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Seattle, Amerika, 2008

Die Flammen stiegen immer höher, hatten bald das Podest erreicht, auf welchem er stand nur um dann an seiner Kleidung empor zu klettern. Ryan kam es so vor, als ob das Feuer ein Spiel mit ihm trieb, von dem er wusste, dass es tödlich enden würde. Er hob den Kopf, erkannte verschwommene Silhouetten durch den Rauch. Sein Mund öffnete sich, wollte nach Hilfe rufen, doch alles was seine Lippen verließ war ein heiseres Krächzen. In diesem Augenblick spürte der Brünette auch, dass die Flammen ihn erreicht hatten...

 

Keuchend und mit schnell schlagendem Herzen wachte der junge Mann in seinem Bett auf, sah sich hektisch in seinem Zimmer um, ob irgendwo Flammen an seinem Mobiliar entlang züngelten. Dem war aber nicht so, weshalb er sich mit einem Schnaufen wieder zurück fallen ließ.

Es war wieder derselbe Traum gewesen, wie die Nächte davor. Er stand auf einem Scheiterhaufen und erlebte seine letzten Momente. Was hatte es zu bedeuten, dass er diesen Alptraum seit knapp zwei Wochen jede Nacht träumte? Es gab keine Hexenverbrennungen mehr, weshalb es eigentlich keine Vision sein konnte. Das es sich aber um eine gehandelt hatte, hatte er inzwischen erkannt, da er Nacht für Nacht auf mehr Einzelheiten geachtet hatte. Aufgrund dessen hatte er sich noch etwas mehr mit seiner Familie beschäftigte, so dass heraus kam, dass einige seiner frühen Vorfahren ebenso 'Kräfte' besessen haben. Ryan selbst bekam von Zeit zu Zeit Visionen von Menschen, weshalb zuweilen ein schlimmes Ereignis verhindert werden konnte. Bei seinen Vorfahren war das aber nicht mehr möglich gewesen.

Er konnte ihnen nicht mehr helfen, außerdem war es nicht klug und zudem gefährlich, wenn man versuchte die Vergangenheit zu verändern. Egal ob es sich dabei bloß um ein kleines -unbedeutendes- Ereignis handelte, oder ob ein Menschenleben gerettet wurde. Ryan selbst hatte es noch nie getan , dennoch war er bei seinen Nachforschungen auf einige interessante wie auch haarsträubende Berichte gestoßen, welche von anderen Magiern verfasst wurden. Sie konnten als Warnung oder als Drohung angesehen werden, wobei der junge Mann nicht vor hatte, sich zu sehr in all das hier rein zuhängen. Nichtsdestotrotz musste er etwas dagegen unternehmen, da ihm diese Träume den Schlaf und somit auch die Chance auf Regeneration raubten.

Aus diesem Grund wollte er sich demnächst mit einem Universitätsprofessor treffen. Dieser hatte etwas Ahnung von der Vergangenheit, da er sich in seiner Freizeit ausschließlich damit beschäftigte, und wusste deshalb vielleicht auch ob ein Mann verbrannt wurde. War zwar nur eine Idee, das alles aufhörte, wenn es aufgeklärt war, aber immerhin besser als dumm herum zu sitzen und bloß alles wie ein Zuschauer geschehen zu lassen. Zumindest war das seine Einstellung, nicht nur auf diese Angelegenheit bezogen. Wobei die Frage blieb ob das im Endeffekt half und wenn nicht, was er dann noch für Register besaß, die er ziehen konnte. Eine Reise in die Vergangenheit wollte er ungern unternehmen, da er einerseits nicht mächtig genug dafür war, anderseits besaß er kein Wissen darüber nach was er eigentlich suchen sollte oder auch musste um das Ganze zu beenden.

Mit einem Seufzen erhob Ryan sich, da er eh nicht mehr würde schlafen können. Da konnte er genauso gut dem neuen Tag begegnen ohne sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, was ihn sowieso nicht weiter bringen würde. Zuerst aber käme eine Tasse Kaffee ohne die er kein richtiger Mensch war.

 

Das Treffen mit dem Universitätsprofessor war auf den Nachmittag des folgenden Tages gelegt, so das der Brünette den heutigen Tag ganz nach seinen Wünschen gestalten konnte, ohne andauernd auf die Uhr zu schauen um nicht zu spät zu einer Verabredung zu kommen. Er könnte sich mit seinen Fähigkeiten beschäftigen die weniger gut ausgebildet waren, da er diese, anders als seine Visionen, beeinflussen konnte. Diese musste er einfach hinnehmen, so dass Ryan diese nicht wirklich als 'weiter erlernbar' bezeichnete. Ansonsten waren seine Heilkräfte die Fähigkeit, welche am ausgeprägtesten war. Im Gegensatz zu diesen Glanzleistungen verdrängte Ryan es zumeist gerne, dass seine Telepathischen Fähigkeiten meistens lieber winkend an ihm vorbei liefen, statt zu arbeiten, was durchaus frustrierend war. Wäre er ein kleiner Junge hätte er sich vermutlich schmollend auf den Boden geworfen um so allen zu zeigen, das er beleidigt war. Leider hätte ihm das auch weniger bei dem Fakt geholfen, dass er seine potenziellen Lebensgefährten durch schauen konnte. Egal wie oft er den Versuch gestartet hatte, bei einem Liebhaber dessen wirkliche Absichten und Gefühle zu erraten, so war er doch auch genauso oft auf der Strecke geblieben und enttäuscht worden. Das aber bedeutete nicht, dass er aufgab, nein, er würde weiter suchen und irgendwann hoffentlich den Menschen finden, der zu ihm gehörte. Da er aber dennoch lieber weiterhin den Versuch unternehmen wollte ihre Gedanken zu erraten, nutzte Ryan jede Möglichkeit die sich in seiner Freizeit bot, um zu trainieren, damit er es irgendwann vielleicht doch allen beweisen konnte. So sah zumindest der theoretische Plan aus, wie die Praxis dann funktionierte stand auf einem anderen Blatt.

 

Während nun also der Kaffee durch lief, zog der Brünette sich um, stellte seine Thermoskanne auf die Anrichte und holte die Zeitung. Auffallen war dann doch nicht das, auf was Ryan aus war, obwohl es durchaus dazu führen konnte, das man jemanden kennen lernte. Aber trotzdem war es noch nie vom Nachteil gewesen sich frühzeitig um eine Tarnung zu kümmern. Da Amerikaner, trotz des Klischees sie seien exentrisch, nicht allzu begeistert davon waren, wenn sie von einem ihnen fremden Kerl angestarrt wurden. Männer fühlten sich herausgefordert, Frauen dagegen dachten, er plane sie zu vergewaltigen, was alles aber vollkommener Unsinn war. Frauen interessierten ihn nicht mal im Ansatz, was er auch wer weiß wie oft schon beteuert hatte. Bei Männern könnte er seine Hand da nicht unbedingt für ins Feuer legen.

So mit diesen Gedanken beschäftigt, füllte er sich das schwarze Gebräu in die Kanne, damit er kurz darauf seine Wohnung verlassen und sich seinem Training widmen konnte.

Der Park war noch nicht gefüllt, nur vereinzelt waren ein paar Geschäftsmänner zu sehen, welche ihre Frühstückspause wohl in der 'Natur' verbringen wollten. Doch diese paar Menschen reichten Ryan vollkommen aus, da er sich so besser konzentrieren konnte und so auch das Risiko von Kopfschmerzen ziemlich gering war. Einmal hatte er sich nämlich einer Gruppe angeschlossen, so dass das Resultat ein Migräneanfall gewesen war, der nicht von schlechten Eltern kam.

Mit einem leisen Seufzen machte es es sich auf einer Bank bequem, schaute über dem Rand seines Kaffeebechers zu einem Geschäftsmann der ein paar Meter weiter ebenso auf einer Bank Platz genommen hatte. Im Gegensatz zu Ryan blickte dieser aber stur und äußerst konzentriert auf seinen Laptop, der auf den Beinen balanciert wurde. Ein Schmunzeln schlich sich auf die Lippen des jungen Mannes. Der sah definitiv nicht schlecht aus, aber Ryan vertraute seinem Instinkt und dieser sagte ihm, das sein Gegenüber eindeutig Hetero war...schade auch. Aber deswegen war er nicht hier, weshalb er sich leise brummend sammelte und nun seine gesamte Konzentration auf sein auserkorenes Opfer richtete. Zu Beginn war dort nur eine - recht angenehme - Stille, doch je mehr er sich konzentrierte, desto mehr Gedankenfetzen drangen zu ihm durch. Irgendwelche mathematischen Formeln, die ihm bestimmt Kopfschmerzen bereitete hätten, so dass er die Übung mit einer leichten Grimasse unterbrach. Warum musste er sich auch so jemanden aussuchen? War doch irgendwie klar, dass dieser sich mit solchen Sachen beschäftigte. Dennoch spürte er nichtsdestotrotz einen Druck hinter der Stirn, wischte sich kurz über die Nase, doch wieder erwarten hatte er kein Nasenbluten, was ihn doch zum Lächeln brachte. Nicht, dass der Druck alleine nicht schon genügte, aber normalerweise traten diese Symptome nur gemeinsam auf. In solchen Momenten wünschte er sich einfach, lieber Gedanken lesen zu können, anstatt die Visionen von einem Verbrechen zu sehen. Gut, so konnte er schon vielen Helfen, aber was brachte es ihm? Bisher hatten seine Fähigkeiten nur bei völlig Fremden reagiert, aber nie in solchen Augenblicken wo er selbst Hilfe bedurfte.

Ryan hob den Kopf an als es plötzlich laut hinter ihm wurde, da eine Gruppe von Schülern lautstark kund tat, dass das Stück Wiese hinter ihm ihr bevorzugter Ruheplatz war. Mit einem verdrehen der Augen räumte der Brünette den Platz, entschied sich stattdessen den Rest des Tages auszuspannen.

 

 

2

Tacoma

 

Der Tag begann wie jeder andere auch. Nur mal davon abgesehen, dass er in seinen Freistunden nicht wie gewöhnlich seine Arbeiten kontrollieren konnte, sondern einen anderen Professor in Geschichte vertreten musste. Das war zwar nicht sein Fachbereich, aber das Grundwissen besaß Lucien schon, weshalb es für die Unterstufe ausreichen sollte. Also würde dieser Tag, bis auf diese Ausnahme; so wie das Treffen am Nachmittag, alles so ablaufen wie der Dunkelblonde es gewohnt war. Das war gut, denn das bedeutete weniger Stress, der wiederum nicht gut für den menschlichen Körper war.

So genoss der Mann nun erst mal seine Tasse Kaffee, während er seine Arbeitsblätter für den Tag zusammenstellte. Dennoch wanderten seine Gedanken immer wieder zu dem Treffen ab. Es hatte dringlich geklungen, zumindest wenn Lucien nach der Wortwahl ging. Ob das bloß ein Student von einer anderen Uni war, welcher nur ein paar Fragen vor einer Klausur beantwortet haben wollte? Möglich, aber soweit er informiert war gehörte das Thema 'Hexenverbrennung' nicht zu den Prüfungsthemen.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten was der andere Mann von ihm wollte. So richtete er seinen Blick auf seine Vertretungsstunden, ober besser, die Aufgaben welche er mit den Schülern bearbeiten musste. Das war zwar nur ein Grundkurs, aber trotzdem nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. War das bei ihm damals auch so gewesen? Die Themen kamen dem dunkelblonden Mann vage bekannt vor. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen schüttelte der junge Mann den Kopf. Warum machte er sich Gedanken darüber? Er war dafür da um den Studenten die Aufgaben zu geben und mögliche Verständigungsfragen zu beantworten, nicht aber um die Aufgaben für diese zu machen.

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Bildmaterialien: BookRix
Tag der Veröffentlichung: 11.06.2014

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