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Januar bis Oktober 2007 oder Was vorher geschah



In einem Anfall von Abenteuerlust und Neugier auf das Unbekannte - oder doch eher Übermut und Masochismus – haben Tanja und ich uns Anfang 2007 dazu entschlossen, das Reich der Mitte zu besuchen. Meine Oma kommentierte unser Reiseziel trocken mit den folgenden Worten: Was wollt ihr denn in China? Chinesen könnt ihr doch auch im Fernsehen gucken!

Die ersten Schritte in Richtung China-Urlaub wurden sofort –vielleicht um einem frühzeitigen Rückzug zuvor zukommen - erledigt: ein Flug ab Frankfurt gebucht, diverse Reiseführer gekauft, die ersten beiden Übernachtungen in Peking reserviert, und das war’s dann auch schon fast. Schnell waren wir uns einig, dass das Land zu gross ist, um alles vorab zu planen. Wie sollten wir auch mittels der Reiseführer entscheiden, welche Touri-Spots die 6 bis 10 stündigen Busfahrten rechtfertigen? Nee, nee, das entscheiden wir lieber vor Ort!

Die weiteren Vorbereitungen auf die Reise bestanden dann in erster Linie in Tanjas Impfungen und dem Durchblättern eines Buches, das den Urlauber mit der Geschichte Chinas vertraut machen und auf die kulturellen Unterschiede hinweisen möchte. OK, die Chinesen schnäuzen sich nicht ihre Nasen mit einem Taschentuch sondern rotzen lieber auf die Strasse – aber so schlimm kann das doch auch nicht sein. Das war der erste Gedankenfehler – live ist es sogar noch viel schlimmer!

Vier Wochen vor dem Abflug wurde es noch einmal stressig: Wo kriegen wir ein Visum her? Warum habe ich mir immer noch keine Wanderschuhe gekauft? Brauche ich vielleicht doch noch eine neue Jacke? Glücklicherweise konnte Jack Wolfskin beim Lösen der beiden letzten Fragen helfen. Dank diverser Internetanbieter verlief auch die Beschaffung des Visums problemlos. Fast hätte ich eine “weitere Reisevorbereitung” vergessen: Kontaktaufnahme mit Richard - doch dazu später mehr.


03. und 4.10. oder Die Anreise



Meine Anreise beginnt eigentlich schon am Abend des dritten Oktobers, da ich erst einmal von Almere nach Ratheim fahren musste. Wegen des Bahnstreiks, der dann doch mal wieder ausfiel, wollte ich natürlich kein Risiko eingehen und fuhr also schon am Vorabend des Fluges nach Deutschland.

Als meine Mutter mich am nächsten morgen verabschiedete und mir sagte, ich solle Tanja doch auch noch herzlichen grüssen, fiel ihr beim Namen “Tanja” ein, dass sie noch eine Flasche Sekt für uns kalt gestellt hatte.

Zur unwirklichen Zeit von 6:59 sass ich dann samt Backpack, kleinem Rucksack, Sekt und Pappbechern im Zug Richtung Düsseldorf. Von dort ging es dann für Tanja und mich mit dem ICE und 17 Minuten Verspätung nach Frankfurt zum Flughafen. Nach Check-In und Gepäckabgabe (ich verstehe immer noch nicht, warum mein Rucksack schwerer war – ich hatte doch viel weniger dabei!) haben wir uns dann den Sekt vorgeknöpft. Leicht angeheitert und mit roten Wangen ging es dann durch den Sicherheitscheck in den Wartebereich. Hier haben wir uns dann noch zwei herrliche Stücke Kuchen geteilt, etwas extrem schokoladiges sowie eine “Oreo-Torte”. Ob das vielleicht schon ein Omen war?

Das Flugzeug, das ziemlich pünktlich um kurz vor drei Uhr nachmittags Richtung Peking startete, entpuppte sich als wahrer Glücksfall! Jeder Sitz verfügte über sein eigenes Entertainment-Center. Wir hatten nicht nur die Auswahl zwischen geschätzten 100 Filmen und Serien, nein, das persönliche Entertainment-Center verfügte auch über diverse Computerspiele. So abgelenkt haben wir uns auch kaum an den beiden plärrenden Blagen gestört, die ihren Unmut über den langen Flug beinah die gesamte Zeit über lautstark kundtaten. Wir wunderten uns lediglich etwas darüber, dass ein erwachsener Mann, der selber Thilo heisst, seinen kleinen Sohn Friedrich nennt.


05.10. oder Wo ist unser Hotel?



Gegen 6:30 sind wir gelandet und mit uns ca 1.000 Liter Wasser pro Minute; es hat in Ströhmen geregnet. Dummerweise bekamen wir auch keine Brücke, so dass wir im Regen über das Rollfeld zum Bus gehen mussten.

Die Abwicklung am Flughafen verlief erstaunlich schnell. Wir mussten zwar noch ein paar Formulare ausfüllen (Wieso hat man uns diese nicht eigentlich schon im Flugzeug gegeben? Nicht, dass wir während des achtstündigen Fluges keine Zeit gehabt hätten…), aber die eigentliche Passkontrolle verlief recht zügig. Entgegen der Vorgabe der meisten Länder, in denen die Passkontrolleure alle Einreisenden wie potenzielle Verbrecher behandeln und bemüht sind, ausgesprochen rüde und autoritär zu wirken, haben die chinesischen Kontrolleure den Auftrag, sich von ihrer freundlichen Seite zu zeigen. Ganz Überwachungsstaat folgt die Beurteilung prompt. Per Knopfdruck auf einen lachenden oder bösen Smiley entscheidet der unwissende Tourist wahrscheinlich über das weitere Leben des emsigen chinesischen Grenzbeamten.

Etwa eine Stunde nach der Landung befanden wir uns dann auch schon im Taxi. Tanja hatte glücklicherweise die Bestätigung des Hotels auch in chinesischen Schriftzeichen ausgedruckt und so sollte unserer zügigen Ankunft eigentlich nichts entgegenstehen. Der Taxifahrer hat uns aber scheinbar mit irgendwelchen berühmten Persönlichkeiten verwechselt und mit grösster Selbstverständlichkeit vor dem “Beijing International” abgesetzt. Wie wir später erfahren haben, ist dieses Hotel eine der ersten Adressen in Peking und wird auch gern von Parteigenossen und ausländischen Staatsgästen genutzt. Wir wurden auch standesgemäss empfangen, schicke “Bell-Boys” mit weissen Handschuhen öffneten die Autotür, holten unsere Backpacks aus dem Kofferraum und waren wahrscheinlich etwas erstaunt, als wir uns sofort wieder von ihnen verabschiedeten.

Nach einigem hin und her, Fragen und Erklärungen mit Händen und Füssen haben wir unser Hotel in der Wang Fuji Road schliesslich doch noch gefunden. Mittlerweile war es etwa 9 Uhr und die “Entertainment-Nacht” rächte sich, vielleicht meldete sich ja auch nur der Jetlag zu Wort, jedenfalls schliefen wir bis ca 14:00 Uhr.

Danach ging es ein wenig auf Entdeckungstour. Da sich diese Tour auf die nähere Umgebung konzentrierte, haben wir vor allem Shoppingcenter, Olympia-Stores und Baustellen gesehen. Auf einer Bank in der Fussgängerzone haben wir eine halbe Ewigkeit lang gesessen und exzessives “People Watching” betrieben. Diese Beobachtung beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Wie Tanja später noch feststellen sollte, waren die Chinesen besonders von ihr fasziniert und starrten sie gerne und ungeniert an.
Die Strasse von der Fussgängerzone zu unserem Hotel glich ab dem Nachmittag einer einzigen Fressmeile.

In dutzenden kleinen Marktständen mit rotweissgestreiften Stoffdächern wurden die unterschiedlichsten, frittierten Nahrungsmittel angeboten: die Auswahl reichte von durchaus appetitlichen Spiessen mit Fleisch oder Calamaris über Seepferdchen und Skorpione bis hin zu etwas, dass wie als Made definierten. Obst, Wan Tans und Nudelsüppchen komplettierten das Angebot. Für den Magen ungeübter Europäer stellen allerdings die Gerüche auf diesen Märkten schon eine grössere Herausforderung dar.

Nicht nur deshalb suchten wir an diesem Abend ein “gehobenes Restaurant” auf. Ein voller Erfolg!! In der unteren Etage eines chinesischen Restaurants speisten wir wie die Könige! Alle Gerichte auf der Karte kosteten nur ein oder zwei Euro. In unserer Vorstellung mussten das daher recht kleine Portionen sein. Ausgehungert wie junge Löwen bestellten wir daher wie die Weltmeister und bekamen riesige Portionen: Chicken Chili, Schweinefleisch mit Pflaumen, Nudeln mit Gemüse, Rinderstreifen, … Und das alles inklusive zwei Flaschen Bier für etwa 10 Euro! Satt und zufrieden sind wir nach diesem Festschmaus dann ins Hotel gerollt.


6.10. oder Die Touri-Tour



Typisch deutsch warteten wir pünktlich ab 7:30 im Foyer des Hotels auf unseren Bus zur “Ming Tomb & Great Wall Tour”. Mit ‘ner halben Stunde Verspätung kam der kleine Bus, der vorher schon eine russische Mutter mit fettigen Haaren und Tochter, einen halbglatzköpfigen äusserst unattraktiven Franzosen mit “gekaufter” chinesischer Freundin und Backpacker abgeholt hat, an. Am nächsten Halt warteten wir dann etwa 45 Minuten auf 4 Norweger und eine kleine dumme Chinesin, die sich verschlafen hatten. Anschliessend wurden noch eine Kanadierin (“best cookie ever”) sowie eine Französin, die beide in London (best city ever) lebten, aufgesammelt.

Der heftige Regen, der während der Fahrt niederprasselte, legte sich glücklicherweise als wir die “Ming Tombs” erreichten. So besichtigten wir die Grabstätte eines Emperors und seiner beiden Frauen im Nebel. Kevin, unser chinesische Guide, erklärte brav die Bedeutung der verschiedenen Gebäude, liess uns für ein langes Leben eine Schildkröte streicheln (Tanja wollte es genau wissen und küsste dieses Bazillenmutterschiff),

und wies uns darauf hin, das wir ein bestimmtes Tor nur von einer Seite durchschreiten dürfen. Dieses Tor trennt nämlich Dies-und Jenseits voneinander. Würden wir vergessen, auf dem Rückweg durch dieses Tor zu gehen, so bliebe unsere Seele im Jenseits. Tanja war so leichtsinnig und Durchschritt das Tor zeitgleich mit der durchgeknallten chinesischen Freundin des hässlichen Franzosen. Ich muss gestehen, dass ich doch Angst hatte, Tanjas Seele hätte sich mit der chinesischen vermischt. Nach ein paar Tagen kritischer Beobachtung erwies sich diese Angst jedoch als unbegründet. (Gott sei Dank!)

Nach den Ming Tombs folgten die beiden nächsten Höhepunkte der Tour: governmental shops! Wir wollten natürlich schon immer erfahren, wie kleine Elefanten in grüne Jade-Steine geschnitzt werden oder dass auch während der Arbeit an feinster chinesischer Keramik fleissig auf den Boden gerotzt werden darf. Hier bekamen wir dann auch unser reichhaltiges Mittagessen, zur Auswahl gehörte unter anderem wieder “Chicken Chili”, das die Kanadierin direkt mit einem “best chicken ever” kommentierte, sowie ein kompletter Fisch, an den sich nur die Französin gewagt hat. Naja, von einem Volk, das auch Frösche frisst, war ja eigentlich nichts anderes zu erwarten. Ausser Essen und sagenhaften Shoppingmöglichkeiten bieten diese governmental shops den Touristen auch die Gelegenheit, Bekanntschaft mit den sanitären Anlagen zu machen. Hier stellt sich einem doch unwillkürlich die Frage, warum die Chinesen, nachdem sie die erste Toilette mit Wasserspülung erfunden haben, diese Erfindung nicht auch in ihrem eigenen Land anwenden!

Gestärkt vom Mittagessen, konnten wir am Nachmittag dann etwa 2 Stunden lang auf der grossen Mauer “treppenwandern”. Die Millionen Stufen in unterschiedlichen Höhen sowie das mittlerweile schwülwarme Wetter (gut, das im Reiseführer steht, es wehe hier ein kalter Wind und man solle dementsprechend warm gekleidet sein) stellten eine ganz schöne Herausforderung dar. An einem der kleinen Aussichtstürme angekommen, belohnte die Aussicht uns dann für die Mühen. Ganz nüchtern und emotionslos betrachtet: dieses Bauwerk, dass sich scheinbar endlos über die grünen Hügel schlängelt, ist beeindruckend. Wie wir uns schon ganz zu Anfang unserer Reiseplanungen vorgenommen hatten, machten wir bzw. eine Chinesin ein Bild von uns mit Mauer und Deutschlandfahne! Anschliessend wurden wir dann noch zum Motiv – die Chinesin machte Bilder von uns, allerdings ohne Fahne.

Die Rückfahrt nutzte Kevin, um uns die olympischen Stätten zu zeigen: Vogelnest und Schwimmstadion sowie eine Baustelle, die im nächsten Jahr das olympische Dorf sein wird. Vielleicht war Olympia jedoch nur ein Vorwand für diesen Umweg, der uns zu einem weiteren governmental shop führte. Hier lernten wir alles über die Seidenherstellung. Die Französin kaufte tatsächlich ein Decke (best quality ever), aber das eigentlich Drama und Highlight des Tages

spielte sich vor den Toren der Seidenfabrik und somit leider ausserhalb unseres Blickfeldes, ab: die gekaufte Chinesin schlug ihrem französischen Zuhälter zweimal ins Gesicht und lief davon! Während der Franzose und Kevin sich auf die Suche nach ihr machten, brachte uns der Bus zum nächsten governmental shop, wo wir an einer Tee-Zeremonie teilnehmen konnten. Unsere kanadische Freundin war – wie immer - begeistert “best tea ever” und Tanja war begeistert von ihrem persönlichem Highlight des Tages, den Augen des Norwegers (auweia – nicht das der Basti, von dem ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts weiss, das jetzt falsch versteht). Als die Chinesin wieder eingefangen war (ob der Franzose noch Umtauschrecht hat?), ging’s zurück und für Tanja und mich stand ein weiteres Abenteuer auf dem Programm: Zugtickets kaufen.

Diese scheinbar so simple Tätigkeit wird etwas komplizierter, wenn ca 100.000 Chinesen (wir befanden uns noch in der “golden week”, in der Halbchina Urlaub macht) dieselbe Idee haben. In Anbetracht der Menschenmassen und des Chaos am Hauptbahnhof hatte Tanja die richtige Idee: erst mal ‘was essen gehen. Nachdem wir in einem ekligem laufwarmen Nahrungsbrei herumgestochert haben, starteten wir den zweiten Versuch im Projekt “Ticketkauf”. Gut vorbereitet konnten wir auf die richtigen chinesischen Zeichen im Lonley Planet zeigen und ergatterten so zwei Plätze “Hardsleeper” nach Datong für den nächsten morgen. Unfassbar stolz sind wir dann mit der U-Bahn zurück zum Hotel gefahren. Hier haben wir auch zum ersten Mal mit drängelnden Chinesen Bekanntschaft gemacht. Drängeln und schubsen ist eine Eigenart der Chinesen, die wir in Shanghai schnell zu perfektionieren wussten.


7.10. oder Allein unter Chinesen



Am morgen gab es die ersten Anzeichen des Lagerkollers, ein paar böse Worte sind beim Versuch, dem Taxifahrer zu erklären, dass wir nach Beijing Station West wollen, gefallen. An dem beeindruckendem Bahnhofsgebäude angekommen, war jedoch alles wieder gut. Um zu verhindern, dass sich die Chinesen bei der Einfahrt des Zuges gegenseitig auf die Gleise schubsen, werden die Menschen erst auf den Bahnsteig gelassen, wenn der Zug schon eingefahren ist. Die Tatsache, dass überwiegend Tickets mit Sitzreservierung ver-kauft werden, trägt auch dazu bei, die Drängelei abzumildern. Wegen unserer eher bescheidenen Kenntnisse der chinesischen Sprache haben wir es uns zunächst auf den beiden unteren Pritschen unseres Abteils bequem gemacht. Nach kurzer Zeit mussten wir diese jedoch aufgeben, irgendein Symbol auf unseren Tickets besagte wohl, dass wir die mittleren Pritschen gebucht hatten. Wir kletterten dann mehr oder minder geschickt auf die Pritschen der zweiten Etage. Eingerahmt von den beiden Chinesen über uns, denen unter uns und den ca 1.000 anderen in diesem Zug, waren wir beiden als einzige westliche Menschen weit und breit die grösste Sensation!


So dösten wir dann gemütlich vor uns hin, beobachteten die vorbeirauschende Landschaft und die Schaffner, die regelmässig einen kleinen Verkaufskarren voller Obst und Instantsuppen den Gang entlang schoben, lauschten dem IPod und begannen uns mit folgendem Problem zu beschäftigen: “Ich muss mal!” Entgegen aller Erwartung war Tanja, diejenige, die jenes Problem als erstes lösen musste. Mit ihrem guten Rat, sich während der Problemlösung durch den eigenen Gesang abzulenken, machte ich mich als zweites auf den Weg. Unmittelbar bevor ich die Toilettentür rechts von mir öffnete, machte ich jedoch einen grossen Fehler! Ich schaute nach links: Meine Augen sahen diese tiefe landestypische Toilette, die eigentlich nur ein Loch im Boden des Zuges ist, und – zwei braune Chinesenköttel! Schnell flüchtete ich in die andere Toilette, vergass vor Schreck zu singen und war heilfroh, als ich diesen Ort nach kürzester Zeit wieder verlassen konnte.

Gefühlte 20 Stunden später sind wir schliesslich in Datong angekommen. Am Bahnhof sind wir direkt von CITS (chinese international tourisme service oder so ähnlich) abgefangen worden. Wir haben ein Hotel in Bahnhofsnähe und die Höhlen- Klostertour für den nächsten Tag gebucht. Da wir ja den gesamten Tag über ausser Oreos (Kekse) nicht viel gegessen hatten, wollten wir uns am Abend etwas richtig Gutes gönnen. Im Lonley Planet haben wir dann auch gelesen, dass das beste Restaurant der gesamten Provinz Shanxi (ca. 80 Mio. Einwohner) in Datong zu finden ist. Also, ab ins Taxi und dann zum Fresspalast. Der unglaublich hohe und verspiegelte Speisesaal hat uns zunächst so eingeschüchtert, dass wir - in modischen Tracking-Klamotten und mit neu gekauftem Olympia-Käppi - erst einmal einen Blick in die Speisekarte werfen wollten. Mit der Gewissheit, dass dieser Edelschuppen in unserem Budget liegt, haben wir dann die Karte ‘rauf und ‘runter bestellt: Spicy Chicken, knusprige Ente, Karnickel-Beine, Gemüse, Reis, scharfe Nudeln und Bier. Die fünf bis zehn Kellner, die sich ausser um uns nur noch um einen weiteren Tisch kümmern mussten, wichen kaum von unserer Seite.

Jede unserer geschickten Bewegungen mit den Ess-Stäbchen wurde genauestens begutachtet. Nachdem wir die knapp 10 Euro für unser Essen gezahlt hatten, sind wir mit dem Taxi wieder zurück Richtung Hotel gefahren.

Da es mittlerweile mit ca null Grad recht kalt war, beschlossen wir, wenigsten Strumpfhosen zu kaufen. Den fehlenden Sprachkenntnissen verdanken wir dann auch das Highlight des Tages

: Ich könnte mich immer noch kugeln vor lachen, wenn ich daran denke, wie Tanja den drei verdutzten Verkäuferinnen in dem Kiosk pantomimisch erklärte, dass wir Strumpfhosen kaufen möchten.

Auf dem Weg ins Hotel erblickten wir dann etwas, das aussah wie der Pariser Eiffelturm, nur etwas kleiner und dafür kitschig bunt beleuchtet. Neugierig wollten wir natürlich wissen, was das ist oder ob sich vielleicht eine Disko hinter dieser Reklame verbirgt. Nun ja, ‘ne Disco war’s nicht, dafür das Gebäude der Polizei!


8.10. oder Dragon, no real animal



Nach einer kalten (kaputtes Fenster) und lauten (tutende Züge) Nacht mit nichts als einem Reiskissen für unsere verwöhnten Köpfchen sind wir dann mit einer kleinen gemischten (Chinesen und zivilisierte Menschen) Gruppe zu den hängenden Klöstern gefahren. Diese wurden irgendwann vor lange Zeit an einem Felsen angebracht, mit dem Ziel das Land vor Überschwemmungen zu schützen. Da man damals nicht genau wusste, wer denn eigentlich das Wasser beherrschte, wurde das Kloster allen drei wichtigen Religionen jener Zeit gewidmet. Daher sitzen Buddha, Konfuzius und noch ein Kollege friedlich nebeneinander. Das hat aber auch nix genutzt, Anfang der 80er kam dann noch der Gott “Staudamm” hinzu und das Problem war gelöst. Diese hübsch herausgeputzte Sehenswürdigkeit steht im krassen Gegensatz zur Landschaft, die sie umgibt. Zitat Tanja: “Hier sieht’s aus, als wäre jeder Zentimeter Erde mindestens einmal umgebuddelt”.

Nach einem Mittagessen mit dem obligatorischem Chicken Chili sind wir weiter durch diese Mondlandschaft (gibt es hier eigentlich keine Bäume?) zu den Yungang Caves gefahren. Hinter mir im Bus sass übrigens ein Chinese, der seine Schuhe ausgezogen hat. Dem Geruch nach, hat er seine Socken so lange nicht gewechselt, dass diese mittlerweile schon an den Füssen festgewachsen waren!

Um die Yungang Caves zu erschaffen, haben 40.000 Chinesen 60 Jahre lang mehr als 50.000 Buddha-Statuen aus den Steinen gekloppt. Die grösste ist 17 m hoch! Da stellt man sich doch unwillkürlich die Frage: Warum macht man so etwas? Oder: Wieso baut man statt dessen nicht einfach Toiletten mit funktionierender Wasserspülung? Womit wir auch schon wieder beim Thema wären: Hier gab es zwei Sorten Toiletten: die üblichen Löcher im Boden (kostenlos, daher stark frequentiert und nicht zu empfehlen) und eine Art Toilettenwagen. Für eine Einheit chinesisches Geld konnte man sich in einer Mülltüte die in der westeuropäisch anmutenden Toilette befestigt ist, erleichtern. Nur gut, dass es so kalt war und die Geruchsentwicklung somit leicht gehemmt wurde. Trotzdem, Toilettentütentauscher ist auch einer der Berufe auf den ich dankbar verzichte!


Unser Guide auf dieser Tour konnte – ganz im Gegensatz zur zierlichen Erscheinung – ausgesprochen energisch werden: wie eine strenge Lehrerin achtete sie darauf, dass man die von ihr beschriebenen Höhlengemälde auch wirklich sieht. Reagierte man auf ihr “you see?” nicht schnell und glaubwürdig genug, konnte es passieren, dass sie einem so lange am eigenem Arm und Zeigefinger zog, bis man wirklich alles entdeckt hatte. Von ihr lernten wir dann auch, dass es Drachen in Wirklichkeit gar nicht gibt: “dragon, no real animal”.

Am Abend haben wir noch einen Supermarkt gefunden. Endlich konnten wir uns wieder mit Oreos eindecken, stolz feststellen, dass es “Johnson’s Baby” auch kurz vor der Mongolei noch gibt und lange Unterwäsche sowie eine Wärmflasche kaufen. An den Kassen angekommen sahen wir dann noch, wie eine Kassiererin versuchte, ihren chinesischen Kunden wegzuschicken, damit sie uns bedienen konnte.

Da wir ja nun schon geschätzte 25 mal Chicken Chili und Reis hatten, gab es heute Abend leckere Burger und Pommes (!) in einer chinesischen Fastfood-Kette. Hier begegneten wir auch wieder unseren beiden Highlights des Tages

: Die zwei Italiener, die auch an der Kloster- Cavetour teilgenommen hatten. In ihren Turnschuhen und Lederjacken mit dem Lonley Planet in der KFC-Tüte, wirkten die beiden, als hätten sie sich verlaufen und wollten eigentlich zum Schiefen Turm von Pisa.


9.10. oder Das idyllische Bergdorf Wutai Shan



Nach den beiden Nächten in dem Hotel “Kategorie einfach” haben wir uns wie doof auf Wutai Shan gefreut. Im Reiseführer wird dieses Dorf in den schönsten Farben angepriesen: idyllisch und ruhig, traumhafte Ausblicke auf die Berge und die ca. 100 Klöster, ein China wie vor tausenden Jahren…. Wie haben wir uns auf unser Luxusfünfsternewellnesshotel gefreut. Heute nachmittag werden wir schon im Whirlpool liegen und anschliessend bei einer Massage entspannen.

Mit diesen Plänen im Hinterkopf hab ich mir die morgendliche Dusche in dem Siffbad dann auch geschenkt. Jetzt mussten wir nur noch die etwa fünfstündige Busfahrt überleben. Im Nachhinein betrachtet war dieser Reisebus richtig schick, modern und vor allen Dingen sauber! Von der chinesischen Busbegleiterin bekam jeder eine kleine Mülltüte ausgehändigt und sogar die Rückenlehnen konnten wir verstellen. Aber selbst das modernste Fahrzeug muss den Strassenverhältnissen Tribut zollen und sorgt so ganz nebenbei für grossen Spass und heftige Lachanfälle. Wir nahmen eine Abkürzung über einen Acker - “Acker” ist in diesem Fall keine Metapher sondern wörtlich zu nehmen. Der Bus schwankte dabei so stark hin und her, dass jede A-Klasse sicherlich umgekippt wäre. Mit geschlossenen Augen hätte man denken können, man wäre in einer Eselskarre unterwegs.

Wie der kundige Leser sicherlich schon bemerkt hat, das “Tai” in Wu Tai Shan steht für “Berg”. Das wir also immer weiter in die Berge hinein oder hinauf fuhren, sorgte schliesslich für einen Nervenkitzel, auf den Tanja sicherlich gerne verzichtet hätte: Mit Vollgas ging es über buckelige Strassen und durch enge Kurven. Überholmanöver, während links ein steiler Abhang und rechts ein drohender Fels die Strassen säumten. Freispazierende Kühe stellten weitere Hindernisse in dieser schönen und reizvollen Landschaft dar. Irgendwo in der Pampa an einer besonders schönen Stellen, die von den Chinesen mit einem weissen Torbogen mitten im Nichts markiert wurde, gab es auch einen kurzen Stop für das obligatorische Foto-Shooting. Wäre es hier nicht mit gefühlten minus 25 Grad so schweinekalt gewesen, hätten wir sicherlich noch mehr Fotos geschossen.


Dann wurde die Reise ein zweites Mal unterbrochen. Dieses Mal befand sich mit im Nichts eine Art Mautstation, an der dann auch jeder Tourist eine Art Eintritt zum Wu Tai Shan zahlen musste. Der Preis war echt gepfeffert und gesalzen und das kanadische Pärchen, das mit uns im Bus unterwegs war, hat wahrscheinlich direkt begonnen, sein komplettes Reisebudget neu zu berechnen…. Ich muss gestehen, dass ich mich über diese Wegelagerei auch etwas geärgert habe, vor allem aber, hat sich meine Erwartungshaltung weiter erhöht.

Und auf einmal waren wir dann tatsächlich da! Das Dorf schien aus einer einzigen Hauptverkehrsstrasse zu bestehen und mitten auf dieser Strasse hat uns der Bus einfach ausgespuckt.


Halt! Nein, hier muss ein Fehler unterlaufen sein! Im Reiseführer ist doch von einem malerischem Bergdorf die Rede! Aber es kam noch dicker! Unser wunderschönes Luxushotel gab es nicht mehr, falls es überhaupt jemals existierte. Stattdessen wollte uns eine äusserst hilfsbereite oder doch mega-aufdringliche Dame in ein Low-Categorie-Backpack-Hostel locken. Nach einigem hin und her haben wir uns dann schließlich zu einem etwas netterem Hotel führen lassen. Dummerweise mussten wir dafür über eine Art Kopfsteinpflaster gehen. Wer mich kennt, weiss, was jetzt passiert ist: ich habe mich erstmal lang gemacht. Das sah dann etwa so aus (horizontal von unten nach oben): Strasse, Rucksack, Simone, Rucksack, Luft, ein paar Köpfe, die auf mich runter gucken, Luft und Himmel.

Im Hotel angekommen, hat sich Tanja eine kurze Auszeit gegönnt, während ich verzweifelt die schönen Ecken des Dorfes gesucht habe. Ok, das mit den hunderten Klöstern stimmte, überall waren Mönche unterwegs, mehr noch hat mich jedoch der kleine Markt beeindruckt: zum Warenangebot gehörten unter anderem Schäferhundfelle. Naja, muss ja nicht immer der Eisbär dran glauben, wenn man mal vor dem Kamin kuscheln will.

Nachdem unser Hauptnahrungsmittel der letzten beiden Tage Oreos waren, wollten wir uns abends doch wieder ein richtig nettes Essen gönnen. Direkt neben unserem Hotel gab es dann auch ein schickes Restaurant. Durch die erleuchteten Fenster sahen wir europäische Gesichte, eine Reisegruppe, die an grossen Runden Tischen zusammen vergnügt speiste. Hier scheint man den Umgang mit Touristen gewöhnt zu sein, Abenteuer hatten wir erst mal genug, also ab in den Laden. Seltsamerweise durften wir aber nicht in dem schönen Speisesaal sitzen, sondern wurden in einen kleineren Raum geführt. Hier standen ausser unserem noch drei weitere Tische, an denen sehr bald Chinesen ihr essen in sich ‘reinschlingen sollten. Obwohl wir als erstes da waren, bekamen wir unser Essen zu letzt und auch dann nur etappenweise. Der Service war richtig mies, das Essen war nicht gut und wir haben – verhältnismässig – viel zu viel bezahlt. Ich war richtig sauer (Achtung, Highlight des Tages

), wie gesagt, ich war richtig sauer und sagte dann zu Tanja: “Ich würden denen hier am liebsten auf den Tisch rotzen.” Aber statt Tanja antwortete einer der Chinesen akzentfrei: ”Ach, sind sie auch Deutsche?” Während ich dann noch das Loch im Boden zum Verschwinden gesucht habe, fing Tanja an sich lustig mit dem Komiker zu unterhalten. Er war deutsch-chinesischer Reiseleiter der Gruppe, die im Restaurant speisen durfte.


10.10. oder Auf zum heiligen Berg



Endlich mal Ausschlafen! So gegen halb elf haben wir uns dann fit genug gefüllt, um aus dem Bett zu rollen und dann festzustellen, dass die Dusche lediglich über kaltes Wasser verfügte. Egal, da wir nicht davon ausgingen ein besseres oder wenigstens vergleichbares Hotel in dieser Stadt zu finden, haben wir dann noch ‘ne zweite Nacht gebucht. Haare waschen und “duschen” funktioniert schliesslich auch, wenn man Wasser im Wasserkocher erhitzt…

Für heute hatten wir uns dann vorgenommen, zum und auf den heiligen Berg zu laufen. In einer kleinen Bäckerei, die auf dem Weg lag, sind wir dann vollkommen erstaunt auf eine Chinesin gestossen, die englisch sprach. Vielleicht konnte sie uns ja sagen, wie wir aus diesem Dorf wieder verschwinden können. Bisher hatten wir weder Bushaltestelle noch Bahnhof gesehen. Einen EC-Automaten gab es auch nicht und die Vorstellung ohne Geld in diesem entlegenen Kaff festzusitzen bereitete mir unterschwellig doch ein etwas Panik. Leider gehörte das Wort “Bushaltestelle” bzw. “bus station” nicht zum Repertoire der Chinesin. Dies beschränkte sich auf “very fresh”. Naja, dann haben wir die Suche der Bushaltestelle auf später verschoben und sind weiter bis zum Fuss des Berges.

Wow, ist der hoch! Uns standen drei Optionen offen: wandern (zu Fuss!!!), fahren (mit offener Seilbahn) oder reiten (auf riesigen Pferden). Wandern schied aus, schliesslich wollten wir ja schon ‘runter laufen. Naja, und bei den Pferden konnten wir handeln…

Für 20 Yuan pro Nase haben uns die armen Gäule dann den steilen Berg hochgetragen. Schon beim Raufklettern auf dieses vierbeinige Monstrum hab ich Blut und Wasser geschwitzt und während der Reiterei hab ich mir äusserste Mühe gegeben, mich möglichst gar nicht zu bewegen, da ich schon vor Auge hatte, wie das Pferd seine Zügel dem Führer entreisst und dann mit mir über diesen und alle anderen Berge verschwindet! Tanja hat den Ritt wohl mehr genossen. Ihre erste Handlung, als wir wieder abgestiegen waren, war übrigens das Desinfizieren ihrer Hände mit den Sagrotantücher: “Die stinken nach Pferd!” Meine Hände stanken nicht. Ich hab das Pferd die ganze Zeit gar nicht angefasst.

Das Kloster selbst war eine ruhige Oase. Hier oben leben tatsächlich noch Mönche und man konnte einen kleinen Einblick gewinnen, wie das alltägliche Leben hier aussehen könnte. Der Ausblick auf die Berge war grossartig und der Blick ins Tal super vielfältig. Zum einen zeigt sich die Stadt von ihrer romantischen Seiten, überall kleine Klöster, Kapellen und Türmchen, zum anderen dann auch wieder diese hässliche Durchgangsstrasse, mit Häuser- und Hotelruine und vielen Baustellen so wie Schuttplätzen. Gemeinsam mit ein paar Mönchen und Pilgern sassen wir eine ganze Zeit auf ein paar Bänke um die Aussicht und Ruhe zu geniessen.

Dank einer Gruppe (chinesischer) Touristen war es mit der Stille urplötzlich vorbei und wir begannen mit dem Abstieg über tausende Stufen, die unsere Knie buchstäblich zittern liessen! Umso beeindruckender fanden wir dann diejenigen Pilger, die uns entgegen kamen und sich auf jeder dritten Stufe zum kurzen Gebet hinknieten! Eine junge Frau ist gar beim Aufstieg auf den Treppen eingeschlafen! Wir gönnten uns – zurück im Hotel – auch ein Mittagsschlafstündchen.

Nachmittags machten wir uns dann wieder an Mission: “wie kommen wir hier wieder ‘raus?” Nach einiger Latscherei hatten wir dann tatsächlich die Bushaltestelle gefunden und sogar in Erfahrung bringen können, dass der Bus am nächsten morgen so zwischen 8 und 10 Uhr abfahren sollte, abhängig von der Anzahl der Passagiere. Tickets konnten wir jedoch noch nicht lösen.

Auf dem Rückweg zum Hotel haben wir noch ein weiteres, etwas abgelegenes Kloster besichtigt. Hier hatten wir echt das Gefühl eine andere Welt oder wenigsten die Kulissen eines Filmes der in einer anderen Welt spielt zu betreten. Sprächen wir chinesisch hätten uns diese uralten Mauern wahrscheinlich die aufregendsten Geschichten erzählt. Hier im Kloster erlebten wir dann auch unser Highlight des Tages

: ein Mönch hat uns jedem ein Bonbon geschenkt!!! Ein anderer öffnete für uns extra die drei grossen Tore eines Tempels, damit mehr Sonnenlicht einfiel und wir die Malereien besser betrachten konnten!

Abends sind wir dann beim “Chinesen für Chinesen” essen gewesen. Für jeweils 1 Yuan extra bekamen wir dann auch saubere Gläser und Teller. Bestellt haben wir mittels der chinesischen Zeichen im Lonley Planet. Um kurz vor neun lagen wir schon wieder müde und kaputt in unseren Betten!



11.10. oder Die Fahrt nach TAIYUAN



Eigentlich haben wir heute gar nichts gemacht. Um kurz vor acht sind wir in einen fürchterlich heruntergekommenen Reisebus ein und gegen 15:30 in Taiyuan (knapp 3 Mio. Einwohner) wieder ausgestiegen. Aber die Fahrt stellt ein Erlebnis für sich dar. Die Tickets waren verhältnismässig teuer. Daher hab ich dann mal wieder auf einen schicken und klimatisierten Bus gehofft, um erneut enttäuscht zu werden. Schick waren höchsten unsere Sitzplätze direkt links neben der Eingangstür, also glaubten wir per Panorama-Windschutzscheibe die Gegend betrachten und die Fahrt geniessen zu können. Da die Fernbusse nicht nur durch den TÜV fallen würden sondern auch noch restlos überfüllt sind, nahmen noch zwei bis drei Personen auf Klappsitzen und Hockern vor uns Platz. Auch der Gang war voller Hocker mit hockenden Chinesen. Eine Klima-Anlage wäre in diesem Bus eh nicht hilfreich gewesen, da sich die Fahrertür bei jedem etwas tieferem Schlagloch öffnete, um sich dann auch wieder selbst zu schliessen. Besonders erfreulich ist auch, dass in den Bussen geraucht wird. Die Freude darüber war bei uns tatsächlich gross. Ohne Zigarettenrauch in der Luft hätte uns der Geruchscocktail aus zu viel Mensch und zu wenig Körperhygiene wahrscheinlich zum Kotzen gebracht. Heute, ca 9 Monate nach dieser Tour, kann ich mich kaum noch an die Landschaft erinnern. Waren da wirklich nur diese gammeligen Maisfelder? Oder hat der Verkehr meinen Blick so auf die Strasse gebannt, dass ich nichts anderes wahrnehmen konnte? Die Aufzeichnungen aus meinem kleinen Reisetagebuch sprechen für sich:

Beobachtungen aus der Zivilisation – Der Chinese und der Strassenverkehr


Teil I: außerstädtischer Verkehr


So wie man in Deutschland Hühnereier in Güteklassen einteilt, könnte man das in China auch mit den Strassen machen:
Güteklasse C oder Acker:

Während sich dem Europäer hier die Frage stellt: “Ja, ist denn das überhaupt eine Strasse?”, rumpelt der emsige Chinese längst mit seinem Fahrzeug (vom Eselskarren über Moped bis hin zu Limousine und Reisebus) über dieses Gebilde aus Erdklumpen und Schlaglöchern
Güteklasse B oder einspurige Strasse:

Grundsätzlich haben diese asphaltierten (!) Strassen, wie schon in der Überschrift genannt, eine Spur in jede Richtung. Wenn es sein, muss passen hier jedoch beliebig viele Fahrzeuge nebeneinander. Diese Strassen sind besonders häufig von extremen Strassenschäden betroffen, so dass sich der Übergang zur Güteklasse C fliessend gestaltet. Ihren wackeligen Charme geniesst man am besten in einem Reisebus, Baujahr 1980 ohne Stossdämpfer dafür gefüllt mit quirligen Chinesen.
Güteklasse A oder zwei- und nochmehrspurige Strassen:

Hierbei handelt es sich meist um mautpflichtige Strassenabschnitte, die man in einem erstaunlich guten Zustand vorfindet (der Osten wäre neidig – abgesehen von der Maut). Die einzelnen Fahrspuren (also die, für den Verkehr in die gleiche Richtung) sind, ähnlich wie auch in Europa, mit weissen gestrichelten Linien von einander getrennt. Leitplanken, die die beiden verschiedenen Fahrtrichtungen voneinander trennen, gibt es nicht. Stattdessen greift man hier auf gelbe Linien zurück. Diese gibt es in den Ausführungen
- gestrichelt,
- durchgezogen,
- gestrichelt und durchgezogen nebeneinander,
- sowie zwei durchgezogenen Linien nebeneinander.
Meine ursprüngliche Interpretation, die Linien würden auf ein eingeschränktes bzw. absolutes Überholverbot hinweisen, musste ich schnell revidieren. Intensivsten Beobachtungen zur Folge geben diese unterschiedlichen Varianten der gelben Linie lediglich die Dauer und Lautstärke der Hupe an, die selbstverständlich eingesetzt werden muss, wird die gelbe Linie Überschritten. Da hier – genau wie in Deutschland – das Rechtsfahrgebot meist ignoriert wird, wird bei nahezu jedem Überholmanöver die gelbe Linie überschritten. In diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung der Lichthupe nicht zu unterschätzen, da wir hier auf eine etwas andere Interpretation als der in Europa gängigen treffen: Europa und Lichthupe: “Bittschön ich lasse Sie selbstverständlich gerne vor.” China und Lichthupe: “Platz da! Jetzt komm ich! Scheißejal, datt ich auf Deiner Spur bin!!!”

Zurück zu unserer Busfahrt: Dem unglaublichen Drang des chinesischen Autofahrers alles zu überholen, was sich vor ihm befindet, verdanken wir den unglaublichsten Stau, den man sich nur vorstellen kann: etwa alberne 50 Meter vor einer T-Kreuzung standen wir fest und das geschlagene zwei Stunden (!) lang! Mit ihren dämlichen Überholmanövern hatten die Chinesen alle drei Zufahrten zur T-Kreuzung jeweils auf beiden Spuren in Richtung Kreuzung zugestellt!!! Aus der Ferne betrachtet war es wahrscheinlich ein Bild für die Götter: lauter Blechkarossen und ganz viele kleine lamentierende Menschen, zwischendurch mal ein Polizeiauto, das dann aber auch lieber wieder verschwindet und ansonsten nur Stillstand. Sitzt Du aber mitten drin, dann hast Du schon ein wenig Angst, den Rest Deines Lebens hier verbringen zu müssen. Naja, zumindest drängt sich die Frage auf: “Was mach ich, wenn ich mal Pipi muss?” Glücklicherweise löste sich der Stau irgendwann auf und es ging dann doch weiter…


Kurz nachdem wir diese Kreuzung passiert hatten, mussten wir mitten auf der Landstrasse in den Bus umsteigen, der aus Taiyuan kam. Dieser Bus sah übrigens noch viel schlimmer aus als der erste – hätte ich übrigens nicht für möglich gehalten. Was auch schlimmer wurde, war das Pipi-Problem. Beim nächsten Pinkelstopp sind wir dann auch ausgestiegen. In der Nähe von Tankstellen gibt es so kleine viereckige Gebäude, in denen man sich erleichtern kann. Ich selbst hab Gottseidank nie eines von innen gesehen. Tanja ging todesmutig vor mir, binnen einer Zehntelsekunde war sie auch wieder draussen und hat mich mit ins Maisfeld gezogen. Ihren Eindrücken zur Folge sind dies buchstäblich Scheißhäuschen – alles auf einen Haufen ohne Türen und ohne Kanalisation!

Und weiter ging’s durch diese schwer zu greifende Landschaft. Zwischenzeitlich hatten wir echt Angst, in ein Arbeitslager verschleppt zu werden. Wir sind quer durch ein riesiges Zechen- und sonstige Schwerindustriegelände gefahren. Am Strassenrand gibt es entweder Maisfelder oder Häuser, die verlassen und zerstört aussehen, wahrscheinlich aber noch bewohnt werden. Überall dem hängt eine dichte Dunstwolke aus Kohlenstaub, Wüstensand, Abgasen und Dreck! Diese Luft ist nicht nur in den grösseren Städten oder in unmittelbaren Umgebung der Fabriken so grau und verschmutzt, dass die Augen beginnen zu tränen und im Taschentuch nur schwarzer Schnodder zurückbleibt, das gesamte Gebiet ist so. Später hab ich in der Zeitung gelesen, dass die verschmutzteste Stadt der Welt, Haifen, in dieser Provinz zu finden ist.

Mit dieser Tour im Rücken und den Atembeschwerden in der Brust ist vielleicht zu verstehen, wieso wir uns die Fahrt nach Xian zur Terrakotta-Armee geschenkt haben. In der DreiMio-Stadt Taiyuan angekommen ohne einen Plan zu haben, wo wir eigentlich sind, hatten wir nur den Wunsch: “WEG”. Das nächste Taxi hat uns dann zum Büro von AirChina gebracht, wo wir zum Schnapperpreis von je 490 Yuan (keine 50 Euro) noch für denselben Abend zwei Tickets nach Shanghai ergattern konnten. Vorher mussten wir allerdings noch unsere Bargeldknappheit beheben: AirChina nimmt keine westlichen Kreditkarten an. Die “Agricultural Bank of China”, direkt neben an, auch nicht. Hier spielte sich dann auch ein Highlight des Tages

ab: eine Bankangestellte erklärte uns in fliessendem und akzentfreiem deutsch wo wir die Bank of China finden, die einzige Bank, die auch ausländische EC- und Kreditkarten akzeptiert.

Nach einem Zweikilometerfussmarsch zur Bank und dementsprechend auch einem Zweikilometermarsch zurück und dem Kauf der Tickets geht’s zum nächsten Highlight des Tages

: BigMäc bzw. Double Cheese Burger bei McDonalds! Nachdem es heute wieder nur ein paar trockene Kekse und ein zwei Schluck Wasser gab, tun Burger, Pommes, Cola und Sprite so gut, dass das goldene M Freudentränchen ins Äuglein treibt!


Von dort sind wir dann mit Taxi zum Flughafen. Der Fahrer war allerdings nicht der allerhellste, er verpasst die Abfahrt zum Flughafen und setzt dann auf der dreispurigen Autobahn einfach mal zurück… Am Flughafen dann mein

persönliches Highlight des Tages

: Irgendwie gab es zunächst Probleme mit unserer Buchung, die Stewardess am Check-In-Schalter versuchte uns irgendetwas von wegen einer Umbuchung zu erklären. Als sich dann eine andere Chinesin hinter uns dazwischen drängeln wollte, habe ich meinen Arm wie eine Schranke angehoben und die Ziege mit einem “Sorry” zurück gedrängt. Jeder, der das Verhalten wartender bzw. drängelnder Chinesen kennt, wird mir nun seinen Respekt zollen!

Am Flughafen in Shanghai dann Tanjas persönliches Highlight des Tages

. Sie handelte unser Hotel von 368 auf 330 Yuan herunter! Von ihrem Erfolg angespornt hab ich das gleiche dann im Obstladen versucht. Statt der gefragten 11 Yuan (also 1 Euro 10 Cent) für einen Apfel und einen Pfirsich, hab ich 6 Yuan geboten und bin prompt aus dem Laden geflogen! Wir sind übrigens in einem recht guten Hotel gelandet, sauberes Bad, nur kleine Kakerlaken, recht nah am Zentrum und mitten im Rotlichtviertel ;-)


12.10. oder Zurück in der Zivilisation



Am nächsten morgen haben wir direkt unsere getragenen Klamotten zum Waschen gegeben, so dringend wollten wir den Staub und Dreck des Nordens loswerden! Die Luft in dieser dichtbesiedelten Millionenstadt kam uns so klar vor wie der Morgentau im Märchenwald. Vom blauen Himmel und den warmen Temperaturen animiert, haben wir uns in kurzen Hosen und T-Shirts in die Stadt gestürzt. OK, knapp 18 Grad ist wärmer als die Null der letzten Tage, aber irgendwie waren wir doch neidig auf die Pullis, Jacken und langen Hosen der anderen…

Shanghai kam mir vor wie das Paradies! Riesige Shopping Mall auf 9 Etagen und Starbucks!!! Endlich wieder Kaffee!! Das Gott keine Bäume in den Himmel wachsen lässt, wurde dann mit einem Blick auf die Preisschilder deutlich – die haben sich auch an die westliche Zivilisation angepasst! Wir haben uns einfach durch diese Stadt und ihre Einkaufszonen treiben lassen. Viel mehr lässt sich zu diesem Tag fast nicht sagen. Vielleicht noch, dass Tanja vom Feilsch-Fieber infiziert wurde und erst einen Pulli für sich selbst ‘runterhandelte um dann (Achtung, Highlight des Tages

) eine Tasche für mich zu ergattern. Ich hatte nur gesagt, dass mir die gefällt und bevor ich bis drei zählen konnte hatte Tanja einen Preis verhandelt und ich musste zahlen!
Unsere Wäsche haben wir übrigens am gleichen Abend wieder zurück bekommen, jedes Teil einzeln fein säuberlich in einer kleinen selbstklebenden Plastiktüte!

Abends haben wir uns dann ins Shanghaier Nachtleben gestürzt und erschreckt festgestellt, dass man sich in Düsseldorf billiger betrinken kann! Tanja hat mich dann aufgefordert einen Sponsor zu suchen. Mit erfahrenem “Terminator-Blick” hab ich dann erst mal die potentielle Zielgruppe gescannt, und dann ein Opfer per Hypnose aufgefordert, sich freiwillig zu stellen. Hat funktioniert, kurze Zeit später sind wir auf englisch von einem männlichem Wesen angesprochen worden. Dem Akzent nach hätte ich auf Essen Borbeck getippt, war aber Duisburg. Thilo oder Friedo, das Opfer jedenfalls, hat uns dann mit Bier versorgt und, nach Ladenschluss auch dass Taxi zum nächsten Schuppen bezahlt. Dort haben wir erst mal an einem kleinen Grillstand jede Menge Fleischspiesschen bestellt. Wir hatten jeder schon einen weggeputzt, als wir endlich verstanden hatten, dass wir nicht auf Chicken sondern auf Chicken Herzchen 'rumgekaut hatten!!! Für die streunenden Katzen war das sicherlich ein Fest. Irgendwann am frühen morgen sind Tanja und ich dann wieder zu unserem Hotel.


13.10. oder Shanghai, Teil II



Highlight des Tages

6:43 und unser Telefon klingelt! Richard! Meine Kollegin Iris ist vor Jahren durch China gereist und hat dort Richard Zhang kennen gelernt, ein Chinese, der mittlerweile knapp 60 ist und sich gleich angeboten hat, uns Shanghai zu zeigen. Aber doch nicht um 20 vor 7! Glücklicherweise hat Tanja das Telefonat entgegen genommen – ich hätte eh noch nicht sprechen können.

Eigentlich gibt es vom heutigen Tag ansonsten nicht viel zu berichten. Wir sind Stunden durch Shanghai gelatscht, haben über das unglaublich Angebot auf den Märkten gestaunt, die modernen Gebäude, die im krassen Gegensatz zu den alten Strassenzügen Shanghais stehen, bewundert, Starbucks-Kaffee getrunken, Flugtickets nach Qingdao gekauft, über die Uferpromenade flaniert und mal wieder für knapp 50 Mann zu Abend gegessen. Dann ging es früh ins Bett. Schliesslich sollte uns Richard am nächsten morgen abholen.



14.10. oder Ein Tag als Fotomodell



Wie vereinbart waren wir um halb neun in der Hotel Lobby, um dort von Richard mit den Worten, er warte schon “half hours” empfangen zu werden. Wir haben mit ihm dann zwei Märkte und einen Park besucht. Der erste Markt war eher eine Art historisches China für Touris im Zentrum Shanghais.


Da die anderen beiden Plätze allerdings recht weit am Stadtrand lagen, wirkte hier alles viel authentischer und ausser Tanja und mir gab es eigentlich nur Locals. Das hat sich auf dem Markt vor allem am Speisenangebot gezeigt, dass unter anderem aus Schweinsnasen und Entenköpfen bestand.

Der Park wird vor allem von alten Männern und ihren Vögeln besucht. Die Herren sitzen dann zusammen zum quatschen oder über ein Brettspiel gebeugt und ihre Piepmätze hängen in kleinen Käfigen in den Bäumen, die Jungs haben sich ja schliesslich auch was zu erzählen. Abends werden die Käfige dann wieder ans Fahrrad oder Mofa befestigt und nach Hause gefahren. Natürlich fanden wir es supernett, dass Richard uns das Shanghai eines Einwohners zeigen wollte, aber der gute Mann war so anstrengend! Ständig mussten wir vor seinem Fotoapparat posieren. Viel schlimmer war aber noch, dass wir uns andauernd Ausreden einfallen lassen mussten, um die Dinge, die von ihm und seinen Landsleuten unverständlicher Weise für Nahrungsmittel gehalten werden, nicht probieren zu müssen.

So um 14:00 Uhr haben wir uns dann voneinander verabschiedet. Mit viel Glück und Geduld sowie diversen Bussen, S- und U-Bahnen haben wir es geschafft, zwei Stunden später wieder im Hotel zu sein. Dann haben wir uns noch ne Massage gegönnt, sind ins Nagelstudio und haben natürlich wieder Berge chinesischen Essens vertilgt. Als Highlight des Tages

habe ich notiert, dass ich beginne Tanjas Gedanken zu lesen.


15.10. oder Tag der Rekorde



Wir sind mit dem Transrapid gefahren! 431 Kilometer pro Stunde, 30km in 8 Minuten, deutsche Wertarbeit im Land der Plagiate!!!

Zurück in Pudong haben wir dann in einem schicken Restaurant direkt am Fluss zu Mittag gegessen. An so einem herrlichen Flecken Erde in der Sonne darf dann auch dass 
Bier 5 Euro kosten – vor allem, wenn die Spaghetti Carbonara bzw. das Club Sandwich ebenfalls für 5 Euro zu haben sind.

Abends ging’s dann weiter mit der Rekordejagd: Wir sassen in der höchsten Bar der Welt! Das Cloud 9 befindet sich im 87. Stock des Grand Hyatt Hotels, 340 Meter über sealevel mit einem unglaublichen Blick auf den Pearl Tower, the Bund, und das Lichtermeer dieser schlaflosen Stadt. Die Hotels und Hochhäuser überbieten sich gegenseitig mit Laserstrahlen und funkelnden Lämpchen. Nach je zwei Cocktails, geschätzten 15 Schalen mit Nüssen und dem Highlight des Tages

Schokoladenkuchen mit Mango-Parfait ging es dann mit diversen Fahrstühlen wieder bergab.


Auf dem Heimweg gab es noch einen Schmunzler des Tages: ein Strassenhändler wollte uns Pussy-Bags verkaufen – wir vermuten, dass er eigentlich Gucci-Bags im Angebot hatte….


16.10. oder Ja sind wir denn im Schwarzwald?



Heute haben wir Shanghai verlassen, um in den Badeort QingDao auf der Halbinsel Shandong zu fliegen. Vor gut 100 Jahren sind in diesem Rimini Chinas ein paar deutsche Missionare gelandet, die ihre Spuren hinterlassen haben. Zum Teil sind diese sichtbar in Form von Kirchen und Fachwerkhäuschen und alten Villen und zum Teil auch trinkbar: die Jungens haben nicht nur religiöses Gedankengut verbreiten wollen sondern auch eine Bierbrauerei gebaut! Wäre hätte gedacht, dass das meistgetrunkene Bier in China seinen Ursprung im deutschen Reinheitsgebot hat?

Im August 2008 werden hier übrigens Segelwettbewerbe der olympischen Spiele stattfinden. Vielleicht gibt man sich deswegen so grosse Mühe, die Stadt aufzuhübschen. Es wird gebaut, als erwarte man die halbe Weltbevölkerung! Die Taxifahrerin hat uns auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel ganz schön über’s Ohr gehauen, da wir – als Highlight des Tages

– den Hotelpreis von 120$ auf 35¤ reduzieren konnten, haben wir uns davon nicht die Laune verderben lassen. Abends wollten wir dann mal etwas anderes machen als früh schlafen zu gehen. Leider war es unmöglich ´ne Kneipe oder ein Cafe zu finden, so mussten wir ohne Bier ins Bett.


17.10. oder Lao Shan, 1. Versuch



Nach dem Frühstück, Chicken Menu bei Meckes, sind wir in einem Gewaltmarsch sämtliche Strände Qindaos abgelatscht. Dort konnten wir dann auch das seltene Naturschauspiel der Brautpaarwanderung beobachten.


Am Strand und in den angrenzenden Alleen und Parks haben sich hunderte Brautpaare fotografieren lassen.

Kaputt und ausgehungert sind wir dann endlich bei der Touristeninformation CITS angekommen. Dort wollten wir gerne einen Ausflug zum Lao Shan (Berg) buchen. In dem Büro sassen so ca fünf bis sieben Angestellte hinter ihren Computermonitoren. Eine von ihnen begrüsste uns dann mit der Frage “Chinese” – “Ja sicher, Kantonesisch oder Mandarin?” Wir haben es dann allerdings doch auf Englisch versucht. Touren zu diesem Berg gibt es nur für Chinesen – ganz schön rassistisch. Nach endlosen Beratungen mit ihren Kollegen bekommen wir dann ein Zettelchen mit chinesischen Schriftzeichen. Dies sollten wir dann dem Busfahrer zeigen und ihn so fragen, ob er zu dem Berg fährt. Als wir wieder draussen waren, haben wir uns kurz unsere Frustration über diese unfähigen kleinen Kommunisten entgegen geschrien. Bedenkt man, dass wir nun schon seit 12 Tagen non-stop zusammen waren und uns mit kaum einer anderen Person ausgetauscht haben, war diese kurze Explosion wahrscheinlich längst überfällig.

Spätestens am Abend war alles wieder gut – Dank des leckeren Essens: Alle Tische im Restaurant hatte ein Loch in der Mitte für eine Art Fondue. Mit Hilfe des Kellners haben wir dann ein Brühe für unseren “Hot Pot” ausgewählt und Zutaten bestellt: drei Teller mit dünn geschnittenem Fleisch, Huhn, Rind und Lamm, handgemachte Nudeln, Kartoffelscheibchen, Bambus und Gemüse. Ich hätte zu gerne ein Foto von unseren ungläubigen und angewiderten Gesichtern gemacht, als der Topf Brühe ankam und wir die Fischköpfe mit ihren riesigen toten Augen entdeckten. Mit Hilfe eines Piktogramm-Büchleins konnten wir dem Kellner dann zu verstehen geben, dass Fisch und Meeresfrüchte böse sind und er hat den Topf ausgetauscht.

Die weiteren Zutaten gibt man dann ähnlich wie beim Fondue in den Topf. Weil ich aber doch so einen grossen Hunger hatte und die frischen Nudeln so lecker aussahen, habe ich dann eine rohe Spaghetti genascht. Dies hat dann beim entsetzten Kellner für Panik und bei uns für das Highlight des Tages

gesorgt: der junge Mann kam gleich angerannt, um pantomimisch auszulegen, dass wir alles erst einmal kochen müssen.


18.10. oder Lao Shan, 2. Versuch



Heute wollten wir dann auf eigene Faust zum Lao Shan! Erst mit dem Bus zur Haltestelle vor dem CITS, wo wir umsteigen sollten. Der Bus, den uns das Mädel aufgeschrieben hatte, fuhr jedoch nicht von dieser Haltestelle ab. Also wir wieder ins CITS-Büro, die Angestellten haben sich lautstark beraten und nach ein paar Telefonaten hiess es dann, der Bus fahre von der nächsten Querstrasse aus ab. Wir haben den Bus dann auch fahren sehen und 70 Minuten auf den nächsten gewartet.

Im Bus haben wir dann erfahren, dass dieser gar nicht zum Lao Shan fährt. Tickets mussten wir trotzdem kaufen und an der nächsten Haltestelle wieder aussteigen. Was kann einem dann nach so einer Enttäuschung trösten? Starbucks! Und wir waren nicht die einzigen, die eine Enttäuschung zu verdauen hatten! Normalerweise trifft man andere Touristen doch vor den Sehenswürdigkeiten, in China aber nur im Starbucks.

Statt Berg stand am nachmittag dann ein Park auf unserem Programm. Hier konnten wir wahre Kunstwerke bewundern, wie z.B. Zweimeterhohe Teletubbies aus Plastikblumen.


Unser Abendessen war wieder so reichhaltig, dass wir uns den Rest haben einpacken lassen. Tanja hatte in unserem Restaurant, dass wegen der ganzen Aquarien eher an eine Zoohandlung erinnerte, richtig Spass an einem Kellner, der mit je einem lebenden Riesenfrosch in der Hand in die Küche ging. Da ich das nicht gesehen habe, ist mein Highlight des Tages

die kleine chinesische Kellnerin, die mitten im Restaurant in ihrer Kellnerinnenuniform auf dem Boden kniete, um mit einem Hammer einen Fisch totzuschlagen.

Hitverdächtig war jedoch auch das Personal eines Frisörladens: ca 25 Angestellte – natürlich in Uniform – haben vor dem Laden gemeinsam einem Aerobic-Kurs gefolgt!


19.10. oder Fahrt nach Tai An



Busfahrt! Fast 8 Stunden! Von 9:40 bis 17:20!!! In Deutschland hätte man die Entfernung wahrscheinlich selbst im Berufsverkehr in knapp drei Stunden zurück gelegt. Hier lassen weder Strassenverhältnisse noch Zustand des Busses eine höhere Geschwindigkeit zu. Unsere Sitze waren so ausgeleierte, dass die Lehnen nur noch über die Liegefunktion verfügten. Die letzten zwei Stunden der Fahrt wurden immer wieder durch ein Warnpiepen unterbrochen. Sobald das Geräusch ertönte stoppte der Fahrer und der Busbegleiter hat irgendwas gemacht, wahrscheinlich mal kurz den Motor ausgebaut und wieder neu zusammengeschraubt. Sowieso war er das Beste an der Fahrt: ein relativ grosser und kräftiger Chinese der uns immer ganz freundlich angelacht hat. Wir haben sogar jeder eine Dose Sprite von ihm geschenkt bekommen, als der Bus an einer Art Raststelle zur Mittagspause anhielt. Diese Raststelle war nicht viel mehr als ein grosser kahler Raum mit ein paar Plastikhockern und Tischen auf den ein Einheitsessen serviert wurde. Auf einem anderen Tisch lagen riesige Fleischberge in der Sonne und auf der Strasse vor diesem Laden haufenweise Knochen.


Wir hatten glücklicherweise eine Tasche voller Essen dabei: Brot und Käse, Tomaten, Hähnchen Nuggets und die obligatorischen Oreos. Einer der anderen Mitreisenden sprach ein wenig Englisch und wollte uns das natürlich direkt demonstrieren. Ist ja super – da können wir den doch direkt mal fragen, wie lange wir wohl noch unterwegs sind. Er hat uns dann die aktuelle Uhrzeit genannt. Wir haben unsere Frage dann noch einmal etwas anders formuliert und er hat uns die aktuelle Uhrzeit Pekings genannt. Peking und wo wir gerade waren liegen übrigens in derselben Zeitzone. Also, vielen Dank für das Gespräch und wir lassen uns dann halt mal überraschen.

Die Landschaft war übrigens schon viel freundlicher, weniger Industriegebiet und die Maisfelder waren überwiegend abgeerntet. Daher zierten die gelben Kolben Strassen und Dächer oder hingen wie Bananen in den Bäumen. Während der Fahrt blieb genügend Zeit um ein weiteres Phänomen zu beobachten:

Beobachtungen aus der Zivilisation – Der Chinese und sein Mobiltelefon


Im Gegensatz zu den in Europa gängigen Handys, die über diverse Lautstärkeeinheiten den Klingel- sowie SMS-Ton betreffend verfügen, scheint es für das chinesische Mobiltelefon nur die Funktion “chinese” als äquivalent für ”extrem laut” zu geben. Klingelt ein Handy, beachte man, dass erst 30 – 60 Sekunden vergehen müssen, bevor eine Aktion des Handybesitzers folgen darf. Dann wird erst ein Blick auf das Display geworfen. Da der Chinese grundsätzlich ein Problem mit den Augen hat, nimmt das entziffern des Displays weitere 30 Sekunden in Anspruch. Erst jetzt kann das Telefonat angenommen werden. Der naive Europäer, der an ein Ende der Ruhestörung glaubt, wird schnell eines besseren belehrt. Das chinesische Mobilfunknetz muss wohl eines der schlechtesten der Welt sein, anders kann man beim besten Willen nicht erklären, wieso aus vollen Leibeskräften in das Telefon hineingebrüllt wird: “Ni hau!”

Unser Hotel in Tai An hatte eine unglaublich beeindruckende Lobby und Zimmer, die schon bessere Zeiten gesehen hatten – aber einen PC mit Free Internet Access!!!!!!!!!!! Abends haben wir dann auf einem kleinen Markt gegessen. Die Fleischspiesschen lagen zwar neben Madenspießchen, aber sie wurden ja noch frittiert und dann mit Salat und Sosse in ein Brötchen gepackt.



20.10. oder Tai Shan



Der Tai Shan – noch so ein heiliger Berg – wartet. Wir sind ca 3 Stunden lang nur Stufen hochgegangen. Immer wieder kleinere und grössere Gruppen von Stufen, unterbrochen von kurzen gerade Abschnitten. Dann wieder kleine Stufen, grosse Stufen, hohe Stufen, flache Stufen und vor allem viel zu viele Stufen, die viel zu schmal für Europäer-Füsse sind und alle Stufen ohne ein Geländer. Und dann nach ungezählten, gefühlten 5 Millionen und geschätzten 6660 Stufen endlich die sehnsüchtig erwartete und rettende Cabelbahn.

Beim Anblick des Sesselliftes gab es ausnahmsweise mal eine positive Überraschung! Jeder Reisebus wäre neidig – Luxus auf 2 Quadratmetern! Kein wackeliger offenerer Skilift sondern tatsächlich eine kleine geschlossene Gondel mit 6 Sitzen, die wir glücklicherweise für uns alleine hatten. Für alle Fälle gab es sogar eine Notrufnummer. Allerdings sitzt die Service-Firma in Österreich! Während der Fahrt habe ich auch eine neue Seite Tanjas kennengelernt!


Wegen ihrer Höhenangst, wurde sie von Minute zu Minute (knapp 15) bzw. Meter zu Meter (ca 600) blasser. Auf dem Gipfel angekommen (übrigens 1545m über sealevel, oder 1549m über Almere) wurden wir von einer herrlichen Aussicht ins Tal belohnt und der üblichen chinesischen Geschäftigkeit. Diese kleinen gelben Menschchen haben es geschafft ein komplettes Dorf auf diesen Berg heraufzuschleppen! Restaurants und Hotels, Shops und Tempel…Naja, der meistbestiegenste Berg der Welt muss seinen Fans schliesslich auch etwas bieten.

Auf dem Rückweg haben wir uns die Stufen dann geschenkt und sind statt dessen wie Tarzan an Lianen ins Tal geflogen, mit dem kleinen Unterschied, dass die Lianen eher eine 2. Cabelbahn sowie einem Minibus glichen. Trotzdem, nach solch einer körperlichen Anstrengung haben wir uns mal wieder ein Menu bei Meckes verdient. Auf der gleichen Strasse gab es dann noch ein Reisebüro, wo wir Flugtickets nach Peking gekauft haben. Als Highlight des Tages

konnten wir abends via Internetradio der Bundesliga lauschen und Fotos per Mail versenden!


21.10. oder 30



0:00Uhr und Tanja legt los: Happy Birthday begleitet von Taschenlampenlaserlightshow. Bisschen drücken und weiterschlafen. Morgens dann mal ne kurze Busfahrt, 2 Stunden bis nach Jinan. Im Reiseführer beschrieben als langweilige Stadt, die nur deswegen von Touristen besucht wird, weil sie einen Flughafen hat. Was erwartet man denn, wenn man denkt, die hässlichsten Städte der Welt, die laut Reiseführer als idyllisch beschrieben werden, gerade erst hinter sich gelassen zu haben? Nicht viel! In der Stadt sind wir dann von eine etwas pummelige chinesischen Studentin angesprochen worden, die ganz nach dem Motto Learning by Doing ihr englisch an uns üben wollte. Sie hat uns dann ihre Stadt gezeigt, ein paar grosse Plätze, Quellen, für die die Stadt mal berühmt war und so weiter.

War schon interessant, zu hören wie jemand in unserem Alter – und 23 ist auch noch unser Alter – von seinem Leben in China erzählt. Die Frage, ob sie verheiratet ist oder einen festen Freund hat, verneinte sie mit der Begründung, man fände sie hier nicht hübsch und viel zu fett. Da hatte ich direkt so viel Mitleid, dass ich ihr einen Keks angeboten habe.


Kurz drauf ist übrigens der Foto-Apparat kaputt gegangen. Abends waren wir dann im Crowne Plaza zum Dinner Buffet – wurde im Lonley Planet wärmstens empfohlen. Konnte ja keiner wissen, dass ausgerechnet an diesem Sonntag das “German Bierfest” gefeiert wurde. Wobei, Nürnberger Rostbratwürstel zusammen mit Sushi, Chinesisch Süss-Sauer hat, begleitet von drei Chinesen nicht mit Kontrabass sondern in Dirndl und Krachlederner, die “wir sann die lustigen Holzhackerburen” singen, das hat was!


22.10. oder zurück nach Peking



Nachdem Motto besser zu früh als zu spät riss uns der Wecker schon um 5 Uhr morgens aus dem Schlaf, damit wir dann eine Stunde später vor den verschlossenen Türen des Flughafens von Tai An stehen konnte. Als dann endlich die Türen aufgingen, dauert es sicher noch eine halbe Stunde, eh Lichter und Anzeigentafeln angeknipst wurden. Um kurz nach acht ging dann unser Flieger, der uns wieder zurück nach Peking brachte.

Da wir davon überzeugt waren, uns in diesem Moloch mittlerweile problemlos orientieren zu können und da uns die chinesische Mentalität ja längst in Fleisch und Blut übergegangen war, verzichteten wir darauf, am Flughafen ein Hotel via Vermittlungsagentur zu buchen. Dem Taxifahrer zeigten wir auf dem chinesischen Stadtplan, wo wir hin wollten. Zum Dank hat er uns erst mal mächtig über’s Ohr gehauen und viel zu wenig Wechselgeld zurückgegeben. Im Prinzip machen die paar Euro, die Taxifahrer oder Getränkeverkäufer einem irgendwie abluchsen den Kohl nicht fett bzw. reissen keine wirklichen Löcher ins Reisebudget. Wenn so etwas jedoch passiert, nach dem man schon 2,5 Wochen wir ein kleiner Profi sämtlichen Touristenfallen aus dem Weg gegangen ist, dann geht es nicht um 50 Cent, die zu viel gezahlt werden – nein – dann fühlt man sich auf’s tiefste in seiner Ehre verletzt! Ausserdem wussten wir jetzt doch nicht so genau, wo wir eigentlich hin müssen. Das tolle Hotel aus dem Reiseführer konnten wir nicht finden und hätte uns nicht endlich jemand zu einem anderen Hotel geführt, würden wir wahrscheinlich jetzt noch vollkommen unentschlossen die scheißschweren Rucksäcke durch die Gegend schleppen. Auf dieses Hotel trifft genau das gleich zu, wie auf so ungefähr jedes in China: aussen hui, innen pfui.

Jetzt war es höchste Zeit für ein Frühstück bei Starbucks und danach sollte es zum grössten Platz der Welt gehen, dem vom himmlischen Frieden. Leider war selbiger jedoch abgesperrt, so dass man nicht drauf sondern nur drumherum gehen konnte. Mmh, “abgesperrt” ist vielleicht ein etwas grosses Wort, die Sperrung bestand lediglich aus rotweissen Flatterband und vielen Polizisten sowie anderen uniformierten Grüppchen, die lustig durch die Gegend spazierten. Der Grund für dieses Spektakel erschloss sich uns nicht. Die Grösse dieses Platzes mitten in der City und verschieden Gebäude auf dem Platz sind schon Eindruck weckend. Tanja meinte dann, man könne sich richtig vorstellen, wie das hier früher ausgesehen haben musste. Sie meinte damit so richtig früher und zu Kaisers Zeiten, ich hatte hingegen die Studenten und Panzer im Kopf…

Irgendwann wurde das rotweisse Flatterband auch wieder fein säuberlich aufgerollt und die Sperrung aufgehoben. So konnten wir weiter bis zu einer kleinen Marktstrasse spazieren. Dort begannen wir dann uns mit liebevoll ausgesuchten und hart verhandelten Mitbringseln auszustatten: Tanja hat ein typisch chinesisches, in Seide gefasstes Gemälde und einen Namen gekauft und ich ein Pinselset für meinen Vater. Waren meine Verhandlungsversuche hier noch etwas schüchtern, konnte ich mein Geschick dann ausgerechnet bei der Mao Bibel für meinen Bruder beweisen: statt 180 Y musste ich nur 20 Y für dieses kommunistische Gedankengut auf den Tisch legen.

Abends haben wir dann noch etwas in einem kleinen Restaurant gegessen um dann auch schön wieder früh ins Bett zu gehen. Highlight des Tages

: Tanja schnorchelt schon um halb neun.


23.10. oder Die verbotene Stadt und ein verboten guter Markt



Der Tag beginnt mit einem verstopften Klo und dem “Floor-Keaper”, der die Verstopfung mit dem Pömpel wieder beseitigt. Nach wiederholten Aufforderungen schickte er dann auch ein Zimmermädchen, die dann das, was so rechts und links übergelaufen war, aufwischte. Auf dem Weg zur verbotenen Stadt wurden wir ganz plötzlich und hinterhältig vom Oriental Plaza, einer Luxus-Shopping-Mall, bei der auch Kö Caree und Sevens neidig werden, abgelenkt. Hier hat sich Tanja dann auch direkt mal einen Friseurtermin für den nächsten Tag geben lassen. Irgendwie konnten wir uns dann doch aus den Fängen des Konsumtempels befreien – ob es daran lag, das die Preise nicht wirklich zum konsumieren einluden?

Die verbotene Stadt ist riesig! Leider waren die beiden grössten und bedeutendste Tempel mit Baugerüsten verkleidet – Peking muss sich für Olympia aufhübschen. Wir haben uns mittels Audio-Guide durch dieses Open-Air-Museum führen lassen, Tempel und kleinere Nebengebäude bewundert und diversen Geschichten gelauscht.

Am späten Nachmittag sind wir dann mit U-Bahn zu einem “Markt” gefahren. Irgendwie hatten wir uns den aber ganz anders vorgestellt. Anstelle von kleinen “open-Air-Marktständen” und gemütlicher Marktatmosphäre erwartete uns etwas, dass von aussen einem ganz normalen grossen Kauf- und Warenhaus glich. Der Parkplatz war voller Touristenbusse und wir haben ewig nicht so viele westliche Menschen auf einem Haufen gesehen. Aber, wie heisst es so schön? Don't judge a book by its cover? Aussen grau und innen wow? Fünf Etagen reinstes Einkaufsvergnügen! Und auch noch logisch aufgebaut! Auf jeder Etage wurde etwa 2 – 3 verschieden Warengruppen angeboten, es gab also eine Schuhe- und Tasche-Etage, ein Stockwerk nur Damenbekleidung, eines mit Baby-und Herrensachen, usw...

Dicht an dicht drängen sich in kleinen Shops – oder dann doch eher Marktständen – kleine Chinesen, die nicht nur ein sehr gutes Englisch sprechen, sondern auch noch in ca. 100 anderen Sprachen zumindest eine Begrüssungsfloskel wissen und äusserst geschickt darin sind, den Touris das Geld abzuknöpfen. Hier werden dann auch auf einmal US Dollar und Kreditkarten akzeptiert, und die ATM-Dichte ist höher als am Times Square! Womit die geübten Händler allerdings nicht gerechnet haben, ist das unglaubliche Verhandlungsgeschick von Tanja und Simone! Mit Insider-Informationen versorgt – Tanjas SAP Inder hat verraten, dass Einheimische nicht mehr als 15 – 20 % des geforderten Preises zahlen – und einem absolut coolem Pokerface sammelten wir Schnäppchen wie andere gefälschte Markenklamotten.

Hier ein Auszug unseres Erfolges:
SKU Listpreis Endpreis


Halbschuhe 800 100
Handtasche, gross 850 150
Handtasche, klein 580 100
2 paar Vans 720 120
Reisetasche 2.000 200
4 Oberteile 1.200 180

Man muss sich die ganze Geschichte so vorstellen: der Verkäufer nennt einen Preis, z.B. 100. Man weiss, nach der SAP-Inder-Regel darf man also nicht mehr als 15 bis 20 Euro zahlen. Im Laufe der Verhandlungen kommt einem der Verkäufer immer wieder preislich entgegen und erwartet selbiges dann natürlich auch vom Käufer. Dies bedeutet dann, dass man als erstes Angebot einen noch geringeren Preis nennen muss, als den, den man bereit ist zu zahlen.

Ein typisches Verhandlungsgespräch läuft dann etwa so ab: Der Verkäufer versucht, sich in das Vertrauen des Käufers/Opfers zu schleichen, dafür ist das Erfragen des Herkunftslandes unerlässlich, es zu erraten bringt übrigens unschätzbare Bonuspunkte. Danach folgt die Begrüssung des Käufers in der jeweiligen Landessprache, ein wenig Lob über das Land und ein paar Komplimente an den Käufer selbst oder auch an dessen weibliche Begleitung. Anschliessend erkundigt sich der Kunde nach einem Preis, um sich dann erst eine Weile anzuhören, dass das Objekt der Begierde von unglaublich hoher Qualität ist, es sich garantiert um echte Markenware handelt und das der Attraktivitätsgrad des Käufers durch den Erwerb des Produktes in unermessliche Höhen steigt. Nun wird einem ein grosser Taschenrechner unter die Nase gehalten und es wird eine riesige Zahl in den Rechner getippt, die den angeblichen Originalpreis darstellen soll. Unter lautstarken Erklärungen wird diese Zahl dann noch ein bis zwei Mal nach unten korrigiert bis es dann heisst: das ist mein Supersonderspeziallangebot nur für Dich, weil Du mir so sympathisch bist und ich Dein Heimatland aus dem Fernsehen kennen. Wir vermuten, dass der amerikanische Durchschnitttourist jetzt erfreut zuschlägt, aber nicht mit uns!

Lautet der Supersonderichhabdichliebspezialpreis 2.000 Einheiten chinesischen Geldes, antworteten wir mit unserem Gegenangebot: 100. Darauf verformte sich der komplette Körper der Verkäuferinnen in ein Fragezeichen und sie antworteten mit: “Dollar?” – “Nee, YUAN.” Es formte sich eine kleine böse Wolke: ”Willst Du mich beleidigen?” – “Nee, aber so schön finde ich die Schuhe/Tasche/oder was auch immer doch nicht.” - “Ok, ok, 1500. Mein letztes Angebot” – “100” – “1.200, Du musst mir auch entgegen kommen, so geht das.” Wir haben uns dann immer ziemlich stur gestellt - mit Erfolg!
Das Mädel, bei dem wir die Reisetasche gekauft haben, bestätigte uns, dass wir „good bargainer“ sind. Noch deutlicher hat uns allerdings die Verkäuferin der Ralph Lauren Oberteiler gezeigt, dass wir harte Hunde sind. Als wir uns endlich auf die 180 Yuan geeinigt hatten, gab ich der Kleinen 2 einhundert Yuan-Scheine und erinnerte sie vorsichtshalber daran, dass sie mir 20 Yuan zurückgeben solle. Während sie das Geld nahm, schmieß sie mir die Tüte mit den Klamotten buchstäblich vor die Füße. Ich sammelte die Sachen auf. Dann warf die freche Chinesin noch die 20 Yuan auf den Boden und fügte beleidigt hinzu: „You are no Germans!“ Das haben wir dann doch mal als Kompliment und Highlight des Tages

interpretiert. Die hart erfeilschten Güter in die Reisetasche gepackt sind wir mit der Metro wieder zurück gefahren.

Anschließend dann noch zu unserem Lieblingschinesen - der, bei dem wir uns auch schon am allerersten Abend in China rund gefuttert haben.


24.10. oder Von heute gibt‘s fast nix zu erzählen



Der Tag beginnt wie der gestrige - mit einem verstopften Klo. Dieses Mal bekommen wir dann ein neues Hotelzimmer. Nebenbei bemerkt ist dies nicht das erste Mal, daß wir innerhalb eines Hotels das Zimmer wechseln müssen. In Shanghai haben wir unsere fünf Nächte in drei verschiedenen Zimmern verbracht. Qingdao hat eine noch bessere Quote: 2 Nächte, 2 Zimmer.
Vormittags war Tanja beim Frisör, nachfärben und Ecken ´reinschneiden lassen. In der Zwischenzeit habe ich in der Luxus-Shopping-Mall eine geniale Bäckerei entdeckt, wo wir auch unser spätes Frühstück einnahmen. Im CITS haben wir für den nächsten Tag eine private Tour zu den weiteren „musts“ von Peking gebucht.

Mit der Gewißheit, dass uns am folgenden Tag also der kulturelle overload drohte, konnten wir dann auch ruhigen Gewissens zu einem weiteren Markt fahren und versuchen unsere Schnäppchen-Jagd fortzusetzen. Das Warenangebot auf dem Pearl-Markt schaffte es allerdings nicht unsere Herzen höher schlagen zu lassen. Also wieder zurück ins Hotel, dort ein paar leckere Hamburger verspeist und das war‘s schon wieder für heute.


25.10. oder Very Important Germans



Pünktlich um neun Uhr werden wir abgeholt. Eine kleine Chinesin führte uns zu einer dunklen Limousine - dem wohl saubersten Ort ganz Chinas. Der relativ kräftige Fahrer mit stilechter 80er Jahre Sonnenbrille öffnete uns die Wagentür und kutschierte uns anschliessend ganz sanft zum Sommerpalast. Dort angekommen, öffnete er mir wieder die Tür, Tanja‘s Tür wurde von der Führerin geöffnet und wir verließen erst einmal unsere hellen Kunstledersitze. So ein bißchen Dekadenz ist ja doch ´was feines...

Scheinbar hatten etwa 75% der Pekinger sowie sämtliche Touristen sich für heute ebenfalls diese Sehenswürdigkeit vorgenommen. Da wir bisher den Luxus geniessen konnte, viele der Touristen-Attraktionen fast für uns alleine zu haben, waren wir von diesen Menschenmassen, die sich trotz der Größe des Geländes kaum verteilten, ziemlich überrascht. Unser Guide hat für uns die Geschichte des Sommerpalastes zusammengefasst, die schönsten Plätze gezeigt und Erklärungen zu den verschiedenen Gemälden in den Bögen des Wandelganges abgegeben. Ihr lag es besonders am Herzen, daß wir uns die „Dragon-Lady“ merken. Sie war die Frau eines sehr jung verstorbenen Kaisers. Geschickt und intrigant herrschte sie im Namen des kleinen Sohnes über das riesige Reich. Auch wenn man sich dass nur schwer vorstellen kann, der riesige See, an dem der Sonnenpalast liegt, ist übrigens künstlich! Heute hing ein dichter Nebel tief über dem See, der die ganze Szenerie noch etwas märchenhafter erscheinen ließ. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Drachenboot sind wir auch schon wieder zurück zu unserer Limousine.

Da es noch zu früh für unser Mittagessen war, machten wir einen Zwischenstop an einer Perlenfabrik. Ähnlich wie in den governmental shops die wir während der „Great Wall Tour“ besucht hatten, gab es erst kurze Erklärungen und anschliessend die Möglichkeit die High Quality Produkte zu erwerben. Die Erklärung hier begann mit einem kurzen Film, für uns auf deutsch, gesprochen von einem Ossi mit schrecklichem Akzent. Im Anschluss daran durften wir aus einem Wasserbassin eine Muschel fischen, die dann aufgeschnitten wurde. Im Muschelfleisch waren dann doch tatsächlich ca 20 kleine Perlen, von denen wir je eine behalten durften. Naja, und weil man hier so nett war, haben wir dann auch noch je ein paar Ohrringe gekauft.

Nach Chicken-Chilie-Lunch sind wir dann zum Lama-Tempel gefahren, der größte lamaistische (tibetanischer Buddhismus) ausserhalb Tibets. Je mehr Erklärungen wir jedoch über den Buddhismus erhalten, umso verworrener und komplizierter scheint diese Religion zu sein. Ständig tauschen neue Götter auf, und diesmal auch so etwas wie Aposteln. Wer soll da denn noch durchblicken?

Nach soviel Kultur und ein etwas Aberglaube - für ein bißchen Glück haben wir auch an den Gebetsmühlen gedreht - sind wir zwei dann wieder zu unserer neuen Lieblingsbeschäftigung übergegangen: feilschen auf dem Silk-Market. Die Beute bestand dieses Mal aus 2 chinesischen Gemälden, 5 paar Jeans, Socken und Unterwäsche. Hier haben wir dann so ziemlich alle unsere Bargeldreserven gelassen und deshalb dann auch ohne Abendbrot ins Bett. Geld ziehen gestalten sich als relativ schwierig, da ausser der Bank of China beinah kein Geldinstitut europäische Karten akzeptiert.


26.10. oder Zoo und Ente



Mit U-Bahn und motorisierter Rikscha sind wir zum berühmten Zoo von Peking gefahren. Auch wenn man weiß, dass andere Massstäbe in Bezug auf Tierhaltung gesetzt werden, ist man erschrocken! Es gibt zwar einige recht schöne Gehege, aber leider viel zu viele Tiere!!! Besonders auffällig war das bei den Großkatzen. Ein oder zwei Tiger hatten das Glück durch eine relativ großzügige Anlage streifen zu können, die anderen 10 Tiere, lagen buchstäblich auf Pritschen in ihren kleinen Zellen, die dem Todestrakt der Gefängnisse in amerikanischen Spielfilmen gleicht - green mile läßt grüßen. Lediglich das Verhalten dieser schrecklich dummen Chinesen konnte die traurigen Gehege noch toppen: ständig fütterten sie die Tiere mit Chips, Schokoriegeln und Gummibärchen. Dementsprechend schleppten sich die Vierbeiner dann auch eher mehr als weniger dicke Kugelbäuche mit sich ´rum. Nichtsdestotrotz, wir haben ganz viele Pandas von ganz nah gesehen, ein dickbäuchiges Zebra gestreichelt, und man hat Tanja für ein Foto ein schmutziges Kleinkind in den Arm gedrückt.

Nachmittags haben wir dann in unserer Shopping Mall noch ein ausgebreitetes Beauty-Programm genossen - schließlich ging es am folgenden Tag ja wieder zurück nach Deutschland! Den letzten Abend wollten wir dann mit einer Peking Ente geniessen. Hier sind wir wieder dem Rat des Lonley Planets gefolgt; wenn wir schon mal hier sind, dann muss der Vogel auch in der Top-Empfehlung unseres Reiseführers verspeist werden. Die Ente war auch wirklich sehr gut. Allerdings waren wir mittlerweile anderer Portionen gewöhnt. Da wir auf unseren Kellner gehört hatten und nur EIN side-dish bestellten, stellte sich ein leichter Hauch eines Sättigungsgefühls ein, das mittlerweile sehr vertraute „roll-mich-nach-Hause-Völlegefühl“ blieb jedoch aus. Deswegen haben wir auf Heimweg noch einen kleinen Abstecher in unsere Mall gemacht und dort Mega-Creme-Muffins gekauft und das „ich-bin-so-satt-ich-mag-kein-Blatt-Gefühl“ war wieder da! Im Hotel haben wir dann schon begonnen unsere Sachen zu packen und dann das letzte Mal in China geschlafen.


27.10. oder Rückflug



Der Rückflug verlief recht unspektakulär. Mein letzter Eintrag im Reisetagebuch: jetzt schon seit knapp 7 Stunden unterwegs... Hoffentlich gibt es gleich wieder etwas zu essen!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.11.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Tanja - schließlich warst Du dabei!

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