Es war einst eine kleine Sekunde. Sie hatte ihren Platz im Laufe der Zeit, doch fühlte sie sich wertlos. Immer wieder fragte sie sich: „Was bringe ich der Zeit? Ich bin so klein und unbedeutend.“ Um ihre Bedeutung herauszufinden, machte sich die kleine Sekunde auf eine lange Reise.
Sechzig Mal musste sie vergehen, ehe sie jemanden traf. Die Minute. Auch sie wusste keine Antwort. So nahm sie die kleine Sekunde bei der Hand, bis sie bei der Stunde ankamen. Doch selbst die Stunde, so groß sie der kleinen Sekunde auch erschien, stellte sich dieselbe Frage: „Was bedeute ich?“
So kam es, dass nach vierundzwanzig Stunden das Zeitgespann bei dem Tag ankam. Der Herr Tag war ein sehr gemütlicher, er hieß Sonntag. Er erzählte den Dreien, es gäbe noch sechs weitere Tage. Eine Antwort auf die Frage kannte er allerdings nicht. Er riet ihnen solange weiterzureisen, bis sie die Woche erreicht hätten.
Die Drei befolgten den Rat. Als sie nach sieben Tagen endlich die Woche erreicht hatten, da waren sie enttäuscht. Sie war nicht da! Nach einigem Suchen fanden sie ein Schild: „Heute: Meeting mit dem Monat, um die Wochentage abzusprechen!“ „Sie ist beim Monat!“, rief die kleine Sekunde. Vier Wochen reisten die kleine Sekunde, die Minute und die Stunde, bis sie endlich den Monat erreichten, doch die Woche war nicht mehr da.
„Herr Monat“, sagte die kleine Sekunde, „wissen Sie was wir bedeuten?“
„Also eine so schwere Frage kann ich nicht beantworten. Das weiß nur das Jahr.“
„Und wie lange müssen wir reisen, damit wir das Jahr erreichen?“
„Oh, wenn ihr wollt, dann bringe ich euch hin. Zwölf Monate dauert die Reise“, sagte Herr Monat.
Die Drei waren froh über die Freundlichkeit und das Angebot von Herrn Monat. Die kleine Sekunde, Minute und Stunde verstanden sich sehr gut mit ihm.
Zwölf Monate, da waren sich alle einig, sind schon eine sehr lange Zeit. Aber als sie endlich ankamen, da waren sie geblendet von der Pracht des Jahres. Es leuchtete beinahe, hatte Haut wie Schnee, kupferfarbenes Haar wie im Herbst fallende Blätter, duftete wie eine Frühlingswiese und seine Augen strahlten wie die hellste Sommersonne.
„Wofür sind wir da, schönstes Jahr?“, fragte die kleine Sekunde.
Darauf antwortete das Jahr mit lieblicher Stimme nur eines:
„Es läuft die Sekunde,
Minute für Minute,
Stund' um Stunde,
Bis sie das Jahr erreicht.
Und würde sie nicht weitergeh'n,
so wären Jahr Monat, Woche, Tag,
Ja, sogar die Zeit dahin.“
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2010
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