Cover

Der unglaubliche Wolfgang

Ein Kühlschrankdrache reist

Inklusive Heiligabend nach Bolle Art

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

 

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Foto: depositphotos, shutterstock

Cover: Sissi

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

https://www.sissikaipurgay.de/

 

Falscher Kühlschrank

Marius und Johannes sind noch nicht lange zusammen. Die Sorge, dass Johannes ihre Beziehung beendet, veranlasst Marius dazu, ständig zurückzustecken. Da tut Hilfe not und erscheint in Form eines Kühlschrankdrachen.


„Magst du auch ein Bier, Schatz?“, rufe ich, als ich die Tür des Kühlschranks öffne.

„Ja bitte“, antwortet Johannes aus dem Schlafzimmer.

Ich greife in den Schrank und zucke zurück, weil dort, wo die Biervorräte liegen sollten, ein grünes Etwas kauert und mich schläfrig anblinzelt.

„Hallo“, grüßt das Ding. „If bin Wolfgang, wer bift du?“

Ach du Scheiße!“, stoße ich perplex hervor.

„Komifer Name“, brummelt das Ding, hüpft aus dem Gerät, flattert mit den Stummelflügeln und plumpst auf den Boden. „Ganf fön eng da drinnen“, setzt es hinzu.

„Du bist doch dieser Drache, der Männlein mit Weiblein verbandelt“, stelle ich fest. „Ich hab von dir gelesen.“

„Tu if daf?“ Der Drache zwinkert mir zu, legt die Pfoten auf den Rücken und trippelt durch die Küche, wobei er alles inspiziert. „Fauftall“, murmelt er halblaut.

Johannes!“, rufe ich. „Komm bitte mal her!“

Wolfgang fährt herum und glotzt zur Tür. „Johannef?“, meint er erstaunt.

„Ja, mein Freund. Was dagegen?“

„Weia! Falfer Kühlfrank! Daf ift mir nof nie paffiert.“ Der Drache schnaubt, was zwei grüne Rauchwölkchen erzeugt.

„Was ist denn das für ein Ding?“, fragt Johannes, der nackt im Türrahmen erschienen ist.

„If bin Folfgang von Hengftenberg.“ Der Drache wirft sich in die Brust. „If bin kein DING.“

„Tschuldige“, murmelt mein Freund.

Stille breitet sich aus. Johannes kratzt sich am Sack, beäugt den Drachen und ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll.

„Alfo“, ergreift Wolfgang das Wort. „Du da fteckft deinen Pifi dem da in den Popo?“ Bei diesen Worten zeigt er erst auf mich, dann auf Johannes.

„Nö, das ist andersher…“ Johannes fängt meinen bösen Blick auf und verstummt.

„Alfo, Afdufeiffe“, spricht mich der Drache an und stemmt vorwurfsvoll seine Pfoten in die Seiten. „Waf foll if hier?“

Ich zucke mit den Achseln, denn woher soll ich das wissen.

„Dann will if furück in den Kühlfrank“, mault Wolfgang.

Mir reicht’s! Ich schnappe mir den Drachen und klemme ihn mir unter den Arm. „Nichts da!“, fahre ich den kleinen Gesell an. „Da drinnen ist kein Platz für dich.“

Johannes betrachtet den Drachen mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was machen wir mit dem Ding?“

„Vielleicht in den Müll werfen“, brummele ich missgestimmt.

„Nift in den Müll, bitte“, kommt es kleinlaut von Wolfgang. „If bin total harmlof. Ehrlif.“

„Tu das Ding ins Bad“, schlägt Johannes vor und verschwindet aus meinem Blickfeld.

War ja klar. Immer muss ich mich um alles kümmern. Ich bringe Wolfgang ins Badezimmer, wo ich ihn auf dem Boden absetze.

Ohne Umschweife klettert der Drache in die Wanne und gähnt ausgiebig. „Haft du einen Flafanfug und eine Decke für mif?“, fragt er mit astreinem Welpen-Augenaufschlag.

„Also, eine Decke hab ich schon, aber einen Pyjama wohl eher nicht“, erwidere ich und begebe mich auf die Suche.

Nachdem ich den Drachen mit einer Wolldecke versorgt habe, wirkt dieser zufrieden und schließt die Augen, schmatzt ein paar Mal und beginnt zu schnarchen. Allerliebst. Ich schließe die Tür zum Bad zu, damit das Sägen gedämpft wird.

Auf dem Weg ins Schlafzimmer besorge ich endlich das Bier und stelle dabei fest, dass sämtliche sauren Gurken sowie ein paar Magermilchjoghurts verschwunden sind. Verwundert schüttle ich den Kopf. Sowas essen Drachen? Na ja, wenigstens hat er die Biervorräte nicht angetastet.

Als ich ins Schlafzimmer komme, erwartet mich Johannes mit einer stahlharten Erektion. Ich seufze im Stillen und stelle die Flaschen auf den Nachtschrank. „Du erwartest jetzt sicher, dass ich dir einen blase, richtig?“

Johannes grinst breit und nickt.

„Könnten wir nicht … Ich meine, vielleicht möchte ich auch mal …“, beginne ich, traue mich dann aber nicht weiterzusprechen, weil das zwischen uns ein ständiger Streitpunkt ist.

Mein Freund legt den Kopf schief und streicht neckend mit dem Finger über die Beule in meiner Pants. „Was denn?“

„Ach nichts.“ Ich streife meine Pants ab und begebe mich aufs Bett. Gerade will ich mich über den riesigen Samtlolli hermachen, als …

„If hab Durft“, klagt Wolfgang von der Tür her.

Die Störung kommt so unerwartet, dass ich einen Moment wie erstarrt bin. Der Drache räuspert sich, blinzelt und legt dann die Pfoten vor seine Augen.

„If bin gerade blind geworden“, jammert er.

Verdammt!“, zischt Johannes und seine Erektion schwächelt.

Auf den zweiten Blick erheitert mich die Situation. Mein Freund, der sonst so gelassen ist, verliert sowohl seine Fassung als auch Lust. Ich kichere, während ich vom Bett klettere und zur Tür gehe.

Nachdem ich Wolfgang mit einem Kakao versorgt habe, kehre ich ins Schlafzimmer zurück. Johannes hat sich die Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen und mir den Rücken zugekehrt, womit klar ist, dass heute nichts mehr läuft.

Ich lege mich neben ihn und fühle mich meilenweit von ihm entfernt. Wir sind seit drei Wochen liiert. Was zuerst als einmaliger Fick geplant war, hat sich zu einer längerfristigen Verbindung gemausert. Ich habe mich gleich in Johannes verliebt und bin froh, dass er immer wieder zu mir kommt, daher habe ich bislang keine Forderungen an ihn gestellt. Die Angst, dass er abhauen könnte, hält mich davon ab.

Ich seufze leise und dreh ihm den Rücken zu. Ob ich mal mit ihm reden sollte? Ich bin sonst nicht schüchtern, aber was mein Gefühlsleben angeht doch sehr verschlossen. Der letzte Mann, dem ich vertraut habe, hat mich ausgelacht und sitzen gelassen. Übers Nachdenken schlafe ich ein.


„If hab Hunger“, schnarrt eine erboste Stimme an meinem Ohr.

Das grüne Ungeheuer hockt zwischen mir und Johannes auf dem Kopfkissen und starrt mich vorwurfsvoll an. Dann erdreistet sich das Kerlchen auch noch, mich am Kinn zu kitzeln.

„Gutfi-gutfi-gutfi“, säuselt es dabei.

Genervt schlage ich die Pfote weg und schubse Wolfgang kurzerhand vom Bett. Er landet auf dem Bettvorleger, schimpft: „Krufitürken, tut daf weh“, und reibt sich den Allerwertesten. Ich schwinge meine Füße auf den Boden und beachte das Monster nicht weiter, als ich erst ins Bad und danach in die Küche schlurfe.

Während ich die Kaffeemaschine bediene, trippelt Wolfgang herbei und schmiegt sich an mein Bein, dabei schnurrt er. Seine Schuppen sind gar nicht schleimig, sondern trocken und irgendwie ist das Gefühl gar nicht so übel, wie er mich umschmeichelt.

„Huuuunger“, säuselt er mit weit aufgerissenen Augen, „If hab folfen Huuunger.“

Ich muss lachen, denn das Kerlchen ist richtiggehend niedlich. Mein Herz schmilzt. Ich beuge mich zu ihm runter. „Was magst du denn zum Frühstück? Ein Ei mit Toast?“

„Faure Gurken, bittefön, und …“ Er verschluckt sich vor Aufregung. „Und Fokocreme.“

„Das willst du doch aber nicht zusammen essen?“, frage ich erstaunt.

Wolfgangs Zunge fährt einmal über seine Schnauze. „Dof. Daf ift foooo lecker.“

Uah! Ich hab Mühe die Vorstellung zu verdrängen, wie eklig das schmecken muss und laufe zurück ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Johannes ist inzwischen erwacht und streckt sich. Wie gern würde ich wieder zu ihm kriechen, aber die Arbeit sowie ein kleiner, hungriger Drache ruft.


Als ich abends nach Hause komme, finde ich Wolfgang im Wohnzimmer auf der Couch. Vor ihm liegen alle Fernbedienungen und – klar – ein Glas Gurken steht auf dem Tisch, daneben die Schokocreme.

„Hallo, Afdufeiffe“, begrüßt er mich, spießt ein Gürkchen mit seiner Kralle auf und tunkt es in das Glas mit der Schokocreme.

Mein Magen hebt sich. Nur mühsam kann ich mein Mittagessen davon abhalten hochzusteigen. Angewidert wende ich den Blick ab. „Mein Name ist Marius.“

„Hallo Mariuf“, meint der Drache unbekümmert. „Mir ift langweilig. Fpielen wir waf fufammen?“

Wolfgang und ich veranstalten tatsächlich einen Spieleabend. Gegen Mitternacht hat er mich beim Monopoly komplett abgezockt und will mich gerade zu einer Runde Skat überreden, als sich ein Schlüssel in der Wohnungstür dreht.

Das kann nur Johannes sein. Ich habe ihm – wohl um ihn an mich zu binden – einen Wohnungsschlüssel gegeben, auch als Zeichen meines Vertrauens. Bisher hat er ihn nur dazu genutzt, um zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebt.

„Störe ich?“, fragt er ironisch, als er mich mit dem Drachen auf dem Wohnzimmerteppich inmitten der Spiele vorfindet.

„Ift daf eine ernftfunehmende Frage?“ Wolfgang guckt von mir zu Johannes und wenn er Augenbrauen hätte, dann wären die jetzt hochgezogen.

„Nein“, beschwichtige ich den kleinen Kerl, den ich inzwischen richtig liebgewonnen habe, auch wenn er ein schlechter Verlierer ist.

„If geh dann mal flafen“, verkündet der Drache, springt auf und trippelt in Richtung Bad.

Wie selbstverständlich hat er sich in der Badewanne eingerichtet. Ich bin froh über die zusätzliche Dusche, sonst gäbe es mit meinem Hygienebedürfnis einen Konflikt. Rasch räume ich die Spiele zusammen und gehe ins Schlafzimmer, in das sich Johannes verkrümelt hat.

„Hallo Schatz“, begrüße ich ihn richtig und lege die Arme um ihn.

„Marius“, seufzt er und küsst mich wild. „Ich bin höllisch scharf auf dich.“

Diesmal ist, während ich Johannes verwöhne, die Zimmertür geschlossen. Der Ablauf ist wie immer: Erst lutsch ich ihn, dann fickt er mich. Wenigstens nimmt er mich danach in die Arme, was mich etwas entschädigt. Es wird schon alles gut werden.


„If hab geftern durf daf Flüffellof geguckt“, gesteht mir der Drache am nächsten Morgen beim Frühstück.

Ich bin eh schon gebeutelt durch den Anblick der Schoko-Gurken Mahlzeit, nun haut es mich ganz aus den Socken. „Du hast gespannt?“

„Feldforfung“, erwidert Wolfgang gelassen und beißt mit sichtlichem Genuss in ein Gürkchen.

„Feldforschung? Das Liebesleben schwuler Kerle? Ja, spinnst du völlig, oder was?“, fahre ich ihn an.

„Was ’n hier los?“, fragt Johannes, der in diesem Moment die Küche betritt.

Es ist Samstag, daher müssen wir beide nicht arbeiten. Scheint zu einem Familienfrühstück auszuarten.

„Morgen Johannef“, grüßt der Drache artig.

„Morgen“, brummelt mein Lover und latscht rüber zur Kaffeemaschine.

„Duhu, Johannef?“ Wolfgang guckt unschuldig und verzieht das Maul zu einem Lächeln. „Wiefo ift der Mariuf bei euf die Frau?“

Stille. Einzig Wolfgangs Schmatzen bildet eine Geräuschkulisse.


Johannes ist wie ein Irrer ausgerastet und hat rumgeschrien. Wolfgang hat nur dumm geguckt und ich den Kopf eingezogen. Was den Drachen unser Sexleben angehen würde? Wieso ich mit diesem Ding überhaupt darüber reden würde? Was mir bloß einfiele? Was dem Drachen einfiele und überhaupt – es gäbe gar keine Drachen. Danach ist Johannes wutschnaubend ins Schlafzimmer marschiert, hat sich angezogen und die Wohnung grußlos verlassen.

„Feiffe“, meint Wolfgang und guckt mich mitleidig an.

Mir kullert eine Träne über die Wange und mein Herz liegt in tausend Scherben auf dem Boden. Nun ist das passiert, was ich immer befürchtet habe.

„Keine Forge, der kommt wieder“, meint der Drache, hopst vom Stuhl und legt eine Pfote auf mein Knie.

„Wie konntest du nur?“

„Du haft fo unglücklif aufgefehen“, wehrt sich Wolfgang, umschlingt mein Bein mit seinen Stummelärmchen und legt die Schnauze auf meinen Schenkel.

Automatisch beginne ich, seinen Kopf zu kraulen, woraufhin ein wohliges Schnurren erklingt.


An den folgenden Tagen sehe ich Johannes nicht. Er meldet sich weder noch traue ich mich, bei ihm anzurufen. Wolfgang gibt sich Mühe mit mir und versucht sogar zu kochen, was ich ihm aber nach dem Desaster in der Küche untersage. Es dauert eine Stunde, die angebrannten Eier nebst Schale aus dem Topf zu kratzen, von dem Gestank ganz zu schweigen.

„If dafte, daf maft man fo“, flüstert der Drache geknickt. „Du liebft dof Fpiegeleier.“

Er sieht so zerknirscht aus, dass ich ihm über das Köpfchen streiche und leise seufze. Was soll ich nur mit ihm machen? Er wächst ständig und geht mir schon bis zum Brustbein. Glück hat er mir bis jetzt jedenfalls nicht gebracht. Ich seufze abermals und klopfe Wolfgang aufmunternd auf die Schulter.

„Ich bestelle uns Pizza.“

Sofort ziehen sich seine Mundwinkel hoch und er hopst jubelnd durch die Wohnung. Seltsam, ich hab mich tatsächlich an ihn gewöhnt, doch er kann nicht ewig hierbleiben.

Die Pizza wird wenig später geliefert. Wolfgang macht sich über seine her wie ein grunzender Eber. Er schnauft und schaufelt mit den Pfoten riesige Stücke in sein Maul, bis er bemerkt, dass ich ihn starr anglotze.

Er guckt irritiert. „Waf ift?“

„Schon mal was von Tischmanieren gehört?“, frage ich spitz zurück.

Der kleine Kerl senkt den Kopf und schiebt die Stücke im Karton umher. Ein Sinnbild der Zerknirschung, das jedoch nicht lange anhält. Im nächsten Moment stopft sich Wolfgang wieder die Viertel ins Maul.

Kaum haben wir aufgegessen, höre ich das Klirren eines Schlüsselbunds an der Wohnungstür. Sofort sitze ich stocksteif da und glotze zum Türrahmen, in dem kurz darauf Johannes erscheint. Er mustert erst mich, dann den Drachen und verkündet: „Wollte nur meine Sachen abholen.“

Ich wechsle einen erschrockenen Blick mit Wolfgang. Dieser zwinkert, strafft die Schultern, gleitet vom Stuhl und trippelt Johannes hinterher. Die Tür zum Schlafzimmer fällt zu und ich kann erregte Stimmen hören, aber nicht, was gesagt wird. Ich verknote aufgeregt die Finger und spüre, wie Schweißperlen von meinem Nacken über das Rückgrat rollen. Die Angst davor, dass Johannes wirklich für immer geht, hat mich im Griff.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wird die Schlafzimmertür aufgestoßen und der Drache kommt angewetzt, bremst vor dem Kühlschrank ab, reißt dessen Tür auf und beginnt, hektisch das Zeug von den Regalen zu schubsen. Margarineschachtel, Wurstdose, alles kullert auf den Fußboden.

„Hilf mir, fnell“, fordert Wolfgang.

Da ich eh nichts anderes vorhatte, helfe ich ihm und rette die Biervorräte vor seinen zitternden Klauen. Nun ist der Kasten leer und der Drache wuchtet sich hinein, verrenkt sich wie der Schlangenmensch in ‚Oceans eleven‘, bis er ganz hineinpasst.

„Maf die Tür fu, fnell“, befiehlt er so barsch, dass ich reagiere und den Kühlschrank schließe.

„Warte! Gib mir nof

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sissi Kaiserlos /Kaipurgay
Bildmaterialien: shutterstock depositphotos
Lektorat: Sophie R. Nikolay
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2013
ISBN: 978-3-7309-5084-5

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