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Abschied der Elemente


Mit einem Ruck zog ich die Handbremse meines alten VW´s an. Da stand sie vor mir, die weiß gestrichene Villa mit den roten Pfannen auf dem Dach.
Fast war es für mich ein nach Hause kommen.
Wie oft war ich schon durch dieses Gartentor gegangen und wurde Willkommen geheißen. Doch das war zu Ende, nachdem, auf der vereisten Landstraße im Nachbardorf, dieser grässliche Unfall geschehen war. Bei dem er ums Leben kam.
Der vergangene Winter hatte vielerlei Opfer gefordert.
Nicht nur unter uns Menschen.
Seitdem war ich nicht mehr hier gewesen.
Ich schüttelte die trüben Gedanken ab und stieg aus dem Wagen. Darüber nachzudenken war sinnlos.
Man konnte eh nicht´s daran ändern und auch sie musste jetzt nach vorne blicken. Das ihr das jetzt gelang hatte sie mir bereits am Telefon erzählt.
Voller Kraft war dabei ihre Stimme gewesen.
Doch als ich jetzt die rostige Klinke zu ihrem Reich herunter drückte, stutzte ich dann doch.
Was ich sah war ein derart seltsamer Anblick.
Die kleinen Wesen schleppten winzige Rucksäcke auf ihren schmalen Schultern. Einige trugen Hüte, die sie bis knapp vor die Augen gezogen hatten. Mütter und Väter zogen widerspenstige Kinder hinter sich an den Händen haltend mit. Steifbeinig schritten sie den knirschenden Kiesweg entlang. Als sie mich sahen, stoppten sie und sammelten sich vor der knorrigen Eiche.
Früher hatten sie in den dunklen Ästen gespielt und waren mit Eichhörnchen um die Wette gesprungen.
Mit dem Kopf schüttelnd, hob ich meine Hand zum Gruß.
Zögerlich tat ich näher.
„Ja, was ist denn mit euch los?“, fragte ich sie und sah mich in die Runde um.
Ich kannte sie alle mit Namen.
Zuerst schien niemand mit mir reden zu wollen.
Furcht hatte sich über ihre schmalen Augen gesetzt und das Leuchten darin erstickt.
Doch dann fasste sich eine der Elfen an die Flügel und tapste zwei Schritte näher zu mir.
„Die Welt ist verrückt geworden“, raunte Akelei so leise, dass ich mich tief zu ihr beugen musste.
Der Zwerg Hugo brummte mir ins Ohr: „Wenn wir bleiben droht uns allen der Tod“
Erst jetzt bemerkte ich, dass in der großen Karre, die von vier kräftigen Zwergen bewacht wurde, kleine Nymphen-
kinder im Wasser schwammen.
Über ihnen schwirrten mit schneeweißen Gewändern Sylphenmädchen in der morgendlichen Luft herum. Zwei rote Feuersalamander tauchten im Watschelgang gerade unter dem geschmiedeten Tor hindurch. Mir wurde kalt, als mir bewusst wurde, das die vier Elemente den Garten verließen.
„Wieso ist euch denn eure Heimat plötzlich egal?“, rief ich den Vorbeiziehenden hinterher. „So hört doch. Ihr könnt nicht einfach weglaufen!“
Der letzte der Gruppe blieb stehen und stemmte seine Fäuste in die Hüften.
„Ich will dir jetzt mal was sagen", knurrte er. „Zuerst haben Monster unsere Wohnsträucher gestutzt, dann fielen die Köpfe der Tannen und zuletzt wurde das Bächlein, das den schnuckeligen Gartenteich immer brav gespeist hatte, in einen Kanal umgeleitet. Das Quellwasser fließt nun direkt in den Rhein und dann wusch ab in die Nordsee. Die fetten grauen Tauben picken wohl gerade jetzt noch die letzte Entengrütze auf und dann war´s das, mit der grünen Idylle um das Haus herum.“
„He, du vergisst was“, warf ihm sein Begleiter vor und sah mich lauernd an. „Den Schnecken hat man blaue Körner vor die Fühler geworfen! Zuerst habe ich noch gedacht, der Typ will die Schleimer wie Hühner füttern und hofft, dass die dann für ihn als Dank Unmengen von Eiern legen, oder so, aber als die Nackten sich kurz darauf hinter Steine verkrochen, und letztendlich ihre Fühler auf die mit Schleim bedeckte Erde sanken, wusste ich doch gleich Bescheid.“
Ein letztes Mal hoben sie ihre Mützen und verließen, ohne ein weiteres Wort zu sagen, den Garten.
Hinter ihnen schepperte das Gartentor schwer ins Schloss.
Hier muss ein Monster eingezogen sein!, dachte ich und schielte entsetzt zum Haus hinüber. Das breite Fenster im Erdgeschoss war sperrangelweit geöffnet. Dort hinein konnte das Monster mit Leichtigkeit geklettert sein. Gerade als ich mich umdrehte und gehen wollte, ging am Haus die Türe auf. Meine Kundin kam mit gestärkten grauen Pudellocken und die Gehhilfe schiebend mir entgegen.
„Grüß Gott, Frau Gärtnerin!“, sagte sie mit einem herzlich-
en Lächeln als sie mich sah. „Haben Sie schon gesehen? Endlich habe ich meinen Garten in den Griff bekommen. Vier blutjunge Burschen haben für mich zum Sonderpreis gearbeitet. Für Sie als Frau wäre das zu hart gewesen. Mein Mann, Gott hab ihn selig, hat ja alles wachsen lassen.
Aber das geht doch nicht, gell?“

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Texte: Copyright by der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 11.09.2010

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Widmung:
Leben heißt - Leben zu belassen

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