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Kapitel I


Ein kleiner Junge warf eine Münze in den Hut, der vor mir stand. Dann wurde er von seiner Mutter weitergezogen. Es wurde schon dunkel und ich packte langsam meine Sachen zusammen. So viel hatte ich nicht, bloß einen Stock und den Hut mit der Münze des Jungen. Jeden Tag kamen mehr Leute vorbei, aber immer weniger blieben stehen und nur ein oder zwei am Tag gaben mir etwas.
Selbst jetzt in der Weihnachtszeit, zum Fest der Nächstenliebe wollte mir niemand helfen. Ich hatte den kleinen Jungen ins Herz geschlossen, wie er mich mit seinen kleinen neugierigen Augen angesehen hatte und mit seinem kleinen Mund gegrinst hatte.
Ich stand langsam auf und machte mich auf, aus der Stadt raus um vielleicht unter einer Brücke Unterschlupf zu finden.
Auf meinem Weg traf ich wie immer viele Leute, alte, junge, aus jedem sozialen Stand. Obwohl es die Ständegesellschaft aus dem Mittelalter nicht mehr gab, sah man sie doch an jeder Ecke. Überall standen Leute mit ihren Gucci-Handtaschen und Schoßhündchen. Von diesen Leuten konnte ich keinen müden Cent erwarten, dafür waren sie viel zu hochnäsig und geizig.
Als ich mir meinen Schlafplatz etwas hergerichtet hatte mit dem was ich besaß, war ich schnell eingeschlafen. Ich träumte von dem kleinen Jungen und seiner Familie. Sie saßen alle zusammen in einer Stube unter einem schönen Tannenbaum. Die Geschenke waren alle ausgepackt, der Junge hatte eine große Autorennbahn bekommen, die er sofort ausprobieren wollte.
Plötzlich wachte ich auf und sah zu meinen Füßen eben jenen kleinen Jungen.
Oben auf der Brücke rief eine Frauenstimme: "Jonas! Joonas, komm wir wollen nach Hause!"
ich hörte Schritte auf der Treppe, die unter die Brücke führte. Es war die Mutter des kleinen Jungen, er war also Jonas.
"Jonas, was machst du hier bei diesem Penner? Er stinkt! Komm, wir gehen!", sagte sie bestimmend und zog ihn mit sich.
Jonas drehte sich noch kurz um und sah mich traurig an, dann waren sie auch schon wieder auf der Brücke.
Den Rest der Nacht bekam ich kein Auge zu. Ich dachte immer wieder an die Worte von Jonas' Mutter. Sie mochte ja Recht haben, ich duschte nur wenn es regnete und auch dann behielt ich meine Klamotten an. Trotzdem schockierte mich ihre Kälte, ich konnte schließlich nichts dazu, dass ich ohne Eltern aufgewachsen war und kein Waisenhaus mich aufgenommen hatte. Zu meiner Zeit waren sie alle überfüllt gewesen und froh über jede Adoption.
Als ich aufblickte, sah ich, wie ein kleiner Hase auf mich zukam. Er hatte einen Zettel um den Hals gebunden.
Ich nahm ihm den Zettel ab, aber er lief nicht weg. Dann klappte ich den Zettel auf und konnte ihn zu meiner Verwunderung und obwohl meine Schriftkenntnisse nicht die besten waren, lesen.

Liba Wainachtsman,

ich wil nich das du an wainachten alaine bisd,
faia doch mit unz

Jonas

Auf einem zweiten Zettel war, in einer sehr viel schwerer entzifferbarer Handschrift, noch eine Adresse vermerkt, vermutlich die von Jonas.
Ich steckte die Adresse in meine Tasche und schrieb Jonas noch eine kurze Antwort.
"Ich werde da sein" stand am Ende auf dem kleinen Zettel unter Jonas' Brief.
Ich band dem Hasen den Brief wieder um den Hals und er lief wieder weg.
Nach dieser seltsamen Begegnung schlief ich schnell ein und am nächsten Morgen setzte ich mich nochmal in die Fußgängerzone um heute, am Heiligabend vielleicht doch noch etwas Barmherzigkeit erfuhr.
Ich irrte mich. Es gab mir niemand etwas und am Abend machte ich mich mit einem leeren Hut auf den Weg.
Ich fand die Adresse iemlich schnell, aber als ich das Haus sah, wollte ich meinen Augen nicht trauen und verglich immer wieder die Hausnummer auf dem Zettel und die des Hauses. Es war das Waisenhaus, vor dem ich in meiner Kindheit jeden Tag gestanden hatte. Jonas war also auch ein Waisenkind. Ich klingelte und schon nach wenigen Sekunden kam eine Meute von Kindern auf mich zugestürmt, allen voran Jonas.
Als sie mich alle umarmt hatten, sah ich die Frau, de mit Jonas in der Stadt gewesen war. Sie war eine Erzieherin im Waisenhaus und bat mich ins Haus.
Wir setzten uns gemeinsam an den großen Tisch und redeten bis tief in die Nacht hinein. Später fragte mich die Erzieherin, ob ich im Waisenhaus bleiben wolle und ich nahm diese Einldung mit Freuden an.

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Texte: (c) liegt allein bei mir
Bildmaterialien: (c) auch bei mir
Tag der Veröffentlichung: 28.12.2011

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