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Die kleine Puppe

Es war einmal eine Puppe, die niemand haben wollte. Lange lag sie im Fenster eines Spielwarenladens. Oft wurde die angesehen.Doch niemand kaufte sie. Dabei war sie gar nicht hässlich. Braunes Haar umgab ihr kleines Puppengesicht. Rote Lippen und Meerblaue Augen zierten das schmale Gesicht und eine kleine Stupsnase lag mittig in diesem. Doch Jahr für Jahr verblassten die Farben immer mehr.
Die Sonne strahlte auf das lilane Kleid und schien immer mehr von der Farbe zu klauen. Staub legte sich auf das blasse Gesicht und ließ es grau werden. Nicht einmal kümmerte sich der Besitzer um die kleine Puppe. Und diese fühlte sich dabei natürlich nicht wohl. Sie hatte immer gedacht sie sei die Schönste. Doch nun wo die Sonne die Farben ihres Kleides raubte und wo der Staub sie so dunkel scheinen ließ fühlte sie sich hässlich. Und sie wollte nicht länger hier bleiben. Sie wollte raus aus diesem laden, wo niemand sie wollte. Dann würde sie sich eben alleine auf den Weg machen. Sicher wollte niemand eine Puppe haben die nicht schön war. Niemand würde sie hier noch kaufen wollen.
Vom langen sitzen ungelenk kletterte sie von ihrem Platz. Der Staub der sich auf ihrem Kleid gesammelt hatte viel nun als kleine Flocken zu Boden. Mit jedem Schritt den sie tat fiel weiterer Staub von ihr ab. Nur im Gesicht löste sich kein Staubkorn. Immer noch hing eine graue Schicht auf ihrer Plastikhaut.
Langsam setzte die kleine Puppe einen Fuss vor den anderen. Sie verließ ihr sicheres Schaufenster. Doch raus kommen war nicht so leicht wie sie gedacht hatte. Die Tür wollte sich nicht öffnen lassen. So sehr ihre dünnen Fingerchen auch daran zogen, sie bekam die Tür einfach nicht auf.
Da wurde die kleine Puppe noch trauriger als sonst schon. Sie setzte sich auf den kalten Fussboden des Spielzeugladen und schaute durch die Glastür nach draußen. Die weite Welt, die nun noch näher schien war ganz weiß. Die kleine Puppe hatte es so noch nie erlebt. Sie hatte hinter ihrer Scheibe nicht einmal davon gehört. Bald war Weihnachten. Ein Wort das die kleine Puppe nicht kannte. Das Wette passte zu den wünschen der Menschen. Auf den Straßen und Gehwegen lag hoher Schnee. Die Sonne schien auf diesen ohne ihn zu schmelzen. Die wärme der Strahlen erreichte den Boden nicht.
Glöckchen klingelten als jemand die Tür öffnete. Der Luftzug traf die kleine Puppe, sie hatte Glück: Die Tür traf sie nicht.
Die kleine Puppe nutze ihre Chance und lief schnell. Sie verließ das Haus in dem sie Jahre verbracht hatte. Der Schnee ging ihr bis zur Hüfte und durchnässte das ausgeblichene Kleidchen und die kleinen Schuhe. Doch sie war klein und leicht. Als sie sich aufeinmal auf die Schneeschicht gedrückt hatte konnte sie auf dieser laufen. Und musste sich nicht dadurch kämpfen.
Viele Schuhe liefen an ihr vorbei. Hohe Schuhe. Turnschuhe. Stiefel...
Mehr von den Menschen sah die kleine Puppe nicht. Nur grosse Menschen liefen gerade durch die Straßen. Doch die kleine Puppe wollte zu kleinen Menschen. Vielleicht fand sie einen der zu ihr passte. Einen der sie mochte auch wenn sie hässlich war.
Sie suchte weiter.
Immer wieder hörte die Puppe Glöckchen klingeln. Immer wieder sah sie einen langen Mensch der recht dicklich und ganz in rot gekleidet war. Er stand an einer Ecke. Wenn die Puppe vor ihm stand und zu ihm aufschaute, konnte sie nur den dicken Bauch sehen. Von weit weg sah sie aber auch das er ein Gesicht hatte das durch einen weißen Bart und weißen Haaren umrandet war.
Wieso liefen soviele von diesen Männern durch die Straßen? Fragte sich die Puppe jedes Mal wenn sie an so einem vorbei kam.
Stundenlang lief die kleine Puppe durch die Straßen über den Schnee. Das ausgebleichte Kleid war nun auch noch Fleckig. Sie war noch hässlicher geworden. Schneeflocken fielen der kleinen Puppe auf das Gesicht und hatten einige Stellen vom Staub befreit. Sogar das Puppengesicht war nun fleckig.
Die kleine Puppe hatte natürlich auch kleine Menschen gefunden gehabt. Sie war zu ihnen gestapft und streckte die kleinen Ärmchen nach ihnen aus, doch die Menschen hatten sie stehen lassen. Es wollte einfach niemand eine so hässliche Puppe haben, die nass und dreckig war vom Schnee. In einer Gasse ließ die hässliche Puppe sich auf einem Sack fallen der neben einer grossen Tonne stand. Der Geruch von süßen Mandeln vermischte sich mit dem Geruch des Mülls der in der Gasse hing.
Eine graue Maus krabbelte aus der Tüte und beschnupperte die kleine Puppe.
„Was willst du?“ fragte die kleine Puppe. Die Maus piepste nur. Natürlich. Mäuse kannten die menschliche Sprache kaum. Dennoch zeigte sie was sie wollte. Spitze Zähne bissen in den Stoff des ausgeblichenen Kleides. Sie fror und wollte sich und ihre Familie ein wenig vor der Kälte schützen. Was solls? Dachte die kleine Puppe. Mich will eh niemand haben. Egal ob mit oder ohne Kleidchen. Darum zog sie sich den fleckigen Stoff über ihr kleines Puppenköpfchen. Und reichte ihn der Maus. Ohne ein weiteres Piepsen verschwand diese wieder in ihrem Loch.
Die kleine Puppe hockte wieder alleine auf dem Sack. Die kalte Luft biss in ihrem Plastikkörper, während der Gesang einer Gruppe zu ihr rüber schallte. Begleitet von einem Glöckchen sangen sie über Weihnachten.
Der kleinen Puppe war es egal. Noch einmal raffte sie sich auf und suchte nach einem kleinen Menschen der dreckige und nackte Puppen haben wollte. Ihre Hoffnung war klein während sie durch die Straßen lief und der Schnee ihren Plastikkörper durchweichen wollte.
Ihre kleinen Füsse versanken leicht im frischen Schnee. Und für die kleine Puppe war es schwieriger vorwärts zu kommen. Sie schaute leicht in den Himmel der nun Grau und Wolkenbehangen war. Es würde noch lange Schneien. Doch das lockte die kleinen Menschen raus. Sie schmissen sich den Schnee gegenseitig entgegen oder formten Kugel um sie aufeinander zu stellen. Die Puppe lief von einem Menschen zu anderen. Verzweifelt streckte sie die kleinen Plastikarme aus und griff in die nassen Jeanshosen. Doch kein kleiner Mensch wollte sie haben. Nur einer griff nach ihr und hob sie hoch. Hoffnung umgab die kleine Puppe und sie lächelte den Menschen ins Gesicht. Doch er schmiss sie fort und sie landete weit weg von der Gruppe im Schnee. Sie blieb liegen. Das war doch klar gewesen. Es wollte einfach niemand eine so hässliche Puppe haben die nackt, dreckig und eiskalt war. Sie beobachtete die kleinen Menschen. Sie sprangen umher, lachten und tobten. Einige sangen Lieder über dieses Weihnachten und andere trugen die gleiche rote Mütze wie der dicke Mann mit dem weißen Bart.
Sie beobachtete die kleinen Menschen bis sie wieder in ihre Häuser gingen. Die Sonne ging unter. Sicher würden sie nachher in ihre Betten gehen, nach dem sich die kleine Puppe so sehr sehnte. Mit vielen anderen Spielzeugen würden sie sich in die warme Decke kuscheln und es würde warm und trocken sein. Doch die kleine Puppe saß alleine im kalten und nassen Schnee.
Ein schwarzer Vogel landete neben der kleinen Puppe und schaute sie mit schiefen Kopf an. Ihre Knopfaugen fixierten sie richtig.
„Was willst du?“ fragte die kleine Puppe. Der Vogel krächzte nur. Natürlich auch Vögel kannten die menschliche Sprache kaum. Doch auch wie die Maus, machte der Vogel deutlich was er wollte und nahm die Haare der kleinen Puppe in den Schnabel und zog. Er wollte also ihre braunen Haare haben. Was solls? Dachte die kleine Puppe.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben das mich jemand haben will. Wieso also sollte der Vogel nun nicht ihre Haare bekommen. Und so erlaubte die kleine Puppe den Vogel ihr die Haare auszureißen. Es tat weh als die kleinen Strähnen aus dem Plastikkopf gezogen wurden. Nun war die kleine Puppe dreckig, nackt, nass und kahl. Nur noch zwei Sökchen trug sie an ihrem Körper.
Traurig lag die kleine Puppe im Schnee. Kleine Flocken fielen auf den schmutzigen kleinen Körper und begruben sie langsam. Die Kälte biss in ihre Glieder. Doch ihr war es egal. Sie schloss ihre Augen und wünschte sich sie hätte ihren Laden nie verlassen. Dann würde die Sonne zwar ihre Farben ihres Kleides stehlen, aber sie hätte noch ein Kleidchen. Staub würde sich weiter auf ihr Haar legen, aber sie hätte ihr Haar nie verschenkt.
Es dauerte lange bis die kleine Puppe voll eingeschneit war. Nur noch die Spitzen ihrer lila Socken schauten aus dem Schnee raus. Doch es reichte um von einem kleinen Mädchen gesehen zu werden. Neugierig begann sie die kleine Puppe auszugraben. Vorsichtig befreiten ihre kleinen Finger sich vom Schnee und grosse grüne Augen bemusterten die Puppe. Diese hatte keine Hoffnung. Die kleine Puppe war zwar mittlerweile durch den Schnee nicht mehr dreckig. Aber immer noch nass, nackt und kahl. Das Mädchen würde sie nicht haben wollen.Sicher schmiss die kleine sie nun weg. Die kleine Puppe rechnete damit nun im Müll zu landen. Doch dem Mädchen war es egal das die Puppe kahl war, ihr vielem vielmehr die Augen auf. Dem Mädchen war es egal das sie nackt war. Sie hatte sicher eine Menge Kleider für sie zuhause. Und erstrecht störte es dem Mädchen nicht das sie nass war. Das war ihr einfach egal und sanft umschloss sie die kleine Puppe mit ihren Armen und nahm sie mit nach Hause.
Diese Nacht verbrachte die kleine Puppe in einem warmen Bett. Zusammen mit anderen Puppen und in einem gelben Kleidchen kuschelte sie sich an das Mädchen und sie war glücklich wie noch nie.
Denn jemand hatte dieser kleinen, schmutzigen nackten und kahlen Puppe ein zu hause geschenkt was sich alle Puppen über alles wünschte.

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Tag der Veröffentlichung: 11.03.2010

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