Cover

Mein allerliebster Exfreund




Abigail



Ich lehnte mich an 'Yesterday' und fing an zu weinen. Warum waren alle so gemein zu mir? Sogar meine besten Freundinnen wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich hatte nur noch 'Yesterday'. Meinen Schimmelwallach, der mich so liebte, wie ich war.
Ich nahm zum x-ten Mal den Brief aus der Tasche, er war schon ziemlich zerknittert aber nur wegen diesem Brief war mir so zum Heulen zumute. Robin, der jetzt mein Exfreund war, hatte ihn mir geschickt, er hatte per Brief Schluss gemacht, als er in Italien Urlaub machte. Anbei war auch gleich noch ein Foto von ihm und seiner neuen Flamme, was ich aber (sehr zum Bedauern meiner Oma) gleich verbrannt hatte (sie fand die beiden würden ein hübsches Paar abgeben... So viel zum Feingefühl meiner Oma). Was fiel ihm nur ein wegen irgendeinem italienischen Mädchen mit mir Schluss zu machen. Schließlich hatte er mir doch am Flughafen noch geschworen, dass er mit keinem anderen Mädchen flirten würde, während er in Italien war, aber auf ihn war sowieso nie Verlass. Ich hätte es wissen müssen. Ich drückte mein nassgeweintes Gesicht in 'Yesterdays' Fell und sog seinen beruhigenden Geruch ein. Schon nach wenigen Minuten war ich eingedöst
Als ich wieder aufwachte, lag eine Hand auf meiner Schulter.
Ich schreckte hoch, drehte mich um und blickte direkt in die schönsten Augen, die ich je gesehen hatte. Sie waren tiefblau und die kleinen orangenen Punkte in der Iris hatten einen warmen Schimmer. Ich fühlte mich sofort geborgen. Nach und nach betrachtete ich auch den Rest des Gesichts. Da war eine wunderschöne Nase, weder zu breit noch zu lang, sondern einfach perfekt. Dann sah ich die wunderschön geschwungenen Lippen, die zu einem Lächeln verzogen waren. Jetzt erkannte ich ihn (Hat ja lange gedauert). Er hieß Tim und ging in meine Parallelklasse. Er war mir noch nie sonderlich aufgefallen, denn er war sehr schüchtern, besonders im Umgang mit Mädchen.
Sein Pferd stand in der Nachbarbox und hieß 'Sunshine', sie war eine wunderschöne Rappstute mit weißen Fesseln.
Er wischte mir eine Träne aus dem Gesicht und fragte dann: „Ich war gerade bei Sunshine und dann habe ich dich weinen gehört. Was ist denn passiert, Abigail?“
Ich war immer noch so überrascht, dass Tim in meiner Box stand, dass ich zuerst kein Wort herausbekam (Du hast ehrlich gesagt gestottert). Er strich mir langsam über die Haare und ich stieß ihn nicht weg (Das hat mich ja immer noch am meisten gewundert). Dann fing ich an zu erzählen: „Robin hat mit mir Schluss gemacht, während er im Urlaub war. Er hat mir nur einen Brief mit einem Foto von sich und seiner neuen Freundin geschickt.“ Mehr bekam sie nicht raus, denn ich musste schon wieder heulen. Wie peinlich! Aber mehr brauchte ich auch nicht zu erzählen, denn mindestens die Mittelstufe, wenn nicht die halbe Schule, wussten über unsere Beziehung Bescheid.
„Hey, nicht weinen. Pass auf, wir beide halftern jetzt unsere Pferde und gehen dann ein bisschen raus. Dann kannst du mir alles erzählen.“, schlug er vor.
Ich nickte nur und legte 'Yesterday' schweigend das Halfter um. Tim verschwand derzeit in 'Sunshines' Box um sie fertig zu machen. Ich kam auf den Hof vor dem Stall und sah, dass Tim schon auf mich wartete. Wir gingen langsam den Feldweg entlang Richtung Wald.
Ich begann sofort, ihm mein Herz auszuschütten, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte. Zuerst erzählte ich, dass mich meine Freundinnen nicht mehr ausstehen konnten, weil mein Haus angeblich dreckig war und ich nie duschen würde. In der ganzen Sache steckte nicht ein Körnchen Wahrheit, aber meine 'Ex-Freundinnen' waren so beliebt, dass es ihnen jeder glaubte und keiner mehr mit mir befreundet sein wollte. Kurz danach fingen auch schon die Sommerferien an und ich musste mich schweren Herzens von Robin (von dem ich jetzt weiß, dass er ein echter Mistkerl ist) verabschieden, der einzige, der mich wirklich noch mochte, zumindest angeblich. Er hatte seine Rolle ja bis zum Ende vortrefflich gespielt.
Als wir auf einer Lichtung angekommen waren, ließ ich mich auf das feuchte Gras fallen und fing wieder an zu weinen. Tim setzte sich zu mir und versuchte mich zu beruhigen.
„Warum hat er mich verlassen? Hat er die Gerüchte am Ende doch geglaubt?“, fragte ich Tim. Ich wusste zwar, dass es nicht so war aber ich wollte seine Meinung hören.
„Ich will dich nicht verletzten, aber...“, fing Tim an.
„Ja, ich weiß er hat mich bestimmt nie geliebt.“
„Nicht nur das, ich hab ihn auch öfters zusammen mit Lynne gesehen, sie wirkten sehr vertraut.“, versuchte Tim seinem Satz ein sinnvolles Ende zu geben.
„Diese falsche Schlange! Fährt auch noch zweigleisig. Aber warum ist mir das nicht aufgefallen? Wahrscheinlich war ich mal wieder zu optimistisch. Ich hab mir gedacht: „Das hört auf wenn wir länger zusammen sind, dass er anderen Mädchen hinterher starrt.“ Wie konnte ich mich nur so irren?“, machte ich mir selbst Vorwürfe und brach wieder in Tränen aus.
Tim nahm mich zärtlich in den Arm und versuchte sie zu trösten.So etwas war ich nicht gewöhnt, vor allem nicht von Robin oder von Jungs allgemein. Die haben mich bisher immer liebend gern mit meinen Problemen alleine gelassen.
Von der anderen Seite kam 'Yesterday' angetrottet und schnaubte mir ins Gesicht. Ich streichelte ihn und gab ihm einen Kuss zwischen die Nüstern. Dann lehnte ich mich an Tim, der mich sanft auf seinen Schoß zog und kuschelte mich an seine warme Brust.
Nach einiger Zeit, die wir so verharrt hatten, und ich mich gefragt hatte, warum ich das überhaupt zuließ, brach Tim das Schweigen und sagte: „Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen, es wird schon dunkel.“
Die Sonne guckte tatsächlich nur noch ein kleines Stück über die Bäume und ich stand langsam auf und griff mir 'Yesterdays' Führstrick. Auch Tim rappelte sich hoch und nahm 'Sunshine' am Halfter. Wir schwiegen den ganzen Rückweg lang, aber es war ein angenehmes Schweigen. Als sie wieder am Stall angekommen waren, flüsterte Tim mir ins Ohr: „Soll ich dich noch nach Hause bringen? Meine Eltern sind sowieso nicht da, die warten nicht auf mich.“
„Ja, gerne!“, flüsterte ich zurück.
Wir putzten schnell die Pferde und brachten sie wieder in die Boxen.
Nachdem wir uns von ihnen verabschiedet hatten, griff Tim nach meiner Hand und hielt sie sanft fest. Ich schüttelte seine Hand nicht ab, weil ich wusste das wir beide das gerade brauchten, jemand an dem man sich festhalten kann (brauchte ich das wirklich?).
Als wir bei mir zuhause angekommen waren, drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und schwebte regelrecht in mein Zimmer. Durch mein Zimmerfenster sah ich, dass Tim noch einige Minuten vor der Haustür stehen blieb. Ich hatte schon in der fünften Klasse bemerkt, dass er heimlich auf mich stand, hatte sich aber nie getraut mich anzusprechen, weil ich im Prinzip nie alleine war in den Pausen. Ich fiel sofort todmüde ins Bett. Ich wusste nicht, dass eine zufällige Begegnung so fertig machen konnte. Allerdings konnte ich nicht lange schlafen und war schon nach zehn Minuten wieder wach. Ich beschloss Tim nochmal zu überraschen und packte Essen, eine Picknickdecke und einige Kerzen in einen alten Korb, schlüpfte in mein Polka-Dot-Kleid Dann holte ich mein Fahrrad aus der Garage und fuhr zu Tim. Ich klingelte bei ihm und kurz darauf machte er die Tür auf und ließ mich rein. Er sah ziemlich überrascht aus (Ich sah nicht nur so aus, ich war überrascht).
„Kommst du mit an den See?“, fragte ich ihn, nachdem er wieder einigermaßen normal aussah.
„Ja, warte ich zieh mich noch kurz um.“, sagte er und lief in sein Zimmer.
Als er wiederkam hatte er eine Jeans und einen Hoodie an, ganz normal also (Ganz normal? Das war mein Lieblingshoodie). Wir fuhren mit den Fahrrädern zum nahegelegenen See, legten die Decke aufs Gras und setzten uns drauf. Wir packten alles aus, was ich mitgenommen hatte und zündeten die Kerzen an. Dann fragte Tim: „Sind deine Eltern gar nicht zuhause? Meine Eltern hätten mir so was nie erlaubt.“
„Meine Eltern sind tot, meine Oma kümmert sich um mich und die schläft schon.“, flüsterte ich und brach wieder in Tränen aus.
„Oh, Gott, Abigail! Das wusste ich nicht, tut mir echt Leid.“
„Nicht schlimm, ich muss damit klar kommen. Aber sie sind ja noch gar nicht so lange tot. Sie sind letzten Monat bei einem Autounfall gestorben, vielleicht hast du es in der Zeitung gelesen. Ich hätte genauso tot sein können, aber genau an diesem Tag war ich bei Taylor, meiner Cousine.“, erklärte ich und beruhigte sich langsam wieder. Ich hatte schon öfter darüber nachgedacht, wegen meiner ständigen Heulkrämpfe zum Psychiater zu gehen, aber meine Oma hatte mich bisher immer davon abgehalten.
„Du Arme, komm mal her!“, sagte Tim, nahm mich in den Arm und streichelte über meine Locken. Tims Nähe beruhigte mich und ich hörte sofort auf zu schluchzen, genau das war es, was ich jetzt brauchte. Jemanden bei dem ich mich ausheulen konnte (Oh, ja!). Einige Tage nachdem meine Eltern gestorben waren, war ich nur noch in schwarz zur Schule gekommen, hatte mir sogar die blonden Haare schwarz gefärbt. Jetzt wurde es langsam besser, aber die Wunden waren noch nicht verheilt, genauso wenig wie meine Haare wieder komplett blond waren, das würde noch einige Wochen, vielleicht sogar Monate oder Jahre dauern.
Ich griff in meine Umhängetasche und holte meinen Handspiegel raus, ich sah schrecklich aus, vielleicht sollte ich es wirklich mal mit wasserfester Schminke versuchen, aber das war im Moment eher nebensächlich. Tim nahm ihr den Spiegel aus der Hand und sagte sanft: „Ein schönes Mädchen kann nichts entstellen.“ Ich legte meinen Kopf auf seine Beine und schaute ihn mit meinen verheulten Augen an. Er beugte sich zu mir runter und küsste mich zärtlich auf den Mund. In diesem Moment wurde mir klar: Ich war bis über beide Ohren in ihn verliebt und ich konnte an seinen Augen sehen, dass er das gleiche dachte (Tja, ich bin und bleibe eben ein guter Küsser). Ich wollte, dass dieser Kuss niemals zu ende ging, aber langsam löste er seine Lippen wieder von meinen und ich drückte mein Gesicht in seinen Hoodie.
Eine Weile blieb ich noch so liegen, dann rappelte ich mich langsam hoch und schnappte mir ein Käsebrot und kaute still vor mich hin (War das jetzt so wichtig, dass es ein Käsebrot war?). Auch Tim nahm sich ein Brot und legte eine Scheibe Wurst drauf (Und an so was erinnerst du dich?). Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Plötzlich fragte Tim: „Sind wir jetzt eigentlich zusammen?“
Ich stürzte mich auf ihn und strubbelte ihm durch die Haare: „So was fragt man nicht! Aber wenn du unbedingt ne Antwort hören willst: Ich würde ja sagen, wenn du mich fragst ob ich mit dir gehen will.“
Er sah erleichtert aus. Gleich darauf fragte er mich: „Willst du mit mir gehen?“
„Och, Mensch Tim, ich hab doch gerade schon ja gesagt! Manchmal seid ihr Jungs echt komisch.“, antwortete ich leicht genervt.
„Warum sind eigentlich immer wir Typen die Idioten?“ Aha, er wollte also, dass ich meine gesamten Prinzipien aufgab, aber nicht mit mir. Ich konterte geschickt: „Naja, Idiotin hört sich bescheuert an.“
Inzwischen hatte ich aufgegessen und ließ mich wieder in Tims Schoß fallen, wo ich mich total geborgen fühlte. Er streichelte mir sanft über das schwarz-blonde Haar und ließ dann seine Kopf langsam auf meinen sinken. Nachdem er einige Minuten so verharrt hatte, küsste er meinen Scheitel angefangen am Hinterkopf, bis er zu meiner Stirn kam. Er sah mich liebevoll an und ich konnte in seinem Blick lesen, dass er mich nie verlieren wollte (Wie gut du doch meine Blicke lesen kannst - Respekt).
Dann legte ich meinen Kopf in den Nacken und küsste ihn zärtlich, er erwiderte den Kuss ohne zu zögern.
Als wir uns aus dem Kuss lösten, war es schon fast Mitternacht und die Kerzen waren schon ziemlich runtergebrannt.
„Ich glaube, wir sollten langsam wieder nach Hause gehen.“, sagte ich und fing an, alles wieder einzupacken.
„Wenn wir schon zu spät kommen, ist es doch egal, wie spät wir kommen. Ärger bekommen wir sowieso nicht. Meine Eltern sind nicht da und deine Oma wird schon keine Fahndungsbriefe aufhängen. Ich hoffe nur du hast deinen Haustürschlüssel dabei.“, philosophierte Tim vor sich hin. Wenn er sich da mal nicht irrte. Erstens in meiner Oma und zweitens in mir. Ich überlegte kurz, was ich darauf jetzt antworten könnte, dann fiel mir der perfekte Konter ein.
„Und was wäre, wenn ich ihn absichtlich zuhause liegengelassen hätte, nur um bei dir zu übernachten? Würdest du mich dann draußen stehen lassen?“
Jetzt war er an der Reihe mich verdutzt anzugucken (Das war ja auch echt fies von dir).
„Was? Du hast deinen Schlüssel extra vergessen?“, erwiderte er nachdem er die Sprache wiedergefunden hatte.
Ich antwortete nicht sondern schüttete meine Umhängetasche wieder aus. Dort war zu meinem Entsetzen wirklich kein Schlüssel drin.
„Das heißt wohl ja!“, schlussfolgerte er und guckte mich erwartungsvoll an.
Ich suchte mit meiner Hand in meiner Hosentasche und zog sie samt Schlüsselbund wieder raus.
„Nee, heißt es nicht.“, entgegnete ich schnippisch und wedelte mit dem Schlüssel vor seiner Nase rum. „Aber wenn du unbedingt willst, dann hab ich ihn nicht dabei.“, fügte ich noch hinzu und schon wieder sah er mich völlig fassungslos an.

Ein Traum wird wahr




Tim



Abigail war schon etwas komisch (Ich und komisch?). Wir kannten uns noch nicht mal einen Tag und sie wollte schon mit zu mir kommen. Sie war einfach nicht normal, sie wurde gerade erst von ihrem Freund übel betrogen und jetzt war sie schon mit dem nächsten zusammen (Ja du hast Recht, ich bin wirklich nicht normal). Dieses Mädel verstehe selbst ich nicht, aber ich glaube genau das ist es, was mir an ihr gefällt. Sie ist undurchschaubar, eine echte Herausforderung. Ich gebe es nicht gerne zu, aber ja, sie ist meine erste Freundin (Das hätte ich bei deinen Kusskünsten nicht erwartet). Jetzt aber weiter im Text.
Abigail überredete mich kurze Zeit später, dass ich sie wenigstens noch nach Hause bringe. Vor der Tür kam es zu einer romantischen Abschiedsszene und Abigail zog mich noch mit in ihr Zimmer.
„Bleib bitte noch hier, zumindest bis ich eingeschlafen bin, wenn du da bist bin ich immer viel ruhiger.“, flüsterte sie.
Ich entschied mich noch ein wenig zu bleiben und ehe ich mich versah, war ich auch schon auf einer Matratze neben ihrem Bett (mein 'Bett') eingeschlafen, nachdem ich einigen Minuten lang ihrem süßen Schnarchen zugehört hatte (Hab ich wirklich geschnarcht?).
Als ich am nächsten Morgen aufwachte spürte ich etwas schweres auf meinen Beinen, mein erster Gedanke war: Wir haben doch gar keinen Hund (Aha, ich fühle mich also an wie ein Hund).
Dann öffnete ich langsam die Augen und sah direkt in Abigails strahlende Augen.
„Meine Oma hat gesagt, du kannst hier wohnen bis deine Eltern wiederkommen, sie kann es nicht ab, wenn jemand irgendwo alleine wohnt.“
Ich rieb mir die Augen und sagte dann: „Was?“
Bevor Abigail ihre Rede wiederholen konnte, klopfte es an der Tür und Abigails Oma kam rein. Sie sah überhaupt nicht aus wie eine Oma, zumindest nicht wie meine (naja, meine ist ja auch schon 90...) sie sah aus wie 40 und wenn ich nicht gewusst hätte, dass ihre Eltern tot sind, hätte ich sie für ihre Mutter gehalten (Das meinst du jetzt bitte nicht ernst).
„Also Abigail, belästige unseren Gast doch nicht so.“, rief sie und ich erwiderte: „Ist schon okay, mir tut ein bisschen Körperkontakt auch gut!“
„Na gut!“, sagte ihre Oma und ging wieder.
„Danke, Tim! Du hast mich gerettet!“, rief sie als ihre Oma außer Hörweite zu sein schien und gab mir einen stürmischen Knutscher auf die Wange. Mein Gott war dieses Mädchen aufgedreht (Was kann ich bitte dazu?). Sie sprang auf und versuchte mich aus dem Bett zu ziehen. Aber ich als Langschläfer hielt mich an der Matratze fest.
„Na gut, wenn du nicht willst werden jetzt die härteren Geschütze aufgefahren!“, rief sie und drehte das Radio auf. An Schlafen war nicht mehr zu denken. Ich stand auf, zog sie vom Lautstärkeregler weg und drehte die Musik leiser. Dann zog ich sie an mich und liebkoste ihren Nacken. Ihr schien es zu gefallen und sie drehte sich um, um mich zu küssen. Jetzt torkelten wir rückwärts wieder auf die Matratze zu und ließen uns fallen (so was nennst du torkeln? Wir sind zum Bett getänzelt.).
Mit ihr war es wie im Traum, ach was Quatsch, schöner als im Traum.
Wir kuschelten noch eine Weile bis wir beide gleichzeitig (!) aufstanden und uns anzogen. Ich merkte wie ich rot wurde, als sie ihr Top auszog und einen BH überstreifte (Männliche Hormone -.-). Ich kniff mich, um sicherzugehen, dass das hier auch alles gerade passierte. Ich stellte mich schon darauf ein, schweißgebadet in meinem Bett aufzuwachen aber ich stand immer noch in ihrem Zimmer und suchte meine Sachen zusammen um mich anzuziehen. Vielleicht hatte ich nicht doll genug gezwickt, aber auch als mein Arm schon ganz rot vom Kneifen war, stand ich immer noch am selben Ort (Du bist auch nicht mehr ganz dicht, oder?). Ich beschloss mich anzuziehen und das alles einfach erstmal so hinzunehmen (war ja auch nicht schwer... ich meine wer wäre nicht gerne mit seiner Traumfrau zusammen?).
Als ich meinen Pullover überstreifte bemerkte ich einen Knutschfleck auf dem Ärmel und überlegte. Er konnte eigentlich nur von Abigail sein aber wenn sie sich nicht mehr erinnern und voll eifersüchtig werden würde? Ich hoffte, dass sie ein nicht ganz so schlechtes Gedächtnis hatte, wie ich und fragte sie ob sie gestern Lippenstift drauf hatte. Als sie wissen wollte, warum ich fragte hielt ich ihr meinen Ärmel unter die Nase (Nicht unter die Nase, gegen die Nase hast du mir ihn gehalten.). Daraufhin meinte sie: „Nein, gestern Abend nicht, aber heute morgen. Und jetzt komm mit, es gibt Frühstück.“
Kein Wunder also, dass ich mich nicht erinnern konnte, dass mein Pullover nen Kuss bekommen hatte, ich hab ja geschlafen (Tiiief und fest wie ein Murmeltier, ja.).
Frühstück war in meiner Familie ein Fremdwort, mein Vater trank morgens nur schnell einen Espresso und war dann verschwunden. Meine Mutter aß und trank nichts. Wenn sie nicht da waren, machte ich mir oft Müsli aber das war kein Vergleich zu dem, was Abigail und ihre Oma unter Frühstück verstanden. Es sah aus wie ein Vier-Gänge-Menü in einem Nobel-Restaurant plus Dessert.
„Das war doch nicht nötig!“, war das erste was ich herausbekam.
„Sag bloß du isst zu Hause morgens nichts? Ich brauche morgens ne halbe Stunde länger, nicht weil ich so lange im Bad stehe, sondern weil ich mich nicht entscheiden kann, was ich essen soll.“, antwortete Abigail erschreckt.
„Ich esse morgens nur ganz selten mal Müsli, sonst nichts.“, antwortete ich überrascht darüber, dass Abigail so viel Wert aufs Frühstück legte.
„Echt? Naja, ist ja auch egal, hier kannst du jedenfalls so viel essen, wie du willst. Ich würde dir raten nicht nur ein Brot zu essen, wenn man länger mit mir was macht bekommt man auch wenn man drei Brote gegessen hat nach spätestens 4 Stunden wieder Hunger.“, beendete sie die Diskussion und setzte sich an den Tisch. Ich setzte mich neben sie.
Nachdem ich drei Brote verdrückt hatte, zog mich Abigail wieder in ihr Zimmer.
Ich setzte mich wieder auf die Matratze und guckte mich erstmal um, wo ich hier gelandet war, dazu war ich noch gar nicht gekommen (So was macht man doch als erstes du Miep).
Alles in allem war es sehr ordentlich (besonders wenn man es mit meinem Zimmer verglich... ;)). Es war auch nicht kitschig sondern ziemlich schlicht mit wenig Deko eingerichtet. Die Wand, auf die ich jetzt blickte war komplett mit Büchern gefüllt.
„Hast du die Bücher alle gelesen?“, fragte ich beiläufig.
„Nein, ich bin noch dabei. Die meisten davon haben meiner Mum gehört.“, antwortete sie genauso beiläufig, während sie irgendein Promimagazin las.
Ich beschloss zu gucken, ob sich auch ein brauchbares Buch für mich fand. Als ich nach drei Reihen, vollgestopft mit allen möglichen Büchern, noch immer kein ansprechendes gefunden hatte, gab ich auf.
Wie sie da auf ihrem Bett lag und las, war sie einfach wunderschön, ich konnte kaum den Blick von ihr abwenden (Du fandst echt ich sah gut aus? Ich hatte doch noch nicht mal meine Haare gemacht!). Nachdem ich sie einige Minuten so angestarrt hatte (nein, ich hab nicht gesabbert), stand ich auf, beugte mich zu ihr runter und wischte ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
Sie drehte sich zu mir um und küsste mich zärtlich, bevor sie mich auf ihr Bett zog.
„Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr.“, sagte sie mit gespielt vorwurfsvoller Stimme.
„Dann sag doch was. Ich dachte du stellst gerade wieder Studien auf, dass Justin Bieber schwul sein muss.“, sagte ich provozierend.
„Dazu brauch ich doch keine Studien. Es liegt doch auf der Hand, dass er schwul ist.“, antwortete sie belustigt. Damit sie nicht weiterreden konnte, drückte ich ihr noch einen Kuss auf die Lippen.
„Du bist wunderschön!“, hauchte sie mir zu.
„Du bist noch viel schöner, glaub mir. Mit dir kann es nicht einmal Megan Fox aufnehmen.“, hauchte ich zurück.
Und das meinte ich ernst (ICH meinte das auch ernst.). Ich fand ihre schwarzen Haare, die langsam wieder blond nachwuchsen wunderschön, ich liebte ihr Lachen und ihre hibbelige Art. Ich liebte es in ihren ozeanblauen Augen zu versinken und einfach nur zu träumen (Du bist echt so süß!).
„Das meinst du nicht ernst!“, begann sie zu zweifeln. Für solche Fälle war eine Gitarre sehr praktisch, zum Glück hatte Abigail eine halbwegs gut gestimmte in ihrem Zimmer stehen (Naja es war ja auch mehr Accessoire als zum spielen). Ich stimmte sie noch ein wenig und fing an 'Just the way you are' von Bruno Mars zu spielen und dazu zu singen. Ich hatte dieses Lied schon oft im Bezug auf sie gesungen, nur nicht in ihrem Beisein (Komisch, komisch).
Als ich fertig war, fiel sie mir um den Hals und küsste mich überschwänglich.
„Ich nehme alles zurück! Ich liebe dich! So was hat noch keiner meiner Exfreunde für mich gemacht.“, rief sie stürmisch, nur um mich gleich wieder zu küssen.
Ich wirbelte sie einmal herum und setzte sie dann wieder ab, ich konnte es immer noch nicht glauben, dass das hier wirklich gerade passierte. Sie war wirklich mit mir zusammen. Sie war mein Mädchen (Nicht gleich besitzergreifend werden, mein Lieber!).

Tim & Abe allein zuhaus




Abigail



Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass meine sonst so strenge Oma Tim erlaubt hatte, bis seine Eltern wieder da waren, bei uns zu wohnen (Es geschehen wohl noch Zeichen und Wunder). Sie hasste es halt, wenn irgendwo jemand ganz alleine leben musste.
Ich fand es total süß von Tim, dass er mir eben mal so 'Just the way you are' vorgesungen hat, das hätte ich echt nicht von ihm erwartet, schon gar nicht als ich so fies zu ihm war (Ich von mir auch nicht, Süße.). Das konnte nur Liebe sein. Als er mich wieder von meinem 'Höhenflug' abgesetzt hatte, nahm ich seine Hand und zog in sanft nach draußen (Das nennst du sanft? Du hast mir fast meine Schulter ausgekugelt.). In der Zeit, als er noch geschlafen hat, hatte ich im Garten etwas kleines vorbereitet.
Als er das Herz aus Blumen auf dem Rasen sah, hob er mich wieder hoch und wirbelte mich herum. Bevor er mich absetzte gab er mir noch einen zärtlichen Kuss.
Wir brauchten keine Wörter um uns zu verstehen, unsere Herzen sprachen ihre eigene Sprache (Ich wusste nicht, dass mein Herz sprechen kann...).
Tim lief weiter in den Garten hinein und kam nach einiger Zeit mit noch mehr Blumen wieder. Auch wenn er mir nicht gesagt hatte, was er machen wollte, wusste ich es doch. Er 'schrieb' noch ein blumiges 'A+T' in das Herz.
Er war ja so süß! Ich musste mich unbedingt noch mit einem Lied arrangieren und ich hatte auch schon eine Idee was für eins.
In diesem Moment klingelte sein Handy (Wie Handy halt so sind, klingeln immer zur falschen Zeit -.-).
Als er wieder aufgelegt hatte meinte er: „Sorry, ich muss weg. Ich muss Phillip noch zeigen wie man einen vernünftigen Backflip hinbekommt. Er bekommt das nicht auf die Reihe.“
„Ja klar, mach das. Soll ich dann so in ner Stunde zu dir kommen, du brauchst ja denke ich noch nen paar mehr Klamotten, wenn du die nächsten 2 Wochen bei mir wohnen willst.“, sagte ich mit einem beiläufigen Unterton.
„Was? Ich darf die nächsten zwei Wochen, bis meine Eltern wieder da sind bei dir wohnen? Und das erlaubt deine Oma?“, rief er und guckte mich ziemlich bedeppert an.
„Ja klar! Sie ist eigentlich ziemlich locker drauf. Also, soll ich dann vorbeikommen und dir nen bisschen helfen?“ Wie ich doch diese kleinen Notlügen liebte (Notlüge?! Ich werd euch Mädchen nie verstehen...).
„Ja, klar kannst du machen!“, antwortete er und gab mir noch einen zärtlichen Kuss auf die Wange, bevor er sich auf den Weg zum Skatepark machte.
Jetzt hatte ich noch eine Stunde Zeit um 'Das Beste' von Silbermond für ihn einzuüben. Ich setzte mich ans Klavier und holte die Noten raus, die ich glücklicherweise vor einigen Wochen von meiner Lehrerin bekommen hatte.
Es war eigentlich für Robin gedacht (aber das kam ja jetzt wohl nicht mehr in Frage...), weil meine Klavierlehrerin meinte wir würden wunderbar zusammenpassen (da hatte sie sich wohl gründlich geirrt...). Für Robin hatte ich schon ein anderes Lied gefunden. 'Better than revenge' von Taylor Swift war wie aus meinem Tagebuch geklaut.
Nach einer halben Stunde, die ich singen geübt hatte, zog ich mich um und schnappte mir mein Skateboard um Tim direkt am Skatepark abzufangen.
Als ich ankam lief er schon auf mich zu, drückte mich kurz und küsste mich auf die Wange.
„Ich wusste gar nicht, dass du auch skatest.“, sagte er interessiert.
„Mach ich auch eigentlich gar nicht! Mehr als geradeaus ist bei mir nicht drin!“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Ich wollte dich eigentlich nur überraschen und fragen ob du soweit fertig bist.“
„Ja klar, die anderen sind schon wieder weg. Soll ich dir vielleicht kurz noch ne paar Tricks zeigen oder hast du es eilig?“
„Ich hab Zeit. Meine Oma ist zu Freunden gefahren und kommt erst morgen Nachmittag wieder. Wir haben also das ganze Haus für uns.“
„Na dann komm jetzt mit! Am besten ich zeig dir erstmal das Kurvenfahren.“
Nachdem wir nach 2 Stunden skaten wieder bei Tim waren ließ ich mich erstmal erschöpft auf sein Bett fallen (Ja, wie sonnen kleines Nilpferd, mein Bett wäre beinahe zusammengekracht.).
Tim ging derzeit an seinen Schrank und warf alle möglichen Sachen in seinen Tasche (Die waren sorgfältig ausgewählt, ja?).
„Nimmst du die Gitarre und das Skateboard noch? Ich denke dann können wir los.“, sagte er, nachdem die Tasche prall voll war.
„Ja klar. Soll ich dir sonst noch irgendwie helfen?“, fragte ich ihn, während ich mir seine Gitarre und sein Skateboard schnappte.
„Nee, ich komm schon klar aber danke.“, antwortete er etwas zögerlich und gab mir einen Kuss.
Nachdem wir Tims Sachen zu mir gebracht hatten, gingen wir zum Stall um noch ein wenig mit 'Yesterday' und 'Sunshine' auszureiten.
Wir putzten die beiden ausgiebig und nachdem wir sie getrenst hatten (ja, nur getrenst, nicht gesattelt, das war viel angenehmer für alle.) konnte es losgehen. Wir ritten wieder ein Stück in den Wald, bis zu der Lichtung.
Dort angekommen stiegen wir ab, ließen die Pferde fressen und legten uns ins Gras. Ich legte meinen Kopf in Tims Schoß und er begann mich zärtlich zu streicheln und mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Ich legte meine Hände um seinen Nacken und zog seinen Kopf langsam zu mir herunter um ihn zu küssen. Er verstand sofort und küsste meinen Hals, dann meine Wange bis er bei meinem Mund angekommen war. Seine Lippen schwebten kurz über meinen und ich streckte mich ihm entgegen und küsste ihn gefühlvoll (Du hast mir diese tolle Kunstpause versaut -.-). In diesem Kuss lagen alle meine Gefühle der letzten 24 Stunden, dem besten Tag meines Lebens. Zuhörer gesucht – Traumtypen gefunden. 4 Wörter für 24 Stunden. Wir krallten uns jeweils in den Haaren des anderen fest und küssten uns eine gefühlte Ewigkeit. Als wir wieder voneinander abließen rappelte ich mich langsam hoch und schwang mich diesmal auf 'Sunshines' Rücken (was gar nicht so leicht war, sie war gefühlt eins achtzig groß). Tim verstand, was ich vorhatte und ließ sich auf 'Yesterdays' Rücken gleiten (Er war aber auch nicht gerade klein). Wir führten die Pferde so nah wie möglich aneinander, küssten uns nochmal zärtlich und ritten dann wieder zum Stall. Dort putzten wir die beiden, machten ihnen wieder die Halfter um und brachten sie dann zurück in ihre Boxen.
Nachdem wir wieder bei mir zuhause waren, zog ich Tim sofort ins Klavierzimmer.
Ich setzte mich ans Klavier, er saß direkt neben mir, und fing an zu spielen. Irgendwann sang er auch mit und als das Lied zu ende war, nahm er mich in den Arm und küsste meinen Hals. Dann legte er seinen Kopf auf meine Schulter und ich spürte, wie mein T-Shirt langsam feucht wurde (Hab ich wirklich als erstes geheult?). Auch ich fing an zu weinen und so saßen wir da eine gefühlte Ewigkeit.
Als erstes sagte Tim wieder etwas: „Das war wunderschön! Du bedeutest mir so unendlich viel, ich kann es gar nicht in Worte fassen, aber dieses Lied trifft es ziemlich genau!“, seine Stimme hatte einen leicht verheulten Unterton (kein Wunder, er hatte ja auch gerade geheult) aber das machte das Geständnis nur noch süßer (Hah, ich bin süß! Lebensziel erreicht!). Hätte ich das Lied Robin vorgespielt, wäre er cool geblieben, hätte höchstens gemeint, das ginge aber besser. Bei Tim war das ganz anders (vielleicht sollte ich aufhören, die beiden zu vergleichen, Robin hat sowieso keine Chance gegen Tim. Wir waren ein halbes Jahr zusammen gewesen, Tim kannte ich erst einen Tag, aber ich hatte das Gefühl, als wäre ich mit ihm schon ein halbes Jahr zusammen, nicht mit Robin)
Langsam standen wir auf und trotteten händchenhaltend in mein Zimmer.
Tim setzte sich auf mein Bett und zog mich auf seinen Schoß. Ich legte meine Arme um seinen Hals, legte meine Stirn an seine und sah ihm verliebt in die wunderschönen Augen. Ich las darin Liebe und Freude und küsste ihn zärtlich ohne den Blick von seinen Augen zu nehmen (Du hast mich angestarrt!).
Auf einmal klingelte mein Handy (na super! Immer zum falschen Zeitpunkt...).
„Sorry, da muss ich kurz rangehen!“, sagte ich entschuldigend zu Tim. Es war Robin (was sagte ich? Zur falschen Zeit? Nicht nur das, auch noch die falschen Leute die anrufen!), er wollte sich für den Brief entschuldigen. Das konnte er gründlich vergessen. Erst nen Foto mit seiner neuen Flamme schicken und dann wieder angekrochen kommen. Nicht mit mir!
„Was willst du?“, sagte ich mit genervter Stimme. Ich sollte seine Nummer unter 'Idiot, geh bloß nicht dran!' speichern, dann wäre ich wenigstens vorgewarnt (Gute Idee! Soll ich dich dran erinnern, wenn er wieder anruft?).
„Alexandra hat mich eiskalt abserviert, wollen wir es nich nochmal versuchen?“, kam es aus dem Handy. Der hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank, dieser Idiot. Erst fremdgehen und dann wieder mit mir zusammen sein wollen. Wie schon gesagt, nicht mit mir.
„Was glaubst du eigentlich wer du bist? Erst servierst du mich eiskalt ab und wenn sie mit dir Schluss macht, kommst du wieder angekrochen! Dein krankes Hirn will ich mal verstehen!“, schrie ich in den Hörer.
„Hey, Abigail! Wir können doch über alles reden!“, sagte er eingeschüchtert. Ich war immer noch total aggro.
„Rede darüber am besten mit meinem Freund!“, sagte ich schließlich und gab Tim das Telefon.
„Du hast mir also meine Freundin ausgespannt!“, hörte ich Robin mit einem vernichtenden Unterton sagen.
Doch Tim ließ sich davon nicht einschüchtern und antwortete mit einer selbstbewussten Stimme: „Ich würde eher sagen, ich habe sie gerettet vor dir, du hinterlistiges Schwein! Wäre ich nicht gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich schon seit Tagen nicht mehr draußen blicken lassen. Du hast ihr alles genommen, was sie hatte!“
Tim hatte ja so recht (Wow, du gibst mir Recht! Respekt!). Ohne ihn hätte ich mich in meinem Zimmer verkrochen und wäre nur zum Essen rausgekommen. Vermutlich hätte ich mir auch die Haare wieder neu schwarz gefärbt (Dabei ist blond-schwarz doch viel schöner).
„Jetzt komm mir nicht mit der Masche! Abigail hatte doch schon längst keine Gefühle mehr für mich, sie war nur noch mit mir zusammen, weil sie Mitleid mit mir hatte.“ Robin hatte wirklich eine komische Sicht der Dinge, aber naja.
„DU hast sie noch geliebt? Das kannst du meinetwegen dem Weihnachtsmann erzählen, aber nicht mir! Ich hab doch gesehen wie du mit Lynne rumgemacht hast.“
Ich nahm Tim mein Handy wieder aus der Hand und legte auf.
„Wie ich ihn kenne, wird er zwar in spätestens zwei Minuten wieder anrufen, aber bis dahin haben wir erstmal Ruhe.“, klärte ich Tim über das Verhalten meines Ex-Freunds auf und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Nach exakt zwei Minuten klingelte tatsächlich mein Handy. Diesmal war es aber nicht Robin, sondern meine Oma.
„Hey, Schätzchen! Geht es dir gut?“, fing sie das Gespräch ungewöhnlich gutgelaunt an.
„Ja, klar Oma! Was wolltest du denn?“, antwortete ich zu meiner (und Tims) Verwunderung auch ziemlich gut gelaunt (Ich frag mich immer wieder wo du diese gute Laune hernimmst.).
„Ach ja, Abigail? Ich bleibe wahrscheinlich noch ein bisschen länger weg, denkst du ihr kommt alleine klar?“,schilderte sie mir ihr 'Problem' (Schlimmstes 'Problem seit langem!).
Ich hielt den Hörer zu und fragte Tim: „Was meinst du, halten wir es noch ein bisschen länger alleine aus, ohne meine Oma?“ Er hatte ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht, als er antwortete: „Wie alt glaubt deine Oma sind wir? Zwei 15-jährige, sollten eigentlich alleine klarkommen.“ Ich fing an zu lachen (und ich wusste nicht mal warum... waren wahrscheinlich die Hormone... oder Tims Gesichtsausdruck, mit dem er mich jetzt anstarrte. Dieser Junge brachte mich immer aus dem Konzept...).
„Was ist denn so lustig?“, fragte meine Oma. Es hörte sich fast so an, als würde sie vermuten, dass wir über sie lachen.
„Ach nichts, Oma. Um zu deiner Frage zurückzukommen: Ich denke wir kommen noch ein paar Tage alleine aus. Wie lange würdest du denn noch wegbleiben?“
„Ich denke höchstens eine Woche. Wieso willst du das denn so genau wissen?“, hakte sie nach.
„Naja, ich muss ja wissen, wie viele Fertigpizzen ich nachher kaufen muss.“, erwiderte ich schnippisch (Fertigpizzen, ja der war gut!). Manchmal machte ich es meiner Oma echt nicht leicht. Aber wenn sie so nachhakte, fand ich, hatte sie es auch nicht anders verdient. Ich hatte auch meine Privatsphäre.
„Na, gut! Dann bis bald ihr beiden.“, sagte sie noch und legte auf. Ich glaube sie hat mir das mit den Fertigpizzen nicht so ganz abgenommen, aber egal. In der Zwischenzeit hatte Robin schon zweimal angerufen, das letzte mal vor einer Minute. Was soll ich sagen? Es störte uns nicht wirklich (Nicht wirklich ist untertrieben, mich persönlich störte es überhaupt nicht).

Abigail zieht falsche Schlüsse




Tim



Robin dieses Arschloch. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, dann gibt es Tote (Tim? Langsam bekomm ich Angst vor dir.). Was bildet er sich ein, er hätte Abigail geliebt? Es gibt Leute, die muss man echt nicht verstehen, besonders nicht, wenn sie alle drei Tage ne neue Freundin haben (Jeden Tag 2 trifft es besser). Das Wort Liebe kennen die vielleicht, aber sie wissen nicht, was es bedeutet. Ich weiß es seit einigen Tagen. Wenn du verliebt bist, weißt du, dass es jemanden gibt, der dich genau so nimmt, wie du bist, der dich nicht verändern will (Wer sagt denn, dass ich dich nicht verändern will?). Genau diese Person ist Abigail für mich. Sie ist kein bisschen eifersüchtig, sie sehnt sich einfach nur nach Geborgenheit und Liebe. Ich glaube, diese Liebe kann ich ihr geben, sie saugt sie regelrecht auf. Vor den Ferien war sie noch viel trauriger, ich habe sie nie lachen gesehen (Du hast mich gestalkt?). Jetzt lacht sie über jeden noch so bescheuerten Witz von mir und sieht so aus, als ob sie am liebsten die ganze Welt umarmen würde (Klappt nur leider nicht, Arme zu kurz...). Ich will ja nicht sagen, dass das nur an mir liegt, aber ich denke, dass ich schon einen großen Teil dazu beigetragen habe, ihr geholfen habe, ihre Fröhlichkeit wiederzufinden.
Robin rief den ganzen Nachmittag nicht mehr an, er hatte wohl verstanden, dass Abigail nichts mehr von ihm wollte (Daran glaub ich ja nicht, aber naja.). Vielleicht hatte er sich ja wieder in Lynnes Arme geflüchtet und sagt ihr jetzt alle zwei Minuten, wie sehr er sie doch liebt (DAS kann ich mir schon eher vorstellen). So weit zur Theorie, die Praxis sah leider anders aus. Nachdem wir mit dem Abendbrot fertig waren (nein, wir haben keine Fertigpizza gegessen...), klingelte Abigails Handy, es war wieder Robin (als ob wir's nicht erwartet hätten).
Nach 5 Minuten gab er es allerdings auf zu beteuern, dass er Abigail doch immer noch lieben würde und legte auf. Jetzt konnten wir uns endlich dem Fernseher und seinem Programm widmen, was sich aber heute gegen uns verschworen hatte. Überall wo wir hin schalteten, zofften sich die Leute (Sogar bei Anna und die Liebe). Es war wie verhext. Damals, als ich noch nicht mit Abigail zusammen war, habe ich an jeder Ecke knutschende Pärchen gesehen, in letzter Zeit aber kein einziges (naja, uns mal nicht mitgezählt) und jetzt wo ich glücklich bin zoffen sich alle anderen aufs übelste.
Naja, soll nicht mein Problem sein, ich bin schließlich kein Paarberater oder so (Niiicht??).
„Das ist frustrierend, lass uns was anderes machen!“, sagte ich nach einigen Minuten und nahm Abigail die Fernbedienung aus der Hand.
Nachdem ich ausgeschaltet hatte, nahm sie meine Hand und zog mich in ihr Zimmer. Dort ließ sie sich auf ihr Bett fallen und zog mich mit.
Sie küsste mich auf die Wange und strubbelte mir durch die Haare.
„Ich liebe dich! Du bist der süßeste Junge, den ich kenne.“, flüsterte sie mir ins Ohr. Ich sog ihren wunderschönen Geruch ein und flüsterte dann zurück: „Ich war schon in der Fünften voll in dich verknallt. Das hat sich geändert, ...“, weiter kam ich nicht denn sie sprang auf und rannte heulend aus dem Zimmer. Als ich sie zusammengekauert auf dem Sofa fand, legte ich meinen Arm um sie, das heißt ich versuchte es, aber sie stieß mich immer wieder weg (Kein Wunder, ich war ja auch voll sauer auf dich!).
„Du liebst mich nicht, hab ich Recht?“, fragte sie mich mit heuliger Stimme.
„Aber natürlich liebe ich dich.“, versuchte ich ihr zu erklären. „Früher war ich nur verliebt in dich, du warst so unerreichbar. Jetzt liebe ich dich. Hättest du mich ausreden lassen wäre gar kein Missverständnis aufgetreten.“, sagte ich und bereute es schon jetzt.
„Du lügst! Du hast meine Situation nur ausgenutzt!“
Bevor sie weiter fluchen konnte, küsste ich sie. Der Kuss schmeckte salzig von den vielen Tränen, die auf ihre Lippen gelaufen waren, aber das störte mich nicht. Ganz im Gegenteil, es gefiel mir (Ich lese doch die Ironie in deinen Worten, der Kuss war mies).
Sie schlang ihre Arme um mich und erwiderte den Kuss leidenschaftlich.
Irgendwann lösten sich unsere Lippen wieder voneinander und sie sagte: „Ich kann einfach nicht ohne dich!“
„Warum hast du mich eigentlich gerade nicht ausreden lassen?“, fragte ich sie vorsichtig.
„Ich hatte verdammte Angst, dass du Schluss machst. Das hätte ich nicht verkraftet. Ich hätte mir vermutlich die nächste Brücke gesucht und wäre wahrscheinlich auch gesprungen!“, antwortete sie und fing wieder an zu weinen.
„Hey, Süße! Ist doch alles gut. Wieso sollte ich denn mit dir Schluss machen?“, flüsterte ich und drückte sie an mich.
Sie schniefte und ich streichelte ihr über die Haare.
„Ich weiß nicht, vielleicht bin ich dir zu sentimental oder zu depressiv.“, sagte sie schluchzend.
Ich zog Abigail noch fester an mich und zog ein Taschentuch aus meiner Tasche (ja, es war unbenutzt, es gibt tatsächlich Leute, die tragen so was mit sich rum) und gab es ihr.
„Dadurch, dass du so sentimental bist, habe ich mich doch erst getraut, dich anzusprechen. Wegen so was würde ich außerdem nicht Schluss machen. Ich mache echt nur Schluss, wenn es so überhaupt nicht mehr passt, oder mich ein Mädchen jeden Tag mit nem anderen betrügen würde. Ich liebe dich, glaub mir!“
Nach dieser Rede hatte auch ich, weiß Gott warum, Tränen in den Augen. Und zum zweiten Mal heute lagen wir uns weinend in den Armen. Ich war auch total sentimental, deshalb störte mich das bei Abigail überhaupt nicht (Sieht man ja ;)).
„Ich liebe dich, Tim!“, sagte sie, als sie nicht mehr weinte und küsste mich zärtlich.
„Ich liebe dich auch! Ich bin mindestens genauso sentimental wie du, wieso sollte ich also deswegen hassen?“, stellte ich die Frage in den Raum.
„Ich weiß es doch auch nicht. Ich hatte nur so ein verdammt mieses Gefühl, als ob ich dich verloren hätte. Lass uns nicht mehr drüber reden, ja?“
Sie setzte sich auf meinen Schoß und schlang die Arme um meinen Hals. Ich küsste sie sanft.
Womit hatte ich nur so ein tolles Mädchen verdient? Ich will sie am liebsten nie wieder hergeben. Mal sehen was dann in ein paar Wochen die Schule so bringt, dann werden wir uns sicher nicht mehr so oft sehen (Warum erinnerst du mich daran??). Das wir uns jetzt 24 Stunden am Tag sahen war schon eine echte Ausnahme.

In dieser Nacht hatte ich einen komischen Traum. Ich stand auf einer riesigen Bühne unter mir tausende von Leuten, die mich singen hören wollten. Plötzlich hörte ich Abigails Stimme aus allen anderen heraus. „Tim, du weißt doch, dass ich dich liebe! Schon seit der neunten Klasse!“
Dann wachte ich auf und schaute mich verdutzt um. Ich lag wieder in Abigails Gästebett, Abigail lag neben mir und wir würden beide bald in die zehnte Klasse kommen. Ich stand auf, griff mir ein Handtuch aus ihrem Schrank und ging erstmal duschen.
Als ich wiederkam schlief Abigail immer noch, also beschloss ich, mich erstmal anzuziehen und dann mal nach Hause zu gehen, um zu gucken ob Post gekommen war. Ich legte ihr noch einen Zettel auf den Tisch und war dann verschwunden.
Wie ich es mir gedacht hatte, quoll unser Briefkasten fast über von den Briefen, es waren sogar einige schon in der Zeitungsrolle deponiert worden (Echt jetzt?).
Ich nahm so viele Briefe wie möglich und ging ins Haus. Bei dieser Masse an Briefen würde ich sowieso mindestens dreimal laufen müssen.
Ich setze mich, nachdem ich die restliche Post auch geholt hatte, erstmal an den Küchentisch und begann zu sortieren. Zu meiner großen Verwunderung waren sogar für mich einige Briefe angekommen. Naja, es waren eher gesagt gefühlt 100 Postkarten von allen möglichen Leuten aus meiner Klasse und meinem Freundeskreis und ein Brief.
Der Brief kam von Ramona, meiner Cousine und besten Freundin in einer Person (das muss frau erstmal schaffen...).
Ich riss den Brief sofort auf und nachdem sie zwei Seiten ihre letzten zwei gescheiterten Beziehungen geschildert hatte erzählte sie noch kurz von ihrem neuen Freund, der jetzt angeblich endlich der Richtige wäre (ich hab mindestens 5 Briefe in denen sie das schreibt... Ich glaube wirklich langsam mit ihrer Einstellung findet sie nie den Richtigen). Er ist mit ihr im Sportverein und in ihrer Parallelklasse (Irgendwoher kenn ich das ja so ähnlich...). Dann kam kurz und knapp der interessanteste Teil des ganzen Briefes. Ramona lud mich ein, in den Herbstferien für zwei Wochen zu ihr und ihrer Familie zu kommen (ihr solltet wissen: Sie wohnt seit 3 Jahren in Manhattan/New York in den USA). Sie meinte ich könnte auch gerne Freunde mitbringen. Ich wollte sofort zurückschreiben aber dann fiel mir ein, dass ich ja erst meine Eltern fragen musste.
Ich las mir den ganzen Brief (naja, eher den letzten Teil) nochmal durch und entdeckte dann doch noch ein PS.
Sie hatte zwei Tickets nach New York mitgeschickt um meine Eltern zu überreden, sie wusste eben wie kompliziert meine Eltern waren, besonders wenn ich irgendwo alleine hin wollte, denn Ramona hatte eindeutig geschrieben, dass ich nicht meine Eltern mitnehmen sollte. Wen ich mitnehmen würde war also eigentlich keine Frage. Wer liegt denn näher als Abigail? Vorausgesetzt sie hatte Lust und bekam von ihrer (in meinen Augen eigentlich gar nicht so strengen) Oma die Erlaubnis (Oh, doch, meine Oma IST streng). Tim und Abigail alleine in New York, das konnte ja was werden. Ich las mir noch schnell die Postkarten durch und machte mich dann wieder auf den Weg zu Abigail, Ramonas Brief nahm ich mit.

Amerika, wir kommen!




Abigail



Als ich aufwachte lag Tim schon nicht mehr im Bett, ich fand aber ein Zettel auf dem Küchentisch.

Hey Süße,

bin mal kurz nach Hause um die Post aus'm Briefkasten zu holen, bin hoffentlich gleich wieder da.
PS: <3 Dich!

Er war ja sooo süß. Ich schrieb ihm auch einen Zettel und ging zum Bäcker um ein paar frische Brötchen zu holen. Die Tür ließ ich angelehnt, damit er auch reinkam (und ich Stokel hab sie natürlich zugemacht und musste klingeln -.-). Am Bäcker wartete eine ungewöhnlich lange Schlange auf mich, selbst für die Ferien. Die Leute standen schon auf dem Gehweg an. Ich wollte mich gerade anstellen, als ich sah das Robin der letzte in der Reihe war. Unter diesen Umständen mache ich mich gern auf zum nächsten Bäcker, dachte ich mir. Der nächste Bäcker hatte leider noch nicht offen, ich entschied mich deshalb ohne Brötchen nach Hause zu fahren und ein paar Aufbackbrötchen aus der Kühltruhe zu holen (Und wo waren die?).
Als ich ankam war die Tür schon zu und ich fand den Schlüssel auch nicht in meiner (nebenbei bemerkt ziemlich riesigen) Handtasche, die ich immer und überallhin mit mir rumtrug. Also klingelte ich, auch auf die Gefahr hin, dass meine grantige Nachbarin aufwachen und mich zur Schnecke machen würde, weil ich sie so früh geweckt hatte.
Ich musste nicht lange warten, dann stand Tim in der Tür.
„Sorry, ich wusste nicht, dass du keinen Schlüssel dabei hast.“, druckste er entschuldigend rum.
„Kein Problem. Wusste ich bis eben auch nicht. Brötchen hab ich leider auch nicht dabei. Erstens war die Schlange so lang, zweitens stand Robin als letzter in der Schlange und drittens hatte der andere Bäcker noch zu.“ Ich grinste ihn übertrieben an und er zog mich ins Haus (ja du hast wirklich ziemlich übertrieben gegrinst). Mit so einer Geistesgestörten wollte er wohl nicht gesehen werden. Oder es sah einfach komisch aus, wenn ich minutenlang vor meiner eigenen Haustür stand, obwohl die Tür offen war.
Ich rannte noch schnell in den Keller, fand aber keine Brötchen, die hatte Oma wahrscheinlich mit ihren Freundinnen verdrückt, die öfters zum Kaffee kamen (Die knöpf ich mir vor).
Naja, muss auch ohne gehen, schütten wir uns halt nen bisschen Müsli zusammen, dachte ich mir. Als ich wieder nach oben kam hatte Tim bereits alles mögliche aus dem Kühlschrank geholt und sogar das Brot in der Speisekammer gefunden (Tahaa, so schlau bin ich doch!). Er hatte einen Brief in der Hand. Weil er mit dem Rücken zu mir stand, schlich ich mich von hinten an ihn ran und umarmte ihn. Er schreckte hoch, drehte sich um und sah mir in die Augen (Maaan, du hast mich auch voll erschreckt!). Ich küsste ihn zärtlich.
Nach dem Essen zeigte Tim mir den Brief. Seine Cousine lud ihn ein, nach New York zu kommen. Ich bin vor Freude fast gegen die Lampe gesprungen, als er mich gefragt hat, ob ich denn mitkommen wollen würde (die Lampe war noch nen halben Meter entfernt). Tim und ich würden also (sofern es meine Oma erlaubte) die ganzen Herbstferien New York unsicher machen!
In meinem Kopf plante ich schon alles, jedes einzelne Outfit. Was mir jetzt noch fehlte war ein schicker Bikini.
Wieder halbwegs au dem Boden der Tatsachen angekommen, sprang ich Tim übermütig an. Er wäre fast umgekippt (zweimal!) (gaaaar nicht!), erst, als ich ihn angesprungen habe und dann als ich sagte: „Ja, klar will ich mit! Ich muss nur noch meine Oma fragen!“
Er sah noch ein wenig verwirrt aus, deshalb zog ich es erstmal vor ihn nicht loszulassen, um nicht zu riskieren, dass er doch noch umfällt. Als wir beide wieder (äußerst hart übrigens) auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen waren, küsste ich Tim leidenschaftlich und er erwiderte meinen Kuss mit so viel Gefühl, dass wir alles um uns herum vergaßen. Nach dem Kuss guckten wir uns lange und intensiv in die Augen, ich verlor mich buchstäblich in ihnen, und erst als Tim seine Augen langsam schloss, um mich nochmal zu küssen, merkte ich, dass meine Oma (wohlbemerkt nicht gerade mit einem glücklichen Gesichtsausdruck) hinter ihm stand und uns zuschaute (Die hat und wirklich angeglotzt?). Tims Lippen trafen nur meine Nase, weil ich mich extra klein gemacht hatte, in der Hoffnung, sie hätte mich vielleicht übersehen, was natürlich unmöglich war.
Sie räusperte sich und dann drehte sich auch Tim zu ihr um.
„Was machst du denn schon hier?“, riefen wir beide wie aus einem Mund (Tja, wir waren eben ein eingespieltes Team).
Ich wusste genau, dass wir keine Antwort zu erwarten hatten, sie meldete sich nie an. Wenn sie früher kam, musste man drauf vorbereitet sein, predigte sie mir immer wieder (Was hab ich ein Glück, dass ich nich deine Oma hab...).
Ganz die Furie entgegnete sie uns: „Rumknutschen könnt ihr in Abigails Zimmer und jetzt hop, räumt meine Sachen aus, sonst werfe ich dich, jungen Mann raus!“
Wir hatten keine Chance, wenn wir ihr nicht gehorchten, schmiss sie Tim raus und enterbte mich vermutlich noch, das wollte ich nicht riskieren.
Jetzt war wieder so einer dieser Momente, in denen ich meine Eltern vermisste, nicht nur so ein bisschen, das tat ich immer, sondern so richtig sehnsuchtsmäßig. Ich hielt die Tränen zurück, um nicht noch mehr von Oma angemotzt zu werden und Tim und ich verschwanden leise nach draußen. Meine Mum und mein Dad hätten so was nie mit mir gemacht, mich einfach ihre Sachen ausräumen lassen, während sie die Beine hochlegten. Sie hatten auch immer Verständnis für meine Gefühle gelassen und mir die Freiräume gegeben, die ich in meinem Zustand brauchte. Länger ausgehen, wenn ich einen Freund hatte, Zeit für mich alleine, wenn er mich verlassen hat. Meine Oma war da ganz anders, vermutlich weil sie meinen Opa nie geliebt hatte und nur auf sein Geld aus war (So übel war deine Oma drauf?).
Als wir meiner Meinung nach weit genug entfernt vom Haus waren, ließ ich meinen Tränen freien Lauf und Tim nahm mich beim Gehen in den Arm. Ich drehte mich zu ihm und sah wieder in seine wunderschönen Augen. „Hab ich dir schonmal gesagt, dass du wunderschöne Augen hast?“, fragte ich ihn, um vom Thema aber vorallem auch mich abzulenken. Er antwortete nicht, aber seine glänzenden Augen und sein zu einem Lächeln verzogener Mund sprachen Bände.
Als wir am Auto angekommen waren, machten wir uns sofort ans Auspacken, um unsere Chancen auf eine weitere Nacht zusammen zu erhöhen (nein, ich wollte nicht mit ihm ins Bett, wieso auch? Das Leben ist noch lang genug und bis jetzt hat mich meine Jungfräulichkeit noch nicht gestört.). Auch die Chancen mit ihm nach Amerika fliegen zu dürfen, erhöhten wir damit hoffentlich ein wenig, von unmöglich zu, sagen wir, nur wenn du bis dahin alles machst, was ich sage.
Oma hatte doch sage und schreibe fünf Koffer mitgenommen, die alle nicht wirklich klein waren (Sie waren RIESIG). Ich wäre beinahe umgefallen, hätte Tims Arm nicht immer noch auf meiner Schulter gelegen und mich festgehalten. Wir trugen also erst die zwei schwersten Koffer rein und kamen dann nochmal raus, um die anderen drei zu holen. Als ich den zweiten Koffer hochhob, beschloss ich, mit der Amerika-Sache erst morgen zu kommen, sonst standen unsere Chancen ca. 1:1 000 000 wenn wir Glück hatten.
Erschöpft ließen wir uns nach dem Kofferschleppen auf mein Bett fallen und hingen unseren Gedanken nach. Ich dachte an Tim und die letzten Tage und sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er an mich dachte (Du solltest mit dem Gesichterlesen aufhören, das macht mir Angst). Wie süß er doch war, dachte ich in die angenehme Stille hinein. So wie ich Oma kannte, würde sie in den nächsten zehn Sekunden reinplatzen und alles zunichte machen. Zum Glück irrte ich mich und die erste, die sich wieder bewegte, war ich. Ich nahm Tims Hand und er drehte sich zu mir um. Dann grinste er breit (ich sag euch, hätte er keine Ohren würde er im Kreis grinsen) und legte seinen Arm um meine Schultern. Ich stand langsam auf und Tim guckte mich verwirrt an, dann aber setzte ich mich auf seinen Schoß und sein Grinsen kam wieder (Du verwirrst einen auch manchmal ganz schön). Er legte seine Arme um meinen Hals und küsste mich vorsichtig. Ich zog ihn ganz nah an mich ran und vergrub dann mein Gesicht in seinen strubbligen Haaren. Alles, was ich sah, roch und fühlte, war Tim. Er roch nach Verwegenheit und Freiheit, Freiheit, die ich nicht hatte, nicht mehr seit meine Eltern gestorben waren. Meine Oma hielt mich wie in einem goldenen Käfig, wenn ich Glück hatte, durfte ich jeden Tag kurz zu meinem Pferd während der Schulzeit, mehr nicht. In den Ferien sah sie das ganze etwas lockerer aber auch nicht wirklich locker. Ich durfte länger zu meinem Pferd und vielleicht auch mal mit Freunden zum See aber mehr nicht (Und das, wo du noch nichtmal Freunde hattest bis vor Kurzem). Ich wollte am liebsten mit Tim zusammen ausreißen, bloß weg aus dieser Stadt, weg von dieser hirngestörten Frau. Aber wo sollten wir denn hin? Wenn wir zu Tim gingen, hätte sie uns innerhalb von wenigen Stunden wieder und ansonsten hatte ich keine Freunde. Meine nächsten Verwandten wohnten auch 300 km entfernt, die kamen also auch nicht in Frage. Es war aussichtslos, ich musste wohl für immer hier bleiben, in diesem goldenen Käfig und darüber nachdenken, was ich falsch gemacht haben könnte.
Langsam nahm ich mein Gesicht wieder aus Tims Haaren und richtete seine Frisur etwas. Auch er strich über seine Haare, um sie etwas mehr nach Frisur aussehen zu lassen. Als sich unsere Hände berührten war es, als würde ich von einem Blitz getroffen werden, nur tat es nicht weh (und es fühlte sich viel schöner an). Wir ließen Tims Haare Haare sein und küssten uns zärtlich. Während dieses Kusses dachte ich schon wieder darüber nach, was die letzten Tage passiert war. Zuerst war da Robins Brief, der eigentlich am meisten dazu beigetragen hatte, dass wir jetzt zusammen waren. Ein Wunder: Mein Ex hatte mich doch tatsächlich mit Tim zusammengebracht, so was hätte ich echt nicht von ihm erwartet. Tim hatte mich aus diesem riesigen Loch gerettet und mich über Robin hinweggetröstet. Ich hatte mich in ihn verliebt obwohl ich eigentlich gedacht hatte, ich könnte mich in niemanden mehr verlieben. Tim hatte mir immer beim Einschlafen geholfen, mich beruhigt, wenn ich mich mal wieder zu doll aufregte. Und das wichtigste: Er hatte meinem Leben wieder einen Sinn gegeben, auch wenn ich es ihm nicht leicht gemacht hatte. Ich hatte ihm immer gleich unterstellt, er würde mich nicht lieben, auch wenn er noch gar nicht ausgeredet hatte. Er ist dann nicht enttäuscht weggerannt, sondern zu mir gekommen und hat mir alles erklärt. Er war ja sooo süß, dachte ich zum mindestens millionsten Mal heute (Du bist auch süß, Prinzessin!). Die letzten Tage waren einfach perfekt gewesen, das konnte niemand leugnen.
Tim ließ sich langsam nach hinten fallen und ich schmiegte mich an seine Brust, er hatte zwar KEIN (ja, wirklich, ich habe gerade KEIN geschrieben) Sixpack aber das war mir so ziemlich egal, es fühlte sich toll an und das war es, was zählte (Bauchmuskeln habe ich aber, willste sehn?). Ich fuhr mit meinem linken Zeigefinger seine Gesichtszüge nach, bis er meinen Finger nahm und ihn auf seine Lippen legte. Ich ließ mich nicht beirren und strich stattdessen gedankenverloren über seine wunderschönen (nein, göttlichen) Lippen. Sie waren von einem wunderschönen rot (ich versichere euch: Er nahm KEINEN Lippenstift) und machten mich total an. Seine Unterlippe war voll, die Oberlippe eher schmal, die perfekte Kombination zum Küssen (was ich aufgrund tiefgreifender Studien herausgefunden hatte). Apropos perfekt zum küssen, dachte ich mir und legte meine Hand sanft auf seine Wange und küsste ihn vorsichtig (Das war unser schönster Kuss).
Seine Lippen waren so unglaublich weich, so dass aus einem kurzen Kuss ein wildes Rumknutschen wurde und ich kaum noch von ihm ablassen konnte. Seine Zunge berührte meine Lippen und ich war hin und weg. Unsere Zungen umspielten sich eine gefühlte Ewigkeit und kurz bevor meine Oma ins Zimmer kam, lösten wir uns langsam voneinander (Telepathie?). Unsere Frisuren waren beide mehr als zerstört, sie waren eine Katastrophe, aber was störte uns das? Oma guckte uns beide kurz schief an und meinte dann, dass es Essen gäbe. Wir hatten beide ziemlichen Kohldampf, also sprangen wir auf und liefen in die Küche.
Was uns da erwartete war aber kein Mittagessen, es war eher ein Gefängnisessen im Urzustand (So könnte man das auch nennen). Wir mussten Möhren schnippeln und Zwiebeln schälen bis wir dann endlich eine halbe Stunde später am Tisch saßen und schweigend vor uns hin kauten. Es herrschte eine arktische Stimmung, niemand sagte etwas, man hörte nur unser kauen (und selbst dafür musste man schon genau hinhören). Dafür konnte man ziemlich genau die Spannungen, die zwischen uns herrschten, fühlen. Tim und ich standen so ziemlich auf Kriegsfuß mit Oma und sie mit uns. Die einzigen positiven Spannungen gab es zwischen Tim und mir (was ein Wunder). Keiner wollte zwanghaft ein Gespräch anfangen, was vielleicht auch daran lag, dass wir kein Thema hatten. Unsere Beziehung ging Oma eigentlich nichts an, Amerika hatten wir erstmal verschoben (nur das Gespräch, nicht die Reise) und Oma hatte uns anscheinend auch nichts zu sagen. Sie guckte manchmal böse zu uns rüber,wenn wir uns mal wieder vielsagende Blicke zuwarfen, sagte aber nichts (So vielsagend, dass sie es verstanden hätte waren sie dann wohl doch nicht). Wir räumten schweigend unser Geschirr in die Spülmaschine und waren dann, bevor Oma etwas sagen konnte, wieder in meinem Zimmer und schlossen diesmal die Tür ab. So eine Oma als Erziehungsberechtigte konnte schon echt anstrengend sein, erst ist sie total großzügig und lässt Tim hier halb wohnen und jetzt lässt sie mir keine Freiheiten (Omas müsste man verstehen).
Wir setzten uns lachend auf mein Bett und nahmen uns an den Händen. Wir brauchten keine Worte, um uns zu verständigen, unsere Blicke und Gesten reichten völlig aus.
„Ich liebe dich!“, sagte Tim, als hätte er Ewigkeiten auf diesen Moment gewartet (Hab ich auch!).
„Und du meinst das wirklich ernst?“, fragte ich im Gegenzug, um ihn ein bisschen auf die Palme zu bringen (Ziel erreicht!).
„Ja, und das weißt du auch!“, sagte er fast beiläufig und beugte sich nach vorne. Er wollte mich eigentlich auf den Mund küssen, aber weil ich mich nicht auch nach vorne beugte und wir einfach zu weit auseinander saßen, küsste er stattdessen mein Dekolleté. Ich hatte Erbarmen und küsste ihn flink auf den Mund.
„Du bist so süß, wenn du dich aufregst!“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Dann strubbelte ich ihm durch seine wunderschönen Haare und ließ mich auf den Rücken fallen. Tim bequemte sich hoch, aber nur um sich einige Sekunden später neben mir auf den Rücken fallen zu lassen. Er nahm meine Hand und begann, die vielen Linien auf meiner Handinnenfläche nachzufahren (Ich wollte deine Zukunft lesen).
Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete ihn dabei. Er war so süß, mit seinen muskulösen Armen und den filigranen Händen (ja, so was geht!). Ich gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange und strich seine Haare glatt (keine leichte Angelegenheit bei diesen wunderschönen, widerspenstigen Locken). Er drehte sich zu mir um und wir sahen uns direkt in die Augen. Ich glaube, ich wäre der Länge nach umgefallen, wenn ich nicht schon gelegen hätte. Sein Blick war so intensiv, dass ich mich nicht von ihm losreißen konnte. Er war nicht furchteinflößend-intensiv, sondern eher liebevoll-intensiv, wenn ihr wisst, was ich meine.
„Ich liebe dich, Tim!“, kam es aus meinem Mund, ohne dass ich es richtig kontrollieren konnte, ich war irgendwie vollkommen von der Rolle und hatte keinen richtigen Willen mehr (Die willenlose Abigail – Hilfe!). Es hörte sich auch nicht an wie meine Stimme, sie hörte sich anders an, irgendwie sexy. Ich sage euch, wenn es passend zum Schlafzimmerblick eine Schlafzimmerstimme gab, dann war es diese.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, was danach passierte, das erste, an das ich mich wieder erinnern kann, war dass ich in meinem Bett und ein nasser Waschlappen auf meiner Stirn lag. War ich etwa in Ohnmacht gefallen? Als ich neben mich blickte, sah ich Tim, der immer noch dort lag und mich besorgt betrachtete (Kein Wunder, wenn du plötzlich nicht mehr reagierst.).
„Ah, die Kranke ist wieder aufgewacht! Warum bist du eigentlich ohne Vorwarnung in Ohnmacht gefallen?“, fragte er mich leise und mit beruhigender Stimme.
„Was? Ich bin in Ohnmacht gefallen!?“, war meine nicht sehr intelligente Gegenfrage, aber zu mehr war mein Kopf bei Tims Anwesenheit einfach nicht imstande. Ich hätte mich ohrfeigen können für diese dumme Frage, aber Tim schilderte mir alles, was in der letzten Stunde passiert war, haarklein. Auch, dass sie nicht den Notarzt gerufen hatten, damit ich meine Ruhe hatte und langsam wieder aufwachen konnte. Meine Oma kam reingestürmt und ich hielt es für keine gute Idee, Amerika jetzt anzusprechen, so aufgedreht, wie sie war (Och, komm!).
„Oh Gott, Schätzchen! Was machst du nur immer? Geht es dir gut? Ich glaube dieser junge Mann hat dir das Leben gerettet!“, brabbelte sie aufgeregt vor sich hin.
„Oma! Glaubst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst? Mir geht’s gut, ja?“, erwiderte ich empört.
„Nein, ich übertreibe nicht! Dieser junge Mann hat jetzt einen Wunsch bei mir frei!“
„Och, Oma...“, wollte ich widersprechen, doch Tim stupste mich an und als ich mich umgedreht hatte, flüsterte er: „Das kann doch nur gut für uns sein. Ich wünsche mir einfach, dass du mit nach Amerika darfst in den Herbstferien. Die Tickets sind ja schon bezahlt, sie kann also eigentlich nichts dagegen haben.“ Er gab mir noch schnell einen Kuss auf die Wange bevor ich mich wieder zu Oma drehte.
„Und? Ist Abigail mit ihrem Vorschlag einverstanden, junger Mann?“, wandte sich meine Oma an Tim.
„Ja, ich denke schon!“, antwortete er und war die Ruhe selbst. „Ich wurde von meiner Cousine nach Amerika eingeladen, für 14 Tage in den Herbstferien. Sie meinte, ich könne ruhig Freunde mitbringen. Die Tickets für den Hin- und Rückflug sind schon bezahlt und Abigail könnte so auch ihr Englisch verbessern.“
Oma überlegte eine halbe Ewigkeit, bevor sie einwilligte, aber sie willigte ein (Yeah!)
Ich war fast schon wieder drauf und dran Luftsprünge zu machen, wovon mich Tim aber abhielt, ich war ja gerade erst wieder aus der Ohnmacht aufgewacht (wenn ihr mich fragt: Ich hatte immer noch keine Ahnung, wieso ich eigentlich in Ohnmacht gefallen bin. Meine Mutter hat mir aber schon seit Ewigkeiten gepredigt, dass ich einen schwachen Kreislauf hätte und aufpassen müsste. Wahrscheinlich hatte das damit was zu tun.). Das sah ich ein und legte mich beruhigt wieder hin. Als meine Oma wieder verschwunden war, legte Tim seine starken Arme um mich und ich schmiegte mich an ihn und schlief ein (Du schläfst immer so schnell ein, ich könnte das ehrlich gesagt nicht.).

Träume und so...




Abigail



Ich träumte von Amerika im allgemeinen und von New York im speziellen. Es war ein wirrer Traum ohne Zusammenhänge. Einmal standen Tim und ich vor dem Chrysler Building, dann saßen wir am Tisch mit einer fünfköpfigen, braungebrannten Familie (Woher bitte weißt du, wie Ramonas Familie aussieht? Ach, ja ich hab dir ja nen Bild gezeigt...).
Als ich aufwachte, war es stockdunkel. Tim lag nicht mehr neben mir, er stand am Fenster und starrte nach draußen (naja, vielleicht war es doch nicht stockdunkel, ich konnte ihn ja erkennen). Ich guckte auf die Uhr, halb zwölf. Dann stand ich langsam auf und umfasste von hinten seine Hüfte. Er drehte sich langsam zu mir um und küsste mich zärtlich. Dann fragte er: „Lust auf nen Mondscheinspaziergang, Prinzessin?“ Natürlich hatte ich Lust, was sollten wir auch anderes machen, schlafen konnte ich erstmal bestimmt nicht mehr. Wir zogen unsere Jacken über (zum Umziehen waren wir ja vorm Einschlafen nicht mehr gekommen) und gingen raus. Es war eine laue Vollmondnacht und nur einige Wolken bedeckten den Himmel. Wir starrten fast die ganze Zeit gen Himmel, um den Sternenhimmel zu betrachten, und schwiegen. Das hätten wir besser nicht tun sollen (das mit dem Starren), denn so kamen wir immer nur knapp vor Bäumen (oder wahlweise auch Schildern) zum Stehen (Und das auch nur dank meiner männlichen Intuition.). Als wir am Ende des Spaziergangs unter unserem Apfelbaum standen küssten wir uns lange und intensiv. Dann ließen wir uns ins Gras plumpsen (zum Gück waren noch keine Äpfel vom Baum gefallen) und sahen den Wolken beim Wandern zu. Als mir langsam kalt wurde kuschelte ich mich näher an Tim und er legte seine Arme um mich (hatte ich schon erwähnt, dass sie ungeheuer muskulös und sexy waren?). Irgendwann, es muss so gegen halb eins gewesen sein, stand Tim auf, nahm meine Hand und zog mich ohne Probleme hoch (wofür muskulöse Arme doch gut waren). Wir gingen Hand in Hand wieder rein. Ich legte mich ins Bett (ja, jetzt hatte ich mich umgezogen, weites T-Shirt und Boxershorts → seeehr sexy!) und bedeutete Tim sich wieder neben mich zu legen, was er natürlich auch prompt tat (Warum auch nicht? Und du sahst echt sexy aus.). Ich spürte nur noch, wie er sich mit seinem warmen Körper an mich schmiegte und seine Arme um mich legte, da war ich auch schon wieder im Traumland.
Diesmal träumte ich von Tim und mir. Wir rannten über eine Blumenwiese und ließen uns dann lachend ins Blumenmeer fallen. Tim küsste mich und ich schlug, obwohl ich nur ein Kleid an hatte, ein einwandfreies Rad. Tim versuchte es dann auch, aber alles, was er zustande bekam war ein mieser Handstand. Ich half ihm hoch und erklärte ihm dann, worauf er zu achten hatte (seit wann kannte ich mich mit Radschlagen aus? Naja, in Träumen ist anscheinend wirklich alles möglich.) Sollte das jetzt ein Hinweis sein, eine Vorrausdeutung darauf, was passieren könnte?
Nachdem ich ihm (im Traum natürlich) das Radschlagen in allen Einzelheiten erklärt hatte, klappte es schon viel besser. Am nächsten Tag wachte ich auf und versuchte sofort die beiden Träume zu deuten. Ich suchte kurz im riesigen Bücherregal und hatte dann gefunden was ich brauchte: “Träume deuten für Anfänger“ hieß es auf dem Titel und ich ließ mich ohne Rücksicht auf Tim aufs Bett fallen. Er schlief aber so tief, dass er nur einmal kurz stöhnte und sich dann umdrehte. Der erste (ich nenne ihn den Amerika-Traum) war schnell gedeutet. Ich freute mich auf Amerika, fertig, aus, Katze tot (heißt das nicht Klappe zu, Affe tot?).
Der zweite war da schon schwieriger. Tim würde ein ähnliches Erlebnis wie ich haben und ich sollte ihm bei der Bewältigung der durch dieses Ereignis hervorgerufenen Probleme helfen. Ich klappte das Buch gerade zu, als mich Tim von hinten umarmte.
„Guten Morgen, Süße!“, sagte er noch etwas verschlafen und küsste mich hinter mein rechtes Ohr. Dann wanderten seine Lippen über meinen Hals hinab zu meinem Rücken und ich konnte seinen warmen Atem auf meiner nackten Haut spüren.
Moment mal, auf meiner nackten Haut? Als ich an mir runterguckte, hatte ich tatsächlich nur einen BH an, aber wie...? Dann fiel es mir wieder ein: Ich wollte mich eigentlich direkt nach dem Aufwachen anziehen, war aber, nachdem ich mein T-Shirt gegen einen BH getauscht hatte, auf die Idee gekommen, erstmal meine Träume zu deuten (Tja, dann war ich wohl nicht schuld!).
Also war ich selber Schuld, naja machte mir nichts aus, konnten ja nicht immer nur die anderen Schuld sein. Tims Lippen kamen genau zwischen meinen Schulterblättern zum Stehen und er verpasste mir liebevoll einen Knutschfleck. Als sich seine Lippen wieder von meinem Rücken lösten, drehte ich mich zu ihm um und küsste ihn kurzentschlossen. Es war als würde ein Feuerwerk in mir explodieren, so weich und verführerisch waren seine Lippen, wie sie sich an meine schmiegten (Untertreib mal nicht, ja?).
Als wir nach weiteren drei, nicht weniger gefühlvollen Küssen, aufstanden um uns anzuziehen, überlegte ich, ob ich Tim von meinem Traum erzählen sollte, entschied mich dann aber dagegen, weil ich ihn nicht unnötig belasten wollte. Auch am Frühstückstisch zerbrach ich mir noch den Kopf darüber, was wohl dieses Ereignis sein könnte und bekam nicht wirklich mit, was ich aß. Nach dem ausgiebigen Frühstück, beschlossen wir, nochmal bei Tim vorbeizugehen, bevor er mich im Skate-Park seinen Freunden vorstellen wollte.

Schon von weitem sahen wir den überfüllten Briefkasten vor Tims Haus (Och komm, so voll war der gar nicht!).
Tim holte fix eine große Kiste raus, in die wir die ganze Post packten und reintrugen. Drinnen angekommen kippten wir die Kiste aus und sortierten die Briefe. Zu neunzig Prozent waren es Briefe an seine Eltern, aber es waren auch noch zwei Karten dabei, die an ihn adressiert waren. Nichts besonderes, nur die Urlaubskarten, die man im Sommer als Daheimgebliebener immer bekam. Ich bekam solche Karten zum Glück nicht, was eigentlich nur daran lag, dass ich keine Freunde hatte. Ich vermisste diese Karten nicht, stand ja eh nur was drin nach dem Motto: Ich sitz hier auf Malle und betrinke mich, während ihr in Deutschland versauert. Naja, vielleicht noch etwas netter ausgedrückt, aber das ist, was sie meinen.
Statt sein Skateboard zu holen, damit wir zum Skateplatz fahren konnten, zog mich Tim in sein Zimmer.
„Was ist denn, ich dachte wir wollen zum Skate-Park?!“, fragte ich ziemlich verdutzt.
„Nein, das ist jetzt wichtiger!“, meinte er knapp.
„Ich hab deiner Oma beim Telefonieren zugehört, es hat sich meiner Meinung nach nicht so angehört, als wären deine Eltern damals wirklich gestorben. Hast du mich beim Picknick vielleicht angelogen?“
„Aber Tim... meine Eltern müssen tot sein, wieso sollte ich sonst bei meiner Oma wohnen?“
„Och, komm Abigail, hör auf dich dumm zu stellen.“
„Aber ich hab doch gar nicht... Tim du verwirrst mich!“, ich konnte schon keine vernünftigen Sätze mehr bilden, so verwirrt war ich.
„Sag mir jetzt endlich die Wahrheit, Abigail! Ich hab echt keine Lust mehr auf diese Spielchen!“, Tim wurde langsam echt wütend.
„Tim, ich sag dir doch auch nur, was ich weiß. Meine Oma hat mir damals erzählt, dass sie tot wären. In der Zeitung zu gucken, dazu war ich zu feige. Zur Beerdigung bin ich auch nicht gegangen, ich habe alles verdrängt, was mich an sie erinnert hat.“ Ich brach in Tränen aus und Tim sah endlich ein, dass ich ihn nicht angelogen hatte.
Ich ließ mich auf sein Bett fallen und er setzte sich vorsichtig zu mir, dann legte er seinen Arm um mich und begann langsam über meinen Rücken zu streichen.
Er küsste eine Träne auf meiner Wange weg und sagte: „Hey, Prinzessin! Hör bitte auf zu weinen, du weißt doch, wie sentimental ich bin. Ich hätte dir glauben sollen, auch nachdem ich deiner Oma beim Telefonieren zugehört hatte. Ich denke, die einzige, die lügt, ist sie.“
Ich lehnte mich an seine Brust und fing an, hemmungslos zu schluchzen. Warum war die Welt nur so gemein zu mir? WAS hatte ich falsch gemacht? Meine Gedanken kreisten nur noch um diese zwei Fragen bis Tim meinte: „Wie wärs, wenn wir mal beim städtischen Friedhof gucken, ob da ihre Gräber sind. Und wenn nicht, stellen wir deine Oma zur Rede.“
Warum hatte immer nur Tim diese guten Ideen? Die Welt war schon ziemlich fies zu armen, kleinen 15-jährigen Mädchen. Ich schaute hoch zu Tim und löste mich dann langsam von seiner Brust. Ich wollte gerade in meine Tasche greifen, um mich im Spiegel zu betrachten, als Tim meine Hand festhielt.
„Guck dich besser nicht im Spiegel an. Ich will nicht, dass du nochmal in Ohnmacht fällst.“, sagte er, als sei es das normalste der Welt, „Lass mich dich schminken, glaub mir, ich kann das. Als sich meine Mutter den Arm gebrochen hat, musste ich sie sechs Wochen lang jeden Morgen schminken.“
Ich fing völlig unvermittelt an zu lachen und bekam mich nicht mehr ein. Tim hatte seine Mutter schminken müssen. Wäre ich immer noch so gossip-verrückt wie in der Achten würde das spätestens nächste Woche in der Zeitung stehen (Das wagst du nicht!).
Er wartete wahrscheinlich darauf, dass ich nein sagen oder wenigstens eine negative Reaktion zeigen würde. Stattdessen drückte ich ihm fast die Luft ab und flüsterte ihm: „Na dann mal los, mein persönlicher Make-up-Assistent!“, ins Ohr. Ich ließ ihn vorsichtshalber schnell wieder los, nicht dass ich plötzlich keinen persönlichen Make-up-Assistenten mehr hatte. Er sprang auf, nahm meinen Taschenspiegel und verschwand dann, vermutlich um Make-up von seiner Mum zu holen, aus dem Zimmer.
Er kam mit einem riesigen Schminkkoffer wieder, so groß, dass ich davon nur träumen konnte. Ich kniff mich, aber er war wirklich so groß. Ich rieb mir nochmal durch die Augen, nahm es dann aber einfach so hin.
„Hat deine Mutter so viel Schminkzeug?“, fragte ich ziemlich verdutzt.
„Nein, aber so einen großen Schminkkoffer. Der ist nicht mal zur Hälfte voll!“, antwortete Tim gelassen. Er nahm schnell Mascara und Kajal aus dem riesigen Koffer und brachte mich so zum Schweigen. Nach einer gefühlten Stunde wurde ich langsam ungeduldig, denn Tim war immer noch nicht fertig. Ich wollte gerade etwas sagen, als er mir den Finger vor den Mund hielt. „Ich bin gleich fertig, Süße.“, sagte er beiläufig, während er mir immer noch mehr Schminke ins Gesicht klatschte. Ich würde aussehen wie ein Zombie oder ein Vampir, aber garantiert nicht so, wie ich tatsächlich aussah, als mich Tim endlich in den Spiegel gucken ließ.
Er hatte mir leichte Smokey Eyes geschminkt, die zum Rand meiner Lider ausliefen. Ansonsten waren meine Augen von schwarzem Kajal und Eyeliner umrahmt, meine Wimpern hatten blaue Spitzen. Aber das beste kam noch, meine Lippen waren zwar rot geschminkt,sahen aber kein bisschen geschminkt aus. Wie hat er das nur wieder hinbekommen? Ich erinnerte mich zum Glück früh genug daran,wieder zu atmen, sonst hätte er mit Mund-zu-Mund-Beatmung das ganze Kunstwerk wieder ruinieren müssen. Das nächste, was ich dachte, war 'bloß nicht weinen, nicht weinen Abe, deine Schminke!' nachdem ich den Satz oft genug in Gedanken gesagt hatte, drehte ich mich zu Tim um und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Lippen. Zum Glück war dieser Lippenstift kussfest, ich will nicht wissen, wie Tim sonst ausgesehen hätte.
„Wo willst du heute noch mit mir hin, dass du mich so auffällig geschminkt hast?“, fragte ich immer noch etwas verwirrt von Tims Schminkkünsten.
„Heute Abend ist Teenie-Disco im Colosseum, das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, oder?“ Er grinste mich an. Das Colosseum war die größte Disco in der Stadt und manchmal gab es auch Teenie-Discos dort, ich war allerdings noch nie auf einer gewesen, wieso auch wo ich doch sowieso keine Freunde hatte.

Was ich verpasst hätte, wenn ich nicht mitgekommen wäre, wurde mir erst klar, als ich neben Tim vor dem riesigen, uralten Gebäude stand, in dem die modernste Disco der Stadt untergebracht war. Ich weiß, uralt und modern passen mal so überhaupt nicht zusammen, aber die Denkmalschützer hatten den Abriss des 400-jährigen Gebäudes damals verhindert und so wurde die Disco in dem Gebäude gebaut, anstatt ein neues zu errichten.
Tim nahm meine Hand und wir gingen langsam auf dieses unglaublich alte Gemäuer zu. Schon von weitem konnte man die Bässe hören, wenig später auch die Musik, die dazugehörte.
Tim hatte sich nicht wirklich aufgedonnert für die Disco aber ich war nochmal nach Hause (in die Hölle) gegangen, um mir mein Pailletten-Top und eine durchlöcherte Jeans zu holen (nein, nicht selbst durchlöchert, so wie man die halt kaufen kann).
Wir traten ein und es kam mir vor, als ob die Musik plötzlich aufgehört hätte. Alle Blicke waren auf uns gerichtet, von Jungs ebenso, wie von Mädchen. Irgendwo weiter hinten entdeckte ich meine Ex-Freundinnen und wollte genau in die entgegengesetzte Richtung aber Tim (und seine starken Arme) zog mich zu ihnen hin. Was zum Teufel hatte er vor (Dich verkuppeln ja wohl eher nicht.)?
In der hintersten Ecke des Clubs angekommen, fing er gleich ein Gespräch mit Bine an, die damals meine beste Freundin gewesen war. Ich hatte ihm nichts davon erzählt, aber wahrscheinlich war das so eine Art männliche Intuition, falls es so was gab.
Plötzlich stupste mich jemand von hinten an.
„Bist du Tims Freundin?“, fragte eine unbekannte Stimme, die dem Jungen gehörte, der hinter mir stand.
Ich guckte ihn kurz verdutzt an, antwortete dann aber: „Ja, aber warum fragst du?“
Ich sah und merkte, wie er rot wurde, bis er sagte: „Ich bin sein bester Freund, Philipp. Sorry, wenn du dachtest, ich will mich an dich ranmachen.“
Philipp war mir sofort sympathisch, er wäre die erste Wahl für einen besten Freund, auch wenn Tim das gerade war (Ja er war mein fester und mein bester Freund in einem.).
„Nein, kein Problem. Hast du Lust zu tanzen? Tim scheint ja gerade anderweitig beschäftigt zu sein.“, ich versuchte ein halbwegs annehmbares Lächeln aufzusetzen, aber innerlich kochte ich vor Wut. Tim redete jetzt schon mindestens zehn Minuten mit meinen Ex-Freundinnen.
Als Philipp nicht antwortete, zog ich ihn einfach mit au die Tanzfläche und begann wie wild zu tanzen. Mir war bewusst, dass so ungefähr jeder in fünf Meter Entfernung nur auf mich glotzte, sollten sie doch. Mir war im Moment so ziemlich alles egal, ich wollte nur meinen Spaß.

Disco und Omas im Gemüsebeet




Tim



Als Abigails Ex-Freundinnen mich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in Ruhe ließen, ließ ich meinen Blick schweifen und suchte Abigail und Philipp. Ich fand sie ziemlich schnell, sie saßen an einem der vielen Tische, die um die Tanzfläche herumstanden und quatschten.
Abigail entdeckte mich als erste und begann sofort, mich böse anzustarren. Wahrscheinlich glaubte sie, ich hätte mit den Mädels geflirtet, dabei waren sie es doch gewesen, die mich nicht gehen lassen wollten. Demonstrativ gab sie Philipp einen Knutscher auf die Wange und ich wäre beinahe explodiert. Ich ging wieder auf die Tanzfläche, aber nur um mich kurz darauf von hinten an Abigail anzuschleichen und ihr die Augen zuzuhalten.
„Boah Tim, du Idiot! Erst machst du dich wie sonst was an Bine und die ganzen Tussen ran und jetzt erwartest du von mir, dass ich dir verzeihe? Tut mir Leid, aber nicht mit mir. Und ich dachte ich wäre was besonderes für dich!“, schrie sie und rannte weg. Vielmehr versuchte sie wegzurennen, denn man bekam in der prall vollen Disco kaum einen Fuß vor den anderen. So hatte ich sie schnell eingeholt und hielt sie am Arm fest (Du hast mich festgehalten?? Für mich hat sich das eher so angefühlt, als hättest du meinen Arm zerquetscht.).
„Abigail! Bitte warte doch! Es war nicht so, wie es aussah!“, rief ich und versuchte sie krampfhaft festzuhalten. Sie war zwar stark (Wow, ein Kompliment), aber nach wenigen Sekunden gab sie auf und ließ mich ihren Arm weiter festhalten. Sie zog mich aus der Disco raus und drehte sich dann zu mir um.
„Und wie war es deiner Meinung nach?“, schrie sie, obwohl es hier draußen viel leiser war als in der Disco.
Ich versuchte sie an der Schulter festzuhalten, aber sie wand sich aus meiner Berührung.
„Abigail!“, versuchte ich sie zum zuhören zu bringen, „Die einzigen, die sich an irgendwen rangemacht haben, waren deine Exfreundinnen. Jeder zweite Satz von denen war, ob ich denn wirklich vergeben wäre.“
„Und du hast natürlich ja gesagt, oder?“, Abigail war wirklich auf 180 (360 passt besser...). Ich glaube sie wollte mir gar nicht glauben.
„Glaub mir doch, ich flirte nicht mit anderen Mädchen, wenn ich die Chance habe, mit meinem Traummädchen zusammen zu sein.“
„Und wer ist dein Traummädchen?“, fragte sie ziemlich genervt.
„Abigail, guck mal in den Spiegel, dann siehst du sie. Du bist mein Traummädchen, ich wollte immer mit dir zusammen sein und jetzt lebe ich meinen Traum.“
„Och, Tim du bist so süß! Dir kann man eigentlich gar nicht böse sein.“, flüsterte sie noch, bevor sich unsere Lippen immer näher kamen und wir uns innig küssten.
„Do you want to dance with me, lady?“, fragte ich sie scherzhaft (Ich hab mich voll wie im falschen Film gefühlt...).
„Only with you, darling! I love you!“, stieg sie sofort auf meinen Scherz ein. Ich fiel vor ihr auf die Knie und bot ihr meine Hand an (wir sind echt kitschig, ich weiß...), sie nahm sie und wir gingen Hand in Hand wieder in die Disco.
Als ob das Schicksal es heute gut mit uns meinen würde, fing genau in diesem Moment 'Marry you' von Bruno Mars an aus den Boxen zu schallen. Wir tanzten leidenschaftlich miteinander und als die letzten Töne verklangen, küssten wir uns. Inzwischen hatte ich auch Philipp in dem Gedränge wiedergefunden und wir setzten uns erstmal wieder an einen der Tische und unterhielten uns den Rest der Zeit, bis die Teenie-Disco vorbei war. Ich weiß, in einer Disco sollte man eher tanzen, aber keiner von uns hatte noch richtig Lust und außerdem hätte man auf der hoffnungslos überfüllten Tanzfläche sowieso keinen vernünftigen Tanz hinbekommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit gingen wir mit Philipp zu mir nach Hause und fielen alle drei todmüde in mein Bett (Tja, auch rumsitzen kann anstrengend sein)

Am nächsten Morgen wachte ich auf dem Fußboden auf, Philipp hatte mich doch tatsächlich aus dem Bett geworfen. Aber ich war nicht das einzige Opfer, Abigail schlief noch seelenruhig neben mir. Philipp hatte zwar einen unruhigen Schlaf, aber dass er zwei Leute aus meinem übergroßen Doppelbett werfen kann, hätte ich nicht nicht gedacht.
Abigail wachte langsam auf und blinzelte mit den Augen. Ich nahm ihre Hände.
„Du bist wunderschön, wenn du schläfst, Prinzessin!“, flüsterte ich ihr zu, um Philipp nicht zu wecken, denn auch wenn er einen sehr aktiven Schlaf hatte, er wurde schon von der kleinsten Kleinigkeit wach.
Abigail streckte sich ausgiebig und legte dann ihre Arme um meinen Hals. Es kribbelte an meinem ganzen Körper, als würden wir uns gleich das erste Mal küssen (Wow, ich muss ja ne Wirkung auf dich haben...). Dann regte sich plötzlich etwas auf meinem Bett. Philipp war wachgeworden und brabbelte unverständliche Worte vor sich hin. Ich hatte mich daran gewöhnt, er hatte schon so oft bei mir übernachtet und jedes Mal, wenn er aufgewacht war, hatte er diese komischen Geräusche von sich gegeben (Nich ehrlich,oder?). Abigail fing an zu lachen und ich stimmte mit ein. Irgendwann lagen wir alle drei auf dem Boden und kugelten uns vor Lachen, Philipp war auch aus dem Bett gefallen, als er angefangen hatte, mitzulachen. Der erste, der seine Sprache wiedergefunden hatte, war ich: „Philipp du musst dir das dringend abgewöhnen, dich im Schlaf so viel zu bewegen, der Boden ist nicht gerade bequem.“
Dann musste ich auch schon wieder lachen. Die ganze Szene war total sinnlos, aber keiner von uns hatte wirklich Lust ihr einen Sinn zu geben, also lagen wir eine Ewigkeit auf dem Boden und lachten, bis wir nicht mehr konnten. Philipp war der erste, der wieder aufstand und sich dann im Bad einschloss, um sich anzuziehen. Abigail drehte sich wieder zu mir um und machte da weiter, wo wir, als Philipp aufgewacht war, aufgehört hatten. Sie schlang ihre Arme wieder um meinen Hals und begann dann meine Schlüsselbeine zu küssen. Als ihre Lippen über meinen schwebten, legte ich ihr sanft meine Hand auf die Wange und küsste sie zärtlich, bis Philipp sich über uns räusperte.
Ich musste sofort wieder anfangen zu lachen, merkte aber schnell, dass das die schlechteste Idee des Tages war, denn mein Bauch tat noch vom ersten Lachflash ziemlich weh (Tja, das hab ich mir schon vorher gedacht und deshalb gar nicht erst angefangen...). Philipp nahm daraufhin meine Hand und zog mich hoch. Abigail wollte nicht freiwillig aufstehen, also nahmen wir jeder einen Arm von ihr und zogen sie dann zusammen auf die Beine. Wir hakten uns ein, Abigail ging in der Mitte und versuchten dann vergeblich, so durch die Tür zu kommen. Schließlich gingen wir alle seitwärts, um zu dritt durch die verdammt enge Tür zu kommen. Als wir endlich im Esszimmer angekommen waren, ließen wir uns auf die Stühle fallen und den weiteren Tag einfach auf uns zukommen.
Diese Szene erinnerte mich an den Tag vor fünf Jahren, ich weiß nicht warum, der Tag, als ich Abigail das erste Mal sah.

*

Es war der erste Schultag an der neuen Schule, dem Gymnasium in unserer Stadt. An meiner Grundschule haben mich viele ausgelacht, weil ich aufs Gymnasium gegangen bin, es hat mich zwar nicht fertiggemacht, aber wehgetan hat es schon. Irgendwann dachte ich mir, dass sie nur neidisch waren, ich hatte die ganze Grundschule über ein Zeugnis voll von Einsen und Zweien gehabt, hatte immer gute Arbeiten geschrieben. Der ganze Rest meiner Klasse nicht, das beste, was die hatten, waren Dreien, alles darüber war meine Note, so war es immer gewesen.
Als ich das riesige Schulgebäude betrat, kamen sofort meine jetzigen Klassenkameraden auf mich zugestürmt und fragten mich aus, von welcher Schule ich kam, was meine Eltern arbeiteten und so. Damals waren wir noch so naiv und haben uns nichts daraus gemacht, auch nicht aus Markenklamotten. Aber ich schweife schon wieder ab. Kurz darauf kam unser Klassenlehrer rein und wir setzten uns so, wie wir gerade lustig waren, ich erwischte einen Platz neben Philipp und freundete mich sofort mit ihm an. In der Pause liefen wir durch die ganze Schule, zwar hatten wir am Tag der offenen Tür schon alles gesehen, aber es war einfach etwas anderes, wenn man ein Teil davon war. Auf dem Rückweg zu unserem Klassenraum sah ich sie dann, sie hatte wunderschöne blonde Haare und ich war sofort hin und weg von ihr. Wäre das hier Zeichentrick gewesen, ich schwöre euch, ihre Haare wären im Wind geflogen. Wieder am Klassenraum angekommen, waren ihre Gedanken immer noch bei ihr und schweiften während dem restlichen Tag auch immer wieder zu ihr, ich konnte nicht anders, als an sie zu denken.

*

Ich erwachte wieder aus meinen Tagträumen, als Abigail wie wild vor meinem Gesicht rumfuchtelte.
„Tim! Wo warst du mit deinen Gedanken? Wir haben gerade beschlossen, dass wir heute zu dritt ins Kino gehen.“, überrannte sie mich mit Informationen. Ich rappelte mich vom Stuhl hoch, nahm ihre Hände und küsste sie zärtlich.
„Dann muss ich mich wohl mal umziehen und ihr, denke ich auch. Oder wollt ihr in den verschwitzten Discoklamotten ins Kino?“, fragte ich die beiden scherzhaft. Abigail fing an zu Lachen, ich liebte ihr Lachen und es kam mir wieder so vor, als würde ich sie zum ersten Mal sehen, damals hatte sie auch schon dieses unglaublich süße Lachen gehabt (Stalker -.-).
Ich verabschiedete mich noch schnell von den beiden und ging dann in mein Zimmer, um mir ein vernünftiges Outfit zusammenzusuchen, eins, das man zu einem Cliquentreffen anziehen konnte. Ja, ihr habt euch nicht verlesen, Philipp, Abe (ja, ich nenne Abigail Abe... bessere Idee?) und ich waren irgendwie so was wie eine Clique. Es dauerte nicht lange, bis ich etwas gefunden hatte, was wohl am ehesten daran lag, dass ich nicht viele Klamotten hatte, zu Abe hatte ich fast meinen ganzen Kleiderschrank mitgenommen und es war trotzdem knapp geworden. Es war wirklich mal an der Zeit, dass ich die Waschmaschine anschmiss, vielleicht kam ich ja nach dem Kino dazu.
Nachdem ich mir noch ein bisschen Gel in die Haare geschmiert hatte (ja, ich bin eitel, Problem damit, außerdem wars nich viel), ging ich los zu Philipp, um ihn abzuholen und wir danach zusammen zu Abigail gehen konnten.
Philipps Mutter öffnete mir die Tür und rief die Treppe hoch, dass Philipp sich beeilen sollte. Dann bat sie mich rein und brachte mich in das großzügige Wohnzimmer, wo ich mich gemütlich auf die Couch plumpsen ließ. Philipps Mutter war das gewohnt, sagte deshalb auch nichts weiter. Nach wenigen Minuten stand Philipp auch schon in der Tür und wir machten uns zusammen auf den Weg zu Abe.
Sie kam uns schon entgegen und ich sah die Tränen über ihr Gesicht laufen.
„Hey, Prinzessin! Was ist denn los, ist was schlimmes passiert?“, fragte ich sie vorsichtig, als sie sich an meine Brust drückte. Sie schluchzte und Tränen durchtränkten mein Shirt. Anscheinend verging ab jetzt kein Tag mehr, an dem ich mein Shirt nicht wechseln musste, sei es vollgeschwitzt von der Disco, oder eben, weil Abe es vollgeheult hatte. Nicht, dass ich was dagegen hatte, es war nur komisch (Ja, schon klar...). Ich strich ihr langsam und beruhigend über den Rücken und legte mein Kinn auf ihren Kopf. Was war wohl jetzt wieder passiert, dass sie so aufgelöst war? Hoffentlich war ihrer Oma nichts passiert, ich mochte diese alte Schreckschraube zwar nicht sehr, aber sie war die einzige, die Abigail noch hatte und die einzige, die uns möglicherweise Infos über ihre Eltern geben könnte.
Schon nach wenigen Sekunden gesellte sich Philipp zu uns und begann ebenfalls, Abe über den Rücken zu streichen.

Die erste Begegnung



Abigail



Ich war ziemlich verwirrt. Eben noch war ich fröhlich mit Philipp von Tim nachhause gegangen und jetzt legte ich den Weg umgekehrt und mit Tränen in den Augen zurück. Meine Oma hatte einfach bewusstlos im Garten gelegen. Anstatt jedoch den Notarzt zu rufen, war ich einfach umgedreht und den ziemlich verdutzten Jungs in die Arme gelaufen.
Ich drückte mich sofort an Tims Brust und begann hemmungslos zu heulen. Er fragte mich etwas, was ich aber nicht ganz verstanden hatte und strich mir langsam und beruhigend über den Rücken. Es tat gut, zu wissen, dass wenigstens zwei Personen auf dieser riesigen Erde waren, die mich mochten und nicht gleich über mich loslästerten wenn ich auch nur um die Ecke kam. Dann legte Tim langsam sein Kinn auf meinen Kopf und begann beruhigend auf mich einzureden. Kurz darauf kam auch Philipp von hinten auf mich zu und so standen wir da eine halbe Ewigkeit, dicht aneinandergedrängt wie Sardinen in einer Dose. Als ich mich wieder gefangen hatte, fragte mich Tim zuerst, was eigentlich genau passiert war und ich erzählte ihm alles, was noch in meinem Gedächtnis war, ich war einfach zu gut darin, schreckliche Erlebnisse zu vergessen. Ich beendete meine Rede mit einem lauten Seufzer und Tim zog mir meine High Heels aus, um mich danach zusammen mit Philipp wieder nach Hause zu tragen. Dort angekommen, rannte Philipp sofort u meiner Oma, er hatte vermutlich einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht, den jetzt fühlte er ihren Puls, brachte sie in die stabile Seitenlage und verständigte den Notruf. Genau so schnell wie er zu ihr gerannt war, war er auch wieder bei uns und wir gingen zusammen auf mein Zimmer, wo ich mich als erstes auf mein Bett fallen ließ und alle Viere von mir streckte. Das war einfach zu viel für mich gewesen. Wir hörten kurz darauf den Notruf und Tim und Philipp rannten raus, nur um Kurz darauf, gefolgt vom Sanitäter wieder in mein Zimmer zu kommen und ihn die üblichen Fragen stellen zu lassen.
Er wollte wissen wie ich heiße, in welcher Beziehung ich zu der Person stehe und so weiter. Nach diesem kurzen Verhör und der Nachricht, dass meine Oma einen Sonnenstich und einen Herzinfarkt bekommen hatte, war er dann auch schon wieder verschwunden.
Ich wusste auch nicht warum, vielleicht war die Schwerkraft heute anders, auf jeden Fall lehnte ich mich an Philipp, nachdem ich wieder in Tränen ausgebrochen war, vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass Tims Shirt schon so ziemlich klitschnass war. Jetzt heulte ich mich jedenfalls bei Philipp aus und Tim schien auch keinerlei Anstalten zu machen, das verhindern zu wollen. Irgendwann waren alle meine Tränen aufgebraucht und ich fragte mich, wieso ich eigentlich um Oma geweint hatte, sie war schließlich die ganze Zeit über nicht wirklich nett zu mir gewesen und überhaupt... Kurz bevor mich die Müdigkeit übermannte, schubste ich Tim auf mein Bett und kuschelte mich an seine Brust. Dann war ich auch schon wieder eingeschlafen, Kino war fürs erste also gestrichen, es sei denn, Philipp wollte alleine gehen, denn Tim kam hier vorerst nicht mehr weg. Ich wache davon auf, dass jemand mir über die Haare strich und ich hätte diesem jemand fast eine geknallt, hätte ich nicht im letzten Moment gesehen, dass es Tim war.
„Hey Prinzessin!“, flüsterte er, „Ich dachte, du willst vielleicht auch mit ins Kino.“
Und ob ich wollte. Ich war sofort hellwach und sprang auf, um mich umzuziehen. Als ich dann an mir runterblickte, sah ich, dass das gar nich mehr nötig war, ich hatte mich ja schon umgezogen, bevor ich Oma im Garten gefunden hatte.
Dass die Klamotten etwas zerknittert vom Schlafen waren, störte mich nicht weiter, erstens sah es im Kino sowieso niemand und zweitens war ich vergeben und brauchte mir keine Sorgen um mein Outfit zu machen, solange es Tim (und mir xD) gefiel.
Am Kino angekommen, wartete eine ewig lange Schlange auf uns, kein Wunder heute waren wieder jede Menge Filme rausgekommen. Als ich mich schon in der Schlange anstellen wollte, zog Philipp drei Karten hinter seinem Rücken hervor.
„Als du geschlafen hast, bin ich zum Kino gegangen und hab die besorgt. Ich hoffe du magst 'Die Muppets'.“, sagte er und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ich fiel ihm um den Hals und gab ihm einen Knutscher auf die Wange, was mir einen ziemlich eifersüchtigen Blick von Tim einbrachte.
„Hey, Süßer! Nicht gleich eifersüchtig werden, wir sind nur befreundet, mehr nicht!“, versuchte ich ihn zu beruhigen, was mir aber nicht wirklich gelang. Deshalb gab ich ihm kurzentschlossen einen innigen Kuss und zog ihn dann in den Kinosaal.
Wir fanden unsere Plätze ziemlich schnell und ich ließ mich zielsicher zwischen Tim und Philipp in den gemütlichen Kinosessel mit der Nummer 13 fallen. Es gab eine Nummer 13? Normalerweise wird das doch vermieden. War ja mal wieder klar, dass wenn es eine 13 gibt, ich sie erwische. Die 13 ist eben doch meine Glückszahl. Wenn ich so Recht darüber nachdenke, mit Tim war ich auch an einem 13. zusammengekommen und wenn mich nicht alles täuschte war es der erste Freitag in den Ferien gewesen. Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht.
Naja, jedenfalls war ich zu faul, mich nochmal zu bewegen und blieb deshalb auf der 13 sitzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der alle möglichen Werbespots liefen, fing der Film dann auch an.
Wären da nicht einige ziemlich lustige Dialoge gewesen, wäre ich eingeschlafen und den Jungs schien es auch nicht besser ergangen zu sein. Wir rieben uns, als der Abspann lief alle drei synchron die Augen und fingen dann wie auf Kommando an zu lachen. Wir waren halt ne echte Clique. Nachdem wir es dann als fast die letzten auch wieder aus dem Kinosaal geschafft hatten, machten wir uns auf zu Mekkes, weil keiner von uns auf was 'vernünftiges' Hunger hatte.
Als wir dann bei Mekkes saßen, gaben wir abwechselnd die lustigsten Storys aus unserem Leben zum besten, so weiß ich jetzt zum Beispiel, dass mal nen Mädel in Philipps Umkleide gekommen ist, als er nur ne Boxershorts an hatte und Tim in der Grundschule mal seine Lehrerin angekotzt hat (Na und, meine Eltern wollten mich nicht zuhause behalten, also bin ich in die Schule & so kam eins zum andern...).
Von mir erfuhren die Jungs allerdings auch allerlei peinliches. Von meiner Blamage in der ersten Klasse bis hin zu meinem Sabbertropfen in der 8. Klasse. Das ist zwar ne lange Geschichte, aber ich will sie euch erzählen.

***

Ich kam eines schönen Tages in die Klasse und mir fällt sofort ein heißer Typ auf. Ich war etwas spät, der Lehrer ist schon lange da und neben ihm steht eben jener ultraheiße Schüler. Er sieht ziemlich selbstbewusst aus und ich habe ihn mit meinem Reinkommen mitten in seiner Vorstellung unterbrochen.
Er lässt sich davon aber nicht stören und spricht einfach weiter. Ich könnte so was nicht, schießt es mir durch den Kopf und ich fange an, ihn immer besser zu finden. Er ist fertig mit seiner Vorstellung und setzt sich dann genau neben MICH, nicht, dass er mich vielleicht sympathisch finden würde, es war einfach der einzige freie Platz in der Klasse. Ich, naiv wie ich damals war, interpretiere aber natürlich sofort alles mögliche da hinein.
Der Lehrer macht inzwischen mit dem Unterricht weiter, aber ich konnte mich einfach nicht konzentrieren und meinen Blick auch nicht von ihm abwenden. Es war ungefähr so, wie bei Bella und Edward nur viel peinlicher.
Schon nach kurzer Zeit, kam der Lehrer nach hinten zu uns, vermutlich um mich zum Mitmachen zu animieren. Dazu kam er allerdings nicht mehr, denn er bekam einen totalen Lachflash, als er sah, wie ich den neuen anstarrte und mir Sabber aus dem Mund floss.
Augenblicklich fing die ganze Klasse an, sich umzudrehen und brach ebenfalls in Lachen aus. Die einzige, die nicht lachte, war ich. Ich packte sofort so schnell es ging, meine Sachen und rannte Hals über Kopf aus dem Raum, geradewegs zum Pferdestall.
Dort ließ ich mich, wie immer wenn ich überfordert mit der Lage war, an Yesterdays Seite sinken und schluchzte ungehemmt vor mich hin.

***

Tja, solche Reisen in die Vergangenheit finde ich immer ziemlich entspannend, ich fand Erinnerungen im Allgemeinen beruhigend, auch wenn es negative waren. Die holten mich wenigstens wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich zu beflügelt war, oder sie zeigten mir, wie gut ich es hatte, wenn ich an mir selbst zweifelte.

Den ganzen Weg von Mekkes zurück zu Tim laberten wir drei über dies und das, Gott und die Welt. Schon nach wenigen Minuten, waren wir angekommen und verabschiedeten uns voneinander, bevor Philipp und ich unsere Nachhausewege gingen.
Als ich zuhause ankam, war Oma immer noch nicht wieder aus dem Krankenhaus da und ich ging kurzentschlossen wieder zu Tim, erstens wollte ich nicht völlig alleine sein und zweitens wollte ich jetzt endlich wisse, ob meine Eltern tot waren oder nicht. Das konnte ich nur mit Tim herausfinden, alleine würde ich mich gar nicht auf den Friedhof trauen, geschweige denn ihre Gräber suchen.
Mein Tempo erhöhte sich stetig, bis ich schließlich fast atemlos vor Tims Tür zum Stehen kam. Das letzte, was ich noch tun konnte, war zu klingeln, bevor ich mich kraftlos gegen die Hauswand fallen ließ. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich so schnell rennen konnte, aber ich konnte ja auch nicht alles wissen.
Schon nach wenigen Sekunden hörte ich Schritte und Tim machte mir die Tür, nur mit einem Handtuch bekleidet, auf.
„Komme ich ungelegen?“,fragte ich frech. Er guckte kurz komisch und schüttelte dann den Kopf.
„Nee, ich bin gerade fertig mit duschen, aber warum bist du hier?“, fragte er dann mich im Gegenzug.
„Ich wollte mal gucken, ob du mich betrügst.“, sagte ich mit einem ziemlich sarkastischen Unterton, „Nein, Scherz. Meine Oma ist noch im Krankenhaus und ich wollte nicht alleine sein.“
Er nahm meinen Arm und zog mich ins Haus. Mist, dachte ich mir, ich stand schon wieder wie irgendeine Gestörte in der Tür und versuchte, alles zwischen Tür und Angel zu erledigen. Diesmal kam auch noch dazu, dass Tim da halbnackt stand und es schon wieder kühler wurde.
Ich ging sofort zielstrebig ins Wohnzimmer, damit sich Tim anziehen konnte, denn wenn er so neben mir sitzen würde, würde ich vermutlich verrückt werden und ihn hier und jetzt nehmen. Aber ich wollte, dass unser erstes Mal etwas besonderes wurde und hielt mich deshalb zurück, ihm einfach das Handtuch vom Körper zu reißen.
Oh, mein Gott! Was hab ich nur schon wieder für perverse Gedanken, ich sollte mich wirklich mal untersuchen lassen, das war ja nicht mehr normal. Wahrscheinlich lag das ganze nur an der Pubertät und daran, dass wir es langsam angingen, aber so ganz überzeugt war ich von diesem Gedanken nicht.
Ich wollte mich gerade auf dem riesigen Sofa ausstrecken und ein kleines Nickerchen machen, da saß Tim schon neben mir und gab mir zärtlich einen Kuss auf die Wange.
„Erzähl schon, du wirst doch nicht nur hier sein, weil du nicht alleine sein willst. Da hättest du auch genauso zu Philipp gehen können.“, lieferte er mir eine gute Basis für meine Bitte. Ich überlegte kurz, wie ich es formulieren sollte, damit die Angst, die ich davor hatte, nicht zu sehr rüberkam, aber ich gab es auf, er würde es sowieso spätestens am Friedhof merken.
„Ich will zum Friedhof! Gucken, ob ihre Gräber da sind. Und wenn nicht, dann überlege ich weiter.“, normalerweise handelte ich nicht so sehr nach Gefühl, aber seit ich Tim kannte hatte sich so viel geändert, da konnte mich eine Sache mehr oder wenig auch nicht erschrecken.
„Na dann lass uns schnell los, es wird bald dunkel.“, meinte Tim daraufhin und zog mich wieder in den Flur, wo wir uns Jacken überwarfen.
Dann machten wir uns auf dem Weg zum Friedhof, der Weg war nicht lang, aber er kam mir fast endlos vor, ohne Tim hätte ich wohl schon nach wenigen Schritten umgedreht, aber Tim gab mir die Kraft, weiterzugehen.
Am Friedhof angekommen, klammerte ich mich an seine Hand und war ziemlich froh, dass ich meine Fingernägel gerade erst geschnitten hatte, sonst hätten sie Tim wohl ganz schön gekratzt.
Tim machte vorsichtig die verrostete Tür auf und es erklang ein ohrenbetäubendes Quietschen. Er zog mich ziemlich zielstrebig in die hinterste Ecke des Friedhofs, dort wo sich die neusten Gräber befanden. Das letzte, das aufgestellt worden war, war mit einem Datum kurz vor dem Autounfall meiner Eltern beschrieben (Wenn sie denn überhaupt einen Autounfall gehabt hatten), also waren hier ihre Gräber nicht zu finden. Innerlich machte ich einen Luftsprung und es fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen.
„Komm!“, rief ich Tim zu, obwohl er direkt neben mir stand. „Wir müssen sofort zu mir nach Hause, ich weiß ja nicht, was Oma ihnen über mich erzählt hat.“
Ich nahm wieder seine Hand, die ich losgelassen hatte, als sich mein ganzer Körper entspannt hatte.
„Aber warum willst du nach Hause, deine Oma ist doch bestimmt noch im Krankenhaus.“, meinte er etwas verwirrt.
„Nicht zu meiner Oma, du Dummerchen, zu meinem richtigen zuhause, dort wo ich früher gewohnt habe.“, klärte ich ihn auf. Mann, dachte ich mir, sind Jungs manchmal schwer von Begriff (Aber selber!).
„Okay, ist das weit weg?“, fragte mich Tim dann ziemlich aufgebracht.
„Nein, kein Problem, wir holen nur schnell unsere Skateboards und sind dann in zehn Minuten da.“, sagte ich ziemlich ruhig, auch wenn ich mich darauf freute, meine Eltern endlich wiederzusehen.

Gesagt, getan. Die zehn Minuten, die wir zum Haus brauchten, sagte keiner von uns ein Wort, wir waren einfach viel zu aufgeregt. Tim hatte mir, kurz bevor er auf sein Board gestiegen war, noch einen flüchtigen Kuss gegeben und meine Hände gedrückt und an dieser Wärme hielt ich mich jetzt fest. Ich wusste ja nicht, wie sie jetzt waren. Ob sie mich noch wollten und ob sie überhaupt noch zusammen wären. Ich war mir nur in einer Sache sicher: Sie waren nicht umgezogen.

Am Haus angekommen, wurden wir von warmem Licht empfangen, das überall aus dem Haus leuchtete und auch die Treppe zur Tür war beleuchtet, alles war so, wie ich es in Erinnerung hatte, nur komischerweise durch die Dunkelheit, die uns langsam umfing, noch etwas schöner.
Langsam ging ich die Treppe hoch, das Skateboard in der einen, Tims Hand fest in der anderen Hand. Ich ließ das Skateboard fallen, denn ich konnte es nicht übers Herz bringen, Tim loszulassen, ich brauchte ihn (Jetzt ist der Punkt, wo ich mir denke: Déjà-vu.)
Ich drückte langsam meinen Finger auf den Klingelknopf, es war noch immer die selbe Klingel und ich wusste aus Erfahrung, dass es ziemlich nervtötend sein konnte, wenn man zu fest auf sie drückte.
Kurz darauf nahm ich meinen Finger wieder von der Klingel und sah zu Tim. Er lächelte mich an und es war kein schelmisches Lächeln, wie er es sonst immer draufhatte, sondern ein nettes (Oder war es vielleicht doch eher ein verliebtes?).
Schon nach wenigen Sekunden wurde uns die Tür aufgemacht und ich wäre fast nach hinten umgekippt, hätte Tim mich nicht gehalten.

Tim



Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich ernsthaft gedacht, Abigail macht die Tür auf. Ihre Mutter sah ihr total ähnlich, sie hatten die gleiche Gesichtsform und die gleiche Augenfarbe, einzig die Haarfarbe passte nicht (und das nicht nur, weil Abigails Haare halb schwarz waren.) ihre Mutter hatte rotbraune Haare, die ihr bis zur Hüfte gingen.
Dann gesellte sich ein Mann zu ihr. Auch er sah Abigail ähnlich, aber auf andere Weise als ihr Mutter, es war als hätten sie die gleiche Ausstrahlung.
„Mama?“, fragte Abigail in die Stille.
„Abigail?“, fragten ihre Eltern im Gegenzug.
Abigail sprang den beiden in die Arme und Abigails Vater bedeutete mir, auch reinzukommen.
„Also hat uns Oma jedem getrennt klar gemacht, wir wären bei einem Autounfall gestorben. Rein theoretisch dürfte dann keiner von uns hier am Tisch sitzen, nicht mal Tim, denn dann wärt ihr ja auch nicht zusammen.“, endete Abigails Mutter das Gespräch über die verworrenen Lügen. Ihnen hatte Abigails Oma erzählt, Abigail wäre auf der Rückfahrt von Taylor ums Leben gekommen. Wie konnte man nur so ein krankes Hirn haben, war die Frage die uns allen im Kopf rumspukte.
„Oh, wie unhöflich von uns, Tim. Wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt.“, sagte ihr Vater dann ziemlich peinlich berührt.


To be continued...

Leute, sagt mir bitte wenn ich bei Tims Kapiteln zu mädchenhaft schreibe, bin nunmal ein Mädel...

Impressum

Texte: Alle Texte sind von mir verfasst
Bildmaterialien: Das Foto hab ich auf weheartit.com gefunden
Tag der Veröffentlichung: 28.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Wem soll ich dieses Buch widmen? Vielleicht meiner besten Freundin, die es zuerst gelesen hat.

Nächste Seite
Seite 1 /