hier allein?“
Bolle senkt den Kopf, glotzt auf seine Krallen und verschränkt die Hände hinter dem Rücken.
„Die Eier waren alle. Wollte nur Nachschub holen“, murmelt er, dabei beginnen seine Wangen, purpurn zu leuchten. „Dachte, ich bin schnell zurück.“
„Tf, tf.“ Wolfgang schüttelt den Kopf. „Und daf foll ich dir glauben? Ich hab mich fürchterlich erchrocken, alf du nicht zuhaufe warft. Hab mein Freffpaket vergeffen, bin umgekehrt und du … warft weg.“
„Dastutmirleid“, nuschelt Bolle beschämt.
„Fpinner! Alfo: Waf machft du wirklich hier?“
„Okeeee.“ Der blaue Drache seufzt. „Es ist wegen diesem Weihnachten. Ich wollte dich überraschen.“
Für einen Moment ist es ganz still in der Küche, dann juchzt Wolfgang plötzlich laut, springt vom Stuhl und Bolle um den Hals.
„Oh mein Liebfter!“ Er herzt den Blauen stürmisch. „Daf ift fooooo füff von dir! Tu einfach fo, alf wäre ich nie hier gewefen, okay? Ich bin chon wieder weg.“
Nach tausend wilden Küssen lässt er Bolle los, läuft zum Kühlschrank und schon fällt die Tür hinter ihm zu.
„Dumm-di-dumm“, summt Bolle, der seit Wolfgangs Abgang allein auf den Fliesen hockt, gelangweilt vor sich hin. „Ta-da-daaa. La-la-la.“
„Haben wir eine kleine Singdrossel als Haustier?“, brummt Harry, der lautlos in die Küche gelangt ist.
„Mir ist laaaangweilig. Wo ist Jannis?“, säuselt Bolle, dabei guckt er wie ein Welpe zu dem großen Mann hoch.
„Der kommt gleich.“
„Schon wieder?“ Bolle wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.
„Ferkeldrache“, murmelt Harry und macht sich daran, frischen Kaffee aufzusetzen.
Es rumpelt im Flur und gleich darauf erscheint Jannis, eine prall gefüllte Plastiktüte und ein Dutzend Lichterketten im Arm. Er stellt die Sachen vor Bolle ab, lässt sich auf einen Stuhl plumpsen, und während der blaue Drache zu seinen Füßen kauert, erzählt er ihm alles – aber auch wirklich alles – über ein gelungenes Weihnachtsfest.
Zurück auf Vulkanien schleppt Bolle das ganze Weihnachtszeug in die Höhle, wo er es in die Vorratskammer stopft und Wolfgang ein striktes Verbot erteilt, das Kämmerchen zu betreten. Nur noch zehn Tage bis Heiligabend.
„Ich soll … diese Mütze tragen und was dann noch gleich?“
Wotan starrt die Weihnachtsmannmütze an und es ist ihm anzumerken, dass die Sache über seinen Horizont geht. Außerdem beißt sich das Rot seiner Schuppen mit dem der Zipfelmütze. Bolle seufzt.
„Du machst ‚Ho-Ho-Ho‘ mit gaaanz tiefer Stimme und fragst dann Wolle, ob er artig gewesen ist.“
„Ach so, genau“, murmelt der Rote. „Und was mache ich, wenn Wolle nicht artig war?“
Bolle überlegt kurz, wobei er ein paar lila Rauchwölkchen ausstößt.
„Dann … bekommt er was mit der Rute übergebraten“, entscheidet er, dabei grinst er breit und wühlt in einer Plastiktüte nach dem Gertenbündel, dessen Bedeutung ihm bisher noch nicht klar war.
„Geil“, meint Wotan, wackelt mit den nicht vorhandenen Augenbrauen und erwidert das Grinsen.
Der Morgen des 24ten Dezembers graut. Vor Aufregung hat Bolle die halbe Nacht schlecht geschlafen, die andere Hälfte mit Vorbereitungen verbracht. Wolfgang schnarcht seelenruhig vor sich hin, ein liebliches Lächeln kräuselt sich auf seinem Gesicht. Voller Liebe betrachtet der blaue Drache seinen Gefährten, krault ihn am Kinn und seufzt leise. Dieses Weihnachten ist wirklich ein anstrengendes Fest, aber für Wolle würde er alles tun. Hoffentlich hat er alles richtig gemacht.
„Wach auf, Wollelein. Es gibt Frühstück“, gurrt er Wolfgang ins Ohr.
Vor der Höhle liegt eine rote Decke, auf der die üblichen sauren Gurken mit Schokocreme auf die Drachen warten. Heute gibt es dazu Lebkuchen, Mandarinen und Nüsse, außerdem dampft Punsch in zwei großen Henkelbechern.
Gähnend schlurft Wolfgang ins Freie, entdeckt die Bescherung und ist augenblicklich hellwach. Seine Augen beginnen zu strahlen, ein Grinsen zieht sich bis zu den Ohren, als er sich zu Bolle wendet und diesen in eine feste Umarmung zieht.
„Wie chön! Ef ift wirklich Weihnachten“, flüstert er gerührt.
„Na ja“, brummt Bolle verlegen. „Man tut, was man kann.“
„Du bift mein Cha-hatf“, säuselt Wolfgang, küsst seinen Liebsten wild und reibt sein Bäuchlein gegen das des Blauen. „Wollen wir Guten Morgen Bubu machen, bevor wir …?“
„Dann wird der Punsch kalt“, wendet Bolle zwar ein, zieht Wolfgang jedoch zurück in die Höhle.
Seine Klauen wandern über die grünen Schuppen, finden all die Stellen, an denen sein Liebster empfindlich ist, und bringen Wolfgang in Null-Komma-Nix zum Jaulen. Dieser hat zielsicher das zuckende Stängelchen seines wilden Liebhabers gepackt und macht ruckartige Bewegungen, die den Blauen auf Zehenspitzen treiben.
„Uh-Oh“, macht Bolle voller Wonne.
„Ah-Oah“, stöhnt Wolfgang, schubst den anderen auf das Blätternest und klettert über ihn.
„Mjam“, kommt von ihm, kurz bevor er das purpurne Kölbchen mit der Zunge umschlingt und sein Maul über den Knoten stülpt.
„Woaaah“, brummt Bolle, streckt die Arme seitlich aus und pumpt sein Becken rhythmisch nach oben, bis er mit einem lang gezogenen Schnaufen und leisen Kieksern seine Drachensahne verschenkt. Wolfgang schluckt gierig, während er sein eigenes Würzelchen heftig bearbeitet. Er schnaubt, lässt von Bolles Liebeszepterchen ab und rutscht näher zum Kopfende, wo ihn das Maul seines Liebsten weit aufgesperrt erwartet. Unter lautem Wimmern und von zwei herzförmigen Rauchwölkchen begleitet, ergießt sich Wolfgang in Bolles Rachen, wobei sein grünes Stängelchen von einer lila Zunge umschlungen und zu Ende gemolken wird.
Zufrieden leckt sich Bolle das Maul und strahlt zu Wolfgang hoch, der noch leicht betäubt vor sich hin schnauft.
„Du bist so leeecker, Wolle-Schatzi.“
„Yommi … du auch … mein Füffer“, ächzt Wolfgang verliebt, blinzelt und streicht mit den Klauen leicht über Bolles Wange. „Meinft du, der Punch ift noch heiff?“
Der Punsch ist nur noch lauwarm, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Glücklich Weihnachtslieder von sich hinsummend schlürft Wolfgang das Gebräu, wirft sich eine Mandarine ins Maul und knackt ein paar Nüsse, die er an Bolle verfüttert. Es ist ein richtiges Heiligabend-Liebesmahl, nach dem die beiden Drachen eine Weile auf dem Rücken liegen und sich die vollgeschlagenen Bäuche halten.
„Bekomme ich auch einen Tannenbaum?“, erkundigt sich Wolfgang neugierig.
„Wart’s ab“, antwortet Bolle mit einem mysteriösen Unterton in der Stimme.
Der Tag vergeht zäh. Wolfgang ist hibbelig und kann es kaum erwarten, dass endlich die Bescherung beginnt. Bolle hat seine liebe Mühe, den anderen zu beschäftigen. Schließlich greift er zu einer List um seinen Schatz abzulenken, holt den alten Gameboy, den Jannis ihm überlassen hat, hervor und verbannt Wolfgang mit dem Ding in die Höhle.
„Spiel, bis ich dich rufe“, befiehlt er streng.
„Okeee“, murmelt der Grüne artig und beugt sich über das kleine Gerät.
Dann ist es endlich so weit. Bolle betrachtet zufrieden sein Werk, rückt die Weihnachtsmannmütze zurecht, winkt Wotan zu, der hinter einem Busch auf seinen Einsatz wartet und läuft in die Höhle. Erwartungsvoll schaut Wolfgang auf, legt den Gameboy weg und lässt sich auf die Füße ziehen.
„Du fiehft charf auf mit der Mütfe“, raunt er, stolpert hinter Bolle her und erstarrt, als sie vor dem Eingang ankommen. „Wuaaah“, macht er gerührt, dabei glotzt er den Karottenbaum an.
In Ermangelung einer echten Tanne, denn die gibt es auf Vulkanien nicht, hat Bolle aus unzähligen Möhren ein konisches Gebilde errichtet. Es wird von einem Dutzend Lichterketten zusammengehalten, die kreuz und quer um den Kegel laufen und hell strahlen.
Vulkaniens Sonnen schicken sich gerade an, eine nach der anderen hinter den Felsen zu verschwinden, sodass eine richtig festliche Stimmung in der einsetzenden Dunkelheit entsteht, die von dem Popcorn, das Bolle als Schnee-Ersatz ausgestreut hat, noch unterstrichen wird. Wolfgang seufzt ein ums andere Mal, kann sich gar nicht sattsehen an den mit bunten Kugeln geschmückten Büschen und der Krippe aus Hartplastik, die unter dem Karottenbaum aufgebaut ist.
„Wunderchön“, wispert er, wobei ihm ein Rührungstränchen über die Wange kullert.
„Es gefällt dir?“, versichert sich Bolle nervös.
„Daf ift … fooo chön und du bift fooo lieb“, wimmert Wolfgang ergriffen.
„Na, dann ist ja gut“, brummt Bolle, schaut rüber zu Wotan und gibt ihm ein Zeichen. „Ich hoffe, du hast ein Gedicht auswendig gelernt, da gleich der Weihnachtsmann kommt“, wendet er sich wieder an Wolfgang, dem vor Schreck die Kinnlade runterfällt.
„Ein … Gedicht? Daf wuffte ich nicht!“
„Ts-ts. Und ich dachte, du kennst dich aus mit diesem Weihnachten.“ Bolle schüttelt gespielt entsetzt den Kopf, dabei fliegt ihm der Bommel der Mütze um die Ohren. „Klar musst du ein Gedicht aufsagen, sonst gibt es die Rute.“
„Die Ru-hute? Woah, geil“, seufzt Wolfgang erleichtert und kann sich ein lüsternes Grinsen nicht verkneifen.
In diesem Moment traben vier Drachen mit wackelnden Geweihen auf den Köpfen herbei. Die Glöckchen, die an ihren Hälsen hängen, klingeln festlich. Auf ihren Schultern tragen sie eine Sänfte, auf der ein roter Riese mit Mütze lümmelt. Das Gewicht lässt die Träger ächzen und wanken.
„Ho, Ho, Ho“, brummt der bemützte Drache im tiefsten Bariton. „Bin ich hier richtig bei Wolfgang von Hengstenberg?“
„Daf bin ich“, fiept Wolfgang mit weit aufgerissenen Augen.
„Aaah“, macht Wotan, die Sänfte wird abgestellt und für einen Moment ist nur das Keuchen der Träger zu hören.
„Foll ich jetft daf Gedicht …?“
Wolfgang hibbelt von einem Fuß auf den anderen vor Aufregung, den Blick auf die Rute in Wotans Klaue geheftet.
„Ja, lass hören, MEIN SOHN“, grollt der Rote und erhebt sich aus dem Sessel.
„Lieber, guter Weihnachtfmann“, beginnt Wolfgang, „Chau mich nicht fo böfe an, ich will auch immer ein lieber Drache fein, und … und …“
„Ja, MEIN SOHN?“, brummt Wotan nach einigen Sekunden irritiert.
„Mein Herzlein ist auch ganz rein“, souffliert Bolle in Wolfgangs Ohr.
„Ah! Okay! Alfo: Mein Herflein ift … ift …“ Der Grüne bricht ab, runzelt die Stirn und kratzt sich am Ohr. „Ich bin charf auf die Ruten-Fache“, wispert er Bolle verlegen zu.
„Aber Wolle-Schatz! Dann gibt es keine Geschenke“, merkt dieser erschrocken an.
„Echt? Mift! Kann ich nicht beidef haben?“
„Hallo? Wie geht es jetzt weiter?“, bringt sich Wotan in Erinnerung.
„Wir müssen uns beraten, Euer Ehren“, ruft Bolle, schlingt einen Arm um Wolfgangs Schultern und schaut ihm tief in die Augen. „Wie wäre es, wenn ich mir Wotans Rute geben lass und dich damit nachher ein wenig … Hmmm … bestrafe?“
„Oh ja“, flüstert Wolfgang mit vor Freude glitzernden Augen.
„Dann sag jetzt das Gedicht zu Ende auf.“
„Mach ich“, murmelt Wolfgang, wendet sich zu dem ungeduldig drein guckenden Wotan und sagt salbungsvoll: „Mein Herflein ift auch ganf rein.“
„Na also. Und … bist du immer schön artig gewesen?“
Wolfgang nickt eifrig.
„Tja dann“, brummt der Rote, greift nach einer Plastiktüte und holt ein Päckchen daraus hervor. „Hier ist dein Geschenk.“ Er beugt sich vor und legt es vor Wolfgangs Füßen ab, seufzt tief und lässt sich schwer in die Sänfte plumpsen.
Die vier Drachen mit den Rentiergeweihen, die dem Geschehen mit offenen Mäulern und vereinzelt kichernd gefolgt sind, bücken sich nach den Stäben. Unter verhaltenem Ächzen hieven sie das Transportgerät hoch, da erklingt auch schon Wotans tiefes ‚Ho-Ho-Ho‘ und die Prozession setzt sich in Gang.
„Ift daf allef toll“, wispert Wolfgang, dem eine dicke Träne von der Wimper tropft.
„Es wird noch toller“, verspricht Bolle, streicht sanft über den Rücken seines Liebsten und schickt sich an, der Sänfte hinterherzulaufen.
„Hey Woti, gib mir bitte die Rute“, ruft er dem Roten zu.
„Viel Spaß“, brummt dieser und wirft das Gertenbündel dem Drachen zu, dabei zwinkert er und grinst dreckig.
Bolle lächelt, fängt die Rute auf und eilt zurück zu seinem Schatz, der immer noch vor dem Paket steht und verträumt vor sich hin glotzt. Zusammen mit dem Blauen treffen zwei weitere Mützenträger ein, die mit ihren Schritten das Popcorn aufwirbeln. Wolfgangs Augen werden ganz groß, als er Harry und Jannis entdeckt. Er quietscht, rennt auf die beiden zu und umarmt erst Jannis‘ Beine, dann Harrys, dabei kichert er ausgelassen.
„Oh Mann, diefef Weihnachten wird immer chöner“, ruft er euphorisch.
„Haben wir was verpasst?“, erkundigt sich Jannis, hebt Wolfgang hoch und trägt ihn zurück zu seinem Ausgangspunkt vor dem Möhrenbaum.
„Ich hab ein Gedicht auffagen müffen und dann …“, plappert Wolfgang und verschluckt sich vor Aufregung an seiner Spucke.
„Klingt spannend“, brummt Harry und betrachtet interessiert die Tannenbaumalternative. „Geiles Teil, Bolle“, meint er anerkennend.
„Ja, und essbar ist es auch noch“, bedankt sich der Drache stolz. „Ökologisch verträglich, wie ihr Menschen so sagt.“
„Wir wollten nur ein kleines Päckchen hier abgeben“, mischt sich Jannis ein, der den hustenden Wolfgang abgesetzt hat und nun begütigend auf dessen Rücken klopft.
„Wotan … er ift … der Weihnachtfmann“, ächzt der Grüne.
„Das hätte ich gern gesehen“, murrt Jannis, streicht Wolfgang übers Köpfchen und richtet sich auf. „Wir wollen nur ein Päckchen abgeben und dann unseren eigenen Heiligabend feiern. Am Wasserfall. Nicht wahr, Harry-Schatz?“
„Hmm“, macht dieser und sein funkelnder Blick wandert unmissverständlich lüstern über Jannis‘ Körper, der in einem roten Mantel steckt.
„Na los, Großer, rück das Geschenk raus“, wird er von Jannis erinnert.
Harry nimmt seinen Rucksack ab, holt ein Päckchen daraus hervor und reicht es Wolfgang.
„Danke“, sagt dieser artig, schüttelt den Karton und lauscht neugierig.
„Mach es auf“, drängt Bolle.
Andächtig zupft Wolfgang an der Schleife, löst vorsichtig das Papier und hält gleich darauf eine Schachtel in der Hand, deren Aufdruck eine leuchtende Möhre zeigt.
„Oh, eine Lampe“, flüstert Wolfgang begeistert.
„Eine Lampe?“ Jannis bricht in haltloses Kichern aus.
„Zeig mal“, meint Bolle erregt, schnappt sich den Karton und öffnet ihn.
Eine Plastikmöhre kommt zutage, und als er auf einen Knopf drückt, beginnt diese zu vibrieren und leuchtet grell. Bolles Augen leuchten auch auf und sein Maul verzieht sich zu einem breiten Grinsen.
„Ein Möhrchenvibrations-Dingens, geil“, flüstert er ehrfürchtig.
„Er hat drei Stufen, und wenn du willst, dann macht er auch Geräusche“, erklärt Harry nüchtern.
„Oha“, macht Wolfgang, grapscht nach der Plastikmöhre und drückt daran herum.
„Hoppe-Hoppe-Reiter, wenn er fällt, dann schreit er“, schnarrt eine Computerstimme so laut, dass dem Drachen die Möhre vor Schreck aus der Klaue fällt.
„Fällt er in den Graaaben, fressen ihn die Raaaben“, schnarrt es unbeirrt weiter, während sich Jannis, vor Lachen winselnd, im Popcorn herumrollt.
„Fällt er in den Sumpf …“, ertönt die rasselnde Stimme, und wenn Harry sich nicht geistesgegenwärtig gebückt und die Möhre ausgestellt hätte, dann hätten wir auch noch den Rest des Liedes erfahren. So wird es auf immer ein Geheimnis blieben.
„Woah! Tolles Geschenk“, frohlockt Bolle. „Nun mach das andere Päckchen auf, Wolle-Bärchen.“
Aus dem zweiten Paket fördert Wolfgang zwei Paar Handschellen zutage sowie Nippelklemmen, an denen kleine Plastikentchen baumeln.
„Füff“, wimmert er entzückt, guckt an sich runter und fügt hinzu: „Ich hab aber gar keine Bruftwarfen.“
„Och, ich wüsste schon was, wo ich die ran klemmen kann“, meint Bolle kichernd und glotzt Wolfgang ungeniert in den Schritt.
Plötzlich sind Flügelschläge zu hören, die sich rasch nähern. Im Schein des Karottenbaumes tauchen drei Drachen am Himmel auf, über deren Köpfen Papp-Heiligenscheine schweben. Sie tragen Nachthemden, jedenfalls wirken die Kleider so, eines ist sogar mit Blümchen bedruckt. Wolfgang stiert nach oben, die Klemmen sind vergessen.
„Engel“, murmelt er, die Augen weit aufgerissen.
„Sti-hi-hille Nacht“, brummt einer der Drachen.
„Heilige Nacht“, stimmt ein zweiter ein.
„A-ha-halles schläft, einsam wacht“, fistelt der dritte und gemeinsam bringen sie das wohl schrecklichste Potpourri an Weihnachtsliedern, das die Welt je gehört hat.
Wenigstens hört Jannis endlich auf zu kichern und starrt entsetzt nach oben. Harry zieht die Weihnachtsmannmütze tiefer, bis sie die Ohren einhüllt und Bolle summt selig mit, während Wolfgang lauthals mitsingt, wenn auch in falscher Stimmlage.
Ruhe ist eingekehrt. Die Lichterketten sind erloschen, die Drachenengel fort, Harry und Jannis zum Wasserfall gewandert. In der heimeligen Höhle hocken Bolle und Wolfgang beim Schein des kleinen Lichtes und bewundern die Geschenke.
„Ich will die Möhre alf erftef aufprobieren“, flüstert Wolfgang aufgeregt, rollt sich auf den Bauch und streckt sein Hinterteil in die Höhe.
„Mit oder ohne das Lied?“
„Ohne. Aber mit diefem Licht.“
„Alles für dich, mein Scha-hatz“, brummelt Bolle, zieht die kleinen Drachenbacken auseinander und schraubt den Möhrenvibrator in seinen Liebsten.
Als er ganz drinsteckt, schaltet er das Gerät an.
„Wooooaaah“, stöhnt Wolfgang und wackelt mit dem Hintern. „Ffffooo geil.“
Unterdessen hat Bolle sich die Nippelklemmen gegriffen, lässt sie ein paar Mal auf- und zuschnappen, dann wandert sein Blick zu Wolfgangs flauschigen Klöten. Er grinst.
„Waaaaaaaaaah.“
Der Schrei hallt von den Felsen wieder, danach senkt sich erneut Stille über das Tal, nur unterbrochen von erregtem Schnaufen und Gekicher. Im Laufe der Nacht steigert sich die Geräuschkulisse immer mal wieder, lautes Stöhnen erklingt dann, gefolgt von spitzen Lustschreien.
Vulkanien, die Milchstraße ist gleich um die Ecke. Drei Sonnen werden morgen wieder aufgehen und ein glückliches und verschwitztes Drachenpärchen bescheinen. Frohe Weihnachten.
ENDE
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock 121716403 Kooky Rooster
Lektorat: Ashan Delon
Tag der Veröffentlichung: 16.11.2013
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