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Kapitel 1: Denn du siehst mich nicht...

Wiedereinmal drehe ich meine Runde. Seit Jahren schon kenne ich dich, beobachte dich aus der Ferne. Nie lasse ich dich aus den Augen, weiss alles über dich und doch noch nicht genug. Die Leere in mir schreit nach dir. Ich will dich berühren, deinen Duft einatmen...ich verzehre mich nach dir.
Ein Lächeln liegt auf deinem Gesicht, als du das Haus verlässt. Die Tür ziehst du einfach hinter dir ins Schloss. Weißt du eigentlich wie gefährlich das ist? Jemand könnte deine Wohnung leer räumen! Du lädst die Einbrecher beinahe ein! Leise seufze ich und wische den Gedanken dennoch beiseite. Darüber kann ich mir auch später noch den Kopf zerbrechen. Du bist gerade viel wichtiger. Du siehst so süß aus...so unendlich glücklich. Hattest du einen schönen Start in den Tag? Was bereitet dir soviel Freude? Ich wünschte, du würdest mich so anschauen. Nur ein einziges Mal. Warum schaust du nicht her? Warum siehst du mich nicht an? Liegt es an den Ästen vor meinem Gesicht? Oder weil ich im Schatten stehe? Oder bin ich einfach zu weit weg? Vielleicht willst du mich auch einfach nicht sehen. Bin ich dir gar zu wieder? Nein, nein…an so etwas darf ich gar nicht erst denken. Nie würdest du mich im Stich lassen. Wir gehören doch zusammen! Siehst du ihn auch? Den kleinen Faden, der uns in seinem leuchtenden Rot verbindet? Wir sind für einander bestimmt. Ganz sicher!
Leise seufze ich auf. Ich kenne den Grund. Warum du nie zu mir siehst. Ich kann dich sogar verstehen. Sie würde es nicht verstehen…niemand würde das. Es ist unser kleines Geheimnis. Sanft fängt der Wind deine Haare ein, als du mit der Hand hindurch fährst. Ich mag es wenn du sie offen trägst. Du siehst jedes Mal aus wie ein Engel. Das soll nicht heißen, dass ich deine Anderen Frisuren nicht mag. Aber diese eine schmeichelt deiner Figur besonders. Sie bringt deine Weiblichkeit noch ein bisschen mehr zu Geltung. Wie sehr wünsche ich mir doch, dass es meine Hand ist, die sie so wehen lässt. Deine Augen, die mich an kleine Saphire erinnern, gleiten suchend durch die Landschaft. „Da! Da unten! Da steht er doch!“, würde ich dir am liebsten zurufen. Aber kein Ton kommt aus meinem Mund. Schließlich findest du ihn ganz alleine. Freudig begrüßt du deinen Kollegen und steigst in sein Auto. Mir wird ganz flau im Magen – wie jedes Mal in diesem Moment. Ich kann dich nicht beschützen, dich nicht aus dem Auto ziehen. Ihr seid zu schnell verschwunden und ich besitze keinen Führerschein. Viel zu oft habe ich es versucht und bin doch gescheitert. Nie konnte ich mich konzentrieren, kreisten doch meine Gedanken immer nur um dich. Ich muss dir einfach vertrauen. Ich weiss, du kennst ihn schon lange, nennst ihn deinen Freund und vertrauten. Dennoch bleibt er für mich ein Fremder, eine Gefahr die ich nicht einschätzen kann. Wird er dir je weh tun? Hegt er gar Gefühle für dich?
Noch einen Moment sehe ich hinter euch her und warte bis das Auto hinter eine Kreuzung verschwindet. Es ist nicht schlimm. Ich kenne euren Weg. Jeden Tag fahrt ihr die gleiche Strecke. Hinter der Kreuzung noch Zehn Minuten gerade aus, vorbei an etlichen Querstraßen bis zum Ende der Straße. Erst wenn sie sich gabelt, biegt ihr wieder Rechts ab und parkt nach wenigen Metern auf einem kleinen Parkplatz. Ich habe nie verstanden, warum ihr nicht direkt vor der Arbeit parkt. Erlaubt es euer Chef nicht? Dabei sind dort so viele.. Langsam lauf ich los, weiss genau an welchem Ort ich dich wiedersehe. Es sind diese Kleinigkeiten, die ich so sehr an dir Liebe. Immer bleibst du dir und deinem Alltag treu.
Es ist ein gemütliches Tempo das ich anschlage. Ich habe jede Menge Zeit bis zu deiner Mittagspause. In meinem Kopf jedoch bleibt jener Gedanke. ‘Lauf schnell, aber pass auf dich auf. Du darfst sie nicht verpassen!‘ Deine Pausenzeiten variieren oft. Nicht immer ist deine Ablösung pünktlich und manche Tage musst du schon ehr zurück. Es macht mir nichts aus, den ganzen Tag zu warten. Solange ich nur einmal einen Blick auf dich erhaschen kann bin ich glücklich.
Schwungvoll stoße ich die Tür zu einem kleinen Café auf. Der Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase. Die Luft ist schwer und erdrückend. Was hält dich nur hier? Es gibt so viele schönere. Café gibt es in dieser Gegend wie Sand am Meer. Warum ausgerechnet dieses Eine? Vielleicht sollte ich dir einmal welche zeigen. Sicher, ich weiss was dir gefällt, kenne dich schon so viele Jahre. Wie wär es einmal mit einem anderen Ort? Einem Restaurant, einem Imbiss oder doch einem Park? Wir könnten dort Picknicken und die Zeit einfach genießen, die uns bleibt.
Die Zeit scheint wie im Flug zu vergehen. Mir ist gar nicht bewusst, dass es bereits so spät ist., als plötzlich erneut die kleinen Lokaltür aufgeht. Eine vertraute Stimme weht zu mir rüber und sofort blicke ich auf. „Ach Mark, wie machen das Heute schon. Du weisst doch wie Lucy ist. Sie findet immer einen Weg um der Arbeit zu entgehen.“ Leicht zuckst du mit den Schultern und suchst dir Platz mit deinem Kollegen. War ich so in meinen Gedanken versunken? Wie lange sitze ich wohl schon hier? Der Kaffee vor meiner Nase ist längst kalt. Selbst der Kleine Skizzenblock vor meiner Nase ist immer noch immer jungfräulich. Ich trage ihn immer mit mir herum, skizzieren kleine Bilder von dir oder benutze ihn einfach nur zur Tarnung. Niemand beachtet eine junge Zeichnerin, die verträumt vor sich hin starrt. Früher wäre das wohl anders gewesen. Da interessierten sich die Menschen noch für ihre Umgebung, doch Heute macht jeder nur noch seins. Warum sollte man sich um Andere Sorgen, wenn man doch genug eigene Probleme hat? Ich will mich darüber jetzt nicht aufregen, immerhin ist es mein Ticket in ein anderes Leben. Ich will nicht daran denken, was passieren würde, würde plötzlich jemand bemerken dass ich jeden Tag in deiner Nähe bin. Das meine Blöcke voll mit deinem Gesicht sind. Aber selbst für meine Nachbarn bin ich nur die „kleine Studentin“. Niemand kennt mein wahres Gesicht, außer du. Ich weiss es noch, als wäre es Gestern als ich dich zum ersten Mal getroffen habe.

 

~Flashback~

Ich hasse es. Ich hasse dieses Haus, dieses Umgebung und den ganzen verdammten Ort. Warum mussten wir umziehen? Wieso haben mich meine Eltern überhaupt mit hier her geschleppt? Hätten sie mich nicht einfach zurück lassen können? Dort hatte ich Freunde, dort war ich jemand. Aber hier bin ich nur ein Niemand, ohne Freunde oder Kontakt zu Anderen. Wieso musste mein Vater auch unbedingt diesen neuen Job annehmen? Gut, er hatte jetzt einen höheren Posten, aber hätte er nicht einfach weiter auf eine Beförderung warten können? Warum konnte meine Ma und ich nicht wenigstens in unserer alten Stadt leben bleiben? Hatten sie noch nie etwas von Fernbeziehungen gehört? So etwas machte doch nun wirklich jeder. In der Woche Arbeiten und am Wochenende sich gegenseitig besuchen. Da ist doch nun wirklich nichts weiter dabei! Es nervt mich wirklich, dass ich bereits nach einem Jahr auf der Oberstufe schon wieder die Schule wechseln muss. Als wäre es nicht schwer genug, in der Siebten Klasse Freunde zu finden. In der Grundschule ist das alles Anders. Einfach Kind sein, dumme Sprüche sagen oder tollpatschig wirken. Nur zu schade, dass die Zeiten irgendwann enden. Ich hatte kaum mein Abschlusszeugnis erhalten, als mir bewusst wurde das es plötzlich anders war. Nun war ich erwachsen. Ich musste aufpassen wie ich wirkte, wie ich mich Style. In Zukunft würde es keine Sachen mehr von irgendeiner X-beliebigen Stange geben. Ich hatte schon immer meinen eigenen Stil gehabt, was Klamotten anging. Aber jetzt würde ich das wohl ablegen müssen. Auf einmal waren andere Sachen in. Kaugummi kauen, laut Musik hören und vor allem flotte Sprüche. Anfangs hatten mich diese ganzen Sachen überfordert, umso größer war nun meine Angst das ich wieder von Vorne anfangen muss. Wieso können meine Eltern nicht verstehen wie schwer das ist?!
Die ersten Tage an der neuen Schule fühlte ich mich wie ein Außenseiter. Es fiel mir schwer mich wieder um zu gewöhnen. Alles wirkte Fremd, beinahe so als wäre ich in eine neue Welt eingetaucht. Es gab Tage, in denen schlich ich mich heimlich wieder zurück in mein Zimmer, wenn meine Eltern das Haus verließen. Sollte der Schulleiter doch bei ihnen anrufen, es war mir egal. Vielleicht verstanden sie so, dass ich wirklich wieder zurück in unsere alte Stadt wollte. Aber an diesem einen Tag änderte sich alles. Es war beinahe wie ein Blitz der mich traf. Einige ältere Schüler schikanierten mich, nichts neues an dieser Schule. „Gott, seht euch nur diese Sachen an. Total Out. Wo gehst du bloß einkaufen? Bei der Kleiderspende?! Hat deine Mami und dein Papi dir keinen Geschmack vererbt?“ Normalerweise mache ich mir daraus nichts, aber als sich unsere Blicke treffen, ist es mir plötzlich unsagbar wichtig das du diese Szene nicht mit bekommst. Voller Kraft stoße ich sie weg, bin selbst für einen Moment geschockt wie stark ich scheinbar bin. Ein kleines „Wum“ ertönt als sie auf den Hintern landen. Habe ich das bewirkt? Leise kicherst du und unterhältst dich mit einer anderen Schülerin, gehst einfach unbeeindruckt weiter. Ich weiss, dass du mich wahrgenommen hast. Diese eine Sekunde als sich unsere Blicke trafen. Noch nie ist mir so warm geworden.

~ Flashback Ende~



Leicht muss ich grinsen bei der Erinnerung. Kaum warst du um die Ecke gebogen, entbrannte meine erste Prügelei. Ich musste wirklich allerhand einstecken und konnte Tagelang kaum etwas sehen. Aber das war es mir Wert gewesen.
Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich beinahe die Kellnerin neben mir überhört hätte. „Möchten Sie einen neuen Kaffee?“, fragte sie mich höflich. Einen Moment sah ich sie verwirrt an und dann zurück auf meine Tasse. „Oh...äh..ja, Danke.“ Ich lächelte sie warm an. Es dauerte nicht lange und eine neue dampfende Tasse stand vor mir. Ich kippte ein wenig Milch und Zucker hinzu. Eigentlich hatte ich nie viel übrig für dieses bittere Zeug, aber es hielt mich munter und so langsam gewöhnte ich mich daran. Leise seufzte ich. Ich sollte aufhören mit dem Stift nur auf den Tisch zu trommeln und endlich zeichnen. Du würdest nicht ewig hier sitzen. Natürlich hatte ich bereits Hunderte Bilder von dir. Viele von diesem Ort, aber jedes war auf seine Art und Weiße einzigartig. Manchmal hattest du offene Haare, oder eine Haarsträhne fiel dir vorwitzig ins Gesicht. Manchmal trugst du deinen roten Pullover, den du so sehr liebst, oder du warst so in Eile das du deine Uniform anbehalten hast. Du bist es, die diese Bilder jedes Mal wieder so außergewöhnlich macht. Es ist nicht so, dass ich nicht auch andere Motive zeichne. Ich mag es einfach die Landschaften einzufangen oder die Stimmungen, aber du warst schon immer meine kleine Muse.
Deine Lachen ertönt und verträumt sehe ich kurz zu dir rüber. Warum du wohl lachst? Ob er einen Witz erzählt hat? Ich wünschte du würdest wegen mir so lachen. Nie habe ich mich getraut, dir wirklich nah zu kommen. Seit der Schulzeit bleibe ich dir Fern, traue mich kaum näher als ein paar Meter an dich heran. Du hast einmal zu deiner Freundin gesagt, du magst es nicht wenn die Menschen so aufdringlich sind. Du willst erobert werden, langsam und fürsorglich. Siehst du das? Ich halte mich daran. Ich will für dich alles richtig machen, damit du lernen kannst mich zu lieben. Eines Tages wirst du mich so ansehen wie sie. Meine Wange streicheln und ich werde deine Hand fest halten, damit ich sie nicht mehr verliere. Es muss wundervoll sein, so von dir berührt zu werden.
In mir wächst gerade diese Lust. Ich will dich berühren, dich fühlen, dir ganz nah sein. „Klack!“ Der Bleistift in meiner Hand ist zerbrochen. Verdammt. Ich muss mich wirklich zusammen reißen. Wenn ich erst Anfange meine Vernunft zu verlieren, ist es vorbei. Nein, so wie es jetzt ist, ist es okay. Vorerst. Ich muss mich zusammen reisen, könnte es nicht ertragen wenn du mich eines Tages von dir stößt. So habe ich dich wenigstens in meiner Nähe. Ich starre auf das Blatt vor mir. Irgendwie ist wieder nichts richtiges entstanden. Wer soll das sein? Du? Nein, es sieht dir kein bisschen ähnlich. Wütend zerknülle ich es und werfe es in meine Handtasche. Bekomme ich denn gar nichts richtig hin?
Morgen habe ich einen Termin an der Universität. Ich hatte überlegt zu studieren, vielleicht Kunst oder Literatur. Irgendwas würde mir dort schon gefallen. Aber ich muss dir doch etwas bieten können. Ich will nicht, dass du wegen mir am Hungertuch nagen musst. Ganz zufällig weiss ich, dass auch du dort ab und zu ein paar Vorlesungen besuchst. Dieses Mal ist es wirklich Zufall. Es ist nicht so, dass es die einzigste Universität wäre, mit einem halbwegs guten Angebot. Innerlich muss ich kichern.
Ich fange an erneut in meiner Handtasche zu wühlen und hole einen neuen Bleistift heraus. Zum Glück habe ich immer einen Ersatz dabei. Einen Moment lang starre ich dich einfach nur an, versuche mir jede kleine Einzelheit genau einzuprägen, bevor ich mich wieder im Zeichnen versuche. Dieses Mal jedoch fällt es mir deutlich einfacher. Ich fange an mit deinem Gesicht, die feinen femininem Züge und dein süßes Kinn. Deine Ohren und die feine Stupsnase, die mich immer so verlockend ansieht. Wie gerne würde ich sie sanft an stupsen, einen Kuss auf hauchen. Als nächstes kommen deine Haare. Straff nach hinten gebunden zu einem Pferdeschwanz, dein Pony der dir schwerelos ins Gesicht fällt. Erst ganz zum Schluss zeichne ich deine vollen Lippen, deine ausdrucksstarken Augen die mich sofort aufs neue in ihren Bann ziehen. Einen Moment sehe ich auf das Bild vor mir, bin selber davon fasziniert. Doch schon im nächsten Moment bin ich damit vollkommen unzufrieden. Wie kann ich nur glauben dich auf einem Bild festhalten zu können? Niemals kommt es auch nur annähernd an das Original heran.
Ich reiße es vom Block ab, zerknülle es und werfe es hinter mir. So ein Mist aber auch. „AU!“, kommt es plötzlich hinter mir und erschrocken zucke ich zusammen. Diese Stimme kommt mir nur allzu vertraut vor. Nur langsam wage ich mich meinen Kopf umzudrehen und blicke in die leicht wütenden Augen meines Engels. Einen kurzen Moment sehen wir uns einfach nur gegenseitig an. Ich schlucke. Oh je.. was habe ich jetzt nur angestellt? Eigentlich wollte ich sie nicht so „neu“ kennen lernen. Ob sie noch weiss wer ich bin? Ob sie sich an mich erinnert? In mir keimt ein kleiner Hoffnungskeim auf. Wie schön das doch wäre. Aber deine Augen sagen etwas vollkommen anders. Sie scheinen mich förmlich anzuschreien, als wollten sie sagen: 'Was sollte das?!'Ein unsicheres Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Tut mir Leid, es war nicht mit Absicht..“, gebe ich leise von mir. Schüchtern. In deiner Nähe traue ich mich kaum zu atmen. Beruhigend lächelst du mich an. „Schon okay. Ist ja nichts weiter passiert.“ Mir wird ganz warm ums Herz, bei deinem Anblick. Für einen Moment bleibt mir einfach die Luft im Halse stecken, kann nicht mehr atmen. Zu sehr fesselt mich dein Anblick, bevor es in doppelter Geschwindigkeit wieder anfängt zu schlagen. Ich schrecke auf, rufe ein kleines „Nicht“, als du anfängst das Papier auseinander zu falten. Ich springe auf, will dich noch davon abhalten. Den Arm weit nach vorne ausgestreckt, will ich es dir am liebsten entreißen, aber da ist es auch schon zu spät. Langsam wandert deine Augenbraue nach oben, während du das Papier vor dir anstarrst und schließlich wieder mich. „Hast..du das gezeichnet?“ Deine Stimme ist vollkommen ruhig, beinahe zu ruhig. Bist du jetzt wütend auf mich? Habe ich dich verärgert? Glaub mir, dass wollte ich nicht! „Tut mir leid, ich sollte vorher fragen..“, versuche ich mich irgendwie raus zu reden. Würde ich dich jedes Mal fragen, hättest du wohl niemals Ruhe vor mir. Dennoch möchte ich höflich erscheinen, liebenswert. Da ist es schon wieder, dieses warme Lächeln das mich wie Sonnenstrahlen von innen heraus erwärmt. „Es ist wirklich schön..hast du das gezeichnet?“ Sprachlos nicke ich. Es gefällt dir? Wirklich? Und das sagst du jetzt nicht nur, damit ich wütend werde? Nein..quatsch.. was denke ich denn da? Du warst schon immer ein ehrlicher Mensch. Ich sollte dir nicht solche Dinge unterstellen. „Ich...ähm..es überkam mich einfach so.“, gebe ich ehrlich zu. Dieser Drang, dich zu zeichnen, überkommt mich beinahe jedes Mal wenn ich dich sehe. Ich möchte die Momente einfangen, dich in all deiner Farbenpracht zeichnen. Natürlich, ich könnte Fotos von dir machen, aber sie würden nicht annähernd meine Gefühle für dich einfangen. Still bleibt dein Blick auf mir ruhen und ich werde sichtlich nervös. „Ich werde es gleich weg schmeißen. Wenn du...wenn du es mir wieder gibst. Und dieses Mal achte ich darauf, niemand zu verletzen..“ Ich versuche zu Lächeln, dich damit eben so zu verzaubern wie du es mit mir tust. Ein kleines Schmunzeln huscht über dein Gesicht und ich kann nicht anders, als das Lächeln zu intensivieren. „Nein, schon okay. Ich würde es gerne behalten, wenn du erlaubst. Es ist wirklich sehr schön. Es wäre schade, es weg zu werfen.“ Okay..ich habe mit vielem gerechnet, aber dass.. Beinahe wirft es mich vollkommen aus der Bahn, muss mich ein wenig überfordert abfangen an der Banklehne. „Du..du kannst es gerne haben. Es gehört dir ja im Grunde eh.“ Mein Herz scheint sich nie wieder beruhigen zu wollen. Aufgeregt hüpft es in meiner Brust hin und her, schlägt so laut das ich befürchte du könntest es hören. Du willst mein Bild behalten? Wirklich? Gefällt es dir denn so sehr? Aber es ist doch total zerknittert. So kann ich es dir doch niemals geben. „Danke.“, gibst du noch fröhlich von dir, ehe du dich auch schon zum drehen abwendest. Nein! Warte! Geh noch nicht!
„Ich zeichne es neu!“, bringe ich schnell heraus. Verwundert ruht dein Blick erneut auf mir. „Es ist doch total zerknittert, so kann ich es dir nicht mit ruhigem Gewissen geben.“, versuche ich mich zu erklären. Innerlich schreit alles in mir. Bitte bleib, geh noch nicht. Nur noch ein paar wenige Minuten, auch wenn sie mir vorkommen wie Ewigkeiten. Gib uns noch ein wenig mehr Zeit. Ich kann dich doch jetzt nicht gehen lassen. Jetzt, wo du endlich Erkenntnis von mir hast. In meinem Ohr dröhnt unermesslich laut das Ticken der Uhr. Ich möchte sie von der Wand reisen, ihre Zeiger stoppen. Hört auf zu ticken! Es ist noch Zeit! Meine letzte Hoffnung schwindet, als du lautlos den Kopf schüttelst. „Es ist schon okay, ich muss jetzt auch wirklich los.“ Hilflos sehe ich dir hinterher. Würde dich am liebsten an der Schulter packen und dich halten. Nur kurz verschwindest du auf der Toilette, scheinst dich frisch zu machen, ehe du wieder an mir vorbei gehst. Nur kurz treffen sich unsere Blicke ein aller letztes Mal ehe du mit deinem Kollegen das Café verlässt. Meine Beine versagen mir den halt und kraftlos lasse ich mich zurück auf meinen Sitz fallen. „Jane...“, flüstere ich leise in den Raum. Dein Name vergeht ungehört.

 

21...22...23... in gleichmäßigen Zügen fahre ich mit der Bürste durch meine Haare. Die Erlebnisse des heutigen Tages sitzen mir noch immer tief im Körper. Du hast mich mit mir geredet. Real, nicht nur in meiner Fantasie. Hätte ich es vorher gewusst, ich hätte mein Handy auf Aufnahme gestellt und es mir in der unendlich Schleife angehört. In jenem Moment fühlte ich mich wie beflügelt, als könnte ich alles erreichen solange du nur bei mir bist. Zeitgleich hat sich in mir ein Gedanke nur noch stärker gefestigt: Eines Tages wirst du mir gehören. Alles werde ich dafür geben. Ich werde mich verstellen, meine Haare färben, sie gar abschneiden wenn es dir gefällt. Dabei sind sie mein Heiligtum, mein Ein und Alles.
Immer und immer wieder rufe ich mir deinen Anblick ins Gedächtnis. Deine zarte Stimme, die nur zu mir sprach. Deine weichen Lippen, wie sie nach und nach die Töne erzeugten die meine Knie weich werden lassen. Ach hätten wir doch nur ein wenig mehr Zeit gehabt. Ich greife nach einem Stift und gehe zu meinem Kalender. Kurz suche ich den heutigen Tag, ehe ich ihm eine große, rote Umrandung verpasse. Wie ein Wirbel der Gefühle präsentiert er sich vor mir. Wie passend. Es gleicht einem Blick in mein inneres. Ich bin ebenfalls aufgewühlt, vermag mich kaum zu beruhigen. Tausende Male habe ich mir ausgemalt wie es sein wird, wenn du mich ansprichst, aber nie hätte ich es mir so zu erträumen gewünscht. Noch Tage werde ich von den Erinnerungen zerren. Wie heilender Balsam umgeben sie mich, erfüllen mich mit Glück und Stolz. Ergeht es dir genauso? Hat unsere Begegnung eine Bedeutung für dich? Ich stelle mir vor, wie du in deinem Bett liegst und an mich denkst. Die Augen fest auf die Decke über dich gerichtet, schwankst du ab in unsere eigene Welt. Werde ich dich Heute Nacht wieder sehen? In meinen Träumen? Da, wo wir frei sein können und nur wir selbst sind. Wir zwei Schmetterlinge breiten wir unsere Flügel aus uns erreichen ferne Ziele. Zusammen können wir alles erreichen, nicht wahr? Müde reibe ich mir kurz meine Augen, ehe ich in mein eigenes Bett falle. Einen Moment liege ich ganz still da, blinzle einige Male bis mein Gehirn dein Bild neben mich projiziert. Da bist du ja. Ich strecke die Hand aus, streiche dir sanft über die Wange. „Hey..“, hauche ich in den Raum. Aber es kommt keine Antwort. Natürlich nicht. Du bist nicht Real. Wieder einmal wird es mir schmerzlich bewusst. Wütend, verzweifelt,...gekränkt schließe ich die Augen. Heiße Tränen wollen sich ihren Weg suchen, doch ich schlucke sie einfach runter. Wer wird denn hier heulen? Ich? Sicherlich nicht! Niemand mag schwache Mädchen..
Nur schwerfällig schlafe ich an diesem Abend ein. Ich bin einfach zu aufgewühlt. Auf meinem Tisch stapeln sich bereits unzählige neue Bilder von dir. Feingliedrig habe ich sie übereinander gelegt, darauf geachtete das sie auch die richtige Reihenfolge haben. Es ist, als würden sie ihre eigene kleine Geschichte erzählen. Eine wundervolle Liebesgeschichte vom ersten Treffen vom Prinzen und seiner Prinzessin. Nur das es bei uns eben ein wenig anders ist. Mit einem kleinen Lächeln und deinem Bild in meinem Kopf finde auch ich endlich meine Ruhe und falle in einen tiefen Schlaf. Fest drücke ich das Kissen neben mir an meine Brust, stelle mir vor du wärst es. Es ist ganz weich, beinahe zerbrechlich. Fühlst du dich genauso an? Jetzt, wo wir den ersten Kontakt haben, sollte ich es wohl ausbauen. Wie viel du mir noch von dir erzählst? Wirst du mich einmal zu einem Kaffee einladen? Ich freue mich auf den Tag darauf, an dem wir zusammen in dem kleinen Lokal sitzen.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Christa, meinem wunderschönen Engel, der mir immer wieder auf die Beine hilft, wenn ich glaube zu fallen. Danke für alles!

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