Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.
Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
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Text: Sissi Kaiserlos
Foto von shutterstock
Covergestaltung: Lars Rogmann
Ich arbeite diesen Sommer auf Amrum, als Bedienung in der ‚Blauen Maus‘. Max, mein guter Freund, kommt mich besuchen. Zeitgleich erscheint der Mann wieder, der mir vor einer Woche das Herz geraubt und mich dann eiskalt hat abblitzen lassen. Dem werde ich zeigen, was eine Abfuhr bedeutet, und Max hilft mir dabei…
„Hey, Pierre, schlaf nicht ein“, ruft mir Jan zu, mein Chef.
Ich habe tatsächlich gerade geträumt und gucke benommen auf meine Finger, die immer noch das Glas halten, das ich vor zehn Minuten begonnen habe zu polieren. Eilig beende ich die Arbeit und nehme eine neue Biertulpe auf.
Holger. Dieses Schwein hat mich angebaggert, heiß gemacht und dann eiskalt abblitzen lassen. Sicher, ich wusste, dass er hier mit seinem Freund Urlaub machte, doch er hatte mir versichert, dass die Beziehung eh hinüber sei. Wie hinüber sie wirklich war, habe ich dann gesehen, als er mit fliegenden Fahnen zurück zu seinem Lover ist, nachdem ihn seine Freunde mit mir auf dem Klo aufgespürt haben.
Wir haben nur geküsst und ein wenig gefummelt, mehr nicht. Wenn Holger es darauf angelegt hätte, wäre mehr daraus geworden. Doch ich will den Kerl jetzt nicht schönreden oder -denken, dafür tut es einfach zu weh.
Ich nehme das nächste Glas hoch und schaue hinüber zu Jan, der gerade den Whisky- Bestand überprüft. Das ist sein Steckenpferd. Während meine Hände automatisch weiterarbeiten, wandern die Gedanken wieder zu Holger. Er hat mir gleich gefallen, als er hier neulich reinkam.
Ach ja, ich bin Pierre Straßenbaum und arbeite über dem Sommer in der ‚Blauen Maus‘ auf Amrum. In Hamburg war ich zuletzt arbeitslos, nachdem der Schlachterladen, in dem ich angestellt war, zugemacht hatte. Die Idee mit der Stelle hier kam mir, als ich mit meinem guten Freund Max für ein Wochenende auf der Insel war. Ich habe einfach den Wirt gefragt und der hat mich sofort eingestellt. Was danach kommt? Ich weiß es noch nicht.
„Pierre, füllst du bitte die Biervorräte auf, wenn du … irgendwann mal … mit den Gläsern fertig bist“, fragt Jan, als er dicht an mir vorbeikommt.
Ich nicke stumm. Wir verstehen uns gut, der Chef und ich, und auch der Rest der Crew ist absolut nett. Susanne arbeitet mit mir hinter dem Tresen und Mine macht die Küche. Wir harmonieren und es macht wirklich Spaß. Doch für immer möchte ich nicht hierbleiben. Mir fehlt … der Kontakt zu anderen Männern, die wie ich sind.
Ich reihe die funkelnden Gläser auf und laufe als Nächstes in den Keller, aus dem ich nach und nach ein paar Kisten Getränke nach oben befördere. Obwohl ich schlank bin, habe ich genug Kraft in den Armen, um diese schwere Tätigkeit zu verrichten. Inzwischen habe ich richtig Muskeln aufgebaut, nachdem ich schon zwei Monate hier bin.
Als ich alle Kühlschränke gefüllt habe, mache ich vorläufig Schluss. Gegen sechs Uhr heute Abend wird die ‚Blaue Maus‘ öffnen, bis dahin sind es noch zwei Stunden, die ich in dem winzigen Appartement über der Kneipe verbringen werde.
Auf dem Bett liegend denke ich schon wieder an Holger, wie auch schon die ganzen letzten Tage. Er ist groß und muskulös, hat blaue Augen und kurze, struppige, braune Haare. Manche würden sagen, er wäre gewöhnlich, aber ich finde ihn wunderschön. Wahrscheinlich, weil es gleich bei mir gefunkt hat. Er kam in die Kneipe und – zack – war ich hin und weg. Zuerst dachte ich, ihm würde es genauso gehen. Es sprach alles dafür, bis zuletzt.
Ich drehe mich seufzend auf die Seite und gucke mich im Zimmer um. Für die paar Monate, die ich hier verbringen werde, habe ich nur das Nötigste mitgenommen. Ein wenig fehlt mir schon das Miteinander in der Wohngemeinschaft. Hier habe ich so gut wie keinen Kontakt, außer zu den Gästen. Ich habe nun noch zwei Monate vor mir. Die Zeit ist schnell vergangen, doch irgendwie packt mich gerade schon etwas Heimweh.
Zum Glück wird heute mein bester Freund Max anreisen. Dann wird es zwar etwas eng in der Wohnung, aber wir verstehen uns so gut, dass es schon gehen wird. Ich freue mich auf die Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten. Max ist eine sorglose Frohnatur und wird mir, der ich oft zu grüblerisch bin, hoffentlich ein wenig Leichtigkeit geben, so wie sonst auch immer.
Pünktlich um sechs trete ich zum Dienst an. Susanne hängt Kaugummi kauend in der Küche und klönt mit Mine, während ich den Tresen vorbereite und die Zapfanlage überprüfe. Ein tiefer Frieden hängt über diesem Ort und hält an, bis sich das Lokal gefüllt hat. Dann beginnt der hektische Teil des Abends und ich befinde mich im Dauerstress. Gegen zehn Uhr wird Max eintreffen und ich hoffe, dass sich bis dahin die Gästeschar etwas reduziert hat.
Leider ist das nicht der Fall, sodass ich, als Max vor mir steht, ihm nur den Schlüssel für meine Wohnung zustecken und ein ‚bis später‘ sagen kann. Er verschwindet sogleich, bringt sein Gepäck weg und taucht kurz darauf wieder auf, um sich einen Platz am Tresen zu suchen. Ich reiche ihm wortlos ein Bier und kümmere mich weiter um die anderen Gäste, als sich plötzlich Holger vor mir befindet. Er strahlt mich an, als sei ich sein liebster Schatz.
„Hallo Pierre“, sagt er mit dieser sexy tiefen Stimme, die in mir ein Gefühl auslöst, als wäre ich von Ameisen befallen.
Auch sein Anblick versetzt mich in Hochstimmung, die ich angesichts unseres Abschieds vor über einer Woche jedoch sofort dämpfe.
„Holger“, erwidere ich daher kurz angebunden. „Was willst du trinken?“
„Gib mir ein Duckstein.“ Er lächelt, was sich sofort auf mich auswirkt.
Verdammt! Der Kerl kann mich um den kleinen Finger wickeln, das will ich jedoch nicht. Nicht mehr! Ich wende ihm den Rücken zu und gebe die Bestellung an Susanne, die näher an der Zapfanlage steht, weiter.
Ohne Holger weiter zu beachten, bediene ich die anderen Gäste, wobei mir seine Nähe die ganze Zeit bewusst ist. Endlich schiebt Susanne das gefüllte Glas rüber und ich reiche es Holger, der mir einen Geldschein entgegenhält. Sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, schnappe ich mir den Schein und lege das Wechselgeld vor ihm auf den Tresen.
„Können wir nachher reden?“, fragt Holger, wofür er sich weit zu mir beugen muss, denn der Lärmpegel eskaliert gerade.
„Nein.“ Ich weiche unmerklich zurück, um die Distanz zu wahren.
„Bitte!“, fleht Holger mit dem Augenaufschlag eines Welpen.
„Vergiss es“, erkläre ich kategorisch. „Ich bin nicht interessiert.“
Holger zieht sich nach dem Gespräch zurück und beobachtet mich die ganze Zeit von einem Platz an der gegenüberliegenden Wand aus. Er macht mich nervös, weshalb mir immer mal wieder etwas aus der Hand gleitet. Wie er da lehnt, die Augen halb geschlossen, ganz lässig. Die braunen Haare sind zerwuschelt, wahrscheinlich vom Wind, oder von seinen Fingern, die gelegentlich hindurchfahren. Ich habe meine liebe Mühe, nicht ständig hinzusehen und versuche ein Gespräch mit Max zu führen. Der hat inzwischen auf einen Hocker gewechselt, welcher sich näher an meinem Arbeitsbereich befindet.
„Wo guckst du immer hin?“, fragt er schließlich.
„Scheiße, Holger ist hier“, sage ich leise.
„Der Holger? Der Vollidiot, der dich so eiskalt abserviert hat?“ Max wird ganz aufgeregt und sieht sich um.
„Schau nicht hi-hin“, wispere ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Als wäre das eine direkte Aufforderung, dreht mein Freund sich nun ganz herum und glotzt jeden verfügbaren Kerl an, bis sein Blick auf Holger fällt, der die ganze Zeit zu uns herüberstarrt.
„Wow“, macht Max und ich würde am liebsten über den Tresen springen und ihn schütteln.
Er starrt Holger, der nun seinerseits Max mustert, an. Langsam verzieht Holger die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
„Hör-auf-ihn-anzuglotzen“, zische ich.
„‘Tschuldige“, sagt Max ohne die Spur eines Bedauerns und dreht sich endlich wieder um,. „Was für ein Sahneschnittchen.“
Obwohl er mein Freund ist, fühle ich einen Stich in der Brustgegend. Eifersucht nagt an mir, denn auch wenn ich Holger eine klare Abfuhr erteilt habe, gehört er irgendwie mir. Zumindest seine Aufmerksamkeit, die ich – so ungern ich es zugeben mag – insgeheim schon genieße. Dennoch, ich will ihn nicht, nicht mehr. Wenn ich mein Herz verschenke ich, dann ganz. Er hat das Recht darauf verwirkt, indem er es einmal berührt und dann im freien Fall hat sausen lassen.
„Der ist doch nicht übel, und er ist scharf auf dich“, meint Max ungerührt, wobei er mich grinsend anschaut. „Mach dir doch eine gute Zeit mit ihm und dann – hopp.“ Er vollführt mit der Hand eine wegwerfende Bewegung über die Schulter.
„Du weißt genau, dass ich nicht so bin.“ Ich werfe erst ihm, dann Holger einen bösen Blick zu.
„Oh Mann, Pierre. Du wirst noch als Jungfrau sterben“, spöttelt Max und im Augenblick finde ich seine sorglose Art schlichtweg zum Kotzen.
„Bitte, Max, hör auf mit dem Scheiß“, sage ich müde.
Zwei Stunden später ist Holger verschwunden und ich kann endlich Feierabend machen. Die letzten hartnäckigen Gäste wird Susanne abfertigen. Gähnend folge ich Max aus der Kneipe, um das Haus herum zu dem Eingang, der zu den Personalwohnungen führt. Mein Freund hat reichlich getankt und kichert die ganze Zeit, unterlässt es aber zum Glück, weitere Witze über Holger und mich zu reißen.
Max schafft es gerade noch sich zu entkleiden, dann fällt er auch schon auf mein Bett. Ich dränge ihn nach einer Katzenwäsche beiseite und decke ihn zu, bevor ich noch lange wachliege und todmüde an die Decke starre. Holger ist immer noch präsent, selbst wenn er nicht da ist. Es ist zum Heulen.
Ich wache mit verklebten Augen auf und in den Armen von Max, der sich laut schnarchend an mich geschmiegt hat. Jemand klopft an die Tür, was wohl auch der Grund ist, weshalb ich überhaupt aus tiefem Schlaf an die Oberfläche gekommen bin. Nachdem ich mich von Max befreit habe, krabble ich aus dem Bett und trotte zur Tür, um diese einen Spalt zu öffnen und blinzelnd den Störenfried zu mustern.
Es ist Holger, der mit einem unsicheren Lächeln im Treppenhaus steht. Ich schmeiße die Tür gleich wieder zu und will schon zurück zum Bett, als es erneut energisch klopft. Gut, dem muss ich wohl deutlicher die Meinung geigen. Seufzend begebe ich mich zurück zu Tür, öffne und fahre ihn heiser an: „Verdammt, ich bin nicht interessiert.“
„Ach“, meint Holger, wirft sich gegen das Türblatt und steht gleich darauf im Zimmer.
Sein Blick fällt auf das Bett und – ich könnte nicht sagen, ob sich Schmerz oder Wut auf seinem Gesicht spiegelt – er ballt jedenfalls die Hände zu Fäusten.
„Dein Lover?“, fragt er leise.
„Das ist …“, beginne ich zu erklären, strecke dann jedoch angriffslustig das Kinn vor. „Ja, das ist Max, mein Freund.“
Ich hasse Lügen, daher bleibe ich bei einer Halbwahrheit. Das ist kindisch, aber ich will nur, dass Holger wieder verschwindet. Aus meiner Wohnung, aus meinem Leben und – bitte! – auch aus meinem Herzen.
„Okay, dann … weiß ich Bescheid“, sagt er sehr leise, dreht sich um und verlässt mit hängenden Schultern das Appartement.
Die Tür lässt er offen stehen und ich höre seine schweren Schritte auf der Treppe. Mein Herz rast und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ich drücke die Tür ins Schloss und bleibe lange mit dem Rücken dagegen gelehnt stehen. Nun habe ich ihn endgültig verscheucht. Hoffentlich, sagt mein Verstand, doch mein Herz bockt, tippt sich an die Stirn und streckt mir die Zunge heraus.
Pierre hat einen Liebhaber. Das hämmert mir den ganzen Weg zurück zur Pension im Schädel und frisst sich durch meine Eingeweide, bis ich glaube, reif fürs Schlachthaus zu sein. Ach ja, ich bin von Beruf Schlachter, sollte ich mich jetzt vielleicht selbst filetieren? Wieso bin ich hergekommen? Ich habe mit Jeremy, meinem letzten Freund, Schluss gemacht, weil ich gemerkt habe, dass sein Herz nicht mir gehört. Schon lange hatte ich den Verdacht, dass er in diesen Zeki verliebt ist. Ob sich die beiden inzwischen nähergekommen sind?
Nun, nicht mein Problem. Meines liegt jetzt in Pierres Bett. Ich bin hergekommen, weil ich diese unsagbar intensive Anziehung gefühlt habe, die mich zu dem Kerl treibt. Er ist für mich wie ein schwarzes Loch für ein Raumschiff. Deshalb habe ich, obwohl ich sonst absolut loyal bin, mit ihm geflirtet, sogar geküsst, und ich kann das einfach nicht vergessen.
Anscheinend war das einseitig, sonst würde Pierre mich nicht … hätte jetzt nicht diesen Kerl in seinem Bett. Soll der Ausflug wirklich umsonst gewesen sein?
Ich erreiche Elviras Pension und trotte direkt in die Küche. Sie steht am Herd und kocht irgendetwas. Es riecht jedenfalls gut, was ich wahrnehme, ohne dabei Hunger zu bekommen.
„Na, Junge, warst du erfolgreich?“, fragt sie, wobei sie einen Blick über die Schulter wirft. „Sieht nicht so aus“, fügt sie leise hinzu.
Keine Ahnung, wieso diese Frau weiß, wo ich gewesen bin und was ich getan habe. Sie hat einen sechsten Sinn, was mich ein wenig ängstigt, aber zurzeit habe ich andere Probleme.
„Eifersucht ist ein schlimmer Feind“, erklärt Elvira.
„Mhm“, mache ich und stehe dumm herum.
„Möchtest du einen Kaffee?“, fragt sie nach einer Weile.
„Ja, gern“, bitte ich und setze mich an den Küchentisch.
Ich reise nicht sofort ab, sondern beschließe, dass ich mir die Sache mit Pierre und seinem Lover genauer angucken muss. So wie ich ihn einschätze und sich die Küsse angefühlt haben, kann das Ganze nur ein Witz sein. Allerdings kann ich mich auch total in ihm getäuscht haben, außerdem haben wir ja nur ganz oberflächlich miteinander Bekanntschaft gemacht. Doch er hat mir erzählt, dass er absolut treu ist und nur eine feste Bindung will.
Gegen Mittag packe ich meine Tasche für einen längeren Strandaufenthalt und radle auf Anraten von Elvira nach Wittdün, wo der Strand schmal und gut bevölkert ist. Sie meint, dort hätte ich am meisten Abwechslung. Ich leihe mir von ihrem Mann ein Fahrrad und bin schon zehn Minuten später an der Promenade.
Ein Kiosk, Duschen und Toiletten machen diesen Strandabschnitt zu einem wahren Eldorado für Blasenkranke und Vielduscher. Ich zähle mich zwar weder zu den einen, noch zu den anderen, aber ich sehe schon von weitem Pierres blonden Lockenkopf, weshalb ich hier genau richtig bin.
In sicherer Entfernung und hinter einer Familie mit drei Kindern, die ausreichend Sichtschutz bietet, breite ich mein Strandlaken aus und lege mich bäuchlings hin. Die Sonnenbrille verdeckt, dass ich ausdauernd zu Pierre und seinem Freund hinüberstarre und ein Buch macht meine Tarnung perfekt.
Erst liegen die beiden nur herum, dann springt der Braunhaarige auf und reißt so lange an Pierres Arm, bis dieser aufsteht und sich mit ihm in Richtung des Meeres begibt. Ich kann aus der Ferne Pierres geilen Knackarsch in der knappen Badehose gut erkennen und bin froh, dass ich auf dem Bauch liege.
In der Toilette, kurz bevor Connor und Jan mich aufgestöbert haben, hatte ich genau diesen Hintern in meinen Händen. Es hat sich so gut angefühlt. Eine Weile gucke ich in mein Buch, bis meine Erektion abgeklungen ist. Erst dann wage ich wieder hinüberzuschauen. Die beiden sind zurück. Der Braunhaarige lacht und rubbelt sich trocken, während Pierre tropfend herumsteht.
Nein, wie ein Liebespaar sehen sie nicht aus. Kein Kuss, kein Versuch den anderen zu berühren. Wenn ich mit Pierre zusammen wäre, würde ich die Hände nicht von ihm lassen können, keine Sekunde lang. Begehrlich mustere ich seinen schlanken Körper, die geilen Grübchen über dem schmalen Hintern. Der Kerl ist so schön, dass es mir das Wasser in die Augen treibt. Das mag oberflächlich klingen, aber sein Anblick macht mich eben scharf.
Nun wirft Braunhaar das Handtuch zu Pierre, der es geschickt auffängt und sich damit abtrocknet. Ein eifersüchtiger Stich piekt mir in die Brust. Ich will mein Handtuch mit ihm teilen und am liebsten alles andere auch. Wie soll ich nur je wieder an ihn rankommen?
Ich beobachte in den nächsten Stunden, wie das Paar herumliegt, aufsteht, um sich ein Eis zu besorgen, redet und lacht. Nein, das sieht eher nach einer ganz normalen Freundschaft aus. Selbst als Braunhaar Sonnencreme auf Pierres Rücken verteilt sind seine Bewegungen nicht liebevoll. Gut, vielleicht will ich das so sehen, nur weil ich es mir wünsche, aber ich glaube langsam, dass Pierre mich belogen hat.
Am späten Nachmittag verschwinden die beiden und auch ich mache mich auf den Weg zurück. Tante Elvira ist wie üblich in der Küche und rührt geschäftig in Töpfen herum.
„Lars und Hannes sind eingetroffen“, verkündet sie, wobei sie sich umdreht und mir zulächelt.
„Lars und …?“, murmele ich, in Gedanken ganz woanders.
„Ach stimmt …“ Elvira nickt verständig. „Du kennst die beiden ja noch gar nicht. Langsam werde ich alt, wie konnte ich das nur vergessen.“ Sie wendet sich zum Herd. „Habe doch sonst alles im Kopf“, schimpft sie leise vor sich hin.
Mann-o-Mann, diese Frau muss einen ganzen Stammbaum der Beziehungen ihrer Gäste pflegen. Ich mag die kleine graulockige Hexe, trete hinter sie und schlinge meine Arme um ihre gedrungene Gestalt, um sie einmal kurz zu drücken. Elvira kichert und hält mir ihre Wange hin.
Sie bekommt einen Schmatzer, dann lass ich sie los und gucke über ihre Schulter in den Topf. „Ich hab Hunger. Wann gibt es Essen?“
„In einer halben Stunde in der guten Stube.“ Elvira seufzt leise.
„Gut, ich mach mich dann mal hübsch“, sage ich aufgeräumt und laufe nach oben in mein Zimmer.
Hannes und Lars, das erinnere ich jetzt, sind der Fotograf und der Journalist, von denen Jeremy schon erzählt hat. Sie sollen hier schon oft nackte Kerle abgelichtet haben. Ob es diesmal wieder um eine Fotostrecke geht? Ich würde mich keinesfalls für so etwas ausziehen, obwohl mein Körper schon vorzeigbar ist. Dank des Sports – habe ich schon erwähnt, dass ich Fußball spiele? Ich bin jedenfalls gut trainiert!
In der guten Stube treffe ich um sechs auf die beiden neuen Gäste.
„Ich bin Lars“, sagt der Blonde und zeigt auf den Braunhaarigen, der mich neugierig anschaut. „Das ist Hannes. Du bist also Holger?“
Ich nicke und schüttle beiden kurz die Hand. Hannes ist mir gleich sympathisch, mit seiner stillen freundlichen Art. Lars scheint ein echtes Plappermaul zu sein, denn er erzählt während der ganzen Mahlzeit von seinem Job. So manche Anekdote bringt mich zum Lachen und auch Elvira schmunzelt, wenn sie denn mal gerade im Raum ist. Anscheinend sind die beiden hier der Motor und das Urgestein, so vertraut wie die Wirtin sie behandelt.
„Heute ist ‚Blaue Maus‘ angesagt“, verkündet Lars, nachdem wir den Tisch gemeinsam abgeräumt und das Geschirr in die Küche gebracht haben. „Kommst du mit?“
Ich hatte ohnehin vor, erneut das Gespräch mit Pierre zu suchen.
„Klaaar“, antworte ich gedehnt. „Wann geht es los?“
Lars schaut auf seine Armbanduhr. „In zwei Stunden, okay?“
Ich entdecke Pierre sofort und mein Körper geht in Höchstleistungsmodus. Mein Gott! Ich bin ja so verliebt! Er steht hinter dem Tresen und lächelt einem Gast zu, was meinen Mageninhalt in einen harten, eisigen Klumpen verwandelt. Brennende Eifersucht auf jeden Kerl, dem er sein tolle Lächeln schenkt, kocht in mir. Lars schubst mich leicht an, weil ich abrupt stehengeblieben bin.
„Geh mal weiter“, murrt er.
Jeder Schritt fühlt sich an, als würde ich durch zähen Schleim waten. Mein Atem hallt in meinen Ohren, sodass ich alle anderen Geräusche nur noch verschwommen wahrnehme.
„Drei Bier, bitte!“, bestellt Lars und ich fixiere Pierre, der den Blick sofort senkt und sich geschäftig bückt, um an den Kühlschrank zu gelangen.
Auch als er das Geld entgegennimmt schaut er nicht auf. Sein Kumpel hockt wieder am Tresen und mustert mich ungeniert von oben bis unten. In seinem Blick glimmt Interesse auf, wie schon gestern. Mir würde der Kerl auch gefallen, wenn ich nicht so heillos in Pierre verschossen wäre. Während ich die Musterung provozierend erwidere, blitzt eine Idee durch meinen Schädel.
„Da hinten sind ein paar Plätze frei“, sagt Hannes und tippt mir auf die Schulter, sodass ich den Blick abwende und ihm zu der Ecke folge, in der sich Lars schon breitgemacht hat.
„Bondage ….“, meint Lars. „Ich dachte immer, das dient nur dem Lustgewinn, dabei ist es eine Kunstform.“
„Kunst“, murmelt Hannes grinsend. „Selbst unsere Fotos sind Kunst, wenn man es genau betrachtet.“
„Die von dir und mir schon“, raunt der Blonde und guckt seinen Freund so verliebt an, dass mir ganz schwindlig wird.
„Kann ich mich zu euch setzen?“, erklingt in diesem Moment eine helle Stimme.
Ich schaue hoch und entdecke den angeblichen Pierre-Freund, der frech grinsend in unsere Runde guckt. Lars zuckt die Achseln, Hannes und ich nicken.
„Ich bin Max“, behauptet der Kerl und setzt sich auf den Stuhl neben mir.
„Lars, Hannes, Holger“, stellt Lars uns vor.
Wir unterhalten uns eine Weile über die Insel, bis Lars erneut das Thema auf Fesselungen bringt.
„Ich würde das gern mal fotografieren … lassen“, sagt er mit einem Seitenblick zu Hannes.
„Allein der Gedanke macht mich hart“, gibt Max grinsend zu.
„Klingt aufregend“, murmele ich, wobei ich den Blick auf mein Glas senke.
Tatsächlich ist der Gedanke, einem Partner ausgeliefert zu sein, total kribbelnd. Nach dem dritten Bier werde ich lockerer und lege einen Arm auf die Stuhllehne hinter Max, nach dem vierten streiche ich sacht über seinen Rücken. Nur ganz zart, er dürfte es kaum merken, dafür aber müsste Pierre es sehen können. Leider verstellt mir ein Pfeiler den Blick auf seinen Arbeitsbereich.
„Ich bin total scharf von dem Gerede. Wollen wir … gehen?“, raunt Max an meinem Ohr.
Obwohl er nicht der Richtige ist, prickelt die Haut und meine Erektion sperrt hart und schwer in der Hose. Ich nicke und trinke rasch das Bier aus, während Max schon aufspringt. Er nickt Lars und Hannes zu, dann packt er meine Hand und zerrt mich hinter sich her. Wir passieren den Tresen, hinter dem Pierre bedient. Sein Blick fällt auf uns, schnellt zu unseren Händen und für einen Moment blitzen seine Augen empört auf. Doch ich will keine Empörung, ich will Eifersucht.
Max zieht mich zum Ausgang, führt mich um das Haus herum zu der Tür, hinter der eine Treppe nach oben führt. Dort war ich heute Morgen schon einmal und es kommt mir vor, als sei das ewig her. Max geht vor mir, sodass ich seinen kleinen Hintern direkt vor Augen habe. Meine Lust steigt, ich bin auch nur ein Mann. Pierre will mich nicht und das Bier hat mein Gehirn so sehr betäubt, dass es mir gar nicht falsch vorkommt, hinter Max in die Wohnung zu treten.
„Ich bin so scharf“, stöhnt er und hängt sich an meinen Hals.
Seine Lippen sind weich und er schmeckt nach Bier. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, es wäre Pierre, der mich küsst, auch wenn der ganz anders schmeckt. Ich kenne seinen Duft und seine Lippen, dennoch hilft meine Phantasie. Mein Schwanz pocht und der von Max ist auch hart, das spüre ich an meiner Hüfte.
„Ich hab ein Seil“, verkündet Max und klingt dabei, als hätte er mir einen besonders guten Film empfohlen.
„Schön“, murmele ich und gucke zu, wie er sich an einer Tasche zu schaffen macht.
Ein recht stabil wirkendes Tau kommt zum Vorschein, ordentlich aufgerollt und bestimmt mehrere Meter lang. Okay, das gehört wirklich in jedes Reisegepäck. Meines habe ich allerdings zu Hause gelassen.
„Hast du Lust …?“, fragt Max heiser.
Mann-o-mann, was für eine Frage! Meine Hose platzt gleich und als er das Seil fallen lässt und beginnt, aus seinen Klamotten zu steigen, tue ich es ihm gleich. Max bückt sich nach dem Tau und grinst mich lüstern an. Sein Blick fährt an mir rauf und runter, mit offensichtlichem Wohlgefallen.
„Wow! Du bist noch schärfer, als ich dachte“, flüstert er und kommt auf mich zu.
Die Handfläche auf meine Brust gelegt, dirigiert er mich rückwärts. Ich spüre die Matratze in den Kniekehlen, dann falle ich auch schon auf den Rücken. Max verzieht erregt den Mund und bedeutet mir, mich auf den Bauch zu drehen.
Was – zum Teufel! - tue ich hier mit einem völlig Fremden? Ich verstehe mich gerade gar nicht, doch die Lust überwiegt und ich gehorche einfach. Als Erstes zieht er mir die Arme nach hinten und wickelt das Seil um meine Handgelenke. Er verschnürt meine Arme, bis ich mich nicht mehr bewegen kann, dann dreht er mich herum und zieht mich hoch, bringt mich in eine sitzende Position. Mein Schwanz zuckt und Geilheit tost durch meine Adern. Er darf in diesem Moment alles mit mir machen, insofern ich endlich Erleichterung finde.
Max umwickelt mich weiter mit dem Seil, zieht es zuletzt auch noch zwischen meinen Schenkeln hindurch, sodass mein Schwanz erregend eingeschnürt wird. Endlich ist er fertig und betrachtet mich mit funkelnden Augen. Langsam geht er vor mir in die Knie und beugt sich vor, um meinen Harten mit der Zunge zu bearbeiten. Er leckt über die Spitze und dann die ganz Länge herunter. Ich falle auf den Rücken und versuche mein Becken zu heben, will mehr und fiebere der Erlösung entgegen …
„Ja, sagt mal, habt ihr sie noch alle?“, ertönt es entsetzt von der Tür her.
Pierre kommt mit wütend blitzenden Augen herangestürmt und baut sich neben seinem Freund auf. Ein verächtlicher Blick streift mich, bleibt kurz an meiner Erektion hängen und richtet sich dann auf Max.
„Wie kannst du nur …? Und dass auch noch auf meinem Bett“, zischt er. „Spielt ihr hier Indianer, oder was soll der Scheiß mit dem Seil?“
„Wir waren geil“, mault Max und steht auf. „Lars hat ständig von Bondage gefaselt.“
„Und? Ist das ein Grund für dich, in meiner Wohnung einen fremden Mann zu fesseln und zu vernaschen?“, fährt Pierre seinen Freund an.
Ich gucke von ihm zu Max. Das hier ist keine Eifersucht zwischen Partnern, sondern anders. Pierre ist sauer, doch eher darüber, dass sein Appartement entweiht wurde, denn über den Fehltritt von Max.
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock by Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2013
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