Ich liebe sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – verbal – aber nur, wenn sie von mir ausgeht und sich gegen Männer richtet.
Da wäre zum Beispiel dieser süße Typ mit dem kleinen Knackarsch und den dunklen Augen. Bei dem lasse ich keine Gelegenheit aus, ihn zu meinen Füssen knien zu lassen. Neulich wollte er was von mir, der arme Kerl, natürlich rein beruflich.
„Setz dich doch neben mich – ach – ist ja gar kein Stuhl da.“
Schon kniet der Kerl und ist mit mir auf Augenhöhe – fast, wenn ich nicht alle Fäden in der Hand hätte. Aber wozu bin ich Buchhalterin, wenn ich das nicht gründlich ausnutzen würde?
„Ach, Birger, du hast ja das Geld für deine letzte Reisekostenabrechnung noch gar nicht bekommen. Na so was.“
Birger grinst, ahnungslos.
„Tja, was tust du denn dafür, dass ich das Zeug mal überweise?“
„Alles“, sagt der arme Tropf, glaubt, ich spaße.
Ha-ha. Tue ich auch und befrage ihn als nächstes zu seiner Familienplanung. Danach kommt die Ehe dran, dann wenden wir uns doch wieder dem beruflichen Kram zu. Seufz. Ich will mal nicht so sein.
Den armen Ralf trifft es als nächstes, als ich ihn in der Küche treffe.
„Und“, das laute Mahlwerk der Kaffeemaschine zwingt, mich laut zu reden, „hast du sie endlich gefragt?“
„Was meinst du?“
„Na, die Mutter deines Kindes – oder ist es nicht von dir?“
Ralf grinst verlegen und zuckt mit den Schultern.
„Heirate sie“, der Kaffee ist fertig, aber ich noch nicht, „glaub mir, die macht sich sonst vom Acker.“
„Meinst du?“
Ich nicke ernst und lasse den armen Kerl zurück.
Mein nächstes Opfer ist schon auf dem Flur, als ich mit dem Kaffeebecher an ihm vorüber husche. Der arme Enno hatte leider erwähnt, dass er sich ein Denkmal für seine letzte berufliche Meisterleistung wünscht.
„Und, wie sieht es aus, Enno?“
„Hä?“
Begriffsstutzigkeit schützt vor Häme nicht.
„Hast du dir schon ein Feigenblatt ausgesucht, mit dem du für den Bildhauer posieren willst?“
Ein trockener Benjamini fällt mir ins Auge, ich zupfe ein winziges Blatt ab.
„Was hältst du hiervon, müsste doch reichen?“
Aber Enno ist gutmütig und schüttelt den Kopf.
„Niemals, das würde ja kaum was verdecken.“
Oho. Da ist ja jemand mächtig eingebildet. Grinsend wende ich mich ab, als Enno etwas einfällt.
„He, Sissi, ich habe das Geld von meiner letzten Reise noch nicht bekommen.“
Tja, Fehler.
„Ach, Enno“, ich wende mich um und zwinkere ihm zu, „wenn du das beschleunigen willst, müsstest du schon mit mir ins Bett gehen.“
„Es gibt schlimmeres“, murmelt Enno.
Ah. In meinem Büro angekommen plumpse ich auf meinen Stuhl und brauche den Kaffee nicht mehr. Mein Blutdruck ist prächtig nach dem Schlagabtausch. Und da sag mal einer, Frauen sind keine Arschlöcher.
Texte: Sissi Kaiserlos
Bildmaterialien: ?
Tag der Veröffentlichung: 22.06.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
für all meine armen Kollegen