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Der verlorene Handschuh

Gestern habe ich meinen Handschuh verloren, den Rechten. Es ist das lilafarbene Paar Handschuhe, das mich fast den ganzen Winter über begleitet hat, das meine Hände immer schön warm gehalten und meiner dazu passenden Mütze gut zu Gesichte gestanden hat. Jetzt fehlt der eine Handschuh und liegt möglicherweise unsinnigerweise irgendwo draußen im Schnee. Dort, wo ihn keiner vermißt, vermutet, dort , wo ihn keiner braucht. Nur ich vermisse ihn und denke an die gemeinsame Zeit: Schon einmal war er mir kurz entwischt, damals in der U-Bahn, war einfach auf den Boden gefallen, ganz still und leise, so ,als wenn er schon mal einen ersten Fluchtversuch wagen wollte. Aber damals bin ich ihm zuvorgekommen, hab ihn leuchten sehen auf dem verstaubten und verdreckten Boden, hab ihn sachte abgeklopft vom Dreck und ihn genüsslich wieder über die Hand gestreift. Er war ein Teil von mir, von meiner rechten Seite. Und der andere Teil des linken Handschuhs.
Der wiederum liegt nun völlig vereinsamt und verdutzt auf meiner Fensterbank in der Küche herum und wundert sich , warum ich jetzt kein Interesse mehr an ihm habe.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Ich habe genau ein halbes Interesse an ihm, am Paar Handschuhe hängt mein ganzes Interesse. Was nützt einem ein einzelner Handschuh? Ein Linker noch dazu!
Er wird den Rest des Winters dort liegen bleiben, wenn nicht das Wunder geschieht, das einzige Wunder , das in diesem Fall Sinn macht. Ich finden den Rechten wieder!
Da draußen im Schnee. Ich werde alle Wege zurückgehen, an die ich mich erinnern kann, ich werde in alle Geschäfte ein zweites Mal gehen, um nach meinem mich so gut kleidendem, lilafarbenen Handschuh zu fragen. Es wird mir kein Weg zu weit sein.....
Sollte dieses Wunder nicht eintreten, wird der zweite, linke Handschuh im Frühjahr sein bitteres Ende erleiden. Dann, wenn die Welt draußen erwacht, wird er für immer in einer Mülltonne landen, wird sein Dasein hier beendet sein....
Während ich diese Gedanken denke, versuche ich, meinen Schreibtischstuhl, auf dem ich sitze, ein wenig zurückzurollen, aber es gelingt mir nicht, die Räder klemmen. Ich untersuche die Fahrtauglichkeit der Räder und stelle fest... mein rechter Handschuh hat sich in eines der Räder verfangen, nur noch ein Knäuel ist er...Ich entwirre ihn vorsichtig und lege ihn erleichtert neben sein zweites Ich.

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Tag der Veröffentlichung: 04.05.2012

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