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Ich habe immer versucht dich zu vergessen. Aber ich konnte es nicht, weil ich dich liebe. Bis ans Ende der Zeit. Ich weiß, dass es nicht gut ist. Ich weiß auch, dass es mich töten wird. Aber dann sterbe ich mit dem Einen den ich liebe. Und das ist das einzig Richtige.
Das ist die Geschichte von mir und Nick. Er ist der wundervollste Mensch den ich je kennengelernt habe. Na gut, ich kenne wenige Menschen, aber genug, um zu wissen, dass es Nick ernst war. Eines Tages, vor vielen Jahren, kam ich zum ersten Mal an die Küste von Sydney und sah dort einen wunderschönen jungen Mann, so zauberhaft und fast wieder unwirklich. Ganz langsam und vorsichtig schwamm ich zu dem kleinen Steg und versteckte mich darunter. Meine grüne Flosse glitzerte einen kleinen verräterischen Moment im hellen Sonnenlicht. Der junge Mann sah zu mir und entdeckte mich erst nicht, doch als ich dann unvorsichtig gegen einen Posten des Stegs schwamm wurde er auf mich aufmerksam. Zuerst sah er sehr erschrocken aus, doch dann veränderte sich sein Gesicht sich zu einem erstaunten und beeindruckten Gesichtsausdruck. Vor Schreck gelähmt konnte ich mich kaum bewegen. Der junge Mann ging in die Hocke und kam mir ganz nah. Auf einmal streckte er seine Hand aus und wollte meine Flosse anfassen. Aus einem schnellen Reflex heraus tauchte ich unter und schwamm so tief und weit ich erstmal konnte, weit weg von diesem wunderschönen betörenden Mann. Als ich mir endlich sicher sein konnte, dass ich außer Reichweite war, tauchte ich wieder auf. Ich war mitten im Meer, irgendwo in der Unendlichkeit des Meeres. Nichts war um mich herum und ich war allein. Panik machte sich in mir breit, weil ich nicht wusste wo ich war und wie ich nach Hause kommen sollte. Nichts kam mir bekannt vor. Doch abgesehen davon, konnte ich nicht nach Hause. Wenn mein Vater erfahren würde, dass ich am helligsten Tag an der Küste entlang geschwommen bin und mich auch noch jemand gesehen hat, wäre ich geliefert. Mein Vater wollte mich immer von den Menschen fern halten, weil er selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Damals wurde er von den Menschen gefangen genommen und in ein Labor gebracht worden, wo sie dann mehrere Versuche an ihm durchgeführt hatten. Als er kurz davor war zu sterben, ließen sie ihn wieder zurück ins Meer. Seitdem habe ich ihn nie wieder an irgendeiner Küste gesehen. Was wäre, wenn dieser Mann den ich gesehen habe das gleiche tun würde? Ich weiß nicht, ob er das tun würde, aber die Menschen sind alle gleich. Natürlich würde er das tun, er weiß nichts über uns und will alles wissen und dafür wird ihm nichts zu schade sein. Rein gar nichts. Müde von der langen Reise setzte ich mich auf einen kleinen Felsblock der aus dem Meer hervortrat. Geschützt unter dem dunklen Sternenhimmel verwandelte sich meine Flosse in meine normalen Beine. Meine Mutter war ein Mensch gewesen, weshalb ich halb Mensch, halb Meerjungfrau bin. Nach längerem Nachdenken kam ich zu dem Entschluss mich von dem fremden Man fern zu halten. Das schien für mich das Beste zu sein, wenn ich weiterleben wollte.
Am nächsten Morgen wurde ich von der hellen Sonne geweckt, die auf meinen Körper schien. Sofort stand ich auf und sprang wieder ins Wasser. Als mich das kühle Wasser umhüllte, konnte ich spüren wie meine Beine verschwanden und sich in meine Flosse verwandelte. Ohne zu überlegen schwamm ich zurück nach Sydney. Doch das bemerkte ich erst als es schon lange zu spät war. Der fremde Mann stand wieder am Steg. Sein blondes Haar wehte in der leichten Brise und schimmerte im Sonnenlicht. Wie von einer unsichtbaren Kraft wurde ich zu ihm hingezogen. Als ich direkt vor dem Steg angekommen war entdeckte er mich. Er ging wieder in die Hocke und beobachtete meine Flosse wie sie unruhig im Wasser zuckte. "Hab keine Angst. Ich tue dir nichts." flüsterte er leise. Seine Stimme verzauberte mich vollkommen. Ich wusste, dass das der Anfang von etwas Großem war und innerlich wurde ich ruhiger. "Wie heißt du?" fragte der schöne Mann. "Freija" antwortete ich so leise wie möglich. "Freija, ein wunderschöner Name" Eine Woge der Gefühle übermannte mich, als er meinen Namen sagte, so einfühlsam und vertraut. "Ich bin Nick" sagte er und reichte mir die Hand hin. Ich wusste nicht, was ich mit dieser Hand machen sollte und sah ihn einfach nur an. Mit einem verwirrten "oh" zog er sie wieder zurück und sah mir dann direkt in die Augen. In dem einen Moment,konnte ich in sein Herz sehen, es war rein und tiefgründig wie das Meer. Seine tiefblauen Augen waren so sanftmütig, dass ich mich völlig gehen ließ und gar nicht bemerkte, wie er sich sein Shirt auszog und ins Wasser sprang. Erschrocken von dem Aufklatschen im Wasser verschwand ich. Doch dann hörte ich seine Stimme, die nach mir rief. Ich wurde langsamer und tauchte wieder auf. Er war im Wasser und sah in meine Richtung. Eilig kam er auf mich zu geschwommen. Mein Herz klopfte so laut und heftig, dass ich Angst hatte, er könnte es hören. "Nimm mich mit, Freija. Nur ein Mal." flüsterte er. Ohne nachzudenken nahm ich seine Hand und wir schwammen in einem gemäßigten Tempo so weit aufs Meer hinaus, dass uns niemand mehr sehen konnte. Als wir an einem Felsen ankamen, machten wir halt. Vorsichtig hievte ich mich auf den Felsen und half danach auch Nick. Als sich meine Beine zurückverwandelten konnte ich seinen verwunderten Blick auf mir spüren. "Ich bin eine Halb-Meerjungfrau. Meine Mutter war ein Mensch." erklärte ich ihm. Er lächelte mich an und machte es sich auf dem Felsen bequem so gut es eben ging. "Ich habe so jemanden wie dich noch nie gesehen. Es gibt euch also wirklich. Ich dachte immer, ihr wärt nur ein Mythos." sagte er und betrachtete mich. Als Antwort nickte ich ihm nur zu und lächelte. Die Sonne verschwand schon hinter dem Horizont als ich mit Schrecken bemerkte, dass Nick noch da war. "Ich bleibe hier, bei dir." antwortete er müde und schloss die Augen. "Morgen ist auch noch ein Tag." Dann war er eingeschlafen und die Nacht umhüllte uns. Sein gleichmäßiger Atem machte mich schläfrig und bald war auch ich eingeschlafen. So schliefen wir also alleine unter dem schützenden Nachthimmel auf einem Felsen mitten auf dem Meer. Am nächsten Morgen wurde ich sehr unsanft geweckt. Mir stieg das Wasser so plötzlich ins Gesicht, dass ich völlig panisch mit dem Armen um mich schlug. Bald schon entwickelte sich meine Flosse und ich konnte klar sehen und richtig atmen. Vor mir sah ich meinen Vater. Ich wusste, dass ich in großen Schwierigkeiten war. "Was soll das, Freija ?" fragte er mich mit donnernder Stimme. Ich schwieg, weil es wohl das beste war. "Du weißt, dass sie gefährlich sind! Was machst du dann hier mit ihm?" "Er ist anders!" versuchte ich mich zu verteidigen, aber ich wusste, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. "Ich will nicht, dass du dich weiter mit ihm triffst!" rief er noch und war dann auch schon weg. Von Panik ergriffen schwamm ich zurück an die Wasseroberfläche. Er lag immer noch schlafend auf dem Felsen. Eine Weile konnte ich ihn nur ansehen, bevor mein Verstand wieder einsetzte. Ich musste ihn schnell weg bringen. Weg von meinem Vater und weg von dieser Welt. Es tat mir weh, zu wissen, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Aber ich hatte mehr Angst vor meinem Vater als vor der Sehnsucht. Vorsichtig weckte ich Nick und wir schwammen zurück zum Steg. "Werden wir uns wiedersehen, Freija?" fragte er noch bevor mich das Meer wieder verschluckte. Durch den Wasserschleier sah ich noch sein trauriges Gesicht, aber ich musste Abstand zu ihm halten und schwamm weiter. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, sinnlos im Wasser herumzuschwimmen. Ich konnte nicht aufhören an Nick zu denken. Wenn ich nah genug an den Steg herankam, konnte ich ihn sehen, wie er jeden Tag bis zum Abend da saß und auf mich wartete. Doch ich hielt mich an das Verbot. Eine Woche später schwamm ich wieder am Steg vorbei, er war nicht da. Vielleicht hatte er es aufgegeben auf mich zu warten, doch dann sah ich jemanden im Wasser schwimmen. Ein Mann. Das blonde Haar erkannte ich sofort und schwamm zu ihm, um ihm zu helfen. Schnell zog ich seinen Körper an Land und versuchte ihn aufzuwecken. Sein Körper war von dem kalten Wasser völlig unterkühlt. Verzweifelt versuchte ich ihn wiederzu beleben, aber ohne Erfolg. Er reagierte nicht. Vor Verzweiflung flüchtete ich zurück ins Meer. Ich schwamm so schnell ich konnte ziellos im Meer herum. Hauptsache weg. Weg von ihm, der dort tot im Sand lag. Tränen vermischten sich mit dem Meer und bildeten bunte Spuren im Wasser. Ein schmerzerfüllter Schrei bahnte sich einen Weg durch meine Kehle in die Freiheit. Alles andere um mich herum war still. Meine Verzweiflung wuchs mit jedem Meter den ich zwischen mich und Nick brachte. Ich kannte ihn kaum und würde auch nie die Gelegenheit bekommen dies zu ändern. Ich tauchte so tief, dass es immer dunkler wurde und ich nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen konnte.
Dort verkroch ich mich für viele Jahre und niemand fand mich je. Bis heute, hatte ich niemanden gesehen und habe mich nie einsam gefühlt. Immer sah ich Nick vor meinen Augen, wie er leblos im Sand lag. Meine Freunde würden sagen, dass ich verrückt war. Aber das war mir egal. Mein Leben hatte keinen Sinn. Tagein tagaus saß ich in meiner Höhle und dachte nach. Eigentlich wollte ich nicht mehr leben, aber es ergab sich nie die passende Gelegenheit.
Plötzlich spüre ich einen stechenden Schmerz in meiner Flosse und ich schreie auf. Erschrocken sehe ich nach hinten und sehe einen großen Fisch mit riesigen spitzen Zähnen der meine Flosse hin und her reißt. Mit einem heftigen Ruck wird mir schwarz vor Augen und das letzte was ich noch denke ist, dass ich jetzt endlich mit ihm zusammen sein könnte und niemand kann es mir verbieten. Nicht einmal mein Vater. Dann füllten sich meine Lunge und meine Nase mit Wasser und endlich bin ich von der großen Last befreit, die mich all die Jahre meiner Verzweiflung verfolgt hatte.

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Tag der Veröffentlichung: 12.06.2011

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