Ein haariges Geheimnis
Als Nancy kurz vor der Dämmerung erschöpft nach Hause kam, strich ein Körper um ihre Beine.
„Hallo Max, ausgeschlafen?“, begrüßte sie den Kater, der den ganzen Tag sehnsüchtig gewartet hatte.
Das Tier blinzelte, zuckte mit dem Schwanz und folgte ihr mit federnden Schritten zur Küche, wo sie ihm eine Dose öffnete und das Futter auf den Teller gab.
„Lass es dir schmecken“, sagte Nancy, stellte das Fressen auf den Boden und setzte sich bald darauf im Wohnzimmer aufs Sofa. Sogleich krümmte sie sich und griff, wie so oft in letzter Zeit, an ihren Bauch. Nancy schüttelte den Kopf, als könne sie damit die ziehenden Schmerzen im Unterleib vertreiben. Sie schlurfte zum Telefon das in der Diele stand. Nachdem sie die Nummer ihrer besten Freundin gewählt hatte, ließ sie sich auf den Boden sinken. Nach etlichen Klingeln nahm jemand den Hörer ab.
Nancy hörte die vertraute Stimme. „Ja, bitte?“
„Hallo Brigitte“, antwortete sie. „Du, ich muss unbedingt mit dir was bereden!“
„Oh Nancy, du bist es. Hör mal, kann ich dich in einer Stunde zurückrufen? Ich bring gerade Kai und Lukas ins Bett. Jetzt passt es gerade nicht.“
„Hm, ja, ist schon in Ordnung“, murrte Nancy und verkniff sich jeden Einwand.
„Was ist denn los?“, klang Brigitte aus dem Hörer. „Sag bloß, du hast immer noch deine Schmerzen?“
„Und die sind schlimmer geworden“, gab Nancy ungern zu.
Sie sah zum Spiegel, aus dem dunkel umrandete Augen sie fremdartig anstarrten.
„Warst du denn schon beim Arzt?“, hörte sie die Freundin fragen. „Schon längst wolltest du das abklären lassen!“
Nancy schüttelte den Kopf. „Nein, aber wahrscheinlich ist es bloß meine Periode. Seit zwei Monaten ist sie schon fällig. Also dann, bis nachher“, sagte Nancy und legte auf.
Sie sah ihrem rotgetiegerten Kater nach, wie er durch die Katzenklappe nach Draußen verschwand. Ein Schatten der Nacht, der sein Revier mit Duft markieren würde.
Auf dem Weg ins Badezimmer wurde Nancy übel. Sie fühlte, wie eine Flüssigkeit ihre Beine herab lief. Sie zog die Jeans aus und bemerkte einen hässlichen Fleck auf dem Slip.
Endlich kommen meine Tage!, dachte sie und zuckte im nächsten Moment zusammen.
Eine krampfende Welle würgte ihrem Körper.
Als Nancy auf dem Boden kauerte, entglitt etwas zwischen ihren Schenkeln. Mit den Händen streifte sie den Slip ab. Das Etwas kullerte über die Fliesen.
Unerwartet sah Nancy einen Schatten näher kommen, dann erkannte sie ihren Kater.
Max blinzelte sie liebevoll an und strich mit dem Schwanz zärtlich an ihr vorbei. Dann leckte er das Etwas sauber, das plötzlich zu Leben schien. Zwei winzige Ohren kamen zum Vorschein und ein dünner behaarter Schwanz.
Nancy hörte in der Ferne das Telefon läuten, dann hüllte Dunkelheit sie ein.
Texte: Die Rechte an dem Text liegen allein bei der Autorin.
Tag der Veröffentlichung: 08.08.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Das Buch nimmt an dem Cat´s and Dog´s Wettbewerb teil.