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Geburtstagsgeschenk mal anders

 

Mein dreiunddreißigster Geburtstag und ich habe keine Lust zu gar nichts. Seit ich Thomas abgeschossen habe, ist alles doof. Ich bekomme jedoch ein tolles Geschenk: eine Putzfrau wird morgen hier aufräumen. Endlich mal die Sau rauslassen, was für ein Genuss. Dann erwache ich mit einem Schädel und der…cleaningwoman der besonderen Art

 

Meine Geburtstagsfeier ist schön, aber die Lücke doch fühlbar. Trotzdem sich meine Freunde alle Mühe geben mich abzulenken, fehlt Thomas mir immer noch. Kein Wunder, es ist ja auch erst zwei Wochen her, dass ich ihn rausgeschmissen habe.

Eher gesagt hab ich ihm nur den Schlüssel abgenommen und die paar Sachen, die er in unserer fünfmonatigen Beziehung bei mir eingelagert hat, in eine Plastiktüte gestopft und ihm in die Hand gedrückt.

Thomas war gar nicht einverstanden mit der Trennung und wollte reden. Auf eine Diskussion habe ich mich aber nicht mehr eingelassen, es hat einfach keinen Sinn. Mein Exfreund ist ein Sturkopf und ich…auch. Leider ist das unsere einzige Gemeinsamkeit, ansonsten sind wir grundverschieden. Ich bin ordentlich und Thomas ist ein Chaot, wie er im Buche steht. Das war dann auch der Trennungsgrund, jedenfalls für mich. Ich brauche ein gewisses Maß an Ordnung, damit ich mich wohlfühlen kann. Mit Thomas kann ich das vergessen, weshalb ein Zusammenleben – und das wäre der nächste, logische Schritt gewesen – unmöglich ist.

 

„Lieber Tizian“, meldet sich mein bester Freund Enrico zu Wort, als der Zeiger der Uhr immer näher auf die Zwölf rückt, und damit das Ende meines Geburtstages bald erreicht ist. Er ist aufgestanden und guckt gewichtig in die Runde. „Wir haben in diesem Jahr ein ganz besonderes Geschenk für dich: eine Putzfrau, die nach dieser Party deine Wohnung gründlich reinigen wird.“

DAS nenne ich mal ein wirklich gut durchdachtes Geschenk. Erfreut bedanke ich mich bei meinen Freunden und kann den Rest der Feier so richtig genießen. Der Gedanke an den nächsten Tag ist weit weniger unangenehm, jetzt, nachdem ich weiß, dass mir das Aufräumen und Putzen erspart bleiben wird…

 

Mein Kopf brummt und irgendwo in meiner Wohnung hantiert jemand mit Geschirr. Ich reibe mir stöhnend die Stirn und gucke auf den Wecker. Schon Mittag. Die Feier ging bis in die frühen Morgenstunden, und nun ist anscheinend die Putzfrau schon am Wirken. Wer hat sie hereingelassen? Wie bin ich in mein Bett gekommen, und wer hat mir die Kopfschmerztablette und das Glas Wasser auf den Nachtschrank gestellt?

Ich richte mich auf, stopfe mir ein Kissen in den Rücken und schlucke die Tablette. Mann, was war das für eine geile Party. Wenn nur Thomas noch dabei gewesen wäre…

Schon wieder muss ich an ihn denken und mein Herz schmerzt. Hätte ich ihm vielleicht doch noch eine Chance geben sollen? Zwischen uns hat alles gestimmt, besonders der Sex, nur seine Auffassung von Sauberkeit und Ordnung war steter Anlass für Streit. Jetzt, nach diesen zwei Wochen ohne ihn, kommt es mir kleinlich vor, unsere Liebe für so etwas Profanes weggeworfen zu haben.

Mit diesem trüben Gedanken schiebe ich mich vom Bett und trotte ins Bad. Dort mache ich einen Menschen aus mir, wenn auch einen mit blutunterlaufenen Augen. Der Whisky – ich hätte ihn nicht auf das ganze Bier kippen sollen. Tja, hinterher ist man immer schlauer.

Ich bin dreiunddreißig geworden, ein Meilenstein auf dem Weg zur Rente. Kritisch begutachte ich mich im Spiegel. Die Tränensäcke erscheinen heute dicker als sonst und Falten habe ich auch bekommen. Ich strecke dem hässlichen Kerl die Zunge heraus, werfe meinen Bademantel über und mache mich auf die Suche nach der Putzfrau.

 

In der Küche werde ich fündig. Ich muss mich am Türrahmen festhalten und einen Moment starren, um das, was ich sehe, zu verdauen. Ein nackter Arsch, über dem die Schleife einer Schürze baumelt. Lange, dunkle Haare, im Nacken mit einem Gummi zum Zopf zusammengefasst. Noch bevor sich der Mann umdreht weiß ich, dass es Thomas ist. Diesen Hintern habe ich so oft geknetet und liebkost, dass ich ihn unter tausenden erkennen würde. Mein Herz stolpert ungesund und ich merke, wie der Kopfschmerz mit Macht zurückkehrt, der gerade begann erträglich zu werden.

„Hallo Tizian“, sagt Thomas mit dieser sexy tiefen Stimme, die mich bis in meine Träume verfolgt.

„Was…machst du hier?“, frage ich dämlich.

„Ich bin die Putzfrau, dein Geburtstagsgeschenk“, antwortet er mit einem vorsichtigen Lächeln.

„Aha“, mache ich und betrachte die lächerliche Schürze mit Herzchendruck, die seine Körpermitte vor mir verbirgt. „Ein Nacktputzer, sehr originell.“

Anscheinend fehlt meinem Tonfall die Begeisterung, denn Thomas‘ Mund verzieht sich zu einem Strich, wie immer, wenn er verletzt ist.

„Ich hab zu tun“, brummt er, dreht sich zur Kaffeemaschine und füllt einen Becher, den er dann auf den Tisch knallt. „Hier, für dich.“

Noch nie hat Thomas Kaffee gekocht, geschweige denn überhaupt einen Finger im Haushalt krumm gemacht. Ich pirsche mich in die Küche und schnappe mir den Kaffee, den ich dann gegen den Kühlschrank gelehnt langsam trinke. Das Zeug schmeckt gut. Mein Blick klebt an Thomas Hintern, den er mir immer wieder zuwendet, während er geschäftig herumräumt und Sachen abwäscht.

Sein Anblick erregt mich, doch das will ich nicht. Schließlich trolle ich mich ins Schlafzimmer und beziehe im Bett Stellung. Mir ist eh noch ein wenig schwindlig und ich muss von diesem Kerl weg, der mein Herz zu sehr belastet. Wer will schon an dem Tag nach seinem Geburtstag einen Herzkasper erleiden? Ich will es jedenfalls nicht, allerdings auch an keinem anderen Tag.

 

Das Geklapper in der Küche hält an, und kaum ist es dort endlich ruhig geworden, beginnt es im Wohnzimmer laut zu röhren. Mein alter Klopfsauger ist ein Höllengerät, und der Lärm brennt sich in mein Nervenzentrum. Ich springe aus dem Bett und laufe durch den Flur, erreiche das Wohnzimmer und stocke im Türrahmen.

Thomas Rückenmuskeln arbeiten und ich kann seine Bizepse sehen, die sich bei jeder Bewegung anspannen. Wow, Hausarbeit kann sehr sexy sein, doch ich bin nicht in Stimmung. Trotzdem glotze ich einen Moment seinen Arsch an und schlucke an dem vermehrten Speichelfluss, der sich automatisch eingestellt hat.

Mit einer letzten Reserve meiner Kraft hole ich tief Luft und brülle über den Lärm hinweg: „Mach das verdammte Ding aus. SOFORT.“

Die nachfolgende Stille ist wunderbar, wenn nicht Thomas zitternde Unterlippe gewesen wäre. Er guckt mich so entsetzt und traurig an, dass mir die Knie weich werden.

„Bitte, Thomas, hör auf mit der Farce“, bitte ich leise.

Er senkt den Blick und lehnt den Sauger gegen die Wand. Dann streicht er sich die Haare zurück, die sich aus dem Zopf gelöst haben und ich kann sehen, dass er schnell atmet. Seine Brust hebt und senkt sich hastig, er schaut auf und sucht meinen Blick.

„Das hier ist keine Farce, sondern die Bitte, dass du mich zurücknimmst. Ich will mich ändern, für dich. Ich vermiss dich so“, flüstert Thomas, wobei seine dunklen Augen mich anflehen.

Erst jetzt entdecke ich die rote Schleife, die er um den Hals trägt. Lächerlich, doch gleichzeitig so kitschig, dass mir fast die Tränen kommen. Ich will Thomas so sehr, und seine Bitte ist auch meine. Wir müssen miteinander reden und zusammenfinden, ohne ihn ist alles doof.

„Tizian?“ Er reißt sich die Schürze von der Taille und kommt auf mich zu.

Noch während er geht löst er das Zopfgummi, einige Strähnen fallen ihm über die Brust. Wie ein wilder Indianer wirkt er in diesem Moment auf mich, und mein Herz fliegt ihm zu. Wieder, denn es gehörte ihm bereits. Mein Blick streift kurz seine Körpermitte, wo sich langsam eine Erektion abzeichnet. Schnell huschen meine Augen wieder hoch, denn dieser Augenblick ist zu bedeutsam, um ihn auf Körperlichkeit zu reduzieren.

„Tizian? Was sagst du?“, fragt er wieder und steht jetzt genau vor mir.

„Thommy“, sage ich nur und strecke die Arme nach ihm aus.

Keine intelligente Antwort, aber der Rückfall zu dem Kosenamen scheint ihm zu genügen. Thomas Gesicht erstrahlt, er packt mich und wirft mich über seine Schulter, als wäre ich ein Mehlsack. Dann schreitet er durch den Flur und legt mich im Schlafzimmer auf die Matratze. Mit funkelnden Augen mustert er mich und öffnet meinen Bademantel, den er vorsichtig auseinanderstreicht. Ich kann sehen, wie sehr ihm mein Anblick gefällt. Lust spiegelt sich auf seiner Miene, und ein mutwilliges Lächeln zieht seine Mundwinkel hoch. Sein Schwanz ist inzwischen richtig hart und meiner reckt sich auch nach oben. Thommy beugt sich über mich und ich greife nach der Schleife, die nach einem kurzen Ruck von seinem Hals fällt. Er lacht leise.

„Jetzt“, sagt Thomas heiser, „machen wir Liebe.“ Er wendet sich zum Nachtschrank und holt wie selbstverständlich Kondome und Gleitgel aus der Schublade. „Du, mein Schatz, wirst meinen Namen stöhnen bis du heiser bist.“ Er streift sich ein Gummi über, klettert zu mir und schmiert Gel auf seinen Schwanz. „Und ich werde dich so lange vögeln, bis du bewusstlos bist. Was hältst du davon?“

Thomas krabbelt zwischen meine Schenkel und packt meine Arschbacken. Freiwillig spreize ich die Beine und lächle ihn an.

„Geiler Plan“, flüstere ich mit rauer Stimme, „Aber heiser bin ich jetzt schon.“

„Mhm“, macht Thomas, setzt seine Schwanzspitze an, durchdringt den Muskel und beugt sich über mich, während er mich immer weiter erobert. „Planänderung: Stöhnen reicht.“

Ich schaffe es trotzdem, ganz oft seinen Namen zu winseln, zu ächzen und schließlich zu krächzen. Thomas fickt mir alles raus, den Verstand und jeglichen Ordnungssinn. Ich will nur noch ihn und kralle die Finger in seine Schultern, während uns seine dunklen Haare einhüllen und wir uns küssen.

Schweißnass und schreiend saue ich unsere Bäuche ein und Thomas zuckt in mir, dabei keucht er meinen Namen. Ein irres Glücksgefühl erfüllt meinen Bauch und macht mich ganz leicht. Ich halte mich an dem geilen Nacktputzer fest, der mich mit seinem glühend heißen Körper in die Matratze drückt.

„Oh Mann, ich bin fertig“, krächze ich nach einer Atempause.

„Schon?“ Thomas hebt die Augenbrauen und lächelt liebevoll.

„Nein, gib mir zehn Minuten, dann geht’s weiter“, verspreche ich mit ersterbender Stimme.

„Mein Spinner“, raunt Thomas und küsst mich so zärtlich, dass ich weinen möchte.

Mir kullert wirklich eine Träne über die Wange, die er aufleckt und mich daraufhin abknutscht, bis ich überzeugt bin, dass er mich liebt.

„Ich hab dich so vermisst“, wispere ich mühsam, wobei mir der Hals schmerzt, „Ich liebe dich.“

„Dann lass uns mal lieber zusammenbleiben“, sagt Thomas und rollt sich mit mir herum, „Ich gebe mir mehr Mühe und du wirst lockerer, okay?“

„Okay“, quetsche ich hervor. „Und – liebst du mich?“

„Oh Mann, ja, ich liebe dich“, brummt er, und sein zärtliches Lächeln unterstreicht die Behauptung.

 

An meinem nächsten Geburtstag bekomme ich keine Putzfrau geschenkt, dafür aber einen Ring von meinem Schatz. Wir streiten immer noch, aber eigentlich nur noch zum Spaß, denn wir wissen, was wir aneinander haben. Den Haushalt – unseren gemeinsamen Haushalt – erledigen wir zusammen und manchmal, wenn uns danach ist, zieht Thomas die Schürze für mich an. Geil, dieses Stück Stoff auf nackter Haut…

 

ENDE

Tims Geburtstag

 

Geburtstage sind nicht meins. Ich hasse sie, sowohl meinen als auch die meiner Freunde. Warum? Ein Gefühl. Als ich dann auf der Party meines Freundes Timothy auch noch meinen Ex treffe, ist alles gelaufen. Was dann passiert, ist allerdings nicht voraussehbar...

 

Ich hasse Geburtstage. Meinen eigenen am meisten, und die meiner Freunde kommen gleich an zweiter Stelle. Warum? Weil es genau vor drei Jahren an meinem Ehrentag zum Bruch gekommen ist zwischen mir und Hendrik. Gut, ich hab diese Feier auch schon vorher gehasst, aber in der Zeit mit meinem Partner – und das waren immerhin drei Jahre gewesen – mochte ich diesen Tag wenigstens ein bisschen.

Hendrik hatte mich stets besonders zelebriert. Das begann damit, dass er mir nackt das Frühstück am Bett servierte. Danach gab es eine ausgedehnte Kuschelei mit anschließendem Fick. Auch das konnte er immer besonders gut. Hendrik ist ein Naturtalent und sehr sexy. Er kennt keine Hemmungen und hat einen fantastischen Körper, der nur dazu einlädt, ihn abschlecken zu wollen. Genau das muss dann auch der Auslöser gewesen sein.

 

An meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag hatte er eine Party organisiert, zu der mein bester Freund Timothy – genannt Tim – einen Freund mitbrachte. Es schien gleich zwischen ihm – diesem Bernardo - und Hendrik zu knistern. Ich fand die beiden irgendwann knutschend auf dem Klo und habe ihnen nahtlos auf die Füße gekotzt. Im Nachhinein finde ich meine Reaktion fast lustig. Jedenfalls waren die Gesichter der beiden sehenswert. Übel war mir aber schon vorher gewesen, da ich mich sinnlos betrunken hatte, um die sich anbahnende Sache übersehen zu können.

Danach haben Hendrik und ich kein Wort mehr gewechselt. Er packte schweigend seine Sachen und ich hatte die Wohnung wieder für mich allein. Über die Zeit, in der ich jede Nacht um ihn getrauert habe, will ich nicht reden, sie ist vorbei. Hendrik ist Geschichte.

 

„Ich habe den versprochenen Nudelsalat in die Küche gestellt“, schreie ich Tim ins Ohr.

„Super, Alter.“ Er fällt mir um den Hals und drückt mir einen Kuss auf den Mund.

„Herzlichen Glückwunsch“, brülle ich, nachdem ich seinen Sabber weggewischt habe.

Tim küsst feucht, ich nenne es nass.

„Danke. Du kennst dich ja aus“, schreit er zurück.

Mein Freund ist eine Frohnatur. Er sieht auch so aus, mit seinen blonden Strubbelhaaren und den fröhlich blitzenden blauen Augen. Wir sind beide Erzieher und arbeiten zusammen in einer Kita in Winterhude. Ich liebe ihn – platonisch natürlich - obwohl er damals diesen Bernardo angeschleppt hat.

„Kannst du mal ein paar Getränke vom Balkon holen?“ Irgendjemand hat endlich die Musik leiser gedreht, so dass ich Tim tatsächlich verstehen kann.

Ich drängle mich durch die Leute, die ich größtenteils kenne. Es müssen ungefähr dreißig Menschen in dieser winzigen Zwei-Zimmer-Wohnung sein. Ich erreiche den Balkon und trete hinaus in die eisige Kälte. Es ist Februar, und noch lange kein Frühling in Sicht. Zehn Bierkisten stapeln sich auf dem kleinen Austritt, zwei davon sind schon leer. Bis Mitternacht wird sicher eine kleine Gesandtschaft zur Tankstelle gegangen sein, um Nachschub zu besorgen. Ein Ritual, dass Tim regelmäßig zelebriert ohne daraus zu lernen.

 

Ich schleppe Flaschen und gehe immer wieder in die Küche, um dort für Ordnung zu sorgen. So ist die Arbeitsaufteilung zwischen Tim und mir: er sorgt für die Stimmung, ich für den Nachschub. Gegen Mitternacht macht sich dann die Delegation auf den Weg zur Tankstelle, wie ich vermutet habe, während ich in der Küche schmutzige Teller spüle. Die Stimmung ist inzwischen ruhiger, die Musik auch. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, schnappe mir ein Bier und verkrieche mich auf dem Sofa. Langsame Schlucke aus der Flasche nehmend beobachte ich die Gäste, die sich in den unterschiedlichsten Rauschzuständen befinden. Als eine Lücke entsteht, so dass ich auf die gegenüberliegende Raumseite gucken kann, trifft mein Blick unerwartet auf den von Hendrik.

 

Die Zeit bleibt stehen. Ich starre in seine dunklen Augen und nehme nichts mehr wahr, es rauscht nur noch in meinem Kopf. Drei Jahre, und er sieht noch immer so verteufelt gut aus. Ich schlucke trocken, um meine Ohren freizubekommen, dann schließt sich die Lücke und ich kann ihn nicht mehr sehen.

 

Sicher war das nur ein Traum. Ich fahre mir mit der Hand über das Gesicht, stelle die Bierflasche weg und atme tief ein und aus. Tim fällt neben mir auf die Couch und schlingt einen Arm um meine Schultern.

„Ist das nicht eine geile Party?“

„Ja, der reine Wahnsinn“, sage ich spöttisch.

Alle Feiern sind bei Tim geil, wenn nur genug Alkohol fließt und die Bude voll ist.

„Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich Hendrik eingeladen habe“, sagt er.

Bums. Das saß. Also war es kein Traum.

„Du hättest es mir sagen können“, beschwere ich mich.

„Dann wärst du nicht gekommen.“ Tim grinst.

„Na und? Jetzt hau ich jedenfalls ab.“ Ich befreie mich aus Tims Umarmung und klettere vom Sofa.

Mühsam bahne ich mir einen Weg in den Flur und gehe zum Bad. Mein Heimweg dauert zwar nur zehn Minuten, aber meine Blase ist schon lange voll. Ich habe Glück, das Badezimmer ist leer. Allerdings gibt es keinen Schlüssel, was ja schon vor drei Jahren zu besagtem Unglück geführt hatte, denn die Party fand hier statt. Ich setze mich aufs Klo und bin gerade fertig, als die Tür aufgestoßen wird. Hastig verstaue ich mein Gemächt und richte meine Kleidung, als mir bewusst wird, wer sich da gerade in den winzigen Raum gedrängelt hat.

„Hallo Jo“, sagt Hendrik ernst.

„Hey Hendrik.“ Ich drücke auf die Spülung und senke den Blick.

Langsam gehe ich auf ihn zu, mich dabei dicht an der Wand haltend. In einem Bad, in das gerade mal ein Waschbecken, ein Klo und eine Badewanne passen, ist der Rangierplatz knapp. Hendrik drückt sich gegen das Waschbecken, dennoch berühre ich ihn als ich mich an ihm vorbeihangeln will. Der Funke springt sofort über.

„Verdammter Mist“, zischt Hendrik und reißt mich an seine Brust.

Sein Mund landet auf meinem, seine Zunge dringt ein. Ich fühle sein Becken und die wachsende Erektion, die gegen meine gedrückt wird. Endlose Sekunden verschlingt er mich, bis er die Lippen löst und mir ins Haar murmelt: „Ich will dich ficken bis du schreist. Ich bin so scharf auf dich.“

Schärfe hatte schon unsere Beziehung geprägt, sowohl im Essen als auch im Bett. Ich habe scharf satt und esse nur noch milde Speisen. Auch beim Sex hab ich mich gemäßigt, allein deshalb, weil ich nie wieder einen gleichwertigen Bettpartner gefunden habe wie Hendrik.

„Vergiss es.“ Ich schubse ihn weg, was in der Enge wenig Sinn ergibt.

„Ach.“ Hendrik grinst und legt seine Hand auf meine Erektion. „Und was ist das?“

„MEIN Schwanz. Finger weg.“

„Er ist hart, wegen mir, gib‘s zu.“

„Ich sagte: vergiss es“, zische ich, wische seine Finger weg und trete einen Schritt beiseite

Die Tür wird aufgestoßen, Bernardo wankt herein, ganz grün im Gesicht. Erst glotzt er mich an, dann Hendrik, bevor er sich vorbeugt und uns auf die Füße kotzt.

 

Das nennt sich ein Déjà-vu mit vertauschten Rollen. Ich starre auf meine Schuhe, abwechselnd hoch zu Hendrik, dann auf Bernardo. Tim erscheint im Türrahmen, erfasst die Situation und beginnt lauthals zu lachen. Hendrik erwacht endlich aus seiner Starre, packt seinen Freund und bugsiert ihn in die Wanne, während ich bereits Handtücher auf den Boden werfe.

„Die Party löst sich eh auf. Getränke sind alle“, japst Tim.

Die Delegation ist also nicht von der Tankstelle zurückgekehrt. Das passiert auch immer wieder, also überrascht es mich nicht. Ich wische meine Schuhe mit einem der Handtücher sauber und gucke zu, wie Hendrik seinen betrunkenen Freund mit kaltem Wasser berieselt. Bernardo ächzt, regt sich aber nicht. Tim ist wieder verschwunden.

„Erinnert dich das an was?“, frage ich Hendrik mit kalter Stimme.

Er dreht mir sein Gesicht zu und guckt mich mit starrer Miene an.

„Ja“, sagt er schließlich und lächelt zaghaft. „Es erinnert mich an die schlechteste Idee, die ich je hatte.“

 

Zuhause angekommen laufen mir seine Worte immer noch wie ein Spruchband durch den Kopf. Ich will nicht einmal ansatzweise daran denken, was er damit meinen könnte. Der Schmerz hat mich damals aufgefressen und bis heute nicht losgelassen. Hendrik darf nie wieder in mein Leben.

 

Am nächsten Tag ruft Tim an und entschuldigt sich. Ich vergebe ihm, schließlich muss er den Dreck im Bad wegmachen und mit Bernardos Leiche – Entschuldigung – dessen Schnapsleiche in der Wanne kämpfen. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich ein wenig verantwortlich für die Sauerei, auch wenn Bernardo in jedem Fall gekotzt hätte. Gut, wenn ich nicht im Weg gewesen wäre, wahrscheinlich ins Klo.

„Schon gut, Tim. War eine geile Party“, beruhige ich meinen Freund.

„Nicht wahr? Und stell dir vor: zwei Stunden nachdem alle weg sind, kommt die Tankstellendelegation wieder an. Wir haben dann noch bis sechs Uhr morgens gefeiert.“

Tolle Vorstellung. Ich bin froh, dass ich nicht mehr dabei war.

„Ist deine Wanne wieder frei?“

Tim gluckst. „Ne, ich glaube nicht, warte mal…ne, Bernardo liegt da immer noch und schnarcht.“

„Und – wo ist Hendrik?“

„Der ist kurz nach dir weg.“ Tim seufzt.

„Aha.“

„Also, Johannes, ich muss dir was sagen“, meint Tim leise. „Die sind nicht zusammen, wenn du das denkst. Hendrik hat sich nach eurer Trennung eine kleine Wohnung genommen, nicht weit weg von hier. Wenn du willst…“

„Vergiss es, kein Interesse“, unterbreche ich ihn.

„Ooookay, ich halte den Mund.“ Tim lacht.

„Gut – dann, schönes Aufräumen“, wünsche ich und lege auf.

 

Hendrik hat sich eine kleine Wohnung angemietet. Das will mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. In meiner Phantasie ist er zu Bernardo gezogen und sie lebten glücklich bis an… Mein Telefon klingelt, es ist inzwischen früher Abend. Sicher Tim.

Ich geh ran und sage: „Sag nicht, du feierst immer noch.“

Stille. Dann: „Nein, danach ist mir bestimmt nicht zumute.“

Es ist Hendriks Stimme, ich erkenne sie sofort.

„Was willst du?“, flüstere ich.

„Bitte, lass uns reden.“

„Am Telefon?“

„Nein, ich möchte dich sehen, wenn ich mit dir spreche.“

„Und – wenn ich nicht will?“

„Verdammte Scheiße, Jo. Bitte.“

„Wozu soll das gut sein?“

„Vielleicht um – neu anzufangen?“

„Niemals. Ich will nicht mehr. Ruf nicht wieder an.“

Ich unterbreche die Verbindung und mein Herz rast. Es ist wie am ersten Tag nach der Trennung. Hendrik hat alles wieder aufgewühlt, und wozu? Ich werfe das Mobilteil auf den Boden und mich auf das Sofa. Mir ist schlecht und ich wünschte – ich wünschte, ich hätte nicht so heftig reagiert. Das Telefon klingelt, ich rutsche von der Couch und krabble hin. Die gleiche Nummer wie eben.

„Ja?“, flüstere ich.

„Bitte, Jo.“

„Nur reden.“

„Ja, versprochen.“

„Okay, wo?“

„Magst du – herkommen? Ich habe Pizza gemacht.“

 

Habe ich erwähnt, dass Hendrik ein begnadeter Koch ist? Er sieht zwar eher aus wie ein Indianer, mit seinen glatten, schwarzen, langen Haaren und den dunklen Augen, aber seine Pizza ist die beste der Stadt. Ich stelle fest, dass er nur fünf Gehminuten von mir entfernt wohnt, schnappe mir meine Jacke und mache mich auf den Weg.

 

„Danke“, sagt Hendrik schlicht, als er mir die Tür öffnet.

Er hat die Haare zu einem Zopf gebunden und trägt eine Schürze. Seine dunklen Augen sind unergründlich, wie immer, und seine Miene ernst. Ich folge ihm in die Küche und sauge begeistert den Duft ein. Wie habe ich das vermisst.

„Setz dich.“ Hendrik beugt sich zum Backofen und unweigerlich landet mein Blick auf seiner Kehrseite.

Er hat den geilsten Arsch der Welt, aber er gehört mir nicht, hat es nie. Ich senke die Wimpern und setz mich hin. Gleich darauf dampft vor mir ein großes Quadrat Hefeteig, knusperdünn und köstlich belegt. Trotz der Situation bekomme ich Hunger und verschlinge drei dieser Pizzastücke, bis mein Magen voll ist und ich mich wohlig satt fühle.

 

***

 

Man weiß Dinge erst dann zu schätzen, wenn man sie verloren hat. Ich will damit sagen, dass ich die Zeit mit Johannes nicht ausreichend genutzt und genossen habe. Sicher, wir waren uns nah und hatten phänomenalen Sex. Dennoch, ich habe ihn ausgeschlossen und irgendwann – hat es ‚puff‘ gemacht und er war weg. So wie immer in meinem Leben. Meine Eltern sind…nein, ich greife vor.

Johannes isst mit Genuss und ich kann mich kaum an ihm sattsehen. Er ist so schön, wenigstens für mich. Seine braunen Locken sind weich, das weiß ich immer noch. Sie hängen wild um sein feingeschnittenes Gesicht. Er hält die dichten Wimpern gesenkt, aber ich erinnere mich gut an seine blauen Augen. Wenn wir miteinander geschlafen haben war es so, als ließe er mich bis zu seinen Schuhspitzen gucken, so offen hat er mich angeschaut.

Ein sehnsüchtiges Ziehen setzt in meinem Bauch ein. Drei Jahre habe ich vergeudet, bin zu Therapeuten und Seelenklempnern gerannt. Nun sitz ich hier und will nur eins: er soll mich endlich umarmen.

„Schmeckt es dir?“, frage ich, um die Stille zu durchbrechen.

„Oh ja, es ist lecker.“ Jo lächelt mich schüchtern an.

„Ich – magst du ein Glas Rotwein dazu?“

„Hm, okay, eins trink ich“, murmelt Johannes und schiebt seinen leeren Teller weg.

Meine Hände zittern so sehr, dass ich beim Einschenken etwas daneben gieße. Schnell wende ich mich zur Spüle und schnappe den Lappen, wische hektisch herum, bis ich fast eines der Gläser umkippe.

„Hendrik?“

Mein Kopf fährt hoch, ich starre Jo an.

„Was ist los?“

„Ich bin so – nervös.“

„Das tut mir leid.“

„Muss es nicht, es ist nur…könntest du mich in den Arm nehmen, bitte?“ Ich steh da wie ein Ölgötze, den Wischlappen in der Hand, und mein Blick bettelt.

Jo betrachtet mich und nickt langsam. Er steht auf und nimmt mir den Lappen weg, wirft ihn in die Spüle und drückt mich auf einen Stuhl. Dann setzt er sich rittlings auf meinen Schoss und umarmt mich, legt die Wange an meine Schulter und spendet mir Trost. Ganz vorsichtig schließe ich die Arme um ihn und atme seinen Duft.

„Ich habe dir nie die Wahrheit gesagt über meine Eltern“, fange ich an zu erzählen, „Sie sind nicht gestorben. Meine Mutter hat mich weggegeben, als ich ein kleiner Junge war. Meinen Vater hab ich nie kennengelernt. Ich kam in eine Pflegefamilie, später in ein Heim, als sich meine Pflegeeltern scheiden ließen. Beide wollten mich nicht haben. Vielleicht habe ich deshalb diesen Schaden. Damals wollte ich dich nur eifersüchtig machen. Ich war mir sicher, dass du mich nicht ausreichend lieben würdest, und nur darauf wartest einen Grund zu finden, um mit mir Schluss zu machen. Daher der Flirt mit Bernardo und – ich hatte mal wieder recht. Du hast mich rausgeworfen, so wie alle anderen vorher.“

„Hendrik, ich habe dich nicht rausgeworfen“, flüstert Jo gegen meine Haut.

„Ich weiß, aber für mich fühlte es sich so an“, ich seufze tief und fahre fort, „Ich bin erst mal zu Bernardo, habe mir dann aber schnell eine eigene Wohnung gesucht. Erst hab ich überlegt, ob ich dich anflehen soll mich zurückzunehmen, aber mir wurde irgendwann klar, dass es niemals gutgehen würde, wenn ich nicht vorher mit meiner Vergangenheit aufräume.“

„Und – hast du jetzt aufgeräumt?“ Johannes hat den Kopf angehoben und flüstert in mein Ohr.

Meine Haut prickelt dort, wo sein Atem mich trifft.

„Ich habe zahlreiche Therapiestunden hinter mir und hoffe, dass ich endlich ein normales Leben führen kann. Normal – pft, was für ein Wort. Ich weiß nur eins: ich vermiss dich Jo, immer noch. Ich wünsche mir, dass wir es gemeinsam schaffen“, sage ich leise und ziehe ihn langsam näher zu mir heran.

„Stopp.“ Johannes stößt sich ab und springt auf.

Seine Augen haben sich zu Schlitzen verengt. Er mustert mich und schnaubt.

„Nur reden, hast du gesagt und schon versuchst du wieder, mit mir ins Bett zu gehen.“

„Entschuldige.“ Ich lass den Kopf hängen und schlinge meine Arme um mich. „Entschuldige bitte.“

„Hendrik, es ist ja nicht so, dass ich es nicht auch will, aber es wäre nicht gut“, flüstert Johannes.

Ich schaue zu Johannes hoch und die Sehnsucht sprengt mir fast die Kehle. Er sieht so verzweifelt aus und ich bin es doch auch.

„Einmal nur“, flüstere ich, „nur ein einziges Mal.“

„Ich weiß nicht.“ Jo schwankt, und schließlich gibt er auf und streckt mir die Hand entgegen. „Nur dieses Mal“, sagt er und zieht mich hoch.

Ich beuge mich zu ihm und finde seine Lippen, küsse ihn sanft, obwohl der Hunger mich beinahe überwältigt. Doch wenn es nur dieses Mal gibt, dann soll es langsam gehen. Ihn unablässig küssend bringe ich uns ins Schlafzimmer. Dort ziehe ich ihn aus, Stück für Stück und immer wieder innehaltend, um die freigelegte Haut zu liebkosen.

Johannes stöhnt und lässt mich machen. Er gräbt seine Finger in mein Haar und löst den Zopf. Das hat er schon früher gern gemacht und ich liebe das Gefühl, wenn er meine dicken Strähnen durchkämmt. Endlich komme ich zu seiner Jeans, gehe auf die Knie und presse die Lippen gegen seinen flachen Bauch, während ich den Verschluss öffne und sie von seinen Hüften schiebe. Johannes Schwanz schnellt hoch und trifft mich am Kinn. Ich fange ihn ein, lecke über die Spitze und schaue dabei zu ihm auf.

Die Wimpern sind gesenkt und seine Miene zeigt Lust. Ich lächle und nehme die Erektion ganz in den Mund, umfasse dabei seine Eier und wiege sie sanft. Johannes wackelt und der Griff in meinen Haaren verstärkt sich.

„Hendrik“, raunt er und ich weiß, was er will.

Ich schiebe ihn rückwärts aufs Bett, befreie ihn von den restlichen Klamotten und betrachte ihn ausgiebig. Sein schmaler, fester Körper hat mich schon immer erregt. Ich mag sein angedeutetes Sixpack, die kleinen Brustwarzen und die schmalen Hüften. Seine Haut ist seidenweich und die Behaarung sehr spärlich. Früher hat er mir erlaubt, auch noch die restlichen Haare zu entfernen. Diese Behandlungen waren stets sehr lustvoll gewesen, und die Erinnerung gesellt sich schmerzhaft zu den anderen. Ich steige schnell aus meiner Kleidung und lege mich zu ihm.

„Du bist so schön“, flüstere ich, bevor ich Johannes Mund erneut erobere.

Meine Hände wandern über seinen Körper, seine über meinen. Wir kennen uns noch und finden zielsicher die Stellen, an denen wir gestreichelt werden möchten. Ich könnte heulen vor Wonne, muss gleichzeitig stöhnen und immer wieder daran denken, dass das hier ein Abschiedsfick ist.

„Fick mich endlich“, bittet Jo, sein Gesicht ist verzerrt vor Erregung.

Ich will auch nicht länger warten und bereite mich vor, während sich Johannes auf alle Viere begibt. Damit hätte ich rechnen müssen.

„Bitte, Jo, dreh dich um“, raune ich, aber er schüttelte stumm den Kopf.

In meinem Frust, dass er mir seinen Anblick verweigert, bin ich gröber als beabsichtigt und versenke mich mit einem Stoß in seinem engen Muskel. Jo stöhnt schmerzerfüllt, hält aber still. Ich beuge mich über ihn, bedecke seinen Rücken mit kleinen Küssen und bewege mich jetzt ganz vorsichtig. Es fühlt sich so gut an, endlich wieder mit ihm vereint zu sein.

Ich liebe die Geräusche, die er ausstößt, weiß genau, wie er tickt und was er braucht. Nach einer Weile erhöhe ich das Tempo, eine Hand an seiner Hüfte, die andere um seinen harten Schwanz geschlossen. Er stöhnt immer lauter und seine Muskeln verhärten sich. Triumphierend spüre ich das Pumpen seiner Länge, gebe ihm die letzten Stöße mit voller Kraft und komm dann gleichzeitig mit Jo.

Bunter Sternenregen, krampfende Lenden und mein wild schlagendes Herz. Dann nur noch unser lauter Atem und die drängende Stimme, die sagt, dass er gleich gehen wird. Ich falle mit ihm auf die Seite und schmiege mich an seinen Rücken, verzweifelt die letzten Momente der Nähe auskostend. Dann löst sich Johannes von mir und rutscht vom Bett.

 

***

 

‚Fehler, Fehler‘, singt mein Gehirn und ich bücke mich trotzdem nach meinen Klamotten. Ich weiß, es ist herzlos, Hendrik gleich nach dem Akt wegzuschubsen, aber ich bin kurz davor mich an ihm festzuklammern. Das darf einfach nicht sein.

Stumm ziehe ich mich an und gehe in den Flur, schlüpfe in meine Jacke und wage keinen Blick zurück auf das Bett. Das, was ich dort sehen würde, könnte mich meine Beherrschung kosten.

„Mach‘s gut“, flüstere ich erstickt.

Ich höre ein Schniefen und mach schnell die Wohnungstür hinter mir zu.

 

Wie ich erwartet habe ist die Nacht fürchterlich. Ich träume von Hendrik, wenn ich nicht gerade wach liege und nachdenke. Soll ich ihm wieder trauen? Kann ich das überhaupt? Warum nur habe ich mich auf das Schäferstündchen eingelassen?

 

Der nächste Tag will gar nicht vergehen. Tim scheint auch mies gelaunt, jedenfalls wechseln wir nur die nötigsten Worte und sind beide froh, als der Feierabend naht. Ich bin kaum zuhause, als es an meiner Tür läutet. Hendrik steht im Treppenhaus, guckt mich ernst an und streckt mir ein in Alufolie gewickeltes Päckchen entgegen.

„Das ist der Rest Pizza von gestern. Ich dachte, du hast vielleicht Hunger und du kochst doch nicht gern“, sagt er leise.

„Danke“, sage ich überrascht, mache aber keine Anstalten, ihm das Paket abzunehmen. „Und was isst du?“

„Ich hab eh keinen Hunger.“ Hendrik verzieht die Mundwinkel zu einem freudlosen Lächeln.

„Wir – könnten teilen.“ Ich mache die Tür weiter auf.

„Gern.“ Er tritt in den Flur, und als er direkt vor mir steht erscheint es, als wäre er geschrumpft.

Das muss an den hängenden Schultern liegen und dem gesenkten Kopf. Hendrik ist ein Bild des Jammers und löst bei mir sofort Bauchschmerzen aus.

„Soll ich sie warm machen?“ Er läuft schon in die Küche.

Alles wirkt so vertraut. Klar, wir haben hier drei Jahre zusammengewohnt, und die anderen drei Jahre, die dazwischen liegen, sind plötzlich geschrumpft. Hendrik packt die Pizzastücke in den Ofen, während ich uns Bier aus dem Kühlschrank hole. Eine Weile sitzen wir schweigend am Küchentisch, bis er das Essen aus dem Ofen holt und wir es gerecht teilen. Danach folgt Hendrik mir ins Wohnzimmer, wo wir uns wie selbstverständlich zusammen auf die Couch kuscheln und in die Glotze gucken.

Auch ins Bett folgt er mir und legt sich in Shorts und T-Shirt neben mich. Nachdem ich das Licht gelöscht habe, rückt er näher zu mir und ich fühle seine Lippen. Nur ein zarter Kuss, aber so schön.

„Schlaf gut“, murmelt er.

„Du auch“, flüstere ich und bleibe ganz nah bei ihm liegen, ohne ihn jedoch zu berühren.

Mir reichen sein Duft und seine Wärme. Die Erschöpfung fordert ihren Tribut und ich schlafe ein.

 

Am nächsten Tag habe ich erst mittags Dienst. Ich bin daher leicht mürrisch, als mich jemand früh morgens mit einem Kuss auf die Stirn versucht zu wecken.

„Was soll das?“, knurre ich und höre ein dunkles Lachen, das mich dazu bringt, die Augen aufzureißen.

Ein Riese mit einer karierten Schürze um die Hüften, sonst aber nackt, lächelt mich an. Seine schwarzen Haare fallen ihm halb über die breite Brust, die dunklen Augen gucken liebevoll. Er hält ein Tablett in den Händen, auf dem sich ein Geburtstagsfrühstück aus besseren Tagen befindet.

„Setz dich hin, Morgenmuffel“, brummt Hendrik.

„Ich habe nicht Geburtstag“, sage ich, gehorche aber.

Er stellt das Tablett auf meinem Schoß ab und krabbelt zu mir. Vorher lässt er die Schürze fallen. Wenn meine Körpermitte nicht so voll beladen wäre, sie hätte ein Zelt errichtet. Ich schlucke und schließe kurz die Augen.

„Das hier ist ein Dankeschön für die letzte Nacht“, raunt Hendrik und guckt mich von der Seite an.

„Ist doch gar nix passiert.“ Ich schaue auf das Frühstück und greife nach einem Becher.

„Doch, du hast mir vertraut“, erklärt Hendrik.

Seine Worte hängen im Raum. Ich kaue den Toast und versuche an nichts zu denken. Ich habe Hendrik hereingelassen. Nicht nur in meine Wohnung, sondern erneut in mein Herz. Ich will es auch, denn ohne ihn ist alles nur schwarz. Selbst wenn wir es wieder vergeigen, diese Chance müssen wir nutzen.

„Bist du satt?“, fragt Hendrik.

Ich nicke und die Vorfreude auf das, was jetzt einfach kommen muss, lässt mein Herz wild hüpfen. Hendrik steht auf und verschwindet mit dem Tablett. Dann kommt er zurück und bückt sich nach seiner Jeans. Mit ungläubig geweiteten Augen gucke ich zu, wie er sie überstreift und fühle den Stein in meinem Magen immer schwerer werden.

„Hendrik?“

„Hm?“

„Was wird das?“

„Ich zieh mich an“, sagt Hendrik leise.

„Das sehe ich, aber was ist – mit uns?“

„Das musst du mir sagen.“ Hendrik hält inne und guckt mich abwartend an.

„Bitte bleib hier“, flüstere ich, gegen den Kloss in meiner Kehle ankämpfend.

„Willst du das wirklich?“ Er kommt herüber und setzt sich auf die Bettkante.

Ich strecke den Arm aus und streiche über die weiche Haut seiner Brust. „Mehr als alles andere.“ Schwer schluckend sehe ich ihm in die Augen. „Bitte, tu das, was du an meinem Geburtstag immer getan hast.“

„Dich verführen?“ Hendrik lächelt.

Ich nicke stumm und beobachte, wie er sich blitzschnell die Jeans abstreift und mit einer fließenden Bewegung zu mir unter die Decke gleitet.

 

Wir knutschen, minutenlang sind unsere Münder die einzige Stelle, an der wir uns berühren. Dann dränge ich mich an Hendriks warmen Körper und umschlinge ihn. Er stöhnt selig an meinen Lippen und umarmt mich so fest, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ewig kosten wir so unsere Nähe aus und flüstern uns unsinnig Worte zu.

Ich fühle, wie die Lust immer höher steigt und sehne mich danach, endlich wieder ganz mit Hendrik zu verschmelzen. Auffordernd reibe ich meine Hüften an seinen, schiebe eine Hand zwischen uns und packe seinen harten Schwanz, um ihn noch mehr zu reizen. Hendrik ächzt und lacht leise.

„Wirst du ungeduldig?“

„Sehr. Bitte, Hendrik.“

„Ich liebe es, wenn du mich bittest.“ Er drückt mir einen sanften Kuss auf den Mund und wendet sich zum Nachtschrank.

Ich streichle seinen schönen, starken Rücken, während er sich vorbereitet. Mein Muskel zuckt, vielleicht bin ich sogar feucht vor Geilheit. Ich will ihn endlich spüren und bebe vor Sehnsucht.

„Ich liebe dich, Johannes“, sagt Hendrik, nachdem er sich zu mir gedreht hat.

Seine dunklen Augen gucken ernst und mir ist schon wieder zum Heulen zumute. Ich fordere ihn mit einem Griff um seinen Nacken stumm auf, mich endlich zu nehmen. Hendrik rollt sich auf mich und packt meine Hinterbacken. Mich anstarrend schiebt er sich beständig in meine enge Öffnung, erobert so meinen Körper und auch den Rest von mir. Langsam bewegt er sein Becken vor und zurück, wobei er sich über mich beugt und nach meinen Lippen schnappt.

Hendrik beherrscht das Liebesspiel meisterlich, jedenfalls bei mir. Ich bin dank der Gefühlssuppe, die in mir kocht, ohnehin schon erregt, und so bedarf es nur noch weniger Bemühungen, bis ich am ganzen Leib angespannt auf die Erlösung hin fiebere.

„Jo, sag es mir“, stöhnt Hendrik und ich weiß, was er hören will.

„Ich liebe dich“, keuche ich ihm entgegen und umklammere dabei seinen Hals mit beiden Armen.

Er lächelt und verpasst mir ein paar harte Stöße, die mich über die Klippe katapultieren. Seinen Namen laut stöhnend genieße ich die Spasmen und spüre, wie Hendrik mir mit einem erleichterten Aufschrei folgt. Noch in der Welle presst er seine Lippen auf meine und macht die Vereinigung damit perfekt.

 

„Du bist bei mir eingezogen, ohne dass ich es gemerkt habe“, sage ich eine Woche später erstaunt.

Hendriks Klamotten hängen im Schrank neben meinen. Sein Rasierzeug liegt im Bad und in der Küche duftet es jeden Tag nach leckerem Essen. Er selbst liegt schmunzelnd neben mir im Bett, auf seiner Seite, die drei Jahre meine war.

„Tja, ich kann keinen Tag mehr warten.“ Er lacht leise.

„Ich bin glücklich, hab ich das schon mal erwähnt?“, sage ich zu seinem Ohr gebeugt.

„Jeden Tag dreimal, aber ich hör es immer wieder gern.“

„Wie sieht es bei dir aus?“ Ich beobachte ihn lauernd.

„Gut. Ich hab den Mann meiner Träume nackt im Bett. Gleich gibt’s knallharten Kuschelsex und das Essen schmort in der Röhre. Reicht das?“

„Hm, klingt gut. Kommt da noch mehr?“

Hendrik zieht mich in seine Arme und rollt sich mit mir herum, bis er oben ist. Er legt seine Hände an meine Wangen und guckt mir tief in die Augen. „Ich liebe dich, Johannes Niedergang. Willst du mein Mann werden?“

Wow und nochmal wow. Ich bin sprachlos und nicke stumm.

„Dann werde ich die Braut jetzt mal küssen“, flüstert Hendrik und tut es dann.

Seine dunklen Haare hüllen uns ein und der Kuss verspricht alles. Ich fühle mich ganz leicht, trotz des schweren Kerls auf mir. Wir haben eine Chance, und diesmal wird uns kein beknackter Bernardo dazwischenfunken.

 

Der hat ohnehin inzwischen andere Probleme. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

ENDE

Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock supported by Lars Rogmann
Tag der Veröffentlichung: 19.03.2013

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