Vorwort:
Meine Augen waren geschlossen, dennoch nahm ich meine Umwelt stärker den je wahr. Ich spürte die Kälte, die meinen Körper umgab. Ich hörte die Stille des Waldes. Ich roch das frische Blut, dass aus meinen Wunden floss.
Das Gewicht des Schnees, der auf mich herabfiel wurde immer schwerer. Doch wehren konnte ich mich nicht, denn mein Körper war wie betäubt. Ich hatte auch keine Stimme mehr, um zum schreien. Ob überhaupt jemand kommen würde, wenn ich schreien würde? Ich bezweifelte es. Die Last des Schnees wurde immer erdrückender und das Atmen fiel mir schwer. Ich wusste, welches Schicksal mir nun bevorstand und ich wollte mich dagegen wehren, doch es war zu spät. Keiner würde mich je finden, denn der Schnee fiel weiter ohne Rücksicht auf Verluste.
Bald wusste ich nicht mehr, ob es der Schnee war, der mich erdrückte oder die Schwäche, die nun immer mehr die Überhand gewann. Zum ersten Mal empfand ich Angst. Angst vor dem, was nun geschehen würde, Angst vor der Schwäche die mich umgab, Angst davor, alles zurückzulassen.
Wie lange lag ich nun schon hier? Minuten? Stunden? Ich wusste es nicht.
Die Gewaltige Kraft der Schwäche überrannte mich mit einem Mal und ich hatte keine Kraft, weiter dagegen anzukämpfen.
Ich gab mich meinem Schicksal hin und schlief ein...
Kapitel 1
„Emily? Geht es dir gut?“
Ich erschrak aus meinen Gedanken und sah Sophie, die direkt neben mir im Pausenhof stand, an. Ihre Besorgnis stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Klar, wieso nicht?“, antwortete ich lässig. Sie ist meine beste Freundin doch manchmal ging mir ihre Überbesorgnis um mich ein wenig auf die Nerven. „Nun ja, die Prüfungen stehen bald an. Macht dich das nicht auch nervös?“. Das große Thema Prüfungen. Es geht kaum mehr um etwas anderes. Ich seufzte und sagte: „Natürlich. Aber es bringt auch nichts, sich ständig darüber den Kopf zu zerbrechen.“ Sie nickte und ich dachte, damit wäre das Thema erledigt. Wie so oft lag ich da aber völlig falsch. Nach wenigen Augenblicken sagte sie: „Ja, aber sich gar keine Gedanken zu machen wäre auch falsch. Schließlich predigt uns die Schneider doch immer, dass diese Prüfungen für unser Leben entscheidend sind.“
Oh ja, wie Recht sie damit hatte. Doch ich war genervt und wollte einfach nicht mehr darüber sprechen. Also sagte ich: „Ja natürlich, aber jeder Schritt den wir tun kann unser Leben entscheiden. Ich sage nicht das wir uns gar keine Gedanken machen sollen, ich meine, wir sollten nur nicht jede Minute damit Verbringen uns Sorgen darüber zu machen.“
Jetzt schien sie nachdenklich und ließ das Thema letztendlich auf sich beruhen – endlich.
Es klingelte schrill. Das Zeichen, dass die Pause nun vorüber war. Ein lauter und vor allem grässlicher Ton, den man am liebsten loswerden würde. Also gingen ich und Sophie wieder in die Klasse und setzten uns. Kurz nach uns kam auch Frau Schneider, unsere Mathe Lehrerin in die Klasse. Sie war keine sehr beliebte Lehrerin und auch ich bekam das Gefühl nicht los, dass sie mich nicht leiden kann. Doch das musste ich mir wohl einbilden, denn das Gefühl hatte ich bei jedem Lehrer.
Selbstverständlich waren alle augenblicklich still und sie begann mit dem Unterricht. Die Uhr war glücklicherweise direkt über ihr, doch jedes Mal wenn ich darauf schaute, hatte sich der Minutenzeiger keinen Stück bewegt. Ich bekam schon innerliche Panik, dass die Uhr kaputt sei, doch kurz nach diesen Gedanken bewegte er sich von 12.15 Uhr auf 12.16. Das würde wieder einmal eine schrecklich lange Unterrichtsstunde werden.
„Emily? EMILY?“, und schon wieder wurde ich aus den Gedanken gerissen. Frau Schneider sah mich vorwurfsvoll an und tippte ungeduldig mit dem Fuß. Ich drehte meinen Kopf hilfesuchend zu Sophie. Ich hatte keine Ahnung was die Schneider jetzt von mir verlangte. Sie flüsterte mir die Antwort zu und ich sagte laut und deutlich „534“. Frau Schneider nickte nur leicht und schrieb die Antwort auf die Tafel. Ich war erleichtert, schließlich hätte das auch schiefgehen können. Und das konnte ich mir so kurz vor den Prüfungen nicht leisten. Den Vortrag über meine Zukunft konnte ich mir jetzt wirklich ersparen.
Ich sah wieder auf die Uhr, und bemerkte, dass gerade erst 15 Minuten vergangen sind. Das verärgerte mich seltsamerweise ziemlich. Machte die Uhr das mit Absicht? Wollte sie den Rest meiner Geduld auf die Probe stellen? Ich spürte die Wut in mir köcheln selbst wenn ich wusste, dass dies absolut überflüssig war. Ich hoffte die Uhr würde einfach tot umfallen, wenn ich sie lang genug böse anstarrte. Doch das geschah nicht, stattdessen provozierte sie mich weiter, indem sie ganz langsam eine weitere Minute vorrangig. Ich zog meine kleinen braunen Augen zu tiefen Schlitzen zusammen und wenn man Wut sichtbar machen könnte, wären jetzt wohl Blitze zur Uhr geschossen. Sophie sah mich misstrauisch an. Natürlich verstand sie nicht, weshalb ich so wütend drein blickte. Glücklicherweise merkte Frau Schneider nicht das geringste, auch nicht der ganze Rest der Klasse. Ich wendete meinen Blick kurz von der Uhr ab, um Sophie ins Gesicht zu schauen. Sie sah mich immer noch an, halb misstrauisch, halb fragend. Ich wollte ihr sagen, was mich so wütend machte, doch ich traute meiner Stimme nicht. Ich hatte Angst, sie würde aus Wut einige Oktaven höher klingen. Also schüttelte ich nur leicht den Kopf und wendete den Blick ab. Ich nahm mir vor, nicht mehr auf die Uhr zu starren, doch ich sah sie aus dem Blickwinkel. Ich musste einfach hinsehen. Und seid ich das letzte Mal darauf geschaut hatte, war sie eine ganze Minute vorangeschritten. Es war zum verrückt werden.
Tag der Veröffentlichung: 27.01.2011
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