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Rockstar reist an



Toby Schmitt langweilte sich zu Tode in der Lobby des Hotels ‚Vier Jahreszeiten‘ in Hamburg. Es war früher Nachmittag, und die meisten Gäste waren entweder schon abgereist oder noch nicht angekommen. Das war die Zeit des Tages, in der er seinen Job echt hasste. Page zu sein war ja sowieso nicht sein Traumjob, sondern nur ein Nebenerwerb, um sein Studium zu finanzieren.
Aber mit 28 Jahren war Toby inzwischen Langzeitstudent, ging schon lange nicht mehr zu den Vorlesungen. Eigentlich hätte er das Studium auch hinschmeißen können, doch das hieße, zuzugeben, dass er versagt hatte. So ehrlich war er nun auch nicht, schon gar nicht seinen Eltern gegenüber, die ziemlich stolz auf ihn waren.
Es war aber auch eine dumme Idee gewesen, sich für Bildende Kunst einzuschreiben. Als wenn je ein Maler von seinem Einkommen hatte leben können, bevor er gestorben war. Obwohl Toby Talent hatte, war er über den Durchschnitt nie hinausgekommen, hatte nicht zu seinem eigenen Stil gefunden.
Durch die Fenster des Hotels konnte man die Außenalster erahnen, die nur einen Steinwurf vom Eingangsportal entfernt lag. Allerdings musste man den Stein sehr weit werfen, über vier Fahrbahnen und einen breiten Grünstreifen hinweg, aber es wäre zu schaffen. Verträumt stellte sich Toby an eines der Fenster und sah hinaus, als eine Limousine vorfuhr und ein Mann ausstieg, von dem er nie geglaubt hatte, ihn je wiederzusehen. Jedenfalls nicht – so nah und außerhalb eines Konzertsaals.
Ungläubig starrte er den schwarzgelockten Kerl an, dem ein ebenfalls schwarzhaariger Mann folgte. Während die beiden auf den Eingang zuhielten, legte der eine Kerl dem anderen einen Arm um die Schultern. Ein weiterer Typ folgte, beladen mit zwei Koffern. Unwillkürlich duckte sich Toby hinter einer großen Grünpflanze, als die Prozession die Lobby betrat. Sein Blick sog sich an dem Gelockten fest und sein Herz machte einen Satz. Russel. Oh mein Gott, der Kerl sah aber auch – verdammt geil aus.
Russel Irving, Leadsänger der Band „The Holy Shit Heads“, näherte sich der Rezeption und grinste die Empfangsdame an, während der Kofferträger seine Last mitten in der Lobby stehen ließ und sich zum Gehen wandte. Toby seufzte, hatte er doch gehofft, dass der Typ die Koffer bis auf das Zimmer bringen würde. Aber Russel würde ihn sicher nicht in seiner Uniform erkennen, mit den kurzen Haaren, die er inzwischen trug. Und es war auch schon lange her, seit sie sich gesehen hatten.
Toby gab seine unwürdige Position hinter der Pflanze auf und nahm Haltung an, so wie die Geschäftsleitung des Hotels es von ihren Angestellten verlangte. Mit durchgedrücktem Rücken und seitlich angelegten Armen wartete er darauf, dass seine Kollegin vom Empfang ihm ein Zeichen gab. Aber die ließ sich Zeit, schien mit Russel zu flirten, obwohl der aus seiner homosexuellen Neigung nie ein Geheimnis gemacht hatte. Währenddessen sah sich der andere Schwarzhaarige gelangweilt in der Lobby um, streifte Toby mit einem kurzen Blick, in dem Interesse aufflackerte.
Nur mit Mühe unterdrückte dieser den Drang, sich erneut zu verstecken, als der Typ ihn nun unverhohlen fixierte. Toby konnte den Blick fast körperlich spüren, der ihn eindringlich von oben bis unten musterte und dann an seiner engen Hose hängen blieb. Verdammt. Er fühlte sich wie Freiwild, als nun ein mutwilliges Lächeln auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen erschien. Die Kollegin vom Empfang kam endlich zum Schluss, händigte Russel seine Keycard aus, dann gab sie Toby ein Zeichen.
Gehorsam setzte sich dieser in Bewegung, nahm die Koffer auf und folgte dem schwarzhaarigen Duo zu den Fahrstühlen, den Blick gesenkt. Zum Glück beachtete Russel ihn gar nicht, war viel zu sehr damit beschäftigt, seinen Freund zu umarmen und ihn während der kurzen Fahrt im Lift zu küssen. Es machte „pling“, als der Fahrstuhl auf der richtigen Etage hielt und das engumschlungene Duo auf den Flur hinaustrat. Toby folgte den beiden über den plüschigen Teppich, konnte ein Gefühl der Eifersucht nicht unterdrücken, als Russel seine Hand über den Rücken seines Freundes gleiten ließ und sie auf dessen Po legte. Scheiße. Gottverdammte Scheiße, er war noch immer in diesen Typen verliebt.

**

Russel öffnete die Tür zu seiner Suite, zog seinen Freund mit sich hinein und wandte dann seine Aufmerksamkeit dem Pagen zu, der ihnen stumm gefolgt war. Der Mann kam ihm irgendwie bekannt vor, erinnerte ihn an eine heiße Nacht in Hamburg, als er nach einem Konzert ein Groupie mit auf sein Zimmer genommen hatte. Was als kurzer Fick geplant war, war damals zu einer regelrechten Kuschelorgie ausgeartet. Und am Ende der Nacht, besser gesagt, am nächsten Morgen, war das Groupie weg gewesen. Und er hatte etwas Wichtiges mit sich genommen: Russels Herz.
Der Page sah auf den Boden, als er die Koffer abstellte, dann hob er endlich seinen Blick und in Russel brach etwas auf, von dem er geglaubt hatte, es wäre tot. Es war tatsächlich Toby, der da in dieser lächerlichen Uniform vor ihm stand und ihn mit seinen blauen Augen ansah. Blaue Augen, in denen sich Russel in der besagten Nacht verloren hatte. Jetzt verlor er sich wieder, und seine Sprache auch.
„Danke, Kleiner“, kam ihm sein Freund zu Hilfe, und drückte dem Pagen ein Trinkgeld in die Hand.
Der Page, also Toby, neigte leicht den Kopf und wandte sich zum Gehen, als Russels Freund nach seinem Arm griff und sich ihm zuneigte.
„Wenn du Lust auf ein größeres Trinkgeld hast, komm heute Nacht wieder her, nach dem Konzert. Ich bin scharf auf dich.“
Russel sowie Toby zuckten bei diesen Worten leicht zusammen. Russel, weil er wusste, dass Marvin auf harte Spielchen stand. Und Toby wirkte angeekelt, riss seinen Arm fast aus Marvins Griff.
„Danke“, murmelte er pflichtbewusst.
Marvin grinste, als sich die Tür hinter dem Pagen schloss, warf dann Russel einen fragenden Blick zu. Der schüttelte den Kopf und ging ins Bad. Er brauchte ein paar Minuten für sich, um seinen rasenden Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen. Tobys Anblick hatte ihn aufgewühlt, die drei Jahre, die zwischen ihrer letzten – und einzigen – Begegnung lagen, schrumpfen lassen, als wäre es erst gestern gewesen. Russel drehte den Kaltwasserhahn auf und schöpfte sich das kühlende Nass ins Gesicht, bevor er den Kopf hob und in den Spiegel blickte.
Drei Jahre. Mein Gott. Und trotzdem schlug sein Herz immer noch viel zu schnell, war das Gefühl wieder da. Aus dem Spiegel sah ihm ein müder, 35-jähriger Mann entgegen, den die Presse gern als „Slash für Arme“ betitelte. Er hatte die gleichen Locken und ein sehr ähnliches Gesicht wie der bekannte Gitarrist, auch dessen sinnlichen Mund. Russel war sehr zufrieden mit seinem Aussehen und die Bezeichnung schmerzte nicht wirklich, war er sich doch seines Wertes bewusst. Immerhin war die Arena heute Abend fast ausverkauft, hatte er Mühe, sich seiner Fans zu erwehren.
Nur einem ausgeklügelten Plan seines Managements hatte er es zu verdanken, dass er so unbehelligt im Hotel hatte absteigen können. Sicher warteten die Fans immer noch vor dem Hotel ‚Atlantic‘ auf seine Ankunft. Aber der Gedanke konnte ihn nicht amüsieren, war er doch viel zu beschäftigt mit der Erinnerung an die Nacht, die ihn soviel Schmerz gekostet hatte. Ein Klopfen an die Badezimmertür riss ihn aus seinen Gedanken.
„He, Russel, lebst du noch?“
Nach einem letzten Blick in den Spiegel verbannte Russel seine Gedanken, schob sie ganz weit nach hinten. Er musste sich auf seinen Auftritt vorbereiten, da blieb für Herzschmerz kein Platz. Mit eisern beherrschter Miene öffnete er die Tür und stellte sich der Realität.

**

Toby sah fast sekündlich auf die Uhr, sehnte seinen Feierabend herbei. Wie hatte er nur ignorieren können, das die „the Holy Shitheads“ heute in Hamburg spielten? Sicher, er interessierte sich nicht für Konzerte, da sein Budget zu knapp war, um sich Karten dafür zu leisten. Aber es war unverzeihlich, dass er nicht von dem Konzert seiner Lieblingsband gewusst hatte. Unruhig sah er zum Fahrstuhl, befürchtete, dass Russel erneut die Lobby betrat. Mein Gott, der Anblick dieses Kerls hatte ihn total durcheinandergebracht. Und – Russel hatte ihn erkannt, das hatte Toby bemerkt in dem Augeblick, als ihre Augen sich trafen.
Ein erneuter Blick auf die Uhr und er atmete auf. Feierabend. Eilig verließ er die Lobby, winkte der Empfangsdame zu und war auch schon auf dem Weg zu den Umkleideräumen. Während er sich die blöde Uniform vom Leib riss, überlegte er, wie er auf die Einladung von Russels Freund reagieren sollte. Der Typ gefiel ihm nicht, wirkte irgendwie gefühlskalt. Aber es wäre eine Chance, noch einmal Russel näher zu kommen.
Toby wog das Für und Wider ab, zog sich derweil seine normalen Klamotten an. Jeans und T-Shirt, billige Turnschuhe. Dann griff er nach seiner Lederjacke, dem einzig teuren Kleidungsstück, das er sich gönnte, und verließ das Hotel durch den Hinterausgang. Auf dem Weg zu seiner Wohnung ging er erneut die Möglichkeiten durch, fühlte tiefe Sehnsucht und gleichzeitig Angst. Aber würde sich je wieder die Chance bieten, Russel zu sehen, vielleicht sogar mit ihm – zu schlafen?
Oder galt die Einladung nur für Russels Freund? Würde er allein sein mit diesem unangenehmen Typen? Was fand Russel nur an dem Kerl? Toby zermarterte sich sein Gehirn und war zu keinem Entschluss gekommen, als er seine kleine Wohnung im Hamburger Stadtteil Barmbek erreichte.
In seinem Wohnzimmer stapelten sich Bilder, es roch nach Ölfarbe und Terpentin. Ein Geruch, den Toby als anheimelnd empfand, normalerweise. Heute stank es, schnell öffnete er seine Balkontür und trat hinaus. Es empfing ihn ein lauer Sommerabend, ausnahmsweise ohne Regen, eine Seltenheit für Hamburg. Nur zu gern wäre er zu dem Konzert gegangen, hätte wieder in der ersten Reihe gestanden und sein Idol angehimmelt. Sein Idol und den empfindsamen Mann, der dahinter stand. Mein Gott, Russel hatte sich wirklich in sein Herz geschlichen, wie eine Zecke, die sich in die Haut fraß: mit dem Stachel voran, gleich einer Schraube. Kein schöner Vergleich, aber er passte leider.
Toby hatte zwar den Körper entfernt, war am Morgen kopflos geflohen, aber der Stachel saß immer noch in seinem Herz und brannte jetzt. Blicklos sah er in den Innenhof, registrierte kaum, dass sein Handy vibrierte. Dann nahm er es doch wahr, starrte die unbekannte Rufnummer an.
„Ja?“
„Toby Schmitt?“
„Ja, das bin ich.“
„Sie stehen heute Abend auf der Gästeliste für „the holy Shitheads“. Kommen Sie zum VIP-Bereich, dann bekommen Sie einen Platz direkt vor der Bühne.“
Es knackte, dann war die Verbindung unterbrochen. Toby ließ sein Handy sinken und schluckte. Hatte eine gute Fee ihn erhört? Und – sollte er wirklich hingehen? Zwei Fragen und nur eine Antwort: ja.

**

Nervös zupfte sich Russel die Haare zurecht, besah sich noch einmal im Spiegel. Er wurde grau, fühlte sich auch so. Die Jahre auf Tournee, die Groupies und allen voran Marvin – es stank ihm. Gerade Marvin stank ihm jetzt, als der sich erneut an ihn presste. Himmel, noch vor zwei Stunden hatte ihn der Körperkontakt mit Marvin erregt, hatte er gerne mit ihm Zärtlichkeiten ausgetauscht. Wobei – zärtlich war Marvin eher selten, dafür war er zu – emotionslos? Russel starrte in den Spiegel und überlegte, wieso ihm sein Freund plötzlich so zuwider war.
Er brauchte nicht weit zu denken, um auf die Lösung zu kommen. Sie hieß Toby und war plötzlich zum Greifen nah. Na ja, jedenfalls körperlich. Würde das reichen? Und – würde Toby wirklich Marvins Angebot annehmen? Russel hörte das Kreischen seiner Fans und drehte sich in Marvins Umarmung um, küsste ihn kurz.
„Es geht los.“
„Hals- und Beinbruch“, kam die übliche Antwort von Marvin, bevor der durch die Garderobentür verschwand.
Nachdenklich sah Russel ihm nach, seufzte dann aber und folgte ihm. Er musste performen, sich seinem Publikum stellen, war Profi genug, für den Moment seine Emotionen zu unterdrücken. Er trat hinaus auf die Bühne, in das helle Scheinwerferlicht, lächelte seinen Fans zu. Die ersten Akkorde erklangen, dann seine Stimme, während seine Augen die erste Reihe absuchten. Da. Da stand Toby und sah zu ihm hoch, lächelte ihm zu. Russels Herz schwoll an vor Freude, dass er gekommen war, um ihn zu sehen. Vergessen war der Schmerz, es galt nur der Augenblick. Er sang nur für ihn.

**

Mit großen Augen starrte Toby auf die Bühne, hatte das Gefühl, Russel würde nur für ihn singen. Während die Menge um ihn ihre Feuerzeuge hochhielt, verlor sich Toby in Russels Augen und die Zeit stand still. Nein, sie lief rückwärts, bis zu jenem Moment, der alles verändert hatte.

Groupie Toby



Er hatte damals sein ganzes Geld zusammengekratzt, sich die Karte praktisch vom Mund abgespart, aber er musste sein Idol einfach sehen. Er stand in der ersten Reihe, fixierte Russel die ganze Zeit, versuchte, dessen Augen mit den seinen einzufangen. Dann war das Konzert zuende und Russel verbeugte sich, fixierte Toby mit seinem Blick und sein Mund formte ein Wort, während er auf ihn zeigte.
„Du.“
Ungläubig starrte Toby auf sein Idol, den Mund weit offen. Er lächelte und nickte leicht, folgte dem Securitymann, der ihm auf die Schulter tippte und hinter die Bühne führte. Mein Gott, Russel hatte ihn aus der Menge gewählt. Dabei war er mit seinen 1,75 m und seinen langen, braunen Haaren doch eher unscheinbar, ging fast unter in der Masse. Im Dunkel der Halle hatte Russel unmöglich bemerken können, dass er hübsche, blaue Augen hatte und ein T-Shirt mit dem Namen der Band trug. Oder doch?
Unsicher folgte Toby dem Securitytypen, der ihn bis zu einer Tür brachte, hinter der sich wohl die Garderobe von Russel befand.
„Dann lass dir mal den Arsch aufreißen“, sagte der Typ unromantisch und klopfte Toby auf die Schulter.
Aufreißen? Unsicher stand Toby vor der Tür und lauschte seinem eigenen Herzschlag. Unvermittelt verspürte er den Wunsch, wegzulaufen, als die Tür von innen geöffnet wurde. Ein völlig verschwitzter Russel stand ihm gegenüber, der sich mit einem Handtuch über die Locken rieb.
„Kalte Füße?“
Es geschah automatisch, dass Tobys Kopf sich bewegte. Er nickte.
„Und? Was willst du?“
„Sie?“
Russel warf den Kopf zurück und lachte aus vollem Halse. Noch nie hatte ein Groupie ihm so ehrlich geantwortet, und ihn dabei noch gesiezt. Mein Gott, Russel riss sich zusammen und betrachtete seine Wahl. Süß. Sehr süß, ohne Zweifel. Der Kleine vor ihm hatte seine Augen vom ersten Ton an angezogen, wie er mit offenem Mund und offensichtlicher Bewunderung in der Menge gestanden hatte. Und er war wirklich sexy.
„Also“, Russel sah Toby in die Augen, „ich bin Russel. Und ich will Sex. Was willst du?“
„Dich.“
Oh. Russel hob seine Augenbrauen und lächelte den Kleinen an.
„Du willst – mich?“
„Ja“, Toby nickte eifrig, „ich bewundere Sie – äh, dich – schon seit langem. Und ich finde dich sehr – aufregend. Ach ja, ich heiße Toby.“
Aufregend? Russel musste wieder grinsen, griff nach der Hand des Kleinen, zog ihn in die Garderobe.
„Was ist denn so aufregend an mir?“
Während er sich weiter die nassen Locken frottierte, sah Russel in den Spiegel. Die heftigen Schluckbewegungen an Tobys Hals zogen seinen Blick magisch an.
„Alles.“
Oh, der Kleine war einsilbig, wie schade. Russel zog fast eine Flunsch und warf das Handtuch auf den Frisiertisch. Mit einem Ruck wandte er sich um und sah Toby in die Augen.
„Was ist alles?“
„Na ja“, der Kleine machte eine Bewegung mit seinen Armen, umfasste die ganze Garderobe damit, „eben alles. Du bist – sexy, deine Stimme auch. Du siehst toll aus und du – du gefällst mir. Ich fühle mit dir, wenn du singst. Ich fühle, dass du ein toller Mensch bist.“
Russel war wortlos. Das passierte nicht oft, schließlich war er schon 32 Jahre alt und stand seit 14 Jahren auf der Bühne. Aber als toller Mensch hatte ihn noch nie jemand bezeichnet, mit dem er im Begriff stand, zu ficken. Himmel.
„Äh, Toby – richtig?“
Toby nickte eifrig.
„Also, Toby, ich will ficken. Steht das, oder muss ich mich nach jemand anders umsehen?“
Dies war der Moment, an dem Toby seine Beine in die Hand hätte nehmen sollen. Aber er tat es nicht, stand vor dem Star und schluckte. Ficken. Okay. Kein schönes Wort, aber es beschrieb die Handlung doch korrekt. Also nickte er.
„Okay.“
Russel griff nach seiner Tasche und ging zur Tür, erwartete einfach, dass Toby ihm folgte. Der lief wirklich hinter dem Rockstar her, obwohl eine innere Stimme ihm riet, es zu lassen. Aber – er war durch seine Libido blockiert. Oder durch seinen Starfimmel. Tobys Füße machten einfach, was sie wollten: sie trabten hinter Russel her, bis sie seine Limousine erreichten.
Schweigend saßen sie nebeneinander, während der Chauffeur den kurzen Weg zum Hotel zurücklegte. Es war kurz vor Mitternacht, die Straßen fast leer, so dass der Weg nur wenige Minuten dauerte. Immer wieder glitt Tobys Blick zu Russel hinüber, musterte ihn, und er fragte sich, ob er träumte. Schon oft hatte er Russel in seine Träume eingebaut, vor allem in seine Wichsphantasien. Im Dunkel errötete Toby leicht, als er an die heißen Szenen dachte, die er sich vorgestellt hatte: er, vor Russel kniend, dessen Schwanz in seinem Mund.
Der Wagen hielt und Russel stieg auf seiner Seite aus, warf Toby einen kurzen Blick zu, wohl um sich zu vergewissern, dass er ihm folgte. Dann drehte er sich um und ging auf das Hotel zu, seine Tasche über die Schulter geschwungen.
Toby folgte ihm, die Augen fest auf den knackigen Po vor sich geheftet. Würde Russel ihn gleich rücksichtslos ficken und dann wegschicken? Oder – würden sie sich auch küssen, vielleicht sogar ein paar Zärtlichkeiten austauschen? Tobys Kehle wurde ganz eng bei dem Gedanken, Russel in seinen Armen zu halten. Oh Mann, das war jetzt wirklich ein Wunschtraum, dass sein Idol sich herabließ, mit einem Groupie mehr zu tun, als nur die einfache, mechanische Sexsache.
Russel wartete schon ungeduldig am Fahrstuhl, als Toby zum ihm aufschloss. Die Lifttüren öffneten sich und ein Lächeln erschien auf Russels Gesicht, während er den Kleinen musterte.
„Und? Immer noch kalte Füße?“
Trotzdem er nickte, betrat Toby als erster den Lift, sah dann angestrengt auf seine Schuhspitzen, während sie in den zweiten Stock transportiert wurden.
„Bist du Student?“
Erstaunt hob Toby seinen Blick und sah Russel in die Augen, die ihn neugierig ansahen.
„Ja, sieht man das?“
Mit einem Schulterzucken verließ Russel den Lift und steuerte sein Hotelzimmer an. Drinnen warf er seine Tasche auf den Boden und ging direkt ins Bad, wobei er sich bereits die Sachen vom Leib riss. Als nächstes fing die Dusche an zu laufen. Toby sah sich um und überlegte, was er jetzt tun sollte. Sich ausziehen? Unschlüssig setzte er sich auf das Bett und wartete, wischte sich seine vor Nervosität feuchten Finger an seiner Jeans ab. Sex mit einem Rockstar. Wie ging das? War das anders, als mit anderen Männern? Die Dusche verstummte und Toby fasste endlich einen Entschluss, zog sich sein T-Shirt über den Kopf, während er gleichzeitig seine Schuhe abstreifte.
Gerade öffnete er seine Jeans, als Russel nackt das Zimmer betrat und sich wieder die Locken mit einem Handtuch trocken rubbelte. Toby erstarrte in der Bewegung, den Blick auf den unglaublich – geilen Körper vor sich gerichtet. Die bronzefarbene Haut verriet das afrikanische Erbe von Russels Mutter, genauso wie seine schwarzen Locken. Wassertropfen perlten über die breite Brust, liefen in den flachen Bauchnabel und von dort – Toby schluckte, als sein Blick tiefer glitt. Oh Mann, selbst in weichem Zustand war Russels Schwanz groß.
„Und, gefalle ich dir?“
Schnell glitten Tobys Augen wieder hoch und entdeckten ein amüsiertes Grinsen auf Russels Gesicht, das ihn noch attraktiver machte, als er ohnehin war. Sein Puls beschleunigte und ließ ihm die Kehle eng werden, während er nickte.
„Ja – du bist – wunderschön“, krächzte er.
Wunderschön? Russels Grinsen wurde breiter, während er den süßen Kleinen ansah, der immer noch an seiner Hose nestelte. Offenbar war dieser Toby noch nie in so einer Situation gewesen, so verkrampft, wie er wirkte. Russel wandte sich der Minibar zu, beugte sich unbekümmert vor, um zwei Flaschen Bier herauszunehmen. Dabei gewährte er Toby einen guten Ausblick auf seine Weichteile, was der mit einem leisen Stöhnen zur Kenntnis nahm. Mein Gott, Toby schloss seine Augen und stellte sich vor, er würde seine Lippen über diese prallen Hosen gleiten lassen.
Es ploppte leise, als Russel die Flaschen entkorkte, sich neben Toby auf das Bett setzte und ihm eine entgegenhielt. Dankbar nahm der das Bier entgegen, feuchtete seine Kehle mit einem großen Schluck an und fand endlich seine Stimme wieder.
„Machst du das oft – ich meine, dir einen Groupie mit aufs Zimmer nehmen?“
Während auch Russel einen großen Schluck aus seiner Flasche nahm, betrachtete er Toby und überlegte, wie viel Wahrheit dem Kleinen gut tat.
„Wenn mir einer gefällt, dann tue ich das. Aber das passiert nicht so oft.“
An dem erleichterten und erfreuten Ausdruck auf Tobys Gesicht erkannte er, dass er die richtigen Worte gesagt hatte. Und zu seinem Erstaunen fühlte er sich gut dabei, dem Kleinen eine Freude zu bereiten.
„Ziehst du dich endlich aus, oder…?“
Endlich kam Bewegung in Toby, der aufstand und sich seine Jeans von den Hüften schob. Bevor er jedoch den Slip folgen lassen konnte, griff eine große Hand nach seinem Arm und zog ihn näher zum Bett.
„Lass mich das machen“, murmelte Russel, und strich mit seinen Fingern sanft über Tobys flachen Bauch, die Leisten, hakte sie dann in das Bündchen der knappen Unterhose. Langsam schob er das Stück Stoff herunter, unter dem bei dieser Behandlung eine ziemliche Beule wuchs. Als der Slip auf Tobys Fußknöchel fiel, ragte bereits eine beachtliche Erektion aus seinem Schoß, wies zitternd auf Russel, dessen Mund sich zu einem bewundernden Lächeln verzog.
„Du bist auch – wunderschön.“
Er sah hoch in Tobys Augen, sah das Entzücken über seine Worte und fühlte schon wieder diese – zärtliche? – Regung in seinem Bauch. Ihre Blicke hielten sich fest, sekundenlang, dann bewegte sich Toby, schob sich frontal auf Russels Schoss, indem er sich über dessen Schenkel kniete. Wie von einem Magneten angezogen, beugte er sich vor, Russel immer noch in die Augen schauend, bis ihre Münder nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.
Es war Russel, der noch die letzte Distanz überwand, sich leicht vorbeugte und seine Lippen auf Tobys Mund legte. Sanft strich weiche Haut über weiche Haut, während ihre Lider sich automatisch schlossen, nur noch die Berührung zählte. Oh Gott, Toby hatte so oft davon geträumt, diese sexy Lippen zu küssen, aber die Wirklichkeit war viel erregender, viel schöner. Russels Mund war weich, aber fest, öffnete sich leicht, als Toby sanft mit seiner Zunge darüber strich.
Auch Russel schob seine Zunge vor, berührte die des Kleinen. Aber das reichte nicht, aufstöhnend eroberte Russel den Mund seines Gegenüber, erkundete ihn ausführlich, während sich Blut in seinen Lenden sammelte. Seine Arme umschlangen Tobys Körper, eine Hand wühlte er in dessen Haar, zog ihn näher heran. Brust an Brust, Schwanz an Schwanz, saßen sie auf dem Bett und brachten sich mit ihren Küssen an den Rand der Ekstase.
„Oh Gott“, flüsterte Russel und löste seinen Mund von Tobys, um Atem zu holen.
Noch nie hatte er mit einem Groupie geküsst, sich so ausführlich dem Vorspiel ergeben. Und nicht nur das: er wollte weitermachen, Toby küssen, bis er explodierte. Was nicht mehr fern war, so, wie sein Schwanz energisch pochte. Jetzt kam auch noch einen fremde Hand dazu, die seine Härte energisch umschloss und langsam massierte.
Wieder ergab sich Russel Tobys Lippen, diesem süßen, weichen Mund, der ihn wahnsinnig machte, während weiter unten eine enge Faust ihn zum Ziel trieb. Es ging so schnell, dass Russel fast erstaunt aufstöhnte, als seine Sahne hochkochte und über ihre Bäuche spritzte. Er atmete seinen Orgasmus in Tobys Mund, der alles aufsog, bis zum letzten Tropfen Russels Penis massierte.
Schwer atmend verharrte Russel in dieser Position, seine Lippen immer noch auf Tobys. Es fühlte sich unendlich gut an, den festen Körper des Kleinen an seinem zu spüren. Langsam auf der Erde ankommend, betrachtete Russel seinen Sexpartner mit einem überraschten Blick. Hatte es sich je so gut angefühlt?
„Du bist – du bist viel geiler als in meinen Träumen.“
Verschämt über sein Geständnis senkte Toby den Blick und sah auf seine Hand, die immer noch um den schrumpfenden Penis seines Gegenübers geschlossen war. Mein Gott, er hielt Russel Irvings Schwanz in seiner Hand. Das würde er noch seinen Enkeln erzählen können, ging es Toby durch den Kopf. Ein irres Kichern stieg in ihm auf, als er diesen surrealen Gedanken zu Ende brachte.
„Du hast von mir geträumt?“
Toby nickte und sah hoch, fand ein irritiertes Lächeln auf Russels Gesicht.
„Ja, warum nicht?“
„Du kennst mich doch gar nicht.“
„Nein“, Toby seufzte leise, „leider.“
„Na ja, aber du kennst jetzt meinen Schwanz. Reicht das?“
Russel wartete die Antwort nicht ab, ließ sich zurück sinken und zog Toby mit, bis der auf ihm lag. Dann sprachen wieder ihre Lippen, während sie sich auf dem Bett wälzten. Sie rieben ihre Leiber aneinander, Finger tasteten und fanden zarte Haut, gaben und nahmen Zärtlichkeit. Es war so berauschend, dass Russel alles um sich vergaß, sich nur noch dieser Wonne hingab, mit Toby zu kuscheln.

Es dauerte ewig, aber es war viel zu kurz. Jedenfalls kam es Russel so vor, als sich Toby plötzlich aufsetzte und auf die Uhr sah. Mitternacht war lange vorbei, bald würden die ersten Vögel anfangen zu zwitschern, gefolgt von dem ersten hellen Lichtstreifen am Horizont.
„Was ist?“
Unschlüssig sah Toby von der Uhr zu Russel, der erneut eine stattliche Erektion vorweisen konnte. Scheiß drauf. Scheiß auf seinen Job, dann würde er eben beim Pizzadienst wie ein Zombie auftauchen. Er hatte nur diese eine Nacht mit Russel, nur diesen Moment mit dem Idol seiner Träume. Und er wollte unbedingt…
„Willst du mich?“
Ein sexy Lächeln erschien auf Russels Lippen, als er seinen Schwanz packte und langsam auf und ab rieb.
„Wonach sieht das hier denn aus?“
Aha, Frage-gegen-Frage-Spielchen. Toby grinste und begab sich in den Vierfüßlerstand, bot seinen kleinen Arsch ungeniert an. Er war heiß, war noch nicht zum Abschuss gekommen, wollte jetzt unbedingt Russel fühlen, seinen Schwanz in seinem Arsch spüren.
„Nicht so, Kleiner“, ein Arm legte sich um Tobys Taille, zog ihn herunter, bis er mit dem Rücken an Russels Brust lag.
„So ist es besser“, flüsterte eine tiefe Stimme an Tobys Ohr.
Oh Gott, ja. Es war besser, fühlte sich so liebevoll an, als Russel einen Arm um Toby legte und seine Härte in dessen Spalt auf und ab rieb. Zitternd vor Erwartung drückte sich Toby gegen den festen Körper hinter sich, sein Schwanz pochte an seinem Bauch, erwartungsvoll, hart. Dann ein kurzer Luftzug, als sich Russel umdrehte. Es knisterte, gleich darauf glitt ein glitschiger Finger in Tobys Spalte auf und ab, fand den zuckenden Muskel und dehnte ihn sanft.
Die erste Penetration sandte einen fast schmerzhaften Schauder der Erregung durch Tobys Körper, ließ ihn sich anspannen. Dann wurde es besser, als der Finger ganz in ihm drin war, sein erstes Ziel fand. Toby erzitterte, sein Schwanz auch.
„Gut?“
Die dunkle Stimme und Russels Atem an seinem Ohr erregten ihn zusätzlich, er nickte. Der Finger wurde zurückgezogen, durch eine breite Eichel ersetzt, die sich in ihn schob. Beharrlich, dick – Toby stöhnte – vor Schmerz und Geilheit. Mit einem Ruck stieß sich Russel ganz in den Kleinen, verharrte dann, ließ ihm Zeit, sich an ihn zu gewöhnen. Die Enge um seinen Schwanz erregte ihn, der süße Mann in seinem Arm auch. Mein Gott, es hatte sich noch nie so richtig angefühlt, so – nah – und liebevoll, gleichzeitig geil. Himmel, was für eine Mischung.
Russel stöhnte und bewegte seine Hüften, stieß seinen dicken Schaft in den Kleinen, den Arm fest um ihn geschlungen. Er konnte Tobys Herzschlag spüren, der wild gegen dessen Brustkorb klopfte. Jeder Treffer schien das Tempo zu erhöhen, machte, dass Toby stöhnte, sich schneller in seine Faust stieß. Von einem ungewohnten Instinkt getrieben, leckte Russel über Tobys Ohrläppchen, verschaffte dem Süßen zusätzlichen Genuss, indem er seine Zunge in die Ohrmuschel senkte, seinen abgehackten Atem hineinblies.
Fast gleichzeitig erreichten sie das Ziel, spritzte Toby endlich seine Sahne ab, während sich Russel mit wenigen Längen über die Klippe warf. Ihre Körper versteiften sich aneinander, um sich dann in den folgenden Wellen erneut zu einer harmonischen Einheit zu finden. Keuchender Atem strich über Tobys Ohr, während er langsam zurück auf die Erde fand. Die Erde, die sich in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne in einem goldenen Schimmer zeigte.
Die Realität setzte so schnell ein, dass Toby die Nachbeben des soeben Erlebten nicht richtig genießen konnte. Die Nacht war zu Ende, er hatte mit Russel gefickt. Sein Part als Groupie war erfüllt, der Rockstar sank zurück und rollte sich auf den Rücken. Das Kondom flog im hohen Bogen auf den Fußboden, dann schloss sein Sexpartner die Augen. Ein tiefer Atemzug verriet, dass sich Russel auf dem Weg ins Land der Träume befand. Showdown – Zeit zu gehen. Toby wollte sich gerade vom Bett gleiten lassen, als ein Arm seine Taille umfing und er an einen harten Körper gezogen wurde.
„Du bist süß“, murmelte Russel mit geschlossenen Augen.
Dann seufzte er und schlief ein, dicht an Toby gekuschelt, der diesen Moment auskostete, wartete, bis er sicher war, dass Russel sein Gehen nicht bemerken würde.

Sachen zusammenklauben, anziehen, noch einen Blick auf sein Idol werfen, das nackt auf dem Bett lag. Ein letzter Gedanke, ob er seine Telefonnummer hinterlassen sollte. Dann ein Blick aus dem Fenster, wo die Morgensonne ihre ersten Strahlen drohend über den Horizont schob. Träum weiter, Toby. Es war – ein Fick. Aber ein sehr zärtlicher.

Zurück im Konzert



Toby erwachte aus seinem Tagtraum und sah wieder hinauf zur Bühne. Russel sang, sein Blick glitt über das Publikum, dann zu ihm. Fast glaubte Toby, er würde ihn ansehen, dann war der Moment vorbei.
„Und, Page“, ein Arm legte sich um seine Schultern, „kommst du nachher mit?“
Unbehaglich wand sich Toby aus Marvins Umarmung, die zauberhafte Atmosphäre war dahin.
„Weiß noch nicht. Was willst du, einen Dreier?“
„Tja“, Marvin tat so, als hätte er Tobys Ablehnung nicht gemerkt, „wäre schon geil. Aber Russel mag es auch, zuzusehen.“
Das Konzert näherte sich seinem Ende und Toby tat sein möglichstes, Marvin zu ignorieren. Aber er war sich des Mannes neben sich viel zu sehr bewusst, als dass er das Konzert noch hätte genießen können. Der Schlussakkord erklang und Russel verneigte sich, sein Blick irrte über das Publikum, sog sich, so wie vor drei Jahren, an Toby fest.
Diesmal sagte er nichts, sah ihn nur an. Dann verließ er die Bühne und Marvin griff nach Tobys Arm.
„Komm.“
Wieder stolperte Toby durch dunkle Gänge, stand erneut vor der Garderobentür. Ein deja vu. Nur stand er diesmal mit Russels Freund vor dessen Garderobe, war im Begriff, sich zu einer männlichen Hure zu machen, wenn er sich von zwei Männern...
„Russel, du warst großartig“, Marvin hatte die Tür einfach aufgestoßen und schob Toby in den Raum wie eine Puppe.
Der Anblick von Russel, der sich die nassen Haare mit einem Handtuch frottierte, versetzte Toby erneut zurück. Sehnsucht keimte ihn ihm auf, ließ sein Herz schneller schlagen. Aber Russel musterte ihn mit einem kalten Blick, bevor er das Handtuch wegwarf und nach seiner Tasche griff.
„Und? Ist der Fickboy dabei?“
„Fickboy?“ Marvin lachte laut und schubste Toby an. „Was sagst du, Fickboy? Willst du einen flotten Dreier mit den zwei schönsten Männern der Welt?“
Toby suchte Russels Blick, den der aber beharrlich auf seine Schuhspitzen gesenkt hielt. Hatte er ihn verärgert, ihn irgendwie verletzt? Wieso – sah er ihn nicht an?
„Russel?“ selbst in seinen eigenen Ohren hörte sich Tobys Stimme fiepsig an.
Endlich hob der Rockstar seinen Blick und kurz glaubte Toby, so etwas wie Schmerz – oder Sehnsucht – zu erkennen, dann sank wieder eine glatte Wand herab.
„Entscheide selbst. Du kannst mitkommen, dann ficken wir dich vielleicht abwechselnd. Oder – du lässt es.“
Abwechselnd? Toby sah von Marvin zu Russel und zurück. Konnte sich nicht entscheiden – oder doch. Er wollte Russel, so sehr, dass er das andere ertragen würde – irgendwie. Scheiße. Hatte er wirklich eine Wahl?
„Okay, ich komme mit.“
Bereits in der Limousine bereute Toby seine Entscheidung. Während Russel abwesend aus dem Fenster sah, machte sich Marvin bereits über ihn her, schob seine Zunge in Tobys Ohr. Was bei Russels Berührung Lustschauder über seinen Rücken gesandt hatte, bewirkte bei Marvin das Gegenteil. Toby verkrampfte sich und schob Marvin weg.
„Entspann dich mal, Fickboy“, knurrte der.
„Ich bin entspannt. Lass deine Zunge bei dir, dann bin ich noch entspannter.“
„Lass ihn“, Russel hatte sich umgedreht und fixierte Marvin mit eisigem Blick, „lass ihn in Ruhe.“
Eisiges Schweigen breitete sich über die Limousine, während diese ihrem Ziel schnell näher kam.

**

Russel sah aus dem Fenster, nahm aber die Umgebung gar nicht wahr. In Gedanken war er wieder in seinem Bett, mit Toby. Er hatte den Kleinen in seinem Arm, war in ihm. Es war so anders gewesen, so innig und liebevoll. Aber als er aufwachte, war der Platz neben ihm leer, hatte sich Toby aus dem Staub gemacht und nichts hinterlassen. Russel wusste noch nicht einmal seinen Nachnamen, hatte keinen Anhaltspunkt, wie er Toby finden könnte.
Aber der Kleine wusste ja, wie er mit ihm Kontakt aufnehmen konnte. So hoffte Russel, wartete sehnsüchtig auf eine Nachricht. Es konnte doch nicht sein, dass er allein es gefühlt hatte, dass nur er sich verliebt hatte.
Die Tage vergingen und mit der Zeit wurde Russel klar, dass er einem Irrtum erlegen war. Der Groupie war weg und würde auch nicht wiederkommen, hatte ihn nur benutzt und dabei sein Herz gestohlen. Der Schmerz zerfraß sein Herz, machte ihn tagelang unfähig zu arbeiten. Die Band musste ein paar Konzerte absagen, weil Russel es nicht schaffte, auf die Bühne zu gehen. Das war ihm noch nie passiert.
Als seine Bandkollegen ihm ein Ultimatum stellten, musste sich Russel entscheiden: weiter Musik machen oder leiden. Irgendwie riss er sich zusammen, trat wieder auf und der Schmerz geriet in den Hintergrund, wurde weniger. Aber er blieb, und heute war ihm klar geworden, dass er immer noch in Toby verliebt war. Trotz der ganzen Zeit, trotz der Wut, die sich in ihm angesammelt hatte. Ein Blick auf den Kleinen, und die Wunde war wieder frisch, schmerzte so heftig wie in den ersten Tagen nach dessen Weggang.
Aber auch die Wut war erneut aufgelodert und brachte Russel in einen ernsthaften Zwiespalt. Er wollte es Toby heimzahlen, wollte ihn verletzen, so wie er ihm wehgetan hatte. Und gleichzeitig wollte er ihn in seine Arme reißen und küssen.
Die Limousine hielt vor dem Hotel und riss Russel aus seiner Innenbetrachtung. Ohne auf seine Mitfahrer zu achten, stieg er aus und strebte dem Eingang zu. Erst am Lift holten ihn Marvin und Toby ein, fuhren schweigend mit ihm im Fahrstuhl nach oben. In der Suite angekommen, blieb Russel unschlüssig im Wohnraum stehen, rieb sich über den Nacken und versuchte, Toby nicht anzusehen.
„Was hast du mit ihm vor?“
Sein Blick glitt zu Marvin, der den Kleinen mit einem wollüstigen Grinsen auf den Lippen musterte.
„Na, ficken natürlich.“
„Okay“, Russel verschwand in seinem Schlafraum und ließ Toby mit Marvin allein.
„Dann zieh dich mal aus, Loverboy“, Marvin plumpste in einen Sessel und bedachte Toby mit einem auffordernden Blick.
Der schluckte und überdachte seinen Optionen: er konnte das Zimmer verlassen. Oder er blieb und überließ seinen Körper diesem Typen, der ihn anekelte. Offensichtlich war es Russel egal, was mit ihm passierte, so wie der ihn an seinen Freund weiterreichte.
„Ich hab es mir überlegt, ich geh lieber. Ich bin nicht in Stimmung.“
Rückwärts wich Toby zur Tür zurück, fixierte dabei ängstlich Marvin, der ärgerlich seine Stirn runzelte und sich bereits halb aus dem Sessel erhoben hatte. Dann ging alles sehr schnell. Toby erreichte die Tür und wurde im selben Augenblick von Marvin am Arm gepackt, als eine tiefe Stimme dem ganzen ein Ende bereitete.
„Lass ihn los, Marvin. Du siehst doch, dass er nicht will.“
Russel stand in der Tür zu seinem Schlafraum und beobachtete die Szene mit bösem Blick. Aber Marvin wollte noch nicht aufgeben, fühlte er sich doch um heißen Sex betrogen. Er zog Toby von der Tür weg und in seine Arme, hielt ihn trotz heftiger Gegenwehr fest.
„Ach, der Kleine will schon, er weiß es nur noch nicht.“
„Du kotzt mich an, Marvin“, Russel ging mit schnellen Schritten auf seinen Freund zu und riss ihn von Toby weg, der sich eilig zur Tür wandte und im nächsten Moment verschwunden war.
„Mann, was soll das?“ verärgert rieb sich Marvin über seinen Arm, der von Russels festem Griff schmerzte. „Wieso machst du wegen dem Kleinen so einen Aufstand? Ist doch nur ein Loch, das gestopft werden will.“
Mit nachdenklicher Miene musterte Russel seinen Freund, mit dem er seit einem Monat fest liiert war. Aber es war keine Liebe, jedenfalls nicht von seiner Seite. Und die eklige, dunkle Seite von Marvin, seine Sexbesessenheit, die er bislang toleriert hatte, widerte ihn jetzt an. Der ganze Typ widerte ihn an.
„Morgen packst du deine Sachen, Marvin. Wir passen nicht zusammen.“
Russel wartete nicht, bis Marvin eine Erwiderung parat hatte, ging schnurstracks in sein Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Endlich war er mit seinem Gefühlschaos allein, konnte versuchen, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er lehnte sich gegen die Tür und schloss die Augen, sah wieder Tobys verängstigtes Gesicht vor sich, als Marvin nach ihm gegriffen hatte. Aber warum war der Kleine überhaupt mitgekommen, wenn er sich so sehr vor Marvin ekelte?
Ein Rumpeln im Wohnraum verriet, dass Marvin seinen Rausschmiss gleich umgesetzt hatte und mit seinem Gepäck die Suite verließ. Trotz allem hatten sie eine gute Zeit gehabt, anfangs, also öffnete Russel seine Tür und steckte den Kopf hindurch.
„Mach`s gut, Marvin.“
Sein Exfreund zuckte nur mit den Schultern, ohne sich noch einmal umzudrehen. Dann war Russel endlich allein mit seinen Gedanken.

**

Nachdem Toby das Hotel durch den Hinterausgang verlassen hatte, machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Die Nacht war klar und warm, lud förmlich zu einem Spaziergang ein. Weniger klar waren seine Gedanken, die sich immer wieder im Kreis drehten. Wieso war er Marvin in die Suite gefolgt? Und – wieso hatte Russel ihn keines Blickes gewürdigt, dann aber vor Marvins Zugriff gerettet? Ohne brauchbares Ergebnis erreichte Toby seine Wohnung, fand auch in seinem Bett keine Lösung und starrte blicklos an die Decke.
Er hatte sich vor drei Jahren in einen Rockstar verliebt, war Hals über Kopf in den frühen Morgenstunden geflohen. Immer wieder hatte er in den darauf folgenden Tagen überlegt, ob er sich bei Russel melden sollte. Ihn fragen, ob sie sich wiedersehen könnten. Aber er hatte sich nicht getraut, hatte Angst gehabt, eine ablehnende Antwort zu bekommen.
Lieber Ungewissheit und Hoffnung als endgültige Gewissheit. Tja, so borniert konnten nur Verliebte sein, warum nicht auch Toby? Außerdem hätte sich Russel ja bei ihm melden können, wenn er Interesse gehabt hätte. Dass der arme Kerl ja nicht einmal seine Telefonnummer hatte, blendete Toby geflissentlich aus. Noch so ein Phänomen bei Verliebten. Irgendwann in den Morgenstunden döste Toby endlich ein.

Der Wecker war ausschließlich für den Zweck erfunden worden, den armen Schläfer aus angenehmen Träumen zu reißen. Aus Alpträumen erwachte man nämlich von selbst, so auch Toby, der sich in seinem Bett wälzte und versuchte, Marvins Griff zu entkommen. Stöhnend öffnete er seine Augen und versuchte, den Alpdruck loszuwerden. Ein Blick auf seinen Wecker und er stöhnte erneut. Es war schon fast Mittag, sein Dienst begann in zwei Stunden.
Eine Dusche vertrieb den Alptraum, aber ein schales Gefühl blieb. Müde starrte Toby in den Spiegel und rasierte das dumme Gesicht, das ihm entgegensah. Heute erschien ihm die Situation des Vorabends noch surrealer, konnte er gar nicht mehr begreifen, wie er sich in diese peinliche Lage manövriert hatte. Er hatte sich ja benommen wie eine Hure, als er den Männern gefolgt war.
Was mochte Russel nur von ihm denken? Toby starrte in seine eigenen blauen Augen und versuchte, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Eigentlich ganz hübsch, diese Augen mit den langen, dunklen Wimpern. Auch seine kleine Nase und der breite Mund sahen recht gut aus. Aber diese grenzenlose Dummheit, die er in seinem Blick sah, wenn er an Russel dachte, einfach nur Mist.
Es war der Blick eines Verliebten, der ihm im Spiegel begegnete. Toby Herz zog sich zusammen und wieder war er an der Stelle, wo er vor drei Jahren gewesen war. Ein Kaffee half ein bisschen, auf den Erdboden zurück zu kommen. Sicher würde Russel schon abgereist sein, wenn er im Hotel ankam. Das stimmte ihn zuversichtlich und – traurig. Verdammt. Was für ein Mix.

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Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: shutterstock supported by skope
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2012

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