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Lebensrisiko



Das Leben ist, so ein Bonmot,
des Lebens größtes Risiko,
weil´s, wie man es auch dreht und wendet,
normalerweise tödlich endet.
Zwar sucht der Mensch mit allen Mitteln
die Tücken von sich abzuschütteln.
Doch selbst der genialste Schutz
ist sinnlos und zu gar nichts nutz,
wenn sich der Feind den Zugang bahnt
dort, wo sein Opfer gar nichts ahnt.
So lässt sich zwar mit Vitaminen
dem Fortschritt der Gesundheit dienen,
doch nützen sie bei aller Liebe
nichts gegen Gauner oder Diebe.
Der Regenschirm schützt gegen Regen,
doch wenig gegen einen Degen,
beziehungsweise gegen Gift,
das uns in böser Absicht trifft.
Betonverstärkte Katakomben
sind zwar ein Schutz vor Fliegerbomben,
doch schützen sie beileibe nicht
auch gegen Zahnschmerz, Durchfall, Gicht.
Man s-tolpert über´n s-pitzen S-tein
und bricht das linke Schienenbein;
und ist es nicht das Schienenbein,
dann kann es auch das Brustbein sein;
und bricht sich einer nicht die Rippe,
dann kriegt er Fußpilz oder Grippe.
Zu allem kommen noch die wahren
und großen Allgemeingefahren,
die, wie die Säure den Zitronen,
dem Dasein schlechthin innewohnen,
wo als gespenstisches Gespinst
der Tod schon um die Ecke grinst.
Wer Alkohol und Kaffee trinkt,
ist allemal vom Tod umringt.
Wer Eisbein, Salz und Zucker isst,
wird ebenfalls vom Tod geküsst.
Wer raucht, gerät in Todes Schatten
samt Nachbarn, Hund und Ehegatten.
Doch ist die Lage, hier wie immer,
genau betrachtet, noch viel schlimmer:
Wer atmend seine Lungen lüftet,
stirbt auch bald, von der Luft vergiftet.
Wer Fahrrad oder Auto fährt,
wer den Verkehr zu Fuß durchquert,
der ist, es tut mir herzlich leid,,
dem vorzeitigen Tod geweiht.
Wer Irdischem entsagt und fastet,
wer zu schnell durch das Leben hastet,
der ist in jeglichem Bereiche
beinah schon eine halbe Leiche.
Wer sich als Manager betätigt,
wer Hausfrautätigkeit erledigt,
der ist vom Tod nicht nur bedroht,
er ist bereits dreiviertel tot.
Wer an den Fingernägeln kaut,
wer, was er schluckt, nicht gut verdaut,
der tanzt auf einem schmalen Grat
als echter Todeskandidat.
O Leser, die Gefahr ist groß,
jedoch der Fall nicht hoffnungslos.
Gar mancher, längst schon totgesagt,
wenn man die Wissenschaft befragt,
frisst ungeniert, säuft wie ein Loch
und lebt tatsächlich heute noch.
Drum iss und trink, sei guten Mutes,
genieß das Leben und tu Gutes.
Vielleicht erreichst du ganz bequem
das Alter von Methusalem.
Sei nicht so missgelaunt und knurr´g.
Wie oft setzt sich das Leben durch!

Jammern



Schon seit´s die ersten Menschen gibt,
ist Jammern überaus beliebt.
So jammert Adam ungeniert,
die Eva sei´s, die ihn verführt.
O wenn er bloß geschwiegen hätte!
Er wusste nämlich, jede Wette:
Als starker Mann soll man es wagen,
in Zweifelsfällen nein zu sagen
und nicht nach Laune und Belieben
die Schuld auf andere zu schieben.
Das Jammern, sagen Professoren,
sei sozusagen angeboren.
Denn schon beim allerersten Schrei
beginnt der Mensch die Jammerei.
Ihn schmerzt, dass er den Uterus
so ungestüm verlassen muss,
obwohl es dort so wunderbar
bequem und warm und ruhig war.
Der letzte Seufzer in der Kammer
klingt häufig auch wie ein Gejammer,
weil dieser Mensch trotz aller Bürde
gern, wo er ist, auch bleiben würde
und ihm der Abschied Schmerz bereitet,
wenn er ins Unbekannte gleitet.
Bis hin in unsre Gegenwart
sind viele gradezu vernarrt,
mit Eifer, Nachdruck und Geschrei,
zu jammern, wo und wann es sei.
Wohl nichts, das man nicht irgendwann
beklagen und bejammern kann:
Verkehrlärm, Politik und Preise,
Strapazen einer Urlaubsreise,
den alltäglichen Autostau,
den Pfusch beim Autobahnenbau,
dass Gott, obwohl´s doch sein Beruf,
die Welt so miserabel schuf,
kurz, überall nur Leid und Qual;
wohin man blickt, ein Jammertal.
Auch Psychologen (dies in Klammer)
befassen sich mit dem Gejammer.
Es sei dies, so behaupten jene,
ein Akt der Psychohygiene.
Denn jammert einer vor sich hin
bringt´s eine Art von Lustgewinn:
Er fühlt sich irgendwie befreit
von Last und Druck, von Schmerz und Leid,
obwohl die Welt bleibt, wie sie ist,
dieselbe Not, derselbe Mist.
Deswegen jammre, Mensch, und klage,
das lindert zweifellos die Plage.
Schrei´s in den Wind, klag`s deinem Hund,
beschwere dich beim Völkerbund,
im Friedhofsamt, beim Militär,
Obama, Merkel, Reinfeldt, Sarkozy,
Frankreichs politischem Genie,
bei Putin hinter Kremlmauern,
den heimischen Kartoffelbauern,
der Bundesbank, im Vatikan,
was dir das Schicksal angetan,
beziehungsweise sei noch schlauer,
wallfahre an die Klagemauer;
dort gibt es schon seit Jesu Tagen
Platz und Gelegenheit zu klagen.
Beklag vor Gott dich bitterlich.
Doch wenn es geht, - verschone mich!

Memento mori



Lang währt die Kunst, das Leben nicht.
Als Warnung diene dies Gedicht:
Ein Ziegel fällt dir auf den Kopf.
Am Herd zerplatzt ein Wassertopf.
Verhängnisvoll wirkt eine Gräte,
die man beim Kau´n zu spät erspähte.
Ein Tiger, der dem Zoo entsprungen,
sucht frischen Fraß für seine Jungen.
Es trifft dich auf dem Wochenmarkt
der gnadenlose Herr Zinfarkt.
Auch kann es sein, dass du vergisst,
wie wichtig Atemholen ist.
Dies sind nur sechs von tausend Gründen,
den nicht gesuchten Tod zu finden.
Er kommt, kein Zweifel ist erlaubt,
und zwar oft eher als man glaubt.
Drum, Mensch, schläfst Du am Abend ein,
bedenk, es kann der letzte sein.
Tu heute, was zu tuen geht.
Vielleicht ist´s morgen schon zu spät.

Suchen und Finden



Herr X kann aus verschied´nen Gründen
das, was er sucht, nicht immer finden,
zum Beispiel, wenn, was er vermisst,
als solches nicht vorhanden ist:
Gewissensruhe, bares Geld
und Kunst, die jedermann gefällt,
den Schnittpunkt paralleler Gleise
sowie die Quadratur der Kreise.
Da kann er noch so lange suchen
und noch so unanständig fluchen,
sein guter Wille wird zuschanden,
weil das Gesuchte nicht vorhanden.
Zum zweiten gibt es jene Fälle
da sucht er an verkehrter Stelle.
So sucht er ein bestimmtes Dings,
das er gern hätte, hinten links,
doch liegt es, merkt er voller Zorn,
nachdem es nichts mehr nützt, rechts vorn,
zum Beispiel etwa sein Gebiss,
der Abendstern, ein Kompromiss,
die gute Antwort beim Examen,
Verhalten gegenüber Damen,-
und alle Genialität
ist keine mehr, kommt sie zu spät.
Auch jener dritte Fall ist häufig,
dem Leser sicherlich geläufig:
Die Sache, die er sucht, ist da,
vielleicht sogar zum Greifen nah.
Er weiß genau, sie muss da sein,
doch weil so unscheinbar und klein,
ist´s so, als ob sie nicht da wäre.
Er greift, im wahrsten Sinn, ins Leere.
Er lässt sich nieder auf die Knie
und schnüffelt wie das liebe Vieh,
forscht nach vom Boden bis zum Keller,
erst systematisch, darauf schneller.
Er dreht das Unterste nach oben,
beginnt gedämpft, dann laut zu toben,
die andern hätten es geklaut
und ihm den ganzen Spaß versaut.
Er tobt und stöhnt und droht und schreit:
Das tut euch sicher noch mal leid,
am Ende seines Gleichgewichts.
Das Resultat: Nullkommanichts.
Wer sucht, der findet, sagt die Bibel.
Es klingt beruhigend plausibel,
denn so entsteht ein Hoffnungsschimmer.
Er findet, - allerdings nicht immer.

Wer wagt, gewinnt



Gar mancher Mensch lebt einfach so,
nicht traurig, nicht erzürnt, nicht froh.
Er sagt zu allen Dingen: Ja,
zum Staat, zum Schicksal, zur Mama.
Kein unerfüllter Wunsch, kein Traum,
sogar sein Herz bewegt sich kaum.
Und hat er Wünsche, fehlt der Willen,
sich diese Wünsche zu erfüllen.
Er denkt sich, wenn und falls er denkt,
weil nichts ihn ja zum Denken drängt:
Das, was geschehen soll, geschieht,
weil keiner vor dem Schicksal flieht.
Dies macht ihm zwar nur wenig Mut,
doch geht es eine Weile gut.
Er lebt ganz einfach vor sich hin,
nichts Ungewöhnliches im Sinn,
steht jeden Morgen pünktlich auf,
geht schlafen nach des Tages Lauf;
steht pünktlich auf am nächsten Tage
und kleidet sich nach Wetterlage;
legt sich am Abend müde nieder,
dann wiederholt sich alles wieder.
Er sucht Geborgenheit zu schaffen
gemäß dem Spruch der Weltenaffen:
Nichts sehn, nichts hören und nichts sagen,
nicht Antwort geben und nicht fragen.
Misch dich nicht ein und sei bescheiden,
denn dann entgehst du allen Leiden.
Kopf in den Sand, weil er vermeint,
so übersähe ihn der Feind.
Doch leider wird das Missgeschick
nicht abgeschreckt durch diesen Trick.
Todsicher trifft´s ihn irgendwo,
im Bett, beim Schwimmen, auf dem Klo.
So heißt das Fazit des Gedichts
ganz konsequent: Aus nichts wird nichts.
Doch dieser Satz ist letzten End´s
bestimmt nicht meine Konsequenz.
Die heißt: Sei Deines Glückes Schmied;
bestimme selber, was geschieht.
Lass Dich nicht einfach einverleiben
und willenlos ins Unglück treiben.
Sag deutlich: Nein! Sag ruhig: Ich.
Zeig Flagge, streite, widersprich!
Wer wagt gewinnt, und wer nicht wagt,
wird irgendwann nicht mehr gefragt
und wird sich dann gezwungen trollen,
so wie es andre Leute wollen.
Trainiere Deinen Willen bald,
bevor der letzte Gong erschallt.
Was dir gefällt, entscheide du es.
Tu, was du selber tun kannst! Tu es!

Ärgerlich



Herr X, der in sich selber schaut,
ist oft nicht sehr davon erbaut,
weil er dort mancherlei entdeckt,
was seinen stillen Ärger weckt.
Besonders macht es ihm Verdruss,
dass er sich ständig ärgern muss,
zum mindesten aus seiner Sicht,
denn ärgern muss er sich ja nicht.
Im Gegenteil, die Ärzte sagen,
der Ärger schlage auf den Magen,
wodurch er fördere und schüre
entsprechend schmerzhafte Geschwüre.
Der Kenner zieht auch in Betracht,
dass Ärger alt und hässlich macht,
was manche mehr erschaudern lässt
als Cholera und Beulenpest.
Ihn überläuft es kalt und heiß,
zumal er ja auch selber weiß,
dass Ärger sehr viel Kraft verschlingt
und meist nur neuen Ärger bringt,
weil das Geschirr, das man zerschlägt,
nicht wieder heil zu werden pflegt.
Er kann dem Ärger nicht entfliehn.
Dass er sich ärgert, ärgert ihn.


Tücke des Schicksals



Herr X, wenn er durch`s Dasein schleicht,
vermutet oft, er hat`s nicht leicht.
Es stimmt ihn ärgerlich und trist,
dass alles ist, so wie es ist,
und dass, so bildet er sich ein,
es schöner wär, würd`s anders sein.
Wie würde sich das Leben lohnen
im Herrscherhaus der Pharaonen.
Noch größer wäre seine Chance
vielleicht zur Zeit der Renaissance.
Samoa wäre auch ein Ziel,
wo ihm der Aufenthalt gefiel.
Doch lebt er leider hier und jetzt,
von Not geplagt und abgehetzt.
Auch nicht ein Hauch vom Paradies.
Das Wetter und die Fraun sind mies.
Er ist nicht schön, dafür schon älter,
nichts als ein kleiner Angestellter,
beziehungsweise Pensionär,
ein unbekannter Irgendwer.
Im Grunde hat er immer Pech:
Die eignen Kinder sind so frech,
das Geld ist knapp, die Wohnung teuer,
dazu die monatliche Steuer.
Auf seinem Hause liegt ein Fluch,
ja, fast nagt er am Hungertuch.
Doch leben herrlich und in Freuden,
die nichts tun und ihr Gut vergeuden.
Er, fleißig, herzensgut, bescheiden,
muss ihre Zeche zahl´n und leiden.
Kurzum, das Leben, wie es ist,
ist, man verzeih den Ausdruck, Mist.
Ich wünsch dem Armen alles Gute
in einer Art Gedenkminute.

Wahrheitssuche



Zuweilen wird dem Menschen klar:
Nichts bleibt, so wie es einmal war.
Es gilt hier unabänderlich
der Satz: Die Zeiten ändern sich.
Dass sie es tun, ist zweifelsfrei.
Der Teufel lauert im Detail.
Denn dabei gibt es ärgerliche,
kaum auflösbare Widersprüche.
Die einen sagen mit Gelächter:
Im Anbeginn war alles schlechter,
zwielichtig, dumm und primitiv,
voll Mittelmäßigkeit und Mief.
Erst heute ist es uns gelungen,
zu zähmen die Verwilderungen.
Wir haben es aus eigner Macht
auf Erden herrlich weit gebracht.
Wir werden unser Glück gestalten.
Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten.
Die anderen im Gegenteil:
Der Abstieg war total und steil.
Im Anbeginn war alles besser.
Man brauchte werde Colt noch Messer.
Es wird uns sicher bald gelingen,
uns gegenseitig umzubringen.
Wir haben die ererbte Pracht
im Lauf der Zeit kaputtgemacht
und werden diesen Globus spalten.
Das Ende ist nicht aufzuhalten.
Die Wahrheit liegt, so sagen Dritte,
hier wie woanders in der Mitte.
Der Dichter, jedes Wahns beraubt,
er wiegt sein weißes, weises Haupt.
Natürlich weiß auch er nicht mehr
und Klügeres als irgendwer,
obwohl ihn nach gewisser Frist
gelegentlich die Muse küsst
und ihm auf wundersame Art
Geheimnisvolles offenbart.
Er wiegt sein Haupt, wie schon gesagt,
und macht nun auf die Wahrheit Jagd.
Sie liegt, vielleicht, es könnte sein,
wer weiß es schon genau, im Wein,
so wie er´s im Gymnasium las
ganz knapp: In vino veritas.
Er weiß, dass Sprichwörter der Alten
oft tiefe Weisheiten enthalten,
und zieht die Folgerung: Zum Spaß
genehmige ich mir ein Glas.
So komm ich sicherer und eher
der eigentlichen Wahrheit näher.
Gesagt, getan. Der Korken knallt.
Weg frei dem wahren Sachverhalt!
Er lässt die Flüssigkeit nach innen
ins Dunkel seiner Kehle rinnen
und harrt der kommenden Erleuchtung
aufgrund empfohlener Befeuchtung.
Jedoch die Wahrheit bleibt verschleiert,
anstatt dass sie Triumphe feiert.
Es tut sich nichts, und er beschließt,
dass er noch mehr des Weins genießt,
damit er gleichsam mit der Flasche
die Wahrheit banne und erhasche,
wie´s irgendwo im Märchen heißt
vom so genannten Flaschengeist.
Der Zeiger dreht sich an der Uhr.
Von Wahrheit nirgends eine Spur.
Er kippt den Wein in seinen Schlund
und stößt hinab zum Flaschengrund,
jedoch trotz aller Zuversicht,
zum Grund der Wahrheit stößt er nicht.
Im Gegenteil, so konstatiert er,
die Sache wird noch komplizierter,
weil schließlich das Gefühl entsteht,
dass sich, was vorher feststand, dreht,
und jemand ohne Fundament
ohnmächtig ins Verderben rennt.
Die Wahrheit scheint nach allen Seiten
ins Wesenlose zu entgleiten.
Um welches Thema ging es doch?
Die Wahrheit scheint ein Riesenloch,
ein Nichts, von Seiendem umringt,
wo alles in den Abgrund sinkt.
Er ahnt es, spürt es, kann es schmecken,
dort in der Tiefe muss sie stecken.
Er braucht, um sie herauszuschürfen,
nur noch ein wenig Wein zu schlürfen,
dann findet er im Bodensatz
den goldenen vergrab´nen Schatz,
den so genannten Stein der Weisen,
den seine Sehnsüchte umkreisen.
Er schlürft und schluckt, er schürft und scharrt,
die Wahrheit bleibt im Nichts erstarrt.
Die Gegenwart verschwimmt im Rauch,
Vergangenheit und Zukunft auch,
wo Kundige im Trüben fischen
und Gut und Böse sich vermischen.
Nur eines zeigt sich klipp und klar:
Auch dies bleibt nicht, so wie es war.
Der letzte Akt im Welttheater
verwandelt sich in einen Kater.
Der Vorhang fällt. Im ganzen Haus
gehn Lampen und Laternen aus,
und Finsternis legt sich auf jene
schon sowieso recht trübe Szene.
Ob Wahrheit, Wunschtraum oder Schwindel -
verschnürt bleibt das Geheimnisbündel,
worin die Wahrheit darauf ruht,
was falsch und wahr ist, schlecht und gut.
Wird je, was nie gelang, gelingen,
zum Kern der Dinge vorzudringen
und sämtliche Erkenntnislücken
zu stopfen und zu überbrücken?
Dem Dichter ist´s mit einem Mal
gleichgültig, piepe und egal.
Er kuschelt sich besinnungslos
und voll gepumpt in Morpheus Schoß.
Die Wahrheit aber bleibt verborgen,
zumindest bis zum nächsten Morgen,
wenn im Gedankenlabyrinth
die Wahrheitssuche neu beginnt.

Do it yourself




Ein Mensch will einen Teppich legen
des Nutzens und der Schönheit wegen.
Der alte ist, wie viele wissen,
verfärbt, verrutscht, verschmutzt, verschlissen.
„Do it yourself“ pflegt er zu sagen,
„wer etwas will, muss etwas wagen.
Es spart sich Ärger, Zeit und Geld,
wer keine Handwerker bestellt“.
Es schleicht sich, sagt man, wie allein,
auch ein Erfolgserlebnis ein,
das den, der Müh und Schweiß nicht scheut,
entschädigt, anspornt und erfreut.
Die Axt erspart den Zimmermann,
besonders, wenn man zimmern kann,
und ob man´s kann, erfährt man nie
allein durch pure Theorie;
Natürlich liegt da irgendwo
auch ein gewisses Risiko.
Das heißt, Skrupel herunterschlucken
und dreimal in die Hände spucken!
Allmählich fängt er richtig Feuer:
Heimwerkerei als Abenteuer.
Und irgendwie wird´s ihm schon glücken.
Er säbelt an den Teppichstücken,
damit die Riesenteppichmassen
im einzelnen zusammenpassen.
Zum Glück hat er ein scharfes Messer,
je schärfer, logisch!, umso besser.
Er schneidet, glättet, klebt und drückt,
er steht teils aufrecht, teils gebückt,
er plant und fummelt, schwitzt und bangt
und sieht sich schon ans Ziel gelangt.
Er freut sich und macht Zukunftspläne,
und eitel Freude ist die Szene.
Je mehr er fort- und vorwärtsschreitet,
wird er von Wohlgefühl begleitet.
Mit Herz und Hand ist er dabei.
Da plötzlich schrillt ein Schreckensschrei.
Blut rieselt hier und spritzt nach da.
Der Mensch ist einer Ohnmacht nah.
Am Boden liegt die Fingerkuppe
als Zusatz für die Erbsensuppe,
sofern er nicht zum Doktor geht,
der alles fein zusammennäht,
so dass er sich auf diese Art
sein Fingerspitzgefühl bewahrt.
Das dunkle, rote, warme Blut
schürt heißen Schmerz und kalte Wut,
doch Einsicht kommt, wie´s oft so geht,
sofern sie kommt, auch hier zu spät.
Der Mensch, Verlierer und nicht Sieger,
ist wenigstens ein bisschen klüger:
Ein Stück des Fingers ist entfernt,
jedoch er hat dazugelernt.
Zuweilen wird er ja erst schlauer
durch Schreck, Verluste, Schmerz und Trauer.

Humor


Das Leben ist nicht ideal,
ja, manchmal wird es gar zur Qual,
sodass der Mensch gerade dann,
wenn´s nötig ist, nicht lachen kann.
Tucholsky hat mich drauf gebracht:
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Ich will die Lösung nicht verschweigen:
Man muss der Welt die Zähne zeigen,
was Freude, doch auch Eindruck macht,
wenn man dem Feind entgegenlacht.
Sind dir die Zähne ausgefallen,
wie´s vielen geht, zum Glück nicht allen,
besteht durchaus kein Hindernis:
Zeig ihm dein zahnloses Gebiss!
Es wird den Feind noch mehr erschrecken,
als wenn die Zähne darin stecken.
Ich denke auch an Ehrhardts Heinz;
er drückt es trefflich aus, so scheint´s.
Ich lächle stets entspannt und stille,
hör ich sein Verschen von der Brille.
Man macht viel durch, so sagt er wörtlich;
mich dünkt, er meint dies nicht abörtlich.
Man macht viel durch und macht viel mit,
und leider fehlt es oft an Sprit,
um diesem trüben Jammerleben
von neuem Schwung und Fahrt zu geben.
Die Karre steckt bis zum Verdeck
in Mist und Modder, Schlamm und Dreck.
Es hilft kein Hassen und kein Lieben,
es nützt nicht Zerren und nicht Schieben.
Die Räder – und man selbst dreht durch,
man wird gereizt, verstimmt und knurr´g.
Es geht nicht rückwärts und nicht vor.
Dann gibt´s nur einen Sprit: Humor.
Er leitet Wasser auf die Mühlen,
kann Wut und Zorn beiseite spülen,
biegt grade, was erst krumm gebogen,
gießt Öl auf sturmgepeitschte Wogen,
wirkt sanft und lindernd wie ein Pflaster
und trägt noch mehr als jeder Laster.
Ein ernster Vorschlag, den ich mache,
o Leserin, o Leser: Lache.
Kriech in dein Bett, geh auf dein Klo,
es ist im Grunde schnuppe, wo,
auch im Hotel Continental,
in Tunnelbahn, Gemeindesaal,
auf Drottningholm, im Kungsträdgården
inmitten der Touristenhorden.
Denn wo du lachst, ist Nebensache.
Zeig deine Zähne, Mensch, und lache;
lach pianissimo, lach laut,
lach nachts, und wenn der Morgen graut;
lach einfach, wenn´s auch scheint, der spinnt!
Kein Zweifel herrscht: Wer lacht, gewinnt.

Abschied



Das Leben hat zu allen Zeiten,
wie jeder weiß, auch Schattenseiten.
Zu seinen Leiden und Problemen
gehört dabei das Abschiednehmen.
Denn manchmal tut es furchtbar weh
vom Herzen bis zum großen Zeh.
Ein jeder Mensch kommt irgendwann
ganz unbedarft im Leben an
und wurde nicht einmal befragt,
ob dieser Zustand ihm behagt,
wenn er durch den Geburtskanal
zu seiner und der Mutter Qual
sich dorthin einen Weg gebahnt,
wovon er vorher gar nichts ahnt.
Und dann beginnt, wir wissen es,
ein lebenslanger Lernprozess:
Fast täglich, stündlich Neuigkeiten,
die teils abstrus vorüber gleiten,
teils jede Sicherung zerfetzen
und sich in Hirn und Seele ätzen.
Was früher galt, das gilt nicht mehr;
was sinnvoll war, ist heute leer.
Kaum glückt es ihm, sich an die schönen
und trüben Dinge zu gewöhnen,
kaum ist er eines Tages klug
und hoffentlich auch alt genug,
auf jeden Fall erheblich älter,
da stirbt und muss von dieser Welt er.
Sich loszulösen von der Bindung,
erfordert häufig Überwindung,
bereitet Widerstand und Schmerz,
ist keineswegs nur Spiel und Scherz.
Wer sich abnabelt, macht sich frei
mit Schmerzens- und Triumphgeschrei.
Doch gilt nicht nur am Lebensschluss,
dass der, der kommt, auch gehen muss.
Denn jeder Mensch steht viele Male
an diesem Abschiedsmarterpfahle:
Um einen Herbsturlaub zu buchen,
um Onkel Wilhelm zu besuchen,
muss er das eigne Heim verlassen,
mag er das gern tun oder hassen.
Wir trennen uns aus vielen Gründen,
um anderswo das Glück zu finden:
Der Embryo im Uterus
verschwindet, weil er will und muss,
und gründet damit letzten Ends
sich eine neue Existenz.
Aus Reiselust, zum Studium,
beruflich, und wer weiß, warum,
damit das Leben uns gelingt,
Veränderung und Freude bringt,
bewegen wir uns, Gott sei Dank;
wer stets im Bett bleibt, der ist krank.
Nicht nur von Menschen trennt man sich,
lässt sie womöglich gar im Stich,
auch von Tapeten, Kleidern, Uhren,
von Brillen, Zähnen und Frisuren
trennt man sich früher oder später
teils wehmütig, teils mit Gezeter;
von Lebensmustern, die beengen;
von Wünschen, die ins Abseits drängen;
Erfahrungen und Werturteilen,
die schädigen, anstatt zu heilen;
von Illusionen und Idolen,
dem Zwang, sich stets zu wiederholen;
vom Drang, sich selber zu verletzen
und sich nicht richtig einzuschätzen.
Es gilt für jeden, der da lebt
und an Vorhandenem so klebt,
oft wider Willen und Verstehen:
Wer kommt, der muss auch wieder gehen.
Kaum hat er mühsam oder leicht
ein ganz bestimmtes Ziel erreicht,
lockt irgendwo ein neues Ziel,
und weiter geht das alte Spiel:
Abschied von allem, was man kennt,
kurzfristig oder permanent.
Auch wenn man noch so gerne bliebe,
da hilft nicht Hass, da hilft nicht Liebe.
Bejahung oder Widerstreben,
der Abschiedsschmerz gehört zum Leben.

Doppelte Moral



Der Mensch hat, Faust hat´s schon gewusst,
zwei Seelen, ach, in seiner Brust,
die gute nämlich und die schlechte,
die führen heftige Gefechte.
Wer dabei stärker ist, wer schlapp,
hängt oft genug vom Zufall ab.
Nach außen wirkt der Mensch tipp topp,
doch häufig tut er nur, als ob.
Denn innerlich gleicht er im Grunde
viel eher einem Schweinehunde.
Den meisten ist der Tatbestand
als doppelte Moral bekannt.
Fühlt sich der Mensch beobachtet,
erscheint er liebenswert und nett,
als Unschuldslamm und Tugendschwengel,
der weder Laster kennt noch Mängel.
Das Gute ist sein höchster Wert,
wie er voll Überschwang erklärt;
sie trüge ihren Lohn in sich,
behauptet er geflissentlich.
Man müsse auch, hört man ihn reden,
Betrug und Heuchelei befehden.
Er brauche weder Dank noch Lohn,
sei sein Prinzip seit jeher schon.
Wer´s hört, hat Mühe, es zu fassen,
und möchte fast vor Neid erblassen,
weil er trotz aller seiner Kraft
es nie in solche Höhen schafft.
Doch bei der Probe aufs Exempel
zerfällt der edle Tugendtempel.
Die Szene hinter den Kulissen
wirkt eher wüst und abgerissen.
Schaut nämlich einmal keiner zu,
zerbröckelt die Moral im Nu.
Der Mensch versucht, an Nachbars Kirschen,
ist dieser weg, heranzupirschen
sowie durch seinen Zaunes Lücken
sich einen Blumenstrauß zu pflücken.
Er bohrt mit wachsender Exstase
in seiner ungeputzten Nase
und schmatzt, wenn er Kartoffeln kaut,
vernehmlich lustbetont und laut,
obwohl es Knigge widerspricht,
der klar sagt: Dieses tut man nicht.
Er prüft verzückt in Liebeslädchen
die Fotos ziemlich nackter Mädchen
und wagt es gar, sich am Kamin
vollkommen nackend auszuziehn,
wodurch du, Leser, leicht erkennst:
Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Ich nehme an. Du stimmst mir bei:
Dies ist viel eher Schweinerei.
Um die Moral in dieser Welt
ist es bedauernswert bestellt.
Man kennt sie zwar, jedoch im Grunde,
führt man sie meistens nur im Munde.

Die Katze




Der Mensch, seit er als Mensch beginnt,
seit Menschen also Menschen sind,
versuchte immer, dass er Tiere
für seinen Zweck domestiziere:
Das Pferd, die Kuh, das Schaf, den Hund,
den Elefanten und … und … und …
Die Katze war seit Alters her
verbreitet, aber noch viel mehr
erregte und beherrschte sie
Einbildungskraft und Phantasie,
natürlich weil sie Mäuse fing, -
der Nutzeffekt war nicht gering, -
doch galt sie auch zu jeder Zeit
als typische Persönlichkeit:
Selbständig, autonom, apart,
unzähmbar wild, gleichzeitig zart.
Sie liegt so friedlich an der Mauer,
sie hockt so gierig auf der Lauer,
sie schleicht so leise durch die Gegend,
sie faucht so grell und furchterregend,
sie scheint so intellektuell,
sie hat ein weiches warmes Fell,
sie funkelt drohend mit den Augen,
sie lässt die Jungen schnurrend saugen,
sie sättigt sich mit Milch und Blut,
sie leckt sich rein, sobald sie ruht,
sie geht gern ihre eignen Wege,
sie hasst beengende Gehege,
sie sucht verspielt nach Hautkontakt,
sie kratzt, wenn sie ein Fremder packt.
Im Mittelalter sah man sie
als Teufelsspuk und Hexenvieh.
Lebendig wurde sie verbrannt,
man grub sie lebend ein im Sand,
ersäufte sie in Leinensäcken
im Glauben, Satan abzuschrecken.
Es hieß, es seien ihr gegeben
nicht eins bloss, sondern sieben Leben.
So spielt sie eine rätselvolle,
beinahe Außenseiterrolle.
Nicht Kraft, nicht Quantität, nicht Masse,
nein Eleganz und Klasse
mit spitzen Krallen, weicher Tatze,
gefürchtet und verehrt: Die Katze.

Angelsport



Der Mensch, ob alt er oder jung,
braucht Freiezeitbeschäftigung,
weil, wer sich nicht beschäftigt hält,
bestimmt in Depression verfällt.
Der Möglichkeiten gibt es viele:
Brett-, Karten- und Gesellschaftsspiele,
Gedichte oder Briefe schreiben,
sich Bier mit Eisbein einverleiben,
radfahren, wandern, segeln, schwimmen,
den Gipfel des Mont Blanc erklimmen,
die Tasten des Klaviers behämmern,
den Hund ausführn beim Morgendämmern,
verwundert in den Himmel starren,
auf das, was niemals eintritt, harren, -
woraus hervorgeht: Kaum ein Tun
ist gegen Hobbytum immun.
Schnell oder langsam, spät und früh,
allein, zu zweit, jetzt oder nie,
wenn so ein Hobby erst gefällt,
ist es das schönste auf der Welt.
Der Täter leistet jeden Schwur:
Dies, dies allein und dieses nur.
Ein feste Burg und edler Hort
des Hobbys ist der Angelsport,
dem, einzeln oder im Verein,
sich treu die Petrijünger weihn.
Da steht ein Mensch am Rand des Teiches
gleich wie am Tor des Himmelreiches,
in eine Regenhaut gehüllt,
von Hoffnung und von Wahn erfüllt,
und wartet stumm, dass in der Nähe
das Unwahrscheinliche geschähe.
So steht er da und starrt ins Leere,
als ob das Leere alles wäre.
Versunken ist die Gegenwart.
Die Zeit verrinnt. Er steht und starrt.
Er steht und starrt, er starrt und steht.
Minuten tropfen, Zeit vergeht.
Da ruckt es an der Angelschnur.
Es zuckt sein Arm, doch wenig nur.
Die Wellen plätschern, Zeit verrinnt.
Er steht und starrt und starrt und sinnt.
Das Wasser plätschert vor sich hin.
Man wüsste gern: Ist etwas drin?
Schon wieder ruckt es an der Leine.
Der Angler zuckt, doch nur zum Scheine.
Er steht versteinerten Gesichts.
Denn nichts geschieht, es tut sich nichts.
Er starrt aufs kaum bewegte Nass
bewegungslos und ohne Hass,
fest überzeugt und unbeirrt,
dass er der Sieger bleiben wird.
Es plätschert leise. Viele Stunden
Sind unbemerkt dahingeschwunden.
Bis es auf einmal wieder ruckt,
worauf der Mensch zusammenzuckt,
doch konzentrierter als vorher.
Man merkt sofort, es geht um mehr.
Er reißt die Angel scharf nach oben.
Sein Gleichmut ist wie weggestoben,
ein Bündel von Begeisterung.
Er sprüht von Energie und Schwung,
stemmt seine Füße in den Sand,
Gemüt und Muskeln angespannt,
spreizt wie ein Ringer seine Beine,
zieht stark und heftig an der Leine,
kein Zweifel, durch verstärktes Ziehen
kommt jetzt der Lohn für seine Mühen.
Neugier und Staunen ringsumher.
Er zieht,- jedoch die Schnur ist leer.
Ihn stört es offensichtlich nicht,
denn unbewegt bleibt sein Gesicht.
Kein Schrei des Zorns, nicht einmal „schade“.
Er greift nach einer neuen Made,
spießt sie am Angelhaken auf,
ein neues Spiel nimmt seinen Lauf.
Der Dichter aber schleicht sich fort
voll Achtung vor dem Angelsport.
Das ist die Haltung, die befreit;
das sind die Helden unsrer Zeit,
die Misserfolg und Niederlagen
so stoisch - unbeschwert ertragen.

Beim Arzt



Ist jemand krank, will er beileibe
auf keinen Fall, dass es so bleibe.
Im Gegenteil, aus gutem Grund
wär er stattdessen gern gesund.
Dies ist nicht einfach, wie er weiß;
Gesundheit kostet ihren Preis.
Doch angesichts von Schmerz und Qualen
ist er bereit, den Preis zu zahlen.
Er hofft, dass ihm die Wissenschaft
erneut verhilft zu Saft und Kraft,
und sucht daher im Dauerlauf
den Doktor des Vertrauens auf,
damit er ihn nach alter Sitte
um Medizin und Beistand bitte,
zumal er meint, ein Mediziner
sei aller Menschen Freund und Diener.
Doch leider kommt er an den Mann
nur äußerst mühevoll heran.
Sobald er tritt ins Wartezimmer,
wird die Misere nur noch schlimmer.
Es scheint, der Welt geballter Jammer
versammelt sich in dieser Kammer.
Am liebsten würd er tausend Meilen
vom Schreckensort entfernt verweilen.
Doch hat er Angst und traut sich nicht.
Wie leicht verliert man sein Gesicht!
Die Stunden ziehn sich in die Länge.
Er wartet weiter im Gedränge
der ausgemergelten Gestalten,
die sich nur mühsam aufrecht halten,
und ohne sich zu unterbrechen,
Details des Unwohlseins besprechen,
bis dann ein Engel zu ihm schwirrt
und er hineingerufen wird
ins Heiligtum, in dem der Meister
beherrscht den Schwarm der bösen Geister.
Er stellt sich vor, der wird es machen
wie einst St. Georg mit dem Drachen.
Er meuchelte den Riesenmolch
mit einem Schwerte oder Dolch,
und nachher war, schockschwerenot,
der böse Lindwurm mausetot.
So wird der Krankheit, hofft er jetzt,
ein kurzer Todesstoß versetzt,
wonach er schnell nach Hause eilt,
von Schmerz genesen und geheilt.
Er sitzt auf einem Stuhl, doch siehe,
trotzdem spürt er die weichen Kniee.
Sein Gegenüber wächst und wächst,
er selbst fühlt sich zum Zwerg verhext
und starrt ihn an, gelähmt und bange,
wie das Kaninchen auf die Schlange.
Der Gott im weißen Leinenkittel,
mit Brille, Bart und Doktortitel
sucht ihm erst Hoffnung einzuflößen
und drängt ihn dann, sich zu entblößen.
Der Mensch legt sich auf eine Couch,
der Arzt schlägt zu, und er schreit: Autsch.
Er wird betätschelt, und es kitzelt,
worüber jener schamlos witzelt.
Es soll nach Leibeskräften husten
und kräftig in ein Röhrchen pusten.
Der Doktor piekst ihn in den Arm,
Blut tropft herunter, rot und warm.
Er droht, er lasse ihn nur ziehn
für einen Becher voll Urin,
und schaut ihm forschend in das Maul
wie einem alten Zirkusgaul.
So quält er nach der neusten Mode,
nach außen nett, doch mit Methode,
brummt dann auf Griechisch und Latein:
Das kann nur - - - - sein,
worauf der Mensch zusammenzuckt,
als habe er ihn angespuckt.
Allmählich nimmt die Qual ein Ende.
Der Doktor wäscht sich seine Hände
in Unschuld unter einem Kran
für das, was er ihm angetan,
und wiederholt, entwaffnend frei,
dass noch gewisse Hoffnung sei.
Es gäbe ja, um zu gedeihen,
durchaus genügend Arzeneien,
die, wie die Wissenschaft verspricht,
ihn heilen – oder aber nicht,
wobei er jetzt ein Lächeln zeigt
und letzteres bestimmt verschweigt.
Dann zieht er aus dem weißen Rock
den Goldfüllhalter samt dem Block
und wirft in lässiger Manier
Unleserliches aufs Papier.
Der Mensch, aufs Gnädigste entlassen,
kann dieses Glück nur mühsam fassen.
Entstiegen einer Leichengruft
schnappt er voll Gier nach frischer Luft.
Er fühlt sich zwar noch hundertfach
erschöpft, bestürzt, verwirrt und schwach;
er bibbert, schlottert, wankt und bebt,
doch wichtig ist nur dies: Er lebt.
Er sprang dem Tode von der Schippe,
ist voller Mensch und kein Gerippe.
Es kostete zwar Blut und Schweiß,
doch sei dem Doktor Lob und Preis.

Krimi



Ein Mensch, von Krimidrang erhitzt,
sitzt, wo er jeden Abend sitzt,
vor seinem Fernsehapparat,
denn Tatort heißt der Ort der Tat,
wo auf dem Kriminalgebiet
schier Unbegreifliches geschieht:
Der Mond taucht ein im Wolkenmeer
und Blitze zucken ringsumher.
Eine Uhu krächzt, ein Türschloss knarrt,
das sehnsuchtsvoll auf Ölung harrt.
Es knackt ein Ast, ein Mäuschen piept,
ein Katzenvieh miaut verliebt,
und eine drahtige Gestalt
kriecht lautlos durch Gebüsch und Wald.
Zwielichtig ist, das dort geschieht,
weshalb man nichts Genaues sieht,
doch wird die Phantasie gereizt
und Nervenspannung angeheizt.
Ein Käuzchen heult, es knarrt ein Schloss,
das jahrelang kein Öl genoss.
Ein Katzenpaar macht Mordstheater,
dann hat die Katze ihren Kater,
beziehungsweise er hat sie,
ein Vieh, umschleicht das andre Vieh.
Den Horizont durchschneiden Blitze,
der Mond scheint fahl durch Wolkenschlitze,
und die Gestalt, die trügerische,
schleicht weiterhin durch Wald und Büsche.
Der nächste Filmschnitt: Auf der Stelle
statt halbem Dunkel volle Helle
im Bungalow des Milliardärs,
wie Lieschen Müller denkt, so wär´s.
Modern-antik, mit runden Betten
und schwarz gekachelten Klosetten,
dazwischen Rokokokokotten,
die jeglicher Beschreibung spotten.
Es stinkt nach unverdientem Geld –
kurzum, vornehmste Lebewelt.
Es folgt in Ganzbildgroßaufnahme
zunächst ein Herr und keine Dame,
ein sportlicher, charmanter Typ,
erfolgsverwöhnt als Herzensdieb.
Nichtsahnend arglos ist sein Blick,
doch unerbittlich das Geschick.
Es kommt pfeifschnell herangeflogen
von einem straff gespannten Bogen
und bohrt sich zischend in das Weiche
der kurz zuvor belebten Leiche,
und etwas dickes Rotes quillt
beinahe aus dem Fernsehbild.
Dann, fast wie bei BH-Reklame,
folgt eine Frau, doch keine Dame,
die unbeschreiblich kurvenreiche
Geliebte der noch warmen Leiche,
die spielerische Amazone,
nicht ganz, doch oben völlig ohne.
Das lange Haar, dazu noch blond,
trägt sie als Jagdkostüm gekonnt.
Die Frau, die keine Dame ist,
wenn man ihr Tun moralisch misst –
sie pfeift darauf, denn Männer pflegen
bei ihr auf andres Wert zu legen –
schluchzt in bewegenden Geräuschen.
Der Kommissar lässt sich nicht täuschen.
Er ist im Dienst und von Natur
nicht nur solide, sondern stur
und zuckt beim Anblick der Blondine
nach außen hin mit keiner Miene.
Wenn etwas zuckt in solchen Fällen,
sind´s die berühmten grauen Zellen,
und diesem Zucken geht der Täter
bestimmt ins Netz, ein bisschen später.
Ein neuer Filmschnitt: Polizisten
mit einer jener tristen Kisten,
die oft das Liebste in der Welt,
doch selten Lebendes enthält.
In ihr liegt die nun ziemlich bleiche,
doch stets noch attraktive Leiche,
nachdem ein Azt die Auskunft bot,
dieselbe sei tatsächlich tot.
Die „Witwe“ (in Anführungsstrichen)
von jenem, der so jäh verblichen,
die heuchlerische, falsche Schlange
wischt sich ein Tränchen von der Wange
und sieht, ein echter Augenschmaus,
noch viel verführerischer aus.
Der Fernsehfreund, von Angst erhitzt,
sitzt, wo er immer sitzt, und schwitzt
und löscht die brennende Begier
mit einer ganzen Flasche Bier
und leert bis hin zum zehnten Streiche
erneut ein volles Glas pro Leiche.

Bewölkt


Der Mensch als Mensch und Homo faber
beherrscht die Welt fast völlig, aber,
so sher er um die Herrschaft ficht,
total beherrscht er sich noch nicht.
Im Gegenteil, eh er´s gedacht,
steht er am Ende seiner Macht,
ja schlimmer noch, er steht im Regen
und weiß noch nicht einmal, weswegen.
Als Beispiel dieses Tatbestands
nenn ich das Wetter dieses Lands.
Da kommt ein Keil vom Islandstief,
das vorher still und reglos schlief,
gerade dann, wenn´s keiner denkt,
vom Ozean herangeschwenkt
und schwängert die ansonsten leere,
blicktransparente Atmosphäre
mit dichten, dunklen Nebelfladen,
die sich dann irgendwo entladen.
Sogar der Wettersattelit,
sah nicht, was sich zusammenzieht,
so dass die Meteorologen
die Kundschaft und sich selbt betrogen.
Sie haben Gutes prophezeit
mit ihrer Wissenschaftlichkeit,
doch scheint, was die Propheten sungen,
nicht bis zum Himmel durchgedrungen.
Auch fällt der Regen grade dann,
wenn man ihm nich entgehen kann,
zum Beispiel, wenn man abends froh
nach Hause eilt aus dem Büro,
und wenn man still spazieren geht,
wo nichts, was einem Dach gleicht, steht.
Ein Mensch mit einem Regenschirm
fühlt sich in solchen Fällen firm,
sofern´s auch glückt, dem Sturmeswüten
mit seinem Schirm die Stirn zu bieten
und auch die mittleren Partien
den Regenschauern zu entziehn,
ganz abgesehen von den Schuhen,
worin des Menschen Füße ruhen.
Erst recht nicht hilft ihm dieses Ding,
wenn, als er aus dem Hause ging,
es schön war wie im Paradies,
weshalb er es im Ständer ließ.
Der Mensch wird durch den Umstand leicht
bis auf die Knochen durchgeweicht.
Soeben ziemlich wohlgemut
erzittert er vor Frost und Wut,
was einerseits und gar nicht selten
Gefahr erzeugt, sich zu erkälten,
wogegen andrerseits erschlafft
der Glauben an die Wissenschaft.
Zwar lernte er seit Kindesbeinen,
die Sonne kann nicht immer scheinen,
sonst wäre es, wie jeder weiß,
ringsum zu trocken und zu heiß,
doch fragt er bebend vor Verdruss,
warum es immer regnen muss,
wenn er sein warmes, trautes Nest
für einen Augenblick verlässt;
weshalb es, scheinbar aus Prinzip,
gießt, wenn der Schirm zu Hause blieb,
doch wenn er diesen bei sich trägt,
kein Tropfen Nass zu fallen pflegt.
Auch dann, wenn er im Zimmer sitzt,
vor Himmelsfeuchtigkeit geschützt,
fühlt er sich im Gemütszustand
von Wechselschauern übermannt.
Wenn Tag und Nacht die Wolkenfetzen
am Horizont vorüberhetzen
und überall die Tropfen spritzen,
kriecht Trübsal durch die Fensterritzen,
durch Schafwollunterzeug und Poren.
Er hüllt sich ein bis zu den Ohren,
zieht sich zurück in seine Tonne
und träumt verzweifelt von der Sonne,
die, wenn sie je auf Erden schien,
woanders scheint, doch nciht für ihn.
Die Wetterfrösche stört es nicht.
Mit sonnig-heiterem Gesicht
erscheinen sie und prophezein
durch nichts getrübten Sonnenschein.
Der Mensch, geplagt von Grau und Grauen,
wagt überhaupt nicht hinzuschauen,
weil er im Regen fast ertrinkt.
Sein Fortschrittsoptimismus sinkt.
Und fiel er nicht dem Wahn zur Beute,
dann friert und zittert er noch heute.

Der depressive Zeitgenosse


Der Zeitgenosse hier und jetzt
fühlt sich nervös und abgehetzt,
erschöpft, am Ende seiner Kraft,
ko, gereizt und abgeschlafft,
erledigt, fertig, aufgeschmissen,
kaputt und innerlich zerrissen,
gelähmt, zerschlagen, down, am Rand,
halbtot, bankrott und abgespannt,
ohnmächtig, müde, lahm, verdrossen,
zu kurz gekommen, unentschlossen,
durch Zäune aller Art gehemmt,
von Widerständen eingeklemmt,
entkräftet, hilflos und gebrechlich.
Kurzum: Er leidet unaussprechlich.
Zu nichts mehr hat er wirklich Lust.
Es packt ihn überall der Frust,
Enttäuschung, Missmut, Unbehagen.
Der Ärger schlägt ihm auf den Magen.
Es wird ihm schwindelig und flau.
Die Umwelt zeigt sich grau in grau.
Dies Jammerleben ist zum Kotzen.
Wer zu ihm kommt, will nur schmarotzen.
Das Wasser steht ihm bis zum Hals,
und jede Suppe schmeckt nach Salz.
Das Haus stürzt über ihm zusammen.
Er leckt sich wie ein Hund die Schrammen.
Das Fernsehn bringt nur blöde Stücke.
Gefälligkeit ist nichts als Tücke.
Es gellt wie Hohn in seinen Ohren.
O wäre er doch nie geboren!
Er geht zum Arzt. Nach dessen Willen
schluckt er nach jeder Mahlzeit Pillen.
Bevor er abends geht zu Bette,
schluckt er noch eine Schlaftablette
und, weil er dann noch immer wacht,
die letzte kurz vor Mitternacht.
Um morgens wieder aufzuwachen,
gießt er sich Kaffee in den Rachen
und putscht den matten Blutkreislauf
mit Koffeinkonserven auf.
Doch fühlt er sich erst richtig wohl,
trinkt er ein Gläschen Alkohol.
Er schätzt Bewegung, Schwimmen, Wandern,
doch überlässt er es den andern,
sitzt fest im Auto und Büro
und zwischendurch auch anderswo,
obwohl durch endogene Stauung
er Mühe hat mit der Verdauung.
Auch dafür, anders als sein Vater,
sucht Hilfe er beim Psychiater,
der in der Seele, die rumort,
hartnäckig in die Tiefe bohrt
und ihm darauf, auf seine Art,
Geheimnisvolles offenbart.
Mit autogenem Training treibt er,
weil immer schwerer und beleibter,
den Kummerspeck von seinen Knochen.
Doch was er abnahm in drei Wochen,
das nimmt er unbemerkt im Nu
in knapp drei Tagen wieder zu.
Statt dreißig Zigaretten raucht
er zwanzig, weil er die ja braucht,
schwärmt für Produkte der Natur,
macht in Bad Füssing jährlich Kur,
lutscht Minerale, Vitamine,
isst Müsli, Joghurt, Margarine,
Rohrzucker, Obst und Sauerkraut,
das er mit sehr viel Speichel kaut.
Dazwischen ein Reformhaustrank.
Trotzalledem fühlt er sich krank,
was er, weil´s ihn so furchtbar quält,
ausführlich jedermann erzählt.
Man fragt sich da mit gutem Grund:
Wer ist denn überhaupt gesund?
Was ist gesund, und was ist krank?
Was alt, was jung? Was dick, was schlank?
Wer bildet Krankheit sich nur ein?
Wer macht sich vor, gesund zu sein?
Die Antwort auf die vielen Fragen
bleibt allerdings weithin im Vagen,
weil selbst Experten sie nicht wissen,
obgleich sie´s, meint man, wissen müssen.
Kein Leser muss erschreckt erblassen.
Es bleibt ihm selber überlassen,
ob er sich krank fühlt oder nicht,
ob´s ihm an Medizin gebricht,
ob er die Ärzteschaft befragt,
beziehungsweise sich versagt;
wie weit er, was sich auf ihn legt,
gern oder nicht so gern erträgt,
ob er sich gar nur glücklich fühlt,
wenn er in seinem Unglück wühlt,
so dass er dieWehwehchen braucht,
als ob er Zigaretten raucht.
Es wäre besser, nicht zu rauchen
als Massen Nikotin zu brauchen,
weil Raucher sich konkret gefährden.
Doch manche Kettenraucher werden
bei höchstem Nikotingehalt
weit mehr als hundert Jahre alt,
und mancher Depressive scheidet,
obgleich er doch so schrecklich leidet,
den Depressionen hingegeben,
auch erst mit hundert aus dem Leben.
Schaut er auf seinen Lauf zurück,
war´s sicher nicht nur eitel Glück
auf rosarot bewölkten Höhn,
im Grunde aber war es schön.

Gewinn und Verlust



Ein Mensch, und sei er noch so stark,
ist keineswegs in sich autark.
Er muss, will er nicht Hungers sterben,
von anderen sich das erwerben,
was in verschiedener Gestalt
ihm dient als Lebensunterhalt.
Und da er das Schlaraffenland
trotz langen Suchens noch nicht fand,
wo delikat gebrat´ne Tauben
sich in den Mund zu schwirrn erlauben,
muss er Geflügel, Reis und Kuchen
in anderen Bereichen suchen.
Deswegen gibt es jetzt für jeden
Spezialgeschäfte oder – läden,
worin er alles finden kann,
was Menschenphantasie ersann,
und wenn er über Geld verfügt,
bestimmt auch das Gesuchte kriegt.
Ein Warenhaus trifft die Geschmäcker
besonders ausgeprägt und lecker.
Es bietet Waren tausendfach,
dazu noch unter einem Dach,
vom Joghurt bis zur Streichholzschachtel,
vom Thermometer bis zum Spachtel,
angeblich billig. Außerdem,
was ihn noch stärker lockt, bequem.
Er braucht nicht weit umherzuschweifen,
es reicht, die Dinge zu ergreifen,
die griffbereit an beiden Seiten
des Käuferstroms vorüber gleiten.
Der Mensch fährt also los und parkt
am Riesensuperbilligmarkt,
packt sich ein Wägelchen aus Draht
und schreitet unverzagt zur Tat,
entschlossen, dass er nur verstaucht,
was er bestimmt und dringend braucht:
für Oma neue Filzpantoffeln,
Salat, Tomatenketschup und Kartoffeln,
Waschpulver, Klopapier 1) und Butter,
Brot, Sauerkraut und Vogelfutter.
Damit er dies beim Einkauf wüsste,
schrieb er´s zuvor auf eine Liste,
so dass, wenn er sein Ziel erreicht,
er, was er hat, vom Zettel streicht,
entschlossen, wie schon angedeutet,
dass er nur, was er braucht, erbeutet.
Sofort erblickt er ein Paket,
auf dem steht „Superqualität“,
dazu, damit es jeder weiß,
„herabgesetzter Einführpreis“.
Er legt´s in seinen Wagen nieder,
so billig kriegt er´s niemals wieder.
Dann fällt sein Blick auf eine Ware,
die suchte er schon viele Jahre,
und nahe liegt darum der Schritt:
Er nimmt das lang Ersehnte mit.
Dann etwas, was die Werbung pries
als Sensation. – Er packt auch dies,
nicht um es ständig einzuführen,
nein, lediglich, um zu probieren,
damit bei späterem Verzicht
er ganz genau weiß, warum nicht.
Am Ende noch ein Sonderposten
von Kleinigkeiten, die nichts kosten, -
beinahe! Prüfte er´s genauer,
dann wär er, wenn er´s täte, schlauer.
Der Mensch, von Überfluss gefüttert,
hat seinen Zettel längst zerknittert.
Entdeckfreude treibt ihn weiter,
der Rausch dient ihm als Wegbereiter.
Kein Anflug von Gewissensqualen,
er kann und wird mit Scheck bezahlen,
denn dadurch werden die Verluste
hinabgeschraubt ins Unbewusste.
Im Karren stapelt sich der Kram,
den er heut fast umsonst bekam..
Er muss das Zeug zusammenbiegen,
um immer mehr hineinzukriegen,
denn weiter steigert sich die Quote
der Billigsonderangebote.
Ein kurzer Schreck durchzuckt ihn schon
am Ende seiner Exkursion.
Er hat nicht wenig ausgegeben.
Nun ja, umsonst ist nichts im Leben.
Dagegen hat er bei der Fahrt
bestimmt drei Kronen zehn gespart,
gemessen an Detailbeträgen,
die anderswo viel höher lägen.
Erschöpft, doch jeder Zoll ein Sieger,
erfahrener, wenn auch nicht klüger
verlässt er stolz und ohne Klage
den Schauplatz seiner Niederlage.
Gern zahlt er jeden Obolus,
der homo oeconomicus.

Zahnschmerzen



Der Mensch hat immer – oder meist –
auch ein Gebiss, mit dem er beißt,
am Unterende des Gesichts.
Normalerweise merkt er nichts,
sodass er herzhaft und direkt
in das hineinbeißt, was ihm schmeckt.
Doch ist es aus gewissen Gründen
geneigt, sich manchmal zu entzünden,
und wird das Innere erst fiebrig,
dann bleibt ihm gar nichts andres übrig,
als, angeregt durch Eiterbeulen,
verschämt ins Taschentuch zu heulen.
Es schüttelt ihn ein irrer Schmerz,
reißt ihn empor und himmelwärts.
Gleichzeitig rast durch sein Gebein
die schauerlichste Höllenpein,
sodass er ganz und gar vergisst,
ob Männchen er, ob Weibchen ist.
Er gäbe gern sein letztes Hemd,
würd´ nur dies Bohren eingedämmt.
Er schmiedet wahnsinnige Pläne,
denkt schließlich an den Arzt der Zähne,
bei dem, so hofft er wohl begründet,
er Linderung und Heilung findet,
und macht sich auf, mehr tot als lebend,
halb freiwillig, halb widerstrebend,
weil ihn die Angst beinahe lähmt,
wofür er sich natürlich schämt,
doch andrerseits und überhaupt,
er an Erfolg und Fortschritt glaubt.
Betritt er dann das Wartezimmer,
erlischt sofort sein Hoffnungsschimmer
im Kreis der traurigen Gestalten,
die sich nur mühsam aufrecht halten,
verängstigt mit den Füssen scharren
und trüben Blicks ins Leere starren.
Ringsum ertönen in der Reihe
kaum unterdrückte Schmerzensschreie,
wodurch der Welt Vergänglichkeit
ihm schrill und grell entgegenschreit.
Er blättert mit zermürbten Kräften
in schmierigen Gesundheitsheften,
in denen stolz und unbeirrt
Zahnmedizin gepriesen wird,
die, heißt es darin frank und frei,
der Menschheit Freund und Helfer sei
und, so versteht sie ihre Rolle,
allein des Menschen Bestes wolle,
wozu ihm jener Witz einfällt:
Des Menschen Bestes ist sein Geld.
Auf einmal fängt sein Nebenmann
zu keuchen und zu röcheln an.
Sein Kopf wird rot, sein Auge zuckt,
wobei er in sein Schupftuch spuckt.
Der Mensch, im tiefsten Sein erschüttert,
sitzt wie gelähmt dabei und zittert
und spürt im Nu und Handumdrehn
den Hauch des Todes um sich wehn.
Er faltet schweigend und betreten
die feuchten Hände wie zum Beten.
Es fällt ihm ein, dass sein Pastor
entschieden auf das Beten schwor
und die Versammelten anflehte:
O Mensch, wenn Not dich anficht, bete!
Zwar fehlen ihm an diesem Orte
die passenden und frommen Worte.
Er hat, so denkt er jetzt betrübt,
das Beten nicht genug geübt,
doch hofft er, dass ihm Gott verzeiht,
wenn er nun wortlos zu ihm schreit,
ja dass er obendrein versteht,
worum er ohne Worte fleht.
Er schließt die Augen, schaut nach innen,
um über alles nachzusinnen.
Was da an ihm vorüberhuscht,
ist so vermurkst, verkorkst, verpfuscht.
Er wird in Zukunft öfters beten
und dem Verfall entgegentreten,
zum Beispiel sich die Zähne putzen
und jeglicher Verführung trutzen
in Form von süßen Schleckereien,
die doch nur kurzes Glück verleihen.
Und erst der Assistentin Schritte,
ihr drohendes: „Der Nächste bitte“
reißt ihn in diesem kahlen Raum
aus seinem Selbstkasteiungstraum,
und schwankend wie ein Somnambule
lässt er sich führn zum Marterstuhle.
Der Arzt befiehlt ihm, dass er sitze,
sticht zu, und zwar mit einer Spritze.
Er bäumt sich auf, sein Blutdruck hämmert,
bis er entspannt ins Jenseits dämmert.
Es zeigt sich hier, des Körpers Pein
kann für die Seele heilsam sein.
Sie wird, wie Hiob schon bescheinigt,
durch Schmerz geläutert und gereinigt.
Je mehr´s rumort im Unterkiefer,
desto beständiger und tiefer
der Wunsch, dem Bösen zu entsagen
und guten Zielen nachzujagen.
Drum wünsch ich dir von ganzem Herzen
gelegentlich dergleichen Schmerzen.
Es scheint so, dass gerade Dornen
den Hang zur guten Tat anspornen.
Geht´s ohne sie, dann umso besser,
ich bin kein Schinder und Erpresser.
Im Gegenteil, du kannst entscheiden
auch ohne Einwirkung von Leiden:
Tu Gutes, standhaft und beherzt,
bevor der nächste Zahn dich schmerzt.

Auffallen um jeden Preis



Fast jeder, der auf Erden lebt,
ist in der Regel auch bestrebt,
dass man sein Dasein und Talent
zur Kenntnis nimmt und anerkennt.
Er wünscht sich von der Allgemeinheit
ein Mindestmaß an Streicheleinheit.
Falls er nicht kriegt, was er begehrt,
scheint nichts ihm mehr begehrenswert.
Er welkt, verkümmert und geht ein
wie Primeln ohne Sonnenschein,
denn einerseits und überhaupt
fühlt er sich nutzlos und verstaubt,
und andrerseits wird er vor Schreck
zu dick aufgrund von Kummerspeck.
So sucht er mit gewagten Ränken
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Selbst Opfer nimmt er gern in Kauf,
Hauptsache, er fällt dadurch auf:
Der Säugling brüllt aus vollem Hals,
Senioren tun es ebenfalls.
Das junge Mädchen trägt ac hoc
den superkurzen Minirock.
Der Jüngling wirkt als Troubadour
durch Popmusik und Punkfrisur.
Die Mutter streicht sich eine Schicht
von Creme und Farbe ins Gesicht.
Der Vater gönnt sich etwas Neu´s,
die Luxuskutsche von Rolls Royce.
Es wechselt ständig die Methode:
Bald ist´s der letzte Schrei der Mode,
der allerletzte selbstverständlich,
sonst wirkt´s ja primitiv und ländlich.
Falls dies kein Resultat verspricht,
spuckt er der Mode ins Gesicht
und tut etwas besonders Dummes,
Extravagantes oder Krummes.
Dann kommt sogar die Zahl der Morde
ins Guiness-Handbuch der Rekorde,
was seinerseits den abgebrühten
Halunken reizt zum Überbieten.
Auffallen lautet die Devise.
Wenn nämlich Nachbars Hans und Liese
neugierig auf die Zunge beißen
und anschließend ihr Maul zerreißen,
erheitert sich sein Mienenspiel
infolge von Triumphgefühl.
Sobald gar Fernsehjournalisten
sich fast im Schlüsselloch einnisten
und sechsstellige Summen zahlen
für die Verwertung von Skandalen,
dann ist´s geschafft, dann ist er in,
dazu bringt´s klingenden Gewinn.
Er wird des Lebens wieder froh.
Auffallen lohnt, so oder so.
Nichts, scheint es, ist verrückt genug
bei dieser Art Gespensterspuk.
So schafft durch Imponiergehabe
der Mensch sich selber Lust und Labe
und trägt durch Wichtigtuerei
zum Publikumsvergnügen bei,
das all die Faxen zwar bekrittelt
und sie moralisch niederknüttelt,
doch, wenn es Einzelheiten liest,
dieselben wonnevoll genießt
und stets nach Neuigkeiten lechzt,
obgleich es vor Empörung ächzt.
Wo bleibt bei allem die Moral?
Der Dichter merkt zu seiner Qual,
er kann, vielleicht aus Altersgründen,
die tiefere Moral nicht finden.
Moral, so jedenfalls wird klar,
ist auch nicht mehr, was sie einst war.

Ja oder nein?



Gar mancher fragt gedankenvoll,
wie er im Leben handeln soll.
Im Einzelnen zwar unterschiedlich,
doch täglich, stündlich und minütlich
verlangt der Augenblick brutal
von ihm stets eine neue Wahl.
Zuweilen mag es ihm dann glücken,
sich tatenlos davor zu drücken,
doch wenig später kommt im Nu
die nächste Frage auf ihn zu:
Aufstehen oder liegen bleiben?
Telefonieren oder schreiben?
Ja sagen oder lieber nein?
Noch grollen oder doch verzeihn?
Denn anders als das liebe Vieh,
entscheiden muss er irgendwie:
Rechts oder links, heiß oder kalt?
Mit Liebe oder mit Gewalt?
Hart oder weich, scharf oder süß?
Nach Hintertupfing, nach Paris?
Auch wenn er, da er furchtbar leidet,
entscheidet, dass er nicht entscheidet,
hat er sich irgendwie entschieden.
Doch ist er dann damit zufrieden?
Denn die Erfahrung lautet schlicht:
Entscheidet er sich selber nicht,
entscheiden andere statt seiner,
doch rücksichtsloser und gemeiner,
und tun ganz offen oder still
gerade das, was er nicht will.

Fortschritt



Wer älter wird, hat mit den Jahren
voll Freude und voll Leid erfahren:
Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten
in stets moderneren Gestalten.
Der Technik und der Medizin
kann er im Grunde nicht entfliehn.
Wir Menschen hängen gern am Alten,
und viele wollen es erhalten..
Das Alte ist uns halt bekannt,
es wird gebraucht und angewandt
von Kindheit an und Jugend auf
weithin im ganzen im Lebenslauf.
Denn dies saugt schon der kleinste Knilch
aus Mutters Brüsten samt der Milch.
Doch muss es stets auch Neues geben,
sonst rostet und versteint das Leben.
Wir würden stets noch wie die Affen
aus Urwaldlaub hinunter gaffen,
um uns von Ast zu Ast zu schwingen
mit Hilfe von Lianenschlingen.
Doch eines Tages irgendwann
kam ein gescheiter Affenmann,
beziehungsweise seine Frau,
wir wissen dies heut nicht genau, -
obwohl, es ist im Grunde klar,
dass dieses eine Äffin war,
denn so etwas galt damals schon
als Akt der Emanzipation, -
darauf, nicht mehr auf allen Vieren
durch die Savanne zu spazieren,
nein, gegen den Familienzwang
zu wählen den aufrechten Gang.
Die Vorderpfoten konnten nun
als Hände gute Dienste tun,
und auch der Kopf war frei zum Denken,
das heißt, sein Tun bewusst zu lenken.
Der nächste Schritt war ungeheuer:
Man zähmte und benutzte Feuer,
von einer Äffin ausgedacht
in einer bitterkalten Nacht.
Denn sicher war es eine Frau,
wenn ich auf die Motive schau:
Sie wollte gern Spaghetti kochen,
gewürzt mit Mark aus Rattenknochen,
und wurde ihres Seins nicht froh
in dem ererbten Status quo,
wo jeder ja sein Leben lang
das Fressen roh herunterschlang.
Sie wagte in Mangrovenbäumen
von einer andren Welt zu träumen,
von einem Holz- und Kohleherd,
bekanntlich da schon Goldes wert,
und später einer Mieleküche,
elektrisch, ohne Fettgerüche.
Das runde Rad erfand sodann
mit Sicherheit ein Affenmann,
der gerne etwas fahren wollte,
das irgendwie von selber rollte
nicht rostig, plump, verbeult und schartig,
nein BMW- Mercedesartig,
weil, wer in solchen Autos hockt,
bestimmt auch viele Weibchen lockt.
Und so entstand wohl letzten Ends
der stolze Homo sapiens.
Konservativ war´n viele Leute
schon früher oder sind´s noch heute,
weil sie vor allem rückwärts schauen
und mehr der Tradition vertrauen,
misstrauisch, zweifelnd, voller Scheu
bei dem, was fremd erscheint und neu.
Doch andere sind progressiv,
da sitzt die Überzeugung tief,
dass eines Tags das Gute siegt,
weil steter Fortschritt vor uns liegt.
Neugier, Erwartung, Wissensdrang
treibt sie nach vorn ihr Leben lang.
Wer etwas Fantasie besitzt
und ihre Antriebskräfte nützt,
entdeckt, Christof Columbus gleich,
ein unvorstellbar andres Reich,
das Land der Reichtümer und Weiten
und unbegrenzten Möglichkeiten.
Die Technik hat, so wie ein Dichter,
normalerweise zwei Gesichter,
sich widersprechend, Ianus-haft,
was leider viel Verwirrung schafft.
Dazu noch eine meiner Thesen:
Gebrauchsanweisungen zu lesen,
sie schließlich so weit zu kapieren,
dass sie zu Resultaten führen,
sind selbst für den gestand´nen Mann
ein Job, an dem er scheitern kann.
Schon einfachste und stinknormale
Ikeaselbstaufbauregale
bewirken im Familienrahmen
manch blutige antike Dramen.
Doch anders als vielleicht vermeintlich,
ich bin durchaus nicht technikfeindlich.
Es singt der Mund, das Herze lacht,
wir haben´s wirklich weit gebracht.
Der Technik Achtung und Respekt,
was sie entdeckt hat und entdeckt,
wenn deutlich wird, was wir jetzt schaffen
verglichen mit den Urwaldaffen.

Generationskonflikt


Wir Menschen haben´s weit gebracht.
Trotzdem erhebt sich der Verdacht,
nicht ganz so weit, wie wir schon glaubten
und gern vor anderen behaupten.
Am stärksten ist der Unterschied
bestimmt auf technischem Gebiet,
verglichen etwa mit den Ahnen
zur Zeit der zimbrischen Germanen.
Jedoch in Fragen der Moral
erscheint der Fortschritt minimal.
Sogar bis zum Neandertaler
ist da der Abstand ein ganz schmaler.
Es sind Jahrtausende verflossen.
Die superklugen Zeitgenossen
und die modernen Menschenhorden,
sind sie vernünftiger geworden,
so dass der Geist den Ausschlag bringt
und nicht ein tierischer Instinkt;
dass Liebe, Rücksicht, Überlegung
beherrschen Triebe und Erregung?
Es kommt zur Auseinandersetzung,
ja schlimmer noch, zur Volksverhetzung,
wobei wie in den Freiheitskriegen
ringsum nur so die Fetzen fliegen.
Dabei sind nicht nur Unbekannte,
nein, oft genug auch Blutsverwandte
mit Herz und Mund und Hand verstrickt
in den entsprechenden Konflikt.
Denn seit es Väter gibt und Söhne,
hört man dieselben rauhen Töne,
die manchmal derart eskalieren,
dass sie zu Mord und Totschlag führen,
statt dass sie ohne Schrein und Fluchen
die Lösung ihres Streites suchen.
Denn einem, welcher flucht und schreit,
dem tut es hinterher meist leid,
weil er kein Stückchen weiterkam,
jedoch die Sache Schaden nahm
und bei den Menschen, die´s betreiben,
oft tiefe Narben hinterbleiben.
Obwohl das leidige Problem
so alt ist wie Methusalem,
kann offenbar und allgemein
von Fortschritt nicht die Rede sein.
Und wie beginnt ein solcher Streit?
Meist wegen einer Nichtigkeit!
Der Vater äußert eine These
in Form geheimer Katechese,
die indirekt und sorgenvoll
den Tatbestand beweisen soll:
Einst war die Jugend gut erzogen,
heut überspannt sie ihren Bogen.
Er wirft die These mittendrin
dem Sohn wie einen Köder hin,
der schon drauf lauert, diesen Happen,
als ob er hungrig sei, zu schnappen.
Wie also spricht ein solcher Vater,
worauf dann losbricht das Theater?
Wir standen auf beim Morgenrot,
begnügten uns mit trocken Brot.
Wir trieben regelmäßig Sport,
gehorchten unserm Chef aufs Wort.
Wir ließen uns die Haare schneiden
und war´n nicht gottlos wie die Heiden.
Wir nuckelten nicht an Lakritzen,
wir liessen jede Dame sitzen.
Kein Alkohol und keine Drogen,
und Dresche gab es, wenn wir logen.
Mein Leser, leider weiß ich nicht,
weil es mit absolut gebricht
an näherer Information,
bist du nun Vater oder Sohn,
was, zieht man dies hier in Betracht,
gewisse Unterschiede macht,
beziehungsweise keins von beiden.
Es wäre dann wohl zu entschieden:
Wenn Du nicht Mann bist, bist Du Frau
in Seele, Geist und Körperbau.
Weshalb ich völlig neu beginn:
Verehrte, liebe Leserin.
Zwar bin ich wiederum im Zwist,
ob Mutter Du, ob Tochter bist,
was, zieht man dies hier in Betracht,
auch dabei Unterschiede macht.
Soweit es klar ist, gilt für sie
die gleiche schöne Theorie,
wenn für das schwächere Geschlecht
auch selbstverständlich abgeschwächt.
Es kommt bei Töchtern und bei Müttern
nicht zu so heftigen Gewittern,
dagegen oft zu solchen Szenen,
die münden in ein Meer von Tränen.
Wie dem auch sei, ich denke mir,
dass wie so häufig, es auch hier
in erster Linie darum geht,
auf welcher Seite jemand steht.
Dasselbe sieht sich anders an,
sieht man als Frau es oder Mann;
als Wissenschaftler oder Dichter,
als Angeklagter oder Richter,
als Kerkerhäftling oder Henker,
als Mensch der Praxis oder Denker,
als Lüstling oder Misanthrop,
durch`s Fernrohr oder Mikroskop.
Es kommt, erkennt man irgendwann,
sehr auf die Perspektive an.

Glück



Der Mensch sei, sagen Professoren,
durchaus zu Höherem geboren.
Er unterscheidet sich vom Tier
auf unzweideutige Manier.
Zum Beispiel lebt er nicht zum Spaß
wie eine Geiß im grünen Gras,
wobei sie an demselben schleckert
und hin und wieder etwas meckert.
Instinkte steuern, was sie tut;
sie kennt nicht Böse oder Gut.
Das Fressen ist ihr tausendmal
entscheidender als die Moral.
Erst kommt das Fressen, dann folgt diese,
heisst ihre einfache Devise,
die allerdings auch sie am Schluss
meist mit dem Tod bezahlen muss.
Der Mensch bevorzugt andern Fraß
und beißt nur selten gern ins Gras.
Auch lebt er anders als das Schwein
nicht einfach in den Tag hinein.
Er strebt zumindest letzten End´s
nach Permanenz und Transzendenz,
und, was bedeutungsvoller ist,
er macht als Mensch auch keinen Mist,
beziehungsweise räumt den Dreck
mit Hilfe einer Putzfrau weg.
Ein Schwein ist glücklich, aber doof,
der Mensch dagegen Philosoph.
Er wird zutiefst vom Nichts genichtet,
vom Schicksal übel zugerichtet,
stets eisiger Verzweiflung weichend,
nie das gesteckte Ziel erreichend,
von Furien der Schuld gehetzt,
dem Hauch des Todes ausgesetzt,
am Strick des Egoismus baumelnd
und zwischen den Extremen taumelnd.
Er ist im Grund ein armer Schlucker,
Phantast, Traumtänzer, Sternegucker,
gepackt von rabenschwarzem Grausen,
verknüpft mit Schreck und Ohrensausen.
Um diesem Grauen zu entfliehn
sucht er voll Gier nach Medizin,
und sei es nur ein kleines Stück
Befriedigung, Abwechslung, Glück,
das leider oft im Dunst verschwindet,
weshalb er, was er sucht, nicht findet.
Stets scheint das Glück sich zu entfernen,
und schließlich liegt es in den Sternen.
Weil also Glück so glücklich macht
und jeder Glückliche auch lacht,
weil Menschen gerne lachen wollen,
anstatt zu heulen und zu schmollen,
verfolgen sie mit tausend Tricks
die fast verwehte Spur des Glücks.
Der erste Mensch sucht sich ein Weib
zu glückerfülltem Zeitvertreib,
obwohl durchaus nicht jeder Mann
auf diesem Weg auch Glück gewann.
Erst lodern die Begeist`rungsflammen,
dann fällt die Glut in sich zusammen.
Das Glück verwandelt sich in Trauer,
und er ist auf die Weiber sauer.
Ein zweiter Mensch bringt angeschleppt
das sichere Patentrezept.
Er schwört ausschließlich und allein
auf ein Getränk mit Namen Wein,
teils herb, teils süß und wichtig wohl,
mit einem Quäntchen Alkohol,
der, wenn man in Gesellschaft trinkt,
so herrlich lockert und beschwingt.
Wer sich dem ersten Glase weihte,
schafft in der Regel auch das zweite.
Ist dies durch seinen Hals geglitten,
beschäftigt er sich mit dem dritten.
Das vierte folgt nach kurzer Pause.
Er trinkt es nun schon fast wie Brause.
Das fünfte Glas, fast ungewollt,
auch schnell durch seine Kehle rollt.
Nach 5 folgt dann bekanntlich 6,
der Mensch setzt an und trinkt es ex.
Vom siebten an ist´s zu empfehlen,
nur noch zu trinken, nicht zu zählen,
zumal man sich beim Zählen prompt
verschätzt und durcheinander kommt
Trinkt einer so, steigt in der Regel
im Blut des Alkoholes Pegel.
Der Mensch wird wieder wie ein Kind,
wonach er mit Gesang beginnt.
Darauf versucht der Mensch, mit Singen
ins Reich des Glückes vorzudringen,
obwohl auch hier gesagt sein muss,
wer singt, erreicht nicht nur Genuss.
Entweder kennt er keine Noten,
er hat im Kehlkopf einen Knoten,
beziehungsweise singt zu laut,
was selbst Wohlwollende vergraut.
Weib, Wein und, wie gesagt, Gesang
verleihn dem Glück bestimmten Rang,
so hieß es einst in den Duetten
von amourösen Operetten.
Doch Glück ist nicht, wie mancher denkt,
auf Fraun und Alkohol beschränkt.
Methoden, Fertigkeiten, Ziele,
das Glück zu finden, gibt es viele.
Ich möchte Deinen Mut entfachen,
Dich selber auf den Weg zu machen.
Entfalte Dich, zeig Phantasie,
führ selbst in Deinem Tun Regie.
Was Du auch tust, was auch geschieht,
Du selbst bist Deines Glückes Schmied.
Nebst Mut wünsch ich Dir obendrein
Glück auf dem Weg zum Glücklichsein.

Lachen



Das Lachen ist aus gutem Grund
beliebt, erfolgreich und gesund.
Gewinn und Nutzen sind gewaltig,
fast unbeschreiblich vielgestaltig.
Bekräftigt wird die Theorie
durch die Geleotologie,
die Wissenschaft vom Lachen halt,
das siegreich durch das Leben schallt.
Wer lacht, der zeigt sich selbstbewusst
und lebt dadurch mit größ´rer Lust.
Die Ruhe wächst, die Spannung weicht,
was kaum erträglich schien, wird leicht.
Sein Stresshormon, das Kortisol,
wird abgebaut – er fühlt sich wohl.
Schmerz wird gelindert, von allein,
denn Endorfine stell´n sich ein,
die wirken garantiert auf ihn
nachhaltiger als Aspirin.
Das Herz, die Lunge sind aktiv,
und Sauerstoff vertreibt den Mief,
als ob er durch die Landschaft joggt,
obwohl er nur im Sessel hockt.
Wer lacht, wie ich am Schluss erwähne,
zeigt lachend seinem Feind die Zähne.
Er wirkt als netter Siegertyp
sympathisch, jeder hat ihn lieb.
Drum, lieber Leser, höre her,
das Fazit daraus ist nicht schwer:
Zeig deine Zähne, lächle, lache,
befreie dich, brich auf, erwache!
Bezähm den inn´ren Schweinehund,
wer lacht, hat dafür guten Grund.

Do it yourself



Ein Mensch will einen Teppich legen
des Nutzens und der Schönheit wegen.
Der alte ist, wie viele wissen,
verfärbt, verrutscht, verschmutzt, verschlissen.
„Do it yourself“ pflegt er zu sagen,
„wer etwas will, muss etwas wagen.
Es spart sich Ärger, Zeit und Geld,
wer keine Handwerker bestellt“.
Es schleicht sich, sagt man, wie allein,
auch ein Erfolgserlebnis ein,
das den, der Müh und Schweiß nicht scheut,
entschädigt, anspornt und erfreut.
Die Axt erspart den Zimmermann,
besonders, wenn man zimmern kann,
und ob man´s kann, erfährt man nie
allein durch pure Theorie;
Natürlich liegt da irgendwo
auch ein gewisses Risiko.
Das heißt, Skrupel herunterschlucken
und dreimal in die Hände spucken!
Allmählich fängt er richtig Feuer:
Heimwerkerei als Abenteuer.
Und irgendwie wird´s ihm schon glücken.
Er säbelt an den Teppichstücken,
damit die Riesenteppichmassen
im einzelnen zusammenpassen.
Zum Glück hat er ein scharfes Messer,
je schärfer, logisch!, umso besser.
Er schneidet, glättet, klebt und drückt,
er steht teils aufrecht, teils gebückt,
er plant und fummelt, schwitzt und bangt
und sieht sich schon ans Ziel gelangt.
Er freut sich und macht Zukunftspläne,
und eitel Freude ist die Szene.
Je mehr er fort- und vorwärtsschreitet,
wird er von Wohlgefühl begleitet.
Mit Herz und Hand ist er dabei.
Da plötzlich schrillt ein Schreckensschrei.
Blut rieselt hier und spritzt nach da.
Der Mensch ist einer Ohnmacht nah.
Am Boden liegt die Fingerkuppe
als Zusatz für die Erbsensuppe,
sofern er nicht zum Doktor geht,
der alles fein zusammennäht,
so dass er sich auf diese Art
sein Fingerspitzgefühl bewahrt.
Das dunkle, rote, warme Blut
schürt heißen Schmerz und kalte Wut,
doch Einsicht kommt, wie´s oft so geht,
sofern sie kommt, auch hier zu spät.
Der Mensch, Verlierer und nicht Sieger,
ist wenigstens ein bisschen klüger:
Ein Stück des Fingers ist entfernt,
jedoch er hat dazugelernt.
Zuweilen wird er ja erst schlauer
durch Schreck, Verluste, Schmerz und Trauer.

Impressum

Texte: Ch. Hartlieb
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

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