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Ein Tag im Leben der bösen Rezi-Lieselotte

 

Gleich morgens nach dem Aufstehen schalte ich den Computer an und mit der ersten Tasse Kaffee in der Hand suche ich nach kostenlosen E-Books. Wahllos haue ich mir das Zeug auf die Festplatte, die ich dringend mal aufräumen müsste, doch dazu komme ich einfach nicht.

 

Ich muss lesen, egal was. Ha? Was ist das denn wieder? Gerade habe ich, ohne den Titel anzugucken oder den Klappentext zu studieren, ein Buch angefangen und dort dreht es sich um Kerle, die sich – bah! – küssen. Nein, DAS muss ich nun wirklich nicht haben.

 

Schnell zu Amazon und allen mitteilen, dass ich auf solche Lektüre nicht stehe. Aber wie geht das? Hmmm … Och, schreibe ich doch einfach eine 1-Stern-Rezi. Dort steht doch auch ‚gefällt mir nicht‘ und so ist das doch auch. Will ja nur ehrlich sein.

 

Neulich, da habe ich mir ein Latex-Lust-Laken bestellt, damit auch gleich das Bett bezogen und was soll ich sagen? Ich bekam keine Lust, als ich darauf herumlag. Gleich wieder eingepackt, den Mist und zurückgeschickt. Dem Händler hab ich eine saftige Rezi geschrieben, boah, war ich sauer.

 

Dafür ist das doch, diese Sterne-Sache, oder? Huch, ich muss mal die anderen Bücher lesen, vielleicht ist ja endlich mal was Gescheites dabei. Ist schon verdammt zeitaufwendig, ständig Feedback zu liefern, aber die Welt soll meine Meinung erfahren, denn schließlich bin ich ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft. *gnihihi*

 

Tag 2 im Leben der bösen Rezi- Lieselotte

 

Mist! Gestern, da hat doch jemand meine Rezension verrissen, mit einem Kommentar. Da bin ich aber sauer! Ich wollte doch nur … meine Meinung sagen, ist doch wohl erlaubt!

 

Ich also gleich – angepisst – ein paar Leggins bestellt, zu klein, klar. Ich trage Elefantengröße, doch das ist mir egal. Ich also Größe XS bestellt und einen Tag auf die Lieferung gewartet, das Zeug kaum angefasst, wieder eingepackt und - zack – miese Rezi geschrieben.

 

Derweil weiter in Büchern – OH MEIN GOTT – rumgeschnuppert. Hey, da schreibt ja heute wohl jeder, der des Alphabets mächtig scheint. Eifrig meiner Profession nachgekommen und diesen miesen Pornoschreiberlingen das Handwerk gelegt. Hä-hä! Mir geht einer ab, wenn ich das mache.

 

Die Wäschespinne ist okay, die bekommt eine positive Rezi. Zufrieden zurückgelehnt mir eine selbstgedrehte Zippe gegönnt. Was für ein Tag!

 

 

Tag zwei – es wird Abend – Lieselotte berichtet

 

Mist. Die Wäschespinne spinnt gar nicht. Hab‘s versucht, doch in der Anleitung stand, man soll Wäsche daran aufhängen, womit ich niemals gerechnet habe. Eingepackt, zurück mit dem Müll.

 

Vor Frust hab ich mir das kostenlose Buch von einer Kocki Roadster vorgenommen, war erst amüsiert, da ich endlich eine harmlose Familiengeschichte gefunden habe, doch dann. Also – ihr könnt euch nicht vorstellen, was da passierte!

Mir ist der Mund offen stehengeblieben und ich hab nach Karl – meinem Gatten – gerufen. Der fand es auch nicht witzig, wie da zwei Männer … Man stelle sich doch nur vor: ZWEI MÄNNER miteinander … rummachten!!!

Ich hab das – natürlich – nur noch mit halbem Auge gelesen, da es einfach EKELHAFT ist und so was liest doch keiner. Karl musste schnell auf Klo, nachdem er den Dreck überflogen hatte, er blieb da ganz lange. Wohl Durchfall. Hm.

 

Jedenfalls ich gleich nach Amazon und dieser Roster was unters Buch geschrieben. Dass ehrbare Frauen so was nicht lesen, dass KEINE Frau so was liest. Dass es schlecht geschrieben ist und PUPERTÄRER MÜLL ist. SO! Der habe ich so richtig einen vor den Latz gekachelt.

 

Dann ging mir besser und ich hab Karl vom Klo gescheucht, weil ich kacken musste. Das muss ich immer nach solchen Aktionen. Rezis sind für mich ein echtes Abführmittel, sollte ich mir patentieren lassen.

 

Tag 3 im Leben derRezi-Süchtigen Lieselotte

 

Heute wollte ich es mal ganz anders angehen, nicht nur kostenloses Zeug lesen, sondern mal was Ordentliches. Beim Stöbern auf Amazon stieß ich auf Simone Kaplan und stellte erstaunt fest, dass diese arme Frau fast nur 1-Stern-Rezis verzeichnen konnte. DAS ging nun auch wieder nicht und mir gegen meine gutmütige Natür.

 

Ich kaufte eines ihrer günstigen Bücher, besorgte mir eine Tasse Kaffee und begann mit der Lektüre. Nach einer Seite ging ich an den Barschrank und goss mir einen Likör ein, denn irgendwie ging es mir nicht gut. Ich hab die Flasche und das Glas gleich mit zurück zum Computer genommen und für jede Seite, die ich überstand, belohnte ich mich.

 

Als plötzlich Karl an meinem Ohr säuselte: „Liebste, wann gibt es Essen?“, erschrak ich so, dass ich den Rest des Eierlikörs über meinen Tweedrock schüttete. Erst nun begriff ich, dass ich direkt aus der Flasche getrunken hatte.

 

„Vier essen heudde späder“, beschied ich meinen Gatten und wandte mich wieder der Lektüre zu. Ich musste zum Brandy übergehen und als der alle war trank ich den Ouzo. Karl grummelte und rief mir zu, er würde jetzt zur ‚Scharfen Ecke‘ gehen und sich dort eine Currywurst genehmigen. Ich winkte ihm abwesend zum Abschied.

 

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn irgendwann kam ich zu mir und hing zusammengesunken im Sessel. Das E-Book flimmerte auf dem Bildschirm und mein Gehirn schwamm in Eier-Brandy-Ouzo-Soße. Mir war übel, doch eine Rezi muss sein.

 

Entschlossen habe ich dann eine getippt. Danach musste ich ins Bett und Stuhlgang fiel auch aus…

 

Die Rezi Lieselotte hat ausgeschlafen

 

Nach einem komatösen Schläfchen bin ich fast wie neu, nur dass meine Kleidung widerlich nach Likör stinkt und an mir klebt. Es ist Nacht geworden, neben mir schnarcht Karl. Ich schiebe mich vom Bett und schlüpfe in einen bequemen Hausanzug.

 

Neugierig schleiche ich mich zum Computer, denn ich kann mich nicht erinnern, was ich geschrieben habe. Nachdem ich mich in eine Decke gewickelt habe setze ich mich hin, stelle den Weinbrand bereit und ab zu Amazon.

 

‚Liebe Frau Kaplan‘, lese ich, ‚Sie tun mir echt leid. Warum sind bloß alle so böse zu Ihnen? Ihr Geschreibsel ist doch gar nicht übel, wenn man sich dazu ein kleines Schnäpschen gönnt. Immerhin verzichten Sie auf eklige Sexszenen. Mann-o-Mann, da muss ich Ihnen was erzählen. Neulich hab ich ein Buch angelesen, in dem zwei Männer … Ich komme vom Thema ab. Also: Lassen Sie sich nicht beirren. Nach meiner Meinung fehlt Ihrer Story nur ein wenig Spannung. Okay, das mit den Punkten setzen ist voll schwierig, das beherrscht nicht jeder. Auf Kommas verzichten Sie zum Glück meist, die stören eh nur. Wenn dann noch ein klitzekleines Bisschen an der Rechtschreibung gefeilt würde – es wäre perfekt. Na ja, etwas langweilig war es schon – zugegeben, doch der Ouzo hat echt geholfen! Am besten, Sie verkaufen Ihre Bücher zusammen mit einem Alkoholpaket, kleiner Tipp von mir als Lesefuchs.

Hochachtungsvoll – Ihre Lieselotte.‘

 

Hmmm. Ich greife nach dem Weinbrand und gönne mir einen Schluck, während ich meine eigene Freundlichkeit verdaue. Eigentlich bin ich doch ein guter Mensch und ein nützliches Mitglied der Gemeinschaft.

 

Tag 4 bricht an – Lieselotte ist früh auf

Putzmunter wache ich am nächsten Tag auf, schleiche mich in die Küche, um Karlchen nicht zu wecken, der gerade mit Inbrunst eine mittlere Kiefer absägt und koche mir einen starken Bohnenkaffee.

 

Heute soll alles ganz anders werden. Nach der gestrigen Rezi bin ich ein neuer Mensch. Frisch gestärkt bohnere ich das Treppenhaus und als der Nachbar, bei dem stets Männer ein und aus gehen, rutscht und hinknallt, rufe ich sogar ein freundliches ‚Entschuldigung‘ und freue mich nur heimlich, dass er sich beim Sturz vielleicht die Ei… die Hoden beschädigt hat.

 

Danach mache ich Wäsche, bereite für meinen Gatten Frühstück vor und erst dann setze ich mich an den Computer.

 

So. Erst mal neue Schlüpfer bestellen, die alten sind schon fadenscheinig und spannen ein wenig. Natürlich bei Amazon, allein wegen der späteren Rezi.

Dann ab in die Bücherecke. Heute gehe ich mal ganz anders vor und gucke nach Lektüre mit ganz vielen Sternen. Ha! Da! Das Buch kenne ich doch, hab ich letzten Sommer gelesen. 50 Schades of Grau. Aber wie war noch der Inhalt?

 

Ich besorge mir einen neuen Kaffee aus der Küche, während ich in meinem Gehirn nach der Geschichte forste. Da war diese Frau – oder eher gesagt ein Mädchen – das diesen Mann, Christian, traf und dann …?

Zurück am Computer lese ich ein paar der anderen Rezis und dann habe ich es wieder. Richtig. Das war das Buch, bei dem ich immer einen so schweren Kopf bekam und weggeduselt bin. Na, dann kann ich ja loslegen.

 

Ich lass die Fingerknöchel knacken, beuge mich über die Tastatur und schon geht es los: „600 Seiten guter Schlaf, was will man mehr? Irgendwie kann ich das Buch mit dem der Simone Kaplan vergleichen, nur, dass die mehr Rechtschreibfehler macht und schneller zum Schluss kommt. Ich habe sage und schreibe drei Monate gebraucht, um das Machwerk durchzugähnen, anders kann ich es nicht beschreiben. Finger weg, Lesefüchse! Hochachtungsvoll – Lieselotte“

 

Ah! Das tat mal wieder gut. Ich drehe mir eine Zippe, stecke sie in den Mundwinkel und will sie gerade anzünden, als Karl hereinkommt, mich am Computer sieht und meint: „Haserl, du bist internetsüchtig. Ich mach mir Sorgen.“

„Ach nein, mein Schmatzipuffer, ich trage nur meinen Teil zur Gesellschaft bei“, beruhige ich meinen Gatten.

„Na dann …“, brummt Karl und verschwindet wieder.

Ich zünde die Zigarette an, lehne mich zurück und gucke versonnen auf den Monitor. Es grummelt im Magen, aha, Stuhlgang bahnt sich an. Dann will ich mal …

Tag 5 – Lieselotte wird böse

Ich hab schlecht geschlafen, bin mürrisch und kann meinen Traum einfach nicht loswerden: Riesige Unterhosen, die um mich herumtanzen und dabei ‚Rezi-Liese, Rezi-Liese‘ singen. Dazu waren die Dinger auch noch geblümt! Eine Frechheit. Ganz zu schweigen von den langen Schniedelwurzen, die aus den Beinen hingen. Uah! Womit hab ich das verdient?

 

Gleich nach dem ersten Kaffee klingelt ein Postbote und bringt die bestellten Slips. Der Mann ist wirklich ein Augenschmaus und flirtet doch mit mir! Ich habe ganz rote Ohren und gerade eine sehr schmutzige Phantasie, als ich das Paket öffne, dann vergeht mir aber alles. Ich hole geblümte Riesenschlüpper aus der Verpackung und sofort ist der Traum wieder da. Gequält werfe ich das Zeug zurück. Das wir eine saftige Rezi geben.

 

Schnell zum Computer und eingeloggt, die Bestellung angeguckt. Ich habe ganz klar reinweiße Slips bestellt, nicht diesen Müll. Also tippe ich: „Komplett falsche Alptraumware bekommen. Bin entsetzt.“

So. Nun geht’s mir etwas besser.

 

Nach dem zweiten Kaffee beschließe ich, heute mal ganz neue Pfade zu beschreiten. Ich wühle in der Pornoecke von Amazon, ein feines Lächeln auf den Lippen. Ha! Da habe ich auch schon was. Eine gewisse Nastja Chim-dingens bietet Porno und Erogeschichten an. Na dann! Ich lade mir das Zeug runter und reibe mir schon beim Anblick des Covers die Hände.

 

Dann allerdings fällt mir Buchstabe für Buchstabe die Kinnlade herunter. Boah! Das ist ja – EKELHAFT! Hatte ich doch gehofft, etwas Aufregendes zu lesen … Oh ja, aufregend ist das schon, aber feucht werde ich nicht. Die simple Ansammlung unerotischer Worte und sexueller Handlungen – das ist nun wirklich unterste Schublade!

Dagegen ist diese Roadster ja ein Waisenkind! Ich schnaufe vor Entrüstung, lese noch ein paar Worte, dann kann ich nicht mehr.

 

Schnell eilen meine Finger über die Tastatur, dann lese ich das Ergebnis: „Werte Frau Chim-dingenskirchen, ich kaufte ihr Buch, weil ich anhand der verunstalteten Brüste auf dem Cover einen sozialkritischen Beitrag zu dem Missbrauch von Frauen zu finden dachte. Wort für Wort schildern Sie aber notgeile Frauen, die sich von jedem Dahergelaufenen an die Wäsche gehen lassen. Das ist nicht schön von Ihnen!!

Vor dem Hintergrund, dass gerade in Mexico Frauen als Freiwild gelten, hätte ich mit einer tiefschürfenden Analyse gerechnet, zumindest einer Liebesgeschichte. Immerhin betiteln Sie es als ‚Erogeschichten‘, und Ero ist doch der griechische Liebesgott, das hab ich gegoogelt. Ich bin so enttäuscht von Ihnen!!

Da sind meine geblümten Unterhosen ja noch niveauvoller, als ihre Ansammlung unflätiger Worte. Ich bin ENTSETZT!!

Hochachtungsvoll – Lesefuchs Lieselotte.“

 

Zufrieden lehne ich mich zurück, schlürfe an meinem dritten Käffchen und denke über meinen Blutdrück nach. Ach ja, mein Bauch meldet sich, Zeit für den täglichen Gang. Was für ein Tag!!

Tag 6 – Lieselotte wechselt die Seite

Für heute habe ich mir vorgenommen, meinen Mitstreitern mal auf die Finger zu gucken. Also logge ich mich bei Amazon ein und suche fremde Rezis, vornehmlich schlechte, um mir anzusehen, was diese Leute so schreiben.

 

In Ermangelung besserer Ideen – oder aus Faulheit – gehe ich wieder auf diese Kocki und sehe mir dort die 1-Stern-Rezis an. Eine stammt von einem ‚Tester‘ und ich klicke neugierig auf seine sonstigen Rezis. AHA! Da haben wir es. Das scheint ein Herr zu sein, der hauptsächlich Badekappen und Rasierer beurteilt. Er ist mir sofort sympathisch.

 

Weiter geht es zu einer ‚Melvina‘, wahrscheinlich eine ältere Dame, denn außer Büchern beurteilt sie Gesundheitslatschen und eine elektrische Nagelfeile. Was es nicht alles gibt. Wieso sie das Buch von der Kucki in ihrer Liste hat, verstehe ich allerdings nicht, muss aber auch nicht alles wissen.

 

Kichernd blättere ich weiter und finde eine ‚S.Tröger‘, die offensichtlich Reiterin ist. Na, dann müsste ihr doch das Buch der Röster gut gefallen haben, denke ich hämisch. Tut es aber nicht, merkwürdig.

 

Der nächste Beurteiler ist eine ‚Tatjana Holm‘, die anscheinend gerne campen geht. Na ja, die Luftmatratze war ihr Gewicht nicht gewohnt, sie ließ Luft. Ich kichere in meinen Kaffee und frage mich langsam, was das für Leute sind, die sich erdreisten, über Bücher zu urteilen.

 

Mooment, fällt mir doch da ein, dass ich auch …

 

Gedanken schnell beiseitegeschoben, denn es beginnt mir so richtig Spaß zu machen und Karl ist heute auf Männertour, deshalb kann ich hier schalten und walten.

 

Mein nächstes Opfer ist eine ‚Aleks‘, wo ich erst glaube, dass sie einen Kunststoffgegenstand in Penisform beurteilt. Doch es ist nur ein Hähnchenbräter in Phallusform, auf den man das Bratgut mit dem Po zuerst … Mir entfährt ein Gackern und ich schau mich schnell um, doch Karlchen ist ja weg.

 

Hmmm… weiter zu ‚Astrid Palmenström-Leske‘, die vom Turnschuh über Besen, Klamotten, Kleintiertränken und Süßigkeiten alles im Programm hat. Nur kaum Bücher. Wie kommt diese Leserin auf gerade dieses Buch?

 

Langsam tut mir diese Ruster leid. Obwohl – wenn ich auf meine Rezi Seite schaue, und das tue ich mal schnell, dann finden sich dort Nachthemden, Schlüpper, Stützstrümpfe, eine Hose für Karl, Tierfutter, ein Massagegerät, Bettwäsche, Lockenwickler und vier Bücher. Auch nicht schön …

 

Nachdenklich laufe ich zum Barschrank, hole eine neue Flasche Kirschlikör heraus und genehmige mir einen Schluck direkt aus der Pulle. Erfrischt und beschwingt nehme ich wieder vor dem Computer Platz, lass die Finger fliegen und gucke zufrieden auf meinen Text:

 

„Liebe Frau Rouster, ich bin’s nur, die Lesefuchs Lieselotte. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich wohl voreingenommen war und Sie falsch gesehen habe. Meine Brille war aber auch dreckig an dem Tag. Der Karl – ich hab die Spermaflecken später auf dem Klo gefunden, ihm schien es gefallen zu haben. Reden tut er ja nicht viel, mein Karl, aber wenn er handelt, dann von Herzen. Und glauben Sie mir, Fräulein Kokki, der braucht ganz schön lange und sein Arm sah den Tag ganz dick aus.

Ja. Jedenfalls möchte ich Ihnen sagen, dass ich lange wach gelegen habe und dann kam das Massagegerät in meinen Kopf und gleich darauf …

Was rede ich hier?“

 

Schnell nach dem Kirschlikör gegriffen und Mut angetrunken. Leicht benommen gucke ich auf den Monitor, bevor ich weiterschreibe.

 

„Sie schreiben sssexy und ehrlich? Isss gar nicht sooo schlimmm mit den *hick* Männern … Immerhin sind se hübsch und schlaaanker als der Kaaarl. Machense wieder so und immä dran dänken: Kinn houch, Brüst raus. Hoachdungsvolll – Läsefuhs – Lieseelodde.“

 

Die Flasche fällt mir aus der Hand …

Tag 7 – Lieselotte bekommt ein Problem

Heute Morgen … Ich mag es fast nicht erzählen, aber da hat mein Karl … Also, sonst lässt er mich ja in Ruhe, aber er scheint sich diese blauen Pillen besorgt zu haben. Viraga oder so, ich hab’s nicht so mit Namen. Jedenfalls wollte er - *flüster* - Sex. *umschau*

 

Na ja, ich sag ja immer: Loch fällt nicht um.

 

Dennoch, es muss eine Lösung her.

 

Nachdem mein Gatte das Haus verlassen hat, um Einkäufe zu erledigen, klinke ich mich ins Internetz und schaue mich bei Amazon nach Lösungsansätzen um. Meine Nachbarin, die alte Frau Voß, hat mir mal was von ‚täglich zwei Tropfen Hängolin in den Kaffee‘ zugeflüstert, als ich noch jung und sie in meinem Alter war.

Ich fahnde also nach dem Zeug, finde jedoch nichts. Nach kurzer Überlegung suche ich nach Sexspielzeugen und werde fündig. Mann-o-Mann, was es da so alles gibt! Staunend glotze ich so ein Ding an, das sich ein Mann wohl über das beste Stück stülpt, und das dann beginnt zu vibrieren. Na, das wäre doch was für Karl, der normalerweise ein Erdbeben braucht, damit er zum Schluss kommt. Kurzentschlossen bestelle ich den Tenga 3D und lese noch schnell eine der Rezis:

 

Guido M. meint:

das Mastubieren mit dem Spiral bietet ein echt irres Gefühlt. Das weiche Material und die Riffelung gibt dem Penis eine optimale Stimulierung, sodas ich beim erstenmal schnell gekommen bin. Auch die Reinigung ist leicht, einfach um stülpen. Echt empfehlenswert.

 

Na, klingt doch gut. Erfreut lächelnd suche ich weiter.

 

Na, was ist das denn? Sieht aus, als hätte man einer Frau das wichtigste Teil (nach Meinung eines Mannes) abgeschnitten und aufs Laken gepinnt. Hmmm… heißt Playhouse Eroflame heavenly Pussy und gibt es in dunkel und hell. Ne, wenn mein Karl mit seinem Bauch auf so einem Ding rumjuckeln muss … der stirbt mir dann noch weg. Obwohl, ich lese mal schnell eine Rezi:

 

Tobias Krüger meint:

Also als erstes mal will ich hier mal ganz klar sagen, dass es die ect Vagina natürlich nicht ersetzen kann, aber mit etwas Gleitmittel kommts echt nah ran und man kann damit viel Spaß habe und das wann Man(n) lust hat. Man(n) muss sich also nicht mehr nach jemanden richten *g*

 

Na, Tobias. Dein Wort in Gottes Ohr. Ich hol mir mal einen Cognac, bis Karl mit dem Eierlikör zurück ist und pflanze mich wieder vor den Computer.

 

Es muss doch auch ganze Frauen geben, nicht nur Teile davon. Endlich werde ich fündig, aber hässlich ist die schon. Ich klicke weiter herum und da ist sie, die Traumfrau von Karl. Kichernd lass ich die Maus über ihr kreisen.

 

Orion Lovedoll Leticia, na, wenn da mal keiner an die spanische Prinzessin gedacht hat. Ich greife nach dem Cognacglas und gluckere einen Schluck herunter. Oh Mann, 192 Mäuse, ganz schön teuer, das Mädchen. Dafür hat sie aber tolle Rezis, diese Gummischlampe.

 

Sunnyboy schreibt:

Diese Puppe ist wirklich der Hammer. Man hat echt das Gefühl, als hätte man eine hübsche Partnerin an seiner Seite. Das beste ist, sie schimpft nicht, wenn irgendetwas nicht so läuft wie geplant. Sie lässt fast alles mit sich machen.

Und wenn man im Moment mal keinen Bock darauf hat, lässt man einfach die Luft raus.

 

Tja, da hat der Kerl wohl recht. Ich höre den Schlüssel in der Haustür, bestelle schnell Leticia und lass den Rest Cognac meine Kehle runterinnen. Für seine Ruhe muss man halt mal blechen.

 

„Schatz, ich hab dir Eierlikör mitgebracht“, ruft Karl aus dem Flur.

 

Ich rülpse verstohlen und schließe schnell das verräterische Fenster auf dem Monitor. Es soll eine Überraschung sein und um das Hängolin … darum kümmere ich mich auch noch. Die blauen Pillen sind vorhin schon im Klo gelandet. Ob jetzt die Heringe in der Elbe mit einer Erektion herumschwimmen? 

Tag 8 – Lieselotte klärt auf

Am nächsten Tag kommt gegen Mittag der Postbote und bringt zwei Pakete. Karl nimmt sie an, denn ich bin gerade dabei, meine Hausschlappen zu beurteilen.

 

„Tragekomfort: hoch. Sehr lustige Ohren, die bei jedem Schritt wippen. Nicht geeignet zum Müllrausbringen, da Stoffsohle. Auch im Bett …“

„Knusperhase? Was ist das?“, unterbricht mich Karls Tenor.

Ich schlappe in die Küche, finde ihn und den Karton vor, den er ohne meine Erlaubnis geöffnet hat. Ha! Damit ist die Versenkung seiner blauen Pillen allemal gerechtfertigt. Böser Bube!

„Das ist … Also … Ich dachte … Du hast doch bald Geburtstag“, improvisiere ich.

 

Karl hat am 15. Mai Geburtstag, ist ja kaum noch ein Jahr hin.

 

„Da dachte ich, dass es schön wäre, wenn wir mal einen Gast hätten.“ Ich ziehe die Schachtel mit der zerknitterten Leticia aus dem Karton.

„Aber … die ist ja nackt“, wendet Karl ein und guckt wie ein rosa Stoffkaninchen.

„Genau, die muss ja noch was zum Anziehen haben“, rufe ich entsetzt aus und schlage mir gegen die Stirn.

„Und was ist das hier?“ Karlchen zieht den Karton mit dem Masturbator hervor.

„Das … sieht ja aus wie … ein Tischmülleimer“, gebe ich mich erstaunt.

„Tischmülleimer? Da steht aber drauf, dass er für ganz andere Zwecke gedacht ist“, murmelt mein Gatte, der die Packung intensiv studiert.

Irgendwie stimmt das doch mit dem Mülleimer. So saut er wenigstens nicht die Bettwäsche ein mit seinem Schmodder. Ich lass meinen Mann weiter lesen und begebe mich zurück zum Computer.

Schließlich muss ich noch die weißen Schlüpfer und den Multifunktions BH beurteilen. Das Leben ist hart und manchmal fehlen einem die Worte.

Tag 10 – Lieselotte schreibt sich wund

 

Gestern hab ich richtig geackert. Gleich mit dem ersten Kaffee an den Computer und alles beurteilt, was ich mir die letzten Tage zusammengekauft habe. Letizia liegt derweil aufgepustet auf der Besucherritze im Ehebett. Damit wir uns an sie gewöhnen, hat Karl gemeint. Es kommen ja selten Fremde in unsere Wohnung, daher ist die Idee nicht schlecht und er kann sich schon mal mit ihr anfreunden.

 

Mit dem angeblichen Tischmülleimer ist er gestern noch im Bad verschwunden und kam erst nach einer Stunde wieder heraus. Er sah sehr erleichtert aus und ich hoffe, das lag nicht am Stuhlgang. Aber wer weiß das schon genau?

 

Na ja, ich also Rezis geschrieben wie verrückt.

 

„Die Bettwäsche ist sehr pflegeleicht und saugfähig.“

„Der Besen fegt gut, er hat einen sehr schönen Stiel.“

„Die Zahnpasta befindet sich in einer ansprechenden Tube, die formschön und dabei leicht zu handhaben ist. Der Geschmack gefällt mir.“

„Die Gummibären lassen sich leicht kauen, wobei ich bemängeln muss, dass zu wenig rote Bärchen in der Tüte sind, dafür zu viele gelbe und orange.“

 

Und so weiter, und so fort.

 

Ich war am Ende total geschafft und brauchte einen Eierlikör zur Erbauung, nach dem ich wohl auf dem Sofa eingeschlafen sein muss. Jedenfalls bin ich dort heute Morgen aufgewacht und hörte eindeutige Geräusche aus dem Schlafzimmer, lautes Geschnaufe und gleich darauf einen Knall.

Ich schnell hin und Karlchen auf der geschrumpften Letizia vorgefunden. War gar nicht so einfach, seinen Kumpel unbeschädigt aus der Gummifrau herauszubekommen. Dazu möchte ich mich aber nicht näher äußern und die Bewertung dieser Plastikschlampe steht auch schon fest.

Tag 11 – Lieselotte beschwert sich

 

Karl ist ganz schön bedröppelt. Nicht nur, dass ich ihn beim Fremdgehen ertappt habe, auch sein bester Freund musste Federn lassen, da sich die Vorhaut an einer der Plastiknähte verfangen und … Nein, keine Details, aber weh muss das schon tun. Deshalb verzeihe ich ihm großzügig und entscheide für mich, dass eine neue Gummifrau nicht infrage kommt.

 

Letizia liegt unterdessen in der Badewanne, damit ich vor ihrer Rücksendung die Körpersekrete fortwaschen kann. Will ja nicht, dass dieser Versandhändler eine DNA-Probe meines Gatten bekommt, denn wer weiß, was er damit anstellen würde. Ich sage nur: Voodoo. Bin ja schließlich nicht von gestern.

 

Ich setz mich also voller Tatendurst an den Computer, geh zu Letizias Bestellung und will loslegen, da … nix! Es ist, als hätte ich eben noch fast in die Hose gemacht, doch nun kommt kein einziger Tropfen. Nach einer halben Stunde gebe ich auf und greife genervt nach dem Telefon (das muss ich auch noch rezens … also, da muss ich noch was schreiben) um die Freundin eines verstorbenen Schwippschwagers dritten Grades anzurufen, die Katrin.

 

Die hört sich alles an, überlegt kurz und diktiert mir dann:

 

„Wie können Sie es wagen uns so eine Billigschlampe für unser sauer verdientes Geld anzudrehen! Von wegen formschön, erotisch, anschmiegsam und eine gute Freundin! In ihrer Beschreibung steht eindeutig ein tolles Accessoire! Nicht nur, dass mein armer Mann sich an unaussprechlicher Stelle empfindlich verletzt hat, dieser schlecht bemalte Luftballon verpestet mir mit seinem ausströmenden Weichmacher-Gestank den ganzen Raum und die Öffnungen der Puppe lassen sich nicht richtig ausspülen. Sie haben versprochen, dass unsere Letizia aus robustem Material sein soll und was macht das Teil? Nach nur einer Nacht ist die Luft raus und das Reparaturkit spottet seiner Bezeichnung. HÄLT nicht!!

Man sollte Sie wegen Körperverletzung verklagen!“

 

„Vielen, vielen Dank, liebe Katrin“, bedanke ich mich artig und überlege, wann wir uns das letzte Mal gesehen haben.

Muss bei meiner Hochzeit gewesen sein. Wie sie wohl jetzt ausschaut? Allerdings weiß ich auch nicht mehr, wie sie damals ausgesehen hat, also Scheiß drauf.

„Schon in Ordnung, man hilft ja wo man kann“, brummt Katrin. „Mach’s gut“, fügt sie hinzu und legt einfach auf. Einfach so!

Ich starre den Hörer an, will kurz empört sein, lass es dann aber sein. Lieber ein Eierlikörchen und die Rezi abschicken. So! Wieder einmal eine gelungene Beurteilung und jetzt gehe ich diese Plasteschlampe waschen. Mit der Wurzelbürste! Strafe muss sein.

Tag 11,5 - Liesel ist geschafft

 

Heute habe ich vier Beurteilungen geschrieben und das in nur 3 Stunden. Da hab ich mir doch eine Pause verdient. Also ab an den Barschrank. War ja klar, schon wieder Eierlikör. Karl, dieser Langweiler, könnte ruhig mal etwas anderes mitbringen. Auf Dauer kann das ja nicht gesund sein für meine Cholesterinwerte. Dann muss ich zum Arzt und bekomme teure, abscheuliche Pillen, die ich nicht mal rezensieren kann. Machen wir uns doch nichts vor. Die Pharmaindustrie interessiert es kein bisschen, was ihre Opfer darüber denken.

Also muss eine Alternative her. Cocktails! Die Auswahl ist ja riesig. Ein Name klingt besonders interessant. Molotov Cocktail. Das muss ich mal probieren. Schnell habe ich 12 Flaschen bestellt. Ein wenig Vorrat kann ja nicht schaden.

Karl kommt vom Einkaufen zurück. Mist schon wieder Eierlikör. Will der mich umbringen?

 

Ich bin sauer!

 

Heute kam das Paket mit dem Cocktail an. Super verpackt, alles stoßsicher und doppelt versiegelt. Da können sich andere aber mal eine Scheibe von abschneiden. Also, das ist ja die Höhe. Kostet ein Schweinegeld und die haben nicht einmal ordentliche Flaschenverschlüsse. Stattdessen stecken da so komische Lappen drinnen. Und riechen tut das! Erinnert mich irgendwie an den Spiritus von unserem Campingkocher - ach ja den muss ich ja auch noch bewerten.

Naja, erst einmal ein Glas geholt, diesen widerlichen Lumpen entfernt, eingeschenkt und gekostet.

Igitt, ich habe zwei Stunden das Toilettenbecken angebrüllt. Voll widerlich, das Zeugs!

Wenigstens konnte ich dann gleich meine neue Antigeruchszahnpasta ausprobieren.

Na, die können aber was erleben. Gleich morgen schicke ich denen ihre Flaschen zurück, zusammen mit einem geharnischten Beschwerdebrief.

 

Für die Verpackung bekommen sie allerdings zwei Sterne. Man MUSS ja fair bleiben. Mir entweicht ein irres Kichern.

Tag 12 – Lieselotte ist müde

 

Der ständige Eierlikör geht mir auf den Magen. Heute schon nach dem ersten Kaffee auf Klo gehockt, weshalb ich mir fieses Rezis wohl sparen kann. Schade.

 

Also hocke ich mich friedfertig mit einem Bohnenkaffee vor den PC, lade mir ein paar kostenlose Bücher runter und entscheide nach dem Zufallsprinzip, was ich als Erstes lesen werde.

 

Aha, ein Gerd Statham … Mit Namen habe ich es echt nicht. Mooment! Ich lese erneut: Gerri Stratham heißt der Kerl. Ob der mit Jason …? Den Jason, den finde ich ja schon sehr sexy. Grrr… DER sollte mir mal in die Krallen fallen.

 

Ha-ha! Ein Reim. Aber Spaß beiseite. Ich schlage das Buch auf und vertiefe mich in die Lektüre. Karl rumort in der Küche, ruft: „Wo sind die Filtertüten?“, was ich mit einem: „Mach die Augen auf“ kommentiere.

 

Mein Gott, dieser arme Jai! Mir kullert eine Träne aus dem Augenwinkel, ich schniefe und eile zum Barschrank. Ha! Diesmal schnappe ich mir Karlchens Gin, setze an und trotte zurück zu dieser traurigen Story. Am Ende nehme ich noch einen kräftigen Schluck, gehe zu Amazon und schreibe dem armen Kerl eine schicke Rezi.

 

„Also, ich hab ja nix gegen euch Jungs. Abaer bringet euch doch nicht um! Wenigstens gabs diesmal keinen Schweinkram zu lesen, aber mein Herzelein weint. Und der Gin brennet. Isch habe jetzn Verstopfung, dank dieser rührenden Zeilen.“

 

Weia! Schnell noch mal die Flasche angesetzt.

 

„Waf soll icj saagen? Huddelt meinertwegn weidder rum, abber büdde lebending. Dein Lesefichz Lieselode.“

 

Puah! Ich genehmige mir noch einen Schluck, lehne mich zurück und schließe die Augen. Oh, das Leben kann so anstrengend sein, wie wird der Tod erst werden? Muss mal diesen Stratenberg fragen, wenn ich wieder wach bin.

Tag 13 – Lieselotte ist entsetzt

 

Mein Kopf tut weh, das Kreuz auch. Karl schnarcht und zwischen uns liegt dieses Masturbator- Dingens, voll bis oben hin. Das kann doch nicht alles von …? Misstrauisch beäuge ich meinen Gatten und schiebe mich vorsichtig vom Bett.

 

Im Bad der zweite Schock: Ein glatzköpfiger Mann liegt in der Wanne, zusammen mit der luftleeren Letizia. Gab’s hier gestern noch eine Orgie? Ich verzieh mich aufs Gästeklo.

 

Nach einem Bohnenkaffee springt mein Gehirn an, oder die Reste desselben. Gestern – diese anrührende Story und dann der Gin. Oweia! Ne. Den trink ich nicht wieder, der kachelt ja voll rein. Der Glatzkopf stolpert in meine Küche, nur in Shorts, und nuschelt so etwas wie: „Hey, ich bin der Franzl. Hat’s hier Aspirin?“

 

Aha, er ist also der Franz. Nett, wir haben ja selten Besuch, schon gar nicht halbbekleidete Kerle. Ich verbeiße mir die Frage, wo er denn – bitteschön – herkommt, denn das ist klar: Aus der Badewanne. Wie er in selbige hineingekommen ist, wird mir Karl sicher erklären können. Ich wühle eine Medikamentenpackung aus einer Schublade und drücke sie dem Herrn in die Hand, bevor ich mich im Wohnzimmer hinter dem PC verkrieche. Bin schließlich nicht die Kaltmamsell hier, soll sich doch Karlchen um den Gast kümmern.

 

So. Nu guck ich mal, ob dieser Gary noch mehr von diesem Zeug verzapft hat. Ah! Noch so ein Büchlein. Neugierig lade ich es mir runter und nippe dabei versonnen an dem Kaffee, den ich heimlich mit ein wenig Weinbrand verlängert habe. Schmeckt nicht übel und lindert den Koffeinschub.

 

Gerade will ich mit dem Lesen beginnen, als es nachhaltig an der Tür läutet. Da sich anscheinend keiner der Kerle darum kümmert, denn es hört einfach nicht auf, laufe ich hin und öffne. Wird sicher nur der Postbote mit meinen bestellten Kittelschürzen sein.

 

„Bist du Lieselotte K.?“, fragt mich stattdessen ein Kerl in voller Kampfmontur.

Sofort nehme ich eine abwehrende Haltung ein, wie ich es in dem VHS Kurs ‚Defensive Kampfführung‘ gelernt habe, lege beide Arme vors Gesicht und linse vorsichtig zu dem riesigen Mann hoch. Der trägt sogar eine Skimaske! Mir wird angst und bang!

„Hier“, nuschelt der Hüne und hält mir eine Flasche hin, die ich reflexartig annehme.

 

Geschenktem Barsch schaut man nicht ins Maul, sagt Karl immer.

 

„Wiedersehen“, murmelt der Große, dreht sich um und läuft die Treppen hinunter.

Was war das denn? Ich glotze auf das Flaschenetikett. Wodka? Hmm … Schmeckt der auch im Kaffee? Sinnend stehe ich eine Weile das, bis von der Küche her Karlchen ruft: „Schnuckihase, wer war denn das?“

„Der schwarze Mann“, antworte ich wahrheitsgemäß, mache die Tür zu und begebe mich zurück zum PC.

 

Mit einem frischen Kaffee, den Karl mir vorsorglich hingestellt hat, vermengt mit dem geschenkten Wodka, beginne ich zu lesen. Hoffentlich stirbt da nicht schon wieder jemand. Ich hab nichts gegen den Tod, aber ich bin eben sehr sensibel.

 

Gerade will ich ein Schlückchen meines Getränks genießen, als ich die ersten unanständigen Worte entdecke und vor Schreck die Tasse bis zum Grund leere. Schnell kippe ich Wodka nach, diesmal pur. Puh! Also, dieser Strahtberg … Nein-nein-nein! Der scheint meine Aufforderung, dass zwei Männer huddeln dürfen, ja nur allzu wörtlich genommen zu haben. Ein unkeusches Wort folgt dem nächsten, sodass ich mir schon bald ein Auge zuhalten muss, damit ich nicht erblinde.

 

Ich überfliege den Porno bis zum Ende, greife nach der Pulle und trinke direkt aus dem Ding, bevor ich mich entschlossen über die Tastatur hermache. Der bekommt keine Rezi, dieses Ferkel, den schreibe ich direkt an. Hat schließlich eine Homepage, der Kerl. Dem werde ich was erzählen!

 

„Werter Herr Statnam! Gestern noch dachte ich, Sie wären ein netter Mann, wenn auch etwas schwermütig. Das Einzige, was jedoch an Ihnen schwermütig ist, scheint Ihr Gemächt zu sein! Ich bin über Ihren Sprachgebrauch doch mehr als empört! Es gibt so viele schöne Worte für das männliche Geschlechtsorgan, wie Zauberstab, Wunderkerze, angespannter Wurm oder Lustfingerchen, doch das scheint Sie nicht zu interessieren! Konsequent wird meine Netzhaut mit unkeuschen Worten gequält und dass es sich auch noch um zwei Männer handelt, davon will ich schon gar nicht mehr reden! Schämen Sie sich!“

 

„Was schreibste denn da?“, fragt dieser Franzl und schleicht sich hinter mich.

„Nix.“ Schnell klicke ich das Fenster weg und warte, bis der Kerl zurück in die Küche trottet.

 

„Sie sollten sich die Finger mit Seife schrubben, um diesen Kram fortzuwaschen. Ich hoffe doch sehr, dass meine Wort ihr Gewissen erreichen.“

 

Ha! Zufrieden greife ich nach der Pulle, süffele davon, bevor ich zum Endschlag ansetze.

 

„Gott sieht alles! Ich auch! Ich werde mich beim Amazonien über Sie bescchwern, jawoll! Ist jaa fst nocch scjlinner, als das Zteug von neulioch! HOchaxhtungsvoll – Lesguxhs Liesselitte.“

 

Schwerfällig bekomm ich die halbleere Flasche zu fassen, torkele in die Küche, erwische dort Karl auf dem Tisch und Franz … Ich schleich mich an den beiden vorbei und schließe mich im Bad ein. Sicher ist sicher, sonst wollen die nachher noch was von dem geilen Schtoff abhaben. *hick* Wasch die da gerade machen, dasch verradde ich nischt … Gott schieht allesch! Scholl der die Kerle schtrafen. 

Tag 14 - Lieselotte pausiert

 

Bei einem Kräutertee nehme ich mir heute mal ein paar Rosamunde Pilcher vor, da weiß man, was man hat. Karl und dieser Franz munkeln im Bad mit Letizia herum, keine Ahnung, was die da machen. Interessiert mich auch nicht, so lange sie mich in Ruhe lassen.

 

Ah! Die Pilcher! Was für eine entspannende Lektüre. Gestern war echt zu viel für mich. Dieser Vermummte, Franzls Auftauchen, das muss ich erst mal verdauen

Tag 15 – Lieselotte schläft

 

He, he. Meine Gattin pennt ihren Kräutertee-Rausch aus. Dieser Schnaps, den ich ihr da heimlich reingekippt habe tut seine Wirkung. Habe mir ihr Tagebuch gegriffen und da mal son büschen drin herumgelesen.

Jetzt weiß ich auch, weshalb die Gummipuppe und dieser komische Trichter plötzlich in unserem Haushalt auftauchten. Ts-ts, meine Frau ist wirklich erfinderisch, dabei muss sie doch nur ganz selten ran.

 

Franz duscht gerade. Ich hab ihn neulich in einer Kneipe aufgelesen und da er gerade Langeweile hatte ist er mit mir heimgekommen. Es gab dann noch den einen oder anderen Drink, woraufhin er in der Badewanne genächtigt hat. Bis zum Gästebett war es ihm wohl zu weit, keine Ahnung.

 

Der Kerl ist eine echte Frohnatür. Vorhin haben wir es gemeinsam der notdürftig geflickten Letizia – also, dieser Gummipuppe – besorgt. Hat ja zwei Öffnungen, die geile Gummischlampe. Irgendwie gefällt es mir, einen Kumpel zu haben und recht scharf finde ich ihn auch, obwohl ich bisher Männern nichts abgewinnen konnte. Doch der Franz ist eben anders und da wir beide nicht mehr die jüngsten sind, erfahren und abgeklärt, warum sollten wir nicht ein wenig experimentieren?

 

Jedenfalls meinte der Franz vorhin, bevor er sich im Bad verkroch, dass wir beiden doch auch mal eine Rezitation schreiben sollten. Die Idee fand ich klasse. Mal gucken …

 

Ah! Da kommt er ja schon. „Franz, was schreiben wir denn jetzt bei der Letizia?“

 

Er stellt sich hinter mich, beugt sich vor und glotzt auf den Monitor, auf dem sich Lieselottes Amazon-Warenkorb befindet. Dabei streift sein Atem meinen Nacken und – was soll ich sagen? – der Kerl ist besser als diese blauen Pillen. Er legt seine raue Wange gegen meine und beginnt zu diktieren:

 

„Letizia! Ein Name wie ein Gedicht. Ihr glatter Körper ist eine Wucht und die Löcher darin eine Offenbarung und einzige Aufforderung. Nachdem die Dame dank eines Fahrrad-Reparatur-Kits wieder zur Verfügung stand, haben wir sie zu zweit ausprobiert. Das leichte Quietschen, das die Penetration des Plastikkörpers erzeugte, war erregend und erinnerte uns an unsere Jugend, als die Mädels noch solche Laute von sich gaben. Sie hat sich über keine Stellung beschwert und hielt auch nach erfüllter Aufgabe den Mund, was die Dame echt auszeichnet. Für uns eine Traumfrau, auch wenn sie ihre Aufgaben im Haushalt vernachlässigt. In Verbindung mit einer Putzfrau absolut für den täglichen Gebrauch zu empfehlen.“

 

„Mann, Franzl, du solltest Schriftsteller werden“, meine ich bewundernd.

Er wird rot, drückt mir einen Schmatzer auf die Wange und murmelt: „Bin ich doch schon.“

Aha? Ich sende die Rezibums ab und wende mich zu ihm.

„Was machen wir nun?“

Er wackelt mit den Augenbrauen, wirft einen Blick in meinen Schoß und raunt: „Schweinkram?“

 

Was für ein Schelm. 

Tag 15,5 - Liesel dichtet im Delirium

Vorsicht: Murksgedicht. So etwas lesen die Vogonen ihren Gefangenen vor, die daran sterben. Wer die Anzahl der verwendeten Synonyme für Penis richtig errät, bekommt 100 Sympathiepunkte von mir. Wer falsch rät, muss leider sterben. Sorry. So ist das Leben.

 

Mein Liebster wollte mit mir in die Oper gehen,

er wollte dringend die ZAUBERFLÖTE sehen.

Ein ZIPFEL seines Hemds lugte aus der Hose,

sah fast aus wie eine NUDEL und wackelte lose.

 

Trotzdem war sein Anblick der HAMMER schlechthin,

und trieb mir den Sabber übers Kinn.

Mein LIEBESZEPTER schwoll an,

wie einst EXCALIBUR trieb es ihn voran.

 

Mein BESTER FREUND lächelte erfreut,

es kümmerte ihn keinen Deut,

dass mein KOLBEN in der Hose fast erstickte,

und in mir die Lust hochtickte.

 

Er dachte nur noch an den Kunstgenuss,

trank einen LATTE, zu meinem Verdruss,

kaute dabei ein BISKUITSTÄNGCHEN und lächelte,

während ich mir Luft zufächelte.

 

Du bist mein FREUNDENSPENDER,

säuselte mein Liebster und wies auf einen STÄNDER,

Hol mir doch mal einen Prospekt von dort.

Ich wünschte mich an einen anderen Ort.

 

Meine Knie wurden immer STEIFER,

dennoch SCHWENGELte ich voller Eifer,

hin zu diesem Gebilde voller Papier,

besorgte Prospekte, nahm gleich vier

 

Ein Kerl gleich einem EINÄUGIGEN HOSENAAL war auf der Vorderseite,

voll die HÄRTE, ich schaute auf die zweite,

und volles ROHR ergriff es mich

als auch dort der Kerl einem SAMTLOLLI glich.

 

Mein LINGAM erschlaffte nun doch,

da das hier nicht nach SPASSWÜRSTCHEN roch.

Nur ein ZAUBERSTAB würde erreichen,

dass meine BISKUITROLLE erneut einer ANAKONDA wird gleichen.

 

GUTER KAMERAD, sprach mein Schatz,

vorhin wölbte sich dein Latz.

Wo ist er hin, der JADESTAB?

Ist deine Shorts jetzt ein Grab?

 

BESTER FREUND, antwortete ich,

mein WERTVOLLSTES STÜCK ist nur für dich.

Doch wenn ich mir diesen LÜMMEL hier anschau,

zieht es sich zurück in seinen Bau.

 

Mein Liebster gab einen Seufzer von sich,

Glaub mir, LITTLE JOHN, ich liebe dich,

wisperte er und guckte gar lustvoll,

mein JOYSTICK sofort wieder anschwoll.

 

Wenn es nach mir und meinem SCHWANZ ginge,

alles nur von diesem GUTEN STÜCK abhinge,

mein KRONJUWEL, wir wären zu Hause,

und mein PHALLUS nähme dich ohne Pause.

 

Wir sind dann nicht mehr in die Oper gegangen. 

Tag 16 – böses Erwachen

 

WAS ist denn hier los? Ich liege im Gästebett und aus dem Schlafzimmer dringt Gekicher an mein Ohr, abwechselnd lautes Stöhnen.

 

Erst mal in die Küche, Kaffee kochen, dann an den PC. Oweia! Da hat Karlchen doch …

 

Verdammter Mist! Er hat mein Tagebuch gefunden und nicht nur das, er hat mein Amazonien-Konto benutzt. Entsetzt lese ich die Rezi zu Letizia. Aha! Haben also beide Kerle das Gummiding benutzt. Mist! Rückgabe ist dann wohl … Seufz! Kaffee her …

 

Nach einem Filterkaffee entschließe ich mich, neue Gefilde aufzusuchen, während ich auf die Geräusche aus dem Schlafzimmer horche. Facebook! Mein neues Angriffsziel! Schnell Profil erstellt (unter Pseudonym, he-he) und los geht’s.

 

Ja, was ist denn das? Fassungslos glotze ich auf fremde Profile und dort sind keine Gesichter, (Facebook heißt Gesichterbuch, hab ich gegoogelt), da sind überall Tiere oder … Comicfiguren! Eine Drachen habe ich auch entdeckt und WAS die dort alles schreiben!

 

„Lieselotte, Schatz. Der Kaffee ist alle“, ruft Karl von der Küche her.

„Schade“, brülle ich zurück und starre weiter auf den Monitor.

Ha! Langsam hab ich den Bogen raus. Hier wird alles geschrieben, was man/frau gerade so tut. Da ist sich niemand zu schade, auch den kleinsten Fitzel seines Lebens NICHT mitzuteilen. Na! Da kann ich doch mithalten!

 

„Liebling, wo ist denn noch Kaffeepulver?“, stört Karlchen mich erneut.

„Im Su-hu-per-markt“, singe ich zurück und hebe die Krallen.

 

„Was ich gerade mache? Nun, ich habe immer noch Verstopfung. Muss an diesem Stratham liegen. Die Letizia liegt in der Badewanne, eingespermt. DIE wasche ICH nicht, soll dieser Franzl machen!!! Ich hab schlechte Laune und ein Blick auf mein Konto bessert die nicht. Nur meine kürzlich bestellten Stützstrümpfe halten mich aufrecht. Außerdem zwickt es mich in der rechten Schulter und der Eierlikör ist alle.“

 

Ich drück auf senden und überlege, was ich nun mache, denn schon wieder erscheint die Aufforderung: Was machst du gerade? Ja, soll ich da minütlich Statusmeldungen abgeben? Fühle mich so … aufgefordert. Ich tippe: „Kaffee ist alle. Karl nervt. Mein Darm ist voll. Hatten wir schon. Franz ist noch da.“

 

Senden. Warten. Gucken. Nix passiert. Hmmm … Oh! Jetzt beginnt es hinten zu drücken … Ich tippe: „Wurst wartet. Bin gleich zurück.“

Lieselotte wird sentimental ...

 

Karl schläft, Franz schnarcht. Wann geht der eigentlich mal nach Hause? Ich schlafe inzwischen ständig im Gästezimmer und mein Rücken tut weh. Mir tut noch mehr weh, aber darüber mag ich ... trotz der Aufforderung hier ... nicht reden.

Hab gerade in den Fotos gewühlt und einige gefunden, die ich doch gerne teilen möchte. Mit wem? Tja, mit diesen ganzen Usern, die im Internetz rumgeistern. Hach, was sind das schöne Erinnerungen.

 

Unsere Hochzeit. Telefonisch. War damals der letzte Schrei. Seufzeralarm.

 

 

Was waren wir verliebt! Mein Karl und ich. Er ist ein so starker Mann!

 

 

 

Wir haben alle Länder bereist, die man so bereist haben sollte als Deutscher: Österreich, Dänemark und den Osten. Hach! Welch zauberhafte Erinnerung.

 

 

 

Wandern, unsere Leidenschaft! Mein stolzer Karl! Den Bart hat er sich damals nur angeklebt. Klar. Die Strümpfe sind allerdings echt.

 

 

 

Das sind wir in unserer Gruft. Hihi! Nei-hen, natürlich nicht. Doch genau so wollen wir auch … wenn es denn soweit ist.

 

Hach! Es ist sooo schön, Erinnerungen teilen zu können.

 

Ach ja, der Badeurlaub auf Sylt! Heia! Das war ein Gaudi!

Tag 17 – Lieselotte denkt nach

 

Dieser Franz hat sich hier eingenistet, wie eine Made im Speck. Inzwischen hat er begonnen, zusammen mit Karl die Küche zu renovieren, wenn die beiden nicht gerade im Schlafzimmer herumkichern und die arme Letizia malträtieren.

Sollte mir das Gummiweib leidtun?

 

Ach, die kann ja wohl für sich selbst sprechen, Schlampe, diese! Promiskuitive Weibsstücke habe ich schon immer gehasst, denn ich habe … Also, außer dem Karl habe ich nie … Na gut, da war mal dieser Fritz und dann … Gut, einer hieß Manfred und der andere, glaube ich, Bernd und irgendwo hab ich mir das mal aufgeschrieben, doch die Liste ist nicht lang. Jedenfalls nicht länger als ein Aldi-Kassenbon über 200 Euro. Tja. Also. Wo war ich?

 

Genau: Kaffee tut not. Zum Glück waren die Männer einkaufen und so habe ich schon bald eine Tässchen Bohnenkaffee in der Hand und kann mich beruhigt hinter den PC setzen. Ah, lange nicht rezessiert. Der Pümpel, den ich mir neulich gegen die Verstopfung besorgt habe, liegt neben dem Stuhl und für den habe ich wirklich eine geharnischte Kritik.

 

„Das Gummiding angesetzt, nach Vorschrift ein Vackum erzeugt und was soll ich sagen? Nix, außer einem Hämmatomm am Hinterteil. Weiterhin verstopft und ehrlich? Da hilft der Kräuterschnaps, den der Franz mitgebracht hat, viel besser. Für mich ein klarer Fall für nur einen Stern, und den auch nur, weil ich sonst keine Rezistion schreiben könnte. Lesefuchs Lieselotte. Kein Hochachtungsvoll!!!“

 

So! Denen habe ich es aber gegeben. Zufrieden schlürfe ich an dem Käffchen und mir fällt ein, dass ich seit gestern nichts bei Facebook geschrieben habe. Also schnell hin und diese strenge Aufforderung: ‚Was machst du gerade?‘ brennt sich in meine Netzhaut.

 

Ja, was mach ich denn gerade? Unschlüssig hebe ich die Finger, dann hämmere ich in die Tastatur:

 

„Ja? Was geht dich das denn an? Ich kann doch wohl tun und lassen, was ich will, ohne dass ich DIR Rechenschaft schuldig bin, oder? Na gut: Der Kaffee schmeckt wie Abwaschwasser und ich bin SAUER, dass dieser Franz hier ständig rumhängt. Das Klo ist dreckig und in der Küche … Reden wir nicht darüber! Der Postbote hat mir gestern eine Bestellung gebracht, die wohl der Kerl von nebenan getätigt haben muss: Ein Dildo! In den Farben Frankreichs! Ja … bin ich denn im Irrenhaus gelandet? Als nächstes kommt wohl noch dieser Strattmän und schenkt mir ein Lexikon mit obszönen Begriffen. Nein! Was ich gerade mache? Ich gönne mir jetzt einen leckeren Sekt und dann les ich weiter in der Pischler! Ist ja nicht auszuhalten!“

 

Wutschnaubend drücke ich auf ‚posten‘, nippe an meiner Tasse und lausche auf das Stöhnen, das aus dem Schlafzimmer zu mir dringt. Wo nimmt Letizia nur die Luft her? Sollte ich Fazebok das fragen? Lieber nicht.

Tag 18 – Lieselotte grübelt

 

Heute habe ich mich in ein Internet Café verkrümelt, da dieser Franz mit Karl die ganze Küche auseinandernimmt. Mit einem Kaffee togo setze ich mich an einen der PCs und schecke meine Emails. Ah, diese komische Sissi, eine Schwester der Freundin von der Nichte des Franzens Mutter, hat sich gemeldet. Ich soll sie doch mal anrufen. Dann mache ich das doch mal. Ich fische mein Händi aus der Handtasche.

 

Oh Weia! Die hat mir aber den Kopf gewaschen wegen der blauen Pillen! Ob ich denn nicht an die Umwelt denken würde und was mir einfiele. Die Ratten würden sich jetzt sicher schlimmer als die Karnickel vermehren und so weiter. Nachdem sie sich beruhigt hat, haben wir noch ein wenig geplauscht und kamen auf Amazonien und Co. zu sprechen.

 

Die Sissi schreibt Sachen, hat der Franz gesagt, was für welche hat er nicht verraten. Jedenfalls erzählte sie mir, dass sie neben drei Email-Adressen auch über Konten bei ebay und Co. verfüge und sich deshalb schon eine Liste mit den Passwörtern und so zulegen musste. Was eigentlich mit diesen Konten geschehen würde, wenn sie stürbe? Ehrlich, darüber habe ich ja noch nie nachgedacht, aber jetzt, wo sie es sagt.

 

Also schnell mal gegurgelt. Aha! Da müssen sich die Erben drum kümmern. Aber was, wenn die gar nicht wissen, dass der Verstorbene über die ganzen Konten verfügt? So kann man sich als Mensch also doch ein Denkmal schaffen, indem man sich auf ganz vielen Internetseiten registrieren lässt und dann … Boah!

 

Da werde ich doch die nächste Zeit mal darauf verwenden, dass Lieselotte K. der Nachwelt wenigstens digital erhalten bleibt. Hihi.

 

Ich beginne mal damit, mich bei sämtlichen Versandhändlern anzumelden und gehe dann zu Foren über. Irgendwann lande ich auf Seiten, wo Leute ihre Texte für alle online stellen können. Wahnsinn! Ob ich hier ein Tagebuch führen sollte? Aber wer will das lesen? Karl sollte es lieber nicht in die Finger bekommen. Ich lass das mal lieber.

 

Hach, das macht mich alles ganz müde und mein Darm quält mich. Zeit für einen Amazonien-Spaziergang und meine Einkäufe der letzten Tage bewerten. Beginne ich doch mal mit dem Kehrset.

 

„Schöne Farbe, tolles Material. Der Besen kehrt alles weg, sogar den Eierlikör, den ich neulich aus Versehen auf den Teppichgegossen habe. Konnte ihn danach zurück ins Glas schütten. Sehr zu empfehlen. Kehrfuchs Lieselotte.“

 

Seufzend denke ich an die ganzen anderen Dinge, die ich mir zusammengekauft habe und bewerte nacheinander den Eierkocher, die Lockenwickler, die Schürze und noch ganz viele Sachen, bis meine Finger müde sind. Jetzt noch eine fiese Rezi, dann mach ich aber Schluss.

 

Hab mir gestern ein Buch von einer Trance Carola runtergeladen und mit zunehmendem Entsetzen gelesen. Wieder so eine Homo-Schlampe! Ts-ts. Bei der sind die Leute auch noch behindert! Als wenn sie das nicht eh schon wären mit ihrer abartigen Neigung!

 

„Nicht nur, dass ich es hier mit echten Außenseitern (Russen!) zu tun bekomme, die sich gegenseitig an den Allerwertesten gehen, diese Leute sind auch noch krank! In diesem Falle leidet der arme Mann an Automus, doch das stört den anderen Kerl gar nicht!! Abartig! Also nein, ich hab das Buch weggelegt und rate der Trance doch dringend, sich mal den Mund auszuwaschen, mit Kernseife!!! Könnte eine gute Sorte empfehlen, die antibackerteriell ist!! Hochachtungsvoll – Lesefuchs Lieselotte!

 

Ah! Jetzt aber schnell nach Hause, der Darm beginnt zu drücken. 

Tag 19 – Lieselotte dreht am Rad

 

Wieder verkrieche ich mich in ein Internet-Café, da die Wohnung nur noch einer Baustelle gleicht, auf der sich zwei Kerle hemmungslos amüsieren. Diesmal habe ich eine Latte witch full Vanille flauer dabei, außerdem einen Flachmann mit Rum, aus dem ich unauffällig den komischen Kaffee anreichern kann.

 

Ich nehme vor einem PC Platz, gehe ins Internetz und gucke mir meine letzte Bucherwerbung an. Eine Sisi Kaiserweg. Wieder eine von diesen Schmuddeltanten, die anscheinend ganz Amazonien vollrotzen wollen. Ein großer Schluck des Rums findet seinen Weg in das Techno-Gesöff und macht es damit trinkbar.

So. Mal lesen. Aha. Diese – nun, Dame kann ich die Frau wohl nicht nennen – Vulgariererin redet ja nicht lange um den heißen Brei. Schon auf Seite zehn geht’s zur Sache, aber wie!! Die armen Männer – vorher noch normal – geifern sich an und dann … Uah! Ich senke die Lider und verfolge das Geschehen, das sich diesmal rasant wie ein Formel-1-Start entwickelt, mit halbem Auge. Nein!!! DAS geht so keinesfalls. Dieser obssönnen Schlampe gehört das Handwerk gelegt. Noch ein Schuss Rum in den halbleeren Pappbecher, dann lege ich los.

 

„Also, eigentlich war ja klar, was hier kommt. Aber dass Sie da einen flotten Dreier schildern, und dann der eine Mann auf den anderen Mann … und die arme Frau!!! Nein! Haben Sie denn gar kein Anstandsgefühl in Ihrem Laib? Recht geschieht es dem bösen Buben, dass die Frau sich rächen tut! Soll er doch leiden!!! Unanständig ist das alles und mir tut die arme Frau so leid. Ich hätte dem Kerl auch gern was in den Popo geschoben, dafür, dass er ihren Freund haben will. Schämen Sie sich!! Seife wird da nicht reichen, machense mal eine Therabie! Hoch… Nein! Einfach nur Lesefuxj Luseloppte.“

 

Ha! Ein tiefer Schluck – diesmal direkt aus dem Flachmann, und ich wende mich meiner jüngsten Erwerbung zu:

 

Bügelloser Push Up BH Brust SILIKON verschönern Größe B Cup = B70 B75 B80 C65 - OHNE Bügel - ideal für Rückenfrei.

 

Den wollte ich tragen, an Karlchens und meinem zwanzigstem Hochzeitstag, darüber ein schickes Blüschen und den Tweed Rock, doch meine Freude hielt nicht lang. Das Ding hat die Anprobe kaum überstanden. Doch was schreib ich nur?

 

Ah! Die Rita, eine Schwippschwägerin des verstorbenen Freunds eines Nachbarn, hat doch das gleiche Exemplar erworben. Ich rufe sie an und … Tadaaaa! Sie hat die gleich Erfahrung wie ich gemacht und diktiert, ich schreibe. Nachdem ich meine Flachman geleert habe.

 

„Da muss ich sagen, das ich massloss enttäuscht bin. Das puschelt überhaupts nicht hoch und bügellos ist auch Mist, weil ich den gar nicht auf einen Bügel hängen kann. Ausserdem isser zu klein und ich weiß gar nicht, wo ich den genau hinkleben soll. Jedenfalls hang bei mir alles so runter wie immer. Und wennman schwitzt, dann fällt er ab und das siet gar nicht gut aus, so ein Beutel vor dem Bauch im T-Shrit. Und wenn er, wie bei mir, zu klein ist, dann flutscht der einfach weg und die Möpse wackeln fruchtbar hin und her. Den Fleck von Eierlikör ist auch nicht raus, dafür ist jetzt ein Loch in Silikon. Zurückschicken geht nicht, wegen Loch. Kann ich nischt empfehlen! Zwei Punkte bekommt er deswegen, weil er nicht unters Waffelgesetz fällt. Er ist prima als Schleuder geeignet und ich kann damit beim Nachtbarn die Blumen vom Balkong flitschen.

Eure Leseflux, Lieselotte“

 

Dangge, Rida. Das spricht mir aussem Herzen. Ich beende das Gesbräch und erhebe mich wankend. Wo issen der Ausgang hin? Torkelnd mach ich misch auf den Haimweg.

 

Tag 20 – Lieselotte telefoniert

 

Ich hab mir die Telefonnummer von diesem Stratberg besorgt. He,he. DEM werde ich jetzt aber mal meine Meinung geigen. Aber vorher ein Gläschen Likör, dann ist meine Kehle besser geschmiert. So. Ich wähle, lausche und tatsächlich, der Kerl nimmt ab und meldet sich mit einem harmlosen ‚Hallo‘. Na, wie kann er nur?

 

„Herr Stratberg, hier ist die Lieselotte. Ich will mit Ihnen über diese Bücher reden. Se wissen schon, diese … *flüster* … Pornos. *räusper* Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich die sind?“

 

„Lesefuchs? Wenn sie ein Lesefuchs wären, wüssten sie meinen Namen. Ich heiße Stratmann, merken sie sich das.

Ach, sie nennen meine Bücher Pornos? Aus welchem Jahrhundert stammen sie denn? Eine verklemmte kleine Maus? Hinter vorgehaltener Hand lesen? Das liebe ich.“

 

„Also, also ... *keuch* ... ICH BIN ein Lesefuchs und überhaupt - was geht SIE das Jahrhundert an, aus dem ich ... Ach so, so meinen Sie das. Äh. Ich lese die nicht hinter vorgehaltener Hand und ... Sie kommen vom Thema ab. Die Dinger sind gefährlich!! Die Jugend ... was soll die denken? Dass alle *flüster* Männer schwul sind? Und diese Worte, die sie benutzen!!! *schnauf*“

 

„Gute Frau, die Jugend ist aufgeklärter als Sie. Die wird auch nicht denken, alle Männer sind schwul. Die kleinen Jungs, deren Gene einwandfrei sind, werden weiterhin ihren Schwanz in normale kleine Mädchen stecken.

Allerdings werden die nie in den Genuss kommen, einen richtig geilen Kerl an ihren Arsch zu lassen. Und ich werde das nicht flüstern.

Was wollen Sie eigentlich von mir? Vor mir muss niemand beschützt werden.“

 

„*Nach Atem ring* Da sind sie schon wieder, diese Worte. Können Sie nicht blumige Worte verwenden und ... und ... den *murmel* Gächlechtsvärkr weglassen? Die Pilcher kriegt das doch auch hin. Ich muss ja fast annehmen, dass Sie auch vom aaanderen Uuu-hu-fer sind *fies flöt* so, wie sie reden. *keckernd lach*“

 

„Oh Mann, dass mit den Lesen sollten Sie wirklich üben, gute Frau.

Ich heiße Gerry Stratmann, bin männlich, und ja, ich bin schwul.

Andere Männer stecken bei mir einen weg. Und wissen Sie was. Ich bin einer von der ganz üblen Sorte. Ich bin Masochist und lasse mich von Sadisten auspeitschen und habe Spaß daran.

Ihr flöten und das dreckige Lachen können Sie sich dahin schieben, wo es dunkel ist.

Sagen Sie mal, saufen sie heimlich? Ich höre immer so merkwürdige Schluckgeräusche.“

 

„*Schnell den Flachmann absetz* Nei-hen. Ich ... äh. Das ist ... mein Hund. Der ... sabbert. Sie ... Sie sind sooooo einer??? *schluck* Äh. Dann ... müssen Sie wohl so was schreiben, nächt wahr? Sie armer Jung. Oh, das tut mir wirklich leid. Ist es ein ... innerer Drang? So wie ein Harndrang? Fühlen Sie sich besser, wenn es ... raus ist?“

 

„Ich verbitte mir, als armer Junge bezeichnet zu werden. Sie sind wohl eher die Person, die man bedauern sollte. Wie kann man nur so verklemmt sein.

Aber was kann man erwarten, wenn jemand Rosamunde Pilcher liest.

Sie sollten es mal mit einem richtigen Erotikroman versuchen. Da können Sie bestimmt noch eine Menge lernen.

Sagen sie Mal, Frau Liesel, sind Sie eigentlich verheiratet?

Und bitte, stellen Sie das Saufen ein. Ich unterhalte mich nicht mit zugedröhnten Personen. Der Hund ... ha ... das ich nicht lache. Halten Sie mich für dämlich?“

 

„... Na, das verbitte ich mir aber! In meinem Alter kann man sich so ein Likörchen doch mal genehmigen. *rülps* Ich hab einen Mann, natürlich!!! Allerdings hängt der in letzter Zeit immer mit diesem Franzl ... *sfz* Ach, Herr Stratmann, eigentlich klingen Sie ja ganz menschlich. Wer hätte das gedacht? Sind Sie denn verheiratet? *neugierig lausch“

 

„Mal ein Likör ist ja okay, aber bei Ihnen habe ich das Gefühl, es handelt sich um Frustsaufen. DAS, liebe Frau, ist ungesund. Nicht Sex, oder direkte Ausdrücke darüber. Denken Sie lieber mal nach.

Ihr Mann und Franzl? *lach* Das klingt aber interessant. *fies kichert* Könnte es sein, dass ihr Mann Bisexuell ist? Oder hat er das Interesse an Ihnen verloren und sucht sich seine Befriedigung bei einem Mann?

Ich bin weder menschlich, noch nett, noch umgänglich. Schon gar nicht, wenn man mir komisch kommt. Uns Sie, gute Frau, haben ein paar sehr unschöne Dinge über mich bei Amazon geschrieben.

Ja, ich bin verheiratet und mein Mann vögelt nicht mit anderen Kerlen.“

 

„Mein Mann bi... NIEMALS! Das mit dem Franz ... die renovieren die Küche. Genau. Sagen Sie mal, irgendwie habe ich den Fa-haden verloren. Was wollte ich noch genau von Ihnen?“

 

„Halleluja, der Himmel bewahre mich vor saufenden Frauen. *knurrrrrt*

Woher soll ich wissen, was Sie von mir wollten. Sie haben mich doch angerufen.

Aber zu Ihrer Information, Sie haben sich über Begriffe wie Schwanz, ficken, vögeln usw. auslassen wollen.

Soll ich ihnen noch mehr davon beibringen? Es gibt noch blasen, rammeln, stoßen. Wissen Sie denn schon, was ein Fickstück ist? Würde ich ihnen gerne erklären. Vielleicht werden Sie dann mal etwas lockerer und lassen die armen Autoren und Autorinnen in Ruhe, mit ihrem verklemmten Gequatsche.

Vielleicht sollten Sie sich auch nur mal einen richtigen Kerl suchen, der Sie anständig durchnimmt. Oder eine Frau suchen, die es ihnen mal richtig besorgt?“

 

„*drei Sekunden fassungslos schweigt* *schluck* Äh, also ... gerade fing ich an Sie nett zu finden und nun ... *schniff* ... nun sind Sie so, so, so ... gemein zu mir!!! Ich wollte doch nur Ihr Bestes. *schniff* Ihr Bestes, genau. Ich ... ich leg mal auf. Tschüssilein. *schniff*“

 

„Tztztzt ... Frauen“, murmelt der Kerl noch, während ich laaangsam und vorsichtig den Hörer auflege.

 

Versonnen greife ich nach der Eierlikörflasche und schnuppere an ihr. Riecht nach mehr. Nach dem Gespräch hab ich mir das verdient. Was wollte ich eigentlich noch mal von dem Mann? Vergessen. Schade.

Tag 21 – Lieselotte räumt auf

 

Nach dem Gespräch mit dem Herrn Stratmann beschließe ich, dass sich dringend etwas ändern muss. Ich hab heute Morgen erst mal die Reste dieser Gummipuppe entsorgt. Danach den örtlichen Weinhändler angerufen und eine Kiste Obstbrände geordert. Der gute Mann hat ja recht, Eierlikör ist auf Dauer sicher nicht gut.

 

Als nächstes Karl und Franz zur Rede gestellt, die unumwunden zugaben, zuweilen unkeusche Handlungen aneinander durchzuführen. Das mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen, verlangt, dass die beiden die Küche fertigmachen und mich durch den Staub und Dreck bis ins Wohnzimmer gekämpft.

Der PC ist zum Glück mit einer Plane geschützt. Ich tauche zu dem Gerät unter die Plastikfolie, stelle es an und überlege, dass ich mal wieder ein bisschen auf Fazebook gucken kann. Gekauft habe ich in letzter Zeit nichts, daher kann ich nichts bewerten. Schade eigentlich.

 

Ich logge mich also ein und klicke herum. Diesen Stratmann hab ich schnell gefunden: Boah! Der guckt ja so streng, wie er spricht. Schnell weg. Hmm… Wen haben wir denn da? Eine Pat mit Crew? Ja, supi. Die bekommt gleich eine Freundschaftsanfrage, dann hab ich einen ganzen Haufen Freunde auf einmal im Kasten. So. Und nun?

Wen haben wir denn da? Eine Chrisp rolls. Lecker. Die lade ich doch gleich ein, habe eh Hunger. Und dort: Eine Celine Blue. Klingt nach diesem Cocktail, also – zack – Anfrage schicken. Mal weiter gucken. Ich finde einen Andre le Bier und da ich stechenden Durst habe, landet der gleich auf meiner Liste. Weil ich so gut drauf bin, lade ich einfach mal weiter ein, mache einen großen Bogen um diese Trance Carola, deren Feuerfaust mir im Auge brennt und bin schließlich zufrieden.

 

„Lieschen? Kannst unter der Folie rauskommen, wir haben aufgeräumt?“, kommt die fröhliche Stimme von Karl aus der Küche.

 

Ich werfe die Plane ab und ersticke fast in der Staubwolke, die daraufhin auf mich niedersinkt. Nein, so geht das nicht weiter! Zum Glück klingelt gerade der Bote mit den Obstschnäpsen. Der Tag ist gerettet.

Tag 22 - Lieselotte kommt zur Besinnung

 

Gestern hab ich mehrmals versucht, den Herrn Stratmann zu erreichen, doch der Junge ging nicht ran. Ob er sich meine Nummer gemerkt hat? Dabei wollte ich ihm doch nur sagen, dass ich ihm verzeihe.

 

Seit ich in dieser Selbsthilfegruppe für Ehefrauen latent schwuler Männer bin, geht es mir besser. Habe heute Morgen ganz offen über Karl und Franz gesprochen. Nachdem eine andere Frau schluchzend berichtet hat, dass ihr Gatte seit neuestem in einschlägige Clubs ginge und dort … Ich hab’s einfach nicht mehr ertragen und mich hingestellt, vor allen diesen Leuten, und berichtet.

 

„Der Karl, der schiebt jetzt seinen Pillermann dem Franz in den Popo. Hab ich durch’s Schlüsselloch beobachtet und was soll ich sagen? Ich habe den Würgereiz voll unterdrücken können. Das ist gar nicht so schlimm, wie es ausschaut und als wir jung waren, der Karl und ich, da hat er auch mal …“

 

Okay, an dieser Stelle kroch mir Röte den Hals hoch und ich hab mich hingesetzt, aber es war raus. Alle haben mich bewundernd angeschaut und der Kursleiter hat nur kurz geschluckt, bevor er ein ‚Bravo, Frau K.‘ geflüstert hat. Also war das ein voller Erfolg.

 

Aktuell suche ich nach einer Wohnung. Ja, genau, ich ziehe aus und fange mein Leben noch mal neu an. Vielleicht suche ich mir einen potenten Liebhaber und Kinder … Nein, Kinder will ich nicht, aber einen Kerl mit einem funktionierenden *flüster* Schwanz. *erröt* Na, ich bin im besten Alter und eigentlich noch recht attrat… Äh, attrapiv, finde ich zumindest.

 

So, nun schnell ein paar Anzeigen lesen, ein kleiner Scotch dazu und der Tag sieht wieder rosig aus, wenn nur die beiden Männer etwas leiser wären.

Tag 22 ff – Lieselotte ist bekümmert

 

Mehrfach versucht, diesen Stratmann anzurufen. Kein Erfolg. Dabei wollte ich ihm doch dringend mitteilen, dass die Obstschnäpfe leckerer sind als … WAS hab ich da geschrieben? *hicks* Also: Die Obstschnäpse brennen zwar stärker, als das Eierzeugens, aber sie *hicks* sind auch effektiver.

 

Kann mit dem Kram besser darüber hinwegsehen, dass der Karl mit dem Franz … Also, die machen da Sachen. Heidewitzka! DAS haben wir selbst in den Anfängen unserer Ehe … Nein, das haben wir sicher nicht.

 

Ich sollte … Genau! Hab mir da ein Buch von einem Juan Santiago runtergeladen. Hehe! Dem werde ich mal gaaanz genau auf die Autorenflossen schauen.

 

Doch bevor ich dazu komme, noch einen Schluck aus der Buddel. Ja-ha! Gläser haben hier inzwischen Seltenheitswert, da die Küche … Schwamm drüber.

 

Ich lege mir die Plane über die Schultern, drücke die Pulle fest an meine Brust und beginne zu lesen. Juan … Hmmm … 

Tag … nicht mehr mitgezählt – Lieselotte hat was gesehen

 

Neulich, das war ich im Supermarkt. Gut, das bin ich öfter, aber an diesem Tag … Ich weilte gerade am Gemüsestand, als dieser komische Tätowierte daher getrabt kam. Nun, Langhaarige sind ja nicht so mein Ding, doch seine Mähne wirkte gepflegt, also drückte ich ein Auge zu.

Jedenfalls klaubte der Kerl einige Äpfel von dem Stand und just in dem Moment kam ein anderer daher geschlendert. So ein merkwürdiger ‚Lord of Darkness‘, wie ich schon mal auf YouTube gesehen habe. Ihr wisst schon: Kalter Blick, wie zwei Dolche und dabei ein cooler Gang, als würde er Rasierklingen zwischen den Schenkeln tragen.

Ich also unauffällig eine Melone geprüft, dabei die beiden beobachtet. Der Tätowierte ließ die Äpfel fallen und beide bücken sich. Aua! Das sah aber schmerzhaft aus, als sie am Scheitel zusammenprallten! Ich schnell ein Bündel Bananen gegriffen und versonnen gestreichelt, während der Lord die Äpfel aufsammelte und der andere sich den Schädel rieb. Niedlich, irgendwie. Nur dieser Blick, mit dem der Lord den armen anderen … Nicht schön! Ich bin dann nach Hause.

Wenige Tage später nahmen mich der Karl und Franzl mit in einen Club. Sie meinten, ich solle doch mal unter Leute kommen. Nur waren in diesem Etablissement ausschließlich Männer. Nicht, dass mich das stören würde, nur die Blicke … Und seit wann sind ‚Leute‘ Männer? Dachte das wären … gemischtes Volk?

Nun, ich stand da also rum und was glaubt ihr, wen mein trüber Blick entdeckte? Genau! Lord ich-erdolch-dich-mit-meinem-Blick. Ich gleich Karlchen und Franzl auf den Kerl aufmerksam gemacht. Beide leckten sich über die Lippen, unternahmen aber nix. Boah! Am liebsten hätte ich dieses Kerlchen zu Räson …!

Doch was dann passierte, war sooooo zauberhaft! Hach! Dieser andere Apfelmann erschien, huschte in eine Ecke und dann … Waaahnsinn, sage ich. Romeo und Julian in Wirklichkeit! Sie gingen aufeinander zu, sahen sich an und dann … sprachen sie miteinander! Wie zwei Menschen! Un-glaub-lich!

Ich hab mir das angeguckt, bis Franzl meinte, die würden hier gleich schließen. Schnell meinen Eierlikör-Wodka-Bananensaft ausgeschlürft und was meint ihr, was ich da erblickte? Rasierklingen-Mann und Tattoo-Boy verließen gemeinsam den Club. Waah!

 

Kooopfkino! Händchenhalten. Tiefe Blicke. Oder würde der Lord of Dolchblick dem anderen mit einem Radiergummi die fiesen Tattoos entfernen? Liebe macht alles möglich, hab ich mal gelesen. Irgendwo. Hm.

 

Ach ja, weshalb ich das überhaupt erzähle? Ich hab da so ein Buch gefunden, neulich, bei diesem Sta … Na, bei diesem Kerl, mit dem ich schon telefoniert habe. Es hörte sich an, als würde er … Aber sicher spinne ich. Darauf einen Eierlikör! *schlürf*

Tag 1 nach der Apfel-Geschichte – Lieselotte ist frohgemut

 

Also … sicher glaubt mir das keiner, aber dieses Buch mit den Äpfeln existiert wirklich. Weia! Hier verschmelzen Wirklichkeit und Ficktion ja total! Na ja, Schwamm drüber.

 

Da ich keine Wohnung finde bin ich ganz ins Gästezimmer gezogen. Karlchen und Franzl renovieren gerade das Wohnzimmer. Die beiden streichen die Wände schwarz und ich hab vorhin Ketten rasseln hören. Mann, da bin ich aber gespannt, wie das hinterher ausschaut!

 

Ich hab eine neue Idee: Autoren nach Namen suchen. Aktuell habe ich einen Nathan Jaeger gefunden. Der schreibt sicher Thriller! Schließlich dürfen Autoren sich Namen ausdenken, und da wird der Kerl doch sicher was im Sinn gehabt haben, als er sich so nannte, oder? Diese Frau Mascarpone dürfte dann allerdings … Käse schreiben? Oder irre ich mich? Was die Frau Kaiserlos schreibt … hihi … ist auch klar. Die Arme. Will gar nicht wissen, was bei der los, beziehungsweise nicht los ist. Sicher ein sexuell frustriertes Weibsbild. *sfz*

 

Jedenfalls hab ich mir von dem Jaeger ‚Strategie in Scherben‘ bestellt. Klingt total spannend! Sicher ein Detektivroman! Wenn der da ist, werde ich ihn gleich verschlingen. Ich liebe solche Geschichten mit Leichen und so.

 

So. Das ist für heute eigentlich alles. Muss nur noch den Kram rezisieren, den ich die letzte Woche gekauft habe. Das Bügelbrett, die Nagelfeile, drei Paar Socken und die Hauspuschen. Mann, da liegt Arbeit vor mir.

Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: Kooky Rooster - danke
Tag der Veröffentlichung: 14.09.2013

Alle Rechte vorbehalten

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