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Zwischen Rosen und Lilien


Zwischen Rosen und Lilien

Eine junge Frau, circa zwanzig Jahre, betritt den großen Garten. Bisher befinden sich hier nur wenige Pflanzen und die vorhandenen sind höchstens Bäume und Wilder Efeu.
Es ist ein milder Frühlingstag, Schmetterlinge fliegen schon umher und die Vögel sind mit ihrem Nachwuchs beschäftigt.
Die schwarz haarige Frau geht langsam von einer, mit Steinen abgegrenzten Fläche zur nächsten.
Ihre Augen sind halb geschlossen und doch bewegt sie sich so, als würde sie der Umgebung volle Aufmerksamkeit schenken.
Das schwarze, bis zum Boden geschnittene Kleid fliegt, zumindest dem Anschein nach, über die Wiese.
Bei jeder abgegrenzten Fläche bleibt die junge Frau stehen und betrachtet den scheinbar kahlen Boden.
Vor einer kleinen Hecke, die frisch eingepflanzt wurde, bleibt das Fräulein auf einmal stehen. Was sie dort sieht, lässt ihr Herz vor Freude hüpfen.
Hinter dem Strauch befindet sich eine kleine Rosenpflanze, an der eine Knospe zu sehen ist. Neugierig und um diese Rose näher betrachten zu können, steigt die Frau über den Strauch und geht zu der Rosenpflanze, die dort einsam steht.
Sie bückt sich und berührt mit ihren blassen Händen die zarte Knospe. Kaum geschieht dies, öffnet sich diese und zum Vorschein kommt eine pechschwarze Blüte. Erschrocken zieht sie ihre Hand zurück.
Mit geweiteten Augen funkelt sie die geheimnisvolle Pracht an und ist erfreut, wie auch ängstlich zugleich.
Erinnerungen kommen ihr in den Sinn. Worte ihres Vaters, dem einst dies alles gehörte. Als wäre er gerade neben ihr, lauscht sie der gedanklichen Stimme ihres Vaters.
„Schwarze Rosen, mein Kind, sie gehören nicht in einen Garten des Lebens.“
Die Worte lassen eine alte Frage wieder neu auferstehen und zugleich erneut beantworten.
„Warum nicht?“, hatte sie als sechsjährige gefragt.
„Weil schwarze Rosen nichts gutes ankündigen. Wachsen sie in einen Garten aus heiterem Himmel, so bringen sie dir die geheime Botschaft. Dann wird der Besitzer des Gartens bald von Erden gehen.“

Die junge Frau weicht erschrocken zurück.
Innerlich bricht ein Kampf in ihr aus. Konnte das wahr sein?
Warum sollte dies so sein?
Sie war doch noch so jung, weshalb sollte sie sterben?
Sie schüttelte den Kopf, wandte sich ab und ging zurück zum großen Haus, dass einem Schlösschen ähnelte. An der Forte blieb sie kurz stehen und verharrte. Dann schloss sie ihre Augen und gab für sich bekannt, die Mären ihres Vaters, hätten schon längst keinen Einfluss mehr auf sie.


1 Monat später


~ Einen Monat später ~
Die vier Männer hoben den weißen Sarg empor und gingen aus dem Schlafzimmer. Bilder an der Wand, gemalt von Künstlerhand, erinnerten noch an ihre Bewohnerin. Einst hatte sie hier gelebt, geliebt und sich gefreut. Nun war ihr Atem der Geist dieses Zimmers.
Hinter den Sargträgern liefen nur noch ein Pastor und ein weiterer Mann, der den Tränen nah war.
Vor ihm wurde seine Geliebte zur letzten Ruhestätte getragen und er konnte nichts, überhaupt nichts mehr für sie tun.
In der Hand hielt er einen Strauß weißer Lilien, genauso hell wie die Haut der Toten selbst. Eben noch lag sie offen dar, geschmückt von ihren Lieblingsblumen. Gebetet in seidenen Stoffen. Doch jenes Bukett war nun vom Sarg verschlossen. Er hatte sie nicht sehen können. Den Anblick, des erstarrten Körpers, der durch eine Krankheit verstarb, hätte den jungen Mann ganz zum weinen gebracht. So jedoch waren seine Augen nur von einen Tränenschleier verdeckt und starr. Als wäre er die Leiche, lief er hinter der Totenbahre hinterher.

Hatte sie ihr Ableben schon geahnt, so jung wie sie war, fragte sich der Mann. Er dachte es zu Recht.
Die schwarze Rose, hatte sie trotzdem sie es verneinte zum Anlass genommen, um über ihr Leben und den Tod nachzudenken. So entschied sie sich schon für ein Testament, worin sie ihre letzte Ruhestätte, sowie den neuen Besitzer des Schlosses festlegte.
Der Blonde, der noch immer dem Sarg folgte, sollte der Erbe werden. Doch mit einer schweren Last.
Nicht nur, dass ihn das Gelände jeden Tag an seine Geliebte erinnern würde, zugleich und was er als für noch viel beklagenswerter empfand, auch das Grab.

Genau an der Stelle, wo vor einen Monat die Knospe der schwarzen Rose aufgebrochen war, wollte sie begraben werden. Hoffnung keimte in ihr somit den Bann der Schwarzen Rosen zu unterbinden. Zwar ahnte sie, dass sie sterben würde, doch wollte sie nicht noch mehr Menschen dieses Schicksal zukommen lassen.
Genau hinter der Rose, die damals nur eine Blüte trug, befand sich nun ein Loch, groß genug für den Sarg.
Der Priester hielt seine Rede, die er mehr für sich sprach, als für den Rest der Anwesenden Personen. Diese waren zu sehr mit sich selbst und der eigenen Trauer beschäftigt.

Langsam wurde der weiße Sarg, der mit schwarzen Rosen verziert war, runter gelassen und verschwand in die Tiefe.
Jeder der sechs Männer vollzog nun ein Ritual, der Gläubigen. Zuerst nahmen sie eine Hand voll Sand, die sie dann auf den Sarg schmissen und danach lies jeder noch eine weiße Lilie in die Tiefe versinken, bis auf ihren Geliebten.
Dieser wartete, bis der Sarg vollständig mit Sand bedeckt war und legte dann seinen Blumenstrauß auf dem Grab.
Die weißlichen Blüten hoben sich ab vom dunklen Grund und den schwarzen Blüten der Rose. Innerhalb eines Monats waren aus einer Blüte zehn geworden. Jede einzelne blühte und nur die wenigen Sonnenstrahlen, die an diesen Tag durch die Wolken drangen erhellten die Blüten etwas, indem sie diese zum schimmern brachten.
Als wollten sie sagen; Eine ist uns nicht genug.

Es verging ein Lenz als der Erbe des Grundstückes den Garten und das Schloss an ein frisch verlobtes Paar verkaufte.
Die Frau kümmerte sich nun um das entstandene Paradies und schon ein Jahr später, wuchsen und gedeihen Rosen und Lilien überall in voller Pracht. Die Hecke verdeckte bald das Grab, was genauso schnell in Vergessenheit geriet wie die schwarzen Rosen.

Zwei Winter vergingen und der Frühling kam zurück ins Land als ein lauter Schrei die Vögel aufschrecken ließ.
Der Blonde Mann betrat eiligst das Gemach seiner Frau, die dort im Bett lag, mit einem Baby auf dem Arm und der Hebamme daneben.
Als er nach den Namen fragte, den sie das Kind geben wollte, deutete sie auf eine Vase, die am Fenster stand.
In dieser standen gelbe Lilien.

Freudig hüpfte das kleine Mädchen durch den großen, fast riesigen, Garten. Überall, wohin man auch sah, erblickte man Rosen und Nelken. Unzählige Arten und Farben, eine unbeschreibliche Vielfalt.
Einige Rosen bildeten, zusammen mit den Lilien, Muster. So entstanden aus weißen Rosen, sowie gelbe Lilien zwei große Lilien. Aus blauen und roten Rosen, sowie weißen Lilien eine große Rose, die scheinbar auf weißen Untergrund lag. Dieser Boden bestand aus Lilien. Die restlichen Pflanzen, die man vorfand, waren einige Bäume, die wiederum meist von Efeu umrankt waren.
Das Schloss, welches in der Mitte dieses Paradieses stand, war von Rosen und Efeu umrankt. Auf der Terrasse standen mehrere Blumenkästen mit Lilien, meist gelb oder weiß.
Die Rosen an der alten, jedoch noch im guten Zustand gebliebenen, Mauer waren dunkelrot und bildeten mit dem Grün des Efeus einen guten Kontrast zur hellen, grauen Wand.
Wo keine Rosen, Lilien oder Bäume wuchsen, war Gras angepflanzt worden. Wege wurden durch Steine deutlich gemacht, welche wiederum die jeweiligen Flächen mit den Blumen umrandeten. So gab es keine besonderen Wege, aus Pflastersteine oder ähnlichem, dafür aber die Wiese, auf der die Kleine spielte.
Das Kind, was circa sieben Jahre alt war, spielte an jenem schönen Sommertag im Garten.
Ihre schwarzen, langen Haare wehten im Wind umher, der an diesen Tage stärker wehte. Doch die Kleine störte sich nicht daran. Zu sehr war sie damit beschäftigt die Vögel zu betrachten, oder mit ihrem weißen Ball zu spielen.
Das weiße Kleid, was mit roten Rosen verziert war, passte perfekt zur Umgebung. Ihre braunen Augen strahlten mit der Sonne um die Wette. Doch dieser Tag war anders als die übrigen und sollte das Leben des Mädchens namens Lilie entscheidend verändern.

Der Ball, mit dem Lilie die ganze Zeit spielte, rollte zu einer Hecke und verschwand darin, als das Mädchen diesen fallen ließ.
Lilie lief dem Ball nach. Als sie sich umsah, erkannte sie, dass sie sich weit entfernt von dem Schloss befand. Trotzdem machte sie sich nichts daraus. Sie wusste das alles was sie hier sah und noch mehr zu dem Besitz Ihrer Eltern gehörte. Diese saßen auf der Terrasse und tranken Kaffee. Ihre Mutter, mit ebenfalls langen schwarzen Haaren und braunen Augen, saß neben dem Vater, der im Kontrast dazu blonde Haare und blaue Augen besaß. Beide redeten über Gott und die Welt, machten sich wenig Sorgen, meinten sie doch, dass ihr Kind auf diesem Grundstück sicher war.

Lilie, die sich noch immer vor der Hecke befand, schob nun einige Äste zur Seite, hoffte sie doch, so ihren Ball wiederzufinden. Doch stattdessen fand sie etwas, was sie erstaunen ließ. Schnell kroch die Kleine durch das Loch, was sich dort hinter befand. Auf der anderen Seite angelangt, stand das Mädchen wieder auf und stellte betroffen fest, dass sie ihr Kleid eingerissen hatte. Doch sogleich waren andere Dinge für Lilie interessanter.
Hinter dem Strauch, befand sich ein kleines Feld, ungefähr doppelt so groß wie ein Bett. Aber wuchsen hier weder Lilien noch geheime Kräuter. Bedrohlich wie schön zugleich erblickten Lilie´s Augen eine Fläche voller schwarzer Rosen.
Interessiert sah sich die Kleine die Pracht an. Vorsichtig und bedacht, wusste sie um deren Stacheln. Da erblickte sie leuchtend in der Mitte, zwischen den kniehohen Rosensträuchern, etwas weißes.
Das konnte, nach Lilie´s Meinung nur der Ball sein. Sie überlegte kurz hin und her.
Trotzig und der Verletzungsgefahr trotzdem bewusst, krempelt das Mädchen dennoch ihr Boden langes Kleid hoch. Mit einer Hand hielt sie den Stoff fest und mit der anderen versuchte sie einige Sträucher etwas beiseite zu schieben, sodass sie dort hindurchgehen konnte.
Trotz dieser Handlung, verletzte sich die Kleine, auf den Weg zur Mitte hin, mehrfach an den Stacheln der pechschwarzen Rosen. Tränen kullerten über ihr Gesicht, doch sie blieb tapfer und bannte sich einen Weg durch das Feld.
Doch entsetzt, musste Lilie feststellen, dass in der Mitte sich kein Ball, sondern weiße Lilien befanden. Jetzt erst weinte die Kleine. Sie war enttäuscht und wütend. Ihre Beine waren verkratzt und das Blut lief runter auf die weißen Schuhe, die sich dadurch rosa färbten.
Wütend wollte sie nach einer Lilie greifen und diese ausreißen. Doch als sie ihre Hand, mit der sie vorher die Rosen beiseite geschoben hatte, über die Lilie hielt, tropfte etwas Blut hinab. Diese färbte sich daraufhin gänzlich rot und wie durch Zauberei, wurden auch die anderen Lilien blutrot.
Das Kind erschrak und wich zurück, wobei sie stolperte.
Als sie fiel, bemerkte sie, dass dort keine Rosen mehr waren.
Sie blickte sich um und stellte fest, dass sich nun ein Weg, vom Rand, bis zur Mitte befand. Angst schlich in den jungen Körper und nahm diesen ein. Zitternd stand Lilie auf und kehrte dann, fluchtartig, zurück zur Hecke.Die Angst unterdrückte die Schmerzen und schon bald befand sie sich wieder im Garten ihrer Eltern.

Was sie nicht mehr bemerkte, war dass an der Stelle, wo der Weg aus dem Nichts erschienen war, nun wieder Rosen wuchsen und dies mit einer ungeahnten Geschwindigkeit, sodass schon bald kein Weg mehr zur Mitte vorhanden war.

Lilie, die sich inzwischen hingesetzt hatte, betrachtete nun erneut ihre Beine. Mit großen Augen sah sie, dass kein Blut mehr floss. Dafür jedoch waren nun viele kleine Narben an den Beinen, welche, wenn man genau hinsah, jeweils eine Rose bildeten.
Noch mehr jedoch staunte das Kind über ihr Kleid. Dieses war nun rot, im Gegensatz zu den Schuhen, die wieder weiß waren. Die roten Rosen waren jetzt schwarze, eben solche, die sie noch vor wenigen Minuten real sah. Als sie das Kleid wieder losließ, was sie bis dahin mit der linken Hand umklammert hielt, und sie den Stoff über die nun Narben verunzierte Beine streifte, entdeckte sie noch etwas.
Die rechte Hand, die vorhin blutetet, war ebenfalls mit dem Symbol der Rose, durch kleinere Narben, geprägt. Noch ahnte niemand die Schwere ihres kleinen Ausflugs, hinter den geheimnisvollen Hecken. Es war jedoch keinen der Familienmitgliedern möglich die Veränderungen zu übersehen, welche sich nicht durch die Fantasie des Kindes erklären, jedoch abtun ließen.


17 Jahre später


~ 17 Jahre später ~
In dem gleichen Zimmer, wo sie einst geboren wurde, stand Lilie. Sie blickte aus dem Fenster und betrachtete die Rosen und Lilien, die direkt vorm Fenster wuchsen.
Die Zeit, hatte aus dem kleinen Mädchen eine junges Fräulein gemacht. Sie war hoch gewachsen, ihre schwarzen Haare gingen ihr nun bis zur Hüfte und man sah deutlich, dass sie kein Kind mehr war.
Doch eines war geblieben, über all die Jahre; die Narben.
Nur deshalb trug sie weiße Handschuhe und ein dunkelblaues Kleid, was ihre Beine vollständig verdeckte.
Aus dem einst lebendigen Kind, wurde eine zurückhaltend Frau. Lilie lebte nun nicht mehr äußerlich, dafür aber in ihren Träumen.
Das Kleid, was sie damals getragen hatte, hing immer noch in ihren Schrank, auch wenn es ihr schon seit Jahren nicht mehr passte.

Das schlicht eingerichtete Zimmer war zwar groß, doch fand man keine wirkliche Beschäftigung. So konnte man einerseits verstehen, warum Lilie in ihre Fantasiewelt flüchtete, andererseits fragte man sich doch, warum sie den Raum nicht einfach verließ.
Die Narben waren alle verdeckt und zudem schon teils verblasst, sodass man nur beim näheren hinsehen die Bilder auf der Haut erkennen konnte. Das Zimmer glich schon beinahe einen großen Saal, der jedoch nur spärlich eingerichtet war. In der Mitte des Raumes befand sich ein runder, blutroter Teppich, links daneben, direkt an der Wand, befand sich, aus der Sicht einer Person, die gerade den Raum betrat, ein großer Spiegel. Vor diesen war eine Leiste, an der wiederum ein Vorhang war, den man zur Seite schieben konnte. Zur Zeit verdeckte er jedoch den Spiegel, der golden umrandet war.
Gegenüber vom Spiegel, an der anderen Wand, stand ein großes Himmelbett. Schwarzer Stoff schützte die Kissen und die Decke. Ein blauer, durchsichtiger Stoff hing über dem Bett und bildete den Himmel. Direkt daneben ein kleiner Schrank, auf dem eine weiße Vase mit Lilien stand. Ein Kronleuchter hängt über den Teppich und sorgt während der Nacht für das nötige Licht.
Doch es war Tag und Lilie stand noch immer, Gedanken versunken, vor dem Fenster.

Erste ein Klopfen, lässt sie in die Wirklichkeit zurück kehren. Als sie sich umdreht, betritt ein Zimmermädchen den Raum. Sie trägt ein hellblaues Kleid, darüber eine weiße Spitzenschürze und ihre blonden Haare sind zu zwei Zöpfe geflochten worden.
Eine schüchterne Stimme erhellt den kargen Raum.
„Fräulein Lilie, eure Mutter wünscht euch zu sehen.“
Die angesprochene Person schritt langsam auf dem jungen Mädchen zu. Sie ist zwei Jahre jünger als Lilie und ihre blauen Augen strahlen Unsicherheit aus.
Ohne zu antworten, geht Lilie an dem Mädchen vorbei, durch die Tür hindurch auf den langen dunklen Flur. Rechts und Links nur weitere Türen, dafür keine Fenster.
Nur am Ende des Flurs erstrahlt eine Lichtquelle den Weg, auf die Lilie zuging. Das andere Mädchen schaute hinterher, erinnerte sich dann einer Tatsache und folgte dem Fräulein rasch, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Am Ende des Ganges angekommen, huschte die Zofe an Lilie vorbei und betrat so zuerst einen großen und hellen Saal. Dreiviertel des Saales bestand statt aus Wänden, aus Fenstern, nur ein geringer Teil hatte keine Fenster, dafür aber eine große Tür, die schon fast einem Tor glich. Diese war weiß und mit Blattgold verziert.
Knarrend öffnete das Zimmermädchen die Tür, nachdem sie anklopfte und ein Herein darauf ertönte.
Mit einen leichten Knicks verbeugte sich das Mädchen und verkündete die Ankunft von Lilie.
Diese schritt, scheinbar desinteressiert, an der Blonden vorbei und stellte sich am Fußende des Bettes, was dort genau in der Mitte stand, hin. Darauf verschwand die Kleine wieder und lies Lilie mit ihren Eltern zurück.

Auch dieses Zimmer war recht groß. Mittig ein Doppelbett, für zwei Personen, rechts von Lilie ein weiterer Spiegel, der noch größer war als ihr eigener, jedoch keinen Vorhang besaß und links von ihr drei große Schränke. Diese standen jedoch so dicht aneinander , dass sie einem Wandschrank glichen. Die Tapete im schlichten weiß.
Dafür war das Bett ein reiner Blickfang. Es war aus Metall, was mit Gold bemalt wurde. In dem verschnörkeltem Kopfteil, befanden sich zwei Engelsfiguren, die ein Band hielten. Auf diesem stand ein Spruch, der eingraviert war und danach mit schwarz nach gezeichnet. `Gesellig selig schlafen´, stand dort.
Vor dem Bett wartete nun Lilie darauf, dass ihre Eltern den Grund verrieten, weshalb sie hierher kommen sollte. Neben dem Bett saß, auf einen gepolsterten Stuhl, Lilie´s Mutter. Sie trug ein weißes Kleid, was teilweise mit hellblauen Mustern bestickt war. In ihrer Hand, die Hand ihres Mannes, der im Bett lag.
Seine ehemals blonden Haare waren mit grau gemischt, seine dunkle Haut blass und die Lippen rosa, statt in einen kräftigen rot. Die Augen waren geschlossen und der Brustkorb hob und senkte sich unbeständig, unter der natura Decke.

Auch die Augen der Mutter waren geschlossen, und öffneten sich erst, als Lilie auf ihr zuging. Sie hockte sich neben ihrer Mutter und legte den Kopf an deren Schulter. Hätte sie stattdessen in das Gesicht ihrer Mutter gesehen, wären darin Tränen für sie erkennbar gewesen.
Es brauchte Lilie niemand zu sagen, dass ihr Vater krank war. Sie wusste es schon seit einen Monat, genau seit dem Tag, wo er die schwarze Rose auf seinen Grundstück fand, direkt zwischen den blauen Rosen, die er am meisten liebte.
Die Rose, oder zumindest eine noch geschlossene Blüte mit Stiel, stand in einer Vase neben dem Bett, auf einen Nachtschrank, ähnlich dem in Lilie´s Zimmer.

Eine leise und gequälte Stimme lies beide Frauen zusammen zucken und zu dem Mann vor ihnen sehen. Die Augen waren noch immer geschlossen, doch der Mund bewegte sich.
Mit scheinbar letzter Kraft, offenbarte er beiden seine Liebe, die der Leidenschaft, sowie zu Lilie die Liebe eines Vaters, der sein Kind über alles von Herzen liebte.
Kurz darauf verschwanden die Bewegungen des Brustkorbes gänzlich. Als Lilie´s Mutter dies bemerkte, fing sie stumm an zu weinen, küsste den nun leblosen Körper ein letztes Mal und ging dann zum Schrank, wo sie ein schwarzes Kleid vorzog, welches sie mitnahm, bevor sie aus dem Raum verschwand.
Lilie sah stumm auf ihren Vater herab, ging dann zum Fenster, welches sie öffnete, sowie zu der Uhr, die auf dem Nachtschrank stand und hielt diese an. Der Zeiger blieb als stummer Zeuge stehen.
Danach kehrte sie zum Bett zurück und setzte sich auf den Stuhl, wo vorher noch ihre Mutter saß. Ihr Blick fiel auf die schwarze Blüte, die dort stand. Noch immer war sie geschlossen.
Zögerlich griff Lilie nach dieser und berührte zärtlich, vorsichtig und leicht die pechschwarze Rose. Kaum geschah dies, öffnete sich die Blüte und zum Vorschein kamen die gelblichen Blütenpollen, die sich dort drin befanden.

Lilie durchzog ein Schmerz der sich ausbreitete . Erst in ihren Inneren drang er zu den Stellen, wo sie damals die Wunden der Rosen hatte, welche jetzt Narben waren. Vorsichtig zog sie den Handschuh aus und betrachtete die Rosennarbe, die nun wieder gänzlich zu sehen war. Und nicht nur dass! Die Stelle, wo sich die Blüte der Rose, auf der Hand befand, war rötlich, der Rest der Hand weiterhin, bis auf die Narben, blass.
Als sie zu ihren Beinen sah und gerade den Stoff des Kleides empor ziehen wollte, entdeckte sie, dass am Fußboden, von ihren Füßen ausgehend, eine Rosenpflanze anfing zu wachsen und sich diese immer weiter den Boden entlang schlängelte.
Genau in jenen Moment betrat ihre Mutter, zusammen mit dem Zimmermädchen, welches einige schwarze Kleidungstücke in der Hand hielt, den Raum. Beide starrten genauso ungläubig auf die Pflanze, die gerade am Bett empor ranken, wie auch Lilie.
Ein Schrei entfuhr dem kleinen Mädchen, als sie bemerkte, woher die Pflanze stammte. Sie wuchs geradewegs aus den alten Narben von Lilie.

Der Anblick war unglaublich und zudem mysteriös zugleich. Drei Ranken, wuchsen jeweils aus einen der Narben empor. Zuerst bedeckten sie nur den Boden, doch mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit, wuchs die Rose auch am Bett empor, bis sie schließlich sogar an die Decke reichte.
Die Kletterpflanze, die aus dem linken Bein wuchs, bannte sich ihren Weg durch das offene Fenster und konnte somit auch außerhalb des Schlosses wachsen.
Keiner der Frauen ahnte auch nur was draußen geschah. Jeder Rosenstrauch, der sich im Garten befand, oder schon längst an der Schlosswand stand, bannte sich seinen Weg zur Mitte des Gebäudes.
Dort angekommen, vereinigten sich die Rosen zu einer Pflanze und wuchsen weiter empor, den Himmel immer weiter entgegen. Erst nach etlichen Höhenmetern, hielt der Wachstumsschub an.
Das ganze Schloss war in der Zwischenzeit das reinste Dornröschenschloss geworden. Doch anders, als im Märchen, schliefen die Bewohner nicht; sie waren tot.

Lilie selbst war nicht mehr zu erkennen, genauso wenig, wie die anderen Personen, die sich im selben Raum befanden. Der Raum bestand aus einer riesigen Wurzel. Die Decke war durchbrochen worden und genau über den Schlafsaal von Lilie´s Eltern, stand nun eine weitere Rosenpflanze. Auch diese trug eine geschlossenen Blüte, die wesentlich größer war, als die anderen, dafür direkt über der Mitte des Schlosses wuchs. Alle Wände waren von Grün überwuchert. Gefährlich ragten die Stacheln von den Pflanzen ab und machten den Zutritt dieses Gebäudes unmöglich.


Das Ende naht


Ein leichtes Funkeln, erhellte die Umgebung, ausgehend vom Grab der jungen Frau, die damals hier bestattet wurde. Weiße Funken stiegen empor, in Form von Tränen und mit ihnen, wuchs eine weitere Pflanze. Doch jene besaß keine Dornen. Was dort entstand, war eine weiße Lilie, deren Wurzel sich beim Grab, der früher verstorbenen Frau, befand.
Die Blüte öffnete sich, als sie soweit empor gewachsen war, dass sie das Licht der Sonne berührte. Die Lilie war zwar noch kleiner, als die beiden Rosen, doch übte sie einen gewissen Reiz aus, den man nicht wirklich beschreiben konnte.
Es war wie ein Denkmal, oder ein Mahnmal.
Jetzt erst öffneten sich die beiden Blüten der Rosen. Schwarze Blütenblätter glitzerten im Glanz des Sonnenlichts, welches durch den Wolken hindurch drang.

Wieder erschienen die weißen funkelnden Tränen förmigen Funken. Diesmal stiegen sie nicht einfach nur zum Himmel empor, sondern umkreisten die Blüten der Rosen. Ein grelles Leuchten verhinderte für einige Minuten den Blick auf die Blütenköpfe der Rosenpflanzen. Als das unheimliche Licht wieder verschwand, erschienen rote, statt schwarze Blüten. Blutrot waren sie und zeitgleich, wuchsen an den Ranken weitere Blüten, die sich gleich öffneten. Auch diese Blüten waren rötlich. Das Ganze Schloss war eingehüllt in roten Blüten, nur die weiße Lilie, mit ihren teils gelblichen Rand, bildete eine Ausnahme. Von weitem sah es aus, als würde roter Stoff das Gebäude einhüllen. Keine Stacheln waren mehr sichtbar, dafür aber die roten, sowie die eine weiße Blüte und das Grün von ein paar Blättern, die an den großen Rosen, unterhalb der Blüte, vorhanden waren.
Wie zwei riesige Türme, ragten die beiden Rosen empor.

Ein kleiner Vogel, der über dem Schloss flog, konnte einen von roten übersäten Erdboden sehen. Auch auf dem Boden, wo die Rosen Richtung schloss lang wuchsen, befanden sich an den Ranken rote Blüten.
Genauer betrachtet, sah es aus, als stelle dies eine große geöffnete Blüte da. Die Weiße Lilie, bildetet dabei sozusagen den Strang mit den Blütenpollen. Rundrum, um Schloss und Garten, weit und breit nur Wald, den nun mittig eine große Blüte zierte.
Kein Prinz würde hierher gelangen. Keine Prinzessin schlief und wartete. Lilie schwebte über den Geschehen. Ihre Fantasie hatte ihr Flügel wachsen lassen, so hell und stark, dass sie mehr als den Himmel damit erreichen konnte.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei Silizia Albrecht. Wer etwas davon nutzen möchte kann jedoch gerne anfragen.
Tag der Veröffentlichung: 14.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet meiner dunklen Fee.

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