Cover

Wahre Liebe gibt es nur unter Männern

Band 2


Überarbeitete Geschichten aus dem Buch Hamburg - Dänemark - 4 homoerotische Liebesgeschichten + Gayles Bjerringbro aus 5 schwule Lovestorys, garantiert nicht sexfrei


Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.


Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Foto: depositphotos

Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/

https://www.sissikaipurgay.de/


Gayles Viborg

Dänemark: Ein gemütliches Land mit einer wunderschönen Sprache. Gregory möchte seine Kenntnisse vertiefen und nimmt an einem entsprechenden Kurs in Viborg teil. Norman möchte ebenfalls Dänisch lernen. In dem Seminarzentrum treffen sie aufeinander.

Norman

Der Bus rollte durch die liebliche, dänische Landschaft. Durchs Fenster sah ich sanfte Hügel, Felder und Ansammlungen von Bäumen. Vereinzelt standen Häuser, die sich in das Bild einfügten, als wäre ich nicht in der Wirklichkeit, sondern auf einer Modelleisenbahnanlage unterwegs.

Behaglich streckte ich meine Beine aus und warf meinem Sitznachbarn einen kurzen Blick zu. Er hatte sich wortlos neben mich gesetzt, bevor wir von dem Bildungszentrum für Erwachsene losgefahren waren.

„Det er Hö (Das ist Heu)“, erklang die Stimme unseres Herbergsvaters Preben über das Bordmikrophon, zugleich wies er nach rechts aus dem Fenster.

Die Ernsthaftigkeit und großartige Geste, mit der er seine Erklärung vortrug, brachte mich zum Schmunzeln. Der Busfahrer lachte, was Preben kommentierte: „Michael, unser Fahrer, freut sich, dass ich euch alles so schön erkläre.“

Weiterhin grinsend betrachtete ich einige Heuballen, die jemand übereinander geschichtet und wie ein Brautpaar ausstaffiert hatte. Jeweils zwei bildeten Körper und Kopf. Auf dem einen lag ein Zylinder, auf dem anderen ein weißer Spitzenschleier. Dazu trug das Heu-Paar einen Frack und ein Brautkleid. Vermutlich würden sie sich gleich in der Scheune trauen lassen, um ein langes, erfülltes Leben auf dem Heuschober zuzubringen.

„Det er gift“, meinte mein Sitznachbar.

„Wie bitte?“, erkundigte ich mich irritiert.

„Das heißt, sie sind verheiratet“, erklärte der Typ lächelnd.

Er war mir bereits gestern aufgefallen, mit seinen langen, dunklen Haaren, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Eine dicke Hornbrille saß auf seiner schmalen Nase, durch deren Gläser mich braune Augen musterten.

Ich hakte nach: „Du kannst dänisch?“

Er schüttelte den Kopf. „Nur ein bisschen. Es reicht nicht für eine anständige Unterhaltung.“

„Ach.“ Ich seufzte. „Dann kannst du schon mehr als ich. Ich verstehe kein Wort von dem, was Preben uns erzählt.“

Er gluckste. „Das wird schon noch. Nach den fünf Tagen wirst du fließend Dänisch sprechen, glaub mir.“

„Dein Wort in Gottes Ohr“, murmelte ich.

„Ich bin Gregory“, stellte sich mein Nachbar vor.

„Norman“, erwiderte ich. „Und ich glaube, wir müssen aussteigen.“

Der Bus hatte inzwischen gehalten und es entstand Bewegung. Gregory stand auf, um sich den Passagieren anzuschließen. Ich folgte ihm, wobei sein Hintern in mein Visier geriet. In der abgewetzten Jeans waren die strammen Halbkugeln deutlich zu erkennen. Anscheinend war ich chronisch untervögelt, wenn ich einem beliebigen Typen auf den Hintern starrte. Entschieden riss ich meinen Blick von der geilen Ansicht los.

Draußen bildeten die Teilnehmer einen Halbkreis um Preben. Ich bezog neben Gregory Aufstellung.

„Skagen ist die nördlichste Stadt Dänemarks. Hier treffen Nord- und Ostsee aufeinander, was man an der Färbung des Wassers erkennt, wenn man an der nördlichsten Spitze steht und aufs Meer hinaussieht“, dozierte Preben. „Außerdem ist Skagen berühmt für seine Künstler. Eine Auswahl von Bildern ist in der örtlichen Galerie ausgestellt. Empfehlen kann ich auch die hiesigen Lokale, falls der eine oder andere einen Imbiss einnehmen möchte.“

Er verkündete, dass der Bus in wenigen Stunden bereitstehen würde, um uns zurück zur Hojskole zu bringen und wünschte uns viel Spaß. Nach diesen Worten stieg er wieder ins Fahrzeug, das daraufhin davon rollte.

Gregory wandte sich an mich. „Gehst du zum Strand oder in die Galerie?“

„Ich will alles sehen. Schließlich haben wir drei Stunden Aufenthalt. Das sollte doch reichen, um das ganze Dorf gründlich zu durchkämmen.“

„Kann ich mit euch kommen?“, mischte sich ein kleiner Blonder ein, der neben Gregory stand.

Gleich wurde mir klar, es mit einem Gleichgesinnten zu tun zu haben. Der interessierte Blick, mit dem der Typ mich musterte, sprach Bände. Vielleicht konnte ich meinen sexuellen Notstand nachher beenden. Fragend schaute ich rüber zu Gregory, der mit den Achseln zuckte.

„Klar“, meinte er. „Wir können gern zu dritt alles abklappern.“

„Super!“ Der Typ grinste erfreut. „Ich bin Brian.“

„Norman“, stellte ich mich vor. „Und das ist Gregory.“

Wir zogen gemeinsam los in Richtung Strand. An der von Preben beschriebenen Spitze standen etliche Leute im Meer, ein Bein in der Ost- und eines in der Nordsee, um Fotos von sich knipsen zu lassen.

„Ich will auch so ein Foto!“, stieß Brian hervor und bückte sich, um seine Schuhe auszuziehen.

Ich beäugte seinen Hintern in der engen Jeans. Hübsch. Zwar nicht so heiß wie Gregorys, dafür aber schwul.

„Hast du eine Kamera dabei?“, fragte ich Gregory, der aufs Wasser hinaus starrte.

Er drehte den Kopf in meine Richtung, offensichtlich eben noch weit weg in Gedanken und lächelte entschuldigend. „Ich hab nicht zugehört“, gestand er.

„Kamera. Hast du eine?“, wiederholte ich.

„Klar.“ Er griff in seine Hosentasche und holte eine Digitalkamera heraus.

Inzwischen hatte Brian seine Hosenbeine hochgekrempelt. „Kann’s losgehen?“, fragte er, aufgeregt wie ein Kleinkind am Heiligabend.

Gregory hob die Kamera ans Auge, woraufhin Brian loslief. Ich guckte ebenfalls raus aufs Meer. Erstaunlicherweise war das Wasser links grüner als rechts. Faszinierend. Allerdings nicht faszinierend genug, um mich auch für ein Foto da hin zu begeben, wo bereits annähernd 50 Leute rumstanden.

Brian, der inzwischen etwas abseits der anderen in Position gegangen war, winkte euphorisch. Ziemlich niedlich, aber in meinen Augen auch sehr kindisch. Sollte ich wirklich meinen Notstand mit so einem kleinen Jungen beenden? Am Ende war er noch Jungfrau.

Mein Blick wanderte zurück zu Gregory, der die Kamera sinken ließ. Er besaß ein hübsches Profil und sinnliche Lippen. Brauchte er die Brille oder war sie nur ein Accessoire? Ohne sah er bestimmt umwerfend aus. Na gut, mit auch. Einen schönen Menschen konnte eben nichts entstellen.

In diesem Moment richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich. „Soll ich dich auch ...?“

Ich schüttelte den Kopf. Mir fiel sein melancholischer Gesichtsausdruck auf. Hatte er einen geliebten Menschen verloren? „Geht’s dir nicht gut?“, hakte ich leise nach.

„Nein. Ich hab derzeit eine schlechte Phase.“ Er grinste schief. „Ich bin gerade mal dreißig und hab das Gefühl, mein Leben ist bald zu Ende. Das klingt blöd oder?“

„Geht mir manchmal genauso.“ Seine Augenfarbe war ein faszinierendes Samtbraun. „Dabei bin ich erst achtundzwanzig.“

„Fragt mich mal“, mischte sich Brian ein, der inzwischen wieder eingetroffen war.

Er ließ sich auf dem San nieder, um Socken und Schuhe anzuziehen. Gregory und ich tauschten einen Blick, den ich als wir-reden-später-weiter deutete.



Gregory

Mit Norman konnte ich reden, doch Brian wollte ich mein Seelenleben nicht offenbaren. Er war mir zu naiv. Wenn mich nicht alles täuschte, war er außerdem schwul. Vorhin hatte er Norman und mich eindeutig interessiert gemustert.

Brian stand auf, ein unternehmungslustiges Funkeln in den Augen. „Wo gehen wir jetzt hin?“

„Ich würde gerne in die Galerie“, meinte Norman. „Was haltet ihr davon?“

Wenig später schlenderten wir durch das Gebäude, in dem die Bilder ausgestellt waren. Ich blieb vor einem Gemälde stehen, auf dem lediglich ein Fenster zu sehen war, durch das ein breiter Lichtstrahl fiel. Begeistert betrachtete ich das Bild. In dem Lichtschein tanzten Staubpartikel und erweckten den Eindruck, als wären sie echt. Je länger ich starrte, desto realer wurde die Imagination.

Norman trat neben mich und beugte sich vor, um das Gemälde näher betrachten zu können. „Faszinierend, nicht wahr?“

Er stand so nah bei mir, dass ich seinen Duft wahrnahm. Ich versuchte, die Note einzuordnen und identifizierte Leder sowie ein frisch duftendes Rasierwasser. „Es ist, als ob sich die Staubpartikel bewegen würden“, entgegnete ich.

Norman grinste mich an. „Ich wünschte, ich hätte auch so ein Talent. Leider kann ich nichts richtig gut, außer kochen.“

„Das ist doch gar nicht übel.“ Ich erwiderte sein Lächeln. „Ich kann nicht kochen, dafür aber schreiben.“

Fragend hob Norman die Augenbrauen. „Schreiben?“

„Ich bin freier Journalist und halte mich damit mehr schlecht als recht über Wasser. Wahrscheinlich bin ich nicht gut genug.“

„Ach Quatsch.“ Norman klopfte mir auf die Schulter. „Bestimmt bist du nur ein verkanntes Genie. Nach deinem Tod werden sich alle um deine Artikel reißen.“

„Na super“, brummelte ich. Mir gefiel es, dass er so vertraut mit mir umging, obwohl wir uns erst kurz kannten.

„Staub im Licht? Wie spannend“, erklang in diesem Moment Brians Stimme hinter mir. Er gesellte sich zu uns und beäugte das Bild mit deutlichem Desinteresse. „Können wir jetzt was essen gehen? Ich hab Hunger“, maulte er und schaute mit großen Augen zu Norman auf.

Vielleicht sollte das verführerisch wirken, machte auf mich aber eher den Eindruck eines nörgelnden Kleinkindes. Ich tauschte einen Blick mit Norman, der wohl dasselbe empfand.

„Lasst uns eines der Lokale ansteuern“, schlug er vor. „Ich hab auch ein Loch im Bauch.“

Ich war froh, als wir wieder im Bus saßen, der uns zurück zum Schulungszentrum brachte. Norman saß neben mir am Fenster und wirkte müde. Ich war ebenfalls erschöpft von dem Tag an der frischen Luft. Meine Gedanken kreisten trotzdem und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Die Scheidung von Tina machte mich weiterhin fertig. Es gab keine Kinder, kein Haus und auch sonst keine Wertgegenstände, um die es sich zu streiten gelohnt hätte. Dennoch hatte Tina aus der Angelegenheit einen riesigen Aufstand mit Tränen und Schuldzuweisungen gemacht.

„Magst du mir nun erzählen, was dich bedrückt?“, erkundigte sich Norman flüsternd.

Er guckte mich aufmerksam an. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Brian nicht zuhörte, vertraute ich mich Norman mit leiser Stimme an. Mitleid und Verständnis spiegelten sich auf seiner Miene, während er mir lauschte.

„Oh Mann.“ Er griff nach meiner Hand und drückte sie. „Weiber können einen echt fertig machen, nicht wahr?“

„Ich verstehe vor allem nicht, weshalb wir uns nicht im Guten trennen konnten. Ich bin doch kein böser Mensch. Außerdem haben wir uns irgendwann mal geliebt, glaube ich zumindest.“

„Vielleicht liebt sie dich noch und wollte, dass du um sie kämpfst“, mutmaßte er.

„Du könntest recht haben. Frauen denken ja manchmal so merkwürdig. Allerdings hat sie mich betrogen, nicht umgekehrt.“

„Vermutlich auch ein Hilferuf.“ Norman ließ meine Hand.

„Bist du Psychologe?“ Ich wünschte, er würde meine Finger weiter in seinen halten. Es hatte sich schön angefühlt.

„Nö, aber ich habe drei Schwestern.“

„Du Ärmster.“

Norman verdrehte die Augen. „Das kannst du laut sagen.“

„Und, wie sieht es bei dir aus? Bist du verheiratet oder so?“ Die Frage erschien mir nicht indiskret, nachdem wir uns so ausführlich über mein Privatleben unterhalten hatten.

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin solo. Allerdings gibt es da etwas, das du vielleicht wissen solltest. Ich steh nicht auf Frauen.“

Irgendwie hatte ich es die ganze Zeit geahnt. Spätestens, seit Brian ihn offensichtlich angebaggert hatte. „Kein Problem.“ Ich zwinkerte ihm zu, damit er merkte, dass mich seine sexuelle Neigung nicht störte.

Norman atmete vernehmlich aus. „Ein Glück. Es gibt Leute, die denken, das ist ansteckend.“

Diesmal griff ich nach seiner Hand und drückte sie. Bis der Bus sein Ziel erreichte, herrschte einvernehmliches Schweigen.

„Nach dem Abendessen dürft ihr euch im Aufenthaltsraum an den Getränken bedienen“, verkündete Preben, als wir um ihn herum Aufstellung bezogen hatten. „Die alkoholischen Getränke müssen bezahlt werden, der Rest ist kostenlos. Bitte, seid ehrlich.“

Er warf einen strengen Blick in die Runde. Alle nickten verständig und setzten sich in Richtung Speisesaal in Bewegung. Brian hielt sich dicht an Norman, was mir nicht gefiel. Auch ärgerte mich, dass er Norman ständig anfasste. Merkwürdig. War ich eifersüchtig darauf, dass die beiden den gleichen Status besaßen? Oder war es so ein Freundesding?

Nach dem Abendessen gingen die meisten in den Aufenthaltsraum. Norman und ich nahmen ein Bier aus dem Kühlgerät und legten dafür Geld in die bereitstehende Schale.

Ich beugte mich zu Norman. „Wirst du mit Brian ...?“ Der war übrigens nicht im Raum.

„Eventuell.“ Norman warf mir einen Seitenblick zu. „Ich brauch manchmal ein wenig Entspannung. Du etwa nicht?“

„Doch, schon. Aber er wirkt so unreif.“

„Ehrlich gesagt …“ Norman nahm einen Schluck aus seiner Flasche, bevor er weiterredete: „… ist mir das egal. Ich bin da nicht sonderlich wählerisch. Gelegenheiten bieten sich zu selten.“

„Ist das so?“

„Was denkst du denn? Die Auswahl an Partnern verringert sich extrem, wenn man nur auf Männer steht.“

Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass lediglich fünf Prozent aller Menschen gleichgeschlechtliche Partner bevorzugten. Die Sache interessierte mich und verursachte ein aufregendes Kribbeln in meiner Magengrube. Der Gedanke, dass zwei Typen ihre Schwänze aneinander rieben, gefiel mir, allerdings nur, sofern einer davon Norman und der andere nicht Brian war.

Ich musterte ihn von der Seite. Er sah gut, aus mit den himmelblauen Augen und ungebärdigen braunen Haaren. Seine Nase war schmal, die Lippen wirkten weich und würden mich – wenn er eine Frau wäre – zum Küssen reizen. Oder war es egal, dass er ein Mann war?

Heimlich hatte ich mir mal Magazine besorgt, in denen es Männer miteinander trieben. Ehrlich gesagt wichste ich gelegentlich auf solche Bilder, aber in der Realität war alles bestimmt ganz anders. Gedanken waren eben frei.

Mit meiner Exfrau hatte ich - und das war am Ende auch ihr Scheidungsgrund gewesen – schon lange keinen Sex mehr gehabt. Sie erregte mich nicht mehr, warum auch immer. Ich hatte angenommen, dass ständige Streitigkeiten der Auslöser dafür waren. Sollte ich mich geirrt haben? Tendierte ich zum gleichen Geschlecht?

Norman beobachtete mich besorgt. „Woran denkst du? Deine Scheidung?“

Ich nickte.

„Ach, Scheiße.“ Er legte einen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. „Zeit heilt alle Wunden, wirst schon sehen.“



Norman

Gregory so nahe zu haben fühlte sich gut an. Ich bemühte mich redlich, unser Verhältnis als rein platonisch zu betrachten, obwohl ich eine gewisse Anziehungskraft zwischen uns zu spüren glaubte. Ich ließ ihn wieder los und schaute mich nach Brian um. Es wurde dringend Zeit, ein wenig Dampf abzulassen. Mein Schwanz reagierte auf Gregorys Duft, was ein klares Zeichen für meine langwährende Untervögelung war.

„Ich geh dann mal ins Bett“, verkündete ich.

„Ich auch“, schloss sich Gregory an und folgte mir aus dem Raum.

Unsere Zimmer lagen nebeneinander. Ich hoffte sehr darauf, dass die Wände schalldicht waren. Auf der anderen Seite hatte Brian mich vorhin in sein Bett eingeladen. Er wohnte am entgegengesetzten Ende des Flures, womit Gregory nichts von unserer sexuellen Begegnung mitbekommen würde.

„Gute Nacht“, wünschte ich und ging in mein Zimmer, wo ich hinter der Tür stehenblieb und lauschte. Eigentlich beknackt, da ich tun und lassen konnte, was ich wollte. Trotzdem war es mir lieber, unbemerkt zu Brian zu schleichen.

Auf Zehenspitzen begab ich mich zu seinem Zimmer, klopfte und trat ein. Brian saß nackt auf dem Bett. Bei meinem Erscheinen begann er zu strahlen. Er war ein hübscher Bursche, mit seinen blonden Haaren und blauen Augen. Dennoch wäre mir Gregory lieber gewesen.

Rasch schälte ich mich aus meinen Klamotten, wobei Brian mich beobachtete und mit seinem Schwanz spielte. Ein ordentliches Exemplar, mit dem wir bestimmt viel Spaß haben würden.

Im Adamskostüm gesellte ich mich zu ihm. „Kondome?“

Im Hinblick auf meine Semi-Erektion meinte Brian: „Pass bloß auf, wenn du mir dein riesiges Ding reinsteckst“, und drückte mir ein Gummi in die Hand.

Welcher Mann empfing nicht gern solches Lob? Davon abgesehen war mein Schwanz wirklich größer als der Durchschnitt. Ich verpackte meinen Lümmel und verteilte Gleitgel auf dem Kondom. Brian begab sich unterdessen in Position, wofür er vom Bett kletterte, sich bückte und seine Hände auf die Matratze stemmte. Ich mochte es lieber auf einer weichen Unterlage, aber wenn er es so wollte: Meinetwegen.

Sein kleiner Knackarsch war so geil, wie bereits vermutet. Ich legte beide Hände auf die süßen Backen, um sie auseinanderzuziehen. Der rosige Muskel schien mich förmlich zu rufen. Nachdem ich mit einem Finger geprüft hatte, ob er für mich bereit war, eroberte ich ihn zügig.

Brians lautes Stöhnen wirkte wie Brandbeschleuniger auf meine Lust. Ich versuchte, langsam zu machen, doch seine Geräusche turnten mich total an. In irrem Tempo bumste ich ihn durch. Im Nu erreichte ich den Olymp und hielt mich an ihm fest, da meine Beine zu Wackelpudding wurden.

„Wichs mich“, forderte Brian heiser, woraufhin ich um ihn herumgriff und mit wenigen Strichen zum Höhepunkt brachte. Warmer Saft rann über meine Finger. Zum Glück erstickte er seinen ekstatischen Aufschrei mit einer Hand, sonst wären wohl die Nachbarn alarmiert worden.

„Boah, war das ... das geil“, krächzte Brian außer Atem.

Ich zog mich aus ihm zurück und streifte das Kondom ab. Die Menge Sahne bestätigte meinen Verdacht, unter akutem Samenstau gelitten zu haben. Ich verknotete es, warf es in Richtung Papierkorb und bückte mich nach meinen Klamotten, um mich anzuziehen.

Brian kroch aufs Bett und beobachtete mich unter halbgeschlossenen Lidern. „Willste nicht noch ein bisschen bleiben?“

„Morgen ist früh wecken“, mahnte ich ihn, knöpfte meine Jeans zu und schlüpfte in meine Schuhe.

„Ach Mist! Scheiß Sprachkurs!“ Brian zog sich die Decke über den Kopf.



Am nächsten Morgen fühlte ich mich immer noch tiefenentspannt. Es ging doch nichts über einen realen Fick. Anscheinend strahlte ich meinen Zustand nach außen hin aus, denn Gregory grinste mich am Frühstückstisch an. „War es gut?“

„Mhm“, murmelte ich mit einem Blick auf Brian, der mir gegenüber saß und sich intensiv mit seinem Rührei beschäftigte.

Schmunzelnd widmete sich Gregory wieder seinem Brötchen.

Ich überlegte, heute Nacht nochmals Brian, der in diesem Moment zu mir rüber sah, einen Besuch abzustatten und verwarf den Gedanken sofort. In seinen Augen erkannte ich das Funkeln von Verliebtheit. Damit war ausgeschlossen, wieder mit ihm Sex zu haben. Schließlich wollte ich keinen unnötigen Kummer verursachen.

Den Tag verbrachten wir mit Unterricht sowie Rollenspielen, um das Gelernte zu vertiefen. Brian war stets in meiner Nähe. Gregory allerdings auch. Das schickte mich durch ein Wechselbad der Emotionen. Auf der einen Seite der Mann, der mich interessierte, aber hetero war, auf der anderen jemand, der mich anhimmelte, den ich aber nicht wollte.

Gen Abend war ich zermürbt und entschied, dass es offener Worte bedurfte, um die Situation zu klären. Nach dem Abendessen bat ich Brian in den Innenhof, wo wir neben dem in der Mitte befindlichen Springbrunnen stehenblieben.

„Das mit uns hat keinen Sinn“, kam ich gleich zur Sache.

„Was meinst du?“

„Ich bin nicht in dich verliebt und werde es auch nie sein.“

Trotzig schob Brian das Kinn vor. „Warum bist du dir so sicher?“

Ich verbiss mir das Grinsen, das sich angesichts seiner Haltung auf meine Lippen stehlen wollte. Ganz bestimmt würde ich ihm nicht auf die Nase binden, dass mein Herz für einen anderen schlug. Das rief nur Diskussionen hervor. „Ich weiß es einfach, okay? Bitte, lass uns die Sache zu den Akten legen.“



Gregory

Es war verwerflich, doch Neugier trieb mich dazu, Norman und Brian zu folgen. Hinter einem Busch verborgen, belauschte ich ihr Gespräch. Ich zollte Normans Verhalten Respekt. Aus eigener Erfahrung wusste ich, wie schwer es war, solche Unterhaltungen zu führen. Gegenüber Brian war es nur fair, die Tatsachen auf den Tisch zu legen und ihn damit vor sich selbst zu beschützen.

Was Norman betraf: Neben etlichen Sympathiepunkten gab es etwas, das mich zunehmend verwirrte: Ich träumte von ihm. Das hatte ich gestern Nacht überrascht festgestellt, als ich aufgewacht war und meine eingesaute Shorts bemerkte. War ich auf dem besten Weg, der nächste verliebte Trottel zu werden, der im Innenhof abgekanzelt wurde? Soweit durfte es nicht kommen. Ich schlich zurück ins Gebäude.

Brian tauchte an diesem Abend nicht im Aufenthaltsraum auf und Norman wirkte in sich gekehrt. Wir tranken zusammen ein Bier und verabschiedeten uns früh von den anderen. In der Nacht hatte ich wieder Träume, aus denen ich mit einer megaharten Latte aufwachte. Ich holte mir einen runter und schlief danach bis zum Morgen ohne weitere Unterbrechung durch.

Tag drei brach an. Die Stimmung beim Frühstück war gedämpft. Brian zog es vor, an einem anderen Tisch zu sitzen und Norman war weiterhin einsilbig. Heimlich warf er schuldbewusste Blicke rüber zu Brian. Mir fiel das nur auf, weil ich das Gespräch im Innenhof mitbekommen hatte.

Warum sollte es Schwulen auch besser gehen als Heteros? Ein One-Night-Stand hinterließ meist ein schales Gefühl. Norman hatte zwar so getan als wäre es normal, einen fremden Mann zu ficken, doch das war es offenbar nicht. Für mich war Sex mit Gefühlen verbunden, bedeutete mehr, als schlichte Befriedigung.

„Kaere Gaester“, meldete sich Preben in diesem Moment zu Wort. Er hatte sich vor dem Frühstücksbuffet aufgebaut. „Liebe Gäste“, wiederholte er auf Deutsch. „Wir machen gleich einen Rundgang durch Viborg. Das Rathaus, die Kirche und ein Altenheim stehen auf dem Programm. Ich denke ihr freut euch, dass heute kein Unterricht stattfindet.“

Wir spendeten begeisterten Beifall, woraufhin er sich grinsend umschaute.

Ich lehnte mich zu Norman rüber. „Ist das nicht klasse? Ich wollte schon immer mal ein Altenheim von innen sehen, bevor es mich aus Senilität dorthin verschlägt.“

Mein Sitznachbar schenkte mir ein kurzes Lächeln. „Das ist auch schon lange mein Wunschtraum.“

Im Anschluss ans Frühstück brachen wir auf. Als erstes steuerten wir das Altenheim an. Auf mich wirkte es eher wie ein Kindergarten, mit den bunten Wänden und Zeichnungen, die überall hingen. Ich ging neben Norman, während Brian Abstand hielt. Offenbar hatte er sich mit einem Pärchen angefreundet, mit dem er sich rege unterhielt. Darüber war ich froh, denn es entspannte die Situation.

„Ich vermisse den Geruch von Pisse und Verwesung“, flüsterte Norman mir zu.

Glucksend schlang ich einen Arm um seine Schultern, eine normale, kameradschaftliche Geste. „Also weißt du schon, wie es in solchen Einrichtungen aussieht.“

Er lächelte mich an. „Meine Oma hat lange im Heim gelebt, bevor sie starb. Na ja, eher vegetiert. Das hier ist großartig.“

Anscheinend hatten meine feuchten Träume den Weg ans Tageslicht gefunden. Sein Lächeln verursachte bei mir nämlich ein Kribbeln. Ich zog meinen Arm zurück.

„Ja, großartig“, brummelte ich und kämpfte gegen den Blutstau, der sich in meiner unteren Region anbahnte.

Als wir die Kirche erreichten, hatte ich einen Sieg zugunsten meines Gehirns errungen. So konnte ich ohne sündige Gedanken das Gotteshaus betreten. Hinter Norman wanderte ich durch die Bankreihen, bis hin zum Altar. Wie stets in solchem Gebäude, überkam mich Ehrfurcht. Hierher waren seit über hundert Jahren Gläubige geströmt, um Trost und Hilfe zu suchen. Wie viel Elend hatten die Wände gesehen? Wie viel Freude, bei Taufen, Hochzeiten und Konfirmationen?

„Mir ist in Kirchen immer unbehaglich zumute“, gestand Norman leise.

Verständlich in seiner Situation. Schließlich verurteilten viele Glaubensbücher Homosexualität.

Weiter ging‘s zum Rathaus, wo wir uns einen zweisprachigen Vortrag über die Gemeinde anhörten und erfuhren, dass man in dem Gebäude auch heiraten konnte. Als Andenken bekam jedes Brautpaar einen wunderschönen Aschenbecher mit dem Motiv des Rathauses.

Grinsend beugte ich mich zu Norman. „Das ist doch ein überzeugender Grund, um hier den heiligen Bund der Ehe einzugehen.“

„Oh ja!“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. „Der Aschenbecher würde uns immer an den schönsten Tag unseres Lebens erinnern, nicht wahr, Liebling?“

Obwohl er es im Spaß sagte, verursachte der Kosename ein warmes Gefühl in meiner Brust. Nannte er seine Partner so? Oder gab er ihnen blöde Tiernamen, wie Hasi, Spatz oder Mäuschen?

Wir verließen das Rathaus und wanderten durch die hübsche Altstadt zurück zum Bildungszentrum.

Nach dem Mittagessen hatten wir Freizeit. Norman schlug vor, Fahrräder zu leihen und die Umgebung zu erkunden. Begeistert stimmte ich zu.

Eine der freundlichen Mitarbeiterinnen stattete uns mit Drahteseln aus. Wir fuhren einfach drauflos. Es war ein strahlend schöner Frühsommertag, nicht zu warm und nicht zu kalt. Ein paar Schäfchenwolken zogen über den ansonsten vollkommen blauen Himmel.

Wir folgten der Hauptstraße, bis Norman, der voraus radelte, in einen Waldweg einbog. Zuerst konnten wir noch fahren, doch dann wurde der Pfad immer schmaler und holpriger. Gezwungenermaßen stiegen wir ab und schoben unsere Fahrräder.

„Hast du mal mit einer Frau geschlafen?“, wandte ich mich an Norman.

„In meiner Jugend habe ich das tatsächlich mal probiert. Und du? Hast du mal mit einem Mann ...?“

„Da war mal was mit einem Schulfreund.“ Bei der Erinnerung musste ich schmunzeln. „Wir haben zusammen gewichst, aber das machen wohl alle Jungs mal, oder?“

„Kann sein.“ Norman blieb stehen und wies mit dem Kinn auf eine Bank, die am Wegesrand stand. „Kurze Pause?“

Ich nickte. Wir lehnten unsere Fahrräder gegen seinen Baum und ließen uns auf der verwitterten Holzbank nieder. Norman streckte seine langen Beine aus. Ich tat es ihm nach.

Sonnenstrahlen fielen nur spärlich durch das dichte Laubdach, wodurch eine etwas unwirkliche Atmosphäre entstand. Zudem war es vollkommen still, als ob die Welt die Luft angehalten hatte.

„Wieso hast du eigentlich keinen festen Partner? Willst du keinen oder bist du noch auf der Suche?“, fragte ich.

Norman drehte den Kopf in meine Richtung. „Will nicht jeder einen Menschen haben, zu dem er gehört?“

„Na ja, es gibt schon Ausnahmen. Außerdem dachte ich, bei euch Schwulen ...“

„Sag mal ...“, unterbrach er mich und funkelte mich empört an. „Spinnst du? Nur weil man auf Männer steht heißt das nicht, dass man ständig wechselnde Geschlechtspartner bevorzugt. Könnte es sein, dass du Vorurteile hast?“

„Sieht so aus“, gab ich verlegen zu.

„Was kommt als nächstes? Willst du wissen, ob ich bevorzugt oben oder unten liege?“

„Nein. Hey, es tut mir leid.“ Norman wirkte so aufgebracht, dass ich ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte.

Sein Blick wurde weicher. „Aber du bist neugierig, richtig?“

„Ähm ... ja“, gestand ich, wobei ich meinen Arm um seine Schultern legte. Mir war danach ihn zu berühren und ich sah keinen Grund, es nicht zu tun.

„Dann frag mich doch einfach, wenn du was wissen willst.“

In seinen blauen Augen lag ein warmer Glanz, der etwas in mir anrührte. War der Ausdruck zärtlich? Waren Männer zärtlich miteinander? Vermutlich gab es unter ihnen solche und solche. Zu welchen gehörte Norman? Irgendetwas sagte mir, dass er zu der sanften Fraktion gehörte.

Norman wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. „Gregory? Hallo? Jemand zuhause?“

Ich blinzelte. Hoffentlich hatte er meine Gedanken nicht gelesen. Mein Blick wurde magisch von seinen Lippen, die verführerisch schimmerten, angezogen. „Wie ist es, einen Mann zu küssen?“, platzte ich heraus.

„Schön. Willst du es ausprobieren?“

„Ich weiß nicht“, flüsterte ich, rückte aber bereits noch näher zu ihm, wobei ich meinen Arm enger um seine Schultern schlang.

„Nimm die Brille ab“, bat er.

Ich gehorchte und legte sie achtlos beiseite. Normans Miene wurde ernst und sein Blick wanderte zu meinem Mund. In meinen Ohren trommelte mein Herzschlag, als wir uns aufeinander zu bewegten. Meine Lider fielen bei der ersten Berührung seiner Lippen zu. Zart strichen sie über meine. Es fühlte sich gut an, nach mehr.

Im nächsten Moment zog sich Norman zurück. Ich hörte seine raschen Atemzüge. War das etwa schon alles? Ich öffnete meine Augen und schaute in seine, die dunkler als sonst wirkten.

„Willst du mehr?“, hakte er leise nach.

Als Antwort presste ich meinen Mund auf seinen, was ihm ein Stöhnen entlockte. Er legte einen Arm um meinen Nacken und küsste mir den Verstand aus dem Schädel. Mit seiner Zunge eroberte meine Mundhöhle und schickte mir damit Stromstöße durch den Körper. Mein Schwanz wurde hart und protestierte gegen die Enge der Hose. Das brachte mich zur Besinnung. Ich drängte Norman weg und sah ihn keuchend an.

„Entschuldige“, murmelte er. „Es ist wohl mit mir durchgegangen.“

„Bist du etwa scharf auf mich?“ Ein Blick auf seine Körpermitte war eigentlich Antwort genug. Um mich war es nicht besser bestellt, doch das ignorierte ich geflissentlich.

Norman zuckte mit den Achseln und nickte.

Ich tastete nach meiner Brille und schob sie mir auf die Nase. „Wie gehen wir damit um?“

Erneutes Schulterzucken. Er nahm wieder eine entspannte Position ein, die Beine ausgestreckt und hielt sein Gesicht in die spärlichen Sonnenstrahlen. „Am besten gar nicht.“


Impressum

Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock depositphotos
Tag der Veröffentlichung: 11.11.2012

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