ISBN Print: 978-1987646481
2. Auflage April 2018 - komplett überarbeitete Fassung
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. E-Books sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie. Danke!
Text: Sissi Kaiserlos
Foto von shutterstock – Design Lars Rogmann
Korrektur: Aschure. Danke!
Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/
Ganz Hamburg ist von Heteros besetzt. Ganz Hamburg? Nein, eine kleine, schwule Gemeinde leistet erbittert Widerstand. In einer winzigen Seitenstraße der Reeperbahn befindet sich ihre Machtzentrale, das ‚Sugar Shack’, in dem jede Nacht der Bär steppt. Hier trifft man sich, tauscht Körpersäfte aus – natürlich nur in ‚safer’ Form – und manchmal finden sich sogar Paare, die ein Leben lang nacheinander gesucht haben. Es ist ein Mikrokosmos, das in sich selbst zufrieden ist. Sogar Heten verirren sich öfters hierher, und sie sind willkommen, solange es nicht zu viele werden.
Mein Club, das 'Sugar Shack', läuft hervorragend. Trotzdem habe ich schon seit dem Morgen ein komisches Gefühl im Bauch. Nachts treffe ich in meinem Club einen Blonden, der mich abblitzen lässt, aber so leicht gebe ich nicht auf - denn irgendwie ist dieser Danny anders, als alle davor...
~ * ~
Wie immer war, um elf Uhr an einem Freitagabend, im Sugar Shack noch nichts los. Erst gegen eins würde der Laden gut gefüllt sein. Vom seitlichen Tresen grüßte mich Lore, die dort Dienst tat, wie üblich im Transenlook. Sie kontrollierte eingehend ihr Make-Up und ignorierte dabei einen Gast, der versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Ich überwachte das Personal nicht, das überließ ich Frank, meinem Partner und von mir stets Fränk genannt. Er war mit zwanzig Prozent in den Laden eingestiegen und nahm mir solche Arbeiten ab, so dass ich mich weitestgehend nur um Bürokratisches kümmern brauchte. Also ging ich weiter und nahm mir vor, später Fränk auf Lores Fehlverhalten hinzuweisen. Zwischenmenschliche Auseinandersetzungen lagen mir nicht; ich war eher der wortkarge Typ.
Als ich den hinteren Tresen passierte, nickte Fränk mir zu.
„Alles in Ordnung?“, rief ich über die laute Musik hinweg.
„Klar. Die Kassen stimmen und das Personal ist vollzählig angetreten.“ Er zwinkerte mir grinsend zu und kniff Björn in den Hintern.
Der Barkeeper kiekste empört auf und verpasste Fränk einen angedeuteten Nasenstüber. Feixend ging ich weiter. Das Spielchen zwischen den beiden kannte ich bereits. Normalerweise würde ich behaupten, was sich neckte, das liebte sich. Bei den zweien war die Sache jedoch anders gelagert, bloß auf freundschaftlicher Basis mit gewissen Vorzügen. Nicht, dass ich überhaupt an Liebe glaubte...
Ich stieg auf die Empore, wo der DJ am Mischpult herumfummelte. Das Motto des Abends hieß heute Synthetik, was bedeutete, dass nur Techno angesagt war.
„Alles klar bei dir, Heinz?“, erkundigte ich mich.
Er nickte, ein guter Lippenleser aufgrund seines Jobs und wippte dabei mit dem Kopf in einem Takt, den nur er hören konnte. Die riesigen Kopfhörer ließen ihn wie eine überdimensionierte Micky Maus wirken.
Ich schaute mich im Laden um und registrierte ein paar neue Gäste, die an der Bar an der Seite Platz genommen hatten. Alles schien normal, dennoch fühlte ich mich irgendwie unruhig. Eine Vorahnung, dass etwas Bedeutsames geschehen würde, hatte Besitz von mir ergriffen. Schon heute Morgen, beim Aufstehen, war dieses Gefühl aufgekommen und ließ mich seitdem nicht mehr los.
Langsam stieg ich die drei Stufen runter, die von der Empore führten. Ein paar Leute zappelten auf der Tanzfläche zu den Rhythmen, die aus den riesigen Lautsprechern dröhnten. Ich beschloss später wiederzukommen und hielt auf den Ausgang zu. Der Türsteher, Franz, war gerade damit beschäftigt, ein paar Teenager abzuwimmeln. Mit seinem bedrohlich wirkenden Äußeren der perfekte Kandidat für diese Rolle, allerdings wurde die Jugend heutzutage immer frecher.
„Kommt wieder, wenn ihr volljährig seid“, empfahl ich der Gruppe, die aus zwei Mädchen und drei Jungs bestand.
Murrend trotteten sie davon.
„Danke. Die haben mich echt ins Schwitzen gebracht“, brummelte Franz.
Ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und trat in die milde Hamburger Nachtluft hinaus. In diesem Teil der Stadt roch es irgendwie immer aufregend. Eine Mischung aus billigem Parfüm, Essensdüften und Benzin. Ich wandte mich nach rechts und bog in die nächste Querstraße ein, in der sich das La Paloma befand, mein Stammlokal.
Am Tresen hockte Jules, einer meiner besten Freunde, vor einer riesigen Portion Pommes. Ich schob mich neben ihn und stibitzte eines der fettigen Stäbchen von seinem Teller.
„Das ist Mundraub“, schimpfte Jules.
„Hey, ich erspare dir deine nächste Diät“, konterte ich.
„Als wenn ich das nötig hätte.“ Er grinste selbstgefällig und legte einen Arm um meine Schultern. „Hast du noch nichts gegessen?“
„Nein, keine Zeit.“ Ich nahm noch einen Pommes. „Musste das Programm für den August durcharbeiten.“
„Du Armer“, spöttelte Jules.
„Genau. Du glaubst gar nicht, wie anstrengend das sein kann“, stimmte ich zu.
„Gibt’s irgendwelche Highlights?“ Jules nahm den Arm weg, wandte sich zu mir und guckte mich neugierig an.
„Hm ... Olivia Junesch hat zugeschagt“, nuschelte ich mit vollem Mund. Inzwischen hatte ich seine Portion fast ganz aufgegessen, verspürte aber immer noch Hunger. „Hey, noch einmal Pommes rot-weiß für meinen Freund hier“, rief ich der Bedienung zu.
„Nein! Sag bloß, der diesjährige Tuntenball wird von Olivia moderiert?“ Jules nagte aufgeregt an seiner Unterlippe, eine Angewohnheit, die sehr sexy wirkte bei diesem machohaften Kerl.
„Gefällt dir das?“
„Oh ja!“
Plötzlich landete eine Hand von hinten auf meiner Schulter und Dustins‘ Stimme erklang: „Hallo Leute!“
Er küsste Jules und mich auf die Wange, bevor er sich auf den Hocker neben mir schwang. Dustin gehörte ebenfalls zu meinem engen Freundeskreis. Wir trafen uns fast jeden Tag. Äußerlich und von den Berufen her hätten wir nicht unterschiedlicher sein können, dennoch verband uns eine tiefe, platonische Liebe. Ich vögelte nie mit Freunden. Das war einer der wenigen Grundsätze, die ich für mein Sexualleben aufgestellt hatte. Ansonsten gab es keine Regeln außer der, dass ich nur Männer fickte.
„Was gibt’s Neues?“, warf Dustin in die Runde.
„Olivia Junes moderiert dieses Jahr den Tuntenball“, platzte Jules heraus.
„Nein, wie geil ist das denn?“ Dustin klopfte sich auf die Schenkel und grinste begeistert. „Ich hab noch gar kein Kostüm, und ihr?“
„Ich gehe als Mönch“, verkündete Jules. „Die Kappe hab ich schon.“
„Oh Mann, so wollte ich mich doch dieses Jahr verkleiden“, behauptete ich spöttisch.
Jules bedachte mich mit einem ungläubigen Kopfschütteln. „Klar. Als ob dir jemand diese Kostümierung abkaufen würde.“
Wohl wahr, wobei es bei ihm genauso aussah. Mein Ruf als Hengst war legendär und ich stolz darauf. Außerdem hatte ich noch nie einen Kerl zweimal in mein Bett gelassen. Eigentlich tat ich das sowieso nicht, sondern erledigte solche Dinge im Darkroom oder dort, wo ich danach schnell verschwinden konnte. Sex war für mich ein klarer Handel: Ich bekam das, was ich wollte, dafür verschaffte ich dem jeweiligen Typ den gewünschten Abgang. Anschließend trennten sich unsere Wege.
Nachdem Jules die zweite Portion Fritten mit mir geteilt hatte, spielten wir einige Runden Billard, bis es Zeit war wieder ins Sugar Shack zu gehen. Inzwischen stand eine Menschentraube vor dem Club, ein schöner Anblick. Es hatte mich schließlich viel Mühe gekostet, den Laden bekannt zu machen und dafür zu sorgen, dass er zum Geheimtipp avancierte.
Franz winkte uns durch, bevor er sich wieder den anderen Gästen zuwandte, um eine Auswahl zu treffen. Ich konnte mich auf ihn verlassen. Noch nie hatte er Randalierer oder Schwulenfeindliche in den Club gelotst. Irgendwie besaß der Kerl ein Auge für schräge Typen.
„Hast du eigentlich schon mal mit Franz…?“ Dustin warf mir einen interessierten Blick über die Schulter zu, während wir uns durch die Gästeschar drängelten.
Ich schüttelte entschieden den Kopf. Mein Personal war ebenso tabu, wie meine Freunde.
„Ich hab mal mit ihm rumgefummelt“, kam es von hinten.
Okay, Jules hatte schon einen eigenartigen Geschmack. Immerhin war Franz Anfang fünfzig und trug einen stattlichen Bauch vor sich her. Neben den anderen klare Ausschlusskriterien für mich.
Wir bezogen Aufstellung an der Bar. Ich bestellte eine Runde Tequila, zum Anwärmen. Björn warf mir einen aufreizenden Blick zu und schob die Gläser über den Tresen. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Fränk mir das übelnehmen würde, wäre ich auf den Flirt eingegangen. Björn war recht schnuckelig, zudem mit einem wirklich geilen Arsch gesegnet. Innerlich seufzend über meine bewundernswerte Zurückhaltung wandte ich mich ab und verteilte den Tequila. Wir prosteten uns zu und stürzten das Zeug runter. Ich merkte die Wirkung des hochprozentigen Alkohols sofort. Ein paar Fritten ersetzten eben keine vollständige Mahlzeit.
Es war das erste Mal, dass ich allein ausging. Keiner meiner Freunde hatte Zeit, ich aber Hummeln im Arsch, sonst hätte ich das niemals gewagt. Außerdem waren die meisten meiner Kumpels hetero und ich wollte doch unbedingt mal wieder in einen schwulen Club gehen.
Unsicher näherte ich mich dem Sugar Shack, dessen Eingang von einem riesigen Kerl bewacht wurde. Gerade fertigte er ein Teenagerpärchen mit den Worten „‚nur für Volljährige“ ab. Sein Blick fiel auf mich und ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
„Na, Kleiner, ganz allein unterwegs?“, fragte er süffisant.
Eindeutig lüstern musterte er mich, was mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Ich hatte zwar schon Erfahrungen mit vergleichsweise hässlicheren Typen gesammelt, aber bloß aus der Not heraus. Zukünftig wollte ich mich nur noch von meinem Gefühl leiten lassen und genau das flüsterte mir in diesem Moment zu, dass ich besser nach Hause gehen sollte.
„Okay, geh rein“, ließ mich das Monster mit einem Achselzucken passieren.
Ich zögerte kurz, überwand dann aber meine Bedenken und schlängelte mich an ihm vorbei. Drinnen war es dunkel, außerdem waberte dichter Nebel. Schemenhaft erkannte ich auf der Tanzfläche Gestalten, die in den Laserblitzen wie zuckende Marionetten wirkten. Blinzelnd stolperte ich durch die Gästeschar und kam relativ unbehelligt am Tresen an. Relativ bedeutete, dass sich niemand direkt an meinen Weichteilen vergriffen hatte, sondern nur an anderen Körperpartien.
Der Barkeeper, der in lilafarbenen Pants und fast durchsichtigem Hemdchen hinter der Theke herumstand, taxierte mich, ähnlich wie der Türsteher, aber mit dem Unterschied, wohl eher meine Liquidität, denn Betttauglichkeit abzuschätzen.
„Na, Kleiner, was darf ich dir bringen?“, erkundigte er sich herablassend.
„Ein Bier“, brachte ich seltsam piepsig hervor. Meine Stimme war von der dicken Luft und Aufregung etwas mitgenommen.
Ich lehnte mich mit dem Hintern gegen einen Barhocker und ließ meinen Blick umher schweifen. Neben mir, einige Schritte entfernt, standen drei Typen mit finsteren Mienen. Vermutlich fanden sie sich selbst sehr cool. Ehrlich gesagt imponierte mir das. Mir fiel es schwer eine Maske aufzusetzen, vor allem, wenn ich mich unsicher fühlte. Schön blöd. Gerade dann sollte es mir eigentlich gelingen, aber es war nun mal andersherum.
Ich löste mich von dem Anblick der imposanten Gestalten und beobachtete die Tanzenden. Zuckende Leiber in den unterschiedlichsten Bekleidungszuständen. Von fast nackt bis total zugeknöpft war alles dabei. Um die Tanzfläche zog sich eine Art Speckgürtel aus Gästen, die ebenfalls den teils unterirdischen Darbietungen zusahen. Ich schenkte mehr der Zurschaustellung nackter Haut meine Aufmerksamkeit, als besonderem tänzerischem Können. Vermutlich ging es den Umstehenden genauso. Allerdings – wie schon erwähnt – war ich nicht, wo wie wohl viele der Anwesenden, auf der Suche nach einem anonymen Fick.
Der Barkeeper hatte mittlerweile eine Flasche auf den Tresen gestellt. Ich zückte meinen Geldbeutel und wollte gerade einige Münzen herauskramen, als sich ein Mann neben mir aufbaute. Es war einer der drei Typen, stellte ich mit einem kurzen Blick fest.
„Ich übernehme das!“, sagte er mit einer Stimme, die Befehle gewohnt zu sein schien.
Auf Streit war ich nicht aus, ohnehin finanziell klamm und murmelte daher: „Danke.“
Der Kerl nickte dem Barkeeper zu. Ein dreckiges Grinsen auf den Lippen, beäugte er mich von oben bis unten. Obwohl das mehr als dreist war, fuhr es mir direkt in den Magen und löste ein unerwünschtes Kribbeln aus.
Lauernd lüpfte er eine Augenbraue. „Du weißt, was ein Mann will, der dich auf einen Drink einlädt?“
Ich nickte und erwiderte keck: „Klar, aber ich bin nicht so leicht zu haben. Also: Danke, aber ich werde dir weder einen blasen, noch mich für dich bücken. Kapiert?“
„Freches Kerlchen.“ Die Augen des Mannes blitzten amüsiert. „Du ahnst nicht, was dir entgeht.“
„Kann sein, ist mir aber egal.“ Achselzuckend schnappte ich mir die Flasche und ließ ihn einfach stehen.
Es war doch immer das Gleiche. Typen, die dachten, sie könnten jeden haben, gingen mir auf den Geist. Ich sah gut genug aus, um mir meine Partner selbst auszusuchen.
Während ich langsam die Tanzfläche umrundete, bemerkte ich zahlreiche begehrliche Blicke, die mich streiften. Das gab mir einen Kick und stärkte mein eben gewachsenes Selbstbewusstsein noch mehr.
Irgendwann war mein Bier alle. Also kehrte ich zum Ausgangspunkt zurück, bestellte ein neues und spähte rüber zu meinem Gönner, der am anderen Ende des Tresens mit seinen Kumpeln herumlungerte. Eigentlich gefiel er mir, passte von Größe und Aussehen her gut in mein Schema eines Traummannes. Ich stand nun mal auf dunkle Locken und grüne Augen, sowie Männer, die mich etwas überragten. Seine arrogante Art stieß mich jedoch ab.
Neben ihm standen ein blonder Muskelprotz und ein Typ mit glattem braunem Haar. Wahrscheinlich waren die beiden genauso eingebildet, wie Mr. Obercool. Schließlich gesellte sich gleich und gleich gern. Es wäre ein Versuch wert das herauszufinden, außerdem hatte ich nichts Besseres zu tun.
In meiner Hand die Flasche Bier, die ich über meine Betrachtungen fast vergessen hätte, schlenderte ich langsam in Richtung des Trios, wobei ich den Braunhaarigen näher in Augenschein nahm. Der Mann wirkte eigentlich ganz sympathisch. Aus der Nähe betrachtet gefiel er mir sogar richtig gut. Ich stellte mich neben ihn an die Bar und wartete darauf, dass er mich ansprach.
„Hallo Kleiner!“ Mr. Obercool grinste anzüglich zu mir rüber. „Hast du es dir überlegt?“
„Kommt drauf an.“ Ich guckte zu dem Braunhaarigen hoch, der meinen Blick ruhig erwiderte.
„Hey, Dustin, da scheint jemand scharf auf dich zu sein“, mischte sich der Muskelmann ein.
„Ich ficke keine Kinder“, knurrte der Angesprochene.
„Hallo? Ich bin älter, als ich aussehe“, entrüstete ich mich und leerte, um meine Männlichkeit zu unterstreichen, die Bierflasche in einem Zug zur Hälfte.
„Trinken kann er jedenfalls wie ein Großer“, spottete der Muskelmann.
Mr. Obercool feixte. „Fragt sich nur, ob er das auch verträgt.“
Irgendwie stieg mir das Zeug verdammt schnell zu Kopf. Es fühlte sich an, als ob ich in einen Abgrund gesogen wurde. Meine Umgebung verschwamm, die Stimmen dröhnten verzerrt in meinen Ohren und der Boden unter meinen Füßen kippte...
Gleißende Helligkeit fraß sich durch meine geschlossenen Lider. Stöhnend rollte ich mich auf den Bauch und presste mein Gesicht ins Kopfkissen. Träge, wie durch Sirup, schwammen Gedankensplitter durch meinen Kopf. Solchen Zustand kannte ich in abgemilderter Form von verkaterten Morgen. Allmählich manifestierte sich mein Verstand zu einer einigermaßen funktionierenden Maschinerie, allerdings älteren Modells. Es fühlte sich an, als ob eingerostete Zahnrädchen langsam in Schwung kämen.
Eben befand ich mich noch im Sugar Shack, nun lag ich in einem Bett. Wie war ich hierhergekommen? Vorsichtig rollte ich mich auf die Seite und sah mich blinzelnd um. Das Zimmer war mir fremd, nichts kam mir bekannt vor. Gehörte es diesem Dustin, an den ich mich gerade erinnerte? Hatte er es sich überlegt und doch Lust gehabt mich zu vögeln? Wohl nicht, denn mein Arsch war unberührt. Oder hatte er bloß meinen Mund benutzt?
„Na, Kleiner, endlich wach?“, riss mich eine tiefe Stimme aus meinen Überlegungen.
Mr. Obercool trat in mein Blickfeld, setzte sich auf die Bettkante und strich mir, wie selbstverständlich, die Haare aus dem Gesicht. Ich zuckte zurück, woraufhin sofort ein stechender Schmerz durch meinen Schädel schoss. Hatte ich dermaßen viel getrunken? Ich konnte mich nur an zwei Bier entsinnen.
„Wie … wie bin ich hierhergekommen?“, verlangte ich krächzend zu wissen.
Mein Hals und das Sprechen taten weh. Wieder strich mir der Kerl über den Kopf, doch diesmal hielt ich lieber still.
„Ich hab dich, wie einen Sack Lumpen, über meiner Schulter getragen.“
„Aber … war ich betrunken?“
„Es sieht eher nach K.o.-Tropfen aus.“ Er seufzte, stand auf und schaute mit mitleidigem Gesichtsausdruck auf mich runter.
Obwohl ich schwer angeschlagen war kam ich nicht umhin, seinen perfekten Körper zu bewundern. Er trug nur Boxershorts, die tief auf seinen schmalen Hüften hingen. Seine Brust war breit und glatt, die Arme muskulös, genau wie seine Schenkel. Bei dieser Gelegenheit fiel mir auf, dass ich unter der Bettdecke nackt war.
„Hast du mich ausgezogen?“, fragte ich entsetzt.
Seine Mundwinkel hoben sich leicht. „Ja, hab ich. Aber keine Sorge, du bist immer noch Jungfrau.“
„Ha-ha!“ Ich blitzte ihn so böse an, wie es mir in meinem Zustand möglich war.
„Ich hol dir mal eine Schmerztablette.“ Er ging zur Tür, wo er sich kurz umwandte und mit dem Kinn in eine Ecke des Zimmers wies. „Deine Klamotten liegen da, auf dem Stuhl.“
„Danke“, murmelte ich.
Als er fort war versuchte ich mich aufzurichten, sank aber gleich wieder ins Kissen. Mein Magen rebellierte, außerdem wurde mir schwindelig. Mein Retter – oder trug er die Schuld an meinem Blackout? – kam zurück und ließ sich auf der Bettkante nieder.
„Mund auf!“, befahl er und hielt mir eine Tablette vor die Nase.
Ich ließ zu, dass er sie zwischen meine Lippen schob und nahm das mir entgegengestreckte Glas entgegen. Mit einigen Schlucken gelang es mir, das verteufelt dicke Ding durch meine Kehle zu spülen. Anschließend reichte ich ihm das leere Wasserglas zurück und schloss meine Augen.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte er leise.
„Danny.“
„Ich bin Baxter.“
„Netter Name.“ Ich hob ein Lid und ertappte ihn bei einem ziemlich anziehenden Lächeln, das jedoch gleich wieder zugunsten einer neutralen Maske verschwand.
„Wie alt bist du?“
„Fünfundzwanzig“, antwortete ich.
Meine Kehle tat, dank des kühlen Wassers, weniger weh, dennoch mochte ich nicht viel sprechen. Es kratzte im Hals, zudem machte sich Schlafbedürfnis bemerkbar, nun, wo ich mich in anscheinend in Sicherheit befand.
„Soll ich dich noch ein bisschen schlafen lassen?“
Ich nickte bloß und drehte ihm den Rücken zu.
Dieser Danny – er gefiel mir. Eigentlich entsprach er nicht meinem üblichen Beuteschema, war zu klein für meinen Geschmack, weckte aber eine unbekannte Seite in mir. Eine, die ich bisher Weicheiern zugeschrieben hatte. Wenn ich ihn ansah empfand ich Zärtlichkeit, statt Geilheit. Gut, scharf war ich auch auf ihn, ohne Frage, doch das stand im Hintergrund.
Gestern, als er plötzlich in sich zusammensackte, hatte ich ungeahnte Reaktionsschnelligkeit entwickelt, um ihn aufzufangen. Eine beeindruckende Leistung. Jedenfalls staunten meine Freunde nicht schlecht und sinnierten, als sie mir halfen den reglosen Danny aus dem Laden zu schaffen, ob ich Vampirblut in mir trüge. Diese Scherzkekse.
Zum Glück lag meine Wohnung nur zwei Häuser entfernt, sonst wäre mir der schlanke, jedoch kernige Danny zu schwer geworden. So konnte ich ihn problemlos und dank Jules, der für mich die Türen aufschloss, nach Hause schleppen.
Zugegeben: Danny auszuziehen hatte ich sehr genossen und die Augen dabei natürlich nicht zugemacht. Er war ein hübscher Kerl, mit einem sexy Körper und ansehnlichem Schwanz. So sehr es mir auch in den Fingern juckte, hatte ich es mir doch verkniffen ihn anzufassen. Sich an Bewusstlosen zu vergreifen, widersprach selbst meinen lockeren Moralvorstellungen.
Danny war wieder eingeschlafen. Eine Weile blieb ich sitzen und überlegte, wer ihm das verdammte Zeug ins Bier getan haben könnte. Björn hatte geschworen, es weder gewesen zu sein, noch jemand dabei beobachtet zu haben.
Schließlich stand ich auf und schlenderte ins Wohnzimmer, wo sich mein Arbeitsplatz befand. Bis zum Abend musste ich noch am Programm für den August und September arbeiten sowie ein paar wichtige Telefonate führen. Das Sugar Shack lief bombig und so sollte es auch bleiben. Inzwischen hatte ich zwar bereits ein kleines Vermögen aus den Überschüssen angehäuft, aber es reichte nicht, um mich jetzt schon, mit achtundzwanzig, zur Ruhe zu setzen.
Als ich abends einen kurzen Blick ins Schlafzimmer warf, pennte Danny immer noch. Er hatte sich tief in den Decken vergraben, nur sein blonder Schopf lugte hervor. Bevor es nachher auf die Piste ging, wollte ich auch ein wenig Schlaf tanken. Ich zog mich bis auf meine Shorts aus und legte mich neben Danny. Den Wecker stellte ich auf zehn Uhr, dann schnupperte ich an ihm. Danny roch selbst in diesem Zustand verdammt gut.
Ohne Weckerklingeln wurde ich später wieder wach, dicht an Danny geschmiegt. Anscheinend hatte ich unbewusst seine Nähe gesucht. Erneut drang sein angenehmer Duft in meine Nase. Schlaftrunken rieb ich meine erwachende Erektion an seiner Hüfte und schlang einen Arm um seine Taille. Danny regte sich ein wenig und drehte den Kopf in meine Richtung, ohne die Augen zu öffnen.
Aus einem Impuls heraus legte ich meinen Mund auf seinen und küsste ihn sanft. Er stöhnte leise, was ich als Zustimmung wertete. Ich fuhr die Kontur seiner Lippen mit meiner Zunge nach, knabberte an ihnen und wanderte tiefer, übers Kinn zu seiner Kehle und biss spielerisch in die zarte Haut.
Unter meinen Liebkosungen entbrannte Danny. Er stieß einen lustvollen Laut aus, wandte sich ganz zu mir um und presste seinen harten Schwanz gegen meinen Bauch. Es machte mich an, wie stark er auf mich reagierte. Ich hinterließ einen Pfad von Küssen auf seiner Brust, bis hin zum Bauchnabel, wo ich auf seine Schwanzspitze stieß. Genüsslich leckte ich den glasklaren Tropfen auf, der aus dem kleinen Schlitz quoll. Mit meiner Zunge versuchte ich, der winzigen Öffnung noch mehr des leckeren Saftes zu entlocken. Danny stöhnte dabei, Musik in meinen Ohren. Gemächlich nahm ich seine Härte in den Mund, gleichzeitig legte ich eine Hand um seine prallen Eier.
„Baxter!“ Danny griff in meine Haare und zog daran. „Hey, lass das!“
Er gab nicht auf, bis ich von ihm abließ und hochrutschte. Schwer atmend, die Augen verschleiert, sah er mich an. Wieso wollte er es nicht, so erregt wie er war?
„Was ist denn mit dir los? Jeder Kerl träumt davon, von mir einen geblasen zu bekommen“, wollte ich beleidigt wissen.
„Ich bin nicht jeder und träumen tue ich garantiert auch nicht davon.“
Feixend, um zu überspielen, dass er mich gekränkt hatte, schwang ich die Beine aus dem Bett und angelte nach meinem T-Shirt. Ich schlüpfte hinein und warf einen Blick über die Schulter zu Danny, der mich erbost anguckte.
„Ich krieg dich schon noch dahin, wo ich dich hinhaben will“, behauptete ich, stand auf und ging betont gemächlich aus dem Zimmer.
Danny verwirrte mich total. Eben war ich kurz davor gewesen, ihm ohne Gummi einen Blowjob zu verpassen. Etwas, was ich noch nie getan hatte, außer in meiner Jugend, als hormongesteuerter und verantwortungsloser Bengel.
In der Küche setzte ich einen Kaffee auf und guckte im Kühlschrank nach, ob es nennenswerte Vorräte gab. Mal wieder war – außer einem Glas saurer Gurken sowie einem Stück vertrocknetem Käse – das Ding gähnend leer. Ich beschloss im La Paloma etwas zu essen, bevor ich in den Club ging. Sicher hingen Jules oder Dustin auch dort rum, dann hatte ich wenigstens Gesellschaft dabei.
„Darf ich hier duschen?“, erklang Dannys Stimme aus dem Flur.
Ich warf einen Blick durch die Tür, sah Danny in Shorts vorm Schlafzimmer stehen und sich übers Gesicht reiben. „Klar, fühl dich wie zuhause.“
Kurz darauf hörte ich die Brause losrauschen. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen lief ich zum Bad. Die Tür war nur angelehnt, so dass ich durch einen Spalt in den Raum spähen konnte. Dichte Dampfschwaden drangen aus der Duschkabine. Hinter den beschlagenen Scheiben erkannte ich schemenhaft Dannys schmalen Körper und prompt zuckte mein Schwanz. Ich ließ alle Hüllen fallen, um mich zu ihm in die Kabine zu drängeln. Erschrocken wich er zurück und geriet dadurch auf der glatten Emaille ins Rutschen. Ich bewahrte ihn vor einem Fall, drückte ihn an meine Brust und erstickte seinen Protest mit meinem Mund.
Schon nach der ersten Berührung wurde Danny weich und anschmiegsam. Leidenschaftlich erwiderte er meine Küsse. Seine Finger glitten in meinen Nacken und streichelten die empfindliche Haut unterhalb meines Haaransatzes. Seine freiwilligen Liebkosungen zu spüren, war unglaublich schön. Stöhnend vertiefte ich den Kuss, spielte mit seiner Zunge und verlor mich in der Süße seines Mundes.
Mein harter Schwanz schmerzte vor Erregung. Ich stieß ihn, in imitierten Fickbewegungen, gegen Dannys Bauch. Plötzlich schlossen sich Finger um meine Härte, was mich vor Geilheit aufkeuchen ließ. Ich fuhr ebenfalls mit einer Hand zwischen uns, umfasste seine Länge und massierte sie so, wie ich es selber brauchte. Gegenseitig trieben wir uns auf den Abgrund zu, kamen nahezu gleichzeitig und sauten unsere Bäuche ein. Der warme Duschstrahl spülte das Ergebnis in den Abfluss, während ich mich kraftlos an Danny festhielt, der ebenso erledigt an mir lehnte.
„Du hast mich überrumpelt“, murmelte er schließlich.
Ich strich ihm die nassen Strähnen aus dem Gesicht. „Tut mir leid. Bist du jetzt sauer?“
Er grinste schief. „Warum sollte ich? Wir hatten ja beide was davon.“
Das klang in meinen Ohren ziemlich ernüchternd. Damit er sich in Ruhe waschen konnte, verließ ich die Duschkabine und trocknete mich ab. Ein Handtuch um die Hüften geschlungen, lief ich in die Küche und schenkte mir einen Kaffee ein.
Ich setzte mich an den Tisch und überlegte, wieso mit Danny alles anders war. Bisher konnte ich die Nähe eines Sexpartners nur so lange ertragen, bis ich abgespritzt hatte. Danny befand sich sogar in meiner Wohnung, dennoch spürte ich kein Verlangen ihn loszuwerden. Im Gegenteil: Die Vorstellung, dass er ging, behagte mir gar nicht.
Als ich meinen Becher halb geleert hatte, tauchte Danny im Türrahmen auf. „Hast du für mich auch einen Kaffee?“
Seine Haare waren ganz strubbelig und standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab, was ihn noch jünger wirken ließ. Mein Herz stolperte bei diesem Anblick. Ich schrieb das dem Koffein zu und beschloss, es bei dem einen Kaffee zu belassen.
„Bedien dich ruhig.“
Danny füllte den zweiten Becher, nahm mir gegenüber Platz und trank einen Schluck, den Blick gesenkt.
„Ich habe nicht rausfinden können, wer das Zeug in dein Getränk getan hat“, gestand ich, nur um etwas zu sagen.
„Ist doch klar, dass es der mit der lila Hose war. Wer sonst könnte es gewesen sein? Ich werde mit dem Besitzer des Sugar Shack reden. So einfach soll der Typ nicht davonkommen.“
Ich seufzte. „Du sprichst gerade mit ihm.“
Seine Augen weiteten sich ungläubig. „Du bist das?“
„Richtig. Mir gehört der Laden.“
„Du weißt, dass es nur der Typ gewesen sein kann. Jetzt deckst du ihn auch noch. Der hätte mich beinahe umgebracht“, schimpfte Danny.
„Na, na“, beschwichtigte ich ihn. „Gestorben wärst du wohl kaum an dem Zeug. Du hättest nur eine Beule am Kopf, wenn ich dich nicht aufgefangen hätte.“
„Na, Dankeschön!“ Danny knallte den Becher derart hart auf den Tisch, dass etwas braune Brühe herausspritzte. „Vielen Dank auch, dass du mich davor bewahrt hast. Ich verschwinde.“
Er sprang auf und stürmte aus dem Raum. Bevor ich auch nur einen Finger krümmen konnte, fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Baxter war anders, als nach meiner ersten Einschätzung. Seine liebevolle Fürsorge und vor allem seine Zärtlichkeit hatten Eindruck bei mir hinterlassen. Bevor er mir gefährlich werden konnte, musste ich unbedingt weg. Einen Streit vom Zaun zu brechen, war ein guter Einfall gewesen, auch wenn es mir hinterher leidtat. Er hatte mich immerhin davor bewahrt, bewusstlos einer Meute Männer ausgeliefert zu sein. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn er sich nicht um mich gekümmert hätte.
Trotz des sommerlichen Wetters fröstelte ich und schlug den Kragen meiner Jeansjacke hoch, als ich die Friedrichstraße hinunterlief. Es war erst neun Uhr abends, doch die Nutten standen bereits parat und baggerten jeden Mann an, der an ihnen vorbeikam. Ich machte einen großen Bogen um die Damen und atmete erleichtert auf, als ich die Reeperbahn erreichte. Dort war noch nicht viel los. Lediglich einige Touristen schlenderten umher und ein paar Bettler saßen auf den üblichen Plätzen.
Ich ging zur U-Bahnstation St. Pauli, lief die Treppen zum Bahnsteig hinunter und hatte das Glück, dass ein Zug gerade hielt. Während ich nach Hause fuhr, dachte ich über Baxter nach. Was war er für ein Typ? Er konnte nicht wesentlich älter sein als ich, trotzdem gehörte ihm das Sugar Shack. Vielleicht besaßen seine Eltern Geld.
Im Ganzen wirkte er auf mich so, als ob er sich nahm, was er haben wollte. Das hatte er unter der Dusche bewiesen, wobei ich jedoch erhebliche Mitschuld trug. Ich hätte mich sogar, von seinen Küssen total betört, für ihn gebückt. Zum Glück wusste er das nicht und das sollte auch so bleiben. Falls ich je wieder ins Sugar Shack ging, dann bestimmt in Begleitung, um eine weitere Konfrontation unter vier Augen zu vermeiden.
Gegen zehn kam ich daheim an. Der Anrufbeantworter blinkte und es roch unangenehm abgestanden in meiner Bude. Ich riss alle Fenster auf und hörte die Nachrichten ab. Gestern hatte kein Schwanz Lust auf weggehen gehabt, dafür schien heute richtiges Ausgehfieber ausgebrochen zu sein. Ich rief John, meinen besten Freund, zurück und erfuhr, dass er bereits verabredet war und das ausgerechnet, um ins Sugar Shack zu gehen. Na toll! Ich hatte also die Auswahl zwischen meiner Couch und dem Laden, den ich zumindest vorläufig gern gemieden hätte.
„Hey, schön, dass du mitkommst“, begrüßte mich John, der mit den anderen am Ausgang des Bahnhofs St. Pauli auf mich wartete.
Vor ungefähr zwei Stunden war ich von hier losgefahren, mit dem festen Vorsatz, nicht so bald in das Viertel zurückzukehren. Soweit zu meiner Charakterstärke. Ich lief als Schlusslicht hinter der Clique her, die Reeperbahn entlang. An der Davids-Wache bogen wir links ab und gerieten damit ins Revier der käuflichen Damen.
Meine Kumpels machten sich einen Spaß daraus, deren Avancen frech zu begegnen. Ich hingegen hielt mich von ihnen fern und war froh, als wir die Friedrichstraße erreichten. Schon von weitem sah ich die grelle Neonreklame des Sugar Shack und merkte, dass mein Herzschlag einen schnelleren Takt aufnahm. Obwohl ich mich dafür hasste, fieberte ich einem Wiedersehen mit Baxter entgegen.
Der Türsteher grinste mich unerwartet nachsichtig an. „Na, Kleiner. Schön, dass du wieder auf eigenen Beinen stehst.“
John flüsterte mir ehrfürchtig zu: „Du kennst den?“
Auch die anderen schienen schwer beeindruckt. Das ging einerseits runter wie Öl, andererseits war mein Ruhm garantiert Geschichte, wenn sie die näheren Umstände erfuhren. Damit würde ich nur noch Spott ernten.
„Ihr könnt rein.“ Mein neuer Freund und zwinkerte mir vertraulich zu, als wir an ihm vorbeigingen.
Diesmal waren Nebel und Stroboskop keine Überraschung. Zielstrebig steuerte ich den Tresen an, hinter dem heute ein anderer Typ stand. Möglichst unauffällig hielt ich nach Baxter Ausschau, aber er schien nicht da zu sein. Entweder war es noch zu früh oder er glänzte heute durch Abwesenheit.
„Ein Wasser, bitte“, rief ich dem Barkeeper zu.
Erstaunt hob John die Augenbrauen. „Was ist denn mit dir los?“
„Hab gestern ein bisschen über die Stränge geschlagen.“
„Ah so.“ Er wandte sich zur Bar, um ebenfalls seine Bestellung aufzugeben.
Neben Mark war er derjenige unter meinen Freunden, der definitiv auch auf Männer stand. Den Rest würde ich als grundsätzlich nicht ganz abgeneigt bezeichnen. Beispielsweise Oskar, der bereits auf der Tanzfläche herumzappelte, hatte schon mal einen Freund gehabt. Davor allerdings eine Frau. Andi, bisher meines Wissens ein unbeschriebenes Blatt, guckte sich interessiert um und Mark brütete stumm vor sich hin. Bei dem war irgendetwas mit seiner Beziehung im Argen, aber er sprach nie darüber.
Erneut scannte ich die Umgebung, vergeblich auf der Suche nach Baxter. Es hatte keinen Sinn es weiter zu leugnen: Ich war ihm total verfallen.
In der folgenden Stunde, ich zählte zugegebenermaßen die Minuten, verbarg ich meine wachsende Unruhe. Gespielt gelassen scherzte ich mit meinen Freunden, nippte am Wasser und versuchte mich zu amüsieren. Es gelang einfach nicht. Baxter war ständig, obwohl abwesend, präsent. Vielleicht sollte ich besser verschwinden, bevor ich etwas Dummes tat, wie meinen Frust in Alkohol zu ertränken.
John hatte bereits reichlich getankt und flirtete auf der Tanzfläche heftig mit einem Mann, den ich bei näherem Hinsehen als Jules, einen von Baxters Freunden, identifizierte. Prompt keimte neue Hoffnung auf. Ich schaute mich um, entdeckte Dustin und dann ... dann ihn.
Alles um mich herum geriet in den Hintergrund. Wie benebelt stand ich da und sah Baxter auf mich zukommen. Seine Augen zogen mich in ihren Bann und um seine Lippen spielte ein triumphierendes Lächeln, aber das war mir gerade scheißegal. Ich sehnte mich so sehr nach seinem Mund.
Als wären wir ewig getrennt gewesen, stürzte ich mich in seine Arme. Unsere Lippen trafen zu einem wilden Kuss aufeinander, was ein Kribbeln in meiner Körpermitte auslöste. Baxter blieb auch nicht unbeteiligt: Ich spürte seine Erektion an meinem Unterleib. Selig klammerte ich mich an ihn, während unsere Küsse zum sanften Schmusen verkamen. Schließlich löste Baxter den Mund von meinem.
„Mensch, Danny! Ich hab nicht mal deine Telefonnummer“, stieß er rau hervor.
Ich grinste zu ihm hoch, in diesem Moment unsinnig glücklich. „Ja und? Willst du etwa Telefonsex mit mir?“
Schmunzelnd legte Baxter einen Arm um meine Taille und zog mich zur Bar.
„Bring mir bitte zwei Tequila“, instruierte er den Barkeeper, bevor er sich wieder mir zuwandte. „Du gefällst mir“, murmelte er, wobei er etwas unbeholfen mit den Fingerknöcheln über meine Wange strich. „Ich hätte gerne ein Arrangement mit dir. Du bleibst bei mir, bis einem von uns langweilig wird. Was hältst du davon?“
Ein Kübel Eiswasser hätte den gleichen Effekt gehabt. Ich suchte in seiner Miene nach Anzeichen, dass er sich einen Spaß mit mir erlaubte. Er sah mich jedoch ernst an, nur in der einen Wange zuckte ein Muskel, ansonsten keinerlei Gefühlsregung. Nichts erinnerte mehr an den Mann, der mich eben noch leidenschaftlich geküsst hatte.
„Ein … Arrangement?“, echote ich lahm.
„Okay, das klingt ein wenig gestelzt. Sagen wir … eine Vereinbarung.“ Baxter nickte dem Barkeeper, der inzwischen zwei Gläser auf den Tresen gestellt hatte, zu und schob eines zu mir rüber.
Die hochprozentige Stärkung kam gerade richtig. Ich kippte das Zeug in einem Zug runter. Wohltuend brannte der Tequila in meiner Kehle und schien in meinem Inneren einen Hebel umzulegen, so dass ich mich der nüchternen Realität stellen konnte.
„Du willst mich vögeln … auf Zeit?“, hakte ich nach.
„Klingt nicht schön, wenn du das so sagst“, brummelte Baxter und runzelte die Stirn.
„Aber es entspricht den Tatsachen.“
Er seufzte genervt und fuhr sich durchs Haar. Einen Moment bildete ich mir ein, einen Funken Verzweiflung in seinen Augen aufglimmen zu sehen, doch schon senkte sich erneut die undurchdringliche Maske.
„Also gut, nennen wir es beim Namen: Ich bin scharf auf dich und will dich mehr als einmal ficken. Verdammt, das ist mir noch nie passiert!“
„Ich weiß nicht, ob ich das auch will“, erwiderte ich leise und wandte ihm den Rücken zu.
„Danny …“ Seine dunkle Stimme erklang direkt an meinem Ohr, was eine Gänsehaut an meinem ganzen Körper erzeugte. „Überleg es dir, bitte. Hier ist meine Visitenkarte.“
Baxter steckte etwas in die hintere Tasche meiner Jeans, dann spürte ich, dass er sich entfernte.
Vollkommen blind für meine Umgebung stand ich da. Immer wieder rempelten Gäste mich an, aber ich war nicht in der Lage mich von der Stelle bewegen. Wie hatte ich bloß annehmen können, dass Baxter – der großartige Baxter, Besitzer des Sugar Shack – etwas anderes als Geilheit für den unwichtigen Danny Krogmann empfand? Ich war so was von dumm und kam mir vor wie eine kleine graue Maus, die sich gern in irgendein Loch verkrochen hätte.
Plötzlich ließ mich Johns betrunken gesäuseltes „Hey, Dannylein!“ zusammenzucken. Er schlang einen Arm um meine Schultern. „Ich geh mit Jules in den Darkroom. Mann, der Kerl ist ja so was von geil. Kommst du zurecht?“
„Geht so“, antwortete ich wahrheitsgemäß
„Dann ist ja gut“, murmelte mein Freund abwesend, klopfte mir auf den Rücken und huschte davon.
Von der Ecke aus, in die ich mich verkrochen hatte, beobachtete ich Danny, der wie betäubt dastand. Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen und hätte ihn wieder in meine Arme gezogen, doch das verbat ich mir. Was diesen Mann betraf, war ich für meinen Geschmack viel zu schwach. Wir kannten uns doch erst seit gestern. Trotzdem: Wenn ich ihn ansah, schnürte es mir den Brustkorb zusammen, in meinem Bauch entstand wildes Flattern und mein Schwanz erstarrte zu einem Betonpfeiler. Letzteres war nichts Neues, bei anderen auch so gewesen, bis auf den Härtegrad.
Einer von Dannys Kumpeln kam an und legte einen Arm um seine Schultern. Eifersucht stieg in mir hoch, obwohl der Typ vorher mit Jules geflirtet hatte. Danny sagte etwas, woraufhin sein Freund in Richtung Darkroom eilte. Zuvor hatte ich Jules dorthin entschwinden sehen. Angespannt beobachtete ich, wie Danny an den Tresen trat und mit Pascal redete, der heute an Björns Stelle arbeitete. Gleich darauf schob Pascal ein Gläschen Hochprozentiges über die Theke und ich entschied einzuschreiten, damit kein weiteres Unglück geschah. Ich nahm zwar nicht an, dass erneut K.o.-Tropfen im Getränk landeten, aber ein sternhagelvoller Danny war ebenfalls inakzeptabel.
So schnell wie möglich drängelte ich mich durch die Gästeschar. Bis ich bei Danny ankam, war das Glas leer und Pascal dabei, ein weiteres zu füllen. Ich bezog neben ihm Aufstellung und bedeutete meinem Angestellten mit einem Kopfschütteln, keinen weiteren Alkohol an diesen Gast auszuschenken.
„Wie hast du dich entschieden?“, wandte ich mich an Danny.
Ein entschlossener Ausdruck trat auf seine Miene und er klang sehr kühl, als er zurückgab: „Lass uns zu dir gehen und ficken.“
Endlich kurz vorm Ziel meiner Wünsche wartete ich ungeduldig, bis Danny einem Kumpel Bescheid gesagt hatte und mir zum Ausgang folgte. Ich war so auf das eine fixiert, dass ich weder den Weg vom Club in meine Wohnung, noch den ins Schlafzimmer hinterher rekonstruieren konnte. Das einzige was zählte war, dass Danny vor meinem Bett stand und ich ihn gleich vögeln würde.
Hastig riss ich mir die Sachen vom Leib, ohne dabei Danny, der etwas langsamer meinem Beispiel folgte, aus den Augen zu lassen. Nackt krabbelte er aufs Bett und drehte mir den Rücken zu. Das gab mir Gelegenheit, seinen scharfen Hintern ungestört zu betrachten. Ich kniete mich auf die Matratze und ließ meine Finger über die glatte Haut der Backen gleiten.
Dannys Haut war so zart, wie die eines Babys. Okay, ich hatte keinen Vergleich, stellte es mir aber so vor. Während ich ihn weiter streichelte, verteilte ich Küsse auf seinem Rücken, bis hoch zum Nacken. Ich konnte nicht genug davon bekommen, ihn berühren zu dürfen. Danny stöhnte leise unter meiner Behandlung. Die anfängliche Starre wich und er begann sich unruhig zu bewegen. Triumphierend umfasste ich sein Becken und zog ihn hoch, auf alle Viere.
Flink rollte ich ein Kondom über meine Erektion und schnappte mir das Gleitgel. Meine Finger zitterten vor Ungeduld, als ich das Zeug großzügig auf dem Gummi und in Dannys Spalte verteilte. Beide Hände an seine Hüften gelegt, brachte ich mich hinter ihm in Position und drückte meine Schwanzspitze gegen den engen Muskel. Mit einem beherzten Ruck überwand ich den ersten Widerstand. Schmerzerfüllt stöhnte Danny auf und verkrampfte sich.
Unter Aufbietung all meiner Selbstbeherrschung wartete ich, bis die Enge nachgab. Quälend langsam schob ich mich weiter vor. Schweißperlen sammelten sich auf meiner Oberlippe und mein Herz klopfte wie verrückt. Zuzusehen, wie ich ganz in Danny versank, war ein irres Gefühl. Ich wünschte, ich wäre der Erste, der dies hier mit ihm tat. Ein blöder Gedanke, dennoch wurde ich ihn nicht mehr los.
Danny stöhnte leise und wackelte auffordernd mit dem Hintern. Mehr brauchte es nicht, um meinen gut geölten Motor in Betrieb zu setzen. Ganz langsam schob ich das Becken vor und zurück. Rein und raus, in Zeitlupe. Allmählich steigerte ich das Tempo, wobei mir aus sämtlichen Poren der Schweiß trat. Das Blut pochte in meinen Ohren, ein anschwellendes Stakkato, das sämtliche andere Laute ausblendete.
Ich griff um Danny herum, umschloss seinen Schwanz und massierte ihn in dem Takt, in dem ich ihn fickte. Das steinharte Teil zuckte in meiner Faust. Er würde nicht mehr lange durchhalten, ich allerdings auch nicht. Ich stieß härter zu, zugleich umfasste ich ihn fester. Meine Muskeln versteiften sich. Ich spürte, wie der Saft stieg.
Dannys halblauter Aufschrei, die plötzliche Enge um meinen Ständer, katapultierten mich zum Höhepunkt. Klebriges Nass lief über meine Finger. Ich stöhnte seinen Namen und ergoss mich ergiebig in das Gummi. Bebend und atemlos ließ ich mich nach vorn sinken, um Danny zu umarmen.
„Ich bin ... bin gestorben und im ... im Himmel“, flüsterte ich abgehackt in sein Ohr.
Langsam sackte ich, mit ihm im Arm, auf die Seite, so dass er an meiner Brust zu liegen kam. Ich hauchte ihm Küsse auf Hals und Ohrmuschel, bis er den Kopf soweit drehte, dass ich seine Lippen erreichen konnte. Mit allen Sinnen genoss ich diesen seligen Moment, in dem ich, noch tief in ihm verankert, sanfte Küsse mit ihm tauschte. Noch nie hatte sich etwas besser angefühlt.
„Kann ich kurz bei dir duschen?“ Dannys nüchtern gestellte Frage riss mich aus dem Glückstaumel.
Etwas irritiert zog ich mich aus ihm zurück und setzte mich auf, um das Kondom zu entsorgen. „Klar.“
Er kletterte vom Bett und verschwand in Richtung Bad. Kurz überlegte ich ihm zu folgen, aber vielleicht brauchte er ein paar Minuten für sich. Irgendwie wirkte er unsicher, als hätte er das hier gar nicht gewollt. Genossen hatte er es allerdings, das konnte ich bezeugen. Zumindest war er gekommen, für mich ein sicheres Zeichen dafür, ihn zufriedengestellt zu haben.
Es erschien mir ewig, bis Danny endlich zurückkehrte. Anstatt sich wieder zu mir zu legen, bückte er sich nach seiner Shorts und stieg hinein. Auch während er seine restlichen Sachen anzog, mied er meinen Blick. Ich sah stumm zu. Sein Verhalten verletzte mich, was mir zu denken gab. Dieser Mann brachte in mir immer mehr Saiten, von deren Existenz ich sehr überrascht war, zum Klingen.
„Ich geh dann mal.“ Danny sah mich an, die Miene beherrscht, nur seine Augen verrieten Verunsicherung.
„Was ist mit unserer Vereinbarung?“, fragte ich leise.
Er schüttelte den Kopf. Damit hatte ich zwar gerechnet, dennoch tat es weh.
„Du kannst trotzdem bleiben, wenn du möchtest“, bot ich an.
Morgen früh würde ich ihn schon rumkriegen, einer längerfristigen Vereinbarung zuzustimmen. Er musste nur einmal bei mir schlafen. Wieso ich mir dessen so sicher war? Ich spürte es einfach. Vielleicht war es auch nur Selbstüberschätzung.
„Nein, lass mal. Mach‘s gut.“ Zum Abschied nickte er mir knapp zu, drehte sich um und schon hörte ich die Wohnungstür ins Schloss fallen.
Sein Weggehen hinterließ eine Leere, die ich nicht lange ertrug. Nach wenigen Minuten stand ich auf und zog mich an. Ich ging zurück ins Sugar Shack, wo ich mich, bis der Morgen graute, volllaufen ließ. Dustin musste mich nach Hause bringen, ich hätte den Weg allein nicht gefunden. Wie eine liebevolle Mutter sorgte er dafür, dass ich in meinem Bett landete. Kaum berührte mein Kopf das Kissen, sackte ich in Morpheus‘ Arme.
„Hey Baxter, hier ist eine Olivia Junes für dich am Telefon.“
Stöhnend befreite ich mich aus der Bettdecke und griff nach dem Hörer, den Dustin, der wohl auf der Couch genächtigt hatte, mir hinhielt. Nach ein paarmal Räuspern fand ich einigermaßen meine Stimme wieder und krächzte: „Ja?“
„Aaaaah, Baxter, mein Lieber!“, säuselte Olivia affektiert. „Erwische ich dich auf dem falschen Fuß?“
„Was gibt’s so früh am Morgen?“, brummelte ich ungnädig.
„Also, es ist bereits Mittag und ich rufe lieber später wieder an. Du klingst mir zu mürrisch, Darling.“ Das Biest legte einfach auf.
Ich ließ das Mobilteil sinken und rieb mir über die Stirn. Dem Kater nach zu urteilen, der meinen Schädel schier sprengen wollte, hatte ich gestern die gesamten Tequilavorräte des Sugar Shack vernichtet.
„Oh Schatz, ich hol dir eine Aspirin“, flötete Dustin.
Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, was er leider nicht mitbekam, da er schon auf dem Weg aus dem Zimmer war. Mit einem Glas Wasser kam er wenig später zurück und ließ sich auf der Bettkante nieder. Während er mir eine Tablette zwischen die Lippen schob, musterte er mich nachdenklich.
„Fag fetzt nifts“, warnte ich ihn und griff nach dem Wasserglas.
„Versprich mir, dass du nicht die ganze Woche deinen Liebeskummer ertränkst“, bat Dustin ernst.
Ein denkbar ungünstiger Augenblick, um mich mit meinem Zustand zu konfrontieren. Die Pille blieb mir in der Kehle stecken. Ich hustete, bis mich Dustin mit einem gezielten Schlag auf den Rücken vor einem Erstickungstod rettete. Anschließend flößte er mir Wasser ein, bis ich ihm mit einer herrischen Geste weitere Zufuhr verbat.
„Du spinnst“, kam ich auf seine ungeheuerliche Anschuldigung zurück.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock by Lars Rogmann
Lektorat: Aschure - dankeschön!
Tag der Veröffentlichung: 19.01.2013
ISBN: 978-3-7309-9760-4
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