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Jennifer Sheptat

Ohne mit der Wimper zu zucken, stieß ich ihm das Messer in den Hals.

Haltet mich jetzt bitte nicht für herzlos, aber ich kann nunmal nicht anders.

Er hatte nicht mal mehr die Chance ein ersticktes Röcheln auszustoßen, also hoffe ich, musste er auch nicht lange leiden. Ich mache dies nicht gerne, aber ich bin wirklich gut darin. Keine Spritzerei, unnötige Aufmerksamkeit oder dergleichen.

Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen der Leute, schließlich habe ich keine andere Wahl. Doch es macht mich traurig, dass sie sterben müssen. Schuld trage ich keine an deren Tod. Dafür sind sie selber verantwortlich auch, wenn es meine Hand war, die ihnen diesen brachte.

Ich meine ja nur, was kann ich dafür, dass ich TODs Tochter bin?

Immerhin war es nun ein Auftrag weniger. Nur noch 88 von den ursprünglich 100 Aufträgen vor mir. Ich sollte nicht so schwermütig sein, 12 hatte ich schließlich schon geschafft und nur bei zweien hatte ich bisher Hilfe gebraucht. Trotzdem holte ich etwas melancholisch mein Handy heraus und hakte auf meiner To-Do-Liste den Namen des Toten ab. Vor noch nicht einmal einem Jahr war ich eine ganz gewöhnliche 16-jährige gewesen und jetzt – jetzt hatte ich eine Mordliste. Nicht unbedingt das, was man normal nennen kann. Mein Handy piepste, na super, mein Leben fuhr zurzeit buchstäblich zum Teufel.

Der nächste Auftrag war mir gesendet worden.

Einer mit hoher Priorität, das heißt er musste in spätestens drei Tagen erledigt werden. Und als hätte ich nicht so schon genug Stress, darf ich dennoch montags eine Matheklausur schreiben. Finster sah ich auf das Handy herab und überprüfte, um welche Spezies es sich handelte. Ein Vampir. Schon wieder!

Echt fantastisch, die sind extrem nervig, weil die meistens ziemlich große Schwierigkeiten machen, wenn man sie ins Totenreich beordert. Bis zu einem gewissen Grad finde ich das ja auch verständlich, aber ich mache bloß meinen Job und die brauchen ihren Frust nicht mit Krallen und Zähnen an mir auszulassen. Mittlerweile kommt es erschreckend oft vor, dass ich mich vom Schicksal verarscht fühle.

 

 

 

 

Wehmütig dachte ich darüber nach, wieso mein Leben sich in diese Hölle verwandelt hatte...

 

Ich hatte erst vor kurzem herausgefunden, wer mein Vater war. Ich hatte mich nie sonderlich dafür interessiert, ich hatte ja meine Mom, die mich innig liebte.

Meine Mutter wollte, dass ich wie alle anderen aufwachse und mein Vater, also der Tod, hatte dies auch akzeptiert. Doch dann, in der Pubertät, traten meine Kräfte zum Vorschein, die ich aber noch nicht kontrollieren konnte. Ich hatte einiges von meinem Vater geerbt.

Deshalb gab sich mein Vater mir zu erkennen. Das war erst mal ein großer Schock für mich und von da an ging es mit meinem vertrauten Leben bergab.

Er wollte, dass ich 5 Jahre bei ihm in die Lehre gehe, um zu lernen meine Kräfte zu kontrollieren. Weil ich darauf wirklich keinen Bock hatte, blockierte er meine Kräfte kurzerhand. Denn im Prinzip konnte ich die Realität nach meinem Willen formen, aber sie auch aus versehen zerstören, wenn mein Geist noch nicht ganz gefestigt ist. Diese Blockade war für mich eigentlich kein Problem.

Und wieso ich nochmal die Mordaufträge des Todes erledigte?

 

Die Lebenszeit meiner Mutter war vor ca. einem halben Jahr abgelaufen, da kam mein Vater uns wieder besuchen. Ich wollte sie um jeden Preis und sei er noch so hoch, retten.

Und es hat gewisse Vorteile, wenn der eigene Vater der TOD ist, während man jemanden, den man liebt vor ihm bewahren will.

Deswegen verhandelte ich mit dem TOD.

Hundert Übernatürliche, gegen das Leben meiner Mutter. Denn diese sterben nicht von selbst auch wenn ihre Zeit auf Erden abgelaufen ist und meine Aufgabe ist es, sie in das Reich der Toten zu geleiten.

Im Klartext, ich muss sie umbringen. Es wäre alles viel einfacher, wenn meine Kräfte nicht teilweise blockiert wären, aber er will den Bann nicht von mir nehmen bis ich „gelernt habe mich zu kontrollieren“.  Da sieht man, was für ein Arschloch er ist, mein ganzes Leben lang hat er nichts mit mir zu tun und hat dann die Frechheit mir Befehle zu erteilen?! Dieses Macho-Befehlsgehabe ist so klischeehaft. TOD könnte sich ruhig etwas entgegenkommender benehmen. Ich mein ja nur, er existiert schon seit es das Leben gibt, was aus meiner Sicht ziemlich lange ist. In dieser Zeit hätte er doch ein paar Manieren lernen können?

Aber damit ich wenigstens meinen Job erledigen kann, hat er mir sein Messer gegeben und Teile meiner Kräfte freigeschaltet, die ich brauche, um die Aufträge zu erfüllen. TODs Klinge bringt jeden zu ihm. Oder ich muss die Opfer einfangen und persönlich vor die Tore des Totenreichs befördern.

Den Übernatürlichen den Tod zu bringen, bereitet mir, obwohl ich ein relativ normal aufgewachsener Teenager bin, keine Probleme.

Denn schließlich bringe ich sie nur an einen anderen Ort, in das Reich der Toten.

Also befördere ich sie nur in eine andere Dimension.

Das redete ich mir nach jedem Auftrag ein, um nicht vor Gewissensbissen umzukommen.

Ich kann mich nur überwinden für die, die ich liebe zu morden, wenn ich das Messer meines Vaters in der Hand halte.

Der TOD kennt kein Gut oder Böse.

Er teilt das Leben nicht in Kategorien ein, schließlich ist er TOD.

Deshalb verschwindet jegliches Gewissen, sobald man sein Messer in der Hand hält.

Jeder muss irgendwann sterben und TODs Messer weiß, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Ich weiß leider nicht, wie es den Verstorbenen im Totenreich geht, als Lebendige darf ich dort nicht hinein.

 

Mürrisch und entnervt sah ich, auf das Vibrieren meines Handys, das mich in die Realität zurückholte, mir eine sms an: JENNIFER SHEPTAT, WO BLEIBST DU?!! HDL!

Oh Fuck! Das hatte ich total vergessen, Kayla und ich hatten heute noch Kampftraining. Wir beide lieben actionreichen Sport. Wenn wir wegen mir schon wieder die Bahn verpassten, würde Kayla mich umbringen. Ok, das würde schwer werden, weil ich die Tochter des Todes bin, aber ihr wisst was ich meine.

Ich konnte sie echt nicht mehr sitzen lassen, es war schlimm genug gewesen, als ich ihr sagen musste, dass ich nicht mehr so oft zum Training kann, sondern nur noch einmal die Woche. Das war schon ein riesen Drama gewesen. Manchmal war es ganz schön kompliziert meine “Arbeit“ mit meinem Sozialleben zu koordinieren. Ich hatte ungefähr einen Auftrag pro Woche und erst bei zweien hatte ich Hilfe gebraucht.

Gestresst hastete ich los. Zum Glück kam ich gerade noch rechtzeitig bei Kayla an, die mal wieder Telefonterror, während des ganzen Weges zu ihr, gespielt hatte. Erst in der Bahn umarmten wir uns und begrüßten uns richtig.

Kayla war noch immer traurig, dass wir uns nicht mehr so oft sahen und sauer, dass ich ihr erst so spät von meiner Entscheidung erzählt hatte. Ich vermisste sie allerdings auch. „Jenny, meine Woche war sowas von für den Arsch,“ legte sie los und ich meinte schmunzelnd : „Schatz erzähl, was ist passiert?“ hörte ihr geduldig zu und tröstete sie. Ich hatte sie einfach so lieb. Sie hatte wohl eine Woche mit vielen doofen Zufällen gehabt, Kaffee in der Schultasche und sowas und mir tat es gut, so etwas normales zu unternehmen. So kam wenigstens etwas Ruhe in meine aufgewühlte Welt. Das lenkte mich von dem ganzen Mist, der mir zurzeit passierte, ab. Ich verdrängte den Gedanken, ich wollte schließlich nicht schon wieder zu so einer deprimierten Kartoffel werden. Das mit der deprimierten Kartoffel stammt auch von Kayla.

Unser Lehrer begrüßte uns, wie immer liebenswert:" Na ihr Walrösser, wie gehts?" Ein empörter Aufschrei von Kayla:" Toni!" Sie schnappte sich einen der Kulis, die überall zum Unterschreiben der Anmeldung herumlagen und bewarf ihn damit _"Ui heute haben wir aber ein wütendes Walro.." Klatsch.

Ein Kuli hatte ihn knapp verfehlt. Nur zur Erklärung, welches Verhältnis wir  zu unserem Trainer haben, wir waren schon vorher befeundet gewesen und er war mein Cousin.  Ich grinste:" Du hättest dich nicht vor ihm selber als Walross bezeichnen sollen" Kayla verzog das Gesicht:" Ja ich sehe ein, das war wohl ein Fehler, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass dieser Möchtegerntrainer mich mobbt" Toni brüllte jetzt selber wie ein Walross:"Möchtegerntrainer?" Kayla rannte um ihr Leben und warf dabei Kulis hinter sich. Wir anderen feuerten sie an.

Ja so war das bei unserem Taekwondo immer, kurz vor Beginn des tatsächlichen Trainings.

Das mit dem Walross und dem Kuliwerfe, war schon fast ein Ritual zwischen den beiden und danach war ich ein wenig lockerer, meine Freunde hatten mich wieder aufgeheitert.

 

Endlich war ich bei ihnen wieder gut gelaunt. Es war nicht so, dass ich meine traurige Seite hinter einer fröhlichen Maske vor ihnen versteckte. Ich hatte mehrere Seiten und war vielfältig, wie jeder Mensch. Und sie brachten die fröhliche Seite in mir hervor, so war ich dann auch wirklich. Viele kennen mich auch nur als das fröhliche, gewitzte Chaoskind. Bei einigen von denen stört mich dann aber, dass es sich anfühlt, als würden sie von mir erwarten, immer so zu sein und als hätte ich kein Recht darauf, auch mal mies drauf zu sein. Schließlich hatte ich es zurzeit nicht unbedingt einfach. Kayla liebte ich dafür, dass sie jede Seite von mir akzeptierte und mochte, auch die traurigen und ernsten, auch wenn ich das bei ihr wirklich selten war.

Von meinen Schulfreunden war ich etwas enttäuscht, dass sie meine schlechte Laune zwar tolerierten, sie jedoch sofort so entnervt davon waren, dass sie dann schnell zickig wurden. Deshalb versuchte ich mich in der Schule mit dem Grummeln zurückzuhalten. Kayla ging leider nicht auf mein Gymnasium, deshalb verabschiedete ich mich von ihr bis zum nächsten Training.

Müde kam ich zu Hause an, auf Hausaufgaben hatte ich einfach keine Lust mehr und bis zum Wochenende und Herbstferienanfang hatte ich bloß noch den Freitag vor mir. Nachdem ich geduscht hatte, ließ ich mich erschöpft ins Bett fallen, ich nahm mir vor früher aufzustehen, denn wenn ich nochmal zu spät komme, würde mein Lehrer mich umbringen. Da war ich mir 100-prozentig sicher.

 

Morgens schrillte mein Wecker, wie immer um viertel nach sechs und wie immer blieb ich ,trotz meines guten Vorsatzes früher aufzustehen, bis viertel vor sieben liegen, raste hektisch ins Bad und machte mich so schnell es ging fertig. Den größten Teil der Zeit verbachte ich damit mein Spiegelbild entmutigt anzustarren. Ich bin zwar nicht hässlich, aber ich mag mein Aussehen nicht besonders, und wieso musste diese Person im Spiegel ich sein?

Früher hatte ich richtige Komplexe wegen meines Aussehens gehabt, die ich mittlerweile jedoch größtenteils überwunden hatte, worauf ich auch stolz war. Meine Akne war so schlimm gewesen, dass ich bei jedem Blick in den Spiegel am liebsten geheult hätte. Mittlerweile war meine Haut eigentlich ziemlich gut, dennoch verzweifelte ich bei jedem kleinen Pickel, und natürlich hatte ich heute einen, doch er ließ sich mit Gersichtstonic überdecken. Trotzdem, bei meinem Äußeren hatte ich einfach dieses Nein-Gefühl und ich weiß, das ist nicht kreativ, aber bei jedem Pickel denke ich einfach nur noch bäääh. In diesem Fall fand ich es echt unfair von meinem Vater, dass er mich meine Kräfte nicht gebrauchen lies. Sonst hätte ich mein Gesicht und meinen Körper bis zur Perfektion verändern können.

 

Bis aufs Haare kämmen, war ich fertig, das konnte ich beim Laufen auch noch.

Und wie fast jeden morgen sprintete ich los, um nicht zu spät zu kommen.

Ich joggte, während ich mir die Haare kämmte, an Cafes und Bars vorbei, was mir einige komische Blicke einbrachte, außer von denen, die mich schon kannten. Ich grinste, ich hatte kein Problem damit so... individuell zu sein.

Da, wo es voller wurde, musste ich langsamer laufen, um niemanden umzurennen. Plötzlich schoss ein etwa 60 jähriger, fetter Mann aus einer Bar auf mich zu und hielt mich fest. Wegen ihm flog ich fast hin. Davon noch geschockt, kam es mir nicht in den Sinn mich zu wehren. Ich war zwar schon oft von irgendwelchen Perversen dumm, seltsam oder ekelhaft angemacht worden, aber angefasst hatte mich dabei noch keiner.

Er packte mich so fest am Arm, dass es wehtat und begann mich anzuschnauzen und zu beleidigen, keine Ahnung wieso. Das war mehr als nur Antipathi, es war Abscheu gegen ihn, was in mir hochkroch. Als er die Hand hob und mich schlagen wollte, erwachte ich endlich aus meiner Erstarrung und rief so laut, dass es jeder hinter mir hörte: „Fassen Sie mich nicht an!“ Ich merkte ,dass ich die Menge auf meiner Seite hatte, alle schienen empört über den Mann zu sein. Endlich griff jemand von den Leuten hinter mir ein und fuhr den Mann an: „Ey, lassen Sie die junge Frau los, sie können hier nicht einfach irgendein Mädchen schlagen!“ Er lies mich los und ich sprang sofort von ihm weg und stürmte davon. Ich versuchte denjenigen, der sich für mich eingesetzt hatte, in der Menge auszumachen, sah ihn aber erst als er mir zurief: „Pass auf dich auf und sei vorsichtig, diese Gegend hier ist gefährlich.“ Verdammt, sah der gut aus. Er war ungefähr Anfang zwanzig und hatte ein stark definiertes, ebenmäßiges Gesicht mit gerader Nase, dunklen Haaren und Augen, wie tiefe Tümpel und einen heißen Körper konnte man unter seinem Shirt ebenfalls vermuten. Zum Dank lächelte ich ihm zu und joggte dann wieder los. Der alte Mann schrie mir noch hinter her:" Ja lauf nur, lauf TODs Schlampe!". Mein Atem ging schneller, wie sollte er mich erkannt haben? Das war nicht möglich. Ich schob den Gedanken beiseite. Wahrscheinlich war er betrunken, obwohl es früh morgens war.

Aus irgendeinem Grund zog ich solche Leute an. Ich wurde erstaunlich oft von Wahnsinnigen, wie dem da, scheiße angemacht.

Zum Glück war ich jetzt aus dieser Situation raus.

Danach war ich zuerst ziemlich verstört und aus der Fassung, empfand es aber als überflüssig und peinlich, dass meine Unterlippe zitterte. Das musste doch nicht sein. Wenn ich jetzt anfangen würde zu heulen, würde ich mich selber ohrfeigen.

Doch dann überströmte Erleichterung mich, ich fing albernerweise zu kichern an, das schiebe ich mal auf das Adrenalin, es war wirklich zu dämlich, wieso ziehe ausgerechnet ich solche Verrückten an?

Zudem war ich TODs Tochter und kein normal Sterblicher konnte mir wirklich etwas anhaben. Aber an diese Vorstellung musste ich mich erst noch gewöhnen. Ich kam gerade noch pünktlich an und herzlich umarmte ich zwei Freundinnen und einen Freund von mir zur Begrüßung. Lachend erzählte ich ihnen, was gerade passiert war.

Sie lachten gerade mit mir den alten Sack aus, da kam Jonathan ein absoluter Vollidiot und meinte, mal wieder unglaublich witzig: „ Boah Haha, ihr seid ja wieder so lustig und cool,“ dabei sah er uns auf dermaßen widerliche herablassende Art an, dass ich schon wieder anfing vor Wut zu kochen. Sobald er in mein Blickfeld trat, war das bei mir Dauerzustand.

Es war zwar nicht schlimm, was er gesagt hatte, aber die Art auf die er das machte, brachte mich zur Weißglut. Zudem ist er ein richtiger Ekel, er ist gegen fast jeden rassistisch, gegen den man rassistisch sein kann und diskriminiert alles, was nicht seiner Vorstellung vom perfekten Durchschnitt entspricht. Außerdem machte er meine Freunde immer herunter. Besonders abstoßend war es für mich, dass er eine Freundin von mir, die stotterte, immer wieder beleidigte und dann auslachte, wenn sie nicht antworten konnte. Man kann hoffentlich verstehen, wieso ich ihn nicht leiden kann.

Geladen fauchte ich ihn an: „Jonathan verpiss dich einfach, niemand zwingt dich, uns zuzuhören, wir können auch nichts für dein beschissenes Leben, dass dich niemand will und deine Mami dich nicht lieb hat, also halt einfach die Fresse!“ Meine Beschimpfungen waren relativ aus der Luft gegriffenen, aber ich mochte es eigentlich nicht, persönlich zu werden, das verletzt schließlich am meisten. Dabei entwickelte ich einen Widerwillen gegen mich selbst, denn ich wusste genau, dass seine Mutter ihn herausgeschmissen hatte, unterdrückte das Mitleid für ihn jedoch. Zudem kann ich schlecht vulgäre Wörter benutzen, ich glaube, in der Hinsicht bin ich einfach prüde.

Und ich weiß nicht wieso, aber alle sagen immer, dass ich süß bin, wenn ich mich echauffiere, deshalb feixte Jonathan nur, aber immerhin lief er von uns weg, zu seinen genauso “charmanten“ Freunden. Jade knuddellte mich: "Du bist einfach nur so knuffig, wenn du dich aufregst."  Langsam beruhigte ich mich wieder und meine Freunde grinsten ein wenig, wofür ich ihnen jedoch nicht böse war. Jade ist einfach einer meiner Knuffels, sie ist ein total süßer Mensch, den man einfach lieb haben muss und sie kuschelt sehr gerne.

Mal wieder begann der eintönige Schulalltag, aber ich hatte heute einige Kurse mit ein paar guten Freunden von mir, was die Stunden bis zum Herbstferienanfang erträglicher gestalten würde. Ach und am Wochenende durfte ich mich ja noch auf den Vampirauftrag freuen.

Ich sah es jetzt schon, das würde ein fantastischer Tag werden.

Lehrer und andere Miseren

"Jenn, Jenn!" leider überhörte ich das eindringliche Flüstern neben mir. Erst als Herr Nordan mich ansprach, erwachte ich aus dem Halbschlaf:"Miss Sheptat, wenn Sie glauben Sie hätten es nicht nötig dem Unterricht zu folgen, können Sie genauso gut nach Hause gehen, Ihr Tisch ist kein Schlafplatz." Innerlich seufzte ich auf, erwiederte aber bloß:" Ja Herr Nordan, tut mir Leid Herr Nordan", in dem typischen monotonen Singsang gelangweilter Schüler. Er begnügte sich damit.

Caroline gelang es sogar mich auzumuntern:" Hey, lass dich davon nicht runterziehen, du kannst ja nichts dafür, dass er so einschläfernd ist. Allerdings hat er einige wirklich bewundernswerte Fähigkeiten, ich meine, er schafft es diese kaugummiverschmierten Tische richtig gemütlich werden zu lassen," ich wollte meine Grummellaune, die Caro schon bemerkt hatte, noch nicht ganz aufgeben, trotzdem stahl sich ein kleines Grinsen auf mein Gesicht.

Meistens war ich ja sehr fröhlich, aber ich hatte die Ahnung, dass dies nicht mein Tag werden würde und ich hatte gerade einfach Lust darauf weiterzuschmollen.

Nordan ist Mathe und Sport Lehrer, diese Kombination zwingt einen geradezu ihn zu hassen. Trotzdem verhielt ich mich ihm gegenüber respektvoll, er war einer der Lehrer vom alten Schlag, die am liebsten den Rohrstock wieder eingeführt hätten, obwohl er noch gar nicht so alt war.
Insgeheim hatten alle die Vermutung, dass er einfach nur frustriert war und aus sadistischen Gründen Lehrer geworden war. Aber eins musste man ihm lassen, die Schüler hatte er unter Kontrolle.

Als das Schellen mich erlöste, gab Caro ein beunruhigendes:" Ääääh", mit Blick auf meinen Kopf von sich_"Was ist los?" Sie wusste, dass ich in Schmolllaune empfindlich war und zögerte. Da fing ausgerechnet Jonathan an zu lachen:" Ahaha du hast Kaugummi in den Haaren." Die Tür fiel hinter ihm zu bevor ich die Chance hatte etwas Intelligentes zu erwiedern, doch darauf wäre mir vermutlich sowieso nichts geistreiches eingefallen. Jetzt stöhnte ich und war mir sicher, dass ich im selben Maß das Gesicht zu einer dummen Grimasse verzog, wie ich genervt war.

"Komm wir versuchen dich wieder in Stand zu setzten und guck nicht so", setzte Caro hinzu, was meine Vermutungen bestägtigte. Sie zog mich mit auf die Toilette und versuchte mir das klebrige Zeug aus meiner Mähne zu frimeln. Wenn ich Mähne sage, meine ich das auch. Ich hatte lange, lockige,schwarze, sehr bauschige und volle Haare, also das perfekte Kaugumminest.

Ich hörte Caro fluchen, doch das Schlimmste war als sie noch ein "Äääh" von sich gab. "Bitte sag alles, aber komm mir nicht mit Äh"_"Ich fürchte ohne Schere kommen wir hier nicht aus." Ich wich zurück, als ich das Ding schon in ihren Händen erblickte. Entschieden wies sie mich zurecht:" Lass den Hundeblick. Das sieht albern aus und Jammern hilft auch nichts." Ich ergab mich meinem Schicksal und ließ sie trotz Schere in der Hand in die Nähe meiner Haare. Zum Glück sah man bei meinen Haaren nicht so stark, dass eine Strähne fehlte.

Dankbar verabschiedete ich mich von Caro, die winkte lächelnd ab:" So hatte ich wenigstens die Möglichkeit mal Haare zu schneiden." Ich drückte sie fest zum Abschied

und ich würde mich dann mal bei Einbruch der Nacht auf Vampirjagd begeben. Als wär der Tag nicht schlimm genug gewesen, ich war sogar schon fertig von meiner eigenen Jammerlaune.

 

 

 

Ich hasse Vampire!

Traurig blickte ich hinunter auf die Waage.

Zwei Kilo. Ich hatte zwei Kilo zugenommen und weil ich wegen der Kaugummigeschichte zusätzlich deprimiert war, hatte ich voller Verdruss nach dem Mittagessen noch eine Tafel Schokolade gegessen.

Und jetzt merkte ich schon wie mein Bauchumfang sich vergrößerte. Missmutig, wie ich war, wollte ich auch nicht einsehen, dass ich mir dies vermutlich einbildete.

 

Der spöttische Teil von mir meinte dazu, hey da ist eine Vampirjagd doch genau das Richtige, dabei verbrennst du ein paar Kalorien.

Wieso der spöttische Teil von mir in der zweiten Person über mich dachte?

Keine Ahnung, ich hatte schon vor langem den Versuch aufgegeben, mein Gehirn zu verstehen.

Außerdem ist das Leben eindeutig lustiger, vielfältiger, kreativer und interessanter, wenn man mehrdeutig denkt. Auch wenn meine Freunde, als ich einmal die Sorge hatte, nicht individuell genug zu sein, meinten ich sei der einzigartigste Mensch den sie kennen, glaubte ich dies nicht ganz.

Jeder ist doch vielschichtig und lässt nicht jede Seite von sich an der Oberfläche durchscheinen.

 

Eine Vampirjagd ist außerdem besser als Waightwatchers.

Dieser Gedanke brachte mich dazu, mich aufzurappeln.

Wüst stopfte ich einigen Kram den ich für die Jagd brauchte in meinen Rucksack.

Zuletz das Messer.

Jedes mal, wenn ich es mitnehmen musste, stieg der alte Zorn über meinen Vater in mir auf.

Zugegeben, es ist eigentlich unpraktisch, ein Messer in seinen Rucksack zu stecken, wenn man es schnell herausziehen muss, aber ich konnte ja schlecht damit im Gürtel herumlaufen, da würde man mich gleich für einen Attentäter halten. Normal Sterbliche konnten das Messer nicht sehen, aber die Übernatürlichen, die durch die Stadt streiften schon.

 

Es war schon ziemlich dunkel.

Früher wollte ich nie in dunkle Gassen gehen, doch jetzt war die Finsternis mein Verbündeter.

Wenigstens erleichterte sie mir die Arbeit.

Trotzdem gruselte ich mich etwas, als der Wind durch die verlassenen Straßen heulte.

Vor mir entstand ein Wirbel, in dem Blätter hochgeweht wurden.

Davon gab es hier mehrere in dieser Straße.

Irgendwie finde ich das etwas ironisch, dass ich TODs Tochter, direkt gegenüber von einem Friedhof wohne. Mein spöttischer Teil meldete sich wieder.

So beginnt eine dieser herrlich klischeehaften Schauergeschichten, in denen ein einsames Mädchen vor dem verlassen Friedhof steht. Zum Glück habe ich keine Angst vor Gruselfilmen, ich schüttelte den Kopf. Ich sollte mich echt mehr zusammenreißen. Dies hier war schließlich kein Film.

Auf dem Parkplatz stand nur eine einzige Laterne am Eingang und die flackerte auch noch.

Das einzige was noch fehlte, war der Typ mit der Clownsmaske, der irre lachend mit einem Messer auf mich zukommt.

Mir war klar, dass ich mich nur über die Situation lustig machte, um mich abzulenken und meine Furcht zu unterdrücken.

 

Denn obwohl ich als TODs Tochter eigentlich nicht in Gefahr bin, schnürte sie mir doch die Kehle zu.

Erschrocken fuhr ich herum, als etwas hinter mir raschelte.

Ich ballte die Fäuste und atmete ruhig weiter, trotzdem klang dieses Geräusch in der Stille die nur vom Rauschen des Windes sehr beunruhigend.

Ich wusste, dass der Vampir auf dem Friedhof war, das stand auf meinem Handy.

Keine Ahnung wie TOD das hingekriegt hatte.

Ich sah noch einmal zurück zu der flackernden Laterne und trat auf den Friedhof.

Dort war es zwischen den hohen dunklen Tannen, die die erste Alle säumten, bedeutend dunkler.

Das einzige Licht kam von den roten Totenlaternen, die man manchmal zwischen den Bäumen leuchten sah. Ihr Schein reichte jedoch kaum, meinen Weg zu erhellen.

 

Meine Sinne waren in der Dunkelheit geschärft und jedes Geräusch kam mir unnatürlich laut vor.

Meine Schritte hallten mir in den Ohren. Mein Herz klopfte immer stärker.

Jetz konnte ich es nicht mehr leugnen, ich hatte Angst.

Keine Angst vor den Toten, mehr vor dem was in der Dunkelheit lauerte.

Vor dem, was ich nicht sehen konnte.

Ich hatte mir früher immer gesagt, habe keine Angst vor dem Unbekannten, sie verschließt die Augen, auch vor dem Guten und macht uns selber zu Monstern, die deshalb das Unbekannte vernichten.

Deshalb beruhigte ich mich.

Mein Kiefer war verkrampft, aber ich zitterte nicht.

Ich versuchte meine Scheu herunterzuschlucken und atmete wieder ruhiger.

Obwohl ich das Grauen, was in mir aufgestiegen war, unterdrückt hatte,

zog sich eine Gänsehaut meinen Rücken herunter.

 

Eine Amsel zwitscherte. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Dieses Geräusch passte nicht hierher.

Nicht nur weil es zu fröhlich für einen gruseligen Friedhof war, Amseln singen in der Nacht nicht.

Aufmerksam suchte ich nach ihr.

Ich duckte mich und spannte meine Muskeln an, doch dieses Mal war es keine Angst die in mir aufstieg, es war mehr die Wachsamkeit einer Jägerin.

Langsam ließ ich den Rucksack von meinem Rücken gleiten und zog das Messer.

Ich war Jennifer Sheptat, die Tochter des Todes, nichts konnte mir etwas anhaben.

 

Hinter mir schlug etwas auf den Boden auf. Ich wendete mich dem zu.

Da stand ein Mann, ca mitte zwanzig. Wie jeder Vampir musste er natürlich gut aussehen, sodass ich mich neben ihm wie das hässliche Entlein fühlte.

 

 "Hallo Kleine, na wie gehts denn so?"

Jeglicher Schrecken war von mir abgefallen, also antwortete ich furchtlos: "Dein ernst? Du triffst nachts auf einem Friedhof ein einsames Mädchen und dir fällt nichts besseres ein als`wie gehts`? Maaan bist du langweilig"

Also wenn jemand geistig so fruchtlos ist, muss man doch etwas dazu sagen.

Seine Augen verengten sich zu Spalten.

 

Vor Vampiren hatte ich komischerweise keine Angst. Viel mehr vor dem, was ich nicht sehen kann und da er jetzt da war und mich ablenkte, hatte ich keinerlei Scheu mehr.

Plötzlich stand er dicht vor mir, so schnell wie es eben nur Vampire können.

"Bemüh dich doch mal etwas mehr, das ist schrecklich unoriginell. Hast du keine bessere Idee als das O-mein-Gott-ich-kann-mich-super-schnell-bewegen-und stehe-plötzlich-vor-dir. Wir spielen hier schließlich nicht Twilight." So unzufrieden, wie ich konnte, guckte ich ihn an. Leider musste ich dabei zu ihm aufschauen, er war zwei Köpfe größer als ich.

Man merkte ihm seine Verwirrung an, es war unwahrscheinlich, dass sich seine Opfer sonst so verhielten.

Er verhärtete sein Gesicht, vermutlich ein Versuch böse zu gucken.

Ich unterdrückte ein Lachen, ein wenig bedrohlich wirkte er doch.

Mit düsterer Stimme zischte er:"Wieso auf einmal so mutig? Gerade eben noch habe ich dein Herz rasen hören"_"Na das dürfte es bei deinem Anblick wohl nicht mehr"_"Unterbrich mich nicht!" dieses Kreischen klang reichlich wenig einschüchternd, ich hatte ihn wohl etwas aus der Fassung gebracht.

Er brachte seine Stimme wieder unter Kontrolle:"Denkst du dein kleines Messer wird dir irgendetwas nützen? Weißt du überhaupt wer ich bin? Oder besser gesagt, was ich bin?" Gelangweilt von der Konversation, wollte ich sagen, ja natürlich, aber da brüllte er sehr unvampirhaft : " Das war eine rhetorische Frage, du solltest dich jetzt vor Angst am Boden winden!" _ Mir wurde kalt, ich hatte keine Lust mehr auf die Unterhaltung mit dem Vampir also unterbrach ich ihn wieder, er lief ein Stück von mir weg. Verdammt nun, wo er nicht mehr dicht vor mir stand, konnte ich meine Waffe nicht einsetzen:

" Ok, hör zu, lass uns das gleich klarstellen: Ich bin keine Beute! Verstanden?" Er schien noch immer verstört und beleidigt von der Erkenntnis, dass ich nicht zähneklappernd in Tränen ausgebrochen war. Ich seufzte, das nenne ich begriffsstuzig.

Langsam ging ich ihm nach.

Er fing an mit den Fingern zu schnipsen, offenbar seine Unruhe wegen meiner Reaktionen "Hey, eigentlich will ich das hier nicht machen und das tut mir auch echt leid, aber ich kann nichts dafür. Ich bin dafür nicht verantwortlich, das war nicht meine freie Entscheidung. Ok man kann darüber diskutieren, inwiefern man verantwortlich für sein Handeln ist, wenn man egal in welcher Hinsicht frei oder unfrei ist. Aber ich glaube mit dir lohnt sich das nicht." Ich versuchte ihn dazubehalten, indem ich redete und näher an ihn heranzukommen. Sonst nützte mir mein Messer nichts.

Er durfte jetzt nicht abhauen, ich hätte nicht gedacht, dass er so schnell vor mir zurückweichen würde, sonst hätte ich nicht so lange gewartet. Aber ich war froh gewesen nicht mehr allein auf dem Friedhof zu sein.

 

Mittlerweile betrachtete er mich ganz anders, mit einer gewissen Besorgnis und Bangigkeit, als wäre ich das Grauen.

War ich das?

Solche Gedanken durfte ich mir jetzt nicht leisten.

Ich versuchte weniger lauernd auszusehen.

 

 Das ist gar nicht so leicht, wenn du die Person vor dir umbringen willst.

 

Ich erzählte dem Vampir die erstbeste Lüge, die mir einfiel:

"Ich bin eine Hexe und und dich kann ich mit Leichtigkeit besiegen" Ich stieß das sehr hastig hervor, doch am Aufblitzen seiner Augen, war zu erkennen, dass er mir glaubte. Jetzt wusste er, dass ich ihm nichts anhaben konnte. Junghexen sind nämlich noch nicht mächtig genug, um es mit einem Vampir aufzunehmen, und man erkennt eine Junghexe daran, dass ihre Augen nicht im dunkeln leuchten, im Gegensatz zu Althexen.

Leichte Verbrennungen, wären das schlimmste, was er zu befürchten hätte.

 

"Oh wie süß, ein Hexchen"

Er leckte sich über die Lippen und bleckte die Zähne, trotzdem kam er kein Stück näher. Er änderte den Rhytmus seiner trommelnden Finger.

Ich blickte ihn bloß an. Worauf wartete er ?

Der Vampir stand unter einer extremen Anspannung, die Muskeln an seinem Hals zuckten, sein Gesicht war zu einer blutgierigen Fratze verzogen und die Hände zu Klauen geformt. Er schien kurz davor sich auf mich zu stürzen, doch da ertönte eine Stimme hinter mir.

"Halt dich noch zurück, du kannst ihr Blut erst haben, wenn ich mit ihr fertig bin."

 

Es war eine dunkle, leise hauchende Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagte und der Vampir gehorchte ihr.

 

Wovor hatte der er Angst?

"Du verdierbst sie, wenn du ihr zusehr Angst machst"

 

Es sah aus wie ein gewöhnlicher weißer Mann in einem schwarzen Mantel.

Doch nur auf den ersten Blick.

Ich merkte, dass ich ihn nicht wirklich sehen konnte, meine Augen glitten immer wieder an ihm herab, von ihm weg und fixierten etwas anderes. Man konnte ihn nicht ansehen und sein Aussehen definieren.

 

Plötzlich fühlte ich, wie mir Kälte die Beine heraufkroch und ich mich nicht mehr bewegen konnte.

Panik stieg in mir auf, dabei überfiel mich jedoch eine Übelkeits erregende Schläfrigkeit, die die aufsteigende Angst betäubte.

 

Ich wurde immer schwächer je näher der Mann mir kam, der Vampir rührte sich noch immer nicht.

Es fühlte sich an als würde alles Leben aus mir herausgesogen.

Ich wurde immer benommener.

 

Wollte mich nur noch hinlegen, noch wehrte ich mich dagegen, doch meine Kraftlosigkeit nahm zu.

Der Kopf sank mir herab und meine Knie zitterten.

 

Ich schaffte es noch einmal unter einer großen Anstrengung den Mann anzusehen.

Da traf mich sein Blick zum ersten mal direkt. Ein kalter Schmerz durchfuhr meine Glieder und ich spürte wie mein Kopf in tausend Eissplittern explodierte. Ein schriller Schrei entfuhr mir. Es war als würde mir alles Bedeutsame in meinem Leben aus der Brust gerissen.

 

Ich fiel hin, wollte nur noch das dieser Schmerz aufhörte, alles andere war jetzt egal, die Hände schluchzend an den Kopf gepresst.

Doch auch das wurde leiser.

 

Mittlerweile war ich so schläfrig, ja todmüde oder gar lebensmüde, dass ich den Schmerz kaum noch wahrnahm und mich eine Art Ruhe und Frieden überkamen.

 

Dennoch ich war nicht tot und es gab noch immer diesen Hauch der elementaren Angst in mir, die den Willen zu leben weckte.

 

Aber es gab keine Möglichkeit des Widerstandes mehr.

"Du bist dran, sie müsste gleich tot sein," ich vernahm die Geräusche, wie aus einer anderen Welt.

 

Seltsamerweise nahm meine Energie wieder etwas zu, sobald der kalte Schmerz weg war.

Doch nach wie vor war ich zu schwach, um mich zu bewegen, oder auch nur wieder die Augen zu öffnen.

Da fiel es mir wieder ein, ich konnte ja nicht sterben, ich war Jennifer Sheptat, die Tochter des TODES.

Meine Seele konnte ich jedoch verlieren.

 

Weniger hörte ich den Vampir ,als dass ich instinktiv wusste, dass er plötzlich neben mir war.

Nach der typischen blitzschnellen Art der Vampire eben.

 

Er packte mein Handgelenk und sofort fühlte wie das Leben in mich zurückströmte.

 

Denn das war eine der wenigen Kräfte die mein Vater mir gelassen hatte.

Bei der Berührung eines anderen spiegele ich seine körperlichen Kräfte wieder, ich werde also plötzlich genauso stark wie mein gegenüber.

 

Deshalb hatte ich auch so lange mit dem Vampir geredet, damit er mich berühren würde,  was er ja leider nicht getan hatte (Hätte ich mich versucht auf ihn zu stürzen wäre er bestimmt vorher abgehauen.).

 

Genau das Kräftewiederspiegeln passierte mir in diesem Moment mit dem Vampir.

 

Ich sprang auf und drückte den Vampir zähnefletschend gegen einen Baum, das Messer, hatte ich schon gehoben.

Ich sah die Panik in dessen Blick, doch das störte mich nicht, während ich TODs Messer in der Hand hielt.

 

"Aha interessant" Die Stimme des, was auch immer der scheinbare Mann war, lenkte meine Aufmersamkeit für einen winzigen Augenblick ab, jedoch dieser reichte dem Vampir.

 

Er schaffte es sich loszureissen und verschwand in der düsteren Nacht.

 

Ich sah ihm nach, jetzt hatte ich keine Chance mehr ihn zu erwischen.

So schnell es ging fuhr ich wieder zu dem Mann herum.

 Doch der verblasste schon in der Dunkelheit, er schien sich in Rauch aufzulösen und das letzte was ich von ihm wahrnahm waren seine mich eindringlich musternden Augen, die in der Finsternis verschwanden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachforschungen

Ich packte das Messer weg, weil ich wieder ich selbst sein wollte und mit dem Messer in der Hand fehlten mir ein Großteil meiner Emotionen.

Als es im Rucksack verstaut war, wurde ich von einer Wut ergriffen.

"Verdammt, verdammt, verdammt!" Schrie ich auf dem Friedhof herum und stampfte mit dem Fuß dazu auf.

Das Gesicht zu einer Grimasse verzogen fuhr ich mir durchs Haar und ging mit energiegeladenem Schritt davon.

 

Ich war echt fertig und den Vampir würde ich diese Nacht definitiv nicht mehr wiedersehen, also konnte ich genauso gut wieder nach Hause in mein heiß geliebtes Bett gehen.

Wieso zum Teufel war der verdammte Seelensauger mit dem Vampir verbündet?

Das passte nicht zusammen, die zwei Arten verabscheuten sich.

 

Mir wurde klar wie dämlich ich gewesen war, als ich sein nervöses rythmisches Fingerticken nicht als Signal an einen Außenstehenden erkannt hatte.

 

 

Als ich zu Hause ankam, sah ich dass das Licht an war.

Ich ahnte schon böses und meine Vorahnung bestätigte sich als ich die Tür aufschloss und in den Flur trat.

Meine Mutter saß da, auf einem Stuhl wartend vor der Tür, mit einem Blick, der Normalsterbliche sofort ermorden würde.

„Wo zum Teufel warst du?!“ Das klang gar nicht gut, ihre Stimme hatte den Wenn-du-jetzt-etwas-Falsches-sagst-werf-ich-dich-den-Brunnen-Ton.

 

„Ich habe dich mindestens zehnmal angerufen, du hast mir hier auf den Zettel geschrieben,“ sie schwenkte ihn wie ein Beweisstück gegen einen Angeklagten vor Gericht (oder wie meine Mutter sagen würde, ein Corpus Delicti) „dass du mit Jade feiern wärst und um 12 zurück wärst?!

Ich habe Jade um 2 aus dem Bett geklingelt, um dann von ihr zu hören, dass sie gerade erst von der angeblichen Party erfahren hat! Ich bin fast gestorben vor Sorge,“

jedesmal, wenn jemand das Wort gestorben oder Tod beiläufig erwähnte, lief mir ein kalter Schauer den Rücken herunter

 

„ Also, wo zum Teufel warst du?!“ endete meine Mutter mit einem zwar wütenden, aber auch leicht weinerlich hysterischem Unterton.

Sie versuchte ihre Erleichterung zu verbergen und ich dachte mir, dass es jetzt sicher genug wäre, etwas ironisches zu sagen, um die Situation aufzulockern:

„Wieso beschwerst du dich, du predigst doch die ganze Zeit schon, wo ich war, na ich war natürlich beim Teufel,“

Der Versuch, sie mit meinem unglaublich gewitzten Spruch und charmant, reuevollen Grinsen zu besänftigen, misslang kläglich.

Sie legte nochmal richtig los und schrie fast, es war schließlich mitten in der Nacht und wegen der Nachbarn durfte es nicht zu laut werden.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte sie sich doch noch und ich gab ein zähneknirschendes“ Es tut mir Leid“ von mir.

 

Jetzt brauchte ich nur noch eine schnelle Lügengeschichte, um meine nächtliche Abwesenheit zu erklären, denn meine Mutter hatte nicht den leisesten Schimmer einer Ahnung, dass ich TODs Tochter war.

" Ich habe versucht mich ins 21 zu schleichen, weil das nicht geklappt hat, war ich etwas deprimiert und bin einfach durch die Nacht gelaufen." Das 21 war einer der beliebtesten Clubs der Stadt.

"Weißt du, was  dir alles hätte passieren können?! Ist dir das klar?"

So ging das noch eine Weile weiter zwischen Heulen und Schreien, doch letzten Endes vertrugen wir uns wie immer und fielen uns in die Arme. Eine Zeit lang kauerten wir uns aneinander gekuschelt auf die Couch, bis wir beide total erschöpft von der nächtlichen Aktion ins Bett fielen.

 

Ich wachte ungewöhnlich früh auf. Ein Blick auf den Wecker entlockte mir ein Stöhnen. Es war gerade mal 5 Uhr morgens und trotz der durchwachten Nacht fühlte ich mich viel zu energiegeladen, um auch nur eine Sekunde länger im Bett liegen zu bleiben. In einem letzten verzweifelten Versuch zog ich mir noch einmal die Decke über den Kopf, doch das brachte auch nichts.

Ich hatte mir gestern Abend nicht mehr die Mühe gemacht mich auszuziehen und so klatschte ich mir nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht und huschte nach dem Zähneputzen zur Tür heraus. Ich schrieb meinem Vater eine Nachricht und erklärte, was passiert war, das einzige was zurück kam, war: Kümmere du dich um den Vampir, du hast wegen erschwerten Umständen zwei Wochen mehr Zeit, danach können wir uns über den nächsten Auftrag unterhalten. Wütend schleuderte ich mein Handy gegen eine Wand, das brachte zwar nichts tat aber gut, um seine Aggressionen loszuwerden. Eine weitere Nachricht: Das habe ich gesehen. Das nützt dir aber nichts, das Handy ist unzerstörbar. Frustriert stampfte ich mit dem Fuß auf und lief vor mcih hin murrend los. Als ich am Friedhof ankam, blieb ich abrupt stehen. Der Eingang war von der Polizei abgeriegelt. Gelbes Absterrband versperrte das Tor. Unwillkürlich machte ich einen Schritt rückwärts. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Tratschtanten der Nachbarschaft davon Wind kriegten und ich wollte wirklich nicht in ein Gespräch mit denen verwickelt werden. So schnell und unauffällig wie es ging, verzog ich mich. Trotzdem ich musste wissen, was da los war.

Ich schrieb meiner Mom noch kurz eine SMS, dass ich draußen herumgeistern würde und joggte dann los, um den Friedhof zu umrunden, auf der Rückseite war eine Stelle mit einem Loch in der Mauer. Ich kam keuchend da an und zwängte mich durch die Brombeerhecke hinter der die Friedhofsmauer vertseckt lag.

Kurz musste ich lächeln, ich fühlte mich gerade wieder wie ein kleines Kind das Detektiv spielte.

Es lebe die Nostalgie.

Ziemlich zerstochen und verdreckt schlich ich über den Friedhof. Ich wollte zu der Stelle von gestern Nacht, leider ist unser Friedhof ziemlich groß und unübersichtlich, es war schon fast 7 Uhr also komplett hell, als  ich an der Stelle ankam. Bzw. kurz davor, denn gerade noch rechtzeitig entdeckte ich die Polizisten, die mir den Blick auf das, was sie abgesperrt hatten, versperrten. An Zufälle glaube ich kaum noch, was auch immer da geschehen war, es hing mit Sicherheit mit den Ereignissen letzter Nacht zusammen. Wow Sherlock, darauf wärst auch nur du gekommen, spottete ein Teil von mir. Verärgert runzelte ich die Stirn, Sarkasmus konnte ich grad gar nicht gebrauchen.

 Ich kauerte mich ins Gebüsch und versuchte zu lauschen. Doch das war kaum mehr nötig, als ich erblcikte weshalb die Polizei da war. Zwischen ihren Beinen hindurch erhaschte ich einen Blick auf eine völlig zerfledderte Leiche.

Ich verzog nicht mals das Gesicht. Normalerweise erwartet man von Teenagern in solchen Situationen, dass sie schreien, es ihnen die Sprache verschlägt oder sie auf irgendeine andere Art und Weise geschockt reagieren.

Mittlerweile war ich den Anblick von Leichen gewohnt und Tote, solange sie wirklich tot waren, konnten mich nicht schrecken. Allerdings war ich da noch nie ziemperlich und immer ziemlich unemotional gewesen.

Außerdem wusste ich, dass die Mächte der Finsternis das böse anziehen und da ich zu diesem Mächten gehörte, sammelten sich Dämonen und Vampirvorfälle um mich herum.

Was diese Leiche zerfleischt hatte, konnte ich jedoch beim besten Willen nicht sagen. Ich horchte erneut, es drangen leider nur vereinzelte Wortfetzen bis zu mir herüber. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Polizei schon viel in Erfahrung gebracht hatte, schließlich konnte der Mord erst einige Stunden her sein. Trotzdem trieb mich irgendetwas dazu noch hier zu verharren und abzuwarten und ich hatte gelernt meinem Instinkt zu vertrauen.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.06.2013

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