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Montag:

Wir schreiben das Jahr 2030. Es ist Frühlingsanfang. Lange ist es her, als ich diese Stadt gesehen habe. Mystic Falls. Meine Heimat. Doch Erinnern konnte ich mich an fast gar nichts mehr. Schwache schwarze Flecken, die manchmal in meinen Kopf herumirren. Mehr nicht.
Langsam schritt ich durch die Stadt, die sehr verlassen schien. Ich blieb stehen und blickte nach links. Ein sehr demoliertes Schild hing über einer Tür. Ich konnte grad noch die Aufschrift “Mystic Grill“ erkennen. Der Name sagte mir etwas, doch ich wollte mich nicht anstrengen um es heraus zu bekommen.
Ich lief immer weiter. Richtung Wald, an einer Gruft vorbei. Kurz schaute ich die alten Steine, die aufgetürmt waren, an. Katherine. Daran konnte ich mich sofort erinnern. Leider.
Doch mich ließ es kalt. Seit ich Falls damals verlassen hatte, schaltete ich meine Gefühle endgültig ab. Nie wieder würde ich zulassen, dass eine Frau mich manipuliert. Nie wieder.
Ich lief immer weiter und konnte von weiten, den Umriss eines großen Hauses erkennen.
Es war mir komisch zumute und ich blieb stehen. Irgendetwas war an diesem Haus. Doch ich wollte mich nicht daran erinnern. Langsam schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf etwas ganz bestimmtes. Kurze Zeit danach war ich schon in der Luft.
Als Rabe fühlte ich mich freier. Und auch sicherer. Ich landete auf einem Ast der Nah genug war, um das Haus zu beobachten. Es schien verlassen zu sein.
Ich wartete ein wenig und hörte dann entfernt Stimmen, die näher kamen. Ein junger Mann kam aus dem Wald auf der anderen Seite und redete mit jemandem. Einer Frau, doch ich konnte sie noch nicht sehen. Sie war noch zu tief im Wald. Doch diese Stimme. Sie kam mir bekannt vor. Sehr bekannt. Und dann sah ich sie. Ihre glatten braunen Haare, die ihr über den Rücken fielen. Dieses Lächeln, das mein schwarzes Herz schlagen lies. Diese Braunen Augen, mit dem sie mich so oft angeschaut hatte. Elena. Sie war die Einzige, die ich nie vergessen konnte. Sie lief dem jungen Mann in die Arme und schaute ihn verliebt an. Stefan. Mein Bruder.
Als die Beiden im Haus verschwanden, blieb ich noch kurz auf dem Ast sitzen. Ich wollte mich noch nicht verwandeln. Nie dürften die Beiden wissen, dass ich hier bin.
Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf. Es war nun knapp 20 Jahre her, als ich Elena das letzte Mal sah. Sie müsste ausschauen wie fast 40. Doch sie war immer noch die wunderschöne junge Elena. Blutjung. Sie war ein Vampir. Stefan hatte sie tatsächlich verwandelt kurz nachdem ich Falls verlassen hatte.
Schnell flog ich davon.


Dienstag:

Die meiste Zeit, verbrachte ich als Rabe. Schaute mir jedes kleinste Detail der Stadt an. Um danach festzustellen, dass ich mich an nichts erinnern konnte. Ich flog in der früh wieder zu dem Haus. Als Elena raus kam, folgte ich ihr. Sie würde mich eh nicht bemerken.
Sie lief so elegant und schnell und es war schrecklich sie so zu sehen. Mit diesem Schicksal. Für immer wäre sie jetzt ein Monster. Mit Stefan.
Sie ging durch ein Tor. Es war ein Friedhof. Langsam flog ich ein bisschen tiefer, um sie besser zu sehen. Als sie stehen blieb, schaute sie auf einen Grabstein herab. Ich konnte nicht erkennen was darauf stand.
Ich wollte sie von nahen sehen. Einmal. Ich landete auf dem Grabstein und schaute sie an. Ihr Blick ruhte auf ihren Händen. Sie hielt ein Buch fest umklammert darin. Nach einer Weile, wanderte ihr Blick langsam rauf. Als sie mich entdeckt hatte, wurden ihre Augen größer. Aber ich war mir sicher, dass sie mich nicht erkennen würde. Kurz flatterte ich mit den Flügeln und ich sah, wie die Adern unter ihren Augen hervortraten. Sie hatte Durst. Es war unbeschreiblich sie zu sehen. Doch meine Gefühle blieben abgeschaltet. In ihren Augen funkelte für einen Sekundenbruchteil etwas auf. Schnell flog ich davon.


Mittwoch:

Ich konnte nicht aufhören an sie zu denken. Den ganzen gestrigen Abend war immer nur eines in meinem Kopf. Elena. Und ich musste sie wieder sehen. Auch wenn es nur heimlich war. Aber ich konnte nicht anders. Jahrzehnte habe ich damit verbracht, gefühllos durch die Welt zu reisen. Aber jetzt blieb mir keine Zeit mehr. Ich musste sie sehen und wenn es das letzte war, was ich jemals tun werde.
Sie war wieder auf dem Friedhof. An dem Grab ihrer Eltern. Seit Stunden hatte ich wieder meine menschliche Gestalt angenommen. Es fühlte sich realer an, wenn ich sie so beobachtete. Hinter Bäumen versteckt. Ich sah wie sie sich eine Träne von der Wange wischte. Sie war bis heute noch nicht über den Tod ihrer Eltern hinweg. Der Drang sie zu berühren und sie in den Arm zu nehmen stieg immer mehr an. Aber ich konnte es nicht tun. Sie würde zu Stefan gehen und ihm alles erzählen.
Ich drehte mich um und wollte weg gehen. Es fühlte sich nicht richtig an, sie in diesem Moment zu beobachten. Ich lief ein paar Schritte und blieb ruckartig stehen.
„Damon?“
Stille. Ich konnte nicht mehr atmen. Mein Kiefer spannte sich an. Leise hörte ich hinter mir ein paar Schritte die näher an mich traten.
„Damon, bist du das?“
Ich musste meine Augen schließen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl ihre Stimme zu hören. Wie sie meinen Namen aussprach. Wie sie mit mir sprach.
Ohne mich umzudrehen ging ich weiter. Die Schritte hinter mir wurden schneller und dann stand sie plötzlich vor mir. Ihre braunen Augen starrten direkt in meine. Sie war fassungslos.
„Das ist nicht möglich.“ Flüsterte sie leise. Ich konnte nicht sprechen. Konnte nicht aufhören sie anzuschauen.
Sie hob ihre Hand doch blieb Zentimeter vor mir stehen. Ich musste schlucken.
„Damon, sag doch was.“ Flehend schaute sie mich an.
Ich musste mich räuspern um meine Sprache wieder zu finden.
„Was soll ich sagen?“ Ich blickte auf sie herab und runzelte die Stirn. Sie sah noch immer so zerbrechlich aus. Auch wenn sie ein Vampir war.
Sie lies ihre Hand wieder sinken. „Was machst du hier? Ich dachte ich würde dich nie wieder sehen..“, ihre Stimme brach ab. Mehrere Sekunden starrten wie einander an. Beide sprachlos. Plötzlich spürte ich ihre Arme um mich. Sie vergrub ihr Gesicht an meinem Hals und streichelte mir leicht über den Rücken. Langsam hob ich meine Arme und versuchte ihre Umarmung zu erwidern. Doch es ging nicht. Zu lange habe ich sowas nicht mehr gemacht. Sie hob ihren Kopf um mich anzuschauen. Sie löste sich wieder von mir und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Damon, was ist los mit dir?“ Sie legte sich ihre flache Hand auf die Brust und schaute mich ängstlich an.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf. Ich musste weg. Sie sollte mich nicht sehen und ich hatte es wieder vermasselt. Es würde mir nun alles noch schwerer fallen. Hastig ging ich an ihr vorbei. Sie folgte mir nicht. Schaute mir nur hinterher. Plötzlich durchzuckten mich schreckliche Schmerzen. Ich blieb stehen und rieb mir an den Schläfen. Bis ich wieder ihre Arme um mich spürte. Mit fest verschlossenen Augen, hörte ich sie sprechen.
„Was ist los, Damon? Sag doch was…“
Der Schmerz verging wieder und ich richtete mich auf. Kurz rieb ich mir über die Augen und öffnete sie wieder. Elena stand mit weit aufgerissenen Augen vor mir.
„Nichts, schon gut. Hab nur..Durst. Mehr nicht.“ Ich nickte ihr zu und ging wieder weiter.
Ich wollte so schnell wie möglich weg von ihr.
„Sehen wir uns wieder?“ hörte ich sie noch rufen doch ich war schon wieder in der Luft.


Donnerstag:

„Sehen wir uns wieder?“
Immer wieder hallten ihre Worte in meinem Kopf. Ihren ängstlichen Blick. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Wie es sich angefühlt hatte, als sie ihre Arme um mich legte.
Es fühlte sich an, als würden tausende Stromschläge durch meinen Körper schießen.
Sie hatte es bestimmt schon Stefan gesagt und auf sein Gesicht konnte ich sehr gut verzichten.

Ich schaute auf den See vor mir. An einen Baum angelehnt. Seit gestern konnte ich mich an jede kleine Einzelheit von der Vergangenheit erinnern, die mit Elena zu tun hatten.
Wie sie Stefan küsste. Wie ich sie küsste…
Langsam schloss ich wieder meine Augen, bis ich spürte wie sich jemand neben mich setzte.
Ich neigte meinen Kopf und öffnete die Augen. Sie saß neben mir und schaute auf den See.
Elena sah traurig aus als sie ihren Blick langsam auf mich warf. Leicht lächelte sie mich an.
„Hey…“. Dieses Lächeln löste so viel in mir aus und ich konnte nicht anders als sie ebenso anzulächeln.
„Hey..“, sagte ich mit belegter Stimme. Sie war so schön als sie ihren Kopf an den Baumstamm lehnte um mich besser zu mustern.
„Es ist schön dich zu sehen, Damon.“, sagte sie leise und blickte mich ernst an.
Knapp nickte ich und drehte meinen Kopf wieder um auf den See zu schauen.
Nach ein paar Sekunden der Stille, sprach sie weiter.
„Ich habe Stefan nichts gesagt…“
Mein Blick fiel wieder auf sie. Sie lächelte mich an. „Und ich werde es ihm auch nicht sagen. Außer du willst es…“, fragend schaute sie mich an. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, will ich nicht…“, antwortete ich ihr ruhig und mein Blick wanderte wieder auf den See. „Ich wollte ja nicht mal , dass du mich siehst, Elena.“ Oh Gott, wie es sich anfühlte ihren Namen wieder laut auszusprechen.
„Aber warum bist du dann wieder hier?“, fragte sie mich leise.
Ich zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht.“, log ich sie an.
Leise atmete sie tief ein.
„Mit knapp vierzig Jahren, schaust du noch sehr gut aus.“, sagte ich und musste sie ironisch anlächeln.
Sie erwiderte es und ein leises lachen war zu hören.
„Danke…“. Mehr konnte sie nicht sagen. Nach ein paar Sekunden, sprach sie aber weiter.
„Ich habe mir das nicht ausgesucht, Damon. Es war nun mal der Einzige Weg..“
Die letzten Worte, waren kaum mehr als ein flüstern. Ich nickte.
„Ich habe dich vermisst.“, sagte sie leise. Ich blickte sie wieder an. Sie jedoch konnte mich nicht anschauen und spielte mit einem Stock rum.
„Weißt du eigentlich, wie oft ich mir darüber Gedanken gemacht habe, wo du steckst?“
Fragte sie mich. Ich nahm ihr den Stock aus der Hand damit sie mich anschaute.
„Elena, du wusstest, dass es irgendwann so kommen würde.“, sagte ich.
Sie nickte. Keiner wollte jetzt mehr etwas sagen. Wir schauten uns einfach nur an.
Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie bewegte sich nicht und schaute mich weiterhin an.
Ich räusperte mich. „Willst du nicht rangehen?“
Sie seufzte und holte ihr Handy aus ihrer Jackentasche. An ihrem Blick, konnte ich sofort erkennen wer am Telefon war.
„Es ist Stefan..“, sagte sie und schaute mich fragend an. Ich nickte ihr zu und sie ging ran.
„Stefan? Was ist los?“ Sie runzelte ihre Stirn und hörte zu.
„Beim, ehm Friedhof.“
Ich musste grinsen.
„Jetzt gleich?“ Sie blickte zu mir. „Ja okay, bis gleich.“
Sie legte auf und schnaufte kurz. „Damon ich muss gehen…“
Ich nickte ihr kurz zu. Sie stand auf und putzte sich mit den Händen ihren Hintern ab.
„Sehen wir uns Morgen?“, fragte sie mich hoffnungsvoll.
Ich zuckte die Schultern und schaute nach oben. Ich hatte es aber sofort wieder bereut, denn ich konnte so nicht nein sagen. Schließlich nickte ich und sie musste lächeln.
„Wieder hier? Um die gleiche Uhrzeit?“
Wieder nickte ich. „Ja, okay.“

Ich saß noch eine Weile an dem gleichen Ort und dachte nach. War es wirklich das Richtige was ich tat? So viele Fragen schossen mir durch den Kopf und ich musste mir wieder die Schläfen massieren um den Schmerz zu vertreiben.


Freitag:

Elena wartete schon als ich kam. Als sie mich bemerkte stand sie auf und grinste mich an.
„Schön dich zu sehen.“, sagte sie lächelnd. Ich erwiderte ihr Lächeln und nickte ihr kurz zu.
Wir beide wussten nicht genau was wir sagen sollten. Also schauten wir uns wieder nur an.
„Willst du hier bleiben?“ fragte sie mich schließlich.
„Mir egal. Wenn du willst.“
Sie nickte und ging ein wenig näher zu dem See um sich zu setzen. Sie blickte über ihre Schulter und schaute mich wartend an. Ich ging los und setzte mich neben sie.
„Und was hast du in den letzten Jahren gemacht?“ fragte sie mich und legte ihre Arme um ihre Knie.
Ich musste überlegen, denn ich konnte mich selbst kaum noch daran erinnern.
Ich runzelte meine Stirn. „Getötet, zerfetzt, gejagt.“ Sagte ich knapp.
Ich blickte sie an. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie mich an.
„Ich kann mich an den letzten zwanzig Jahren kaum noch erinnern.“ Fügte ich hinzu.
Sie nickte und legte sich in das Gras. Mit dem Blick auf dem Himmel begann sie zu sprechen.
„Was ist bloß geschehen, Damon?“
Ich blickte zu Boden. Ich wusste es nicht. Doch, ich wusste es schon. Und sie auch. Es war alles Stefans Schuld. Es war die gleiche Geschichte wie damals.
„Elena, ich musste einfach gehen.“, sagte ich immer noch den Blick auf dem Boden gerichtet.
„Die ganze Geschichte, hatte mir wieder Bewiesen, dass ich ohne Gefühle leben muss.“
Ich zuckte die Schultern und schaute sie wieder an.
„Es tut mir so leid.“ Flüsterte sie leise.
Ich lächelte sie leicht an. „Kein Ding, ich kenn es nicht anders.“
Sie richtete sich wieder auf und legte ihre Hand auf meinen Arm.
„Damon, es ist mein ernst. Ich wollte nie, dass es soweit kommt..“
Belustigt schüttelte ich meinen Kopf. „Elena, ich weiß es. Es ist nicht deine Schuld.“
Sie zog ihre Hand wieder zurück und stand auf. Sie lief zum Wasser und zog sich ihre Schuhe aus. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute ich sie an.
Sie grinste mich an und zuckte die Schultern. „Komm schon. Früher wärst du der Erste gewesen, der hier rein gesprungen wäre.“ Sie zwinkerte mir zu und krempelte ihre Hose hoch.
Ein paar Schritte ging sie ins Wasser und drehte sich dann um, um mich fragend anzuschauen.
„Worauf wartest du? Hallo, du bist Damon. Du musst mir jetzt sofort zeigen, wie cool du bist.“
Ich musste anfangen zu lachen. Nach so langer Zeit. Es fühlte sich so fremd an.
Ich richtete mich auf und ging ein paar Schritte auf sie zu.
„ Um cool zu sein, muss ich nicht ins Wasser, Elena. Ich muss nur atmen und du würdest mich schon cool finden.“, sagte ich und lächelte sie schief an.
Sie begann zu grinsen und nickte mir zu. „Das ist der Damon den ich kenne.“


Wir verbrachten fast den ganzen Tag zusammen. Ich begleitete sie am Abend noch ein Stück und beim Verabschieden blickte sie mich traurig an.
„Das war ein schöner Tag, Damon. Und ich will dich Morgen wieder sehen.“, sagte sie und ging dann weiter.
Ich hatte schon lange nicht mehr so viel gelacht. Immer mehr spürte ich, wie der alte Damon wieder zum Vorschein kam und sie mein schwarzes Herz zum schlagen brachte.


Samstag:

Mit Schmerzen bin ich eingeschlafen. Mit Schmerzen bin ich aufgewacht. Mit Schmerzen war ich jagen.
Doch als ich Elena am nächsten Tag sah, verging der Schmerz wieder. Wie am Vortag, trafen wir uns wieder am See. Als sie mich sah, kam sie mir grinsend entgegen und umarmte mich zur Begrüßung.
Wir liefen um den See herum und sie erzählte mir, was sie in den letzten Jahren so getrieben hatte. Wie Stefan sie verwandelt hatte, nachdem die Beiden merkten, dass Elena irgendwann älter sein würde und nicht mehr mit ihm zusammen sein konnte.
Wie sie am Anfang damit zu kämpfen hatte, ein Monster zu sein. Sie gab auch zu, dass sie manchmal heimlich nicht widerstehen konnte und Menschenblut trank. Aber nur aus der Konserve. Stefan sprach in den vergangenen Jahren kaum von mir. Nur sie machte sich still Gedanken darüber, was ich wohl machte.
„Meinst du es wäre anders gekommen, wenn…wir zusammen gekommen wären?“, fragte sie mich irgendwann, nachdem wir eine Weile still waren und uns auf die Wiese gesetzt hatten.
Lange musste ich über die Antwort nachdenken.
„Kann sein. Ich weiß es nicht. Warum denkst du darüber nach?“, fragend blickte ich sie an.
Draußen Dämmerte es schon und ich wusste, dass sie bald gehen musste.
Sie zuckte die Schultern und blickte verträumt auf den See.
„Ich weiß nicht. Diese Frage verfolgt mich seitdem ich zum Vampir geworden bin.“, sagte sie und blickte mich an. Sie musterte mich und in ihrem Blick konnte ich sowas wie Sehnsucht erkennen.
Ich atmete tief durch. „Du glaubst doch nicht, dass du dich falsch entschieden hast oder?“
Auf diese Antwort war ich wirklich gespannt.
Sie schüttelte den Kopf. „Damon, ich…“
Schnell hob ich meine Hände. „Nein, ist schon gut du musst nichts sagen.“ Wie dumm ich war und auch nur ansatzweise glauben konnte, sie könnte es bereut haben.
„Nein, ich will es erklären. Damon, ich glaube nicht das ich falsch entschieden habe. Ich liebe Stefan….“, sagte sie vorsichtig.
In mir verkrampfte sich alles und ich wusste wieder, warum ich nur noch ohne Gefühle gelebt hatte.
Schnell sprach sie weiter. „ Aber…da war immer etwas. Ich kann es nicht erklären, aber irgendetwas hat mich schon immer an dich denken lassen…bis heute. Es hat irgendwie nie aufgehört.“
Ich musste schwer schlucken. Warum musste sich die Geschichte immer wieder Wiederholen?
„Elena, lass gut sein..“, sagte ich knapp und stand auf. Ich wollte es gar nicht hören.
Ich ging ein paar Schritte und Elena folgte mir.
„Damon, bitte warte. Ich kann doch nichts für diese Gefühle…“
Sie holte mich ein und stellte sich vor mich hin. Ernst schaute sie mich an.
„Bitte…“,flüsterte sie.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen und musterte sie. Wie oft ich schon so etwas von ihr hören wollte und dann doch durch Stefan aus meinen Hoffnungen gerissen wurde.
„Elena, es ist spät. Stefan wird sich bestimmt schon langsam Gedanken machen, wo du ständig bist.“
Mit zusammengepressten Lippen starrte sie mich an und nickte dann schließlich.
Sie wollte sich gerade umdrehen, als ihr etwas ins Auge fiel. Ich merkte wie sie auf meine Schulter schaute.
„Was ist das?..“ , fragte sie und wollte gerade mit ihrer Hand die Stelle berühren.
Hastig zog ich meine Jacke zurecht und schüttelte gelassen den Kopf. „Nichts. Also geh schon…“
So wie sie an ihrer Unterlippe kaute, merkte ich, dass sie nicht nach geben wollte. Doch es war nun mal spät und sie wusste, dass Stefan sich Gedanken machen würde. Schließlich nickte sie. „Okay…Morgen wieder?“, fragte sie hoffnungsvoll.
Ich versuchte sie anzulächeln. „Ja, okay. Aber jetzt geh.“
Als ich sie nicht mehr sehen konnte, griff ich hastig an meiner Schulter. Sie schmerzte höllisch.


Sonntag:

Elena wollte heute mal etwas anderes machen und ging mit mir auf die Jagd. Naja, ich schaute ihr eher belustigt dabei zu. Es war sehr ungewöhnlich zu sehen, wie sie ein Tier angriff um es danach leer zu trinken. An ihren Bewegungen konnte ich erkennen, dass sie sehr viel von Katherine hatte. Aber zum Glück nur bei der Jagd.
Sie wollte mich wieder überreden baden zu gehen, aber ich habe dankend abgesagt. Sie verstand zwar nicht warum, aber wusste, dass sie keine Chance hatte die Wahrheit zu erfahren. Oft schaute sie mich ganz genau an, wenn sie dachte ich bemerkte es nicht. Doch ich konnte jede einzelne Bewegung die sie machte, jeden Atemzug und jeden einzelnen Herzschlag von ihr hören. Wie oft ich sie einfach nur anschauen wollte ohne etwas zu sagen. Mir ihr Gesicht für immer einprägen wollte wenn sie lächelte. Und ihren Gesichtsausdruck, wenn sie mal etwas total Trotteliges machte. All das, wollte ich nie vergessen.

Als wir bei der Dämmerung vor ihrem alten Haus standen, nahm sie meine Hand und atmete tief durch. Sie wollte gelassen wirken, doch ich wusste wie schwer ihr das alles fiel. Leicht streichelte ich mit meinen Daumen über ihre Handfläche um sie zu beruhigen. Dankend lächelte sie mich an.
„Ich hab diese Straße lange gemieden.“, sagte sie in die Stille hinein.
Ernst musterte ich sie und sah wie ihr die Tränen in den Augen stiegen.
„Wir können auch wieder gehen..“, sagte ich doch Elena schüttelte den Kopf.
„Nein, ist schon gut.“, schniefte sie.
Ich zog sie zu mir und nahm sie in den Arm. Dankend erwiderte sie die Umarmung und drückte sich eng an mich. Ich legte meinen Kopf auf ihren und streichelte ihr langsam über den Rücken.
„Danke..“, flüsterte sie leise an meiner Brust.
„Nicht dafür.“, erwiderte ich und hob meinen Kopf um sie zu mustern.
Mit meinen Daumen strich ich ihre Träne weg und sie versuchte mich an zulächeln.
Der Schmerz machte sich langsam wieder in mir breit und ich musste mich sehr zusammenreisen, da es noch nie so schlimm war wie heute. Elena musste etwas an meinem Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn sie schaute mich nun besorgt an.
„Ist alles Okay mit dir?“, fragte sie und legte ihre Hand auf meine Wange.
Ich versuchte zu nicken, doch der Schmerz wurde immer schlimmer. Schwer atmend setzte ich mich hin und kniff die Augen einen Moment zu.
„Oh mein Gott, Damon. Sag doch was…“. Sie legte ihren Arm über meine Schulter und starrte mich geschockt an.
„Ist gleich wieder vorbei..“ presste ich hervor. Nach ein paar Sekunden öffnete ich die Augen und sah wie Elena vor mir kniete und mit weit aufgerissenen Augen mich anstarrte.
„Damon, bist du krank?“, fragte sie mich ernst.
Ich zog eine Augenbraue nach oben und lächelte sie an. „Elena, seit wann können Vampire krank werden?“, fragte ich belustigt. Sie sollte nicht merken wie ich mich bemühte normal zu sein.
Unsicher zuckte sie die Schultern. „Ich weiß nicht…“. Zufrieden nickte ich ihr zu.
„Siehst du. Mit mir ist alles gut. Ich bin nur noch nicht lange in Menschengestalt. Ich war meistens ein Rabe. Mein Körper muss sich wohl erst daran gewöhnen.“, meinte ich um sie zu beruhigen.
Kurz knabberte sie wieder an ihrer Unterlippe und runzelte die Stirn. Sie wollte sicher gehen, dass ich die Wahrheit sage. „Okay, ich glaub dir.“, sagte sie schließlich.
Wie standen wieder auf und gingen weiter. In meinem Inneren schnürte sich immer mehr alles zusammen, je näher wir zu der Stelle kamen, bei der wir uns immer Verabschiedeten.
Sie nahm bei den letzten Schritten wieder meine Hand. Kurz schloss ich meine Augen um mich zusammen zureisen. Sonst würde ich sie einfach packen und küssen. Aber ich durfte es nicht.
An der Stelle angekommen, stellte sie sich vor mich hin und nahm ihre Hand aus meiner, um sie nochmals auf meiner Wange zu legen.
„Du würdest mir doch sagen, wenn etwas wäre, oder?“, fragte sie ernst.
Für ein paar Sekunden musste ich sie anschauen bevor ich ihr antworten konnte. Doch ich konnte ihr nicht antworten. Stattdessen kam ich einen Schritt näher. Wir waren nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt und ich schaute sie noch einmal genau an.
„Ich muss jetzt gehen, Elena…“, sagte ich leise und küsste sie auf die Stirn bevor sie antworten konnte. Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen. Als ich mich wieder von ihr löste legte ich meine Hand an ihre Wange und strich einmal mit meinen Daumen darüber.
Ihre Augen zeigten mir, dass sie mir nicht glaubte, dass alles in Ordnung wäre…doch sie sagte nichts. Sie hatte Angst. Und ich auch…
Langsam entfernte ich mich von ihr und blickte sie noch einmal an bevor ich mich umdrehte. „Wir sehen uns Morgen?“, rufte sie mir hinterher.
Ich merkte wie sich mein Herz zuschnürte. Ich spannte meinen Kiefer so stark wie ich nur konnte an. Ich antwortete ihr nicht mehr. Nur ein leises flüstern brachte ich noch zusammen.
„Pass auf dich auf, ja?“

Elena blieb alleine in der Dunkelheit zurück und schaute ihm noch Minuten, nachdem er weg war hinterher.

Montag:


Elena stand an diesen Morgen früher auf als sonst. Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil sie nur an Damon denken musste. Irgendetwas stimmte nicht, dass wusste sie zu hundert Prozent.
Sie wollte ein wenig alleine sein und zu dem See gehen. Stefan schlief noch und bemerkte nicht wie sie ihre Sachen packte. Für einen kurzen Moment, dachte sie sogar daran mit Damon zu verschwinden. Doch sie konnte es nicht und packte ihre Tasche nur mit ihren Laptop und ein paar Blutkonserven ein.
Leise verließ sie das Haus und machte sich auf den Weg.
Auf der Wiese konnte sie noch den Tau auf den Grashalmen spüren. Sie setzte sich auf ihre Jacke an den Baum von ihr und Damon und atmete die frische Morgenluft ein. Die Sonne ging schon auf und die Vögel zwitscherten vor sich hin. Wie gern würde sie jetzt Damon bei sich haben und sich alles von der Seele reden. Doch es war noch zu früh.
Sie nahm sich ihren Laptop aus der Tasche und schaltete ihn ein. Als er hochgefahren war, ging sie ins Internet um ihre Emails zu checken. Leicht runzelte sie die Stirn als sie sah, dass eine fremde Adresse ihr geschrieben hatte. Sie öffnete die Mail und ihr fuhr es sofort eiskalt den Rücken runter.


Elena,

wenn du das hier liest, bin ich bereits tot. Ich wollte dir nur sagen, wie schrecklich leid mir alles tut. Du hattest bemerkt, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Und du hattest recht…
ich wurde genau vor einer Woche von einem Werwolf gebissen. Und ich wusste, dass ich nicht mehr lange Zeit hätte, deswegen bin ich auch sofort nach Falls zurück gekehrt.
Elena, ich musste dich einfach noch einmal sehen. Dich noch einmal riechen, dich spüren und dich lachen sehen. Es tut mir so leid und ich will das du weißt, dass du mir die schönsten letzten Tage geschenkt hast, die ich je hätte haben können. Ich konnte es dir nicht sagen, denn ich wollte sie noch ein letztes Mal als Damon verbringen. Denn nur du bist die Person, die den echten Damon kennt. Und ich will das du weißt, dass ich dich nie vergessen konnte und auch nie vergessen werde. Egal wo oder was ich jetzt bin. Ich weiß auch, dass du zu Stefan gehörst und du nie mit mir Glücklich geworden wärst….
Elena, ich hoffe du kannst mir verzeihen, dass ich zu feige war um dir die Wahrheit zu sagen…
Versprech mit bitte nur eins, ja? Werde Glücklich und pass auf dich auf…
Ich werde dich immer Lieben. So wie ich es schon immer getan habe. Mehr als mein eigenes Leben und ich danke dir dafür, dass du mir eine Chance gegeben hast es dir zu Beweisen.


Ich werde dich nie Vergessen….
D.


Sekunden saß sie einfach nur da. Den Blick starr auf den Monitor gerichtet. Als sie begriff was sie gerade gelesen hatte, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Langsam legte sie ihre Hand auf ihren Mund. Das konnte nicht wahr sein. Leise begann sie zu schluchzen. Die erste Träne fiel ihr auf die Wange und sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Nein…“, flüsterte sie leise und schloss ihre Augen. Wieder schluchzte sie auf und beugte sich weinend nach vorne.
„Nein…“.
Sie blickte sich um und nahm sich einen Ast der neben ihr lag. Langsam hob sie sich ihn zur Brust und dachte dabei an Damon….

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Tag der Veröffentlichung: 02.06.2011

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