Laut ächzend gab die modrige, alte Bodenluke nach und gab den Blick auf eine alte, steinerne Treppe frei. „Wir sind dem Ziel ganz nah. Das spüre ich“, rieb sich George die Hände. „Ganz ruhig. Ich habe 10 Jahre nach diesem Grab gesucht. Genießen wir diesen Augenblick“, versuchte Alan seinen Kollegen zu beruhigen, ehe er mit der Fackel voran die erste Schritte hinab wagte. Sein Herz hämmerte unentwegt, bei dem Gedanken daran, endlich am Ziel angekommen zu sein. Wie oft hatten seine Kollegen an der Universität seine Theorien abgetan? Vom Spott ganz zu schweigen.
Doch jetzt stand er kurz davor den Beweis zu finden. Die ganze Arbeit, das ganze Geld. Alles würde sich endlich bezahlt machen. „Seid vorsichtig. Die Jahrhunderte könnten aus diesen Gewölben eine Todesfalle gemacht haben“, warnte Alan, als er schließlich unten den letzten Schritt tat. „Verdammt stickig hier unten“, stöhnte George. „Du bist eben nicht mehr der Jüngste“, grinste Alan scherzhaft. „Um mit dir mitzuhalten reicht es noch“, konterte George und leistete seinem Kollegen Gesellschaft. „Unglaublich. Dieses Gewölbe muss hunderte von Jahren alt sein.“ Mit vorsichtigen Schritten ging Alan nach rechts und leuchtete die Wand ab, während sich George und der Rest des Teams die anderen Seite vornahmen. „Falls hier wirklich ein Ritter des Templerordens liegt, wird das alles was wir über die Geschichte kennen hinfällig“, rief George herüber. „Jacques de Molay soll angeblich der letzte Großmeister gewesen sein, der von der Kirche verbrannt wurde“, entgegnete Alan, während seine Hände über die alte Wand glitten und den Staub entfernten. „Ich glaube, ich habe hier etwas." Mit einer Handbewegung rief er George zu sich. „Das ist einfach unglaublich. Siehst du das?“ Neugierig ließ George seinen Blick über die Wand gleiten, während er sich auf Alan abstützte. „Das Symbol der Templer. Das Kreuz war ihr Wappen." „Aber wenn ich mir diesen Gang und das alles hier so anschaue, kommt das zeitlich nicht hin. Ich schätze das Alter auf vielleicht 200 bis 300 Jahre“, grübelte Alan und stand auf. „George. Das Team soll sich hier unten einrichten. Wir brauchen viel mehr Licht." Sein Freund nickte, wandte sich einem der Arbeiter zu und gab die Order weiter.
Prüfend blickte Alan sich noch einmal um. Sein Innerstes schlug vor Freude Purzelbäume angesichts dieses Fundes. Es brauchte eine Menge an Geld und vor allem Gefallen, um diese Kirche untersuchen zu dürfen und es hatte sich alles bezahlt gemacht. Mit seinen Füßen stand er in der Vergangenheit. Die abgestandene, modrige Luft behütete ein Geheimnis, das sein Verstand unter allen Umständen noch lüften wollte. Vorsichtig fuhr Alan mit der Fackel an der Decke entlang. Diese feinen Bogenarbeiten. In Stein gemeißelt von einem talentierten Bildhauer, zeigten sie erneut das Wappen der Tempelritter eingerahmt von großen Engeln, die wiederum bis zu den Bogenenden reichten. Von dort aus ruhte der Bogen auf mächtigen Säulen, welche gut und gerne 3 Meter zu beiden Seiten hinab bis in den Boden ragten. „Diese Arbeit. Das ist eindeutig nicht älter als 300 Jahre." „Das hätten die im 14. Jahrhundert kaum auf die Beine gestellt“, fügte eine weibliche Stimme hinzu.
Erschrocken wandte sich Alan um. „Was machst du denn hier?“, fragte er überrascht. „Ich wollte sehen ob es meinem Gatten auch gut geht“, antwortete die Frau. „Was ist mit Ethan?." „Dem geht es gut. Maria ist bei ihm." Alan nickte zustimmend und wandte sich wieder dem alten Torbogen zu. „Das Gewölbe ist verdammt groß. Wie lange die wohl daran gearbeitet haben." Vorsichtig trat Nina weiter in den Raum hinein. Im Licht der Fackeln konnte man nur erahnen wie weit dieser Raum tatsächlich ins Erdreich ging. „So gleich gibt es hier ordentlich Licht“, rief George und schloss die Kabeltrommel an.
Ein gewaltiger Lichtblitz vertrieb die Dunkelheit und enthüllte nun die ganze Arbeit der Baumeister. Alan riss die Augen weit auf und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Unglaublich“, staunte auch Nina. In den Nischen zwischen den Säulen standen auf verstaubten, Ständern gewaltige Rüstungen mit Schwertern und Schilden. Das rote Tatzenkreuz zierte diese alten Wächter. Vorsichtig wagte Alan einen Schritt näher heran, bis seine Hand den Schild berührte. Tief Luftholen und bloß nicht durchdrehen. Das war jetzt die Devise. „Mein Herz rast. Das ist einfach unglaublich." „Frag mich mal. Als du vor 15 Jahren zu mir kamst, hätte ich dich am liebsten für deine Theorie eingewiesen“, fügte George hinzu. „Und jetzt stehen wir in einer Stätte der Tempelritter. Hier! Mitten im Herzen von Paris“, lächelte Alan, ehe ein markerschütternder Schrei seiner Frau die Stille durchbrach. „Nina!." Mit schnellen Schritten eilte er zu seiner Frau, die aufgeregt auf ein Skelett deutete. Langsam beugte Alan sich hinunter. „Willst du das ich einen Herzinfarkt kriege?." Schnell saugte George die Luft durch seine Lippen. „Wie bitte kommt der denn hier unten hin?“, fragte Nina erschrocken. „So wie das aussieht, liegt der schon eine ganze Weile hier unten“, schätze Alan und stand wieder auf. „Sind das nicht die Überreste einer Uniform?." Alan stimmte Nina zu. Vorsichtig schob er mit der rechte Hand die Knochen etwas bei Seite. „Die ist aus der Zeit der französischen Revolution." „Willst du mir damit sagen, das dieses Gewölbe genauso alt ist, wie die Revolution selbst?“, fragte Nina forsch. „Schau dir doch mal das gesamte Gewölbe an. Du hast doch Geschichte studiert und sagtest selbst, das die Arbeiten nicht so alt sind“, antwortete Alan. „Du hast ja recht. Aber weißt du was das bedeutet?“ „Das weiß ich nur zu gut."
Mit diesen Worten trat Alan von dem Knochenhaufen zurück und blickte sich noch einmal prüfend um. Außer den Rüstungen, die bestimmt so alt wie die Templer selbst waren, standen hier nur noch Tonkrüge herum. Mehr oder weniger ganz. In Norden zierte eine gewaltige Doppeltür den Raum. Auch hier fanden sich zahlreiche Symbole der Tempelritter und auch wieder die Engel, angeordnet um größeres Siegel, das beide Türen umspannte. „Ist das ein Meisterbulle?“, fragte Georg. „ Ja. Zwei Reiter auf einem Pferd. Die Arbeit ist so detailgetreu." „ Die Bedeutung dieses Siegels gehen weit auseinander“, entgegnete Nina. „Der Schriftzug dafür, ist jedoch ziemlich eindeutig." Alan deutete auf eine Inschrift über der Tür. „Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam!“
Prüfend wandte sich Georg zu Alan um. „Geht das auch in Deutsch?“, fragte er forsch. Ein Schmunzeln huschte über Ninas Gesicht. „Entschuldige alter Mann“, grinste Alan und schaute wieder nach oben. „Das ist eine Stelle aus dem Psalm und besagt folgendes: Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre!“, erklärte er. „Das war seit je her das Motto sozusagen der Templer“, fügte Nina hinzu. „Kommen wir zum wichtigen Teil“, unterbrach ihr Mann das Gespräch.
Neugierig rieb sich Alan die Hände. Nur noch wenige Augenblicke trennten ihn von einer Entdeckung, die das Licht auf die Tempelritter in eine völlig neue Bahn lenken sollte. Vorsichtig stützte er seine Hände auf die schwere Tür und blickte Nina an. Sie nickte und stellte ihre Körper seitlich zu Tür. „ Drei. Zwei. Eins“, zählte Alan herunter, ehe die geballte Körperkraft der Beiden die schwere Doppeltür aufstieß.
Ein lautes Knarzen, dann Stille. Alan hielt den Atem an, während die Luft der Jahrhunderte aus dem erdigen Gefängnis hinausströmte. „Reich mir mal die Taschenlampe“, bat Nina und trat vorsichtig einen Schritt in den breiten Gang hinein. „Ich spüre es. Wir sind am Ziel." Zielstrebig folgte Alan seiner Frau in die Dunkelheit. „ Wie konnte so etwas nur die ganze Zeit überdauern?“, fragte Nina laut. „ Ich habe keine Ahnung“, antwortete Alan ehe der Gang sich vor Ihnen zu verbreitern schien. „Wir sind da." Ehrfürchtig überschritt Nina die Schwelle in den nächsten Raum. „ Wahnsinn." Alan rang erneut nach Luft, während der Lichtstrahl der Taschenlampe deutlich die Umrisse eines Sarkophags zum Vorschein brachte. „Kann es sein?" Mutig trat er an das Grab heran.
„Ich fasse es nicht. Er liegt tatsächlich hier begraben“, freute sich Nina, während die Hände ihres Mannes langsam den Sargdeckel abtasteten. „Der letzte Nachfahre von Charigol“, komplettierte Alan den Satz und kniete sich nieder. Die Außenwand des Sarges war filigran und detailgetreu bearbeitet und zeigte 2 Ritter, die sich von einem Buch entfernten. Der eine schritt nach links. Der andere nach rechts. „Schau dir diese seltsamen Linien an die von dem Buch ausgehen“, grübelte Alan. „Sollen das vielleicht Lichtstrahlen sein?“, fragte Nina, die sich weiterhin im Raum umschaute. „Vielleicht. In meiner langjährigen Arbeit tauchte dieses Bild immer wieder auf. Es muss wichtig sein“, antwortete Alan. „Schau dir das mal an." Alan erhob sich und wandte sich seine Frau zu. „Zwei Statuen. Eine Mann und eine Frau." Prüfend konzentrierte Nina ihre Blicke auf diese wundervolle Arbeit. Die beiden Statuen mussten locker an die 2 bis 3 Schritt hoch sein. Der Mann hielt ein kunstvoll, verziertes Buch in den Händen, während die Frau einen Kelch in der Hand hielt.
Langsam leuchtete Alan die Statuen hinab und blieb bei den Runden Sockeln stehen. „Da steht etwas in Französisch." „Na lass dich nicht bitten“, forderte Nina, ehe die überraschten Augen ihres Mannes den Kontakt zu ihr suchten. „Adam und Eva“, entgegnete Alan. „Willst du mir sagen die haben hier die beiden ersten Menschen angebetet?“, hakte Nina nach. „Sieht ganz so aus. Ich verstehe nur nicht warum“, grübelte Alan weiter, ehe ein gewaltiges Beben dem Raum erschütterte. „Was ist denn das?." Blitzschnell wandten sich die Beiden zum zur Tür um, ehe sich Sekunden später die ersten Steine aus der Decke lösten. „Lauf. Schnell“, schrie Alan und rannte los. Hoffentlich würde Nina nichts passieren. Ein panischer Blick nach hinten. Puh. Sie war noch da und rannte verzweifelt um ihr Leben. Verdammt! Der Rückweg schien weitaus länger zu dauern, als der Hinweg. Noch ein letzter Blick nach hinten ehe Alans Hand nach Ninas griff und sie vorbei zog. Mit einem gewaltigen Satz und viel Schwung stolperte sie regelrecht durch die Tür und entging nur knapp einem herabfallenden Stein. „Nina!!!." Erschrocken wandte sie sich zu ihrem Mann um. Ein letzter Augenblick, in dem die Sekunden zu einer Ewigkeit heranzuwachsen schienen. Ihre Blicke, die den Kontakt zu den seinen suchten. Die herabfallenden Steine. Dann der Knall. Ein ohrenbetäubender Lärm raubte ihm regelrecht die Sinne. Staub und Sand verdeckten die Sicht. Der Raum drehte sich. Oder war er es? Keine Müdigkeit vorschützen. Der Körper seiner Frau taumelte vor ihm. Sie hatte niemals eine Chance! Mit einem gewaltigen Satz sprang Alan nach vorne und schubste sie weg, gefolgt von einem harten Aufschlag. Schmerzen! Benommen blickte er auf. War seine Frau in Sicherheit? Keine Ahnung. Die fleischliche Hülle wies Abschürfungen und eine dicke Platzwunde am Kopf auf. Mit letzter Kraft schob sich Alan nach vorne als ein gewaltiger Knall ertönte. Der Schatten! Er kam näher und näher bis nur noch eines übrig blieb. Stille..........
Mulmig starrte er in den Spiegel. Der heutige Tag war der Startschuss in ein völlig neues Leben. Daher musste alles perfekt sein. Haare? Vorsichtig fuhr die rechte Hand über die kurze, braune Kopfbedeckung hinweg. Ein zufriedenes Lächeln bestätigte das Ergebnis. „Ethan? Bist du soweit?“ Grummelnd schwang der Körper herum. „Ich brauch noch zehn Minuten Mutter." „Nicht, das du an deinem ersten Schultag in der Uni zu spät kommst." Das durfte auf keinen Fall passieren! Schnell rannte Ethan ins Zimmer zurück, gefolgt von einer athletischen Einlage um in die Jeans zu kommen. „Bloß keine Müdigkeit vorschützen." Mit schnellen Griffen flog die Schranktür auf. Welches Hemd durfte es heute sein? Prüfend wanderte der Blick von rechts nach links, bis die Augen das Schwarze erspähten. „Perfekt!“
Nach wenigen Augenblicken stand Ethan zugeknöpft vor dem langen, schmalen Schrankspiegel. Irgendetwas stimmte da noch nicht. Mit schiefem Mundwinkel ging er noch mal Zentimeter für Zentimeter ab. „Du bist ja ganz schön aufgeregt." Sanft legten sich die Hände seiner Mutter von hinten auf die Schultern. „Es muss nicht alles perfekt sein. Du siehst gut aus“, lächelte sie. „Markus möchte mich seinen Freunden vorstellen. Da muss alles ordentlich sein. Ich kann mir keine Fehler erlauben." Langssm schob die linke Hand die Nebenschublade auf und zog eine analoge Uhr mit einem Lederband hervor. „Dein Vater wäre sehr stolz auf dich." Sanft umschlangen die Arme Ethans Brust, während er seufzend die Uhr anlegte.
Der Zeitmesser war eine der wichtigsten Erinnerungen in Ethans bisherigem Leben gewesen, seit sein Vater ihm diesen vor mehr als zehn Jahren zum Geschenk machte. Zwar waren die meisten Details aus dieser Zeit in die Dunkelheit abgedriftet. Doch dieser eine Moment, als Alan den kleinen Körper auf seinen Schoß hob und ihm mit einem sanften Lächeln die Uhr anlegte...........innerlich begann Ethan zu weinen. „Wenn er doch nur diesen Tag noch miterleben könnte." Vorsichtig drückte er sich in ihre Arme. „Von irgendwo da oben schaut er auf dich herab. Du bist nicht allein. Also, mach dich fertig. Markus steht schon unten." Zärtlich gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und warf ihm die Lederjacke zu. „Der hat es einfach zu eilig manchmal“, brummte Ethan, dessen Weg mit besagtem Markus schon eine lange Strecke hinter sich hatte.
Seit mehr als acht Jahren gingen die Beiden in die selbe Klasse, belegten die gleichen Fächer. Auch die Freizeit konnte sie nich trennen. Einzig und allein der Notendurchschnitt ging zu Ethans Gunsten aus, da schon in frühen Jahren ein hoher Intelligenzwert festgestellt wurde. So gelang es ihm leicht den perfekten Abschluss hinlegen, der auch zum Teil seiner Mutter zu verdanken war. Sie hatte sich schon früh dafür eingesetzt, das er keine Klassen überspringen sollte, um mit gleichaltrigen sozial zu interagieren und ohne Stress lernen zu müssen. Eine vernünftige Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellte. „Da bist du ja endlich. Hast du wieder die Zeit vor dem Spiegel vergessen“, scherzte Markus. „Sehr witzig." Mit schnellen Schritten überbrückte Ethan die Treppenstufen, wo er auch so gleich nach den Schuhen griff und sie anzog. „Dein Schulbrot ist schon im Rucksack“, rief seine Mutter aus der Küche. „Sie sind immer so gut zu ihm. Wann kriege ich endlich mal welche?." Humorvolle haute Markus, ihm auf die Schulter. „Das würde deine Mutter mir nie verzeihen, wenn ich ihr den Rang ablaufe“, konterte sie. „Können wir dann los?“, unterbrach Ethan das heitere Gespräch und nahm den Rucksack. „Viel Spaß euch zwei." „Danke Frau Stanfield“, antwortete Markus. Dann waren die Jungs auch schon verschwunden.
Nervös schaute Ethan auf seine Uhr, während seine Füße gleichmäßig abwechseln im Takt trippelten. Der Zug musste ja gerade mal wieder am ersten Schultag nach den Ferien Verspätung haben. „Jetzt beruhige dich mal Alter“, grinste ihm sein Gegenüber ins Gesicht. „Du hast gut reden Markus. Möchte gar nicht wissen, wie die auf mich reagieren“, gestand Ethan. „Na was sollen die schon denken? Du bist einer der jüngsten Absolventen die jemals eine Elite - Uni besuchen“, antwortete Markus, während seinen Lippen an einer Coladose nippten. „Wie sind die Leute da denn so?“, fragte Ethan neugierig. „Völlig in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Man holt uns gleich ab und dann geht es direkt weiter“, versuchte sein Freund ihn zu beruhigen.
Seufzend sank Ethan in den Stoffsitz. Jetzt gab es eh kein zurück mehr. Warum musste er auch unbedingt auf seine Mutter hören und eine Uni besuchen? „Das wird sicher großartig Ethan. Du wirst in die Fußstapfen deines Vaters treten." Die Worte seiner Mutter hallten immer noch in seinem Kopf herum, während der Bremsvorgang kombiniert mit einer Sprachausgabe das Ende der Reise andeutete. „Weißt du worauf ich mich am meisten freue?“, grinste Markus. „Die tollen Mädels?“, fragte Ethan genervt. „Na klar!“, nickte Markus zuversichtlich. „Dieses Jahr werde ich sicher Eine abkriegen." „Na du hast doch bei den Frauen Schlag. Das sollte keine Problem sein“, fügte Ethan hinzu, während er sich daran machte, langsam daran aufzustehen. „Ich hoffe nur das unser Empfangskomitee bereits da ist." Vorsichtig lugte Markus aus dem kleinen Fenster, als der Zug schließlich vollends zum stehen kam und sich die Türen öffneten.
Ethan wartete. Wie von einer Tarantel gestochen strömten die Ersten bereits Richtung Rolltreppe. Der typische Pendlerverkehr. Zwar hatte er das bisher immer nur aus den Nachrichten mitbekommen. Aber am eigenen Leib dabei zu sein, wie gefühlt dutzende Menschen aneinander klebten und sich aus der kleinen Tür herausquetschten. Gott! Gab es hier was umsonst oder waren die alle einfach nur spät dran?
7:30 Uhr. Eigentlich noch eine Menge Zeit um dieses wundervolle Wetter zu genießen. Für einen Oktobertag war es doch recht angenehm warm. Aber in einem Zeitalter, wo die Klimaerwärmung präsenter wurde, war dies wohl zu erwarten. Statt einem herbstlichen Empfang hielt hier noch der Sommer Einzug. „Sag mal, wo bleibst du?“, rief Ethan. „Bin ja schon da. Keine Panik“, antwortete Markus und trat neben ihn auf den Bahnsteig. „Da sind sie ja“, rief er freudig und deutete mit dem Zeigefinger auf einem Gruppe von vier Personen. Drei davon weiblich und deutlich etwas älter als Ethan selbst standen dort in etwas freizügiger Kleidung herum und neckten ihren männlichen Begleiter, der sich auch den sommerlichen Temperaturen angepasst hatte und sich mit einer Jeans und einem rot – weiß kariertem, kurzärmeligen Hemd bedeckte. „Mädels!." Schnurstracks erhöhte Markus sein Lauftempo. „Nicht so schnell Mensch“, brummte Ethan, der Mühe hatte schon früh am Morgen gleich so mitzuhalten. Oder war es die ungewohnte Umgebung? Mit einem flauen Gefühl im Magen schloss er endlich zu seinem Freund auf. „Markus. Das wurde aber auch Zeit. Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr“, grummelte die Linke von ihnen. „Ich kann auch nichts für die Verspätung Leila“, rechtfertigte er sich und gab ihr erst einmal eine Umarmung, die auch prompt von dem blondhaarigen Mädchen erwidert wurde.
Ethan schwieg und wartete erst einmal ab bis Markus seine Runde zu Ende gedreht hatte. „ Wenn hast du denn da mitgebracht?“, fragte die andere. „Darf ich euch Ethan vorstellen? Er geht ab heute mit uns auf die Uni“, antwortete Markus feierlich. „ Bist du nicht etwas jung für dafür?“, entgegnete Maria. „Ich konnte den Abschluss vorziehen“, antwortete Ethan verlegen. „Nur nicht so schüchtern. Er ist der schlauste Kerl, den ich je kennengelernt habe“, grinste Markus und stupste ihm dabei in die Seite. „ Ist das so“, entgegnete die dritte von Ihnen, die so gleich auch Ethans Aufmerksamkeit auf sich lenkte. „Er übertreibt etwas“, versuchte er sich etwas herunter zu spielen, während seine mörderischen Blicke zu seinem Freund wanderten. Was fiel ihm eigentlich ein, hier so auf den Putz zu hauen? Fehlte nur noch ein Aushängeschild, wo drauf stand: Hey! Ich bin Ethan. Superintelligent und gehe jetzt auf eine Eliteuniversität. „Für gute Noten sollte man sich nie entschuldigen, so lange man das Leben nicht vergisst. Ich bin Anja." Lächelnd reichte sie Ethan ihre Hand. Er erwiderte ohne dabei den Kontakt zu ihrem Gesicht zu unterbrechen. Irgend etwas schien bei ihr anders zu sein, als bei den anderen Beiden. Sie wirkte so erwachsen. Geschweige denn das sie einfach nur umwerfend aussah.
Das schwarze, lange Haar, glitzerte regelrecht im Sonnenlicht, während man sich in diesen klaren, blauen Augen einfach nur verlieren konnte. Ja man drohte regelrecht gerade in ihrer Schönheit zu ertrinken, ohne auch nur die Chance auf Rettung zu haben. „Ist alles in Ordnung?“, riss ihn Markus wieder in die Realität zurück. „ Na klar“, schüttelte Ethan den Kopf und wandte sich den anderen zu um sie auch zu begrüßen. „Wollen wir dann starten?“, fragte Leila. Alle nickten zustimmend und gingen die Treppe hinab.
7:45 Uhr. Nervös schaute Ethan kurz auf die Uhr, ehe er sich auf dem Beifahrersitz sitzend wieder der Landschaft zuwendete. „Schöne Gegend“, warf er ein. „Die Außenbezirke sind ganz nett. Aber die Innenstadt ist einfach nur eine Ansammlung von Menschen“, fügte Anja hinzu, die es verstand den blauen Ford sicher und und ruhig durch die Straßen zu lenken. Einzig und allein Leila auf dem Rücksitz schien doch etwas mulmig zu sein, während ihr Blick ständig nach hinten wanderte. Maria, Sebastian und Markus fuhren in einem Wagen hinter den Dreien her. „Leila. Bist du schon wieder eifersüchtig?“, grinste Anja frech. „Du weißt das ich es nicht mag, wenn andere Frauen ihn so umgarnen“, grummelte Leila. „Du weißt doch das er nur dich liebt“, versuchte Anja sie zu beruhigen. „Warum bist du denn nicht mit ihm mitgefahren?“, warf Ethan irritiert dazwischen. „Weil sie den Fahrstil ihres Freundes nicht mag“, antwortete Anja erneut lächelnd. „Aha“, antwortete Ethan kurz und knapp in der Hoffnung sich nicht gleich wieder in dieser Schönheit zu verlieren. „Sag mal Ethan. Welche Fächer hast du?“, fragte Leila. „Geschichte und Mathe“, antwortete er. „Echt? Ich auch“, entgegnete Anja. „Dann kann ich dich ja etwas herumführen und dir so ein wenig die Uni zeigen."
Was für ein Vormittag. Die Säle waren bis zum bis Anschlag voll mit Studenten. Das war eben doch etwas anderes als nur mit 20 oder 30 Leuten in einem Klassenraum zu sitzen. Aber Ethan hatte Glück, das Anja dabei war, die ihm so gut es ging alles zeigte. Dabei mussten die Beiden echt wie ein ungleiches Paar wirken, denn er kam nicht umhin die Blicke der anderen Studenten zu bemerken. Kein Wunder. Anja war ja auch etwas älter als er und nicht zu vergessen, das Ethan selbst erst neunzehn Jahre auf dem Buckel hatte. Da konnte er doch einfach nur für eine Streber von den Mitstudenten gehalten werden. Aber es musste sicher einfach nur etwas Zeit ins Land gehen und das Ganze würde sich bessern.
16:00 Uhr. Müde streckte Ethan erst einmal seine Arme von sich, bevor er wieder einmal einen kontrollierenden Blick auf die Uhr warf. Kurz durchrechnen. Wenn alle Busse pünktlich fahren würden, könnte man um 17:30 Uhr zu Hause sein. Pünktlich? In Düsseldorf? Seufzend schüttelte Ethan den Kopf. Vielleicht würde ihn Anja ja noch mal mitnehmen. Aber die hatte auch noch etwas zu erledigen, so das die Idee aufkam, sich etwas die Gegend anzusehen. Ein kurzer Blick die Straße runter. War da nicht noch ein Kaffee in den Nebenstraßen gewesen?
Gelangweilt setzte Ethan seinen Körper in Bewegung. Obgleich die Sonne nicht mehr ganz so prachtvoll ihr Antlitz zeigte, war es doch immer noch deutlich wärmer als sonst. Aber was sollte es. Einfach das Wetter genießen so lange es noch ging. Einen schönen Kaffee dabei trinken und hoffen, das seine Mitstudentin ihren Termin schnell hinter sich bringen würde. So sah doch der perfekte Tagesabschluss aus. Zielstrebig schlenderte Ethan die Straße entlang. Irgendwo hier musste der Laden doch sein? Die ersten beiden Nebenstraßen waren es definitiv nicht. Vielleicht war es die dritte? Vorsichtig blickte Ethan in die schmale spärlich beleuchtete Seitengasse, an dessen Ende sich tatsächlich das gesuchte Kaffee befand. Endlich! Schnell bog er ab und folgte dem Straßenverlauf, als er plötzlich einen gewaltigen Druck von rechts vernahm, gefolgt von einem Körper, der sich an ihm vorbei schob und kurz darauf zu Boden sackte. „Hallo? Geht es Ihnen gut?." Erschrocken sank Ethan in die Hocke. Der grauhaarige Mann rührte sich nicht. Schien aber noch zu atmen. „Hören sie mich?“ Vorsichtig versuchte die rechte Hand den Körper herumzudrehen. Er hielt inne. Die Augen blickten auf ein schmerzverzerrtes, zerfurchtes Gesicht, während die linke Hand gerade zu krampfhaft die eigene Brust abdrückte. Und Blut! Jede Menge Blut! Ethan wich erschrocken zurück. Was ging denn hier ab? Starr vor Schreck blickte er sich um. Niemand da! Verdammt! Zielsicher wanderten die Finger in seine linke Jackentasche und suchte nach dem Handy. „ Bleiben sie ruhig. Ich rufe den Notarzt“, redete Ethan ruhig auf den Verletzten ein. „ Canniragi“, stotterte der Mann mit schwerer Stimme. „Was reden sie da? Sie müssen sich beruhigen.." Das dies auch gerade ihm passieren musste!
Zügig holte Ethan das kleine Elektronikwunder hervor, um die lebensrettenden Zahlen einzugeben, als ein lauter Knall fast sein Trommelfell zum Platzen brachte. „ Was zum Teufel?." Reflexartig wandte Ethan seinen Körper herum und blickte in die Läufe zweier Pistolen. Was war hier nur los?............
Angst. Seine Glieder wurden mit einem Male bleischwer. Die Hände zitterten panisch im Takt, während im Kopf nur Funkstille herrschte. „Was hast du gesehen Junge!“. „Los rede endlich“, forderte der rechte Mann energisch. „Nichts“, gab Ethan stotternd zurück. Man. Wo war er nur da hinein geraten? Er wollte doch nur einfach einen Kaffee trinken und dann das.
Prüfend blickten die beiden Männer ihn an. Wurde hier vielleicht ein Film gedreht? Ja Genau! Das musste es sein. Das konnten nie und nimmer echte Pistolen sein. Oder doch? Schnell griff der linke Mann nach Ethan und schubste ihn regelrecht von der Leiche fort. „Musstest du ihn gleich erschießen?“. Mit einer wütenden Miene beugte sich der größere der Beiden zum leblosen Körper hinunter. Verdammt! Das war kein Scherz. Da lag eine Leiche auf der Straße und Ethan hatte auch noch die Gesichter der Männer gesehen. „Und?“, fragte sein Kumpane, während die linke Hand in der schwarzen Jackeninnentasche herumwühlte. „Nein. Er muss sie unterwegs irgendwo entsorgt haben“. Grummelnd blickte Mister Riese herüber. „Also Junge. Wenn du lebend aus dieser Sache herauskommen willst, sagst du mir alles was ich wissen will“. Ein dicker Klos machte sich Ethans Hals breit, als die Waffe wieder in seine Richtung zeigte. „Aber ich weiß doch nichts. Ich wollte doch nur einen Kaffee trinken gehen“. Ängstlich taumelte er etwas zurück. „Das interessiert mich nicht. Also. Was hat der Alte zu dir gesagt!“ „Das bringt doch nichts. Mach ihn kalt und dann weg hier“, warf der andere dazwischen.
Kalt machen? Nein bloß das nicht. Er war doch noch so jung. Das konnte doch nicht das Ende sein. In einer dunklen Seitenstraße von zwei Mafioso erschossen, wie in einem dieser billigen Filme? Vielleicht gab es eine Möglichkeit zur Flucht? Ein kurzer Blick nach rechts. Dann nach links. Verdammt! Selbst wenn er fliehen konnte, wäre das Wettrennen mit einer Pistolenkugel zu seinen Ungunsten zu datieren. „Tut mir leid Kleiner“. Wie in Zeitlupe legte sich der Zeigefinger um den Abzug. Jetzt war alles verloren. Ein kurzes Klicken ertönte, gefolgt von einem Knall, der die Ohren erneut beinahe zum Platzen brachte und den Körper reflexartig gegen die harte Steinmauer beförderte.
Orientierungslos sackte Ethan zusammen. Sein Rücken schmerzte. Im Kopf drehte sich alles. Geräusche aus weiter Entfernung hallten wie durch einen Tunnel an das schmerzende Hörorgan, während sich langsam wieder die Augenlieder zu bewegen begannen. „Ethan!“. Ein gewaltiger Ruck fuhr durch seinen rechten Arm und zog den gesamten Körper über den steinigen Boden hinweg. „Na los. Steh auf“, forderte ihn eine bekannte Stimme auf. Das dazugehörige Gesicht rückte passend dazu in sein Blickfeld. „Anja?“.
Kurz suchten ihre Augen den Kontakt, ehe sie nur Sekunden später wieder über Ethan hinweg blickte. „Das war so aber nicht geplant“. Fluchend zog Anja seinen Körper um die Ecke herum. „Du musst aufstehen. Sonst haben wir keine Chance“. Vorsichtig lugte sie an der Kante vorbei. „Was ist denn hier los?“ „Das erkläre ich dir später“, entgegnete Anja hektisch, ehe ein gewaltiger Kugelhagel über die Beiden hereinbrach. „Los!“. Schnell rannte ihr sportlicher Körper an ihm vorbei die Seitenstraße entlang.
Ethan folgte ihr. Widerwillig! Denn die umherfliegenden Projektile sprachen eine eindeutige Sprache. Lauf oder Stirb! Schnell nahm er die Verfolgung von Anja auf ohne auch nur darauf zu achten wo hin es eigentlich ging. Rechts und Links schlugen die Projektile mit gewaltiger Kraft in Vasen, parkende Autos. „ Schnell. Hier lang“. Hastig bog Anja rechts ab. Ethan folgte ihr so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Doch er war verdammt noch mal kein richtiger Sportler, sondern nur ein gelegentlicher Jogger! Seine Lunge forderte Tribut. Die Atmung wurde schwerer. Das lebensrettende Elixier sogen die Lippen regelrecht ein. „Ich kann nicht mehr“. Erschöpft und hustend lehnte Ethan sich gegen die Wand. Noch immer dröhnte ihm der Schädel von dem Schuss. „Ich weiß. Das ist gerade echt beschissen. Aber wir haben es bald geschafft“, versuchte Anja im Mut zuzusprechen. „Ist denn hier keine Polizei in der Nähe?“. „Nein. Aber da vorne ist gleich ein Kaufhaus. Da können wir uns verstecken“, erklärte sie und rannte wieder los.
Bloß keine Müdigkeit vorschützen. Ein letztes Mal mobilisierte Ethan seine Kräfte und folgte Anja die lange Gasse entlang. Bis zur Hauptstraße war es nicht mehr weit. „ Gleich geschafft“. An der nächsten Ecke bremste ihr Körper herunter, bis jegliche Bewegung zum Erliegen kam. Dafür hatten allerdings die Motorengeräusche zugenommen. Vielleicht war es jetzt möglich sich in dem Getümmel zu verstecken? Erneut rang Ethan nach Luft und blickte über seine Schulter.
Verflucht! Die beiden Mafiosi hatten die Verfolgung nicht aufgegeben und lagen nur wenige Meter zurück. „Da ist das Kaufhaus“. Ethan nickte und folgte Anja mit schnellen Schritten die Hauptstraße entlang, ehe sie nur einige Minuten später die Eingangshalle betraten. „Geschafft“, atmete seine Begleiterin tief durch und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Los. Rauf in den zweiten Stock. Da können wir uns verstecken“, erklärte sie mit ruhiger Stimme. „Hast du denn gar keine Angst?“, fragte Ethan irritiert. Anja lächelte ruhig. „Und wie. Aber ich habe auch gelernt das Panik niemandem hilft“.
Das war nun wirklich keine befriedigende Antwort. Doch fürs erste musste sie einfach reichen. Zügig bewegte er den Körper zur Rolltreppe hinüber, während seine Begleiterin die Straße auskundschaftete. Hoffentlich hatten die Verfolger kein Interesse mehr nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen. „Alles ruhig. Allerdings sollten wir hier etwas Zeit verbringen, um ganz sicher zu gehen“. Langsamen Schrittes schloß Anja zu Ethan auf. Was ist das hier für ein Mist? Ich wollte nur einen Kaffee trinken und finde mich schließlich in einem schlechten Action-Film wieder“. „Du musst dich erst einmal beruhigen. Ich kann dir auch nicht viel mehr sagen, als ich gesehen habe“, versuchte Anja ihn zu besänftigen. „Beruhigen?“ Auf uns wurde gerade geschossen. Wir müssen sofort die Polizei benachrichtigen“, entgegnete Ethan panisch. „Mein Onkel arbeitet bei denen. Aber erst mal müssen wir in Sicherheit sein. Dann rufe ich ihn an. Versprochen. OK?“.
Ethan nickte zustimmend, während die Rolltreppe sie im zweiten Stock absetzte. „Ich hoffe, dass die uns hier nicht finden“. „Sicher nicht. Komm da drüben können wir uns hinsetzen“, antwortete Anja und deutete auf eine kleine Sitzbank. „Das mein erster Tag gleich so Eindruck hinterlassen würde, hätte ich nicht gedacht“, seufzte Ethan und nahm Platz. „Hast du noch nie eine Leiche gesehen?“, fragte Anja. „Doch. Aber das hier ist was anderes“, antwortete Ethan zitternd. „Keine Sorge. Alles wird gut“, lächelte sie, während ihre linke Hand nach seiner Rechten griff. „Das ist leichter gesagt als getan. Das da draußen haben doch sicher viele Leute mitgekriegt“, warf Ethan ein. „Klar. Aber mal was anderes. Was wollten die eigentlich von dir? Unwissend zuckte er mit den Schultern. „ Ich bin da wohl in etwas hineingeraten. Die wollten wissen, was der Mann zu mir gesagt hat“. „Und?“, bohrte Anja nach. „ Ach. Der stammelte nur so einen Namen vor sich hin. Den hab ich in der Hektik schon wieder vergessen“, antwortete Ethan. „ Ist wahrscheinlich auch besser so“, seufzte Anja und blickte nach draußen.
Was sie wohl gerade dachte? Ihre Hand war auf jeden Fall total warm und sein Körper genoss es regelrecht, wie die Finger sanft die seine berührte. Selbst das Chaos schien sich angesichts ihrer Nähe, in Klarheit aufzulösen. Das Herz wurde still und schlug gleichmäßig im Takt. „Du hör mal. Ich hab dir noch gar nicht gedankt“. „Das ist auch nicht nötig. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, konterte Anja mit einem Lächeln. „Wie konntest du denn die beiden eigentlich überwinden?“, fragte Ethan erneut. „Nur Zufall. Aber sag mal. Hast du Hunger?“, wich sie geschickt aus.
Ethan nickte zustimmend und begann innerlich zu grübeln. Auch wenn er Anja wirklich dankbar für die Rettung war, umgab dieses Mädchen etwas mysteriöses. Oder warum wich sie den Fragen die ganze Zeit aus? „Ach Mensch. Jetzt mal mal nicht den Teufel an die Wand. Du hast gerade eine Schießerei hinter dir und bist noch total aufgewühlt“, versuchte das Bewusstsein sich selbst wieder in die Spur zu lenken. „Ich besorge uns etwas zu Essen und rufe bei meinem Onkel an. Der wird sicher ein paar Beamte in die Gasse schicken, die auch noch Fragen stellen“. Mit einem Satz sprang Anja von der Bank auf. „Wie kannst du jetzt ans Essen denken?“ Verständnislos schüttelte Ethan den Kopf und kramte sein Handy aus der Tasche. Ernüchterung machte sich breit. Ein Sprung zierte die Oberfläche, was ein Anrufen unmöglich machte. „Also gut. Ich rufe ihn jetzt gleich hier an. Vielleicht beruhigst du dich dann wieder. In Ordnung?“, fragte Anja leicht angenervt, während sie auf ihrem Telefon ein paar Zahlen eintippte. Kurze Stille. Dann folgte ein minutenlanges Gespräch, was mit einem - Ich hab dich auch lieb - endete. „So. Bist du jetzt etwas ruhiger?“. Ethan nickte zustimmend. „Dann werde ich jetzt kurz mal verschwinden. Wartest du hier auf mich?“. „Was mache wenn die üblen Jungs wieder auftauchen?“, entgegnete er unruhig. „Keine Sorge. Ich bin nicht lange weg“. „ Aber beeil dich bitte“. „Du bist schon ein komischer Kauz“, lächelte Anja ehe sie ihn alleine ließ.
Nervös trippelte Ethan auf und ab, als Anja schließlich mit einer Burgertüte zurück kam. „ Hier“, sprach sie und drückte ihm einen Cheeseburger in die Hand. „ Danke“, antwortete Ethan. „ Ich denke mal noch so ein oder zwei Stunden. Dann werde ich dich nach Hause fahren“. Herzhaft nahm sie einen großen Bissen zu sich. „Also du bist echt total abgebrüht“, warf Ethan irritiert dazwischen. „Nein. Mein Onkel hat mir nur beigebracht wie man sich in solchen Situationen verhält“. Frech grinsend folgte ein zweiter Happen. „Aha“, runzelte Ethan die Stirn. „Na ja. Das Kampfsporttraining tut sein übriges“, fügte Anja hinzu. Was für eine Frau. Studiert Geschichte und ist dabei noch eine wandelnde Kampfmaschine.
Nachdenklich blickte er nach draußen. Was würde seine Mutter wohl sagen? Würde sie ihm das überhaupt alles glauben? War an ein Unibesuch morgen überhaupt zu denken? Fragen über Fragen, auf die Ethan im Moment noch überhaupt keine Antworten hatte......
Kein Wort hatte Anja auf dem Weg nach Hause verloren. Das war aber auch kein Wunder bei dem was vor ein paar Stunden noch passiert war. Nachdenklich konzentrierte sich der Blick auf die Straße. Traurig blickte Ethan zu ihr herüber, während sich das Auto ruhig durch die Straßen bewegte. Auch wenn sie einen total starken Eindruck bei seiner Rettung machte, tat sich hier eine ganz andere Seite auf. Der Überfall hatte seine tiefen Spuren hinterlassen. „Du bist noch nachdenklich“, versuchte sich Ethan an einer Konversation. „Ich bin nur müde. Der erste Tag und gleich so viel Action. Aber ich muss sagen, dass du dich echt gut geschlagen hast heute“, antwortete Anja. „Das habe ich auch nur dir zu verdanken“. Die Zahnräder im Gehirn setzten sich in Bewegung. Seine geheimnisvolle Begleiterin hatte mit so was also schon Erfahrungen gesammelt. Vielleicht ließen sich ja ein paar Informationen entlocken? Innerlich begann sich die ersten Hassgefühle aufzubauen. Neugier! Antrieb und Verderben zu beinahe gleichen Teilen. „Ich werde dir nachher meine Nummer noch geben. Ist zwar nicht ganz so meine Art, einem Typen gleich am ersten Tag so ein Angebot zu machen. Aber bei dir mach ich mal eine Ausnahme“, scherzte sie und stieß ihm leicht in die Seite. „ Das ist sehr lieb. Aber was machen wir jetzt wegen der Schießerei?“, fragte Ethan. „ Ich werde sobald ich dich abgesetzt habe, nochmal telefonisch mit meinem Onkel reden und ihm alle Einzelheiten genau erklären. „Nicht das die morgen vor meiner Tür stehen. Ich glaube meine Mutter würde aus allen Wolken fallen“, sprach Ethan besorgt und schaute wieder aus dem Fenster. „Mach dir mal keine Sorgen. Michael ist ein hohes Tier im Amt und kann die Sache so weit es geht diskret behandeln“. „Ich hoffe du hast recht. So hatte ich mir meinen Einstand nicht vorgestellt“, seufzte Ethan. „Dann bete mal, das keiner das vorher der Presse steckt. Sonst wird das schon wieder morgen früh in jeder Zeitung zu lesen sein“, schimpfte Anja trocken. Mit großen Augen starrte er zu ihr herüber, was sie sogleich mit einem frechen Kichern kommentierte. Die war doch wirklich total verrückt! Verwirrt sank der Körper in den Sitz zurück.
Die Sonne hatte sich schon bereits der Dunkelheit ergeben. Die Temperaturen waren merklich gefallen. Der Sommer lag in seinen letzten Atemzügen, während sich der Winter auf seine Herrschaft vorbereitete. Langsam trat Anja auf die Bremse. „Eine schöne Wohngegend“, staunte sie nicht schlecht, als der fahrbare Untersatz vor einer Villa zum Stehen kam. „Meine Mutter verdient ziemlich gut“, antwortete Ethan verlegen und kramte nach seinem Rucksack. „Ich bringe dich noch zur Tür“, lächelte Anja und stellte das Auto ab.
Der Weg zum trauten Heim war mit grauen Steinen gepflastert. Rechts und links erstreckte sich ein weitläufiger Garten, in dem einige Bäume standen. Auch wenn die Villa selbst nicht so groß erschien. Das Gelände wirkte auf den ersten Blick sehr weitläufig. „Im Sommer ist das hier bestimmt sehr toll“. „Also für die Gartenpfleger auf jeden Fall“, flachste Ethan und trat die Stufen zur Tür hinauf. „Wo ist er nur?“, grummelte er suchend in seiner Jackentasche. „Ethan? Bist du das?“, drang eine Stimme aus dem Haus.
Kurz darauf öffnete sich die Eingangstür und gab das dazugehörige Gesicht preis. „Es ist schon spät. Ich habe mir Sorgen gemacht!“. Völlig fertig stand seine Mutter in der Tür und fuhr sich erst einmal durch die langen blonden Haare. „Es tut mir leid. An der Uni war viel los. Aber ich bin ja jetzt da. Ich würde dir gerne eine Mitschülerin vorstellen“, begann Ethan. „Guten Tag. Ich bin Anja. Sehr erfreut sie kennenzulernen“, vollendete sie schließlich den Satz. „Es freut mich auch. Danke das du meinen Sohn nach Hause begleitet hast“, antwortete die Mutter höflich. „Ist doch kein Problem. Ethan? Ich geh dann mal. Soll ich dich morgen früh abholen?“. „Ähm. Wenn du magst. Ich würde mich freuen“, entgegnete Ethan verlegen. „ Alles klar. Ich steh dann um 7:30 Uhr vor der Tür“. Dann verschwand seine Begleiterin in die Dunkelheit hinaus.
Völlig fertig übertrat sein Körper die Schwelle ins Haus, während sich so langsam erste Erschöpfungssymtome zeigten. Die Glieder wurden bleischwer vor Müdigkeit. Ein lauter Gähner wich aus seinem Mund. Wahrscheinlich war dies der Moment, wo die Realität erbarmungslos mit einem Hammer zuschlug und dabei nur eine Botschaft vermittelte. Es war alles echt! Die Leiche. Die Jagd! Einfach alles! Mit einem gezielten Wurf landete der Rucksack erst einmal in der Ecke.„Man. Das war ein anstrengender Tag“. Trottend bewegten sich Füße auf den Treppenabsatz zu. Eine Dusche. Das wär jetzt was„ Eine wirklich nette junge Dame“. Vorsichtig half ihm seine Mutter aus der Jacke heraus. „Ja. Sie hat mir heute das gesamte Gelände gezeigt und wir haben noch etwas den Nachmittag zusammen mit Freunden verbracht“, fügte Ethan schweren Herzens hinzu, angesichts der der dreisten Lüge, die sich aus seinem Mund herauspresste.
Grübelnd zog er die Schuhe aus und stellte sie an den Treppenrand, als plötzlich eine weitere Dame des Hauses stürmisch um die Ecke, zum Wohnzimmer bog. Sie hatte vier Pfoten und hörte auf den Namen Jella. „ Na du. Dich hab ich auch vermisst“, rief Ethan freudig, während die Huskydame ihn bei nahe über den Haufen rannte. „Ist ja gut“. Er hatte sichtlich Mühe Jella zu beruhigen und kraulte erst einmal ihre weißes Fell. „Den ganzen Tag liegt sie da nur faul in der Ecke“, grummelte seine Mutter. „So ein Hundeleben hat eben schon was“, grinste Ethan und stand auf. „Soll ich dir noch etwas zu Essen machen?“. Ethan nickte zustimmend. „ Vorher werde ich aber noch in die Dusche steigen“. „In Ordnung. Dann kann ich mir ja etwas Zeit lassen“.
Das tat wirklich gut. So eine warme Dusche nach so einem anstrengenden Tag konnte wirklich noch einmal die Energiezellen anschmeißen. Mit einer Jogginghose und Pullover auf seinem Körper hatte Ethan kurz darauf das herrliche Essen seiner Mutter genossen. Kroketten, Schweinebraten, Rotkohl. Die Mahlzeit für einen jungen Studenten. Sie wusste eben, was ihr Sohn am meisten mochte. Nach einer weiteren halben Stunde zog es ihn wieder auf sein Zimmer. Starrend mit einer Sorgenfalte auf der Stirn blickten die Augen zum Fenster hinaus, während nebenbei der Fernseher lief. Die Medien hatten noch nichts über den Vorfall gebracht. Seufzend sank er auf sein Bett, während Jella sich zum ihm gesellte. Mit ihren niedlichen Kulleraugen starrte sie ihn regelrecht an. „Ist ja schon gut“, lächelte Ethan und kam der Aufforderung nach einer Streicheleinheit nach.
Aber selbst das lenkte nicht wirklich ab. Noch immer geisterte dieser komische Name in seinem Kopf herum. Canniragi. Das konnte echt alles bedeuten. Schien es gefahrlos, in dieser Sache vielleicht nachforschen? Immerhin war es das letzte was der alte Mann noch von sich gab. Es musste also wichtig sein. Andererseits behielt er vor Anja den Namen für sich. War das logisch? Warum tat man so etwas? Hilfesuchend blickte er zum Nachttisch hinüber, wo ein Foto seines Vaters stand.
Schon früh hatte Ethan ihn bei einem Unfall verloren. Seither zog ihn seine Mutter beinahe alleine groß. Wäre da nicht noch sein Stiefvater gewesen. Ein Bürokrat, der was die Rangordnung anging immer noch im Mittelalter zu leben schien. Das zum Glück, seine nur Lebensgefährtin, arbeitete duldete er nur, weil sich dadurch das Bankkonto schneller füllte.
Ein Seufzer huschte ihm über die Lippen. Auch wenn die Erinnerung nur schwach war. Sein Vater war anders gewesen. Liebevoll, freundlich und eben ein Held der seine Mutter vor dem Tod gerettet hatte. „Was würdest du jetzt tun Vater?“, fragte sich Ethan und wandte sich wieder Jella zu. Seine Neugier kämpfte gerade innerlich mit seinem Verstand. „Ach ein Blick kann ja nicht schaden“, seufzte er schließlich nachgebend und kramte den Laptop hervor. „Na Jella? Wollen doch mal sehen ob wir fündig werden“.
Schnell war die Suchseite aufgemacht. Vielleicht hatte ja Google etwas über diesen Namen gespeichert. Zielsicher huschten seine Finger über die Tastatur und bestätigten anschließend die Eingabe. „Dann wollen wir mal sehen“, wartete Ethan ehe nur Sekunden später die Ergebnisse auf seinem Monitor erschienen. Nahezu an die 1000 Einträge zu diesem Thema. Über irgendwelche altertümlichen Gebäude bis hinzu verschiedenen Zubereitungsvarianten von Mahlzeiten war alles dabei. „Das wird dauern“, seufzte er und machte sich daran erst einmal die Liste zu überfliegen.
Schließlich fiel der Fokus auf Seite 3, wo sich ein Bericht zu einer Ausgrabung befand, die Anfang des Jahres statt fand. „Sie mal Jella. Das könnte doch was sein“, freute sich Ethan und aktivierte so gleich den dazugehörigen Link, welcher ihn auf eine Geschichtsseite weiterleitete. Neugierig begann er den Artikel zu lesen.
Artikelauszug vom 12.2.2015
Nach jahrelangen Forschungen, gelang einem italienischem Team von Wissenschaftlern und Archäologen an diesem Wochenende ein sensationeller Fund. In den Außenbezirken der Stadt Rom fand man ein Jahrhunderte altes Grab. Ersten Informationen zu Folge soll es sich hierbei um einen Ritter handeln, der vor gut 250 Jahren sein Ende gefunden hat. Doch eine genauere Datierung der Überreste muss noch durch Experten durchgeführt werden. Die gefunden Schätze in der Grabkammer seien Relikte aus längst vergangen Zeiten. Es seien auch einige Stücke dabei, welche bis in die Zeit der Kreuzzüge zurückreichen und bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.
Nachdenklich sank Ethan auf sein Bett zurück. Was hatte ein Ritter mit dem Überfall zu tun? Ging es hier vielleicht um einen Kunstraub? Vielleicht war es an der Zeit sich jemandem anvertrauen. Seiner Mutter oder Anja vielleicht? Langsam ergriff Ethan sein Handy und gab die Nummer ein, die Anja ihm zugesteckt hatte.
Freizeichen. Sekunden vergingen. „Ja?“, meldete sich Anjas Stimme. „Anja. Ich bin es Ethan. Hast du kurz Zeit?“, fragte er höflich. „Klar. Um was geht es?“. „Ich habe noch mal nachgedacht und mir viel da wieder ein Name ein, den mir der alte Mann zugeflüstert hat“, erklärte Ethan ruhig. „Das klingt interessant. Magst du mir darüber erzählen?“. „Es ist nicht viel. Ich habe da mal nachgeschaut. Es dreht sich dabei wohl um einen Ritter aus dem Mittelalter, dessen Grabartefakte ausgestellt werden sollen.“, antwortete Ethan. „Ja. Ich habe davon gehört. Hier in der Stadt gibt es besagte Ausstellung, wo man die Relikte besichtigen kann“. Konnte das alles noch ein Zufall sein? „Das ist ja super. Ich weiß zwar nicht warum. Aber ich würde mir das ganze sehr gerne einmal ansehen“. „ Ich kann dich gerne begleiten. Ich weiß, wo das ist“, schlug Anja vor. „Das wäre echt super. Ich hoffe ich bringe deine Termine morgen nicht durcheinander“, entschuldigte sich Ethan im Voraus. „Ach was das geht schon in Ordnung. Wir sehen uns ja dann eh morgen. Also bis dann“. „Bis Dann“. Ein Daumendruck beendete das Gespräch. „Morgen wird also wieder ein langer Tag Jella. Aber ich bin mir sicher es wird sich lohnen“, gähnte Ethan müde und machte sich Bett fertig............
Was für wundervoller Morgen. Auch wenn es die Nacht über sehr kalt geworden war, hatte sich über den Vormittag hinweg auch heute das Wetter merklich verbessert. Wie versprochen hatte Anja ihn gegen 7:30 Uhr abgeholt und mit zur Uni genommen, wo sie die ersten Stunden noch gemeinsam Vorlesungen hatten.
Doch bereits gegen Mittag musste Ethan sich alleine durchschlagen. Eigentlich keine so schwere Aufgabe für ihn, wenn da nicht das Thema von letzter Nacht immer noch durch den Kopf geistern würde. Aber hoffentlich ließen sich am frühen Nachmittag einige Nebelschleier im Verstand durch Informationen auflösen . Und selbst wenn nicht. Immerhin konnte mit Anja etwas Zeit verbringen. Die Frau hatte ihn schon vom ersten Moment an, in den Bann gezogen, und doch war da etwas an ihr, was Unbehagen bereitete. Eine mysteriöse Aura, die sie wie eine Rüstung umgab.
15:30 Uhr. Prüfend blickte Ethan auf seine Armbanduhr, als auch schon Anja die Treppen der Uni hinabstieg. „Ethan. Grüß dich. Wartest du schon lange?“. „Nein. Alles gut. Hab noch etwas gelernt in der Zeit“, antwortete er. „Na dann. Das Museum ist nicht weit entfernt. Das können wir zu Fuß erreichen“, erklärte sie und lief auch direkt los. „Ich bin gespannt. Weißt du. Das Thema beschäftigt mich seit letzter Nacht“. „Aber warum? Es war doch nur ein Überfall. Wahrscheinlich hat der Name nicht mal etwas zu bedeuten“. Beruhigt wanderte die rechte Hand auf seine Schulter. „Trotzdem. Ich hab da so ein Gefühl, dass mich nicht loslässt“, entgegnete Ethan nachdenklich, während er langsam neben Anja her schritt. „Wenn ich eine Leiche gesehen hätte und man auf mich schießt, würde ich mir auch Gedanken machen“. „Hat denn dein Onkel noch etwas gesagt?“, fragte Ethan. „Ich habe mit ihm gesprochen. Als die heute Nacht noch raus gefahren sind, war die Leiche allerdings weg“, antwortete Anja. „Was? Das ist ja sehr komisch“. „Es wundert mich eher, das niemand was von der Schießerei mitbekommen hat“, seufzte Anja. „Ich bin eher froh, das wir noch leben. Normalerweise wäre ich ja noch etwas in die Stadt gegangen. Aber ich hielt das für keine gute Idee“. „Das ist auch besser so. Solange die Kerle nicht gefasst sind, solltest du nicht alleine durch die Gegend ziehen“, fügte Anja hinzu, während sie zielsicher die Hauptstraße entlang schritt, was auch Ethan beruhigend zur Kenntnis kam, da die Gefahr, dass Ihnen hier etwas passierte, deutlich einen geringen Prozentsatz aufwies, als in den dunklen Nebenstraßen. Abgesehen davon das die Rambolady einfach Sicherheit ausstrahlte. „Schau. Da hinten ist schon das Museum“. Mit dem rechten Zeigefinger deutete sie auf ein großes Gebäude in circa zweihundert Meter Entfernung. „Da findet in diesen Tagen eine Ausstellung über die Tempelritter statt. Ich war schon mal dort. Ist wirklich sehr lehrreich“, erklärte sie. „Wirklich? Dafür hab ich mich schon interessiert, seit mich mein Vater früher immer mit dem Geschichten gefüttert hat“, erinnerte sich Ethan. „Was macht denn dein Vater?“. Fragend suchte sie den Augenkontakt. „Er lebt leider nicht mehr. Aber früher war er mal Archäologe und hat sich auf den Templerorden spezialisiert“. „ Ich hätte nicht fragen sollen. Das tut mir leid“, entschuldigte sich Anja. „Ach was. Das ganze ist schon sehr lange her und ich war noch jung“, versuchte er sie aus der Verantwortung zu nehmen. „Meine Mutter lebt auch nicht mehr. Ich kann dich gut verstehen“, seufzte sie und schritt über die letzte Ampel. „Ich habe gelernt damit umzugehen und es verarbeitet. Auch wenn er mir oft fehlt. Ich denke ich tue das hier alles um sein Andenken zu erhalten“, erklärte Ethan nachdenklich, ehe die beiden kurz darauf vor dem Museum halt machten. „Dein Vater wäre sicher stolz auf dich“. Mit einem Lächeln im Gesicht führte sie ihn die marmorierten Treppenstufen hinauf.
Das Gebäude wirkte sehr neuerlich. Vielleicht so zehn Jahre alt, versuchte sich Ethan im Schätzen, während er nebenbei nach seiner Geldtasche griff. „Ich mach das schon. Lass stecken“, fuhr Anja dazwischen und trat an das Kassenhaus heran. „Danke“. Prüfend blickte er sich noch einmal um, als seine Begleiterin kurz darauf mit 2 Karten zurückkehrte. „Gehen wir“.
Schwups! Schnell verschwand Anja durch die Drehtür, als würde es auf der anderen Seite irgendwas umsonst geben. „Frauen“, stöhnte Ethan und folgte ihr schließlich in das Gebäude hinein. „Die Ausstellung befindet sich im ersten und zweiten Stock“. Zügig hatte Anja die Treppe ausgemacht und stieg sie auch sogleich hinauf, während Ethan kaum hinter her kam. „Du freust dich ja wie ein kleines Mädchen“. Anja lächelte. „ Ja. Jedes Mal wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl durch ein Tor die Vergangenheit zu betreten.“ Ethan lächelte zurück.
Zu gut konnte er sie verstehen, da er das selbe empfand. Als würde man eine Zeitreise in eine Welt machen, die kaum einer von heute sich noch vorzustellen vermag. Eine Welt ohne Handys, Computer und geschweige denn Internet. Gott! Auf den ersten Blick würde man sicher nicht gerne mit dem Menschen in so einer Zeit tauschen wollen. Doch Ethan erging es da irgendwie anders. Dort war man noch freier als es heute der Fall war. Die Flüsse waren sauberer und die Luft reiner. „Bist du am Träumen?“, riss ihn Anja wieder in die Realität zurück. „Was wie wo?“, antwortete Ethan verlegen. „Wir sind da“, grinste sie frech und deutete auf eine große Halle, in der sich ein Sammelsurium an historischen Artefakten befand.
Die meisten von Ihnen wurden durch Glasvitrinen und Sicherheitskameras geschützt. „Das ist ja wie im Paradies“, staunte Ethan nicht schlecht. Geballte Geschichte auf einem Haufen. Wie ausgewechselt trat er an die erste Vitrine heran, in der sich einige Tonteller und Krüge befanden. Bei der zweiten daneben standen einige Goldkelche aufrecht in einer Vitrine. Seltsame Schriftzeichen und Bilder zierten das Äussere. „Was für eine filigrane Arbeit“, staunte Ethan. „ Hier ist das, was du suchst!“. Anja stand einige Meter weiter und winkte ihn zu sich herüber. „Komme“, antwortete er knapp und schloss zu seiner Begleiterin auf. „Was hast du denn da?“. Neugierig fiel der Blick auf eine quadratische Vitrine, in der ein großer Kelch stand.
Allerdings schien er von der Verarbeitung und Bearbeitung her völlig anders, als die anderen Objekte. „Warum ist der so viel detailgetreuer?“. Fragend blickte er zu Anja hinüber. „Kennst du die Geschichte der drei Ritter?“. Ethan schüttelte den Kopf.
Langsam ließ Anja, ihre Hand auf ein silbernes Namensschild fallen, auf dem das Wort Canniragi eingraviert war. „Aber das ist der Name, den mir doch der alte Mann zugeflüstert hat“. Ethan staunte nicht schlecht. Die Zeichen des Zufalls verblassten immer mehr angesichts der neuen Informationen. „Laut der Geschichte war Canniragi einer der drei Ritter, die angeblich schworen, Gottes Wissen zu bewahren“, begann Anja. „Was für ein Wissen?“, hakte Ethan neugierig nach. „Einst soll es einen Orden gegeben haben, der von Gott mit Weisheit gesegnet worden war. Angeblich glitten vom Himmel her die Engel herab und verkündeten eine Prophezeiung, die den Orden so ins Mark erschütterten, das man beschloss das Wissen, darum zu versiegeln damit es nicht in die falschen Hände geriete“, erklärte Anja. „Wie kommen da die drei Ritter ins Spiel?“, warf Ethan dazwischen. „Nun. Der Orden gab von Generation zu Generation das Wissen weiter in dem Glauben, dass sich die Prophezeiung eines Tages erfüllen würde. Doch die Kirche fasste dies als Frevel gegenüber dem christlichen Glauben auf und machte Jagd auf die Mitglieder des Ordens. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der Orden so stark dezimiert, das man beschloss Gott zu Ehren einen Tempel zu bauen, in dem man das vorran gegangene Wissen Gottes für den entscheidenden Tag bewahren wollte. Um es der Kirche unmöglich zu machen, diesen Ort zu finden wurden drei Ritter ausgewählt, den Weg zu diesem Tempel zu behüten und weiter zu geben“, fügte Anja weiter hinzu. „Das klingt aber alles sehr abenteuerlich. Ich habe noch nie von so einem Orden gehört“, runzelte Ethan ungläubig die Stirn.
Auch wenn die ganze Story durch aus interessant war, wirkte sie eher wie eine Gute - Nacht geschichte, der man nur schwer glauben konnte. „Aber ist das nicht der Reiz? Nicht zu wissen, ob das wahr ist, was die Söhne und Töchter dieser Zeit weitergaben. Die Legende zieht sich durch Revolutionen und Kriege hindurch bis an diesem, heutigen Tag."
Glänzte da etwas in Anjas Augen, während ihre Worte schon beinahe Werbung in dieser Sache betrieben? Sie schien sich sehr sicher zu sein, das an dieser Sache doch etwas Wahres dran sein musste. „Wie geht es denn weiter?“, fragte Ethan. „Nun. Die drei Ritter gingen getrennte Wege. Jeder mit einem Teil der Karte zum Heiligtum. Angeblich sollen genau drei Kelche den Weg zur Erleuchtung ebnen“, erklärte Anja abschließend. „Und das da soll einer dieser Kelche sein?“. Nachdenklich betrachtete Ethan das Artefakt, als er sich plötzlich zu schütteln begann, gefolgt von einem eisigen Schauer, der über den Rücken hinweg kroch. Wurden sie etwa beobachtet? Ohne es sich anmerken zu lassen versuchte Ethan den Raum zu sondieren. Grummelnd wandte er sich wieder Anja zu. Es waren einfach zu viele Leute in diesem Raum zu Werke. „Was ist los?“, fragte sie besorgt. „ Ich glaube wir werden beobachtet. Ich fühle mich irgendwie unwohl“, flüsterte er leise. „Bist du dir sicher?“. Jetzt begann auch Anja ihre Umgebung genauer abzusuchen. „Vielleicht sind es die Kerle von gestern“. „Wir sollten gehen. Der Kelch ist hier schon sicher“. Ein wirklicher guter Vorschlag, dem Ethan zur zu gerne nachkam.
Ohne Aufsehen zu erregen lenkte er seinen Körper zur Treppe hinüber, während sich zeitgleich der Blick auf Anja fixierte. Jetzt bloß nicht wieder in eine Schießerei verwickeln lassen, die in einem Fluchtmarathon enden würde. So langsam kam er sich echt wie in einem Film vor.
Geschafft! Endlich standen die Beiden wieder auf der belebten Straße und blickten einander besorgt an. „Also das ist echt sehr sehr seltsam“. „Ja. Wer weiß wo wir uns da wieder reingeritten haben“, fluchte Ethan laut. „Aber du wolltest es doch unbedingt“, konterte Anja. „ Ja ich weiß“, schimpfte er. „Aber da ist etwas was mich nicht los lässt. So absurd dieses Geschichte auch ist“. „Das da wäre?“, fragte Anja. „ Ich habe diesen Kelch schon einmal irgendwo gesehen“, antwortete Ethan. Aber wo war das nur? Wo hatte er dieses Relikt gesehen? „Hast du Interesse daran, dieser Sache weiter nachzugehen?“, fragte Anja neugierig. „Eigentlich nicht. Aber auf der anderen Seite ist meine Neugier einfach zu groß“, brummte Ethan. „Die Bibliothek ist nicht weit. Vielleicht können wir dort ein paar Recherchen einholen“. „Gute Idee“, lobte Ethan und blickte noch ein Mal auf die Uhr. Es blieb noch genug Zeit.....
Warum tat er das überhaupt alles? War es richtig. sich wirklich in Angelegenheiten einmischen, die ihn eigentlich gar nicht zu interessieren hatten? Sein Vater würde wahrscheinlich genau das tun. Sobald es um Geschichte ging, war Widerstand zwecklos. Aber er war eben nun mal nicht sein Vater. Die genetische Weitergabe von gewissen Charakterelementen sollte in keinem Fall, die nachfolgende Generation beeinflussen. Ein Mörder musste also nicht zwangsweise einen Nachkommen groß ziehen, der dem selben dunklen Berufszweig nachging. Ein Hoch auf die ganzen Wissenschaftssendungen im Fernsehen! Denn obgleich Ethan sich vornahm, das Vermächtnis seines Vaters fortzuführen, so konnte dieser Weg doch mit manigfaltigen Wegen erreicht werden.
Aber diese ganze Kalkulierei nutzte überhaupt nicht, wenn das Studium bereits in den Anfängen zu scheitern drohte. Alles schien auf einmal so weit weg. Nicht mal zwei Tage hatte es gebraucht um sein Leben komplett ins Chaos zu stürzen, was ohne Zweifel nur auf eine Eigenschaft zurückzuführen schien.
Neugier! Wie ein Samenkorn der zu einem Baum werden konnte, wuchs sie mit jeder Minute mehr und mehr an. Aber war es auch wert, dafür sein Leben zu riskieren? Für die Legende von Rittern die angeblich das Wissen Gottes seit Urzeiten bewachen? Das klang fast genau so abenteuerlich wie die ganzen Sagen und Märchen über den heiligen Gral oder den Jungbrunnen.
Nachdenklich blickte Ethan zu Anja herüber. Selbst auf ihrem Gesicht zeichneten sich Sorgenfalten ab. Was wohl in ihrem Kopf vorgehen mochte? Welche Gedanken formten sich zu einem Plan zusammen, um das ganze möglichst heile über die Bühne zu bringen? „Was beschäftigt dich so. Du bist verdammt still geworden, seit wir vom Museum los sind“, versuchte sich Ethan an einer Konversation. „Ich mach mir nur Gedanken darüber, wie es dir geht. Du bist wie ich Hals über Kopf in etwas hineingeraten“, antwortete Anja leise. „Ich denke wir haben da einfach beide einfach nur Pech gehabt. Jeder Normalsterbliche wäre schon längst drei Mal zur Polizei gegangen. Doch wir spielen hier Indiana Jones“. „Du mit Peitsche und Lederhut?“. Lauthals begann es plötzlich aus ihr hinaus zu prusten. Ein Lachanfall erster Güte! „Keine Sorge. Die hab ich zu Hause gelassen“, grinste Ethan frech. „Du bist schon ein komischer Vogel. Als dein Freund dich damals erwähnte, war ich etwas skeptisch“, erinnerte sich Anja. „Und jetzt?“, fragte Ethan neugierig. „Ich kenne dich doch gerade mal zwei Tage. Aber du bist irgendwie interessant“, gab sie verlegen von sich. „Kann ich nur zurück geben. Welche Frau nimmt es schon Rambo – Mäßig mit zwei Kerlen auf“. „Das macht der Karate – Kurs“, antwortete Anja trocken und ging weiter. „Da bin ich ja bei dir gut aufgehoben“. Frech aber sanft stieß er ihr mit dem Ellenbogen in die Seite. „Bei mir bist du schon sicher“, konterte sie frech mit einer Grimasse.
So schnell war also die schlechte Laune verflogen. Das war auch besser so. Ethan hatte Anja fröhlich kennengelernt und das sollte auch so bleiben. Aber nichts desto trotz. Irgendwem würde er sich bald anvertrauen müssen. Seiner Mutter vielleicht? Er wusste es nicht. „Ich finde das voll aufregend! Wir erleben hier die Vergangenheit haut nah“, freute sich Anja. „Irgendwie hast du ja recht. Aber es ist nur eine Geschichte. Eine Dokumentation scheint es doch nicht wirklich zu geben“, antwortete Ethan nachdenklich. „Ich kenne da jemanden, der etwas Licht in die Sache bringen könnte. Wir sind auch gleich da“. „Da bin ich aber sehr gespannt“. „Nicht so pessimistisch bitte. Du musst dich auch mal etwas trauen. Ich finde das ganze bisher besser als jede Vorlesung oder nicht?“. Fast schon überschwänglich hakte sie sich bei Ethan ein und machte vor einem Mietshaus halt. „Ohne Schießereien wäre das ganze noch viel besser“, brummte Ethan nervös, angesichts der ungewohnten Situation.
Noch nie hatte sich ein Mädchen so na an ihn heran getraut, geschweige denn den Körperkontakt gesucht. „Du bist ja total verkrampft“, bemerkte Anja. Verdammt! Er war aufgeflogen! „Tief durchatmen. Dann wird das schon“, versuchte sich Ethan innerlich zu entspannen, während Anja an der Tür klingelte. „Das erste Mal oder?“, fragte Anja neugierig. „Wie kommst du darauf?“, versuchte Ethan seine Unsicherheit zu verschleiern. „Für jemanden, der überall mit Bestnoten abgeschnitten hat, war sicherlich kein Platz für Mädchen oder das Leben“, antwortete Anja scherzend mit einem Zwinkern. „Du bist ja in zwei Tagen eine Expertin geworden“, feixte Ethan.
Aber sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Während der Schulzeit gab es kaum Kontakt mit Mädchen in seinem Alter, weil sie mieden. Oder war er es, der sich quasi dem Lernstoff hingab nur um etwas zu erreichen, ohne dabei auf sein Leben zu achten? Innerlich schüttelte Ethan den Kopf. Neunzehn Jahre zählte bereits das Konto. Da konnte man kaum von Lebenserfahrung sprechen. Aber man konnte durch geschickte Planungen für welche sorgen Denn ohne eine stabile Grundlage konnte die sichere Zukunft wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Folgen wären katastrophal. Schließlich sollte man seinen Kindern auch Sicherheit, Geborgenheit und Stabilität geben. Dafür sind eben auch manchmal Opfer nötig um genau das zu erreichen.
Das Knarren von Holz unterbracht schließlich seinen Gedankenprozess und lenkte Ethans Blicke auf die Tür. Das überraschte Gesicht einer Frau die ungefähr in den 30ern war, lugte seitlich an der Tür hervor. „Anja? Was machst du denn hier?“. Überrascht trat nun auch der restliche Körper aus dem Schatten heraus. „Lisa. Tut mir leid, das wir so einfach herein platzen“, entschuldigte sich Anja. „Kein Problem. Kommt doch herein. Ich habe gerade Tee aufgesetzt“. Mit einem freundlichem Lächeln winkte Lisa die Beiden hinein. „Das ist übrigens Ethan. Ein Freund von mir“. „Es freut mich dich kennenzulernen“. Höflich reichte sie ihm die Hand, die er auch so gleich erwiderte. „Mich auch“, entgegnete Ethan freundlich. „Setzt euch doch schon mal ins Wohnzimmer. Ich hole nur schnell den Tee“, erklärte Lisa und und verschwand auch sogleich in der Tür zu ihrer Rechten, während die beiden Besucher ein völlig neues Reich betraten. „Nicht schlecht“, staunte Ethan.
Vor ihm befand sich ein riesiges Wohnzimmer, in dem sich ein Sammelsurium an Artefakten und Relikten aus verschiedenen Epochen befand. An der Wand hingen dem ersten Anschein nach sehr sehr alte Bilder, die Schlösser und Burgen zeigten. Zur seiner Linken befand sich eine alte chinesische Vase auf einem Podest. Anja ging vorsichtig voran und umkurvte geschickt den Fellteppich im Tiger – Stil. „Ich bin sehr beeindruckt. Sie leben ja wirklich in der Geschichte selbst“, rief Ethan. „Das du reicht völlig. So alt bin ich noch nicht“, grinste Lisa frech, die schon bewaffnet mit einem Tablett in der Tür stand und es kurz darauf auf den Marmortisch stellte, der von einer braunen Sitzledergarnitur eingerahmt wurde. „Ich komme mir vor wie im 19. Jahrhundert“. „Du hast ein gutes Auge für die Details Ethan“, lobte Lisa und nahm im Sessel Platz. „Ich freue mich auch jedes Mal wenn ich hier sein kann“, warf Anja dazwischen und nahm mit Ethan auf der Couch gegenüber Platz, während Lisa die Porzellantassen mit Tee aus einer Kanne befüllte, die auch schon viel in ihrem Leben gesehen haben musste.
„Also wie kann ich euch helfen?“, fragte sie neugierig. „Du bist doch eine Expertin für die Kreuzritter und den Rosenorden“, begann Anja. Lisa nickte zustimmend und lies sich kurz und knapp von ihr die Geschichte der letzten zwei Tage erzählen. Die Schießerei fiel dabei gänzlich unter der Tisch, um nicht noch mehr Unruhe reinzubringen. „Und jetzt wollt ihr von mir mehr über den Orden erfahren“, kombinierte Lisa. „So in etwa. Weißt du etwas über die Ausstellung die momentan im Museum zu sehen ist?“, fragte Anja. „Natürlich. Der Professor, der sie entdeckte ist ein Kollege. Man fand die meisten Relikte in einer Grabkammer außerhalb von Rom“, antwortete Lisa. „War an den Artefakten etwas besonders oder auffällig?“. Kurz hielt die Gastgeberin inne. „Nur das einige der der Objekte über 700 Jahre alt sind. Aber das macht diese Sammlung nicht so aufsehen erregend“. Ethan und Anja tauschten kurz die Blicke, während die Lippen an der Teetasse nippten. „Es gibt da die Theorie, das Jack de Molay einst drei Kelche besaß, welche für die Dreifaltigkeit im Christentum standen. De Molay soll sie, während seiner Amtszeit als Großmeister erhalten haben“, antwortete Lisa. „Was macht diese Kelche so einzigartig?“, fragte Ethan neugierig. „Ihr wisst ja, dass der Templerorden durch Philipp den Schönen aufgelöst wurde. De Molay und viele weitere Tempelritter wurden verhaftet und auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Die übrigen Ordensritter flohen schließlich mit den Kelchen an geheime Orte in Europa“, antwortete Lisa. „ Das ist ja auch die bekannte Geschichtsschreibung. Das ist nichts neues“, grummelte Ethan. „Nicht so unhöflich“, schimpfte Anja. „ Er hat Recht. Erst seit Anfang des Jahres wissen wir, das die übrigen Ritter einen neuen Orden gründeten. Den sogenannten Rosenorden“. „ Davon habe ich noch nie etwas gehört“, fügte Ethan hinzu. „ Es gibt auch kaum Überlieferungen aus dieser Zeit bis auf ein Artefakt“, grinste Lisa. „ Wollt ihr es sehen?“.
Neugierig wechselten Ethan und Anja wieder die Blicke. „Das wäre sehr lieb“, lächelte Anja und stellte die Tasse ab. „ Dann kommt mit“, forderte sie die Beiden auf führte sie zu einer Kellertreppe. „Ich wurde damit beauftragt, besagtes Relikt zu untersuchen. Das sollte für euch Geschichtsstudenten doch so etwas, wie der heilige Gral sein“, scherzte Lisa und schritt die Stufen hinab.
Der Keller selbst wirkte auf dem ersten Blick doch recht groß. Zwei Türen gingen jeweils rechts und links ab und eine größere Tür ganz am Ende des Ganges, der auch schließlich das Ziel zu sein schien. „Dann wollen wir mal“. Zielsicher zog Lisa einen Schlüssel hervor und schloss die Tür auf. Dahinter befand sich ein rechteckiger Raum vollgestopft mit Regalen und Schränken. In der rechten oberen Ecke befand sich ein Schreibtisch mit einem PC darauf. In der Mitte selbst stand ein hüfthoher Tisch, auf dem wiederum ein Gegenstand lag, der durch ein Tuch verdeckt war. „ Da ist es“. Vorsichtig nahmen die Finger das blaue Tuch weg.
Ethan und Anja staunten nicht schlecht, als darunter eine steinerne Tafel zum Vorschein kam, die mit Bildern reichlich verziert war. „Du meine Güte. Was ist denn das?“. Neugierig trat Ethan einen Schritt an das Objekt heran. „Man fand diese Grabplatte Anfang des Jahres durch Zufall bei Ausgrabungen nahe Kairo“, antwortete Lisa. „Die Inschriften sehen aber sehr alt aus“, fügte Anja prüfend hinzu, während ihre rechte Hand an den Steinkanten langsam entlang fuhr. „Laut meine Analysen ungefähr 700 Jahre alt“. „Was bedeuten diese Zeichen?“, fragte Ethan. „Seht ihr die Bilder im oberen Teil der Grabplatte? Sie beschreiben wie die Tempelritter den Rosenorden gründeten. Aber schaut mal genau hin“, erklärte Lisa.
Prüfend und voller Ehrfurcht konzentrierte sich Ethan auf die Bilder. Gott! Er stand hier leibhaftig nur wenige Zentimeter von einem Relikt entfernt, welches dem Sand der Zeit getrotzt hatte. Alles wirkte noch so gut erhalten. Die Bilder schienen Lisas Geschichte zu bestätigen. Aber da war noch mehr. Da war eine Sonne abgebildet zu deren Füßen zwei Personen abgebildet waren. Eine Frau und ein Mann. Zu ihren Füssen standen drei Kelche, von denen wiederum Lichtstrahlen ausgingen. „ Irgendwo hab ich das auch schon mal gesehen“, versuchte sich Ethan zu erinnern. „Echt?“ Prüfend blickte Anja in seine Richtung. „Ja. Ich ich weiß es. Irgendwo tief in mir ist da etwas“, versuchte sich Ethan an einer Erklärung. „Die Kelche der Dreifaltigkeit schienen eine wichtige Rolle im Rosenorden zu spielen. Man glaubt, das der im Museum einer von den Dreien ist“, warf Lisa dazwischen. „Was ist denn mit den drei Rittern?“, fragte Ethan. „Das ist eine Geschichte die in Anjas Familie seit Generationen weitergegeben wird. Angeblich sollen drei Ritter ausgewählt worden sein Gottes Wissen zu bewahren“, antwortete Lisa. „Ich glaube daran. Der Kelch im Museum könnte ein Beweis sein“, konterte Anja getroffen. „Das der Kelch von De Molay stammt, steht außer Frage. Aber eine geheime Karte, die den Weg zu einem Schatz zeigt ist doch sehr unwahrscheinlich“. „Wenn du das sagst“, grummelte Anja leise. „Etwas muss ja an ihrer Behauptung sein Lisa, sonst würden ja nicht irgendwelche schießwütigen Mafiosi hinter uns her sein“, warf Ethan dazwischen. „ Schießwütig?“, hakte Lisa nach. „ Gestern wurde ich Zeuge wie ein alter Mann auf der Straße in meinem Armen starb. Er flüsterte mir noch einen Namen zu ehe Anja mich vor dem Tod gerettet hat. Ohne sie würde ich nicht hier stehen“, erklärte Ethan. „ Das ist doch abenteuerlich“, winkte Lisa ungläubig ab.
Seufzend schüttelte er nur den Kopf, als plötzlich sein Blick auf ein Bild in dem Bücherregal fiel. War das etwa? Neugierig trat Ethan an das Regal heran, um seine Theorie zu bestätigen. „Was hast du?“, fragte Anja. „Das da ist der Mann von gestern. Der Tote“, erschrak Ethan. „ Was? Das ist der Professor, der die Artefakte entdeckt hat“. „Lisa. Ich bin mir verdammt sicher. Er war das von gestern. Dieser Mann starb auf offener Straße“. Jetzt trat auch Anja an das Bild heran. „ Ja. Du hast recht. Das ist er“, bestätigte sie seine Aussage. „Starb? Habt ihr zwei mir etwas verheimlicht?“ Strafend blickte Lisa zu den Zweien herüber. „Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt“, entschuldigte sich Anja.
Völlig fertig sank Lisa auf den Schreibtischstuhl zusammen. „Warum nur? Ging er vielleicht deshalb den halben Tag nicht an das Telefon? Ich wollte ihm das mit der Grabplatte noch mitteilen“, seufzte Lisa und vergrub die Hände in ihr Gesicht. „Das tut mir leid“, versuchte Anja sie zu trösten, während die Arme zu einer Umarmung ansetzten. „Die Emails!“. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und trat an den PC heran, als plötzlich das Licht aus ging..............
Ethan stockte der Atem. „Anja, Lisa?." „Alles in Ordnung. Vermutlich ist nur die Sicherung herausgesprungen“, versuchte Lisa die Situation zu entspannen. „Das glaube ich nicht. Die sind unter Garantie wegen dir hier“, flüsterte Anja. „Wo ist der Kasten?“, fragte Ethan. „Oben im Erdgeschoss“, antwortete die Hausherrin, als plötzlich das Geräusch der Treppentür an ihre Ohren drang.
Stille. Nichts war mehr zu hören außer das Knarren von Holz. Verdammt sie saßen hier in der Falle! Der einzige Weg führte die Treppe hinauf. Vorsichtig tastete Ethan sich in der Dunkelheit an der Wand entlang bis er den Türrahmen erreichte. Das Knarren wurde lauter. Sein Herz begann zu hämmern. Mit jeder Treppenstufe schien es einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, während die Angst sich langsam in seine Glieder schlich. „Ganz ruhig. Die können im Dunkeln genauso wenig sehen wie wir“, versuchte sich Ethan zu beruhigen.
Schließlich hatten die Schritte das Ende der Treppe erreicht und näherten sich nun langsam Zentimeter für Zentimeter ihrer Position. „Pass an der Treppe auf“, sprach eine ihm bekannte Stimme. Verdammt das waren die Kerle von gestern Nachmittag. „Wir müssen sie überwältigen. Irgendwie“, flüsterte Anja.
Ethan fluchte innerlich. Das war leichter gesagt als getan. Vor allem da bestimmt wieder eine Bleivergiftung im Raume stand. Außerdem war er nicht gerade eine Kampfmaschine. „Da hinten“, rief der zweite Mann, während der Strahl einer Taschenlampe leichte Schatten im Raum warf und die Positionen der beiden Mitstreiter enthüllte. Anja selbst stand genau auf der anderen Seite der Tür. Lisa hingegen stand hinter Ethan in der Raumecke mit einer Vase bewaffnet. „Wenn wir das so und so machen könnte das vielleicht......" Sein Gehirn arbeitete dutzende von Strategien durch um möglichst schnell den ersten Mann unschädlich zu machen, als plötzlich der Schatten einer groß gewachsenen Gestalt im Türrahmen auftauchte.
Anja reagierte blitzschnell, griff sich den Arm des Feindes, zog den Körper in den Raum hinein und ging in den Nahkampf über. Ein wilder Tumult entbrannte, bei dem die Taschenlampe zu Boden donnerte. Ein lautes Klirren kündete dabei vom Ende der Technik. „Lisa, Ethan. Lauft!." Anjas Stimme hallte regelrecht durch den Raum, während von irgendwo her röchelnde Geräusche kamen. „Du Schlampe“, fluchte der Mann, gefolgt von einem lauten Krachen und dem Aufprallen von Büchern. „Mist!“, fluchte Anja, während ein anderer Körper nur knapp an Ethan vorbei stürmte. Dann folgte ein Knall gepaart mit einem lautem Aufschrei. „Lisa!“, schrie er panisch und völlig orientierungslos auf. „Renn um dein Leben. Bleib nicht stehen!“
Ethan rannte. Er wollte leben! Von Angst getrieben stürmte er aus dem Raum hinaus und stieß dabei den zweiten Mann mühelos auf Seite. Eilig sprang der Körper die Stufen hinauf und verließ panisch das Haus, als plötzlich ein Schuss ertönte. Erschrocken hielt Ethan inne und drehte sich noch einmal um ehe die Angst wieder sein Handeln übernahm und er um sein Leben rannte.
Wie spät war es? Seine Beine schmerzten. Sein Mund sog regelrecht die Luft ein, während Ethans Körper den Betrieb einstellte. Müde und kaputt ließ er sich auf eine Bank nieder und blickte in den Himmel hinauf. Erst einmal musste das Chaos im Kopf sortiert und die Gedanken in richtige Bahnen gelenkt werden. Was zum Teufel hatte ihn da geritten? Wie konnte er Lisa und Anja nur im Stich lassen? Das beschämende Gefühl der Feigheit schlich sich durch eine Hintertür in seine Gedanken hinein.
Innerlich verfluchte er sich selbst, als plötzlich eine Hand seine rechte Schulter berührte. Völlig erschrocken sprang Ethan auf und blickte sich um. „Anja!." Sie stand einfach nur da. Völlig außer Atem. Die schwarzen Haare völlig zerzaust. Ein paar Schrammen zierten ihre Arme. „Geht es dir gut?." Völlig fertig wischten die zarten Finger den Schweiß von der Stirn, als es ihn plötzlich überkam. Ohne zu zögern nahm er sie in den Arm und begann leise zu weinen. „Was ist denn los?“, fragte Anja völlig überfordert. „Ich dachte du wärst tot“, schluchzte Ethan. „Ich bin weit davon entfernt. Mir geht es gut." Ruhig erwiderte sie seine Umarmung. „Ich bin ein totaler Feigling. Ich habe euch im Stich gelassen“, fluchte Ethan über sich selbst. „Hör auf so zu reden!." Lächelnd blickte sie in seine Augen, während sie ihn noch immer festhielt. „Aber ich bin weggelaufen“, protestierte Ethan lautstark. „Wenn du das nicht getan hättest, wärst du vielleicht tot“, versuchte Anja ihn zu beruhigen. „Was ist mit Lisa. Geht es ihr gut?“ Besorgt und peinlich berührt starrte er auf den Boden hinab. „Ich weiß es nicht. Wir haben uns getrennt." „Hoffentlich ist ihr nichts passiert." Völlig fertig sanken die Beiden auf die Bank. „Anja ich kann nicht mehr“, begann Ethan erneut zu weinen. „Du stehst unter Schock. Das ist doch völlig normal." Völlig verheult blickten seine Augen in die Ihre.
Aufs Anjas Gesicht zeichnete sich zwar die Müdigkeit ab. Aber sie wirkte dennoch sehr gefasst. Hatte sie das überhaupt nicht mitgenommen? War sie wirklich so hart? „So kannst du auf jeden Fall nicht nach Hause. Du kommst erst mal mit zu mir." „Sollten wir nicht lieber erst einmal zur Polizei gehen? Lisa ist irgendwo noch da draußen“, warf Ethan dazwischen und kramte sein Handy hervor. „Das geht nicht“, versuchte Anja ihn vom Anruf abzuhalten. „Warum sollte das nicht gehen? Ich habe es satt. Ich hätte nie an die Uni gehen sollen“, schimpfte Ethan lauthals. „Du bist da in eine Sache hineingeraten. Das war doch nie so beabsichtigt“, entschuldigte sie sich. „Was soll das heißen? Du weißt doch mehr als du mir sagst."
Ethan ließ sich überhaupt nicht mehr beruhigen. Sein Puls ging durch die Decke. Angst und Wut rangen in seinem Kopf um die Vorherrschaft. Es gab einfach keinen anderen Ausweg! Mutig ließ er seine Finger das Tastenfeld aufrufen. „Wenn du das jetzt machst, werden sie erst recht hinter uns her sein. Ich dachte du vertraust mir“, versuchte Anja noch mal an ihn zu appellieren. „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Außerdem verheimlichst du mir doch etwas. Keine Mensch ist so abgebrüht, wenn es um sein Leben geht. Soll sich die Polizei darum kümmern“, schmetterte Ethan zurück und ging einige Schritte von der Bank weg. „Notrufzentrale? Was kann ich für sie tun“, ertönte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
Ein kurzer Blick zu Anja dann begann Ethan sachlich und kompakt zu schildern was sich in den letzten zwei Stunden ereignet hatte. „Ein Streifenwagen ist unterwegs zur genannten Adresse“, erklärte die Stimme ehe Ethan das Gespräch beendete. „Das war ein Fehler“, seufzte Anja. „Ein Fehler war es, sich auf das ganze hier einzulassen. Ein paar Steine und Kelche sind das alles nicht wert. Wenn du auf so etwas stehst mach dein Ding doch alleine“, polterte Ethan und ging los. Einfach in die Nacht hinein von Frust, Trauer und Wut begleitet, entfernte sich der Körper schnell von Anja.
Das ganze Bild hatte sich gedreht. Hatten seine Arme sie vor Minuten noch sorgenvoll fest gehalten, brauchte er jetzt seine Ruhe. Die letzten beiden Tage waren einfach zu viel des Guten gewesen. Ein letztes Mal schwang Ethan herum. Anja war verschwunden! Jetzt war er allein unterwegs. Einzig und allein der Mond und die Sterne passten jetzt noch auf ihn auf, während im Kopf noch ein mal die letzten Ereignisse Revue passierten.
Warum das alles? Eine Schießerei jagte die Nächste und das in nur zwei Tagen. So ein paar bekloppte Kelche stellten wohl für gewisse Personengruppen den heiligen Gral dar. Eine Schatzkarte. Gewölbe des Lichtes. Das Wissen Gottes. Alles totaler Humbug. Eine Erfindung von Menschen aus dem Mittelalter für die doch jede Technik wie ein Wunder erscheinen musste. Ein Seufzer quälte sich von seinen Lippen. Aber der ganze Spuk hatte jetzt ein Ende. Morgen würde er ganz normal aufstehen und wieder zur Uni gehen und lernen und Spaß haben. Sollte Anja doch machen was sie wollte.
Denn obgleich sicherlich freundschaftliche Gefühle für die Frau da waren, so würde doch jeder vernunft begabter Mensch das eigene Leben doch an erster Stelle packen. „Willst du die ganze Strecke nach Hause laufen?“, ertönte Anjas Stimme hinter ihm.
Erschrocken wandte Ethan sich um. Er hatte nicht einmal bemerkt, das sie sich mit ihrem Auto angeschlichen hatte und nun langsam neben ihm her fuhr. „Wenn es sein muss“, Trotzig würdigten seine Augen ihr keinen Blick. „Lass mich dich wenigstens nach Hause fahren und dann rufe ich noch mal meinen Onkel an“, schlug Anja mit ruhiger Stimme vor. „Du machst es dir verdammt einfach“, grummelte Ethan und stieg in das Auto ein. „Ich weiß. Du hast sicherlich viele Fragen. Aber ich kann sie dir im Moment nicht beantworten ohne dich damit weiter reinzuziehen“, entschuldigte sich Anja. „ Ich bin doch eh schon mitten drin." „Aber das war nie beabsichtigt. Das der Professor gerade dir in die Arme läuft und mit seinem letzten Atemzug eine wichtige Information preisgibt ist wohl Schicksal gewesen“, erklärte sie. „Schicksal? Arbeitest du irgendwie für eine Behörde oder so?“, fragte Ethan neugierig. Ein Schmunzeln huschte über Anjas Gesicht. „Also das hier ist kein Agentenfilm. Ich habe versucht dich herauszuhalten. Aber irgendwie hast du nicht locker gelassen." „Hätte ich das mal. Jetzt haben es irgendwelche komischen Leute auf mich abgesehen“, fluchte Ethan. „Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Aber ich verspreche dir ich werde auf dich aufpassen bis die ganze Sache aufgeklärt ist“, versprach Anja. „Verzeih mir. Aber ich brauch einfach etwas Ruhe“, entschuldigte sich Ethan, während er aus dem Fenster starrte.
Müde und völlig fertig hatte sich Ethan zwei Stunden später ins Bett begeben. Auf der Autofahrt hatte er die letzten 10 Minuten kein Wort mehr mit seiner Fahrerin gewechselt. In ihm tobte einfach gerade ein Kampf, wo er selbst noch nicht sicher war wer ihn gewinnen würde. Sein Verstand riet ihm dazu zumindest mit seiner Mutter zu reden. Auf der anderen Seite hatte Anja auch etwas an sich. Ethan wusste nicht warum. Aber irgendwie beschlich ihn das Gefühl, das hier Vertrauen angebracht war.
Mit einer Umarmung hatte Ethan sich dann schließlich doch noch verabschiedet eher er sich ins Haus zurückzog um endlich den wohlverdienten Schlaf einzufordern. Zum Glück waren seine Eltern nicht daheim, so dass die Gefahr einer Rechtfertigung auf ein Minimum reduziert wurde.
Am nächsten Morgen stand Ethan schon früh auf. Unfreiwillig aber sanft wurde er von Jellas Schnauze regelrecht wach geküsst. „ Ist ja gut." Stöhnend schwang sich sein Körper nach rechts. „Gibst du mir noch 5 Minuten?." Jella kommentierte diese Bitte mit einem Nasen – Stupser. „Ich glaube das wird nichts mehr“, grummelte Ethan und drehte sich zu der Huskydame um. Der treue Blick der Hündin war einfach unwiderstehlich, so dass sie schnell die Streicheleinheiten von ihrem Herrchen bekam. „Hast du eigentlich bemerkt, dass dein Sohn die ganze Nacht weg war“, donnerte es plötzlich von unten. „Mein Sohn? Du hast auch die Verantwortung für ihn mein Lieber“, schimpfte Nina. „Ich bin nur sein Ziehvater und sorge dafür das genügend Geld da ist“, fluchte David.
Völlig genervt stand Ethan auf. War mal wieder Streittag? Müde trottete er zum Fenster. Wieder einmal war besonders gute Wetter. „Ich gehe jetzt zur Arbeit!." Die Haustür viel laut ins Schloss und bald darauf schob sich David in das Sichtfeld Ethans. „Was für ein Versager." Ungläubig schüttelte er den Kopf, als plötzlich ein schwarzer Mercedes vorfuhr und vor dem Haus hielt.
Seltsam. David hatte doch sein eigenes Auto? Die Antwort folgte auf dem Fuße, als eine große Gestalt aus dem Fahrzeug stieg. Ethan erschrak. Das war doch einer der Kerle, die versuchten ihn zu töten! Was wollte der denn von seinem Stiefvater? Eilig hastete er zum Schreibtisch, griff nach dem Handy und wählte Anjas Nummer. „Dies ist die Mailbox von....." „ Verdammt!“, Fluchend wandte der Körper herum. Vielleicht ließen sich noch ein paar wichtige Informationen aus der Szenerie entlocken. Doch das Auto war bereits verschwunden. „Jella. Ich glaub hier geht ein ganz übles Spiel ab." Ein lautes Bellen kam als Antwort zurück ehe Ethan stürmisch im Bad verschwand. Jetzt musste er auf jeden Fall seine Mutter einbeziehen, denn sie würde sicherlich auch in Gefahr sein.
15 Minuten später saß Ethan nervös am Küchentisch, während Nina das Frühstück zubereitete. „Du hast dich wieder mit David gestritten“, konfrontierte er sie direkt. „Ach manchmal hab ich das Gefühl, ich bin nur eine Arbeitskraft für ihn“, seufzte sie. „ Er behandelt dich schon seit Jahren wie eine Sklavin." Nachdenklich nippte er an seinem Orangensaft. „Es tut mir leid das ich gestern so spät nach Hause kam. Ich war noch mit Anja unterwegs." „Du musst dich noch nicht entschuldigen. Ich bin froh, das du so schnell Anschluss gefunden hast und außerdem bist du über 18“, wies Nina zurück. „Ich frage mich nur warum David da so auf die Barrikaden geht“, grübelte Ethan laut. „Ach du kennst ihn doch. Arbeit geht über alles. Er hatte in seiner Kindheit keine Zeit für das Leben und das gleiche erwartet er jetzt auch von dir“, antwortete Nina und stellte ihm die belegten Brote an den Tisch. „Du. Wir müssen noch über etwas reden“, begann Ethan, als es plötzlich an der Tür klingelte. „Musste das jetzt sein?“, fluchte er innerlich, während seine Mutter an die Tür ging. „Guten Morgen Frau Stanfield“, begrüßte sie ein Mann höflich. „Guten Morgen. Was kann ich für sie tun?“, erwiderte Nina. „Mein Name Hauptkommissar Waldt. Ich müsste mit ihrem Sohn sprechen“, antwortete er.
Ethan erschrak und hätte sich beinahe des Saftes in seinem Mund entledigt. Was wollte die Polizei denn so früh hier? Nervös stellte er das Glas hin. „Ruhig. Vielleicht ist alles ganz harmlos“, versuchte Ethan sich selbst zu beruhigen. Der besorgte Blick seiner Mutter schien Bände zu sprechen, während der Kommissar sich zu ihm an den Tisch setzte. „Du musst Ethan sein." „ Ja das bin ich. Was kann ich für sie tun?“ Nervös trippelten die Füsse unter dem Tisch auf und ab. „Das würde ich auch gerne wissen“, fügte Nina besorgt hinzu. „Letzte Nacht wurde im Park eine Frauenleiche gefunden. Laut Zeugenaussagen war ihr Sohn vorher noch mit dieser Frau zusammen“, erklärte Waldt und legte ein Foto auf den Tisch. „Kennst du diese Person?."
Ethan erschrak erneut und konnte dies auch sichtlich nicht verbergen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Sein Herz begann zu rasen. Das war eindeutig Lisa auf dem Bild. Mit einer Kugel im Kopf! „Junge. Ich sehe es dir doch an das du die Frau kennst“, bohrte Waldt nach. „ Das ist doch Lisa. Aber den Nachnamen kenne ich leider nicht“, antwortete Ethan. „Was hattest du mit dieser Frau zu schaffen Ethan?“, fragte seine Mutter. „Ich war gestern da wegen Recherchen für die Uni. Mehr nicht." Nervös stand Ethan auf und ging ans Fenster. „Und dann?." „ Nichts dann. Ich bin nach Hause und schlafen gegangen“, rechtfertigte sich Ethan. „Wahrscheinlich ist das nur Zufall das mein Sohn bei ihr war und sie danach tot aufgefunden wird“, versuchte Nina ihn zu unterstützen. „Das mag sein. Laut Zeugenaussagen von Nachbarn wurde ihr Sohn gesehen wie er aus dem Haus rannte und kurz danach viel der Schuss." „Ethan?." Der besorgte Blick seiner Mutter wurde immer eindringlicher, während die Augen des Kommissars versuchten ihn regelrecht zu durchbohren. „Herr Waldt. Ich besitze keine Waffe. Ich hab niemanden erschossen“, verteidigte sich Ethan. „ Du bist aber gerade der Hauptverdächtige und der letzte der sie gesehen hat“, setzte Waldt nach.
Jetzt stand er eindeutig mit dem Rücken zur Wand. Sollte er jetzt auch noch Anja erwähnen, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen? „Herr Kommissar. Wir haben keine Waffen im Haus. Das können sie auch gerne nachprüfen." „Frau Stanfield. Das werden wir auch machen. Diese Wohnung wird bis auf den letzten Zentimeter durchsucht. Ich muss dich bitten mich zu begleiten“, erklärte Waldt. „Was? Ich habe nichts getan und werde garantiert nicht mitkommen“, protestierte Ethan. „Mache es dir doch nicht selbst so schwer. Du musst eingehend befragt werden und stehst unter Verdacht“, erklärte Waldt ruhig als es plötzlich wieder an der Tür klingelte.
Völlig aufgelöst ging seine Mutter zur Tür und öffnete. „Was machst du denn hier?“, fragte sie völlig überrascht, während sich Anja an ihr vorbeischob. Ihr folgte ein älterer Mann in adretter Kleidung. Der musste sicherlich so um die 47 sein. „Herr Grantz. Was machen sie denn hier?“, fragte Waldt völlig erschrocken. „Eigentlich wollte ich nur meine Nichte hier absetzen, weil sie Ethan besuchen wollte“, antwortete Grantz. „Das wird leider nicht gehen. Der junge Mann wird mich auf die Wache begleiten." Völlig erschrocken starrten Anja und ihr Onkel einander an. „Ich habe nichts gemacht, verdammt noch mal“, fluchte Ethan. „Das wird sich noch zeigen. Muss ich dir Handschellen anlegen oder gehst du freiwillig mit?." Hilflos sank Ethan den Kopf. „Ich hab ja wohl kaum eine Wahl“, grummelte er und stand auf. „Ethan. Ich werde dich begleiten. Das wird schon wieder." „Von mir aus Herr Grantz. Tun sie was sie wollen“, antwortete Waldt mürrisch und verließ kurz darauf mit seiner Trophäe das Haus.
Völlig genervt verließ Ethan das Polizeigebäude. Zwei Stunden lang hatten sie ihn dort festgehalten und ordentlich ausgefragt. Was für eine peinliche Situation, die nur dank Anjas Onkel halbwegs gescheit über die Bühne gegangen war.
Denn letztendlich fehlten den Beamten einfach die Beweise um ihn festzuhalten und so war Waldt gezwungen Ethan laufen zu lassen. „Das tut mir so leid." Mit besorgter Miene stand Anja am Fuße der Treppe. „Das war eine Tortur. Ich hab kaum ein Wort rausgekriegt“, fluchte Ethan. „Ich hatte nicht damit gerechnet, das das passiert“, entschuldigte sie sich. „Dein Onkel hat ganze Arbeit geleistet. Nur deswegen bin ich jetzt hier“, erklärte Ethan. „Ich weiß ich hab dir schon viel zugemutet. Aber dich dachte du hättest vielleicht Interesse daran endlich die Wahrheit zu erfahren?." Erstaunt suchte er den Augenkontakt.
Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Sollte es endlich ein paar Antworten auf die Fragen der letzten zwei Tage geben? Erleichtert stimmte er zu. „ Gut. Du wirst ein paar Freunde treffen. Du wirst sie mögen“, lächelte Anja und ergriff seine Hand. „Du bist schon echt komisch. Gestern hätte ich dir noch am liebsten die Leviten gelesen." Irritiert ließ er sich von seiner Begleiterin zum Auto führen. Endlich würde Ethan alle Antworten bekommen. „Hör mal. Ich weiß bin wahrscheinlich nicht so der Typ Mann den du gewöhnt bist. Aber ich danke dir das du mir das Vertrauen entgegen bringst“, erklärte Ethan schüchtern. „Ich vertraue dir Ethan. Eigentlich bin ich es, der viel zu erklären hat“, gestand Anja lächelnd. „Aber woher willst du wissen auf welchen Typ Mann ich stehe?“ Frech grinsend stellte sie den ersten Gang ein fuhr los.................
Lange waren sie auf der Landstraße unterwegs gewesen. Ein malerisches Bild aus Wäldern, Hügeln und einem klarem blauen Himmel hatte das Duo die letzten 40 Minuten der Fahrt begleitet. „Wie weit ist es noch zu fahren?." Fragend blickte Ethan abwechselnd auf sein Handy und in den Himmel. Bald würde sich die Sonne zur Ruhe betten und dem Mond Platz machen. „Wir sind gleich da“, antwortete Anja knapp, während sie das Auto auf eine nicht ausgebaute Nebenstraße lenkte. „Was ist denn hier draußen überhaupt?“, fragte Ethan. „Hinter dem Hügel liegt unser Ziel." Mit gemächlichem Tempo rollte das Gefährt den Hügel hinauf und ließ ihm beinahe den Atem stocken. „Ist das eine Aussicht?“, grinste Anja. „Definitiv."
Mit weiß aufgerissenen Augen überblickte er ein Tal, in dessen Zentrum eine mittelalterliche Villa stand. Rechts und links herum befanden sich Felder und Wiesen. Ein kleiner Hof rechts grenzte noch an das Waldgebiet. „Wer wohnt hier?." „Das Haus ist im Familienbesitz. Es wurde vor knapp zweihundert Jahren gebaut“, antwortete Anja und fuhr wieder los. „Wusste gar nicht, dass deine Familie so reicht ist“, gestand Ethan. „ Sind sie auch nicht. Das ganze Geld wurde von den Bau gebraucht und für das Opfer, das meine Vorfahren brachten mussten. „Opfer?“ Ein Runzeln zeichnete sich auf Ethans Stirn ab. „Sie lebten im Geheimen. Die Schatten waren ihre Familie und zugleich auch ihr Rückzugsort“, antwortete Anja kryptisch, während das Auto vor einem riesigen Metalltor zum Stehen kam. „Ethan." Sorgenvoll blickten ihre Augen zu ihm herüber. „Sobald du diese Schwelle überschreitest, ist es zu spät für eine Rückkehr in alte Gewohnheiten. Dein Leben wird sich ändern. Aber noch kannst du zurück und ich wäre auch nicht böse, falls deine Gedanken sich für ein normales Leben entscheiden. Es liegt ganz allein bei dir."
Was für eine Ansprache. In seinem Kopf brach erneut ein Kampf aus. Drei Tage hatte Ethan jetzt gelitten ohne auch nur einmal irgendwelche Antworten zu erhalten. Auf der anderen Seite wollte er einfach ein normales Leben führen. Zur Uni gehen und eines Tages eine Familie gründen. Aber stattdessen stand sein Ethan nun auf einem Schlachtfeld. Um ihn herum wurde gekämpft. Die Truppen angeführt von seinem Verstand zogen gegen die Neugier ins Feld. Ein Gewinner war nicht abzusehen. Es lag also an Ethan selbst sich für eine Seite zu entscheiden, während Schwert und Schild aufeinander trafen. Kampfschreie und Kriegstrommeln vermischten sich zu einem lautstarken Konzert. Das Blut regnete in Strömen nieder und vermischte sich mit dem braunen Erdboden. Auf beiden Seiten lagen die Leichen zu seinen Füßen. Zu seiner Rechten lag ein Schild mit einer weißen Taube darauf. Ein Bildnis von Frieden, Geborgenheit und Sicherheit. So konnte man alt werden. Aber zu welchem Preis? Zu seiner Linken lag ein blutverschmiertes Schwert. Was sollte es bedeuten? Das nicht immer alles im Leben glatt läuft? Das man sich Herausforderungen stellen muss? Das jederzeit Gottes Lebenshauch aus seinem Körper schwinden konnte? Welchen Gegenstand sollten die Hände ergeifen?
Entschlossen blickte Ehan zu Anja hinüber. „ Ich habe diesen Weg unfreiwillig eingeschlagen. Mein Vater hat sich stets jeder Herausforderung gestellt. Ich werde es ihm gleich tun. Auch wenn meine Glieder ordentlich vor Angst schlottern“, erklärte Ethan. „Ich wäre enttäuscht, wenn du keine hättest“, lächelte Anja und klopfte ihm auf die Schulter. „Bringen wir es hinter uns“, gestand er nervös. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, versuchte Anja ihn zu beruhigen, während ihre rechte Hand nach einer Fernbedienung griff, woraufhin das schließlich Tor Einlass gewährte.
Keine Minuten später war das Auto schließlich auf einem der Parkplätze zu Stehen gekommen. „Wirklich ein sehr schöner Ort. Gefällt mir“, sprach Ethan und schloss die Tür hinter sich. „Hier draußen ist nur die Natur“, erklärte Anja und ging voran, einen kleinen Park entlang, in dessen Mitte eine alter Springbrunnen stand, der allerdings kein Wasser mehr führte. Tatsächlich sah es auf den ersten Blick so aus, als hätte der schon Jahrzehnte lang nichts mehr von sich gegeben. Ein klammes Gefühl schlich durch Ethans Körper.
Das Gebäude hatte etwas geheimnisvolles und mystisches an sich. Etwas altes und marodes. Gleichzeitig wirkte es jedoch sehr anmutig und gut erhalten. Neugierig trat Ethan die großen Steinstufen hinauf, bis eine große Holztür den Weg blockierte. In der Mitte befand sich ein Ring zum Klopfen, wie er im Mittelalter häufig verwendet wurde. „Eine wirklich tolle Handwerkskunst“, lobte Ethan und fuhr mit der rechten Hand über den goldenen Löwenkopf hinweg. Diese feine und filigrane Arbeit konnte nur von einem Meister angefertigt worden sein. Neugierig wartete er auf Anja, die in ihrer Handtasche endlich einen Schlüssel hervorzog, der auch sogleich in dem darunter liegenden Schloss verschwand. „Willkommen in meinem Zuhause“, lächelte Anja und drückte die Tür nach Innen auf.
Voller Ehrfurcht überschritt Ethans Körper die Schwelle in eine andere Zeit. Wie schon einen Tag zuvor bei Lisa schien die Zeit keine Macht auf diesen Ort auszuüben. Noch immer wirkte das Innenleben, als wäre ihm gerade erst Leben eingehaucht worden. Die große Eingangshalle wurde von einer gewaltigen Holztreppe geteilt, die sich schwungvoll zu beiden Seiten hin nach oben in den ersten Stock arbeitete. An der Decke thronte ein gewaltiger silberner Kronleuchter. Etwas ein gestaubt. Aber noch funktionsfähig, wie die brennenden Kerzen darauf bewiesen. Rechts und links gingen einige Türen ab. Die Zwischenräume waren entweder mit Kommoden und Schränken gefüllt oder aber mit Bildern, auf denen Personen zu sehen waren. Vermutlich die Vorfahren von denen Anja noch im Auto gesprochen hatte. „Das ist so wunderschön." Ethan kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. „Freut mich, das es dir gefällt“, grinste sie und schlug auch sogleich den Weg zur Treppe ein.
Oben angekommen zierte ein großes Gemälde den Wandabschnitt. Es zeigte einen Ritter, der seinen Kopf hinauf zur Sonne streckte. In seiner einer Hand hielt er ein Schwert. In der anderen ein Schild auf dem eine Rose abgebildet war. Gott! Das musste echt hunderte von Jahren alt sein. „Willkommen beim Rosenorden“, hallte eine Stimme von rechts. Erschrocken wandte sich Ethan um und blickte in ein bekanntes Gesicht. „Leila?." Verwirrt schüttelte Ethan den Kopf. „Ja. Ich bin es. Sebastian kennst du ja noch. Oder?“ Auf der obersten Stufe lehnte tatsächlich Sebastian über dem Geländer und winkte ihm freudig zu. „Anja. Schön dich zu sehen“, freute sich Leila, während sie ihre Freundin umarmte. „Was macht ihr denn hier?“, fragte Ethan verdutzt. „ Anja? Hast du ihm nichts erzählt?." „Das wollte ich gerade tun. Es gab einige Schwierigkeiten“, seufzte sie. „Wir haben das von Lisa gehört. Geht es dir soweit gut“, fragte Sebastian. „Es war hart. Sie war wirklich eine Freundin“, trauerte Anja. „Ruht euch doch erst mal aus“, sprach Leila ruhig, während ihr Körper sich an die Spitze der Gruppe setzte und die Führung übernahm.
Ruhig und bedächtig folgte Ethan den beiden Damen die Treppe hinauf. Nicht ein Wort brachte er heraus. Rosenorden? Hatte Leila das vorhin wirklich so gesagt? Und warum waren sie nur vier Leute. Welche Rolle spielte das Haus in dieser verrückten Geschichte? „Ethan. Alles klar?." Sebastians Stimme riss ihn förmlich wieder in die Realität zurück. „Geht so. Das ist alles etwas viel für den Augenblick." „Das ist kein Problem. Mir ging es am Anfang nicht anders“, erzählte Sebastian, während er neben Ethan herlief. „Sicher können wir gleich einige deiner Fragen beantworten und dann lichtet sich hoffentlich das Chaos in deinem Kopf“, fügte Anja hinzu, während sie durch eine weitere Tür in einen großen Raum traten.
In der Mitte befand sich ein langer Tisch aus dunklem Holz. Zweiundzwanzig Stühle gleicher Farbe waren rund herum angeordnet. Zehn auf jeder Seite und jeweils einer am Kopf- und am Fußende. Große Glasfenster ließen jede Menge Licht hinein. Zumindest wenn es hell war. In diesem Fall erleuchteten auch hier mehrere Kronleuchter den Raum. Eine weitere Tür ging rechts von ihnen ab. Ansonsten wirkte dieser Raum sehr unbehaglich. Die vielen großen Bilder von Personen starrten regelrecht in den Raum hinein. Ethan fühlte sich beobachtet, während Leila aus einem Schrank ein paar Gläser und zwei Flaschen Cola hervorholte. „Setzt euch“, bat Sebastian mit einer einladenden Geste, während er selber auf einem der zahlreichen Stühle Platz nahm. Ethan setzte sich neben ihn. Anja und Leila setzten sich auf gleicher Höhe gegenüber. „Für dich muss das ganze ziemlich überwältigend sein“, begann Leila und goss Cola ein. „ Das waren die letzten Tage auf jeden Fall“, antwortete Ethan. „ Was weißt du über den Rosenorden?“, fragte Anja. „Nichts“, zuckte er mit den Schultern. „ Der Rosenorden wurde vor knapp achthundert Jahren gegründet, als die Zeit der Tempelritter sich fast dem Ende zuneigte“, antwortete Anja. „Soweit ich weiß, wurde mit Jacques de Molay der letzte Großmeister auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Steht zumindest so in den Büchern“, versuchte Ethan mit Fachwissen zu glänzen, während er sich ein Glas mit Cola nahm. „Aber was geschah mit denen die übrig blieben? Die letzten versprengten Ritter flohen in die letzten Winkel Europas, um ihr Wissen zu bewahren." „Anja erzählte mir von den drei Rittern“, sprach Ethan. „Was du nicht weißt ist, dass ein Buch aus dieser Zeit den Weg in die unsrige gefunden hat. Es beschreibt wie die Tempelritter auf ihren Kreuzzügen in einer Höhle auf die ersten zwei Geschöpfte Gottes stießen. Doch sie entdeckten noch mehr. In dem Glauben, dass dieses Wissen der Untergang der Menschen bedeuten könnte, versiegelten die Ritter die Höhle und gründeten im Geheimen den Rosenorden“, sprach Leila. „Ist das nicht etwas weit hergeholt? Das klingt beinahe genauso abenteuerlich wie die ganzen Legenden um den heiligen Gral“, warf Ethan rüde dazwischen. „ Ja. Das klingt wie aus einem dieser Filme, die man oft in den Kinos zu sehen bekommt“, scherzte Anja, stand auf und verschwand in der Nebentür. „Lass mich weitererzählen. Im Laufe der Jahrhunderte gab es einen Untergrundkrieg zwischen der Kirche und dem Rosenorden. Denn im Vatikan hielt man diese Entdeckung für einen Sakrileg. So entschloss man sich das Wissen, welches über die Jahrhunderte angesammelt wurde nur an eine kleine Gruppe weiterzugeben. Würde schließlich einer der Ritter in Gefangenschaft geraten, so konnte er unter Folter nichts verraten, da man nichts wusste“, erklärte Leila weiter, als Anja mit einem kleinen Buch zurück kam und es auf den Tisch legte. „ Das ist es. Das Tagebuch. Aber sei vorsichtig damit“, bat sie eindringlich und jedoch noch höflich.
Vorsichtig griff Ethan danach. Das alte Leder hatte dem Zahn der Zeit erstaunlich gut standgehalten. Selbst die Blätter wirkten noch sehr robust. Allerdings waren einige der Schriftzeichen bereits verblasst. Abgesehen davon, dass er kein lateinisch konnte. Aber es war echt! Ethan hielt ein Buch in den Händen, das ein Tempelritter vor Urzeiten geschrieben hatte. „Wie ging es weiter?“, fragte er neugierig und nahm einen Schluck aus dem Glas zu sich. „Irgendwann beschloss der Orden, einen Ort zu bauen, wo das gesammelte Wissen Gottes bewahrt werden sollte“, begann Leila. „Das Gewölbe“, vollendete Sebastian den Satz. „Genau. Nachdem die drei Ritter in alle Himmelsrichtungen davon zogen, geriet der Ort in Vergessenheit. Innerhalb der Nachkommen wurden die Kelche weitergegeben. Jedoch spielte das Schicksal übel mit. Kriege, Revolutionen, Umstürze. All das sorgte dafür, das die Kelche doch irgendwann verschwanden“, sprach Anja. „Und jetzt ist ein Kelch wieder aufgetaucht“, kombinierte Ethan scharfsinnig. „Richtig. Wenn alle drei Kelche zusammen sind, wird sich der Weg zum Gewölbe des Wissens offenbaren. Die Kirche will allerdings selbst dieses Wissen, um es zu zerstören“, fügte Sebastian hinzu. „Die Killer der letzten Tage?." Fragend blickte Ethan in Anjas Richtung, die mit einem Nicken antwortete. „Wir dürfen nicht zulassen, das diese Leute die Geschichte zerstören“, erklärte Leila eindringlich. „Was ist dieses Wissen Gottes eigentlich genau?“, hakte Ethan nach. „Das weiß niemand. Das Wissen wurde nicht weitergegeben. Während der französischen Revolution dachte man nur daran, es zu bewahren und zu beschützen. Später jedoch als die Kelche verschwanden, war dies oberste Priorität“, antwortete Anja. „Was für eine Geschichte“, staunte Ethan und nahm einen weiteren Schluck. „ Meine Vorfahren haben stets immer nur einen Satz in der Familien weitergeben."
Wer sich den Ersten als würdig erweist, dem wird das Wissen Gottes sich darbieten, auf dass er damit das Schicksal der Menschheit in die richtige Bahn lenke.
„Also hat man statt das Wissen weiterzugeben, lieber den Ort beschützt, damit die Kirche auf jeden Fall nicht heran kommt“, fasste Ethan noch einmal zusammen. „Ja so ungefähr. Aber was immer sich in diesem Gewölbe befindet. Es muss verdammt wichtig sein, wenn man dafür tötet“, sprach Leila.
Völlig geschafft stand Ethan auf und trat an eines der Fenster. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Anja besorgt und trat an ihn heran. „Das schon. Ich erinnere mich nur an eine Sache von heute morgen“, antwortete Ethan und stieß die Tür in seine Gedanken auf. Da war er wieder. Dieser Augenblick als David morgens einen der Killer zu Besuch hatte und mit ihm etwas besprach. Leider konnte er nicht verstehen, um was es dabei ging. Aber wenn zwei Menschen bereits deswegen den Tod gefunden hatten, konnte es nichts Gutes sein. Wusste seine Mutter gar davon? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Blitzschnell fuhr er herum und packte Anja fest an den Schultern. „Was ist los?“, fragte sie ängstlich. „Mein Stiefvater traf sich heute morgen mit einem der Killer von letzter Nacht. Meine Mutter ist in Gefahr“, antwortete Ethan panisch. „Was? Warum hast du mir das nicht schon heute morgen gesagt?“, schimpfte Anja. „Ich hatte dich angerufen. Doch da war nur die Mailbox dran. Das Ganze ist wohl während der Befragung total untergangen“, ärgerte sich Ethan maßlos über diesen Fehler. „Deiner Mutter geht es gut. Da bin ich mir sicher“, warf Leila dazwischen. „Was macht dich da so sicher? Sie könnte die nächste sein." Wild entschlossen ließ er Anja los und ging los. „Warte! Deine Mutter gehört zu uns“, sprudelte es aus Anja förmlich heraus.
Ethan blieb angewurzelt stehen und wandte sich um. Was hatte sie da gerade gesagt? Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Das soll doch wohl ein Witz sein?." „Nein. Sie ist schon sehr lange ein Mitglied. Selbst dein Vater war es“, erklärte Anja. „ Weißt du, was du da sagst?“, wollte Ethan sicher gehen. Die Welt stand mit einem Male total Kopf. Seine Mutter und sein Vater sollen Mitglieder einer Geheimgesellschaft sein? „Sie konnte es dir nicht sagen, weil sonst dein Stiefvater euch beide getötet hätte“, seufzte Anja, während sie langsam auf ihn zu ging. „Wieso hat meine Mutter ihn dann nicht einfach verlassen?." „Das ging nicht. Nina wusste zuerst nicht das dein Stiefvater für die anderen Seite arbeitete. Als es doch endlich ans Licht drang, waren schon einige Jahre ins Land gezogen. Sie beschloss ihm hinterher zu spionieren, um vielleicht mehr über die Kelche herauszufinden." Tröstend ließ Anja ihre Arme um seinen Hals wandern, nur um Augenblicke später in eine liebevolle Umarmung über zu gehen. „Du hast gesagt du vertraust mir. Deine Mutter weiß um das Risiko entdeckt zu werden. Es war ihre Idee das du heute Abend herkommst." „Hat sie das alles getan, um mich zu schützen?`“, fragte Ethan traurig und zugleich auch wütend. „Vermutlich. Aber alles andere solltest du deine Mutter selber fragen“, antwortete Anja weiter, mit ruhiger Stimme, ohne ihn dabei loszulassen.
Sanft ließ er sich in ihre Arme fallen. Ihr Haut war so warm und wirkte gleichzeitig noch so beruhigend auf ihn. „Aber es gibt es wichtigeres zu tun“, warf Leila dazwischen. „Das können wir nicht von Ethan verlangen“, protestierte Sebastian. „Um was geht es denn?“, fragte Ethan. „Die Kirche weiß jetzt, wo der Kelch ist und wird ihn sicherlich bald holen wollen“, erklärte Leila trocken. „Wir drei sind auf das alles vorbereitet. Er nicht“, warf Sebastian erneut ein. „Wir müssen schneller sein, als sie. Das heißt wir müssen den Kelch selber stehlen. Und das noch heute Nacht!“, schimpfte Leila zurück. „Ihr wollt in ein Museum einbrechen?“, fragte Ethan ungläubig ehe sich sein Verstand nur Augenblicke später zurück ruderte. Wollte er wirklich eine Antwort auf diese Frage haben? . „Wir haben doch keine Wahl“, warf Leila ein. „Doch, habt ihr!“ Irritiert widmeten die anderen Drei auf einmal ihm die volle Aufmerksamkeit. „Wenn mein Stiefvater doch zu ihnen gehört, hat er vielleicht in seinem Büro etwas das uns helfen könnte“, erklärte Ethan. Stille. „Ich weiß, das ist etwas dürftig. Aber einen Versuch wert." „Eine gute Idee! Du und Anja. Ihr fahrt zu dir nach Hause. Sebastian und ich warten am Museum auf euch." „Ein guter Plan“, fügte Anja hinzu und gab Ethan einen Kuss auf die Wange. „Und eine gute Idee von dir“, lächelte sie, während sein Kopf knallrot wurde und sämtliche Dämme dahin brachen. Ihr Lippen hatten wirklich....Nein das konnte nicht sein. Bestimmt war das alles nur Einbildung! „Hoffentlich führte dieser Plan zum Erfolg“, murmelte Leila in Ethans Richtung, der immer noch total abgelenkt in der Gegend herum starrte. Erneut vergingen die Augenblicke. „Hey du Träumer!“ Erschrocken fuhr er zu Sebastian herum, der ihn nur verhohlen angrinste. „Äh ja. Es sollte alles gut gut gehen!" Hoffte Ethan zumindest. Seine Eltern waren an diesem Abend zu einem Geschäftsessen eingeladen. Genug Zeit, um sich im Haus umzusehen. Eigentlich. Denn es konnte immer noch allerhand schief gehen.
Minuten später saßen Anja und er bereits im Auto auf dem Weg in die Nacht hinein. „Bist du sicher, das du das tun willst?“, fragte Anja. „Ich habe mir darüber lange den Kopf zerbrochen. Ich möchte einfach Antworten haben und sobald das hier vorbei ist, wird meine Mutter mir Rede und Antwort stehen“, erklärte Ethan ruhig und starrte aus dem Fenster...................................
Es war fast Mitternacht, als Anja mit dem Wagen vor dem Haus der Stanfields zum Stehen kam. „Wie lange haben wir?“, fragte sie nervös. „Halbe Stunde denk ich mal. Die sind den ganzen Abend bei Geschäftsfreunden Essen“, antwortete Ethan und zog schnell den Haustürschlüssel heraus. „Dann mal los." Mit schnellen Schritten überquerten die Beiden die Straße und betraten leise das Haus. Schwanzwedelnd stürmte Jella auf sie zu. „Na. Alles gut?“, flüsterte Ethan, während er die Hundedame freudig mit Streicheleinheiten begrüßte. „Das Büro meines Vaters ist da hinten rechts." Anja nickte und ging vor. „Jella. Geh schlafen“, versuchte Ethan seine tierische Begleiterin loszuwerden und gleichzeitig Anja zu folgen. Pustekuchen! Die Huskydame schien eigene Pläne zu haben und trabte gemütlich hinter Ethan her. „Das Büro ist ja mal richtig aufgeräumt“, sprach sie überrascht. „Ja. David ist da sehr pedantisch und braucht seine Ordnung“, erklärte Ethan und blickte sich ebenfalls um.
Da hatte wirklich genau jeder Gegenstand seinen Platz. Auf dem Schreibtisch war auf dem ersten Blick nicht ein Staubkorn zu sehen. Der Notizblock und ein Stifthalter standen nahezu parallel zur Tischkante, während in der anderen oberen Ecke eine moderne Schreibtischlampe in Schwarz auf ihre Benutzung wartete. „Also. Wo würde er denn die wichtigen Dinge aufbewahren?“, fragte Anja prüfend ehe sie sich dem Aktenschrank zuwandte und in die Arbeit stürzte. „Ich habe keine Ahnung. Es war ja auch nur so eine Idee. Vielleicht befindet sich hier ja auch nichts“, zuckte Ethan mit den Schultern und setzte sich an den Schreibtisch. „Aber eine Gute."
Langsam öffnete Ethan die erste Schublade. Selbst dort war alles peinlich genau sortiert. Aber mehr als ein weiterer Block und einige leeren Aktenhüllen waren dort nicht zu finden. Weiter zur Nächsten. Auch diese Lade enthielt nichts Besonderes. Eine Kaugummi – Packung. Ein Aschenbecher. Nur Schrott! Irgendwo musste es doch was geben! Zielstrebig nahm er sich die letzte Schublade vor, in der Hoffnung den großen Coup zu landen. „Wie sieht es bei dir aus?" Fragend blickte er noch einmal zu Anja herüber. Ihr Fluchen war bereits Antwort genug. Wütend ging es zum nächsten Schrank. „Wäre ja auch zu einfach gewesen“, grummelte sie leise, während seine Hände den Riegel berührten und sanft das Behältnis herauszogen. Nichts! Diese Schublade war so was von leer! „Man!“, fluchte Ethan laut und schepperte gleichzeitig die Lade zurück.
Mit lautem Krachen kam die Schublade zum Stillstand. Wenigstens war sie stabil genug! Moment! Scheppern? Eilig zog Ethan noch ein Mal an dem Knauf. „Du ich glaube hier ist was!“, winkte Ethan Anja zu sich heran. „ Was ist?“, fragte sie aufgeregt. „Der Boden im Inneren ist viel höher als die Schublade von außen“, erklärte Ethan und fuhr mit den Fingern die Ränder ab. „Ein doppelter Boden. Raffiniert." Anja staunte nicht schlecht, als Ethan den dünnen Boden hervorzog, welcher die darunterliegenden Akte vor neugierigen Augen perfekt verborgen hatte. „Du hast es drauf“, grinste Anja frech. „Zufall“, konterte Ethan und ließ die Akte auf den Tisch fallen.
„Na mach schon“, forderte Anja neugierig, während sie sich auf seiner Schulter abstützte. Stille. Für einen kurzen Moment zögerte Ethan eher er dann doch schließlich dem Drang nachgab und die ersten Seiten aufschlug. Zeichnungen. Texte. Notizen. Baupläne. „Das ist es. Wie ist er da nur heran gekommen?“, fragte Anja. „Ich habe keine Ahnung. Aber hier sind sämtliche Zufahrtswege eingezeichnet, sowie alle Alarmkästen“, erklärte Ethan und blätterte weiter. Die nächste Seite enthielt einige Zahlencodes und einige Fotos des Kelches. „Los. Nimm dein Handy und mach ein paar Fotos." Anja nickte und zog blitzschnell das Mobiltelefon heraus, als plötzlich ein Auto auf die Einfahrt fuhr. „Verdammt!“, fluchte Ethan und ging zum Fenster. Langsam schob er die Rollladen etwas auseinander um freie Sicht zu haben. „Es sind meine Eltern. Aber das ist zu früh“, flüsterte er zu Anja herüber, die noch immer am abfotografieren war. „Ich beeile mich schon“, erwiderte sie leise zurück und legte die Akte wieder an ihren alten Platz, gefolgt von der hölzernen Platte. „Du hättest dich auch ruhig etwas besser benehmen können“, hallte die Stimme von David durch die Außentür. „Deine sogenannten Geschäftsfreunde sind widerlich“, schimpfte Nina, als die Haustür aufging. Auch dieses Mal stürmte Jella regelrecht zur Tür und begrüßte schwanzwedelnd seine Eltern. „Dieser Deal war enorm wichtig!“, beschwerte sich David lauthals. „Die haben mich doch in ihren Köpfen quasi nackt ausgezogen. Das ist ja wohl peinlich und schmierig“, rechtfertigte sich Nina.
Leise schlichen Ethan und Anja zur Tür hinüber. Dummerweise gab es keinen anderen Ausweg aus diesem Zimmer, als durch den Flur. „Das kann jetzt dauern“, seufzte Ethan leise und senkte den Kopf. Am liebsten wäre er jetzt rausgegangen und hätte seinem Stiefvater mal ordentlich die Leviten gelesen. Denn seine Mutter war für ihn doch einfach nur da, um seine körperlichen Belange zu befriedigen. „Das sind eben die Waffen einer Frau. Sei mal nicht so spießig“, donnerte David. „Spießig? Du bist genau so wie die. Manchmal frage ich mich, warum ich mir das hier antue“, seufzte Nina gefolgt von Funkstille.
Kurz darauf verlagerte sich das Gespräch in einen anderen Raum. Lauthals polterten die schwere Schuhe seines Stiefvaters Richtung Wohnzimmer. Ihm dicht auf den Versen vermutlich seine Mutter. „Geht das bei euch immer so ab?“, fragte Anja besorgt. Ethan nickte traurig und umschloss langsam den Türgriff. „Sei bloß vorsichtig."
Ohne auch nur ein Geräusch zu machen schob Ethan die Tür auf und spähte um die Ecke. Seine Eltern standen im Wohnzimmer und unterhielten sich weiterhin lautstark über den Abend. Ein kurzer Blick zu Anja und beide schlichen hinaus aus dem Haus. Seufzend blickte Ethan noch ein mal zurück in die überraschten Augen seiner Mutter. Verdammt! Sie hatten die beiden gesehen. Jetzt war alles aus. „Wie wäre es, wenn du uns mal einen Drink holst. Den kann ich jetzt gut gebrauchen“, erklärte Nina. Was hatte sie denn jetzt vor? „Der erste gute Vorschlag des Abends“, antwortete David ruhig und verschwand aus dem Sichtfeld. Ethan nickte zustimmend in ihre Richtung, ehe die Tür uns leise ins Schloss fiel. Aber warum? Warum hielt seine Mutter den Mund, während er wie ein Verbrecher aus dem Haus schlich? Da musste es eine Geschichte zu geben, die noch nicht auf den Tisch gepackt wurde. Aber das würde sich auf jeden Fall bald ändern. Sofern dieser Raubzug glückte, musste Ethan, Nina mit seinen Fragen konfrontieren.
Mit einem Affenzahn donnerte Anja über die Landstraße. „Jetzt bleibt aber echt nicht viel Zeit“, fluchte sie lauthals. „Wir schaffen das. Meine Mutter weiß das wir in dem Haus wahren. Sie wird uns sicher etwas Zeit geben“, versuchte Ethan sie zu beruhigen. „Ich hoffe das reicht. Wir brauchen noch etwas mehr als fünfzehn Minuten zum Museum." Hoffentlich behielt er recht. Mit einem Male drohte alles noch komplizierter zu werden. Sollte Anja bei herrichten des Schreibtisches auch nur einen Fehler gemacht haben, würde David es sofort bemerken und eine Kettenreaktion würde folgen. Aber noch hatten sie gut eine Dreiviertelstunde Vorsprung. Das musste einfach reichen!
Leise kam das Fahrzeug vor dem Museum zum Stehen. Leila und Sebastian warteten bereits, als Ethan und Anja sich zu ihnen gesellten. „Hat alles geklappt?“, fragte Leila. „Alles gut. Ethan hatte recht. Sein Vater hat sorgfältig Informationen über Laden hier eingeholt“, erklärte Anja knapp. „ Am besten wir gehen einmal die Pläne durch. Sebastian, Ethan? Überprüft ihr noch mal die Ausrüstung?." Die beiden Jungs nickten zustimmend und entfernen sich etwas von den Mädchen. „Das wird die Nacht aller Nächte“, grinste Sebastian, während er den Rucksack öffnete. Ethan staunte nicht schlecht. Ein Kletterseil, Haken und Taschenlampen. Nur drei der vielen Dinge, die Stauraum wegnahmen. „ Wo hast du das ganze Zeug her?“, fragte Ethan irritiert. „ Mein Vater betreibt einen Laden für Bergsteiger und solchen Krims Krams. Manchmal leihe ich mir was für wirklich wichtige Dinge aus. So wie jetzt“, antwortete Sebastian knapp. Eine zufriedenstellende Antwort. Aber irgendwie hatte Ethan auch nichts anderes erwartet. Hier jagte ja eine Überraschung die Nächste. „Jungs wir sind soweit." „Hier passt auch alles“, entgegnete Sebastian sicher und schloss mit Ethan wieder zu den Beiden auf. „Also. Das Betreten des Gebäudes ist nicht schwer. Ich möchte nicht wissen woher dein Vater die Codes hat. Aber damit kommen wir auf jeden Fall durch den Hintereingang hinein. Das Schloss oben wird dann Anja versuchen zu knacken. Wenn alles gut geht, sind wir schnell wieder draußen“, erklärte Leila mit einigen Handgesten und blickte noch einmal zum Gebäude hinüber.
Missmutig folgte Ethan ihrem Blick. Eine große Prüfung stand der Gruppe nun bevor, bei der einiges aus dem Ruder laufen konnte und sie sich nebenbei noch mit Titel Einbrecher anfreunden würden. Ein Highlight, das wirklich in keinem Lebenslauf fehlen durfte. „Bist du bereit dafür?." Fragend schaute Anja in seine Richtung, während ihre rechte Hand seine Schulter berührte. „Ich würde lügen, wenn ich keine Angst hätte“, gestand Ethan und legte seinerseits die Hand reflexartig auf die ihre. „Dann wäre ich auch wieder einmal enttäuscht“, lächelte sie ihm ins Gesicht. „Los. Gehen wir." Mit dieser kleinen aber feinen Ansprache setzte sich die Gruppe in Bewegung und überwand ohne großes Aufsehen die erste Hindernisse.
Nach gut Fünf Minuten erreichten sie den Hintereingang, der zum Glück nicht bewacht schien. Einzig eine Kamera war über der Tür angebracht und drehte sich alle paar Sekunden, um den vorderen Bereich komplett zu erfassen. Leila hielt die Gruppe mit einer Handbewegung an. „Anja? Dein Auftritt“, flüsterte sie. Die Angesprochene nickte und verschwand so gleich im Unterholz einer kleinen Baumreihe, die an einen Parkplatz angrenzte. „Hoffentlich geht das gut“, betete Ethan innerlich, während er noch immer versuchte den Augenkontakt zu halten. Doch Anja war schnell und flink. Ja sie schlich sich förmlich von Auto zu Auto, nur um Sekunden später an der Hauswand wieder aufzutauchen. Grazil, wie eine Katze schmiegte sich ihr Körper an das kalte Metall und arbeitete sich Meter für Meter bis zur Kamera vor.
Ethans Herz begann schneller zu schlagen, denn jetzt stand sie genau unter der Kamera. „Gib doch endlich den Code ein“, grummelte Sebastian leise. Gesagt getan und wie auf Ansage von ihm schob sich Anja durch die offene Tür. „Los. Ethan, Sebastian ihr seit dran." „Was?" Ethan schluckte innerlich einen dicken Brocken herunter. „Hast du erwartet, das wir dich rein tragen?“, fragte Leila mit schiefer Miene. „Ich glaube da bin ich zu schwer für“, feixte Ethan und schlich hinter Sebastian her. Nervös presste er seinen Körper an die Wand und bewegte sich langsam aber sicher vorwärts. Das hatte zwar nichts von einer Katze, aber immerhin erreichte man dadurch sicher nach Sebastian das Ziel, wo ein klaffender dunkler Flur die Gruppe begrüsste. „Gut gemacht Anja“, lobte sein männlicher Mitstreiter, als schließlich auch Leila hinzustieß. „Also gut. Sebastian und ich nehmen uns die Sicherheitszentrale vor. Ihr beide schnappt euch den Kelch." Anja nickte zustimmend und deutete Ethan an ihr zu folgen. „Das hat in meiner Karriere echt noch gefehlt“, versuchte er zu scherzen ohne dabei übermäßig Krach zu veranstalten. „Du schlägst dich ganz wacker“, lobte Anja, die bereits die ersten Treppenstufen ins Erdgeschoss geschafft hatte. „Gibt es hier keine Wachleute?“, fragte Ethan. „Die laufen vermutlich die großen Runden“, erklärte Anja und blickte sich um.
Der große Saal wirkte in der Nacht ganz anders, als noch am Nachmittag zuvor. Im Schein der Taschenlampen warfen die Artefakte bizarre und gruselige Schatten, die jederzeit los zu stapfen schienen. Eine größere Relikte warfen grässliche Fratzen an die hellen Wände. Vorsichtig schlich sich Anja an den ganzen Glasvitrinen vorbei zum Treppenaufgang. „Pass bloß auf, dass du keinen der Kästen berührst. Die lösen Alarm aus." Ethan nickte zustimmend und versuchte den selben Weg wie Anja zu nehmen. Mit Erfolg! War ja gar nicht so schwer! Triumphierend und schon siegessicher standen die Beiden nun im ersten Stock. „Das ist alles etwas leicht. Findest du nicht?“, versuchte Anja seinen Siegeszug auseinander zu reißen. „Wir sollten das Glück auch mal annehmen. Das ist mir lieber als ein Kugelhagel“, konterte Ethan. „Ist ja schon gut“, grinste sie frech und ging weiter bis sie schließlich den Glaskasten erreichten. „Und was jetzt?“, fragte Ethan neugierig. „Du hältst Wache. Ich hole den Kelch." „Alles klar“, bestätigte er und nahm vor Anja Stellung ein. „Das Schloss ist gar nicht so kompliziert. Sollte schnell gehen“, erklärte sie kurz und machte sich an die Arbeit, die auch nur wenige Minuten später beendet war.
Stolz nahm sie den Kelch auf und stopfte ihn die Tasche, als plötzlich das Licht anging. „Stehen bleiben!" Völlig erschrocken blickte Ethan in den Lauf einer Kanone. „Ich wusste, das es zu einfach war“, fluchte Anja und stand auf. „Habt ihr beiden wirklich geglaubt, einfach so mit dem Kelch zu verschwinden?“, fragte der Mann, während sich noch drei weitere Anzugträger zu der Party gesellten. „Es gab also tatsächlich keine Wachen. Das war alles ein abgekartetes Spiel?“, fragte Ethan. „Die machen gerade selber eine unfreiwillige Pause. Also. Her mit dem Kelch!"
Die Pistole war einfach ein verdammt gutes Argument. Nervös blickten die Augen zu Anja herüber, die seltsamerweise und wieder einmal sehr ruhig die Situation zu analysieren schien. „Die hat doch irgendwas vor?“, fragte sich Ethan innerlich. „Na macht schon. Wir haben nicht ewig Zeit!“, drängelte der Mann. „Ihr kriegt ja euren Kelch“, versuchte Anja ihn zu beruhigen, als plötzlich alles blitzschnell ging. Hastig kramte seine Begleiterin ein kleines Objekt hervor und warf es auf den Boden. Instinktiv kauerte sich Ethan zusammen, als eine massive Rauchwolke den Bereich einhüllte und ihm jegliche Sicht nahm. „Lauf!“, schrie Anja laut auf und rannte los in die dichte Wolke hinein. Ohne zu überlegen sprintete Ethan los ohne auch nur den Hauch einer Chance, etwas in dem Nebel zu erkennen. „Ihr verdammten Ratten“, hustete der Mann, als sich ein Schuss löste und gefühlt nur knapp neben Ethan einschlug. Ein gewaltiger Scherben – Regen folgte und prasselte auf ihn nieder, während er blindlings die Stufen in den zweiten Stock hinauf rannte. Ein weiterer Schuss! Diesmal prallte dieser auf die Stufe, nur knapp neben ihm und verschwand im nirgendwo. Kurz hielt Ethan inne. Die Nebelschwaden gaben langsam aber sicher wieder das Sichtfeld frei. War da eine Tür am Ende der Halle? Er rieb sich die Augen und rannte los, ohne sich umzusehen. „Bleib stehen“, rief eine Stimme hinter ihm, gefolgt von einem Kugelhagel der über Ethan hereinbrach. Mit einem gewaltigen Satz hechtete er hinter eine große Vitrine, während um herum lautstark die Projektile in die Wand einschlugen. „ Scheiße“, fluchte Ethan innerlich und versuchte noch ein Mal den Raum zu überblicken. Seine Position war nur knapp einen Meter von der Tür entfernt. „Bitte lass die jetzt bloß nicht abgeschlossen sein“, betete er und horchte. Musste seine Kontrahent etwa nachladen? „ Lauf los." Ethan nahm allen Mut zusammen und rannte los.
Zügig und wilde Haken schlagend überbrückte er die Halle, ohne sich auch nur einmal umzusehen. Mit einem gewaltigen Sprung warf sich sein gesamtes Körpergewicht in die Tür, als ein weiterer Schuss ertönte. Unter Schmerzen flog das Holz beinahe aus den Angeln, gefolgt von Ethans Körper der mit der gegenüberliegenden Wand Bekanntschaft schloss. Mit verzerrtem Gesicht rappelte er sich wieder auf und blickte zur Tür. „Verdammt. Der ist gleich da“, fluchte Ethan und schloss instinktiv die Tür, in dem Wissen, das eine Pistole, das wohl kaum aufhalten würde. Panisch überblickten die Augen den Raum. Oder den Flur? Ein langer Gang erstreckte sich links von ihm, der noch einige weitere Türen aufwies. Rechts davon stand nur ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen.
Ein kurzer Formel in seinem Kopf baute sich auf! Könnte passen. Schnell griffen seine Hände nach einem der Stühle und verkanteten diesen so, das die Tür blockiert war. Dann rannte er wieder los. Sein Körper schmerzte. Die Augen tränten und brannten wie Feuer. „Worauf hast du dich nur eingelassen“, fluchte Ethan innerlich und nahm auch gleich die erstbeste Tür und verschloss sie hinter sich. Der erste Blick fiel auf eine Couch. „Endlich." Erleichtert sank der ramponierte Körper darauf nieder, während die Augen gleichzeitig versuchen den Raum zu sondieren. Ein Schreibtisch, einige Regale. Auf den ersten Blick war das wohl ein Büro. „Du hast nicht viel Zeit. Wer weiß, wann er dich findet“, rief Ethan sich immer wieder ins Gedächtnis. „Aber warum zum Teufel war die Hand so feucht?“ Völlig verwirrt starrte er auf seine rechten Finger hinab, die völlig blutüberströmt seine linke Schulter gehalten hatten. „Wurde ich etwa getroffen?" Ein kurzer Blick gab Gewissheit. Betreffende Stelle hatte gewaltig etwas abgekommen. Die Kleidung wirkte regelrecht zerfetzt, ehe die ersten Schmerzen einsetzten Wie eine gewaltige Lawine fegten sie durch seinen Körper, so das er am liebsten los geschrien hätte. „Ganz ruhig. Hier gibt es doch bestimmt einen Verbandskasten." Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte Ethan um den Schreibtisch herum und fand schließlich die kleine Notapotheke. „Geht doch." Zum Glück wusste er wie man einen Druckverband anlegte. Lang würde der allerdings nicht halten, denn die Kugel schickte sich an bei jeder Bewegung von ihrer Anwesenheit zu künden. Ein schmerzhafter Prozess sondergleichen.
Schnell landete das Hemd neben ihm auf der Couch, während er selbstversuchte provisorisch mit einer Hand den Verband zu legen, was angesichts des immensen Blutverlustes verdammt schnell gehen musste. „Du packst das“, versuchte Ethan sich angesichts der heftigen Schmerzen gut zuzureden. Wenige Augenblicke später war es vollbracht. Es war zwar kein Meisterwerk. Aber es musste genügen. Schnell zog er sich wieder an und ging zur Tür. Sein Verfolger hatte scheinbar aufgegeben. Zumindest war nichts mehr zu hören. Sollte er einen Blick riskieren? Langsam öffnete Ethan die Tür. Der Flur schien leer. Der Stuhl tat noch immer seine Arbeit. Erleichtert trat Ethan in den Flur und schaute sich um. Es muss doch einen Notausgang geben? Tatsächlich befand sich rechts von ihm eine Nottreppe. „Na endlich“, fasste er noch einmal Mut und ging zum Fenster hinüber. Eine geschwungene Treppe führte auf das Dach und nach unten. Mit letzter Kraft beförderte Ethan seinen schmerzenden Körper auf die Treppe. Es waren nur noch wenige Meter bis zur Freiheit! Zügig aber leise stieg er die schmalen Stufen hinab, als plötzlich Leilas Stimme die Stille der Nacht durchbrach. „Sebastian!" Ein gewaltiger Schrei fuhr durch Mark und Knochen. Dann fiel ein Schuss, gefolgt von Sebastians Körper, der in Ethans Blickfeld stürzte und leblos zu Boden krachte. Ein See aus roter Flüssigkeit bildete sich am Hinterkopf.
Wie versteinert harrte Ethan seiner Position. Nichts ging mehr. Vor seinen Augen wurde tatsächlich ein junger Mann – nein – Ein Freund erschossen! Er stand nicht mal zwanzig Meter entfernt auf einer Treppe und hatte alles mit angesehen! Er musste hier weg. So schnell wie möglich. Die Angst löste seinen Körper aus der Starre und ließ ihn schnell weitergehen. Unten angekommen rang Ethan erst einmal nach Luft. Hoffentlich konnten sich Anja und Leila in Sicherheit bringen. Zielsicher griffen die Hände in seine Hosentasche und holten das Handy hervor. Ethan seufzte angesichts der Schäden, die sicherlich zum technischen Versagen geführt hatten. Was sollte er jetzt tun? Völlig fertig sank der Körper zu Boden. Ein Krankenhaus schien unmöglich. Da würde man sicherlich gleich unbequeme Fragen stellen und ihn auf letzte Nacht ansprechen. Allerdings konnte man die Schmerzen auch nicht ewig ertragen, denn Ethan spürte bereits wie die Kontrolle langsam davon segelte. „Denk nach. Denk nach“, fluchte er innerlich und versuchte sich zu konzentrieren. Würde die Zeit reichen, um das Haus zu erreichen? Blöde Idee. Seine Eltern würden da nur auf ihn warten!
Grummelnd richtete Ethan sich wieder auf. Es gab nur eine Möglichkeit. Die Villa! Aber wie hinkommen? Die Szene schien sich zumindest beruhigt zu haben. Keine Schüsse. Kein Geschreie. Die Stille war wieder eingekehrt. Sollte er einen Blick riskieren? „Bloß nicht! Hau ab“, riet ihm die Vernunft, der Ethan auch nur bereitwillig nachgab.
Minuten später erreichte er die Hauptstraße. Anjas Auto stand noch da wo sie es geparkt hatte. Dafür war aber das Fahrzeug von Sebastian weg. Vermutlich hatten sie keine Zeit und mussten schnell fliehen. Ohne zu zögern trat sein ranponierter Körper an Anjas Auto heran. Und was jetzt? Das Auto konnte wohl kaum offen sein! Doch Ethan wurde eines Besseren belehrt. Die Tür stand tatsächlich offen. Hatte sie vergessen abzuschließen? Scheiß drauf. Erschöpft sank Ethan auf den Fahrersitz und schloss die Tür hinter sich. Dann kramte er im Nebenfach nach dem Ersatzschlüssel. Perfekt! Freudig zog er das kleine Metallding hervor, was seine Rettung bedeuten sollte. Blieb nur noch die Frage offen ob er überhaupt die Schüssel überhaupt zum Laufen brachte da der zugehörige Führerschein noch nicht absolviert wurde. „Ach, das passt schon“, winkte Ethan innerlich ab. Schließlich gab es einige Male schon auf dem Parkplatz eines Supermarktes Übungen. Natürlich im Beisein der Mutter. Jetzt war die Zeit eindeutig gekommen, das Gelernte in die Tat umzusetzen. Der Schlüssel verschwand im Schloss und kurz drauf sprang das Auto an. Ethan fuhr unsicher los. Bloß schnell weg hier. Ein letzter Blick auf das Museum des Grauens. Dann ging es die Nacht hinein...........................
Völlig fertig starrten die Augen auf die langsam verschwimmenden Zeigerblätter, als er das Anwesen erreichte. Sämtliche Schmerzen hatten zum Glück etwas abgenommen. Oder vielleicht war es auch nur einfach Gewöhnung? Müde stieg Ethan aus dem Auto ohne es auch nur abzuschließen. Das hatte nun wirklich nicht Priorität. Prüfend blickte er sich noch einmal um.
Es brannte Licht im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk. Leilas Wagen stand auch auf dem Parkplatz. Daneben ruhte ein fremdes Fahrzeug.Zielstrebig trat Ethan mit letzter Kraft die Stufen zur Tür hinauf und betätigte die Türklingel. Von Innen drangen Fußschritte heran. „Wie konntest du ihn nur aus den Augen verlieren“, vernahm Ethan Leilas vorwurfsvolle und zugleich wütende Stimme. „Es reicht. Meinst du nicht, dass ich mir genug Vorwürfe deswegen mache“, schimpfte Anja zurück, die auch sogleich die Tür öffnete und erstarrt in der Tür stehen blieb. „Ethan!" Stürmisch zog sie ihn hinein und umarmte ihn erst einmal. „Autsch“, meldete sich seine Schulter zu Wort. „Was ist passiert? Wurdest du angeschossen?“, fragte Anja besorgt und nahm sich erst einmal seines ramponierten Oberkörpers an. „Die Kugel ist noch drin“, fluchte Ethan vor Schmerzen. „Du bist den ganzen Weg hierher mit einer Verletzung gefahren?" Ungläubig blickte Leila aus der Tür zu dem Auto hinüber. „Ist das nicht erst einmal egal“, schimpfte Anja, als auch noch ihr Onkel dazu kam. „Was ist denn hier los?“, fragte er überrascht, ehe ihm Ethans Verletzung die Antwort lieferte. „Bringt ihn nach oben. Wir müssen ihn versorgen." „Ja. Das wäre nicht schlecht“, stammelte Ethan, während er versuchte auf den Beinen zu bleiben. „Ethan?" Keine Chance! Der ganze Raum begann sich zu drehen. „ Ethan!“, hallte Anjas Stimme an seine Ohren ehe die Dunkelheit sich über ihn legte.
Was für ein lieblicher Duft. Die Sonne küsste seine Haut, während eine leichte Brise durch das hohe Gras tanzte. Neugierig schaute Ethan zum Himmel und wieder nach vorne. In der Ferne thronte majestätisch ein gewaltiges Gebirge. „Es ist so schön hier nicht war?“, hallte eine liebliche Stimme von rechts an Ethans Ohren. „Anja?." Fragend blickte er sich um, nur um Sekunden später einem Engel gegenüber zu stehen. „Gefalle ich dir?“, fragte sie schüchtern und drehte sich dabei einmal mit dem weißen Kleid um sich selbst. Die Haare glitzernd, durch des Sonne Strahlen, tanzten förmlich um die Wette, ehe sich ihr Körper in Ethans Arme fallen ließ. „Gut gefangen“, lächelte dieses wundervolle Wesen. „Gern geschehen“, antwortete Ethan nahezu hypnotisiert von dieser Schönheit. „ Komm, ich habe etwas vorbereitet!." Schnell ergriff sie seine Hand und zog ihn fort aus dem Grasfeld zu einem Hügel, auf dessen höchster Stelle ein gewaltiger Kirschbaum stand. „Was ist dies für ein Ort?“, fragte Ethan. „Du stellst zu viele Fragen“, sprach der Engel knapp und setzte sich nieder zu den Füßen dieses riesigen Wächters.
Ethan folgte ihr ohne dabei auch nur einmal den Blickkontakt zu lösen. Diese Frau war so atemberaubend schön. Dieses Lächeln, welches alle seine Sorgen zusammen schmelzen ließ. Eine Symphonie aus makelloser, heller Haut kombiniert mit diesen wundervollen zart aussehenden rötlichen Lippen, die nur eine Botschaft verbreiteten. Küss mich! Ohne zu zögern wanderte seine rechte Hand auf ihre Wange. „Du bist so warm“, lächelte er verlegen und begann sich ihr zu nähern.
Sein Herz begann schneller und schneller zu schlagen. Ob sie merkte welche Achterbahnfahrt das Herz gerade durch machte? Wenn ja, ließ sie es sich nicht anmerken. Er hielt inne, suchte gerade zu förmlich den Augenkontakt ehe seine Lippen sich sanft auf die ihren pressten. Was für ein Augenblick. Explosionen zuckten regelrecht durch seinen Verstand und ließen keinen Zweifel aufkommen, das er hier das richtige tat.
Seine Hände umschlossen ihren schlanken Körper, während ihre Münder noch immer tief in einem Strudel aus Liebe und Leidenschaft gefangen einander hingaben. „Ist es das was du willst?." Kurz löste sich der Engel aus dem Kuss und blickte ihn verliebt an. „Mit dir. An so einem Ort kann mir alles egal sein“, hauchte Ethan leise in ihr rechtes Ohr und strich ihr dabei gleichzeitig einige Haare aus dem Gesicht. „Ich will es ja auch. Aber ist unsere Liebe wirklich wichtiger, als das Wohl aller Menschen?" Besorgt blickte die klaren Augen in den Himmel. Ein gewaltiger Wolkenteppich suchte den Kampf mit den Sonnenkriegern. „Was interessieren mich die anderen!“, fluchte Ethan und ließ von ihr ab. „Musstest du jetzt diesen Moment zerstören?" Traurig stand er auf und lief den Hügel hinab. „Warte!“, rief sie ihm hinterher, als in diesem Moment der Regen einsetzte. „Was soll dieser Sinneswandel?“, fragte Ethan und wandte sich um. Ein gewaltiger Schauer ergoss sich über dieses Drama. Seine Kleidung wurde bleischwer. Die Haare fielen ihm ins Gesicht. Doch sein Augenmerk war nur auf das Wesen im weißen Kleid gerichtet, die noch immer unter dem Baum stand und ihn mit einer traurigen Mine konfrontierte. „Das Feuer wird dich verzehren, wenn du nicht aufpasst“, Wie auf Kommando schoß ein gewaltiger Blitz vom Himmel, der den Wächter spaltete und ihn regelrecht in Flammen aufgehen ließ. „Was redest du da für wirres Zeug?“, fragte Ethan panisch und zugleich auch irritiert. „Geh. Wähle einen Weg und hoffe, das es der Richtige ist."
Mit diesem Worten verschwand der Engel und Ethan fuhr hoch. „Endlich bist du wach“, atmete Anja erleichtert auf. Völlig verwirrt und orientierungslos starrte Ethan in den Raum hinein. „Was ist passiert? Wo bin ich?." „Beruhige dich. Du bist in der Villa. Wir mussten die Kugel aus deiner Schulter entfernen. Du hattest hohes Fieber“, erklärte Anja ruhig. „Kugel? Fieber?“, röchelte er und versuchte sich aufzurichten ehe der Schmerz ihn wieder niederrang. „Ach ja. Die Kugel“, erinnerte sich Ethan. „Du musst dich noch etwas ausruhen. Dir wird es bald wieder besser gehen“, erklärte Anja seufzend und stand auf. „ Was ist los mit dir?."
Dieser traurige Ausdruck in ihrem Gesicht war einfach nicht zu übersehen. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur froh, dass dir nicht mehr passiert ist“, wehrte Anja ab und verließ den Raum. Alles in Ordnung! Von wegen! Erneut versuchte sich Ethan aus dem Bett zu befreien. „Das würde ich lassen." Der mahnende Blick von Anjas Onkel spähte durch die offene Tür. „Gehören sie etwa auch zu diesem Orden?“, fragte Ethan naserümpfend. „Du kannst mich Michael nennen. Und ja. Das tue ich“, antwortete Michael knapp und trat an das Bett heran. „Wie es aussieht, ist das Fieber etwas zurück gegangen. Du hattest Glück, das die Kugel nicht mehr Schaden angerichtet hat." Prüfend kontrollierte Michael noch einmal den Verband. „Was ist mit Anja? Sie hat doch etwas“, warf Ethan besorgt ein. „Sie macht sich gewaltige Vorwürfe. Nicht nur das Sebastian getötet wurde. Du wärst auch beinahe draufgegangen“, antwortete Michael und nahm dem Stuhl neben dem Bett Platz. „Aber es war doch nicht ihre Schuld!“, protestierte Ethan lautstark. „Weißt du. Anja wurde ihr Leben lang auf diesen Moment hin vorbereitet. Sie ist in solchen Dingen geschult. Du hattest nicht mal im Ansatz ein Training“, erklärte Michael. „Ich habe mich entschieden die Gruppe zu begleiten. Keiner hat mich zu irgend etwas gezwungen." „Das weiß auch Anja. Aber ihr liegt eben etwas an dir. Sie hat mir erzählt, wie tapfer du dich geschlagen hast“, grinste Michael. „Ach was. Ich bin eher ein geborener Wegläufer“, grummelte Ethan verlegen. „Wenn ich da an die erste Begegnung denke, hast du dich in den letzten Tagen echt gesteigert“, lobte Michael. „Ich hoffe, dass es das auch wert ist. Ich habe das Gefühl mein ganzes Leben gerät schneller aus den Fugen, als ich dachte“, seufzte Ethan nachdenklich. „Der Weg des Lebens ist nie einfach. Wir wachsen an unseren Aufgaben. Du wirst deinen Pfad schon noch finden. Aber jetzt schlafe etwas und morgen sehen wir weiter." Ethan nickte zustimmend ohne auch nur ein mal zu protestieren. Er war einfach noch zu schwach und ein gute Portion Ruhe war genau das, was er jetzt auch brauchte. Michael stand auf und ging zu Tür. „Schöne Träume." Dann löschte er das Licht und verließ den Raum. Endlich Ruhe. Völlig erschöpft kuschelte sich Ethan in die Decke zusammen und ließ sich froh in das Reich der Träume entführen.
„Guten Morgen Schlafmütze!" „Was wie wo?" Erschrocken fuhr Ethan hoch und blickte verträumt in Leilas Gesicht. „Warum kann ich nicht normal geweckt werden?“, grummelte Ethan und drehte sich noch einmal um. „Weil es schon nach Mittag ist. Du hast fast zwölf Stunden geschlafen“, antwortete Leila. „Wie bitte? Kam mir gar nicht so vor. Krieg ich noch ein paar Minuten?“, wehrte sich Ethan. Sein Bett war aber auch echt kuschelig warm und es roch nach frischen Rosen. „Willst du etwa meine Kochkünste verschmähen?“, fragte sie forsch. „Niemals!“, antwortete Ethan. „Gut so. Du hast noch Fünf Minuten." Leila verschwand wieder.
Gähnend richtete Ethan seinen Körper auf. Der schmerzte zwar noch immer. Aber zum Glück war es nicht mehr ganz so stark, wie letzte Nacht. Langsam stand Ethan auf und trottete zum Schrank hinüber. Hoffentlich gab es wenigstens auch neue Kleidung. Erwartungsvoll öffneten beide Hände die Holztüren. Er wurde nicht enttäuscht. Eine ganze Palette an Hosen und Shirts und Hemden war fein säuberlich in Regalen, sowie auf Kleiderbügeln wiederzufinden. So dauerte es nicht lange, bis er sich für eine blaue Jeans und ein schwarzes Hemd entschied. Noch schnell die Schuhe angezogen und ab ging es hinunter ins Erdgeschoss, wo auch schon der würzige Duft von Gulasch seine Nase wohlig umspielte. „Da bist du ja“, freute sich Leila, die bereits den großen Tisch eingedeckt hatte. Michael hatte bereits Platz genommen und goss sich ein Bier ein.
Doch eine Person fehlte hier. „Wo ist denn Anja?“, fragte Ethan besorgt. „Das frage ich mich auch“, grummelte Leila. „Ethan? Würdest du sie suchen gehen? Ich glaube mit dir wird sie reden“, fragte Michael höflich. „Ich hoffe es“, gab Ethan seufzend zurück. „Danke. Ihr Zimmer ist auf der anderen Seite der Treppe im ersten Stock“, erklärte Michael knapp. Ethan nickte und verschwand wieder nach oben.
Hoffentlich konnte er Anja überzeugen sich mit an den Tisch zu setzen. Nach gestern Nacht hatte sie irgendwie eine andere Seite von sich Preis gegeben. Die sonst so toughe Studentin, die es allein mit einer schießwütigen Horde an Killern aufnahm war verschwunden. Dafür trat eine neue Persönlichkeit an ihre Stelle. Eine, die besorgt war und sich ängstlich zeigte. Für diesen Sinneswandel musste es einen anderen Grund geben außer ihm.
Mit einem Räuspern machte er vor ihrer Zimmertür halt und klopfte leicht. Keine Antwort. Ethan klopfte noch mal. Sekunden vergingen, als Anja die Tür öffnete. „Was willst du?“, fragte sie traurig, ohne ihn dabei anzusehen. „Die anderen warten auf dich. Magst du uns nicht Gesellschaft leisten?“, fragte Ethan vorsichtig. „Ich möchte nichts. Danke“, winkte Anja ab. „Aber so kann es doch nicht weitergehen. Wo ist denn die Rambo – Braut hin, die ich kennengelernt habe“, scherzte Ethan. „Die ist nicht mehr da“, antwortete Anja trocken. „Darf ich wenigstens rein kommen? Hier draußen ist das doch etwas unbequem." Sie machte Platz. Ethan bedanke sich und schob sich an der Tür vor bei in dem Raum. „Jetzt erzähl mir was wirklich los ist“, bat er und setzte sich auf das Bett. „Das kann ich dir sagen. Ich hab alles versaut!“, fluchte sie laut und setzte sich daneben. „Du hast nichts versaut. Für Sebastians Tod und meine Verletzung kannst du nichts“, warf Ethan tröstend ein. „Ich wurde mein Leben lang auf diese Rolle vorbereitet. Dann wird es ernst und ich lasse alle im Stich“, sprach Anja vorwurfsvoll und lehnte sich an seine Schulter. „Ich glaube man kann sich auf so etwas nicht vorbereiten. Das war doch nicht abzusehen." Vorsichtig strich er mit seiner rechten Hand über ihre glatten, schwarzen Haare. „Ich hätte gerade auf dich viel besser aufpassen müssen. Ich gab deiner Mutter das Versprechen, dass dir nichts passiert“, begann Anja zu schluchzen. „Du hast mich beschützt. Wenn es dich nicht gäbe, wäre ich gleich am ersten Tag getötet worden. Du allein hast dafür gesorgt, dass ich noch atme“, erklärte Ethan und hob ihren Kopf leicht an. „Dir das aufzubürden war falsch. Meine Mutter hätte auf mich aufpassen sollen. Seit ich weiß, das sie zu diesem Orden gehört, habe ich ein ganz anderes Bild von ihr“, seufzte Ethan. Erschrocken hob Anja den Kopf. „ Das darfst du nicht denken. Deine Mutter liebt dich. Sie wird ihre Gründe gehabt haben warum sie dich nicht eingeweiht hat." Missmutig blickte Ethan zur Tür. „Das werde ich mit ihr noch besprechen. Aber jetzt geht es erst einmal um dich. Anja wir haben den Kelch. Sein vielen Jahrzehnten sucht ihr danach und jetzt bist du einen Schritt näher am Gewölbe. Ich denke Sebastian wusste worauf er sich einließ und er würde nicht wollen, das wir jetzt die Köpfe in den Sand stecken“, predigte Ethan. Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Du hast eine besondere Art. Weißt du das?" Langsam erhob sie sich von dem Bett. „ Gehen wir zu den Anderen“, sprach sie und zog Ethan vom Bett herunter. „So ist das schon besser“, lobte er zufrieden und ging mit ihr hinunter ins Esszimmer. „Da seit ihr ja. Das Mahl ist serviert“, erklärte Leila sich selbst lobend, während sie einen großen dampfenden Topf auf den Tisch stellte.
Anja nickte und nahm neben ihrem Onkel Platz, der wiederum Ethan einen dankbaren Blick zu warf. Kommentarlos setzte dieser sich gegenüber und nahm sich erst einmal eine kräftigte Kelle diesen gut riechenden Gulaschs und goss es langsam auf den Porzellanteller. „Sieht echt gut aus." Ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen, als es plötzlich an der Tür klingelte. „Ich geh schon“, meldete sich Michael und verschwand nur um kurz darauf mit einer Person zurückzukehren, die Ethan allzu gut vertrau war. Seine Mutter.............
Schweigen. Keiner gab auch nur einen Ton von sich. Wie versteinert stand Nina am Tisch und wusste mit der Situation nicht umzugehen. Aber Ethan erging es nicht anders. Eigentlich hatte er so viele Fragen und jetzt stand sie vor ihm und sein Gehirn war wie leergeräumt. „Nina! Schön dich zu sehen." Anja eröffnete die Runde mit einer dicken Umarmung. Prüfend blickte Ethan ihr nach. Sie mussten echt ein gutes Verhältnis miteinander haben. Seine Mutter erwiderte die Umarmung in der Reihe, bis Ethan dran war. „Es tut mir so leid“, entschuldigte sich Nina leise und wagte diesmal als erste den Versuch sich ihm zu nähern.
Ethan sagte nichts. Ließ die Umarmung zu und erwiderte diese ebenso, wie ein Sohn seine Mutter umarmen würde. „Setzen wir uns doch“, forderte Michael und nahm Platz. Nina zog es vor neben ihrem Sohn zu sitzen. „Hat David Verdacht geschöpft?“, fragte Leila. „Ich denke nicht. Er bekam einen Anruf und ist darauf hin wutentbrannt weg gefahren“, antwortete Nina, die sich auch an dem Gulasch bediente. „Wir haben den Kelch. Allerdings haben wir dabei Verluste erlitten“, seufzte Anja. „Das mit Sebastian tut mir leid. Aber verzeih mir. Ich bin froh das meinem Sohn nichts passiert ist“, sprach Nina, während sie ihre kalte Hand auf die Seine legte. „Dein Junge ist stark. Er hat sich selbst gerettet“, lobte Michael. „Das alles wäre vielleicht nicht passiert wenn ich vorbereitet worden wäre." Da war es! Innerlich schlug sich Ethan gegen die Stirn. Was hatte er da gerade von sich gegeben? Seine Mutter quittierte diese Satz mit einer vorwurfsvollen Miene und wandte sich wieder dem Essen zu. „Ethan. Du tust ihr unrecht. Du weißt nicht, welche Opfer sie gebracht hat“, warf Leila dazwischen. „Mag sein. Wäre ich wie Anja ausgebildet worden, könnte Sebastian noch leben“, konterte Ethan und nahm einen Bissen zu sich.
Klar machte er sich in Gedanken Vorwürfe. Immer wieder hatte er das Szenario durchgespielt, wie Sebastian erschossen wurde. Hätte er die Stärke gehabt, wäre es möglich gewesen das Anja sich um die Gruppe kümmert. So war er doch nur ein Klotz am Bein einer Operation gewesen, die einen Menschen das Leben kostete. „Eigentlich solltest du nie mit dieser Sache konfrontiert werden Ethan. Ich hatte für dich ein anderes Leben im Sinn“, gestand Nina. „Meine Pläne sahen definitiv anders aus. Aber ich habe Anja ein Versprechen gegeben. Sobald wir die drei Kelche haben, gehe ich meiner Wege“, betonte Ethan.
Wider Stille. Fast Zwanzig Minuten vergingen, bei dem kaum ein Wort gesprochen wurde. Ethan hatte sich noch bereit erklärt Leila beim Abräumen zu helfen ehe er kurz danach selber müde in den ersten Stock hinauf trottete. Doch das Schicksal schien andere Pläne zu haben. Noch während Ethan den langen Flur entlang ging, sah er auf dem Balkon seine Mutter stehen, die in den Himmel hinaufschaute. „Was machst du noch so spät draußen?“, fragte Ethan neugierig. „Frische Luft schnappen. Das hilft mir den Kopf frei zu kriegen“, antwortete Nina, die sich sichtlich freute, das ihr Sohn doch noch bereit war die Unterhaltung zu suchen. „Weißt du warum, ich dich nicht ausbilden lassen wollte?." Langsam trat Ethan auf den Balkon hinaus und rückte noch einmal die Armschiene zurecht. „Ich wollte dich nicht auch noch verlieren“, gestand sie traurig. „Wie meinst du das?“, hakte Ethan nach. „Der Unfall deines Vaters vor zehn Jahren war gar keiner. Er wurde umgebracht“, begann Nina zu erzählen. „Aber du hast mir erzählt, das bei einer Ausgrabung eine Höhle eingestürzt sei und Vater getötet hätte“, fiel Ethan aus allen Wolken und das noch ohne Fallschirm. „Das ist auch richtig. Erst Monate später fanden wird durch Michael heraus, der Kontakte zur Polizei hatte, dass dein Vater durch einen Attentat ums Leben kam“, erzählte sie weiter. „Wie denn das?." „Sprengstoff. Ich habe den Tod von Alan nie überwunden. Er wusste anfangs nicht einmal, dass ich zum Orden gehörte. Doch als er starb, war es so, als wäre ein Teil von mir mit ihm gegangen“, seufzte Nina. „Hast du nie versucht noch mal die Ausgrabung aufzusuchen und zu beenden?“, fragte Ethan. „ Damals hat die Regierung das Grabmal gesperrt. Niemand sollte je wieder diesen Ort betreten. Wir wussten erst viel später, dass die Kirche ihre Finger mit ihm Spiel hatte. Ich floh damals mit dir nach Deutschland, damit du in Sicherheit bist." „Du wolltest nicht, dass ich auch noch den Tod finde“, erkannte Ethan endlich den Zusammenhang. „Genau. Ich wollte, dass du ein normales Leben führst. Eine Freundin findest. Kinder bekommst“, bestätigte Nina.
Überwältigt von den Informationen, blickte Ethan nachdenklich den Balkon hinunter. „Jetzt bin ich leider mittendrin“, seufzte Er. „Ich habe dich enttäuscht und einer Gefahr ausgesetzt. Ich fühle mich so schuldig“, sprach Nina. „Daran ist nichts mehr zu ändern. Du hast dein Leben aufgeben, um mich zu beschützen. Vielleicht hätte man einige Dinge anders machen können. Jetzt daran zu hadern bringt keinen weiter“, erklärte Ethan ruhig. Ein erleichterndes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie freudig ihren Sohn umarmte. „Aber eines versteh ich nicht. Wenn Vater erst gar nicht im Orden war, woher wusste er dann wonach er suchen sollte?“, fragte Ethan. „Das war so..“, begann Nina, als plötzlich ein gewaltige Explosion das Stockwerk zum Beben brachte. „Was ist denn da los?." Schnell betraten die Beiden wieder das Innere und wurden auch so gleich von einer Rauchwolke begrüßt, die nach verbranntem Holz roch und sich schnell ausbreitete. „Ich hätte wissen sollen, dass du eine miese Verräterin bist“, hallte eine Stimme durch den Raum, ehe sich Ethan und Nina ein Bild des Schreckens bot.
Der Rauch gab den völlig zerstörten Eingangsbereich frei. Die schwere Holztür lag brennend mitten im Raum, während von draußen mehrere Männer, schwer bewaffnet, den Raum stürmten. In der Mitte stand ihr Anführer. Mit ernstem Blick versuchte er die Zwei einzuschüchtern. „David! Das überrascht mich nicht“, rief Nina wütend herunter. „Du warst mir schon immer suspekt. Warum hast du dich für die falsche Seite entschieden? Ist dein Glaube so schwach?“, fragte David abwertend. „Mein Glaube ist stark. Ich brauche keine Waffen oder muss dafür Leute töten“, rechtfertigte sich Nina, während die Männer noch immer unten standen und warteten. „Seit Jahrhunderten sind wir schon auf der Suche nach euch und dann muss ich merken, dass der Feind in meinem Haus wohnt. Ich bin blind gewesen“, erklärte David wütend und zog eine Pistole hervor. „Gebt mir den Kelch und sagt mir wo das Schiff ist“, befahl David mit Nachdruck. „Was für ein Schiff? Davon weiß ich nichts“, antwortete Nina unschuldig. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir das abnehme? Ihr Ketzer glaubt, dass ihr durch das Gewölbe zu Gott sprechen könnt?“, sprach David weiterhin mit energischer Stimme „Diesen Ort wirst du nie erreichen, da Menschen wie du einfach unwürdig sind. Du weißt genau, dass dieses Wissen unser Verständnis von Gott erweitern könnte. Warum sträubst sich die Kirche dagegen“, bohrte Nina nach, während Ethan versuchte sich einen Überblick zu verschaffen.
Von den anderen war keine Spur zu sehen. Entweder versteckten sie sich oder waren bereits geflohen. Zumindest wäre die zweite Option sicherer gewesen, da die Chancen in diesem Fall wirklich sehr schwer standen. Die Männer waren bis an die Zähne bewaffnet und gut geschützt, als würden sie gleich in einen Krieg ziehen wollen. „Es gibt nur einen wahren Glauben. Das haben unsere Vorfahren vor Jahrhunderten erkannt, als sie dem Papst von dem Frevel einiger Ritter berichteten“, erklärte David. „Fürchtest du Gott so sehr, dass du seine Botschaften nicht anerkennen willst? Was hoffst du ihm Gewölbe zu erfahren? Das vielleicht etwas ganz anderes unser Leben gelenkt hat? Das die Wahrheit das Christentum angreifbar machen könnte?“, konfrontierte ihn Nina. „Das ist ein Frevel. Ergebt euch und ich versuche eure Leben zu bewahren“, befahl David. „Der Orden glaubt, dass das Wissen Gottes nicht für die Kirche bestimmt ist. Sondern für all diejenigen, die nach Erleuchtung streben. Gott mag nach dem Tod über uns richten. Doch es sind die Menschen, die ihr Schicksal zu Lebzeiten bestimmen. Und wenn wir uns würdig erweisen, das Gewölbe zu betreten, dann wird die Menschheit eine neue Stufe erreichen“, donnerte Nina, die nicht einmal bemerkte, wie erschrocken Ethan neben ihr stand. Wenn er sie nicht kennen würde, könnte man sie sich gut als General oder ähnliches vorstellen. „Es gibt nur ein Wissen Gottes und das steht in der Bibel. Alles andere ist Ketzerei. Männer holt sie euch. Aber tötet sie nicht“, befahl David.
Mit gezogenen Waffen folgten die Männer dem Befehl ihres Herrn. Ethan blickte sich panisch um, auf der Suche nach einem Ausweg. „Ihr könnt nicht fliehen. Seht es ein“, erklärte David demonstrativ mit der Waffe fuchtelnd. „Du wirst meine Sohn nicht kriegen. Das lasse ich nicht zu“, versprach Nina mit selbstsicherer Stimme. Dann nahm sie die Hand ihres Sohnes und zerrte ihn auf den Balkon zurück. „Kannst du springen?“ Besorgt warf sie einen flüchtigen Blick über ihre rechte Schulter. „Wohin?“, fragte Ethan panisch, ehe Nina ihm ein Zeichen zum Folgen gab und sich auf den Balkonrand stellte. „Das ist nicht dein Ernst." Ungläubig starrte er seiner Mutter nach, die ohne zu zögern von dem Rand auf den Nächsten sprang. „Na komm schon“, rief sie fordernd. Die hatte doch echt den Knall nicht gehört. Aber was blieb ihm anderes übrig? Zögerlich stieg er selbst auf den Rand und blickte in den Abgrund. Gott war das tief! Wenn er da runter viel war es eindeutig vorbei. „Jetzt trau dich“, versuchte ihm Nina Mut zu zusprechen und streckte die Hand aus. „Du bist echt wahnsinnig!." Mit diesen Worten setzte Ethan zum Sprung an und landete sicher auf der anderen Seite. Durchatmen! Und einfach die Schmerzen ignorieren! Nina rannte weiter. Ethan folgte ihr dicht auf, während sie das Kunststück noch drei Mal wiederholten. „Los! Ich weiß wo es lang geht." Zielstrebig betrat sie den Raum, als plötzlich einer ihrer Widersacher mit brachialem Kampfschrei durch die Tür preschte. Lauthals krache das Holz gegen die Wand, während der gerüstete Körper auf Nina zustürzte.
Das war es! Jetzt würden sie beide verlieren! Doch plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Noch während der Mann sich in seinem Angriff befand tauchte Nina reflexartig unter dem Schlag durch, gefolgt von einem Haken unter den Hals. Der andere Arm umgriff den Hals. Mit aller Kraft gingen die Kontrahenten zu Boden, ehe Nina es schaffte die Waffe zu ergreifen und sie gegen den Feind richtete.
Ein kurzer Blick zu ihrem Sohn, der für einen Moment gefühlt die Zeit anzuhalten schien, um nur eine Botschaft zu übermitteln. „Es tut mir leid." Dann folgte ein lauter Knall. Blut spritze umher. Der Körper verkrampfte noch einmal und blieb schließlich regungslos liegen. Wie versteinert blieb Ethan stehen. Seine Mutter hatte völlig gefühllos einen anderen Menschen erschossen. Und sie ließ auch keine Sorge aufkommen, das es der Letzte gewesen sein könnte. Mutig stürmte der Körper durch die Tür und feuerte gezielt einige Kugeln in den Flur hinein. „Komm schnell“ Fast schon brüllend übertünchte ihre Stimme das lautstarke Feuerwerk. Was zum Teufel ging hier nur ab. Eine Schießerei war er ja schon gewohnt. Aber das hier? Vor allem seine Mutter, die hier einen auf Terminator machte und völlig cool immer wieder aus der Deckung heraus das Feuer erwiderte. „Willst du da Wurzeln schlagen?." Mit ungläubiger Miene schloss er hastig zu ihr auf. „Der Raum gegenüber. Na los“, forderte sie, während weitere Männer den Flur in Beschlag nahmen und diesen in einen Kriegsschauplatz verwandelten. Überall flogen die Kugeln umher,schlugen in Türen und Wände ein. Kleinere Stücke wurden gar zu Geschossen, als plötzlich ein gewaltiger Ruck Ethans Körper erfasste. „Ethan!" Erschrocken blickte seine Mutter ihrem Sohn entgegen, während er quer durch den Flur taumelte und mit der Tür auf der anderen Seite Bekanntschaft schloss. Laut krachend flogen beide Kontrahenten durch die Tür und kamen unsanft auf dem Teppich zum liegen. „ Jetzt hab ich dich“, sprach sein Gegenüber und zog die Pistole hervor. „Schon vergessen? Du brauchst mich lebend“, warf Ethan keuchend dazwischen und richtete sich wieder auf. „Ein paar kleine Wunden werden dich schon nicht umbringen“, entgegnete der Mann und schloss schnell die Tür hinter sich. „Das machen wir doch auf altmodische Art und Weise." Schnell verschwand die Pistole wieder im Halfter. „Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren“, versuchte Ethan sich zu beruhigen und den Raum zu sondieren. Vielleicht konnte man die Begebenheiten für sich ausnutzen? „Glaubst du wirklich, dass du mit deinem kaputten Arm etwas ausrichten kannst“, fragte sein Gegenüber schon siegessicher und nahm die Fäuste hoch. „Ich werde jedenfalls nicht kampflos aufgeben“, versuchte Ethan zu kontern. Gleichzeitig stellte er sich mit dem Rücken zum Schreibtisch. „Nimm das!." Der erste Faustschlag sauste auf ihn zu. Unter Schmerzen brachte Ethan seinen Körper aus der Bahn und entging damit nur knapp dem Angriff.
Doch sein Gegner ließ nicht locker. Ein zweiter Schlag war bereits im Anmarsch. Rasch tauchte der Kopf ein Stockwerk tiefer. Jetzt reichte es wirklich! Zeit für einen Konter! Mit einem lauten Schrei und dem Ellenbogen voraus stürmte er auf den Mann zu und ließ sein Körpergewicht sprechen. Ein Schnauben ertönte. Dann der verzweifelte Klammergriff.
Eng umschlungen kämpften die Beiden mit aller Kraft, während Ethan seinen Kontrahenten Zentimeter um Zentimeter nach hinten drängte. „Du kleiner Bastard!“, fluchte sein Gegner und schon Ethan rechts an sich vorbei. Schmerzhaft schloss er wieder Bekanntschaft mit der Wand und sank auf die Knie. „War das schon alles?“, fragte sein Kontrahent siegessicher und griff erneut an. Haarscharf rollte Ethan seinen Körper auf Seite. Sein Körper schmerzte. Die Schusswunde schmerzte. Einfach alles tat weh. Mühsam zog er sich an einem Stuhl hoch. Sein Gegner wartete geduldig. Selbst ohne hellseherische Fähigkeiten konnte man davon ausgehen, das sich der Hühne schon als Sieger sah, da Ethan nicht die Kraft aufbringen konnte, um einen Kampf durchzustehen, geschweige denn zu gewinnen. Er fluchte innerlich. Ihm musste einfach etwas einfallen, bis seine Mutter die Feinde draußen bezwungen hatte. „Was willst du tun? Du hast doch keine Chance." Langsam nervte diese Dauerschleife an Wortaneinanderreihungen. „Ich hab gesagt, dass ich nicht aufgebe." „Das macht wirklich. Spaß." Mit Kampfschrei stürmte der Mann wieder auf ihn los. „Nimm das!." Hastig griff Ethan mit beiden Händen nach dem Holzstuhl. „Scheiße!“ Ein gewaltiger Schmerz durchzog seine linke Schulter. „Halt durch. Gib nicht auf“, versuchte er sich zuzureden. Mit letzter Kraft schlug Ethan zu. Schmerzensschreie ertönten. Das Holz zerbrach. Splitter regneten nieder. Der Körper seines Feindes taumelte an ihm vorbei. „Das ist meine Chance." Mutig stellte Ethan sein Bein raus und brachte den Hühnen heftig ins Trudeln. Dann schnappte er nach der Lampe und schlug damit zu. Wieder verließ die Fäkaliensprache den offenen Mund. Das Metall bohrte sich in das Fleisch. Wieder spritze Blut. Wieder schlug Ethan zu. Ein Regen aus lebensspendender Flüssigkeit tauchte die Wand in ein rotbraunes Farbenmeer. „Es ist genug!“, versuchte er sich zu beruhigen. „Nein. Lass es raus. Er hat es verdient“, warf seine dunkle Seite dazwischen. Ein heftiger Kampf zwischen Licht und Dunkelheit entbrannte in seinem Verstand. Ethan hielt inne. Blutverschmiert wandte sein Gegner das Gesicht zu ihm. Ein roter Film zog sich über das ganze Gesicht hinweg. Die Augen starrten voller Hass zu ihm hinüber. „Jetzt kenne ich keine Gnade mehr“, spuckte er Blut und machte sich daran seinen Körper aufzurichten. „Nein!“, schrie das Licht auf. Ethan schlug erneut zu. Wieder regnete es Blut. „Na los zeig es ihm“, forderte die Dunkelheit. „ Wieder donnerte die Lampe nieder. Schreie ertönten. Der Leib sank zu Boden. Die Realität holte Ethan ein. „Was habe ich getan?" Erschrocken von der eigenen begangenen Tat, sank er auf die Knie und rüttelte an dem Körper. Nichts! Das leblose Fleisch lag in seinen Armen, als plötzlich seine Mutter hereinstürmte und inne hielt. Traurig blickte er ihr entgegen. Sie schien zu verstehen und senkte den Kopf. „Komm wir müssen fliehen. Wir haben keine Zeit“, erklärte sie knapp. Völlig abwesend ließ Ethan sich aufhelfen. Was hatte er nur getan. Warum tat er das? Ohne auch nur die geringste Gegenwehr ließ er sich von seiner Mutter fortbringen.
Eine gefühlte Ewigkeit später, befanden sich die Beiden an der frischen Luft. Ethans Blick wanderte geistesabwesend Richtung Mond, als schließlich auch noch die anderen Drei dazustießen. „Nina, Ethan. Geht es euch gut?“, fragte Michael besorgt. „Wir konnten durch den Geheimgang im Bildzimmer fliehen“, erklärte Nina außer Atem. „Was ist denn mit Ethan los?“, fragte Anja besorgt. „Wir wurden überwältigt. Er musste sich einem der Männer alleine stellen." Besorgt wandte sich die Aufmerksamkeit wieder ihrem Sohn zu. „Hat er etwa...?." Nina bejahte den Satz mit einem Nicken und nahm Ethan sorgenvoll in den Arm. „Wir müssen hier weg. Unsere Flucht wird sicher nicht lange unbemerkt bleiben“, versuchte Leila zur Eile zu mahnen. „Onkel. Den Bunker?“, fragte Anja. „Gute Idee. Der ist tief im Wald verborgen. Da haben wir etwas Zeit“, antwortete Michael. Zügig setzte sich die Gruppe in Bewegung....................
Ein langer dunkler Tunnel. Rechts und Links zogen Schwaden aus Licht an ihm vorbei. „Du hast das richtige getan“, sprach eine Stimme aus weiter Entfernung zu ihm. „Wer ist da?“, fragte Ethan in die Dunkelheit hinein, während sein Körper immer noch von einer unbekannten Kraft fortgerissen wurde. „Dein Überlebensinstinkt“, antwortete die Stimme zu der sich schließlich auch die passenden Konturen zeigten. Die Lichtschwaden formten sich nach und nach zu Gesichtern zusammen und lächelten Ethan entgegen. „Aber ich habe einen Menschen getötet“, versuchte er sich zu rechtfertigen. „Du musstest dich verteidigen“, lächelte das Gesicht und schwebte neben ihm her. „Wo geht die Reise hin?“, fragte Ethan erneut. „In ein neues Leben." Schnell flog das Gesicht in den dunklen Tunnel hinein. „Werde ich mir je verzeihen können?." „Das weiß ich nicht“, antwortete plötzlich ein anderer leuchtender Kopf, welcher plötzlich von links heran flog. „Das Blut klebt an meinen Händen." Traurig blickte er an seinem Arm herunter, der immer noch an einigen Stelle rote Flecken zierte. „Es zählt das Gesetz des Stärkeren. Trotz deiner Schmerzen ist dir ein Sieg geschenkt worden. Du hast dir das Recht aufs Leben verdient“, entgegnete das Gesicht und verschwand ebenfalls in der Dunkelheit. „Ethan du musst schneller laufen“, hallte eine andere Stimme an ihn heran. War das etwa Nina?
Plötzlich hielt sein Körper inne und das Gesicht seiner Mutter tauchte aus dem Nichts auf. „Wir haben es gleich geschafft. Das Ende des Tunnels ist nah." Ende des Tunnels? War er etwa tot? „Folge einfach den Weg“, erklärte ein drittes Gesicht aus Licht, als sich plötzlich ein kleiner blauer Lichtstrahl vor ihm auftat und eine steinerne Treppe freigab. „Das ist der Weg in die Freiheit." Im Zickzackkurs flog die blaue Kugel den Weg hinauf. „Beginnt dort das Leben nach dem Tod?“, fragte Ethan. „Was redest du da für ein Unsinn?“, warf die Stimme seiner Mutter dazwischen. Wieder setzte sich sein Körper widerwillig Richtung Treppe in Bewegung. Strahlend schön glitzerten die einzelnen Stufen vor sich hin, während Ethan sie hinaufschritt. „Du wirst es schaffen. Gib nicht auf“, sprachen die drei Gesichter im Einklang und flogen in den Himmel hinauf. Ethan lächelte und sank auf den Boden ehe sich die Dunkelheit über ihn ausbreitete.
„Ethan?“, fragte Anja. Völlig perplex fuhr er hoch und blickte in ein besorgtes Augenpaar. „Was ist passiert? Bin ich im Himmel?." Verwirrung machte sich breit. „Noch weit davon entfernt“, antwortete sie schmunzelnd und betrachtete seine Verband. „Den muss ich schnell wechseln“, erklärte sie. „Wo sind wir?." „In einem Schutzbunker, der sich im Wald befindet. Hier haben wir erst einmal Ruhe vor deinem Stiefvater“, antwortete Michael. „ Kann mich kaum noch an etwas erinnern. Ich habe mit einem Mann gekämpft und ihn niedergerungen. Aber von da an fehlt alles“, seufzte Ethan und ließ sich den Verband abnehmen. „Denk nicht drüber nach. Wichtig ist nur das du überlebt hast. Deiner Mutter geht es auch gut“, sprach Anja ruhig. „Nicht drüber nachdenken? Ich habe einen Mann umgebracht. Ich konnte mich selbst nicht stoppen. Es war als hätte sich der ganze Frust der letzten Tage entladen“, fluchte Ethan wütend. „Du hast dich selbst verteidigt. Sonst wärst du wahrscheinlich gestorben“, entgegnete Michael. „Ich glaub das wird mir langsam echt zu viel“, seufzte Ethan. „Du stehst noch völlig unter Schock. Sobald ich dich verbunden habe, möchte deine Mutter mit dir sprechen“, versuchte Anja zu lächeln. Mit Erfolg! Wenigstens gab es da noch etwas positives. „Ich habe sie noch nie so kämpfen sehen. Es wirkte beinahe so als wäre sie plötzlich ausgetauscht worden“, gestand Ethan nachdenklich. „Sie hat diese Seite vor dir verborgen. Jetzt war der richtige Moment gekommen die Maske abzulegen." Mit schnell Schnitten klebte Anja den Verband zu und überprüfte noch mal alles. „Danke“, nickte Ethan und stand auf. „Stammt der noch aus dem zweiten Weltkrieg?." Neugierig betrachtete er die grauen Stahlwände. Gott die Lampen mussten gut 60 oder 70 Jahre alt sein. „Dieser Bunker diente tatsächlich als Schutz im Krieg“, erklärte Anja und deutete auf die Metalltür. „Lass sie nicht warten." Ethan tat wie geheißen und übertrat die Schwelle zum Flur, wo ihm Leila entgegen kam. „Hey. Wie geht’s dir? Alles gut?“, Höflich drosselte sie das Tempo ohne stehen zu bleiben. „Alles bestens“, lächelte Ethan, trat an ihr vorbei und ging weiter, bis er eine Treppe erreichte.
Von oberhalb drang eine Prise von kalter Luft in den Tunnel hinein. Schweren Herzens wagte Ethan den Aufstieg und stand nur Sekunden später im Freien. Zu seinen Füßen erstreckte sich ein dichtes Waldgebiet, welches dem Bunker eine gute Deckung bot. Es würde sicherlich einige Zeit dauernd bis David und seine Mannen diesen Ort ausfindig machen konnten. In der Ferne konnte er die Villa erkennen, die majestätisch auf dem Hügel thronte. Zum Glück schien auf den ersten Blick kein weiterer Schaden entstanden zu sein. „Ethan. Endlich bist du aufgewacht“, freute sich seine Mutter, die an einem Baum lehnte und das Gelände im Auge behielt. „Was für eine Scheiß – Woche“, gestand Ethan. „Ich hätte viel eher bemerken müssen, das dein Stiefvater für die andere Seite arbeitet. Ich habe dich in Gefahr gebracht“, entschuldigte sich Nina wieder einmal. „Wie kann die Kirche überhaupt so eine Truppe verborgen halten?“,fragte er neugierig und trat an ihre Seite. „Der Papst selbst weiß nicht einmal das es eine Unterorganisation in seinen Reihen gibt. Einzig und allein der Leiter der Schweizer Garde ist eingeweiht. Außerdem haben sie auch noch Leute in wichtigen Positionen, die sie unterstützen“, antwortete Nina. „Unglaublich, dass da nie in der Geschichte erwähnt wird." „Es gibt viele Dinge, welche die Vergangenheit vor uns verborgen hält. Es liegt an uns, dass wir ihr die Geheimnisse entreißen“, erklärte Nina und legte den Arm um ihren Sohn. „Du. Was da vorhin passiert ist. Ich habe dich nicht wider erkannt“, gestand Ethan leise. „Diese Seite sollte stets vor dir geheim verborgen bleiben. Als ich bemerkte das David für diese Organisation arbeitet, habe ich versucht das er dich nicht in die Finger kriegt“, erklärte Nina. „Irgendwie bin ich nur von solchen starken Frauen umgeben“, scherzte Ethan. „Du bist auch stark. Ich hätte nie gedacht, das dir in deinem Zustand solche Dinge gelingen würden. Ich bin echt stolz auf dich“, lobte Nina. „ Danke. Aber in meinen Kopf schweben immer noch viele Fragen umher, die auf Antworten warten“, gestand Ethan. „ Sobald wir sicher aus Düsseldorf heraus sind, haben wir genug Zeit. Außerdem hast du eine Aufgabe."Grinsend stupste sie ihm leicht in die Seite. „Die da wäre?." Sorgenfalten bildeten sich auf seiner Stirn. „Sobald du gesund bist, findet das Training statt. Ich glaube Anja freut sich schon sehr darauf, dir alles beizubringen“, antwortete Nina. „Haben wir überhaupt Zeit dafür? Ich habe das Gefühl, das uns David immer wieder im Nacken sitzt“, seufzte Ethan. „Er wird auch nicht aufgeben. Aber wir tun das auch nicht“, versuchte ihm Nina Mut zu zu sprechen., als Anja von hinten an die Beiden herantrat. „Störe ich?“, fragte sie höflich. „Keineswegs."Verneinend machte seine Mutter etwas Platz. „Ich übernehme die nächste Wache, damit ihr euch etwas ausruhen könnt“, erklärte Anja. „Was ist eigentlich unser nächstes Ziel?“, fragte Ethan. „ Ich habe da so eine Idee. Aber das Besprechen wir morgen in Ruhe. Du musst dich ausruhen. Die Wunde wird sonst nur schwer heilen“, erklärte Nina
Ethan nickte und warf Anja noch mal einen Blick zu, ehe er wieder im Bunker verschwand. Hoffentlich würden sie diesmal ein wenig Ruhe haben. Völlig fertig zeigte im Nina ein provisorisches Zimmer in dem ein relativ großes Bett stand. Es würde zumindest für zwei Leute reichen. „ Ich muss noch einmal zu Michael. Leg dich ruhig hin“, erklärte sie und verschwand wieder. Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen und ließ sich auf die Matratze fallen. Es war zwar nicht das Ritz. Aber angesichts der Situation durfte man nicht wählerisch sein. Zielsicher griffen die Hände nach der Decke und zogen sie über den Körper ehe Sekunden später der Verstand in tiefen Schlaf sank und Tor zum Reich der Träume betrat.
„Guten Morgen ihr Zwei." „Ihr Zwei?." Wieder einmal verwirrt öffnete Ethan die Augen. „Beweg dich bloß nicht?“, grinste seine Mutter und deutete mit dem Zeigefinger auf einen Körper der sich an seinen geschmiegt hatte. „Anja!." Sein Gesicht wurde regelrecht zu einer Tomate. Wann zu Teufel hatte die sich denn in sein Bett geschlichen? „Was ist denn los?“, gähnte der Überraschungsgast und blickte völlig verschlafen in sein Gesicht. „Äh. Nichts“, stotterte Ethan, während er seiner Mutter hilfesuchende Blicke zuwarf.
Allerdings machte diese keine Anstalten überhaupt auch nur einen Finger krumm zu machen. Ganz im Gegenteil schien sie dieser Augenblick sichtlich zu amüsieren. „Ich muss eingeschlafen sein“, gähnte Anja erneut und richtete sich langsam auf. „Passiert“, antwortete Ethan knapp und wandte sich wieder ihr zu. Man. Was für ein Körper. „Vollidiot!“, fluchte er innerlich, während sie ihre Klamotten zurecht rückte, die zuvor noch die intimere Zone oben herum etwas freigelegt hatten. „Wie hast du geschlafen?“, fragte sie ahnungslos als wäre nichts gewesen. „Wie ein Stein." Hoffentlich viel die neue Gesichtsfarbe nicht zu sehr auf. Mit einem Kribbeln in der Magengegend versuchte er sich aufzurichten. „Das Frühstück ist fertig“, grinste Nina frech und verließ den Raum. „Hast du etwa die ganze Zeit an meinem Bett gewacht?“, fragte Ethan ungläubig. „Zumindest so lange bis ich wohl selber eingeschlafen bin“, grinste sie verlegen. „Ich hoffe du fühltest dich nicht gestört?." „Nein. Es ist alles gut. Du musst dich ja auch mal ausruhen“, winkte Ethan ab. „ Gut. Was macht die Schulter?" Prüfend rückte sie wieder an ihn heran, so dass sich ihre Körper beinahe berührten. „Schon viel besser." Konzentrieren. So musste die Devise jetzt lauten. Eine Mission Impossible. Mit ihm in der Hauptrolle. „Das sieht gut aus. Bevor wir aufbrechen, wechsle ich den Verband noch mal." Zufrieden stand Anja auf. „Du bist die Ärztin“, scherzte Ethan und tat es ihr gleich. „Sehr witzig“, grinste sie frech und machte ihm die Tür auf. „Danke schön." Mit einem Lächeln auf den Lippen ging er voraus zum großen Raum, wo bereits die anderen saßen.
Der Duft von Speck und Rührei drang wohl an seine Nase, während Ethan Platz nahm. „Guten Morgen“, grüßte Michael höflich. „Morgen." Zügig drückte Leila ihm einen Teller in die Hand. „Ich habe den Kelch studiert und mir viel da etwas auf“, begann Nina die Gesprächsrunde. „Das da wäre?“, fragte Leila neugierig. „Ich weiß das Alan bevor er starb ebenfalls an einer Ausgrabung arbeitete und wir nahe dran waren den Sarg zu öffnen." Langsam schnitt Ethan das Ei in zwei gleiche Teile. „Glaubst du der zweite Kelch befindet sich in diesem Sarg?." Zielsicher wanderte der Speckstreifen ebenfalls auf dem Teller. „Es war ein Grab, in dem in jedem Fall ein Tempelritter zur letzten Ruhe gebettet wurde“, fügte Nina hinzu. „Wo ist diese Grab?“, fragte Anja. „In Paris“, antwortete Nina knapp. Stille. Alle tauschten untereinander die Blicke aus. „Paris?“, suchte Ethan nach einer Bestätigung. „So sieht es aus." „Ich glaube dann haben wir auf jeden Fall eine heiße Spur. In den letzten Jahren waren wir noch nie so na dran, das Gewölbe zu erreichen“, erklärte Michael.
Die Stadt der Liebe. Na das konnte ja was werden, wo Ethan doch nur Bruchstücke dieser Sprach sprechen konnte. In aller Stille aß die Gruppe das Frühstück. Es würde noch eine lange Reise werden.....................................
Zwei Stunden hatten sie bis nach Köln gebraucht, um dort Fahrkarten nach Paris zu bekommen. Theoretisch wäre die Reise mit dem Bulli auch möglich gewesen. Doch mit der dieser alten Rostlaube von vor zwanzig Jahren und mit fünf Personen an Bord konnte das nur in einem Desaster enden. So hatten Michael und Nina kurzfristig entschieden, den Plan um zu schmeißen und doch die sechsstündige Zugfahrt in Kauf zu nehmen.
Gelangweilt saßen Anja, Leila und Ethan auf dem völlig überfüllten Bahnsteig. „Ich glaube, die Leute haben echt nichts Besseres zu tun“, grummelte Ethan. „Wenn ich mir all diese unterschiedlichen Personentypen so anschaue. Die wissen nicht einmal, das es Menschen wie uns gibt." Nachdenklich griff Leila in ihre Tasche und holte eine Keks – Packung heraus. „Auch einen?." Anja verneinte und blickte auf die Uhr. „Der Zug müsste gleich kommen. Ich bin gespannt, was uns in Paris erwartet“, freute sie sich überschwänglich, als die anderen beiden zurück kehrten. „So. Es kann losgehen." Triumphierend hielt Michael die Karten in der Hand, von denen jeder auch sogleich eine in die Hand gedrückt bekam.
Schnell verschwand das Ticket in der Jackentasche, während der Zug einfuhr und kurz darauf hielt. „Da kann die Reise ja beginnen“, sprach Leila und ging voran. Die einzelnen Abteile zeigen sich relativ leer, was zumindest schon mal keine Probleme in Sachen Platzwahl nach sich zog. Anja und Ethan teilten sich einen Zweierplatz. Die anderen mussten sich gegenüber mit der Vierervariante zufrieden geben. „Ist echt schnuckelig warm hier drin“, bemerkte Anja und schloss die Augen. „Das ist wahr. Echt angenehm“, bestätigte Ethan, den Augenkontakt zu seiner Mutter suchend. „Hast du was?“, fragte sie neugierig. „ Jetzt wo viel Zeit haben, würde ich gerne mehr wissen über das, was da auf dem Balkon passiert ist. Du sprachst davon das die Menschheit aufsteigen würde“, antwortete Ethan. „Du weißt ja das der Orden der Rose von den Templern gegründet wurde. Allerdings ist die Geschichte da sehr wage. Es gibt Überlieferungen innerhalb der Gemeinschaft, die besagen, das man während der Kreuzzüge etwas so mächtiges fand, das man glaubte, kein Sterblicher könnte sich dessen entziehen“, begann Nina zu erzählen. „Die Ritter, von ihrer Überzeugung geleitet, fühlten, dass der Ort, den sie fanden für sie nicht bestimmt sei und so beschloss man das Geheimnis zu beschützen“, fügte Michael hinzu. „Was ist das für ein Ort?“, fragte Ethan, während sich der Zug in Bewegung setzte. „In dem Buch, was du gesehen hast ist immer die Rede vom Ursprungsort der Menschheit und den beiden Ersten die aus dem Schoße der Erde entsprangen“, antwortete Nina.
Stirnrunzeln zeichnete sich auf Ethans Gesicht ab. „Adam und Eva“, grinste Leila. „Ihr wollt mich verkohlen.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „So steht es in den Buch geschrieben. Aber das könnte tatsächlich alles bedeuten. Viele Dinge in der Geschichte sind auch nur mit Metaphern bedacht und haben schlussendlich eine ganz andere Bedeutung“, erklärte Michael. „Was glaubt ihr, was denn in dem Gewölbe ist? Ich meine. Im Orden muss es darüber Gerüchte geben“, entgegnete Ethan. „Die Theorien gehen da sehr weit auseinander. Aber in erster Linie glaubt man, dass dort das gesamte Wissen des Ordens niedergelegt ist“, antwortete Michael. „Ich denke, dass da etwas anderes eine Rolle spielt“, warf Nina nachdenklich dazwischen. „Und zwar?“, bohrte Ethan nach. „Ich glaube nicht daran, dass es ein Zufall ist, das wir gerade in diesem Jahr den Kelch gefunden haben." Verwirrt blickten Michael und Leila zu ihr hinüber. „Es gibt da etwas, was ihr nicht wisst. Dein Vater war nicht immer so auf die Ordensritter fixiert. Als ich ihn während der Abiturzeit kennenlernte, lagen seine Prioritäten woanders“, begann Nina zu erzählen. „Was wollte er denn ursprünglich machen?“, fragte Ethan. „Politikwissenschaften“, antwortete sie knapp, dabei aus dem Fenster blickend. „Das ist doch man gänzlich ein ganz andere Zweig gewesen." Wieder schob sich Leila einen Keks in den Mund nach diesem Statement. „In meiner Familie wurde seit Urzeiten immer wieder ein Brief weitergegeben auf dem nur ein Name stand. Alan." Jetzt fing es an aber echt gruselig zu werden. „Du willst uns sagen, das deine Vorfahren bereits wussten, das mein Vater eines Tages diesen Brief erhalten würde?“, hakte Ethan verwirrt nach. „Glaube mir. Ich war auch ziemlich skeptisch. Aber als ich eines Tages zu Hause Alan erwähnte, war meine Mutter total aus dem Häuschen. Sie sah sich bestätigt und zeigte mir den Brief mit den Namen darauf“, erklärte Nina.
Ein kurzes Schweigen brach über die Runde herein. „Meine Mutter lernte Alan natürlich bei diversen Anlässen besser kennen und übergab ihm diesen Brief." „Da hat er bestimmt blöd geschaut“, warf Leila dazwischen. „Und wie. Er ließ das Schriftstück auch gleich am Tag darauf untersuchen“, grinste Nina. „Was kam dabei heraus?“, fragte Ethan neugierig. „Das Papier auf dem die Nachricht stand, kam aus einer Zeit, als die Revolution in Frankreich ihrem Ende zu ging und Napoleon seine Macht ausweitete. Von da an war dein Vater wie besessen von den Templern, denn er glaubte das man ihn auserwählt hatte, um das Gewölbe zu finden“, sprach Nina. „Das würde ja heißen, die Menschen wussten damals schon, was in der heutigen Zeit alles passieren würde. Tut mir leid. Aber das klingt echt unglaubwürdig“, gestand Ethan. „Meinst du mir geht es anders? Diese Nachricht hat deinen Vater in den Tod geritten. Ich habe mir immer Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht hätte eingreifen sollen“, seufzte Nina. „Was stand denn auf dem Papier noch?“, fragte Michael. „Der Name Charigol. Im Laufe der Studienzeit hatte Alan herausgefunden, das die Familie Charigol eine von drei Ritterfamilien war, welche jenes Gewölbe bewachen sollten“, antwortete Nina traurig.
Das ganze Thema schien sie wirklich unglaublich mitzunehmen. Hier und da glaubte Ethan sogar eine Träne auf ihrer Wange wahrzunehmen. Aber die ganze Geschichte klang auch wirklich abstrus. Als ob vor knapp zweihundert Jahren jemand wusste, dass seine Mutter, Alan kennenlernen würde. Ungläubig schüttelte er nur den Kopf und warf kurz einen Blick zu Anja herüber, die bereits wieder eingeschlafen war. Ihr Kopf lehnte an seine Schulter, so das Ethan es kaum wagte sich nur im Ansatz zu bewegen. „Als Alan schließlich herausfand, wo Charigol begraben lag, holte er die Erlaubnis der Regierung von Paris ein. Da seine Reputation bereits zu dem Zeitpunkt schon einen weiten Einfluss hatte, half man ihm nur zu gern. Kurz vor dem Ziel, passierte schließlich das Unglück. Wisst ihr? Wir standen nur Zentimeter von dem Sarg weg. Die Statuen von Adam und Eva ragten majestätisch bis zur Decke.“ Nina machte eine kurze Pause. „Und dann brach die ganze Höhle zusammen und begrub ihn unter sich“, erzählte sie mit leiser Stimme weiter, ehe die Dämme vollends brachen.
Eine ganze Welle an Tränen ergoss sich über Ninas Gesicht, während sie in der Tasche nach einem Taschentuch suchte. „Ich glaube, dass viel mehr hinter dieser Sache steckt. Ich meine, wenn der Tod von Alan vorherbestimmt war, was bedeutet dies für unsere Zukunft? Sind unsere Schicksalsfäden auch schon gewoben?“, fragte sie weinend. „Wir bestimmen unser Schicksal selbst. Ich glaube nicht daran, dass ein paar Ordensritter die Zukunft kannten. Stellt euch doch mal vor. Mit dem Wissen hätte man Kriege verhindern können. Millionen von Menschen wäre allein ein Schicksal in den Weltkriegen erspart geblieben“, gab Ethan zu bedenken. „Vielleicht wollte man die Geschichte nicht verändern. Der Schmetterlingseffekt würde gravierende Veränderungen nach sich ziehen“, warf Michael ein. „ Leute. Wir drehen uns im Kreis. Wir sollten erst einmal dafür sorgen, das wir die anderen beiden Kelche sicher in den Händen halten, bevor wir solche Theorien in den Raum werfen“, versuchte Leila ihre Mitstreiter zu beruhigen. „Wahre Worte liebe Nichte. Wir sollten uns etwas ausruhen. Uns erwartet noch eine anstrengende Aufgabe in der Stadt der Liebe“, stellte sich Michael auf Leilas Seite. Zeitreisen und alternative Zeitlinien. Ein gequirlter Unsinn. So gerne Ethan das auch glauben wollte, aber das lag noch jenseis der Zukunft.
Nina nickte traurig. Sie schien sich inzwischen wieder gefangen und das Tränenmeer im Griff zu haben. „Sehe ich auch so. du konntest nichts für Vaters Tod. Du bist all die Jahre für mich da gewesen. Ich bin mir sicher das er, egal wo er auch sein mag, nicht will, dass wir den Kopf in den Sand stecken“, versuchte Ethan seine Mutter mit einem Lächeln aufzumuntern. „ Du bist zu viel zu schnell erwachsen geworden. Alan wäre stolz auf dich“, erwiderte sie und machte sich an Rückenlehne zu schaffen.
Zwei weitere Stunden zogen ins Land. Dabei hatte sich die Gruppe immer abwechseln schlafen gelegt. Prüfend blickte Ethan auf die andere Seite herüber. Nina, Michael und Leila schliefen bereits seit einer Stunde, während er selbst abwechselnd aus dem Fenster starrte und sich zwischendurch mit einer Zeitung beschäftigte. „Du bist ja noch wach“, gähnte Anja, langsam aus ihrem Tiefschlaf erwachend. „Werde mich später aufs Ohr hauen. Einer sollte die Stellung halten“, erklärte Ethan. „Ich hab wie ein Stein geschlafen“, gähnte sie erneut und vollzog erst einmal einige Streckübungen. „Es ist noch eine weite Strecke. Ich schätze mal so vier Stunden noch." Ethan schaute verlegen auf die Uhr. „Sag mal jetzt wo wir so etwas unter uns sind....“, begann Anja. „Was kommt jetzt?“, unterbracht Ethan erschrocken. „Wie ist es bei dir um die Mädchen bestellt?“ Da war sie wieder! Die Farbgebung von normal zu knallrot. „Ich hatte noch keine Zeit für so etwas“, stammelte Ethan verlegen. „Du wirst ja rot. Ist das süß.“ „Mein Leben bestand aus Lernen und Studieren“, erklärte er leise. „Also hat noch nie eine Freundin den Weg zu deinem Herzen gefunden?“, bohrte sie nach. „Nein. Bin auch eher unscheinbar. Eine Sache, welche sich schon Zeit meines Lebens so durchzog“, versuchte Ethan ihr das irgendwie begreiflich zu machen. „So toll klingt das aber nicht“, seufzte Anja. „Ich wollte halt etwas Erreichen. Das alles hier stand allerdings nicht auf meinem Zettel." „Manchmal spielt das Schicksal einem seltsame Streiche Ethan. Ich finde jedenfalls, dass du ein netter Typ bist." Verlegen blickte Anja noch ein Mal rüber in der Hoffnung, das niemand das mitbekommen hatte. „Wie sieht es denn bei dir aus? Ich meine du bist älter. Gibt es einen Mann in deinem Leben?“, drehte Ethan den Spieß um. „Bei mir ist es ähnlich. Klar gab es natürlich ein gesundes Interesse an Jungs. Aber mein Lebensstil ließ eine tiefgreifende Beziehung einfach nicht zu. Es durfte ja keiner vom Orden wissen“, antwortete Anja. „Dann erging es dir ja nicht besser als mir“, grinste Ethan leicht schmerzverzerrt. „Tut die Schulter noch immer weh?" Prüfend ließ sie ihren Blick wieder einmal über den Verband wandern. „Es ist schon besser geworden. Aber es nervt halt“, fluchte Ethan. „Ich mag mir das nicht vorstellen. Bin noch nie angeschossen worden." „So etwas sollte dir auch nicht passieren“, hoffte Ethan inständig. „Mir kommt da eine Idee. Lass uns mal den Sitz tauschen“, bat Anja und stand auf. Was hatte sie denn jetzt vor? Vorsichtig stand Ethan auf und nahm am äußeren Gang Platz, während Anja sich dem Fenster zuwandte. „Ich halte jetzt etwas Wache und du ruhst dich noch etwas aus“, erklärte sie, ehe ihre linke Hand seinen Kopf sanft von hinten umgriff und an ihre Schulter drückte. „Was tust du da?“, fragte Ethan erschrocken. „Na. So ist das doch viel angenehmer. Außerdem warst du doch vorhin auch mein Kissen“, rechtfertigte sich Anja trocken und ließ den Arm um seine Schulter fallen. „Also mach einfach die Augen zu“, lächelte sie ihn an und strich ihm dabei sanft über den Arm.
Was war das bloß für ein komisches Gefühl. In ihrem Armen wurde ihm auf einmal so komisch warm und sein Herz begann schneller zu schlagen. Nicht vor Angst sondern da war ein unbekannter Grund. Zumindest sein Körper schien die Nähe zu ihr als sehr wohlig zu empfinden und so schloss Ethan seine Augen und genoss die Nähe zu Anja, während er langsam aber sich entschlief.......
Die Stadt der Liebe. So wurde sie von den meisten Menschen genannt. Ein Ort an dem schon viele historische Kriege ausgefochten wurden. Die französische Revolution hatte Ethan bereits schon früh in der Schule durchgenommen. Seine Mutter hingegen brachte ihm die Sprache bei, da sie eine gewisse Zeit dort gewohnt hatten. Kurz blickte Ethan nach dem Aufwachen zu ihr herüber. Nina war in ein Gespräch mit Leila vertieft und bemerkte seine Blicke nicht einmal. „Wie spät ist es?“, fragte er gähnend und brachte seinen Körper in eine aufrechte Position. „Wir sind bald da. Du hast geschnarcht wie eine Kettensäge“, grinste Anja frech. „Solange ich nichts abgerissen hab“, antwortete Ethan keck und zog aus seinem Rucksack eine Flasche Wasser hervor, deren Inhalt auch sogleich seinen Durst löschen sollte. „Du bist ja wach. Hast du einigermaßen ruhig schlafen können?“, fragte Nina. „ Ich bin fit wie ein Turnschuh“, antwortete Ethan und nahm sogleich einen Schluck aus der Flasche. „Also ich freue mich ja tierisch auf den Eiffelturm. Den kennt man ja sonst nur aus den Nachrichten." „Leila. Das wird kein Kurzurlaub. Wir sind zum arbeiten hier“, versuchte Michael die junge Dame wieder in die Realität zurückzuholen. „Vielleicht ist ja ein kleines bisschen Zeit für eine Tour?“, fragte sie mit dem rechten Auge zwinkernd. „Mal sehen“, antwortete Michael knapp, während sich Nina ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Konntet ihr eigentlich in der Zeit noch den Kelch etwas studieren“, fragte Anja. „Nicht viel. Es sind römische Ziffern auf dem Griff eingraviert worden. Allerdings haben wir noch nicht herausgefunden, wofür diese stehen“, antwortete Nina. „ Der zweite Kelch wird bestimmt Licht ins Dunkel bringen“, versuchte Ethan seine Mutter aufzumuntern, was sie auch prompt mit einem Lächeln beantwortete.
„Sehr geehrte Fahrgäste. In Kürze erreichen wir Paris Hauptbahnhof. Der Ausstieg erfolgt in Fahrtrichtung rechts. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Dieser Zug endet hier."
Eine große Bewegung folgte auf dieser Nachricht. Alle Passagiere begannen sich für den Ausstieg bereit zu machen. Zügig verfrachtete Ethan die Flasche in den Rucksack und blickte an Anja vorbei nach draußen, wo das perfekte Wetter sie geradewegs zu begrüßen schien. Die Sonne lachte vom Himmel herab. Keine einzige Wolke bedeckte den blauen Himmel. „Wie geht es eigentlich von hier aus weiter?“, fragte Anja in die Runde. „Ein Freund, der damals bei Alans Tod dabei war, wohnt in der Stadt. Er wird uns am Bahnhof erwarten“, antwortete Nina, während der Zug immer langsamer wurde und schließlich laut zum Stehen kam. „Endlich!“, freute sich Leila und schloss schnell zu einer Gruppe auf, die sich bereits durch den schmalen Türspalt drängelte. „Die hat aber auch Hummeln im Hintern“, kommentierte Ethan, diesen blitzschnellen Abgang. „Du gewöhnst dich daran“, grinste Anja und trat hinter Michael und Nina. Ethan folgte langsamen Schrittes, bis sich die Gruppe auf dem Bahnsteig wiederfand. „Was für ein tolles Wetter“, bemerkte Nina, die sich erst einmal zu strecken begann, während alle anderen noch mal ihre Rucksäcke kontrollierten. „Wann wollte uns denn dein Kontakt abholen?“, fragte Michael mit einem Blick auf seine Armbanduhr. Prüfend tat Nina das gleiche. „Eigentlich müsste er schon auf dem Weg sein. Aber bei dem Zulauf hier, wird das sicher noch etwas dauern“, schätzte sie. „Das ist so schön hier. Schade, das wir nicht so viel Zeit haben, die Sehenswürdigkeiten zu sehen“, seufzte Anja. „Vielleicht fährt ja Ethan irgendwann mal mit dir hierher. So für ein Wochenende“, scherzte Nina. „Also bitte!“, warf Anja geschockt dazwischen, ehe sie und er wieder knallrot im Gesicht wurden. „So wie ihr miteinander umgeht, könnte man doch meinen ihr seit ein Paar“, scherzte seine Mutter weiter. „ Du übertreibst etwas. Findest du nicht?“, fragte Ethan leicht angesäuert. „Ist doch nicht böse gemeint“, folgte promt die Entschuldigung. „Wir passen einfach aufeinander auf. Ist ja auch kein Wunder. Bei dem was wir alles erleben“, versuchte Anja sich an einer Antwort, ehe ein älterer Mann im Trenchcoat an die Gruppe heran trat. „Hallo zusammen“, grüßte der Fremde in die Runde.
Gott! Wie alt mochte der wohl sein? Ethan begann zu schätzen und blieb so in den Fünfzigern hängen. Den Späten wohlgemerkt! „George! Schön dich zu sehen“, freute sich Nina und ließ eine Umarmung folgen. Herzlichst erwiderte der Fremde. „Gut siehst du aus“, sprach der Mann. „Schmeichler“, winkte Nina scherzend ab. „ Ethan? Bist du das?“ Neugierig und mit großen Augen trat der alte Mann an ihn heran. „ Äh. Ja. Das bin ich“, antwortete Ethan verunsichert, während die Augen hinauf blickten.
Ein wirklich großer alter Mann mit guter Figur und doch schlich sich da ein Problem ein. Wer zum Henker war das? Der Mann schien ihn zu kennen. Innerlich arbeiten jene Gehirnwindungen auf Hochtouren, versuchend an Erinnerungen heran zukommen. „Er war noch zu jung. Das ist doch jetzt zehn Jahre her“, warf Nina dazwischen. „Eine zu lange Zeit. Aus dir ist ja ein richtiger Mann geworden“, staunte George nicht schlecht und setzte zu einer Umarmung an. „Ma?“, fragte Ethan verunsichert, ehe der Körperkontakt erfolgte. Peinlich berührt ließ er es zu, während die anderen daneben standen und sich scheinbar köstlich über jene Erinnerungslücken amüsierten. „George war damals dabei, als die Expedition schief ging und dein Vater umkam“, antwortete Nina. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ein gewaltiges Scheunentor an Erinnerungen tat sich auf einmal angesichts der Aussage von Nina auf. Innerlich schlug Ethan mit der Hand gegen den Kopf. „Onkel George. Ich erinnere mich." „Ein Gedächtnis wie sein Vater“, lobte George, der sich kurz darauf von Nina auch gleich noch den anderen vorstellen ließ.
Nach einer circa zehn minütigen Gesprächsrunde deutete George der Gruppe an, zu folgen. „Ich habe bereits in einem Hotel Zimmer für euch reservieren lassen. Hoffe das geht in Ordnung?“, fragte er und stieg die Treppen hinab. „Hast wieder mal an alles gedacht. Es wird für unsere Zwecke sicher ausreichen“, antwortete Nina. „Du hast mir gar nicht gesagt, was ihr genau in Paris wollt? Aber wenn ich so nachdenke, kann es eigentlich nur einen Grund geben." George hielt kurz inne und führte die Gruppe durch eine massive Menschenansammlung. Von überall her roch es nach Essen. Egal ob gebraten, gebacken oder frittiert. Scheinbar konnte man hier echt alles finden. „Hat man denn die Kirche wieder freigegeben?“, fragte Michael. „Der obere Teil ist für die Bevölkerung zugänglich. Die unteren Tunnel und Krypten wurden seit dem Unfall gesperrt“, antwortete George und hielt kurz an. „Habt ihr schon was gegessen?." Neugierig blickte er jeden einzelnen von Ihnen an. „Ich denke wir werden uns im Hotel erst einmal bequem machen und dann was Essen gehen“, erklärte Nina.
Alle nickten zustimmend und so nahm George wieder Tempo auf und führte die Gruppe schließlich ins Freie. „Willkommen in Paris!“ Eine Flut an Autos fuhr regelrecht immer wieder vor und ließ Menschen entweder ein- oder aussteigen. Weiter entfernt befand sich eine Bushaltestelle und in noch weiter Entfernung erspähte Ethan auch sogleich das erste Meisterwerk. Der Eiffelturm. Majestätisch ragte dieser metallene Riese in die Höhe um über jene Stadt zu wachen. „Bin echt beeindruckt. Hier ist ja noch mehr los als früher“, bemerkte Nina. „ Kommt. Ich bin mit einem großen Wagen da. Der sollte für uns alle reichen“, erklärte George und führte die Gruppe weiter auf einen Parkplatz, wo das besagte Automobil bereits auf sie wartete. Am Steuer saß ein Mann, welcher der alltäglichen Sucht des Rauchens nachkam. Leichte Rauchschwaden bahnten sich den Weg durch das offene Fenster ins Freie, während fremdsprachige Popmusik aus dem Radio dröhnte. „Kevin. Ich hab dir gesagt, dass du nicht im Auto rauchen sollst“, fluchte George und trat an das Fenster heran. „Irgendwie muss man sich halt die Zeit vertreiben“, grummelte der junge Mann und schnippte die Zigarette aus dem Auto. „Mach das draußen. Nicht hier drin!“, forderte George eindringlich und ließ seine Fahrtgäste den großen Van betreten. „Sehr geräumig“, bemerkte Anja und nahm neben Leila Platz. Ethan wiederum setzte sich neben Anja, während Nina und Michael auf der anderen Seite saßen. „Dann wollen wir mal." Mit diesen Worten setzte sich George nach vorne auf den Beifahrersitz und deutete Kevin an, loszufahren.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Zumindest aus Ethans Sicht, der wenig Interesse daran zeigte sich die Stadt anzusehen. Leila und Anja hingegen, hätten sicherlich noch mehr Zeit in dem Van verbringen können, um auch noch die letzten Sehenswürdigkeiten zu Gesicht zu bekommen. Aber als man schließlich das Hotel erreichte, mussten die beiden die Sight – Seeing – Tour unterbrechen.
Beinahe stürmisch verließen sie das Auto und schauten sich um, während Ethan ruhig zu Ihnen aufschloss. „Das ist aber ein edler Schuppen“, staunte Leila. „Schuppen?“, hakte George stirnrunzelnd nach. „Hotel“, entschuldigte sich Leila sogleich und lief die steinernen Treppenstufen hinauf. „Hast du etwa viel Geld ausgegeben?“, fragte Nina besorgt nach. „Da mach dir mal keine Sorgen“, winkte George ab, der auch sogleich wieder die Führung übernahm und die Gruppe in das Innere führte. „Da bekommt der Satz, zu leben wie Gott in Frankreich eine neue Bedeutung“, staunte Anja. Sie hatte recht. Man konnte sich der wundervollen Architektur wirklich nicht erwehren. Die ganzen Bilder und Statuen mussten schon etliche Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Fein gearbeitete Reliefs an den Torbögen und Türrahmen konnte nur ein Meister hergestellt haben. „Beeindruckend“, staunte Ethan, der seinen Blick nur schwer wieder nach vorne richten konnte. Dabei musste sich die Eingangshalle sicherlich nicht verstecken. Der Boden zeigte sich mit Fliesen und Fresken ausgelegt, auf denen wiederum einige Bilder zu sehen waren. In den Ecken des Raumes befanden sich einige Sitzgelegenheiten, während die Mitte des Raumes von einem kleinen Brunnen eingenommen wurde.
Der Weg führte die Gruppe schließlich an dem Brunnen vorbei zum Empfang, wo bereit eine liebreizende Dame auf sie wartete. „ Bonjour“, begrüßte sie diese lächelnd. „Guten Tag. Ich hatte reserviert“, begann George das Gespräch. „Sie kommen aus Deutschland?“, fragte die Dame neugierig. „Oh ja. Wir sind hier um diese tolle Stadt zu besichtigen“, antwortete George lächelnd. „Dann freut es mich umso mehr sie in unserem Hause begrüßen zu dürfen. Auf welchem Namen haben sie reserviert?“, fragte die Dame. „Stanfield." Schnell huschten die zarten Finger über die Tastatur, während die Augen prüfend dem Monitor zugewandt waren. „Da hab ich sie. Ein Doppelzimmer und drei Einzelzimmer. Nebeneinander.“ Routiniert zogen die Finger mehrere Chip – Karten hervor. „Gibt es Gepäck, das wir nach oben bringen sollen?" Höflich blickte die Dame noch ein mal in die Runde, ehe Nina verneinte und die Karten entgegen nahm. „Dann einen schönen Aufenthalt.“ Nach diesem Abschluss machte Nina für die nachfolgende Gruppe Platz. „Die Einzelzimmer sind für Michael, Ethan und mich." Vorsichtig nahm Ethan den Schlüssel entgegen. „Frauenwirtschaft“, grinste Anja. „Ich würde sagen, wir treffen uns nachher alle bei Anja und Leila und besprechen die weitere Vorgehensweise“, schlug Michael vor. „Eine gute Idee“, bestätigte Nina.
Ethan seufzte innerlich. Irgendwie schienen alle hier den totalen Durchblick zu haben. „Ethan. Ist alles in Ordnung?“, fragte Anja nach. „Die Schulter tut noch etwas weh“, winkte er ab. „Ist das wirklich alles?“, bohrte sie nach, während sie den anderen zum Fahrstuhl folgten. „Ich kann mich nur schwer konzentrieren. In der Schule war alles irgendwie einfacher“, gestand er. „Manchmal frage ich mich auch, was das alles hier soll und ob ich damals nicht besser meinen Weg hätte gehen sollen“, erklärte Anja nachdenklich. „Hattest du etwa keine Wahl?“, fragte Ethan. „Mein Schicksal stand doch von Anfang an fest. Der Orden war einfach meine Bestimmung“, antwortete Anja. „ Weinst du dieser Zeit nie nach?." „ Sicher tu ich das. Doch im Gegenzug weiß ich auch, dass dies alles hier sehr wichtig ist. Ich meine, seit Generationen sucht dieser Orden nach den Artefakten. Ich will einfach glauben, dass einfach mehr dahinter steckt“, fügte sie hinzu.
Leise setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung und hielt schließlich im vierten Stock an. „Hoffe einfach, das dein Glaube daran niemals enttäuscht wird“, erklärte Ethan, während sie das Transportmittel verließen und sich nach den Zimmer umsahen. „Das wird er sicher nicht. Mit Glauben kann man alles erreichen“, versicherte ihm Anja. „ Das ist gut. Bis später“, sprach Ethan und zog seine Karte hervor. Sein Zimmer lag genau neben dem von Anja und Leila.
Langsam fuhr die Karte durch den Schlitz......
Völlig erleichtert betrat Ethan das geräumige Zimmer und ließ sich auf das Bett fallen. Endlich hatte er mal etwas Zeit für sich und vor allem die Ruhe, die Geschehnisse der letzten Woche noch einmal Revue passieren zu lassen. Es war einfach viel passiert seit dem ersten Besuch an der Uni. Seufzend fand der schwere Kopf den direkten Weg in das weiche Kissen.
Warum traf es überhaupt ihn? Warum seine Familie? Er spielt zwar den anderen vor, das alles in Ordnung sei. Doch die innere Gedankenwelt verriet etwas anderes. Dort herrschte das reinste Chaos und es war nicht abzusehen, wann sich das legen würde. Erschöpft stand Ethan auf und ging ans Fenster um etwas Sauerstoff in den Raum zu lassen. Dann ließ er sich wieder auf das Bett fallen, wo die reichlich verzierte Decke zum Nachdenken einlud. „Wenn das alles vorbei ist, werde ich auf jeden Fall meinen Weg selbst gehen“, dachte er sich, während die angenehme Luft von draußen wohlig die Nase umspielte.
Aber wer weiß, wie lange die Reise noch dauern würde? Der Standort des dritten Kelches lag noch immer im dunkeln. Geschweige denn das die Gruppe schon den Zweiten sicher verwahrt hatte. „Ethan? Bist du fertig?“, holte ihn Anjas Stimme von draußen in die Realität zurück. Langsam hob sich der Körper aus dem bequemen Bett und trottete Richtung Tür. „Bin da.“ Gähnend betätigte die Hand den verchromten Griff. „Geht es schon los?" Fragend blickte er zu Anja herüber. „Brauchst du noch mehr Zeit“, erwiderte sie besorgt. „Es geht schon. Ich bin voll da“, antwortete Ethan und steckte die Schlüsselkarte vom Schreibtisch in seine Tasche. Dann schloss er die Tür und folgte Anja in das Nebenzimmer, wo bereits die anderen warteten. Auf dem Tisch dampften zwei Kannen vor sich hin. Die eine roch sichtlich nach Kaffee. Bei der anderen schien es sich um Tee zu handeln. „Dann sind wir ja alle vollzählig“, freut sich Nina.
Kommentarlos setzte sich Ethan auf einen bereitgestellten Stuhl und goss sich etwas Tee ein. „Krieg ich auch welchen?“, bat Leila und schob ihre Tasse herüber. „Klar.“ Die anderen entschieden sich für den Kaffee. „Also. Wir müssen irgendwie in die Katakomben kommen“, begann Michael die Gesprächsrunde. „Die unteren Bereiche sind nicht das Problem. Der Eingang zu eben diesen aber schon eher“, warf Georg dazwischen. „So viele Wachen werden da wohl nicht herumstehen“, fügte Leila hinzu. „Das nicht. Aber seit einigen Wochen treiben sicher immer wieder komische Leute in der Kirche herum“, erklärte George. „Komische Leute?“, hakte Ethan nach. „Männer in Anzügen. Die sehen nicht gerade koscher aus“, antwortete George. „Wie sind die bloß dahinter gekommen?“, fluchte Anja leise. „Sie haben die Katakomben noch nicht erforschen können." „Oder sie sind nicht fündig geworden“, beendete Nina Georges Satz und nahm einen Schluck Kaffee. „Vielleicht sollte man erst einmal die Lage auskundschaften und ein Bild von der Lage machen“, schlug Leila vor. „Das ist eine gute Idee. George oder meine Wenigkeit sollten dich aber begleiten“, erklärte Nina mit ernster Miene. „Soll mir recht sein. Ich kenne mich ja hier eh nicht aus“, entgegnete Leila ohne Widerstand. „Ich werde es tun. Die meisten Schleichwege sind mir bekannt“, erklärte Georg. „In Ordnung. Aber seit vorsichtig“, bat Nina. „Mach dir keine Sorgen. Ich passe schon auf“, versuchte er sie zu beruhigen und stand auf. „Glaube, da passe ich eher auf den alten Knacker auf“, konterte Leila zwinkernd und tat es George gleich. „Wie lange werdet ihr brauchen?“, fragte Nina. „Zwei bis drei Stunden“, schätzte George, während Leila sich fertig machte. „Das geht in Ordnung“, nickte Michael zustimmend. Dann verschwanden die Beiden aus dem Hotelzimmer. „Also ich werde mir erst einmal eine schöne Dusche gönnen“, erklärte Ethan und stand auf. „Das ist eine gute Idee“, fügte Anja hinzu. „ Michael und ich werden noch einmal den Kelch studieren. Aber dafür brauchen wir euch nicht“, lächelte Nina. Ethan nickte zustimmend und zog sich darauf hin zurück um seinen Körper doch endlich was Gutes zu tun.
Eine dreiviertel Stunde verging, ehe Ethan sich wieder zu den anderen gesellte. „Du duscht länger als jede Frau“, scherzte Anja. „War auf Wasserentzug“, konterte Ethan und stupste sie frech in die Seite. „Ich werde aus diesem Teil einfach nicht schlau“, warf Michael fluchend dazwischen und raufte sich die Haare. „Niemand hat gesagt das es einfach würde“, seufzte Nina, die noch immer den goldenen Kelch anstarrte. „Habt ihr denn gar keinen Anhaltspunkt?“, fragte Anja. „Die könnten für alles stehen. Ohne einen Bezug könnte sich das echt hinziehen“, antwortete Michael wütend und gönnte sich erst einmal eine Tasse Kaffee. „Die Ritter müssen sich etwas dabei gedacht haben. Es ist vielleicht ein Code der sich uns dann offenbart, wenn der zweite Kelch in unserem Besitz ist“, entgegnete Ethan, als es plötzlich an der Tür klopfte. „Sind die etwa schon zurück?“ Ungläubig stand Nina und öffnete die Türe. „ Was zum Teufel.....“, begann sie erschrocken, als ihr Körper kurz darauf in dem Zimmer zu Boden krachte.
Völlig erschrocken wandte sich Ethan um. Seine Mutter lag am Boden und hielt sich den Bauch. Über ihr stand ein Mann mit einer Pistole. „Ich würde es befürworten, wenn sich das hier ohne Blutvergießen regeln ließe“, erklärte der Mann ruhig und trat in den Raum hinein. „ Wer sind sie? Was wollen sie?“, fragte Ethan besorgt, während sich Nina wieder aufrichtete. „Wir möchten nur den Kelch und dann wird sich Gott ihrer annehmen“, antwortete der Mann ruhig und machte Platz für die nachrückenden vier Männer, die schnell Anja und Michael umstellten. Völlig gelassen zog der Mann mittleren Alters die schwarzen Lederhandschuhe aus. „Wie konnten sie uns überhaupt so schnell finden“, fluchte Nina mit schmerzverzerrtem Gesicht und rappelte sich wieder auf. „Das war gar nicht so schwierig. Für manch einen wiegen die Sünden, als ob sie die ganze Last der Welt tragen“, sprach der Mann. „Ist die Wahrheit eine Sünde?“, fragte Ethan forsch. „Ich warne dich Bursche." Der vorher noch so ruhige Blick verwandelte sich innerhalb von Sekunden in eine finstere Miene, während die schweren Schritte die Strecke zu Ethan verkürzten. „Gott zu hinterfragen ist immer eine Sünde“, erklärte er leise und griff langsam unter sein Kinn. „Bete zum Herren und vielleicht befreit er dich von dem Makel, den du dir angelacht hast“, hauchte ihm der Mann ins Ohr. „Ich werde mir meinen Glauben garantiert nicht verbieten lassen“, widersetzte sich Ethan. „Schade." Gelangweilt lies er von ihm ab und wandte sich Nina zu. „ Sicher änderst du deine Entscheidung, wenn deine Mutter vor dem Herren gerichtet wird“, erklärte der Mann trocken und richtete seine Waffe auf ihre Stirn. „ Nicht!“, schrie Ethan panisch. „Gib mir den Kelch und entsage dich dem Orden. Dann lasse ich sie am Leben“, befahl er. „Das reicht!“, beendete George dieses Schauspiel. „Herr Pavla. Es ist nicht nötig Gewalt anzuwenden." Völlig erschrocken blickten sich die anderen gegenseitig an. „George? Warum?“, fragte Nina traurig. „Ich arbeite schon sehr lange für die Kirche“, antwortete er trocken. „ Hat Alan davon gewusst?“, bohrte Nina nach. „Sein Tod war unausweichlich. Versteh doch. Er stand kurz davor, am Fundament einer ganzen Religion zu rütteln“, versuchte sich George an einer Erklärung. „Du bist immer wie ein Vater für ihn gewesen. Alan hat zu dir aufgesehen und so dankst du es ihm?" Wut entbrannt stellte sich Nina vor ihren Sohn. „Seit wann ist das Wissen selbst zu einer Bedrohung für die Welt geworden?“, warf Michael wütend dazwischen. „Das Himmelsschiff könnte alles, was der Kirche lieb und teuer ist in den Abgrund stürzen“, rechtfertigte sich George. „Schon wieder dieses Himmelsschiff. Was ist das überhaupt“, fragte Ethan. „Wir wissen, dass ihr auf der Suche danach seit. Es ist zwecklos es zu leugnen“, sprach Pavla. „Wie konnte ich die ganze Zeit nur auf dich herein fallen“, schimpfte Nina, die sich nun gar nicht mehr zurückhielt. Ihre Oberarme begannen anzuspannen. Die Hände formten sich zu Fäusten. Man konnte förmlich spüren, wie sich die Wut den Weg durch den Körper bahnte. „Bitte beruhige dich“, versuchte Ethan einzugreifen und ergriff ihren linken Arm. Wütend drehte sie den Kopf in seine Richtung. Man konnte nur erahnen was gerade in ihr vorging. Der Blick sprach Bände.
Über zwanzig Jahre kannten sie einander und jetzt begann ein engster Freund der Familie auf einmal Verrat und das ohne auch nur einen triftigen Grund zu nennen. Aber das war jetzt auch nur zweitrangig. Ethan hatte bereits seinen Vater durch die Kirche verloren. Seine Mutter sollte nicht dasselbe Schicksal ereilen. „Ich brauche dich noch“, huschte es ihm leise über die Lippen, in der Hoffnung, das sich Nina wieder beruhigen würde. Von Rache getrieben wechselte der Blick immer wieder zwischen George und ihm hin und wer, eh sie sich geschlagen gab. „Und ich dich“, fügte sie hinzu, während die Wut in Trauer umschlug. „Herz ergreifend“, schluchzte Pavla regelrecht theatralisch, ehe er wieder einen ernsten Gesichtsausdruck auflegte. „Wir machen dem jetzt ein Ende. Nehmt euch den Kelch und tötet sie!“, befahl er. Die Männer setzten sich in Bewegung. „Ich habe da eine bessere Idee“, wandte George ein..........................................................................
Die Situation war immer noch angespannt. Flüchtig ließ Ethan seinen Blick durch den Raum gleiten. Zwei der vier Männer hielten Anja und Michael in Schach, während die anderen sich um Nina und ihn kümmerten. Genervt wandte sich Pavla um. „Was schwebt ihnen vor?“, fragte er neugierig und ließ die Waffe erst einmal sinken. „Wenn wir das Himmelsschiff finden wollen brauchen wir sie noch“, erklärte George. „Sie glauben also, dass diese Frau uns helfen wird?“, fragte Pavla. „Wir haben doch den Jungen und noch die anderen“, erklärte George. „Ich hoffe sie wissen, was sie da tun“, grummelte Pavla, der sich wohl schon sicher wiegte, einen weiteren Toten auf seine Liste zu setzen. „ Was passiert denn jetzt?“, fragte Ethan ängstlich. „Deiner Mutter und dir wurde gerade etwas Zeit verschafft“, antwortete Pavla trocken und steckte die Waffe schließlich ganz weg. „Ich werde dir niemals helfen“, sperrte sich Nina. „Weigere dich nicht. Du willst doch nicht das Leben deiner Freunde auf dem Gewissen haben“, versuchte George sie umzustimmen. Ein Seufzer verließ ihre Lippen. Dann entspannten sich wieder ihre Muskeln. „Also gut. Aber versprich mir, dass Michael und Leila und vor allem meinem Sohn nichts passiert“, forderte Nina leise. „Du hast mein Wort.“ Konnte man diesen Sätzen glauben? Es blieb wohl nur ein Weg, um das heraus zu finden. „Ihr beide kommt mit." Mit einer lässigen Handbewegung wies er zwei Männer an aufzuschließen. „ Es wird alles gut“, versuchte Nina Ethan zu beruhigen.
Von wegen! Die Katastrophen reihten sich aneinander, als würde er sie magischen anziehen. Jetzt war nicht nur sein Leben in Gefahr, sondern auch das von seiner Mutter, Anja und Michael. Und was war mit Leila? Hatte George sie etwa beseitigen lassen? Innerlich schüttelte Ethan den Kopf, während die Gruppe ruhig den Gang entlang lief. Die Waffen ihrer Gegner waren unter den Mänteln verschwunden. Ob sie es überhaupt aus dem Hotel heraus schaffen würden? Erneut blickte Ethan zu Nina herüber. Ihr Gesichtsausdruck war starr vor Sorge und Wut und richtete sich eindeutig gegen George, der voran lief. „Machen sie keine Mätzchen“, sprach Pavla leise, als sie den Fahrstuhl verließen.
Spätestens hier hätte Ethan am liebsten laut um Hilfe geschrien. Doch Nina schien zu ahnen was er vor hatte und warf ihm nur einen kurzen Blick zu, welcher deutlich Bände sprach. „Tu es nicht!“ Ethan verstand und so konnten sie unbehelligt das Hotel verlassen. „Das war doch gar nicht so schlecht“, lobte Pavla. „ Was ist eigentlich mit Leila passiert?“, sprudelte es aus Ethan heraus. „Um die musst du dir keine Sorgen mehr machen“, antwortete George knapp, während sie erneut den Van ansteuerten.
Wie schon Stunden zuvor saß wieder Kevin am Steuer und dröhnte sich die Ohren mit lauter Musik voll. „Darf ich bitten?“, forderte Pavla und nahm sich den Beifahrerplatz vor. Nina, Ethan, George und die beiden Männer nahmen hinten Platz. „Wie konnte es nur dazu kommen?“, fragte Nina, als der Wagen sich in Bewegung setzte. „Du weißt so einiges aus meinem Leben nicht“, antwortete George knapp. „Dann erkläre es mir“, flehte Nina eindringlich. „Weißt du eigentlich, wie mein Leben war, bevor ich euch kennenlernte?“, fragte George. „Nein. Du hast ja immer ein großes Geheimnis daraus gemacht“, entgegnete Nina. „In archäologischen Kreisen bracht man mir nur Hohn und Spott entgegen. Niemand wollte meine Expeditionen finanzieren, da ich nichts vorzuweisen hatte“, erklärte George. „Aber du bist doch kein Niemand. Für Alan und mich warst du alles. Ohne dich hätten wir doch das Grab damals nicht gefunden“, warf Nina ruhig dazwischen.
Ungläubig verdrehte Ethan die Augen. Was trieb seine Mutter da jetzt eigentlich? Mitleid mit dem Feind? Denn statt George mal ordentlich die Meinung zu geigen versuchte sie tatsächlich ruhig und sachlich auf ihn einzureden und seine Motive zu verstehen. Dabei zeigte sich die Sachlage doch klar wie Kloßbrühe. Er war der Feind und sie seine Feinde. Da gab es nun wirklich keinerlei Freiraum für Bekehrungen jeglicher Art. „Du kannst es dir nicht vorstellen, wenn du die Therapie deiner Frau nicht bezahlen kannst und sie deswegen in deinen Armen stirbt“, schimpfte George. „Hätte sie den gewollt, dass du zu solchen Mitteln greifst?“, versuchte Nina ihm ins Gewissen zu reden. Wütend kramte George die Pistole heraus. „Weißt du wie oft sie sich diese Pistole an den Kopf gesetzt hat? Die Schmerzen waren für sie unerträglich. Jeden Tag. Leid um Leid und keine Besserung in Sicht“, schimpfte George weiter. „Ich kann nur erahnen, das der Krebs für deine Frau die Hölle gewesen sein muss. Aber du hast doch auch noch eine Tochter und einen Sohn?" „ Maria will schon lange nichts mehr mit ihrem Vater zu tun haben“, seufzte George. „Was ist mit Tim?“, fragte Nina. „ Der wächst bei Pflegeeltern auf. Der Tod von Sarah hat mich zum Alkohol getrieben, so das man mir das Umgangsrecht verweigerte“, seufzte George. „Da hast du dich kurzerhand entschlossen den einfachen Weg zu gehen, statt zu kämpfen?“, fragte Nina eindringlich. „Einfach? Ich habe zu Gott gebetet, dass er mich erlösen möge“, antwortete George. „Deine Geschichte ist traurig. Aber sag mir eines? Rechtfertigt dies, das Töten von Menschen?“, schaltete sich Ethan jetzt ein. „Junge. Du hast doch gar keine Ahnung, was man alles tut, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht“, rechtfertigte sich George. „Ich habe doch deine Referenzen gesehen? Alan hat dich damals ausgewählt, weil du einfach der beste Kandidat warst“, versuchte Nina das Gespräch wieder in eine andere Bahn zu lenken. „Da haben wir etwas nachgeholfen. Ein paar Änderungen hier und da und schon war der perfekte Lebenslauf fertig“, antwortete Pavla von vorne. „Man hat mir ein neues Leben ermöglicht. Ich war wieder im Stande ein Leben zu führen. Durfte Vorlesungen an den Universitäten halten. Doktoren begleiten. Die ganze Welt stand mir wieder offen“, erinnerte sich George. „Für ein neues Leben hast du alles geopfert. Schämen solltest du dich“, tadelte Nina. „Verstehst du es nicht? Gott hat meine Gebete erhört. Ich wurde ausgewählt, um in seinen Namen, die Gotteslästerer zu bestrafen. Ich wurde gesegnet“, erklärte George, dessen Gesichtsausdruck nun einen Hauch von Wahnsinn inne hatte.
Wollte er wirklich glauben, dass Gott ihn auf eine Mission geschickt hatte, um die Welt vor den Ungläubigen zu reinigen? Scheinbar liefen einige Synapsen in seinem Gehirn doch nicht ganz so rund. „Gott will bestimmt nicht, dass du andere Leute in seinem Namen tötest, nur weil sie an etwas anderes glauben“, versuchte Nina auf diesen Wahnsinnigen einzureden. „Eurer Orden hat sich von Gott abgewannt, glaubt daran sein Wissen zu beschützen. Wer hat euch das Recht dazu gegeben “, fragte George mit der Waffe fuchtelnd. „Der Orden beschützt das Wissen und die Wahrheit“, antwortete Nina. „Was für eine Wahrheit soll das sein?“, bohrte George nach. „Es steckt mehr in der Geschichte, als wir je ahnen können. Unsere Vorfahren haben die Wahrheit mit ins Grab genommen, um die Menschen vor Schaden zu bewahren. Nur ein einziges Buch hat die Reise quer durch die Zeiten überstanden und erzählt uns im Ansatz ihre Geschichte“, erklärte Nina. „ Ein Buch, das die Kirche nicht anerkennt. Das einzig wahre Buch ist die Bibel, welche uns von Gott gesandt und von den Menschen nieder geschrieben wurde“, warf Pavla dazwischen. „In diesem Buch steht von einer Wahrheit geschrieben, die sich im Gewölbe des Wissens befindet. Ist es nicht unsere Aufgabe sich dieser Sache anzunehmen?“, fragte Nina. „Was würde wohl passieren, wenn auf einmal diese Lügenpropaganda in die Öffentlichkeit gelangt?“, fragte Pavla. „ Aber wir wissen doch noch gar nicht, um was es sich dabei handelt?“, konterte Nina. „Als vor über siebenhundert Jahren, sich die Tempelritter an die Kirche wandten, um den Frevel zu melden, den ihre Ordensbrüder begannen hatten, offenbarte sich eine Prüfung“, begann Pavla zu erzählen. „Was für eine Prüfung soll denn das sein“, winkte Nina ab. „Der Glauben wurde auf eine Probe gestellt. Das Fundament auch dem sich unsere Zivilisation entwickelte, drohte ins Wanken zu geraten. Und das nur weil ein paar abtrünnige Ritter dem Wahn anheim fielen, von Gott auserwählt zu sein“, erklärte Pavla. „Glaubte die Kirche vor ihren Türen in einen Glaubenskrieg verwickelt zu werden?“, fragte Nina forsch. „Die Gefahr bestand und sie besteht noch heute durch Menschen wie sie“, antwortete Pavla. „Das ist doch lächerlich“, schüttelte Nina ungläubig den Kopf. „Wenn erst einmal die Gefahr gebannt ist, wird Gott uns schon belohnen“, sprach George. „Nur weil man vielleicht etwas nicht versteht, muss es sich nicht gleich um den Weltuntergang handeln“, scherzte Nina. „Wissen sie, was total komisch ist?“, fragte Pavla. „Jetzt kommt es“, rollte Ethan mit den Augen. „Keiner von Ihnen kann mir sagen, was sich in dem Gewölbe befindet. Sie beschützen etwas, ohne zu wissen um was es sich handelt“, lächelte Pavla abwertend. „Dafür scheinen sie ja umso mehr Ahnung zu haben“, spottete Nina. „Das Himmelsschiff muss vernichtet werden“, erklärte Pavla. „Was soll das überhaupt sein?“, fragte Ethan. „Zufällig gelang es der Kirche einen eurer Ordensritter gegen Ende des 16. Jahrhunderts gefangen zu nehmen“, begann Pavla zu erzählen. „Und?" „ Unter großer Folter sprach er immer von einem Schiff mit dem man zu Gott selbst gelangen konnte“, antwortete Pavla. „Davon habe ich ja noch nie etwas gehört“, sprach Nina. „Nun. Der Ritter starb und die Kirche räumte der Suche nach diesem Schiff oberste Priorität ein“, erklärte Pavla weiter. „ Das klingt doch alles sehr weit hergeholt. Ein Ding das durch Wolken fährt“, begann Nina zu schmunzeln. Wie wahr, wie wahr. Da konnte auch Ethan selbst nur schmunzeln. Dabei musste er sich immer wieder den bildlichen Gedanken stellen, wie so ein alter Holzkahn über Wolken schipperte. Auf der anderen Seite ließ ihn die Aussage von Pavla doch aufhorchen . Einige Puzzle - Teile der letzten Tage fügten sich vor Ethans geistigem Auge zusammen. Die Karte. Die drei Ritter. Konnte das wirklich passen? „Das ergibt durch aus Sinn“, schaltete sich Ethan ins Gespräch ein. „Wie meinst du das?“, fragte Nina überrascht. „Denk doch mal nach? Die Lage, wo sich das Gewölbe befindet, wurde drei Rittern anvertraut. Man wollte so bestimmt sichergehen, das niemand etwas ausplaudern konnte“, versuchte sich Ethan an einer Theorie.
Stille kehrte ein und die alle Beteiligten sahen sich einander an. Gott! Warum musste er sich jetzt einmischen und so einen abstrusen Mist von sich geben? Dabei klang es auf den ersten Blick wirklich logisch. „Ihr Sohn ist wirklich intelligent“, lobte Pavla völlig überraschend. „Das hat er sicher von seinem Vater“, fügte George hinzu. „Einfach nur geraten“, versuchte Ethan sich leise herunterzuspielen. „Wir sind da!“, unterbrach Kevin die Gesprächsrunde und lenkte das Fahrzeug auf einen Parkplatz.......................
Langsam kam der schwarze Van zum Stehen. „Bringen wir es hinter uns." Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch öffnete Nina die Türe und stieg aus. Ethan folgte ihr. Die beiden bewaffneten Männer schirmten die Rückseite ab. George und Pavla gingen voraus. „Ich war schon ewig nicht mehr hier“, schwelgte Nina in Erinnerungen. „Ich kann mich da kaum noch dran erinnern“, sprach Ethan. „Ist vielleicht auch ganz gut so. Dieser Ort wird immer ein schmerzender Teil meines Lebens darstellen“, fügte Nina traurig hinzu und folgte den beiden Männern die steinernen Treppen hinauf. Rechts und links stand auf einem Sockel Engel – Statuen, die ein Schwert in den Himmel streckten. „Es ist unglaublich, wie gut noch alles erhalten ist.“ Staunend fuhr Nina mit der Hand langsam über die kalte Steinoberfläche der Engel hinweg, während Ethan seinen Blick über das Bauwerk wandern ließ. Tatsächlich machte die mittelalterliche Kirche von außen einen unversehrten Eindruck. Das Mauerwerk glänzte in einem matten Grauton. Die Buntglasfenster strahlten im Sonnenlicht förmlich um die Wette. Und über all dem thronten zwei gewaltige Türme, die bis in den Himmel hinauf ragten. Dort oben konnte man Gott nur am nächsten sein.
Langsam ließ George seine Hände auf den hölzernen Türgriff fallen. „Möchtest du?“, fragte er vorsichtig zu Nina herüber. Sie nicke zustimmend und stellte sich auf die anderen Seite, so dass beide mit vereinter Kraft, die Pforte aufdrücken konnten. Ethan hielt kurz inne. Es war beinahe so als würde gleichzeitig in seinem Kopf eine Tür aufgehen. Ein Pfad zu einer Erinnerung hin, welche schon lange nicht mehr das Tageslicht gesehen hatte. Konne man wirklich diesen Schritt wagen? Vorsichtig näherte sich Ethan dem Raum, in dem man nicht mal die Hand vor Augen zu sehen vermochte. „Ist da wer?“, rief er in den Raum hinein, während seine Füsse einige weitere Schritte in den Raum hinein tat. Mit leisem Knarzen viel die Tür ins Schloss. Wie ein Mantel legte sich die Dunkelheit über den Verstand. Die Augen vermochten nichts zu sehen. Dafür verrichte das Hörorgan noch hervorragend den Dienst. Ein Geräusch. Ein sanftes Piepen, dass immer wieder unterbrochen wurde und sich dann fortsetzte, bis es schließlich durchgängig an Ethans Ohren hallte. Was war das bloß? Ethan ging weiter und ehe er sich versah, verschwand die Schwärze aus seinem Blickfeld und machte einem steineren Raum Platz. Auf der ersten Blick schien es sich um eine Höhle zu handeln. „Nun zieht ihn doch endlich heraus“, flehte eine ihm bekannte weibliche Stimme. Neugierig drehte Ethan sich um und erblickte seine Mutter und George, die vor einer zerstörten Tür knieten und einige Steinbrocken auf Seite räumten. Ihnen halfen noch weitere Männer in typischer Notarztkleidung. „Jetzt beeilt euch doch mal“, fluchte George, der nicht einmal bemerkte, wie ein kleiner Junge, von Neugier getrieben, sich dem Schauplatz näherte. „Ethan! Was machst du hier!“, erschrak Nina und stand auf. Ihre Stirn zierte ein Pflaster. Das Gesicht zeigte sich von Staub und Schmutz bedeckt. „Mama. Wo ist denn Papa?“, fragte der kleine Junge. Lächelnd kniete sie sich zu ihrem Sohn hinunter. „Dein Papa hat ein paar Schwierigkeiten. Aber deine Mama wird ihn daraus befreien“, antwortete sie leise.
Ethan begann sich zu erinnern. Neugierig wollte er das Drama verfolgen und näherte sich seiner Mutter. Damals wäre ihm eine solche Beschwichtigung, kurzum genannt Notlüge, sicherlich nicht aufgefallen. Doch jetzt zeigte er sich älter, reifer und vermochte es zu sehen, wenn sie etwas zu verbergen hatte. Ihr Lächeln wirkte sehr aufgesetzt. Kein Wunder! Schließlich wollte sie ihrem Sohn nicht gleich auf die Nase binden, das jener geliebter Vater nicht mehr unter ihnen weilte. Auf der anderen Seite drohte die Maske zu zerbrechen. Wieviel Kraft brauchte es wohl, um die Maske aufrecht zu halten? „Bringen sie ihn bitte hier heraus“, bat Nina einen Hilfsarbeiter und wandte sich schnell wieder der Tür zu. Ethan senke traurig den Kopf. Tränen kullerten über seine Wange. Kein Wunder, das diese Erinnerung tief im Bewusstsein weg geschlossen wurde. Schließlich verschwand die Szene in einem dicken Nebelschwaden. Was kam jetzt? Wieder trat Ethan einige Schritte vorwärts, bis sich wieder eine Tür zeigte. Vorsichtig drückte die rechte Hand den metallenen Türknauf hinunter, ehe sich ein gewaltiger Flur die ehre gab. Was zum Teufel ging hier nur vor sich?
Planlos blickte er sich um. Da standen einige Stühle auf denen Personen saßen. Ein eckiger Bereich in dem zwei Frauen in weißen Klamotten saßen und telefonierten, während oben ein Schild stand mit der Aufschrift: Anmeldung. Ohne Zweifel handelte es sich hier um ein Krankenhaus. Ethan ging weiter und versuchte das Stimmenchaos zu sortieren, bis er Georges Stimme herausfilterte. „Wie lange dauert das denn noch?“ Zurück blieb nur noch ein Grummeln, als an der nächsten Ecke sich auch der passende Körper zur Stimme zeigte. Auf einem Stuhl saß George. Daneben saß Ethan in Begleitung von einer jungen Dame. Die musste wohl um die Zwanzig sein. Es schien beinahe so, als würde sie sich um den kleinen Macker kümmern, während Nina völlig aufgelöst den Flur auf und ab lief. „Warum habe ich nicht besser aufgepasst?“, machte sie sich laufend Vorwürfe. „Du konntest doch nichts dafür. Es war nicht deine Schuld“, versuchte George ihr das auszureden. „Ich hätte mich vorher über die Statik informieren müssen. Oder....ach ich weiß nicht“, fluchte sie lautstark unter Tränen. „Mama? Wie geht es denn Papa?“, fragte der junge Ethan neugierig. „Dein Papa hat sich verletzt und muss nun behandelt werden. Aber dem geht es sicherlich bald wieder besser“, antwortete die junge Dame. Nina nickte dankend, als ein Arzt an sie heran trat.
Auch wenn Ethan wusste, was jetzt gleich passiert, konnte er sich trotzdem diesem Moment nicht erwehren. Dieses Gefühl der Leere, das sich seinem Geist zu bemächtigen drohte. Der folgende Tränenausbruch seiner Mutter ließ schließlich alle Dämme brechen. Wie versteinert stand Ethan da und musste erneut mit ansehen wie das Schicksal erbarmungslos zuschlug. Nina sank zu Boden. Ein Meer aus Tränen ergoss sich über ihre Gesicht und tropfte auf den Boden. Aufgelöst schaute Ethan zur Decke, als erneut der Nebelschleier die Szene einhüllte. Völlig fertig sank der Körper auf die Knie. Das dieser Moment aus den Tiefen seines Bewusstseins den Weg an die Oberfläche fand war kaum zu ertragen. Sollte er sich in die Realität zurück holen? Für einen Moment glaubte Ethan zwei Durchgänge zu erkennen. Hinter dem Einen befand sich die Kirche, die Realität. Der Ort an dem alles angefangen hatte. Aus dem anderen Durchgang vernahm Ethan Stimmen.
Langsam trat er näher, mit der Entscheidung kämpfend welche Seite hier wohl die Richtige wäre. „Du hast schon soviel gesehen. Jetzt kannst du es auch durchziehen.“ Mit dem letzten Schritt durch das rechte Portal baute sich plötzlich eine alt bekannte Umgebung auf. Das Schlafzimmer von seiner Mutter! Die warmen Strahlen der Sonne tauchten den Raum in ein sanftes beiges Licht. „Nina. Bist du soweit?“, fragte George, plötzlich in der Tür stehend. „Ich bin gleich soweit“, antwortete Nina traurig während sie sich im Spiel betrachtete. Ihr Körper war in ein wunderschönes schwarzes Kleid gehüllt. Die Haare hochgesteckt erhielten noch den letzten Feinschliff. „ Du siehst toll aus Mama“, lobte der kleine Ethan auf dem Bett. „Danke mein Schatz“, lächelte Nina und drehte sich zu ihm um. „Ist Papa jetzt im Himmel?“, fragte er unschuldig. „ Ja. Er schaut von oben auf uns herab und sieht alles, was wir machen“, erklärte Nina, ehe ein leichter Kuss seine Stirn benetzte. „Finde es bewundernswert, wie du das alles hinbekommst“, sprach George sichtlich beeindruckt. „Ich muss mich damit abfinden. Außerdem seit ihr mir eine große Stütze“, erwiderte Nina. „Das ist auch das mindeste, was wir tun können“, warf George ein. „Aber ich denke, wenn das alles hier vorbei ist, werde ich mit Ethan ein neues Leben anfangen. Fernab von diesem Ort“, überlegte Nina und blickte wieder zu ihrem Sohn hinüber. „Ein Tapetenwechsel wird dir gut tun“, befürwortete George ihre Idee. „Na komm kleiner Mann. Wir gehen schon mal nach unten. Die Gäste warten bestimmt schon“, lächelte George und streckte die Hand aus. Ohne zu zögern hüpfte der kleine Ethan vom Bett herab, ergriff jene Hand und ließ sich nach unten begleiten, wo die erwähnten Menschen bereits auf ihn warteten. „ George. Es tut mir so leid."
Eine Frau in den 30ern trat an die Beiden heran und umarmte George. „Danke Linda. Es ist ein trauriger Tag für uns alle“, bedankte er sich. „Wie geht es dir Ethan?“, fragte Linda besorgt und kniete sich zu ihm hinunter. Völlig planlos starrte der junge in ihr Gesicht. „Ich glaube, er weiß noch nicht so richtig was passiert ist“, ergriff George wieder das Wort. „Dafür ist er auch noch viel zu jung. Das sollte ihn nicht belasten.“ Seufzend versuchte sie sich wieder unter das Volk zu mischen
Nachdenklich stand Ethan am Treppengeländer und beobachtete weiter das Szenario. In den folgenden Minuten musste sich seine junge Version mehr drücken lassen, als gefühlt, wie in einem Monat. Auch Nina hatte sich inzwischen eingefunden und begrüßte reihum alle Gäste. Auch diese junge Dame war wieder anwesend, die Ethan allerdings nicht zuordnen konnte. Wer konnte das bloß sein? Ein Hausmädchen? Babysitter? Ethan runzelte nachdenklich die Stirn. Doch die Erinnerung wollte einfach nicht an die Oberfläche. So musste er sich damit begnügen, dem Ablauf weiter bis zur Kirche zu folgen, wo der weiße Sarg seines Vater aufgebahrt lag. Blumenkränze schmückten ihn als Beiwerk, während der Priester eine rührende Rede hielt. Ethan lehnte sich an die Tür, die aus der Kapelle Richtung Friedhof führte. An diese Szene vermochte er sich noch am besten zu erinnern. Sie zeigte sich von erstaunlicher Klarheit und wieß deutlich weniger Unterbrechungen auf, als jene die zuvor kamen.
Schließlich endete die Reise am Liegeplatz. Traurig und mit Tränen im Gesicht beobachtete Ethan, wie der Sarg langsam aber sicher dem Erdreich übergeben wurde. Seine Mutter weinte bitterlich. Das Taschentuch war schon völlig durchnässt. Langsam trat sie an das Loch heran. Ihre rechte Hand hielt eine rote Rose fest umklammert. Dieser Augenblick sollte wohl niemals enden.
Sekundenlang starrten die roten Augen in das schwarze dunkle Loch hinab ehe die Rose langsam hinab sank. Vom Wind getragen landete sie sanft auf dem Sargdeckel. Mit den Tränen kämpfend trat Nina schließlich nach rechts. Eine schwarze Masse an Leibern reihte sich dicht aneinander , um Alan die letzte Ehre zu erweisen. Aber was war mit ihm? Wollte er sich das ganze noch einmal antun? Die ganze Erinnerung schien mit einem zu Stillstand zu kommen. Sämtliche Bewegungen der Personen froren regelrecht ein, als würde Ethans Verstand genau das wollen. Mutig setzte sich der Körper in Gang, bis sich schließlich das Loch auftat. Berührt sank Ethan auf die Knie und blickte nach links. Sein jüngeres Ich stand neben ihn und hatte die Rose in das Loch fallen lassen. Die Zeit hielt diesen ergreifenden Moment fest. Die Rose schwebte förmlich in der Luft. Ethan begann zu weinen. „Ich hoffe, dass du stolz auf mich bist. Egal von wo du auch immer zusiehst“, seufzte er leise und stand wieder auf. Ethan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe wieder Nebelschwaden, Besitz von der Erinnerung, ergriffen........................................................
Ethan hielt den Atem an. Seine Augen waren geschlossen. Jetzt würde alles vorbei sein. In seinem Verstand liefen die Momente der letzten Wochen wie in Zeitraffer dahin. „Ethan!" Ninas gewaltiger Schrei riss ihn aus dem Film fort und gab wieder die Realität preis. Noch immer zielte Pavla mit der Pistole auf ihn. Was war gerade passiert? Starr vor Angst blickte er nach links auf den Boden. Die Überreste des Projektils hatten den Stein leicht beschädigt und ein kleines Loch hinterlassen. „Brauchen sie noch eine Warnung?" Wütend starrte Pavla zu Nina herüber, die immer noch völlig panisch versuchte die Situation zu analysieren. „Also gut. Sie haben gewonnen“, gab sie schließlich nach. „Weise Entscheidung“, antwortete Pavla und ließ die Waffe erneut sinken. „Mutter!“ Aufgelöst rannte Ethan zu Nina herüber. „Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Wir schaffen das. Zusammen.“ Langsam wandte sich Ethan der Leiche zu. Es steckt einfach viel von deinem Vater in dir“, seufzte sie und stand auf. „Von dir ist auch viel da drin“, fügte Ethan hinzu, während seine rechte Hand symbolisch auf das Herz deutete. Anschließend trat er mit seiner Mutter an das Bild heran. „ Also gut. Wir wissen, dass das Pariser Wappen falsch ist“, erklärte Nina grübelnd. „Was ist mit dem anderen Wappen?“, fragte Ethan. „Das könnte auch eine Falle sein. Wenn ich doch nur einen Bezug hätte“, antwortete sie. „Es muss eine Lösung für das Rätsel geben. Der Kelch ist für die Ritter bestimmt und sie müssen doch Hinweise hinterlassen haben“, sprach Ethan.
Nachdenklich fuhr Nina mit der Hand über das feine steinerne Bild. „Es muss was mit dem Brief zu tun haben“, begann sie zu theoretisieren. „Du meinst jenen Schrieb, den Vater erhalten hat?“, fragte Ethan. „Es stand genau Charigols Name darauf. Wenn wir davon ausgehen, das die Ritter die Zukunft wussten, dann müssen sie auch mit diesem Augenblick gerechnet haben“, erklärte Nina, während sie sich den Angstschweiß von der Stirn wischte. „Ich glaube zwar nicht daran. Aber der Name Charigol hat sich gerade nicht wirklich als Lösung herausgestellt“, grummelte Ethan. „Vielleicht wollte man deinen Vater auf die richtige Spur bringen und die Entdeckung des anderen Grabes war einfach zur Zufall." „Dann müsste ja Rom die richtige Antwort sein“, sprach Ethan und blickte zu Pavla herüber.
Der Mann schien sich seiner Sache wohl weiterhin sehr sicher, da er immer noch völlig gelangweilt an der Seitenwand lehnte und die Beiden einfach nur beobachtete. „Was gibt es da zu gucken Junge“, raunte er. Ohne was zu sagen drehte er sich wieder dem Bild zu. „Ethan. Wir sollten es probieren. Mehr als falsch liegen können wir nicht“, sprach Nina völlig planlos.
Ethan nickte zustimmend. Mehr als schiefgehen konnte die Sache sowieso nicht mehr. Denn entweder sie hatten recht und der Sarg würde sich öffnen. In dem Fall würde sich Pavla den Kelch krallen und zwei weitere Leben auslöschen. Auf der anderen Seite wartete wahrscheinlich eh schon der Tod, falls sich wieder eine Falle auftat.
Vorsichtig legte Nina ihre Hände auf das andere Wappen und wartete kurz. Sie schien sich innerlich noch einmal zu sammeln und holte tief Luft. „Du packst das“, sprach Ethan ihr Mut zu. Dann drückte sie das Symbol hinein. Sekunden vergingen und auch dieses Mal ertönte ein leise Klacken. Stille. Nichts passierte. Erwartungsvoll blickten Ethan und Nina einander an, ehe der Sargdeckel sich plötzlich zu bewegen begann und auf Seite schwang. „Ich glaube es nicht“, freute sich Nina und fiel ihrem Sohn erst einmal um den Hals. „Glückwunsch“, lobte Pavla, während er ironisch Beifall klatschte. „Wahnsinn!." Die ganze Anspannung löste sich von Ethans Schultern. Jetzt waren sie nur einen Schritt vom zweiten Kelch entfernt. Mit weit geöffneten Augen standen die Beiden vor dem offenen Sarg. „ Zehn Jahre habe ich auf diesen Augenblick gewartet“, freute sich Nina, die auch sogleich wieder anfing sich den Tränen hinzugeben.
Aber diesmal waren es keine Tränen von Trauer, sondern von Freude. Überglücklich trat Nina weiter an den Sarg heran, um das Innere zu sehen. Ein kurzer prüfender Blick. Dann winkte sie Ethan heran. „Jetzt weiß ich, wie sich Vater gefühlt haben muss." Sein Herz pochte wie wild. Die Anspannung war unerträglich. Würde der Kelch sich in dem Sarg befinden? Die Neugier überflutete seinen Verstand wie einen Droge und ließ ihn alles andere vergessen. Angst? Was war das. Euphorisch ließ Ethan seinen Verstand davon treiben, während er sich mutig an den Sargrand stellte. Zielgerichtet stütztem sich seine Hände auf der Außenseite ab, während der Blick sich auf das Heiligtum selbst fixierte. „Da ist er“, jubelte er vor Freude und starrte auf ein Skelett hinab, das von einer alten Rüstung bedeckt, den verstaubten Kelch in seiner Hand hielt. „Geben sie ihn mir“, forderte Pavla wieder mit gezogener Waffe. Ein kurzer Blick zu Nina. Dann umfassten seine Hände den Griff, um den Kelch aus den Klauen des Toten zu befreien. „Überstürze bloß nichts“, mahnte Nina zur Vorsicht.
Ethan folgte der Aufforderung. Jetzt bloß nicht vor der Ziellinie doch noch eine Falle auslösen. Langsam hoben seine zittrigen und schwitzigen Hände den Kelch hoch, als er plötzliche inne hielt. „Was ist los?“, fragte Nina. „Da stimmt etwas nicht. Hänge fest.“ Das konnte doch jetzt wirklich nicht wahr sein. Irgendein Widerstand verhinderte jetzt doch tatsächlich, das man das Artefakt an sich nehmen konnte. „Machen sie schon“, drängelte Pavla. „ Da ist etwas an der Unterseite. Leuchte mir mal“, bat Ethan. „Warte“, bestätigte Nina und hielt die Taschenlampe in den Sarg. „Ja da ist etwas. Sieht aus wie ein Metallstift, der mit dem Kelch verbunden ist“, antwortete Ethan und ließ den Kelch los. „Noch eine Falle. Die haben wirklich an alles gedacht." Genervt biss sich Ethan auf die Zunge. „Das reicht mir jetzt“, schimpfte Pavla und ergriff den Kelch. „Nicht!“, schrie Nina panisch auf.
Zu spät! Pavla hielt den Kelch in den Händen, während Nina und Ethan erschrocken abwechselnd auf den Stift und zu Pavla schauten. Sekunden der Stille vergingen. Nichts passierte. „ Sehen sie? Es ist alles in Ordnung." Langsam trat Pavla mit einem Glitzern in den Augen vom Sarg zurück. Gott es wirkte beinahe so, als würde er den heiligen Gral in Händen halten. Wie hypnotisiert starrte er diese außergewöhnliche Arbeit an. „Was für eine Handwerkskunst.“ Voller Ehrfurcht fuhren beide Daumen über die goldenen Reliefs hinweg. „Sie haben der Kirche einen großen Dienst erwiesen." Schnell wandte sich der Pistolenlauf Nina zu. Schützend gingen die Arme nach oben. „Hatten wir nicht einen Deal?“, protestierte sie. „Haben sie wirklich geglaubt, dass ich irgendeinen hier am Leben lasse? Ihresgleichen sind Verräter“, sprach Pavla ruhig, als plötzlich ein Rumpeln an ihre Ohren hallte. „Das ist nicht gut“, prophezeite Ethan. „Wir müssen hier raus!“, schrie Nina. „Niemand geht. Ist das klar!“, befahl Pavla mit lauter Stimme. „ Wollen sie hier drin draufgehen?“, fragte Ethan, während der Sarg plötzlich einige Zentimeter absagte.
Schnell trat Pavla einige Schritte zurück. „Nicht bewegen“, forderte Nina, die schnell versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. „Beeil dich“, forderte Ethan eindringlich. Zack! Wieder sank der Sarg ab und hing nun in der Schräge, während sich tiefe Risse im Stein auftaten. „ Viel Spaß hier unten“, grinste Pavla gehässig und setzte sich in Bewegung. „Nein!“, schrie Ethan und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Sarg hinweg auf Pavla zu. „Nein!" Das Chaos war perfekt. Das Beben hatte den ganzen Raum erfasst. Steine brachen aus der Decke heraus und krachten laut zu Boden. Knirschend platzen die Platten auseinander und stürzten in die Tiefe.
Reflexartig wich Ethan den kleineren Brocken aus, als Pavla sich plötzlich umdrehte und die Pistole auf ihn richtete. „Du hast es ja eilig zu sterben“, fluchte er laut und spannte den Finger um den Abzug. „Jetzt oder nie“, dachte sich Ethan und duckte sich weg, nur um Sekunden später mit vollem Körpereinsatz zuzustoßen. Ein wütender Schrei ertönte. Die beiden Körper verschmolzen regelrecht, ehe Pavla rückwärts zu Boden krachte und den Kelch fallen ließ. „Nein. Der gehört mir“, schrie er panisch auf und versuchte sich aus Ethans Umklammerung zu befreien. „Schnell“, rief Ethan zu Nina herüber. „ Du kleiner Bastard“, schrie Pavla, gefolgt von einem schnell Faustschlag. Blut flog umher. Ein gewaltiger Schmerz fuhr durch Ethans Kiefer, während er das Gefühl hatte, sein Kopf würde davon fliegen.
Der zweite Schlag folgte. Wieder floss Blut. Diesmal waren es die Lippen. Ethan taumelte zurück und hielt sich das Gesicht. „Du Weichei“, lachte Pavla und schlug wieder zu. Sein Brustkorb stauchte sich regelrecht zusammen und presste die Luft aus den Lungen. „Sie werden den Kelch nicht kriegen“, rang Ethan nach Luft, während beide Hände den Bauch hielten. Verdammt! Erst die Schusswunde und dann das! „Was willst du groß dagegen tun?“, fragte Pavla siegessicher und schritt langsam auf den Kelch zu. „Ich werde nicht aufgeben. So viel steht fest“, versuchte Ethan die Schmerzen zu kontrollieren. „Du bist nicht in der Lage etwas auszurichten“, sprach Pavla und bückte sich nach dem goldenen Relikt, als plötzlich ein weiterer Brocken niederregnete und knapp neben ihm einschlug. Völlig erschrocken taumelte der Körper zurück und versuchte das Gleichgewicht zu halten. „Ich bin soweit gekommen. Anja und Michael zählen auf mich“, fluchte Ethan innerlich und nahm noch einmal alle Kraft zusammen. „Beweg dich du Mistding." Mit schmerzverzerrtem Gesicht setzte er einen Fuß vor den Anderen. „Nur noch ein paar Meter“, kämpfte Ethan mit sich selbst. Mit Erfolg! Ein weitere Schritt erfolgte, während der gähnende schwarze Abgrund ihm die Aufwartung machte. „ etzt bloß nicht daneben treten." Wieder fiel ein Stein Richtung Boden und verfehlte sein Ziel nur knapp. „Verdammt. Das wird eng. Ich muss was riskieren." Erneut vollführte Ethan ein schmerzenden Schritt, gefolgt von einem herabfallenden Stein, der das Loch auf eine bedrohliche Größe anwachsen ließ und somit auch das Bewegungstempo massiv einschränkte. „Jetzt bloß das Gleichgewicht halten“, betete Ethan wild mit dem Armen rudernd, bis sich der Körper schließlich nach einigen Sekunden endlich stabilisierte. Erleichterung machte sich breit. Das war jetzt aber wirklich eng! Doch wie sollte man jetzt auf die andere Seite kommen? Zwischen ihm und Pavla befand sich nur noch ein schmaler Steg, der geradewegs dazu einlud Fehltritte zu machen. Es half wohl alles nichts! Er musste schnell auf die andere Seite um Pavla den Kelch abzujagen. Fluchend suchten die Augen nach dem Feind, ehe sich eine andere Möglichkeit auftat.
Nina hatte das Chaos zwischen ihm und Pavla genutzt, um das rettenden Ufer zu erreichen und das alles ohne von Pavla bemerkt zu werden, da sich der Blick noch immer auf den Kelch fixierte. „Pavla. Wie wollen sie eigentlich hier heraus kommen?“, versuchte Ethan ihn abzulenken. „ Darum brauchen sie sich nicht zu kümmern. Sie haben eigenen Probleme“, antwortete er trocken, während es noch immer Steine regnete und es auch nicht den Anschein machte, als sollte sich das in den nächsten Momenten ändern. So war es nur eine Frage der Zeit bis der falsche Stein, zum falschen Zeitpunkt die schmale Säule zertrümmern und Ethan in den Abgrund befördern würde. „Gib doch mal Gas.“ Seine Mutter musste sich einfach beeilen, denn Pavla war dem Kelch schon zum Greifen nah. „Wissen sie? Es ist tragisch, dass so ein junger Mann wie sie schon sein Leben verlieren muss“, seufzte Pavla und hob das begehrte Objekt in die Höhe. „So na dran. Dies wird ihr letzter Blick auf ein Relikt sein, dass uns den Sieg über den Rosenorden bringen wird“, sprach Pavla triumphierend, als plötzlich ein Schmerzensschrei ertönte und den schweren Körper wie einen nassen Sack in sich zusammen fallen ließ. „Ethan geht es dir gut?“, rief Nina herüber, die mit einem blutigen Stein in der Hand da stand. „Hol dir den Kelch. Ich versuche über den Steg zu kommen“, erwiderte Ethan und setzte sich langsam in Bewegung. „Mach langsam“, forderte sie ruhig. Langsam? Dafür war nun wirklich keine Zeit. Jeden Moment konnte sich der entscheidende Stein lösen und den Steg in dutzende Einzelteile sprengen. Mut war also angesagt! Zielsicher setzte Ethan einen Schritt vor den anderen und nutzte dabei die Arme, um das Gleichgewicht zu halten. „ Komm schon. Du schaffst das“, feuerte Nina ihn an. „Irgendwie gewöhne ich mich langsam daran“, grummelte Ethan, während er die Hälfte hinter sich gebracht hatte. Jetzt bloß nicht nachlassen und nach unten schauen! Wieder löste sich ein Stein. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte Ethan die Flugbahn. „Spring. Na los!“, rief Nina herüber und streckte die Hand aus. „ Bis du wahnsinnig!“, weigerte sich Ethan. Laut schrammte der Stein am Steg vorbei und donnerte in die Tiefe. „Das war knapp“, atmete er tief durch und ging weiter, als erneut ein Koloss von der Decke fiel und den Steg anvisierte. Mühelos riss er den schmalen Pfad auseinander. Steine flogen umher und die nachfolgende Druckwelle drohte Ethan aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Nein, Nein!“, fluchte er laut mit den Armen rudernd. „Du musst springen“, sprach Nina. „ Das schaffe ich doch niemals“, antwortete Ethan unsicher. „ Das schaffst du. Vertrau mir. Ich fang dich auf“, versuchte Nina ihn zu beruhigen. „Das ist doch bescheuert“, fluchte Ethan und ging leicht in die Hocke. Dann visierte er kurz die andere Seite an und sprang zu Nina herüber. „Ich hab dich“, rief Nina, die fest seine Hand umschloss. „Lass bloß nicht los“, flehte Ethan, der mit letzter Kraft seinen Körper auf den Vorsprung hievte. Erleichtert sanken beide zu Boden. „Ich bin fix und alle“, sprach Ethan, der froh war das sein Körper endlich zur Ruhe kommen konnte. „Ich bin erleichtert, dass dir nichts passiert ist." Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zog sie Ethan heran und hielt ihn fest. „Ich bin ja noch da“, versuchte Ethan zu protestieren. Allerdings ließ seine Verfassung eine Rebellion nicht zu. Jeder Muskel in seinem Körper drohte den Dienst einzustellen. Seine Oberlippe blutete. Der Unterkiefer schmerzte bei jedem Wort. An die Schusswunde war gar nicht erst zu denken. „Ethan. Ich weiß du kannst nicht mehr......“, begann Nina. „Anja und Michael . Ich weiß“, komplettierte er den Satz und richtete seinen Oberkörper auf. „Was ist mit Pavla?“, fragte er. „Der ist nur bewusstlos. Wenn der wieder aufwacht, sind wir längst über alle Berge." Zielsicher verstaute Nina den Kelch im Rucksack ehe sie das unterirdische Tunnelsystem verließen und an die Oberfläche zurückkehrten.
Dort angekommen war mittlerweile die Dämmerung über die Stadt hereingebrochen. „Mich wundert es, dass niemand das Beben mitgekriegt hat“, sprach Ethan umherblickend. „Sicher waren wir zu tief unten und die Kirche war ja eh leer“, vermutete Nina, die zielsicher den Van ansteuerte und das gleiche Szenario zum dritten Mal vorfand. Immer noch saß Kevin mit einer Kippe am Steuer und die Musik dröhnte aus dem Radio.
Langsam schlich Nina um den Wagend herum und riss die Tür auf. „ Was zum....." Erschrocken starrte Kevin nach links, ehe ihre Arme bereits den Körper wild aus dem Auto zerrten. „Was ist den hier los?“, fragte er unschuldig. „ Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du bringst uns zum Hotel zurück und gehst danach deiner Wege. Oder du bevorzugst die zweite Variante, die allerdings nicht so schmerzlos verlaufen würde“, drohte Nina. „Ok. Ok. Ich habe zwar keine Ahnung was hier abgeht. Aber die erste Wahl scheint mir vernünftiger zu sein“, antwortete Kevin.
Ihre Hände lösten langsam den Griff. „ Gute Entscheidung“, sprach sie und half ihm auf, während Ethan sich hinten rein setzte. Man. Es tat wirklich einfach alles weh! Von er Schusswunde mal abgesehen. Denn die brannte wirklich wie die Hölle auf Erden. So würde eine Befreiungsaktion sicherlich in die Hose gehen. Mensch! Dabei zählten doch Anja und Michael auf Nina und ihn. Da konnte man doch nicht so einfach schlapp machen. „Also ich bin unschuldig. Wirklich!“, versicherte Kevin. „ Mag sein. Aber ich habe keine Zeit, um das jetzt herauszufinden." Schnell stieg Nina auf der Beifahrerseite ein und wartete bis Kevin endlich los fuhr. „Wie wollen wir die anderen eigentlich befreien?“, fragte Ethan von hinten neugierig. „Wir improvisieren“, antwortete sie knapp. „Toller Plan“, grummelte Ethan leise und schloss die Augen, um die Fahrt über Kräfte zu sparen.
Fünfzehn Minuten später erreichten sie schließlich das Hotel. „ Ich hoffe die Zeit hat für einen genialen Plan gereicht“, scherzte Ethan und stieg aus. „Vielleicht kann ich euch helfen?“, warf Kevin dazwischen. „Wie soll das aussehen?“, fragte Nina neugierig. „ Im Kofferraum liegen Waffen. Das reicht für einen Kleinkrieg“, antwortete Kevin. „Du bist ja doch zu was zu gebrauchen“, lobte Nina, die sich auch sogleich am Heck des Vans zu schaffen machte.
Kevin hatte nicht übertrieben. Mit diesem Arsenal konnte man wirklich eine Privatarmee aufstellen. „Kannst du damit umgehen?“, fragte Ethan. „ Sicher“, antwortete Nina und griff sich wahllos eine Pistole heraus. Dazu noch ein Ersatzmagazin. Dann schloss sie wieder die Tür und ging zu Kevin herüber. „Es ist besser du gehst und stellst keine Fragen“, erklärte sie ruhig. „Ich möchte mein Leben gerne noch behalten“, stimmte Kevin zu und stieg wieder ein. „Kriegst du das hin?" Besorgt ließ Nina ihren Blick über die Wunden wandern. „Muss ja irgendwie oder?“, grummelte Ethan zurück. „Du hälst dich besser zurück und lässt mich das machen. Zielstrebig betraten die Beiden wieder die Lobby und zogen auch sogleich die Blicke auf sich. „Wir sehen so was von scheiße aus“, flüsterte Ethan angesichts ihrer körperlichen Verfassung und dem katastrophalen Zustand der Kleidung. „Ähm. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?“, fragte die Dame an der Rezeption irritiert. „Alles in bester Ordnung“, versicherte Nina trocken und stellte sich in den Aufzug, während die Dame verdutzt hinterher blickte. „Wie kommen wir jetzt in das Zimmer ohne Anja und Michael zu gefährden?“, fragte Ethan. „Ich habe da eine Idee“, antwortete Nina, ehe die Tür Sekunden später wieder aufging.
Langsam traten sie aus dem Lift und gingen in die Richtung, wo sich auch die Zimmer befanden. „Bleib an meiner Seite“, erklärte sie leise und machte vor der Tür halt. Dann nahm sie den Rucksack ab und kramte ein Handy hervor. „Ich habe Pavlas Handy mitgehen lassen“, grinste sie frech und rief das Menü auf. „Raffiniert“, sprach Ethan, während sie die letzten Anrufe durchging. „Da sind vier Nummer, die er in den letzten Stunden gewählt hat." „Eine von ihnen muss ja stimmen“, sprach Ethan zuversichtlich. Nina nicke zustimmend und probierte die ersten Nummern aus. Das Freizeichen ertönte. Sekunden vergingen. Nichts passiert. „Das war schon mal nichts“, sprach Nina leise und nahm sich sogleich die dritte Nummer vor. Erneut ertönte das Freizeichen. Doch diesmal glaubte Ethan einen Ton aus dem Zimmer zu vernehmen, gefolgt von schweren Schritten, die sich der Tür näherten. „Jetzt geht es los“, sammelte sich Nina.
Schließlich schwang die Tür auf und alles ging blitzschnell. Mit einem gewaltigen Satz, gefolgt von einem Kampfschrei stürmte Nina durch die Tür und beförderte den Wachmann zu Boden. Dann lösten sich zwei Schüsse! Kampflärm brach aus. Die Stimme von mehreren Personen hallten durcheinander an Ethans Ohren ehe Augenblicke später Ruhe einkehrte. Vorsichtig näherte er sich der Tür und spähte um die Ecke.
Der eine Mann lag scheinbar bewusstlos am Boden, während der andere weiter hinten lag und ebenfalls keinen Ton mehr von sich gab. Über dem Körper stand Michael mit einer Pistole. „Nina! Ich bin froh dich zu sehen." Erleichtert fielen sich Anja und Nina in die Arme, während Ethan den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. „Wir haben eine gewaltige Tortur hinter uns“, lächelte sie zu ihrem Sohn herüber. „Und was für eine“, fügte er hinzu, ehe sein Körper die nächste Couch aufsuchte. „Ich dachte wir würden euch nie wiedersehen“, gestand Anja, die sich sogleich für die nächste Umarmung bereit machte und auf Ethan zuging.
Vorsichtig drückte sie ihn an sich. „Du siehst übel aus“, sprach sie und fuhr mit einer Hand über sein ramponiertes Gesicht. „ So langsam wird das zur Gewohnheit“, scherzte Ethan verlegen und erwiderte die Umarmung. „Was ist überhaupt passiert?“, fragte Michael. „Das ist eine lange Geschichte. Aber wir haben keine Zeit und müssen hier weg. Pavla wird zu aller erst hier nach uns suchen“, antwortete Nina knapp. „Wo sollen wir denn hin? Hier kennt sich doch keiner von uns aus“, warf Anja ein. „Es gibt da noch jemanden hier, den ich von früher kenne. Ich werde ihn anrufen“, erklärte Nina. „ Hoffentlich ist er vertrauenswürdig“, grummelte Ethan angesichts dessen, dass George sie bereits verraten hatte. „ Aber wir haben noch ein anderes Problem." Nachdenklich schaute Nina aus dem Fenster. „ Wo ist Leila?."............................
Ethan hielt den Atem an. Seine Augen waren geschlossen. Jetzt würde alles vorbei sein. In seinem Verstand liefen die Momente der letzten Wochen wie in Zeitraffer dahin. „ Ethan!“. Ninas gewaltiger Schrei riss ihn aus dem Film fort und gab wieder die Realität preis. Noch immer zielte Pavla mit der Pistole auf ihn. Was war gerade passiert? Starr vor Angst blickte er nach links auf den Boden. Die Überreste des Projektils hatten den Stein leicht beschädigt und ein kleines Loch hinterlassen. „ Brauchen sie noch eine Warnung?“. Wütend starrte Pavla zu Nina herüber, die immer noch völlig panisch versuchte die Situation zu analysieren. „ Also gut. Sie haben gewonnen“, gab sie schließlich nach. „ Weise Entscheidung“, antwortete Pavla und ließ die Waffe sinken. „ Mutter!“ Aufgelöst rannte Ethan zu Nina herüber und schaute sie an. „ Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich leise. „ Wir schaffen das. Zusammen“, sprach er leise, während Ethan sich der Leiche zuwandte. „ Es steckt einfach viel von deinem Vater in dir“, seufzte sie leise und stand auf. „ Von dir ist auch viel da drin“, fügte Ethan hinzu und schaute noch einmal zur Leiche hinüber. Dann trat er mit seiner Mutter an das Bild heran. „ Also gut. Wir wissen, dass das Pariser Wappen falsch ist“, erklärte Nina grübelnd. „ Was ist mit dem anderen Wappen?“, fragte Ethan. „ Das könnte auch eine Falle sein. Wenn ich doch nur einen Bezug hätte“, antwortete sie. „ Es muss eine Lösung für das Rätsel geben. Der Kelch ist für die Ritter bestimmt und sie müssen doch Hinweise hinterlassen haben“, sprach Ethan.
Nachdenklich fuhr Nina mit der Hand über das feine steinerne Bild. „ Es muss was mit dem Brief zu tun haben“, begann sie zu theoretisieren. „ Du meinst den Brief, den Vater erhalten hat?“, fragte Ethan. „ Es stand genau Charigols Name darauf. Wenn wir davon ausgehen, das die Ritter die Zukunft wussten, dann müssen sie auch mit diesem Augenblick gerechnet haben“, erklärte Nina, während sie sich den Angstschweiß von der Stirn wischte. „ Ich glaube zwar nicht daran. Aber der Name Charigol hat sich gerade nicht wirklich als Lösung herausgestellt“, grummelte Ethan. „ Vielleicht wollte man deinen Vater auf die richtige Spur bringen und die Entdeckung des anderen Grabes war einfach zur Zufall“. „ Dann müsste ja Rom die richtige Antwort sein“, sprach Ethan und blickte zu Pavla herüber.
Der Mann schien sich seiner Sache wohl weiterhin sehr sicher, da er immer noch völlig gelangweilt an der Seitenwand lehnte und die Beiden einfach nur beobachtete. „ Was gibt es da zu gucken Junge“, raunte er. Ohne was zu sagen drehte er sich wieder dem Bild zu. „ Ethan. Wir sollten es probieren. Mehr als falsch liegen können wir nicht“, sprach Nina völlig planlos.
Ethan nickte zustimmend. Mehr als schiefgehen konnte die Sache sowieso nicht mehr. Denn entweder sie hatten recht und der Sarg würde sich öffnen. In dem Fall würde sich Pavla den Kelch krallen und sie erschießen. Auf der anderen Seite würden sie sowieso sterben, falls sich wieder eine Falle auftat.
Vorsichtig legte Nina ihre Hände auf das andere Wappen und wartete kurz. Sie schien sich innerlich noch einmal zu sammeln und holte tief Luft. „ Du packst das“, sprach Ethan ihr Mut zu. Dann drückte sie das Symbol hinein. Sekunden vergingen und auch dieses Mal ertönte ein leise Klacken.
Stille. Nichts passierte. Erwartungsvoll blickten Ethan und Nina einander an, ehe der Sargdeckel sich plötzlich zu bewegen begann und auf Seite schwang. „ Ich glaube es nicht“, freute sich Nina und fiel ihrem Sohn erst einmal um den Hals. „ Glückwunsch“, lobte Pavla, während er ironisch Beifall klatschte. „ Wahnsinn!“. Die ganze Anspannung löste sich von Ethans Schultern.
Jetzt waren sie nur einen Schritt vom zweiten Kelch entfernt. Mit weit geöffneten Augen standen die Beiden vor dem offenen Sarg. „ Zehn Jahre habe ich auf diesen Augenblick gewartet“, freute sich Nina, die auch sogleich wieder anfing sich den Tränen hinzugeben.
Aber diesmal waren es keine Tränen von Trauer, sondern von Freude. Überglücklich trat Nina weiter an den Sarg heran, um das Innere zu sehen. Ein kurzer prüfender Blick. Dann winkte sie Ethan heran. „ Jetzt weiß ich, wie sich Vater gefühlt haben muss“. Sein Herz pochte wie wild. Die Anspannung war unerträglich. Würde der Kelch sich in dem Sarg befinden? Die Neugier überflutete seinen Verstand wie einen Droge und ließ ihn alles andere vergessen. Angst? Was war das. Euphorisch ließ Ethan seinen Verstand davon treiben, während er sich mutig an den Sargrand stellte. Zielgerichtet stützte er seine Hände auf der Außenseite ab und schaute in das Innere. „ Da ist er“, jubelte er vor Freude und blickte auf einen Skelett hinab, das von einer alten Rüstung bedeckt, den verstaubten Kelch in seiner Hand hielt. „ Geben sie ihn mir“, forderte Pavla wieder mit gezogener Waffe. Ein kurzer Blick zu Nina. Dann umfassten seine Hände den Griff, um den Kelch aus den Klauen des Toten zu befreien. „ Überstürze bloß nichts“, mahnte Nina zur Vorsicht.
Ethan folgte der Aufforderung. Jetzt bloß nicht vor der Ziellinie doch noch eine Falle auslösen. Langsam hoben seine zittrigen und schwitzigen Hände den Kelch hoch, als Ethan plötzliche inne hielt. „ Was ist los?“, fragte Nina. „ Da stimmt etwas nicht. Er hängt fest“, fluchte er. „ Machen sie schon“, drängelte Pavla. „ Da ist etwas an der Unterseite. Leuchte mir mal“, bat Ethan. „ Warte“, bestätigte Nina und hielt die Taschenlampe in den Sarg. „ Ja da ist etwas. Sieht aus wie ein Metallstift, der mit dem Kelch verbunden ist“, antwortete Ethan und ließ den Kelch los. „ Noch eine Falle. Die haben wirklich an alles gedacht“. Genervt biss sich Ethan auf die Zunge. „ Das reicht mir jetzt“, schimpfte Pavla und ergriff den Kelch. „ Nicht!“, schrie Nina panisch auf.
Zu spät! Pavla hielt den Kelch in den Händen, während Nina und Ethan erschrocken abwechselnd auf den Stift und zu Pavla schauten. Sekunden der Stille vergingen. Nichts passierte. „ Sehen sie? Es ist alles in Ordnung“. Langsam trat Pavla mit einem Glitzern in den Augen vom Sarg zurück. Gott es wirkte beinahe so, als würde er den heiligen Gral in Händen halten. Wie hypnotisiert starrte er diese außergewöhnliche Arbeit an. „ Was für eine Arbeit“, sprach er voller Ehrfurcht und fuhr mit dem Daumen über die Reliefs hinweg. „ Sie haben der Kirche einen großen Dienst erwiesen“. Schnell wandte sich der Pistolenlauf Nina zu. Schützend hob sie die Arme. „ Sie gaben mir ein Versprechen“, protestierte sie. „ Haben sie wirklich geglaubt, dass ich sie am Leben lasse? Sie sind eine Verräterin“, sprach Pavla ruhig, als plötzlich ein Rumpeln an ihre Ohren hallte. „ Das ist nicht gut“, prophezeite Ethan. „ Wir müssen hier raus!“, schrie Nina. „ Niemand geht. Ist das klar!“, befahl Pavla mit lauter Stimme. „ Wollen sie hier drin draufgehen?“, fragte Ethan, während der Sarg plötzlich einige Zentimeter absagte.
Schnell trat Pavla einige Schritte zurück. „ Nicht bewegen“, forderte Nina, die schnell versuchte die Situation zu analysieren., „ Ich rühre mich keinen Meter“, versicherte Ethan eindringlich. Zack ! Wieder sank der Sarg ab und hing nun in der Schräge, während sich tiefe Risse im Stein auftaten. „ Viel Spaß hier unten“, grinste Pavla gehässig und setzte sich in Bewegung. „ Nein!“, schrie Ethan und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Sarg hinweg auf Pavla zu. „ Ethan. Nein!“. Das Chaos war perfekt. Das Beben hatte den ganzen Raum erfasst. Steine brachen aus der Decke heraus und krachten laut zu Boden. Knirschend platzen die Platten auseinander und stürzten in die Tiefe.
Reflexartig wich Ethan den kleineren Brocken aus, als Pavla sich plötzlich umdrehte und die Pistole auf ihn richtete. „ Du hast es ja eilig zu sterben“, fluchte er laut und spannte den Finger um den Abzug. „ Jetzt oder nie“, dachte sich Ethan und duckte sich weg, nur um Sekunden später mit vollem Körpereinsatz zuzustoßen. Ein wütender Schrei ertönte. Die beiden Körper verschmolzen regelrecht, ehe Pavla rückwärts zu Boden krachte und den Kelch fallen ließ. „ Nein. Der gehört mir“, schrie er panisch auf und versuchte sich aus Ethans Umklammerung zu befreien. „ Schnell“, rief Ethan zu Nina herüber. „ Du kleiner Bastard“, schrie Pavla, gefolgt von einem schnell Faustschlag. Blut flog umher. Ein gewaltiger Schmerz fuhr durch Ethans Kiefer, während er das Gefühl hatte, sein Kopf würde davon fliegen.
Der zweite Schlag folgte. Wieder floss Blut. Diesmal waren es die Lippen. Ethan taumelte zurück und hielt sich das Gesicht. „ Du Weichei“, lachte Pavla und schlug wieder zu. Sein Brustkorb stauchte sich regelrecht zusammen und presste die Luft aus den Lungen. „ Sie werden den Kelch nicht kriegen“, rang Ethan nach Luft, während er sich den Bauch hielt und ein Auge zusammenkniff. „ Was willst du groß dagegen tun?“, fragte Pavla siegessicher und schritt langsam auf den Kelch zu. „ Ich werde nicht aufgeben. So viel steht fest“, versuchte Ethan die Schmerzen zu kontrollieren. „ Du bist nicht in der Lage etwas auszurichten“, sprach Pavla und bückte sich nach goldenen Relikt, als plötzlich ein weiterer Brocken niederregnete und knapp neben ihm einschlug. Völlig erschrocken taumelte er zurück und versuchte das Gleichgewicht zu halten. „ Ich bin soweit gekommen. Anja und Michael zählen auf mich“, fluchte Ethan innerlich und nahm noch einmal alle Kraft zusammen. „ Beweg dich du Mistding“. Mit schmerzverzerrtem Gesicht setzte er einen Fuß vor den Anderen. „ Nur noch ein paar Meter“, kämpfte Ethan mit sich selbst. Mit Erfolg! Ein weitere Schritt erfolgte, während er in den Abgrund schaute. „ Jetzt bloß nicht daneben treten“. Wieder fiel ein Stein Richtung Boden und verfehlte Ethan nur knapp. „ Verdammt. Das wird eng. Ich muss was riskieren“. Erneut vollführte Ethan ein schmerzenden Schritt, gefolgt von einem herabfallenden Stein, der das Loch auf eine bedrohliche Größe anwachsen ließ und somit auch das Bewegungstempo massiv einschränkte. „ Jetzt bloß das Gleichgewicht halten“, betete Ethan wild mit dem Armen rudernd, bis er schließlich nach einigen Sekunden die Situation unter Kontrolle hatte. Erleichterung machte sich breit. Das war wirklich knapp gewesen. Doch wie sollte er jetzt auf die andere Seite kommen? Zwischen ihm und Pavla befand sich nur noch ein schmaler Steg, der geradewegs dazu einlud Fehltritte zu machen. Aber was blieb Ethan anderes übrig? Er musste schnell auf die andere Seite um Pavla den Kelch abzujagen. Fluchend blickte er zu seinem Feind herüber und erspähte plötzlich eine andere Möglichkeit.
Seine Mutter hatte das Chaos zwischen ihm und Pavla genutzt, um das rettenden Ufer zu erreichen und das alles ohne von Pavla bemerkt zu werden, da er noch immer auf den Kelch fixiert war. „ Pavla. Wie wollen sie eigentlich hier heraus kommen?“, versuchte Ethan ihn abzulenken. „ Darum brauchen sie sich nicht zu kümmern. Sie haben eigenen Probleme“, antwortete Pavla trocken, während es noch immer Steine regnete und es auch nicht den Anschein machte, als sollte sich das in den nächsten Momenten ändern. So war es nur eine Frage der Zeit bis der falsche Stein, zum falschen Zeitpunkt die schmale Säule zertrümmern und Ethan in den Abgrund befördern würde.
Seine Mutter musste sich einfach beeilen, denn Pavla war dem Kelch schon zum Greifen nah. „ Wissen sie? Es ist tragisch, dass so ein junger Mann wie sie schon sein Leben verlieren muss“, seufzte Pavla und hob das begehrte Objekt in die Höhe. „ Sie waren so na dran. Dies wird ihr letzter Blick auf ein Relikt sein, dass uns den Sieg über den Rosenorden bringen wird“, sprach Pavla triumphierend, als plötzlich ein Schmerzensschrei ertönte und Pavla in sich zusammensackte. „ Ethan geht es dir gut?“, rief Nina herüber, die mit einem blutigen Stein in der Hand da stand. „ Hol dir den Kelch. Ich versuche über den Steg zu kommen“, erwiderte Ethan und setzte sich langsam in Bewegung. „ Mach langsam“, forderte sie ruhig. Langsam?
Dafür war nun wirklich keine Zeit. Jeden Moment konnte sich ein weiterer Stein lösen und den Steg in dutzende Einzelteile sprengen. Mut war also angesagt! Zielsicher setzte Ethan einen Schritt vor den anderen und nutzte dabei die Arme, um das Gleichgewicht zu halten. „ Komm schon. Du schaffst das“, feuerte Nina ihn an. „ Irgendwie gewöhne ich mich langsam daran“, grummelte Ethan, während er die Hälfte hinter sich gebracht hatte. Jetzt bloß nicht nachlassen und nach unten schauen! Wieder löste sich ein Stein. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte Ethan die Flugbahn. „ Spring. Na los!“, rief Nina herüber und streckte die Hand aus. „ Bis du wahnsinnig!“, weigerte sich Ethan. Laut schrammte der Stein am Steg vorbei und donnerte in die Tiefe. „ Das war knapp“, atmete er tief durch und ging weiter, als erneut ein Stein von der Decke fiel und den Steg anvisierte. Mühelos riss er den schmalen Pfad auseinander. Steine flogen umher und die nachfolgende Druckwelle drohte Ethan aus dem Gleichgewicht zu bringen. „ Nein, Nein!“, fluchte er laut mit den Armen rudernd. „ Du musst springen“, sprach Nina. „ Das schaffe ich doch niemals“, antwortete Ethan unsicher. „ Das schaffst du. Vertrau mir. Ich fang dich auf“, versuchte Nina ihn zu beruhigen. „ Das ist doch bescheuert“, fluchte Ethan und ging leicht in die Hocke. Dann visierte er kurz seine die andere Seite an und sprang zu Nina herüber. „ Ich hab dich“, rief Nina, die fest seine Hand umschloss. „ Lass bloß nicht los“, flehte Ethan, der mit letzter Kraft seinen Körper auf den Vorsprung hievte. Erleichtert sanken beide zu Boden. „ Ich bin fix und alle“, sprach Ethan, der froh war das sein Körper endlich zur Ruhe kommen konnte. „ Ich bin erleichtert, dass dir nichts passiert ist“. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zog sie Ethan heran und hielt ihn fest. „ Ich bin ja noch da“, versuchte Ethan zu protestieren. Allerdings ließ seine Verfassung eine Rebellion nicht zu. Jeder Muskel in seinem Körper drohte den Dienst einzustellen. Seine Oberlippe blutete. Der Unterkiefer schmerzte bei jedem Wort. An die Schusswunde war gar nicht erst zu denken. „ Ethan. Ich weiß du kannst nicht mehr......“, begann Nina. „ Anja und Michael . Ich weiß“, komplettierte er den Satz und richtete seinen Oberkörper auf. „ Was ist mit Pavla?“, fragte er. „ Der ist nur bewusstlos. Wenn der wieder aufwacht, sind wir längst über alle Berge“. Zielsicher verstaute Nina den Kelch im Rucksack ehe sie das unterirdische Tunnelsystem verließen und an die Oberfläche zurückkehrten.
Dort angekommen war mittlerweile die Dämmerung über die Stadt hereingebrochen. „ Mich wundert es, dass niemand das Beben mitgekriegt hat“, sprach Ethan umherblickend. „ Sicher waren wir zu tief unten und die Kirche war ja eh leer“, vermutete Nina, die zielsicher den Van ansteuerte und das gleiche Szenario zum dritten Mal vorfand. Immer noch saß Kevin mit einer Kippe am Steuer und die Musik dröhnte aus dem Radio.
Langsam schlich Nina um den Wagend herum und riss die Tür auf. „ Was zum....“. Erschrocken starrte Kevin nach links, ehe ihre Arme bereits den Körper wild aus dem Auto zerrten. „ Was ist den hier los?“, fragte er unschuldig. „ Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du bringst uns zum Hotel zurück und gehst danach deiner Wege. Oder du bevorzugst die zweite Variante, die allerdings nicht so schmerzlos verlaufen würde“, drohte Nina. „ Ok. Ok. Ich habe zwar keine Ahnung was hier abgeht. Aber die erste Wahl scheint mir vernünftiger zu sein“, antwortete Kevin.
Ihre Hände lösten langsam den Griff. „ Gute Wahl“, sprach sie und half ihm auf, während Ethan sich hinten rein setzte. „ Also ich bin unschuldig. Wirklich!“, versicherte Kevin. „ Mag sein. Aber ich habe keine Zeit, um das jetzt herauszufinden“. Schnell stieg Nina auf der Beifahrerseite ein und wartete bis Kevin endlich los fuhr. „ Wie wollen wir die anderen eigentlich befreien?“, fragte Ethan von hinten neugierig. „ Wir improvisieren“, antwortete sie knapp. „ Toller Plan“, grummelte Ethan leise und schloss die Augen, um die Fahrt über Kräfte zu sparen.
Fünfzehn Minuten später erreichten sie schließlich das Hotel. „ Ich hoffe die Zeit hat für einen genialen Plan gereicht“, scherzte Ethan und stieg aus. „ Vielleicht kann ich euch helfen?“, warf Kevin dazwischen. „ Wie soll das aussehen?“, fragte Nina neugierig. „ Im Kofferraum liegen Waffen. Das reicht für einen Kleinkrieg“, antwortete Kevin. „ Du bist ja doch zu was zu gebrauchen“, lobte Nina, die sich auch sogleich am Heck des Vans zu schaffen machte.
Kevin hatte nicht übertrieben. Mit diesem Arsenal konnte man wirklich eine Privatarmee aufstellen. „ Kannst du damit umgehen?“, fragte Ethan. „ Sicher“, antwortete Nina und griff sich wahllos eine Pistole heraus. Dazu noch ein Ersatzmagazin. Dann schloss sie wieder die Tür und ging zu Kevin herüber. „ Es ist besser du gehst und stellst keine Fragen“, erklärte sie ruhig. „ Ich möchte mein Leben gerne noch behalten“, stimmte Kevin zu und stieg wieder ein. „ Gehen wir“. Zielstrebig betraten die Beiden wieder die Lobby und zogen auch sogleich die Blicke auf sich. „ Wir sehen so was von scheiße aus“, flüsterte Ethan angesichts ihrer körperlichen Verfassung und dem katastrophalen Zustand der Kleidung. „ Ähm. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?“, fragte die Dame an de Rezeption irritiert. „ Alles in bester Ordnung“, versicherte Nina trocken und stellte sich in den Aufzug, während die Dame verdutzt hinterher blickte. „ Wie kommen wir jetzt in das Zimmer ohne Anja und Michael zu gefährden?“, fragte Ethan. „ Ich habe da eine Idee“, antwortete Nina, ehe die Tür Sekunden später wieder aufging.
Langsam traten sie aus dem Lift und gingen in die Richtung, wo sich auch die Zimmer befanden. „ Bleib an meiner Seite“, erklärte sie leise und machte vor der Tür halt. Dann nahm sie den Rucksack ab und kramte ein Handy hervor. „ Ich habe Pavlas Handy mitgehen lassen“, grinste sie frech und rief das Menü auf. „ Raffiniert“, sprach Ethan, während sie die letzten Anrufe durchging. „ Da sind vier Nummer, die er in den letzten Stunden gewählt hat“. „ Eine von ihnen muss ja stimmen“, sprach Ethan zuversichtlich. Nina nicke zustimmend und probierte die ersten Nummern aus. Das Freizeichen ertönte. Sekunden vergingen. Nichts passiert. „ Das war schon mal nichts“, sprach Nina leise und nahm sich sogleich die dritte Nummer vor. Erneut ertönte das Freizeichen. Doch diesmal glaubte Ethan einen Ton aus dem Zimmer zu vernehmen, gefolgt von schweren Schritten, die sich der Tür näherten. „ Jetzt geht es los“, sammelte sich Nina.
Schließlich schwang die Tür auf und alles ging blitzschnell. Mit einem gewaltigen Satz, gefolgt von einem Kampfschrei stürmte Nina durch die Tür und beförderte den Wachmann zu Boden. Dann lösten sich zwei Schüsse! Kampflärm brach aus. Die Stimme von mehreren Personen hallten durcheinander an Ethans Ohren ehe Augenblicke später Ruhe einkehrte. Vorsichtig näherte er sich der Tür und spähte um die Ecke.
Der eine Mann lag scheinbar bewusstlos am Boden, während der andere weiter hinten lag und ebenfalls keinen Ton mehr von sich gab. Über dem Körper stand Michael mit einer Pistole. „ Nina! Ich bin froh dich zu sehen“. Erleichtert fielen sich Anja und Nina in die Arme, während Ethan den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. „ Wir haben eine gewaltige Tortur hinter uns“, lächelte sie zu ihrem Sohn herüber. „ Und was für eine“, fügte er hinzu, ehe sein Körper die nächste Couch aufsuchte. „ Ich dachte wir würden euch nie wiedersehen“, gestand Anja, die sich sogleich für die nächste Umarmung bereit machte und auf Ethan zuging.
Vorsichtig drückte sie ihn an sich. „ Du siehst übel aus“, sprach sie und fuhr mit einer Hand über sein ramponiertes Gesicht. „ So langsam wird das zur Gewohnheit“, scherzte Ethan verlegen und erwiderte die Umarmung. „ Was ist überhaupt passiert?“, fragte Michael. „ Das ist eine lange Geschichte. Aber wir haben keine Zeit und müssen hier weg. Pavla wird zu aller erst hier nach uns suchen“, antwortete Nina knapp. „ Wo sollen wir denn hin? Wir kennen uns hier doch gar nicht aus“, warf Anja ein. „ Es gibt da noch jemanden hier, den ich von früher kenne. Ich werde ihn anrufen“, erklärte Nina. „ Hoffentlich ist er vertrauenswürdig“, grummelte Ethan angesichts dessen, dass George sie bereits verraten hatte. „ Aber wir haben noch ein anderes Problem“. Nachdenklich schaute Nina aus dem Fenster. „ Wo ist Leila?“.............................
Jetzt war schnelles Handeln gefragt. Obgleich die Suche nach Leila bei allen Beteiligten ganz oben stand, wussten sie auch, dass das Hotel keine sicherere Zuflucht mehr bot. Pavla konnte innerhalb der nächsten Stunden hier aufschlagen. Ein neuer Ort musste also her. Nina schien sich dieser Aufgabe direkt anzunehmen. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit stand sie in einer Ecke und telefonierte angeregt, während Anja und Michael sich der Wachen an nahmen. „So geschafft." Triumphierend blickten Anja und Michael einander an, nachdem sie die beiden Männer an der Heizung mit Handschellen gefesselt hatten. „Wir müssen uns bei ihnen bedanken, das sie ihr eigenes Fessel – Werkzeug mitgebracht haben“, scherzte Michael. „Wie sieht es bei dir aus Nina?“, fragte Anja. „Gleich“, antwortete sie leise, während sie mit der anderen Hand die Ohrmuschel bedeckte. Anja nickte zustimmend und ging ins Bad. Dort stand Ethan vor dem Spiel und wusch sich das Blut und den Dreck aus dem Gesicht. Sein Blick sprach Bände. Der Körper umso mehr. Ein Stück des Schulterverbands ragte unter dem Hemd hervor. Feine rote Risse auf der Haut zeugten von den Anstrengungen der letzten Stunden. „Hey.“ Anja nickte nur bedächtig. „Gibt es ein Problem?“ „Nein, Nein“, winkte sie erschrocken ab. „Die Wachen sind noch bewusstlos und Nina arrangiert gerade ein Treffen.“ „Ich kann doch unmöglich so aus dem Haus gehen“, meckerte Ethan und blickte an sich herunter.
Selbst die Kleidung hatte nun wirklich schon bessere Zeiten gesehen. Die Hose wies an einigen Stellen Risse auf. Das Hemd hatte seine ursprüngliche Farbe gegen Blut und Matsch eingetauscht. „So siehst du wenigstens nicht mehr wie ein schüchterner Student aus“, lächelte Anja und fuhr ihm durch die Haare. „Nicht der Kopf!“, grummelte Ethan laut. „Entschuldigung, die Dame“, scherzte Anja, ehe sie wieder in den Hauptraum zurückkehrte.
Seufzend ließ er das dreckige Handtuch sinken und starrte in den Spiegel. Anja hatte recht. Eine Veränderung war deutlich festzustellen. Noch vor einer Woche wäre man gut gepflegt und mit gemachten Haaren und einem nichtssagenden Gesichtsausdruck durch die Universitätsflure gelaufen. Aber jetzt? Das Gestrüpp hing kreuz und quer. Der Körper glich einem Schlachtfeld. Die Schulter war kaputt. Seine Oberlippe sah aus, wie nach einem Boxkampf. Es wirkte fast so, als würde da ein neuer Mensch stehen. „Endlich. Es hat alles geklappt““, rief Nina aus dem anderen Zimmer. „Dann sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen“, sprach Michael. „Also ohne passende Klamotten geh ich nirgendwo hin!" Angesäuert verließ Ethan das Bad. „Können wir unterwegs nicht irgendwo anhalten?“, fragte er. „Ich glaube, dass wird das Beste sein“, bestätigte Nina, nach einer kurzen optischen Einschätzung. „Haben wir alles notwendige eingepackt?“, fragte Michael sicherheitshalber in die Runde. Alle nickten zustimmend. Dann verließen sie das Hotel schleunigst.
Prüfend blickte Ethan auf die Uhr. „Viel Zeit haben wir nicht. Es ist fast zwanzig Uhr.“ Der Blick fuhr in den Himmel hinauf. Die Dunkelheit hatte bereits die Sonne vertrieben und sich breit gemacht. Einzig und allein die Straßenlaternen kämpften noch mit unerschütterlichem Willen gegen das Nichts an. „Nina. Ich würde mich gerne etwas nach Leila umhören. Jemand muss was gesehen haben“, warf Michael ein. „In Ordnung. Aber passe auf dich auf“, bat Nina und kramte das Handy noch mal hervor. „Keine Sorge. Ich kenne mich hier aus und weiß mich zu wehren“, versicherte Michael. „Ich schreibe dir die Adresse auf, wo du uns findest." Schnell tippte Nina auf dem Feld herum und schickte eine Nachricht ab. Ein Bimmeln in Michaels Tasche ertönte. „Alles klar. Ich melde mich sobald ich was weiß“, erklärte er und wandte sich noch einmal Anja zu, die ihn mit traurigen und besorgten Blicken bombardierte. „Du weißt, dass ich Leila nicht im Stich lassen kann“, versuchte er zu erklären. „ Wir haben in den letzten Tagen schon einige gute Leute verloren. Dich will ich nicht auch verlieren“, erklärte sie traurig. „Ich bin nur ein paar Stunden unterwegs und werde mich regelmäßig melden“, versprach Michael und nahm seine Nichte in den Arm. „Das will ich hoffen!“
Dann verschwand Michael in die Nacht hinaus. „So, wir sollten uns auf den Weg machen. Der Freund wohnt nicht weit weg“, forderte sie und lief los. Anja und Ethan folgten. „Wer ist das denn? Kenne ich ihn?“, fragte Ethan neugierig. „ Ich glaube nicht. Da warst du wirklich noch zu jung für“, antwortete sie ruhig. „Irgendwie sehe ich dich in einem ganz neuen Licht“, stellte Ethan fest. Fragend drehte sich Nina um. „So. Wie siehst du mich denn jetzt?, fragte sie neugierig. „Also von einer Hausfrau, die ihren Sohn nach der Schule das Mittagessen serviert ist jedenfalls nichts mehr zu sehen“, grinste Ethan. „Du hast dich auch verändert. Eine Mutter sieht so etwas“, konterte sie und lief weiter. „Erinnere mich bloß nicht daran“, fügte Ethan hinzu, während er zu Anja herüberblickte, die still und mit gesenkten Kopf, neben ihm herlief. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine sorgenvolle Miene ab. „Anja?“, versuchte Ethan ein Gespräch zu beginnen, in der Hoffnung sie vielleicht irgendwie ablenken zu können. „Ja?“, fragte sie erschrocken. Gott. Wie weit mochten wohl die Gedanken in diesem Moment weg sein? Sicherlich bis zu ihrem Onkel. „Ich wollte mich noch bei dir bedanken“, erklärte Ethan mit einem Lächeln. „Wofür?“, fragte sie erneut. „Na. Du hast mich in den letzten Tagen wirklich gut gepflegt und mich umsorgt“, antwortete er. „Ach. Das ist doch nichts. Das habe ich gerne getan“, sprach Anja verlegen. „Trotzdem. Ohne dich wäre das alles viel schwerer gewesen“, fügte Ethan hinzu, der auch prompt ein Lächeln als Antwort zurückbekam. „Da vorne ist ein Laden. Aber beeil dich. Wir haben nicht viel Zeit“, unterbrach Nina das Gespräch und deutete auf eine Filiale nur Fünfzig Meter entfernt von Ihnen. „Aber kauf nicht gleich den ganzen Laden leer“, scherzte Anja.
Ethan wollte bereits zu einer Antwort ansetzen als er sich dann doch noch dagegen entschied. Anja war gerade etwas abgelenkt. Selbst wenn der Augenblick nur ein paar Minuten oder vielleicht Stunden andauern würde, so war sie doch wenigstens mal etwas sorgenfrei. „Wir warten draußen“, sprach Nina. Ethan nickte und verschwand in dem Laden.
Nach gut Zwanzig Minuten kehrte er in einem neuen Dress zurück. Sichtlich wohlfühlend stellte er sich neben Anja um sich zu präsentieren. „Du bist ja fast wie eine Frau beim Einkaufen“, schmunzelte sie. Selbst Nina konnte sich angesichts dieser Situation ein Lachen kaum verkneifen. „Da hat er wenigstens etwas von mir abgekriegt“, fügte sie grinsend hinzu. „Ihr macht mich fertig!“, fluchte Ethan. Da hatten sich doch echt die beiden Damen gegen ihn verschworen um ihn ordentlich fertig zu machen. „Das kriegt ihr noch wieder“, versprach Ethan. „Ich freue mich drauf“, setzte Anja weiter nach und überholte Nina. „Was hast du mit ihr gemacht?“, fragte er leise zu seiner Mutter herüber. „Ein kleines Frauengespräch, während du einkaufen warst“, antwortete sie in der selben Lautstärke. „Sie wirkt immer so selbstsicher. Aber ich glaube sich macht sich genauso Sorgen wie jeder von uns“, sprach Ethan weiter. „Du hast einen guten Blick für so etwas. Das du ihr vorhin Mut zugesprochen hast, war sehr lieb von dir“, lächelte Nina. „Sie hat auch viel für mich getan und irgendwie....ach ich weiß nicht“, rätselte Ethan. „ Was tratscht ihr denn da?“, unterbrach Anja das Gespräch, während die nächste Kreuzung zu einem kurzweiligen Stop einlud. „Es war nichts wichtiges. Smalltalk“, log Nina, die schließlich mit Ethan aufschloss. Gemeinsam setzten sie schließlich die restliche Strecke fort.
Ohne Zwischenfälle erreichten sie schließlich nach gut einer Dreiviertelstunde eine Wohngegend, die sich etwas außerhalb der Stadtmitte befand und deutlich für die gehobenere Bevölkerung gedacht war. „Was arbeitet dein Freund noch gleich?“, fragte Anja irritiert angesichts der ganzen noblen Häuser, die sich brav aneinander reihten. „Wir haben zusammen studiert. Er selbst hat sich auf alte Schriften spezialisiert“, antwortete Nina. „Scheint zumindest gut zu verdienen“, beteiligte sich Ethan an dem Gespräch, ehe seine Mutter wieder Fahrt aufnahm und die Hausnummern überprüfte. Nach fünf Häusern, mit Vorgärten die ihresgleichen suchten, machte sie schließlich vor der Hausnummer Zehn halt. „ Also ihr beiden. Frank hat eine Familie. Ich möchte ihn sowenig wie möglich mit hinein ziehen“, erklärte Nina eindringlich. „Wir schweigen wie ein Grab“, versicherte Anja. „Sehr fein." Langsam öffnete Nina das weiße Gartentor und betrat einen roten Steinweg, der bis zur Haustür führte. Rechts und links befand sich eine gut gepflegte Gartenanlage. Für so eine Pflege musste man sicherlich viel Freizeit aufgeben. Wobei das für manche ja auch schon ein Hobby war. Neugierig blickte Ethan auf eine kleine Holzhütte zu seiner Rechten vor der wiederum zwei Näpfe standen. Ringsherum lag noch etwas Spielzeug verstreut. „Was ist denn das für ein Hund?“, fragte Anja leise, angesichts der Größe. „Damals hatte Frank noch Schäferhunde. Wie das jetzt aussieht weiß ich nicht“, erklärte Nina achselzuckend. „Was ist eigentlich mit Jella?“, fragte Ethan, der plötzlich angesichts der Hütte, sich wieder an die Husky – Dame erinnerte. Innerlich ohrfeigte er sich. Wie konnte man Jella nur vergessen? Sie war doch auch ein Teil der Familie! „ Ihr geht es gut. Sie ist bei Nachbarn“, antwortete Nina. „Die fragt sich bestimmt, was mit uns passiert ist“, schätzte Ethan mit einem besorgten Ton. „Es ist wirklich alles in Ordnung“, versicherte Nina und kam schließlich vor der Tür zum Stehen. „Da bin ich aber mal gespannt“, sprach Ethan, während seine Mutter die Klingel drückte.
Ein kurzer Ton ertönte und Sekunden später ging die Tür auf. „Kann ich ihnen helfen?“, fragte der gut vierzigjährige Mann. „Frank. Erkennst du mich nicht wieder?“, fragte Nina leicht beleidigt. Langsam bewegte sich der gut gebaute Körper auf die Veranda hinaus. Die braunen Haare flatterten leicht im Wind, während sich Falten auf der Stirn bildeten. „Nina? Bist du das?“, fragte Frank überrascht. „Das hat ja lange gedauert“, lächelte sie. „Tut mir leid. Hast dich ganz schön verändert Eine innige Umarmung folgte. „Na wenigstens hast du meine Stimme am Telefon noch erkannt“, antwortete Nina. „ Ich freue mich wirklich dich sehen. Wer sind denn deine Begleiter?." Neugierig blickte Frank an Nina vorbei zu Anja und Ethan herüber. „Das ist mein Sohn Ethan. Die junge Dame hier ist Anja“, stellte seine Mutter sie vor. „Das ist Ethan? Gott. Der ist ja groß geworden." Langsam trat Frank an ihr vorbei und reichte jedem die Hand. Anja und Ethan erwiderten die Begrüssung. „Ich freue mich sie kennenzulernen“, sprach Anja höflich. „Die Freunde meiner Mutter sind auch meine Freunde“, fügte Ethan hinzu. „ Das freut mich. Wollt ihr nicht herein kommen?“, fragte Frank und machte erst einmal Platz. „Sehr gerne“, bedankte sich Nina und betrat mit den anderen Beiden den Flur. „Schatz? Wer ist denn da?“, drang eine weibliche Stimme aus einem der Nebenräume. „ Nadine. Wir haben Besuch“, antwortete Frank, als auch schon eine Frau, ebenfalls in den Vierzigern den Flur betrat. Die langen blonden Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. Eine weiße Kochschürze bedeckte den Oberkörper, während sie in der rechten Hand einen Kochlöffel fest hielt. „Nadine? Jetzt bist du schon eine Hausfrau?“, fragte Nina überrascht. „Mensch. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen“, freute sich Nadine und legte den Kochlöffel weg. „Mami? Was sind das für Leute?" Ein kleiner Kopf lugte aus der Tür hervor und begutachtete die Fremden neugierig. „Linda. Das sind Freunde von Mama und Papa“, antwortete Nadine. „Ich freue mich dich kennenlernen." Langsam ging Anja etwas in die Knie und streckte die Hand aus.
Sekunden vergingen in denen das rothaarige Mädchen erst nur neugierig weiter schaute. Schließlich siegte doch die Neugier und der restliche Körper kam auch zum Vorschein. „Hallo." Schüchtern griff sie nach Anjas Hand, nur um Sekunden später hinter Nadine Schutz zu suchen. „Sie ist Fremden gegenüber meistens etwas ängstlich“, versuchte Nina zu erklären. „Das ist doch kein Problem“, lächelte Anja. „ Bleibt ihr zum Essen? Ich koche gerade wieder mal viel zu viel“, seufzte Nadine. Fragend blickte Nina in die Runde. Ethans Magen antwortete mit einem lauten Grummel. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Das ist doch kein Problem. Schatz stellst du noch ein paar Stühle dazu“, fragte Nadine. „Ihr seht ja wer hier die Hosen anhat“, grinste Frank frech und verschwand auch sogleich. „Ich finde es echt toll, was ihr beide euch aufgebaut habt“, lobte Nina. „Das war auch harte Arbeit. Ich kann ja noch nicht arbeiten und daher muss Frank das Geld reinbringen. Mit Überstunden“, antwortete Nadine ehe Frank mit zwei Stühlen im Schlepptau wieder zurückkam und in der Küche verschwand. Anja und Nina folgten ihm.
Das ganze wurde argwöhnisch von Linda beobachtet, die nicht von Nadines Seite wich. Gedanken versunken schloss Ethan auf. Was Frank und Nadine sich hier aufgebaut hatten, sollte auch mal seine Zukunft werden. Ein schönes Haus. Ein Job der genug Geld bringt und die Freizeit mit den Kindern verbringen. Wobei eines ihm noch zu wenig war. Zwei Kinder schienen da bei genauerer Überlegung besser zu sein. Das erste Kind musste doch ein Geschwisterchen haben!
Noch während Ethan in Familienplanungen schwelgte, fand ein herzhafter Geruch den Weg an seine Nase. Gott! Was roch denn hier so gut? Auf der Suche nach der Quelle des Duftes erspähte Ethan mehrere Töpfe, die dampfend auf einer Herdplatte vor sich köchelten. In dem Backofen darunter wartete ein Braten darauf, endlich auf die hungrige Meute losgelassen zu werden. „Kann ich helfen?“, fragte Anja zu Nadine herüber. „Im Schrank oben sind die Teller“, antwortete Nadine mit dem Löffel, auf einen Wandschrank zeigend. „Du da?" Neugierig blickte Ethan an sich herunter in Lindas kleine Kulleraugen. „Ja?“, fragte er unsicher. „Wie alt bist du denn?“, fragte sie neugierig. „Ich bin Neunzehn. Und du?" Hilflos blickte er zu Nina herüber, die sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Ich bin Sieben“, antwortete Linda überglücklich mit einem Glitzern in den Augen. „ Ich dachte sie ist ängstlich?“, grummelte Ethan zu Nadine herüber. „Wie es aussieht bist du eine der selten Ausnahmen. Das passiert nicht oft“, erklärte Frank. „Magst du nach dem Essen mit mir spielen." Aufgeregt trippelte die Kleine mit ihren winzigen Füßen auf dem Boden herum. „Wenn danach noch Zeit ist“, versuchte sich Ethan an einer Antwort, obgleich er hoffte, das es nie dazu kommen würde. „ Linda. Setz dich an den Tisch“, forderte Nadine eindringlich. Das saß! Ohne zu zögern wandte sich das kleine Mädchen von ihm und setzte sich an den Tisch. Ethan atmete tief durch. Das war Rettung in höchster Not! „Kommst du?“, fragte Anja. Ethan nickte und setzte sich neben sie. Das Abendessen begann............
Gut eine Stunde dauerte das wundervolle Mahl, bei dem sich Ethan echt zügeln musste, nach Nachschlag zu fragen. Doch schließlich hatte er dem Hunger nachgegeben und Nadine sorgte für den ersehnten Nachschub. Frank und Nina tauschten in der Zeit die Lebensgeschichten der letzten fünfzehn Jahre aus. Es schienen ihnen Spaß zu machen. Über diverse Ereignisse konnte sich Nina nur noch amüsieren und lachen. Bei anderen nickte sie nur zustimmend oder hielt die Antworten kurz und knapp.
Anja und Nadine hingegen sprachen über Frauendinge, die Ethan einfach nur langweilten. Für eine Runde Algebra konnte man jetzt wirklich morden. Seufzend blickte er zu Linda herüber, die unruhig auf dem Stuhl hin und her rutschte und bereits den Teller leer gegessen hatte. Irgendwas heckte die Kleine doch wieder aus? Vermutlich stellte sich sie in ihrem Kopf schon einen Schlachtplan auf, welches Spielzeug zuerst an der Reihe war. Die Barbies? Das Puppenhaus? Die Liste des Grauens wurde immer länger und länger. „Ethan? Hast du noch Hunger?“, unterbrach Nadine das Gedankenspiel. „Nein danke. Da unten geht nichts mehr rein“, antwortete Ethan und stand auf, um den Teller pass genau in der Spülmaschine unterzubringen.
Plötzlich ging alles blitzschnell. Linda war von ihrem Stuhl aufgesprungen und hatte den halben Meter zu Ethan so schnell überbrückt, das es keine Chance mehr gab zu reagieren. „Hast du jetzt Zeit?“, fragte sie ungeduldig. „Ich glaube aus der Nummer kommst du nicht mehr heraus“, grinste Anja unschuldig. „Musst du nicht langsam ins Bett? Es ist schon spät“, versuchte Ethan sein Anhängsel loszuwerden. „Mami? Darf der Junge noch mit mir spielen?“ Nadine drehte sich um. Ethan betete innerlich. Das Handtuch landete sanft über der Armatur. Jetzt sag bloß nichts Falsches! Lächelnd beugte sie sich zu ihrer Tochter hinunter. „ Du solltest dich fertig machen. Du hast doch morgen einen wichtigen Tag“, erklärte Nadine ruhig und fuhr ihr durch das rote Haar.
Erleichtert lehnte sich Ethan an die Theke. Zum Glück schien dieser kleine Rotschopf mit Bitte einverstanden zu sein. „Kommst du mir denn nachher Gute – Nacht sagen?“, fragte sie. „Natürlich“, antwortete Ethan und zauberte damit ein weiteres Lächeln auf ihr Gesicht. Dann lief die Kleine aufgeregt davon. „Du kannst nicht so mit Kindern oder?“, fragte Nadine. „Ist das so offensichtlich? Es tut mir leid. Das ist für mich ungewohnt“, entschuldigte sich Ethan. „Das macht doch nichts. Aber sie scheint dich wirklich zu mögen“, sprach Nadine und wandte sich wieder der Spüle zu. „Sie ist ja auch ein liebes Ding. Ich bin wahrscheinlich nur zu blöd“, gab sich Ethan selbst die Schuld. „Mach dir keinen Kopf“, ermutigte sie ihn. „ Ich versuche es“, antwortete er und schnappte sich das Spültuch.
Fünfzehn Minuten später hatte alles wieder seine Ordnung und die Gruppe saß gemeinsam am Tisch. „Das war wirklich ein toller Abend“, freute sich Frank und hob das Glas an. „Ihr müsst wirklich öfter kommen“, fügte Nadine hinzu. „Das würde mir gefallen. Allerdings sind wir aus einem anderen Grund hier“, gestand Nina leise. „Um was geht es?“, hakte Frank nach. „ Das ist etwas schwer. Wie erkläre ich das am Besten“, stammelte Nina. „Mama hat Stress mit Papa und nun braucht sie etwas Ruhe vor ihm“, fiel ihr Ethan ins Wort. „Das hast du ja gar nicht erwähnt?“, bohrte Nadine besorgt nach. „Das ist ja auch etwas, was man nicht gleich raus posaunt“, gestand Nina mit einem dankenden Blick zu ihrem Sohn. „Wie können wir euch denn helfen?“ „Deine Eltern besitzen doch ein Haus auf dem Land. Ich dachte vielleicht könnte ich da etwas ausspannen“,antwortete Nina vorsichtig. „Das ist klar kein Problem. Das Haus steht eh leer, seit Max vor 2 Jahren gestorben ist“, antwortete Frank.
Eine tonnenschwere Last fiel von Ninas Schultern, obgleich sie auch nicht damit zufrieden schien, Frank und Nadine anlügen zu müssen. Doch die derzeitige Situation ließ die Wahrheit einfach nicht zu. Die Familie würde einfach in Gefahr geraten und das durfte einfach nicht passieren. „Wollt ihr da heute noch raus fahren?“, fragte Frank. „Wenn es keine Umstände macht?“, bat Anja höflich. „Das ist nicht weit weg von hier. Ich fahr euch hin“, sprach Frank. „Aber fahr vorsichtig. Ist schon dunkel draußen." „Natürlich Schatz“, versicherte er und gab Nadine einen gefühlvollen Kuss. „Das ist wirklich sehr lieb von dir“, bedankte sich Nina höflich. „Keine Ursache“, winkte Frank ab und stand auf.
Nach weiteren gefühlten zwanzig Minuten befand sich der Audi mit Frank am Steuer auf der Landstraße. Während Anja bereits im Auto eingeschlafen war unterhielten sich Nina und ihr fast gleichaltriger Freund vorne im Wagen. „Das ist wirklich super, das du dafür noch die Zeit gefunden hast. Es ist doch echt schon spät." Lächelnd blickte sie nach hinten zu Anja die sich im Schlaf wieder mal an Ethan heran gekuschelt hatte. Der Kopf lag an seiner verletzten Schulter. Allerdings machte Ethan keine Anstalten sie deswegen aufzuwecken. „Seid ihr beide eigentlich ein Paar“, fragte Frank geradeaus. „Was? Also die Frage stellen neuerdings viele Leute“, wies Ethan erschrocken ab. „Ich war auch mal jung. Ich sehe das sofort“, zwinkerte Frank mit dem rechten Auge. „Ich glaube er kann sich noch nicht entscheiden“, kicherte Nina leise. „Weiß sie es?“, bohrte Frank weiter. „Da gibt es nichts zu wissen. Wirklich. Das bildest du dir nur ein!" Noch hielt das Bollwerk. Doch wenn er weiter solche Fragen stellte, war das nur eine Frage der Zeit, wann sich das ändern würde. Aber was sollte man schon groß auf so etwas antworten? Er wusste ja nicht einmal genau, was da in ihm vorging. Auf der einen Seite gefiel es ihm total, das sie sich so nah waren. Auf der anderen Seite lag da auch etwas Befremdlichkeit in der Luft. „Ich glaube wir müssen uns mal in Ruhe unterhalten“, lächelte Nina. „Na das kann ja was werden“, brummte Ethan leise ehe das Fahrzeug mitten auf der Straße plötzlich langsamer wurde. „Was ist los?“, fragte Nina besorgt. „Nichts. Ich darf nur die Ausfahrt nicht verpassen. Im Dunkeln kann man den Weg nur schlecht erkennen“, antwortete Frank ruhig und spähte aus dem Fenster, bis er schließlich mit einer langsam Handbewegung das Auto auf einen schmalen Weg lenkte. „Das war es schon. Wir sind gleich da“, sprach er zufrieden und brachte das Gefährt fünf Minuten später vor einem Tor zum stehen. „In der Nacht kommt das Bauwerk leider nicht so schön zur Geltung“, entschuldigte sich Frank und ließ seine Finger über eine Fernbedienung huschen.
Das Eisentor schwang leise knarrend auf und gewährte den Gästen Einlass. „Willkommen im trauten Heim“, begrüßte Frank scherzhaft die Gruppe und lenkte den Wagen auf einen Parkplatz. Dann stiegen sie aus. Dabei versuchte Ethan Anja behutsam wach zu bekommen. Ein leichtes Grunzen verließ ihre Lippen ehe sie wach wurde und schläfrig ihren Körper heraus hievte. „Ich helfe dir“, bot sich Ethan als Stütze an. Kommentarlos nahm sie das Angebot an und ließ sich von ihm ins Haus begleiten. „Oben sind die Zimmer. Der Kühlschrank müsste noch voll sein. Ansonsten bring ich euch morgen früh etwas vorbei“, erklärte Frank und knipste das Licht an. „Ich hatte ganz vergessen, wie schön es hier ist“, schwelgte Nina in Erinnerungen.
Tatsächlich hatte dieses Landhaus etwas an sich, was auch Ethan sofort in seinen Bann zog. „Wie alt ist das Haus?“, fragte er neugierig. „Es ist seit Generationen im Familienbesitz und gehörte im Mittelalter einem reichen Patrizier“, antwortete Frank und führte die Gruppe eine Treppe hinauf. „Diese Architektur ist wirklich schön“, sprach Ethan leise. Der ganze rustikale Stil gab den Ort irgendwie etwas magisches. Als würde man eine Zeitreise antreten. „Meine Eltern haben damals viel Zeit hier herein gesteckt. Nach dem Tod meines Vaters ging das Land auf mich über." Leise öffnete Frank eine Tür und knipste das Licht an. „Leg dich hier hin“, forderte er leise und half dabei Anja ins Bett zu legen. „Ich zeige dir schon mal dein Zimmer“, erklärte Frank und verließ den Raum. „Gute Idee. Ich glaube mir fallen auch schon die Augen zu, obwohl mir dieses Haus wirklich sehr gut gefällt und ich am liebsten noch mehr sehen würde“, gestand Ethan. „Warte ab bis du es morgen siehst. Dann ist es noch viel schöner“, erklärte Frank und führte Ethan in ein Zimmer, das neben Anjas angrenzte. „Echt super hier. Da kann ich sicher gut schlafen“, bedankte sich Ethan. „Das Bad ist am Ende des Flures. Draußen ist noch eine Sauna, falls ihr daran Interesse habt“, erklärte Frank kurz. „Eine Sauna?" Ethan wurde hellhörig. Das war ja wie in einem Paradies hier. „Du glaubst gar nicht was hier noch alles ist“, grinste Frank und schloss die Tür hinter sich.
Müde sank Ethan auf das weiche Bett. Man war das bequem! Und dieser Holzgeruch! Kurz stand er noch mal auf und ging ans Fenster um es auf Kipp zu stellen. Eine kalte Brise bedankte sich, drang in das Zimmer ein und machte es sich gemütlich. Hier konnte man es wirklich aushalten. Langsam zog Ethan seine Schuhe aus und legte die Klamotten über einen hölzernen Stuhl. Dann ließ er sich abermals ins Bett fallen und zog die flauschige Decke über seinen Körper ehe er die Gabe des Träumens empfing................................
Was für eine Nacht. Zum ersten Mal seit Tagen hatte Ethan wie ein Stein geschlafen und neue Energien tanken gönnen. Nach dem Aufstehen folgte dann direkt eine schöne warme, vitalisierende Dusche, ehe er an einem gemeinsamen Frühstück teilnahm. „So ein Frühstück hatte ich echt lange nicht mehr“, sprach Ethan und legte eine Scheibe Käse auf die Brötchenhälfte. „Soll das heißen mein Frühstück ist nicht so toll?“, fragte Nina mit schiefer Miene. „Das wollte ich damit nun nicht sagen“, entschuldigte er sich und biss in das knusprige Brötchen. „Wie hast du geschlafen Anja?“, fragte Nina. „Wunderbar. Das hat mir echt gut getan“, antwortete Anja, als die Tür zum Essbereich aufging und Michael in der Tür stand. „Guten Morgen zusammen“, grüßte er höflich. „Onkel!" Anja ließ alles stehen und liegen und fiel ihm direkt in die Arme. „So lange war ich doch gar nicht weg“, lächelte er verlegen. „Trotzdem. Hast du was herausgefunden?" „Nicht viel. Bei der Kirche hab ich zuerst gesucht. Doch Pavla war bereits weg. Daraufhin habe ich ein paar Anwohner gefragt. Allerdings konnten die mir auch nichts Nützliches sagen“, seufzte Michael, während er sich an der Kaffeekanne bediente. „Ich hoffe einfach, dass ihr nichts passiert ist“, betete Ethan. „Ich hätte sie nicht mit George mitgehen lassen sollen“, machte Michael sich Vorwürfe. „Dich trifft doch keine Schuld. Leila wollte doch selbst mit“, versuchte Nina ihm die Schuldgefühle auszureden. „Er hat weiß Gott was mit ihr angestellt." Wütend goss er sich etwas Kaffee in einen Becher und setzte sich zu den anderen. „Wie sieht es denn mit den Kelchen aus? Habt ihr Fortschritte erzielen können?“, versuchte Michael das Thema zu wechseln.
Ratlos blickte die Gruppe einander an. Dann ergriff Ethan das Wort. „Leider. Nein. Wir waren letzte Nacht so müde. Wir haben keinen Blick mehr drauf geworden." „Dann sollten wir das nach dem Frühstück aufholen. Die Arbeit schläft nie und die Kirche ist uns immer noch im Nacken“, forderte Michael eindringlich. „Das ist auch noch so eine Sache. Ich finde das für so ein paar alte Goldkelche, ein riesiger Aufwand betrieben wird“, erklärte Ethan nachdenklich. „Was meinst du genau?“, fragte Anja. "Nun. Der Orden der Rose ist keine verbreitete Religion. Warum setzt die Kirche so viele Ressourcen ein und geht sogar über Leichen“, antwortete Ethan. „Diese Fragen haben sich die Mitglieder des Ordens seit je her selber gestellt“, seufzte Nina. „Ich finde das Ganze etwas übertrieben. Ich glaube das da noch viel mehr hinter steckt, als wir im Moment begreifen können“, vermutete Ethan. „Du glaubst, das die Ritter vor Jahrhunderten tatsächlich etwas gefunden haben, dass das Schicksal der Menschen beeinflussen wird?“, fragte Anja. Ethan nickte zustimmend stand auf. „Ich mag jetzt vielleicht mit Stärke gesegnet sein. Doch mein Verstand sagt mir einfach, das da noch viel mehr ist."
Nachdenklich trat er an das Fenster heran, dass den Blick auf die Terrasse gewährte. Dahinter befand sich ein dichtes Waldgebiet, dass von einem Nebelschleier umgeben war. Alles in allem wirkte das Wetter heute ziemlich trostlos. Es regnete außerdem noch sehr leicht. „Seit dem Verschwinden der Kelche hat sich keiner mehr die Frage gestellt, was eigentlich damals wirklich passiert ist“, erinnerte sich Michael. „Stimmt. Meine Eltern haben mir damals auch nicht viel erzählt, sondern immer gepredigt, dass die Kelche oberste Priorität haben“, bestätigte Nina. „Ich habe einfach die Vermutung, dass ihr tatsächlich vor der Kirche beschützt werden solltet. Stellt euch vor man nimmt euch gefangen und ihr werdet gefoltert....“, begann Ethan. „Dann könnte man nichts preis geben, weil man ja nichts weiß“, beendete Anja den Satz. "Mein Reden. Das Gewölbe stellt bestimmt eine Chronologie des gesamten Wissens des Ordens da. Klar das man das schützen wollte“, führte Ethan den Gedanken weiter. "Was da wohl alles drin ist?“, fragte Anja und stellte sich zu Ethan ans Fenster. "Es muss etwas wichtiges sein, wenn die Kirche dafür tötet“, vermutete Michael. "Räumen wir doch erst mal den Tisch ab und schauen uns dann die Kelche gemeinsam an“, schlug Nina vor.
Alle nickten zustimmend. „Noch etwas. Manchmal kann auch das Wissen die Kraft besiegen“, sprach Anja lächelnd, ehe sie verschwand um Nina zu helfen. Verdutzt blickte Ethan ihr nach. War das gerade etwa ein Kompliment gewesen? „Damit hat sie vollkommen recht“, schmunzelte Nina. „Die Feder ist also mächtiger als das Schwert“, feixte er zurück und wandte sich wieder dem Fenster zu. Warum hatte er das schon wieder getan? Er reagierte auf ein Kompliment von Anja so wütend und das völlig ohne Grund. War er einfach nur zu dämlich um das zu verstehen?
Das Chaos nahm in seinem Kopf ordentlich Fahrt auf und wirbelte dabei alles durcheinander. Wie war die Aussage zu deuten? Wollte sie ihm damit vielleicht etwas anderes mitteilen? Eine versteckte Botschaft in der Botschaft? Empfand sie was für ihn? Wenn ja, wie fühlt sich das überhaupt an?
Ethans Kopf schlug innerlich Funken und drohte anhand der ganzen Fragen zu explodieren. „Ist alles in Ordnung?“, unterbrach ihn die Ninas Stimme. „Ich denke nur nach“, antwortete Ethan knapp. „Ich fürchte ich habe als Mutter einen wichtigen Fehler gemacht seufzte sie und legte die Hand auf seine Schulter. „Was für ein Fehler sollte das denn sein?“, fragte er überrascht. „Ich hab dir nie beigebracht, wie man mit Gefühlen umgeht. Das tut mir leid“, entschuldigte sie sich. "Was den für Gefühle? Es ist alles in Ordnung. Wirklich“, log Ethan. "Vielleicht später....“, begann Nina als Anja plötzlich im Raum stand. "Wollt ihr da Wurzeln schlagen?“, warf sie dazwischen und stellte die beiden Kelche auf den Tisch. "Bloß nicht“, versuchte Nina ihren Sorgen mit einem Lachen zu überspielen und setzte sich wieder an den Tisch.
Ethan folgte ihr und ließ seinen Blick über die Kelche wandern. "Also. Wir wissen, dass die beiden Prachtstücke hier den Weg zum dritten Kelch offenbaren sollen“, begann Nina, während Michael die Runde komplettierte. "Die Bilder auf der Außenseite stellen bestimmt, die Geschichte des Ordens da“, vermute Anja und fuhr mit den Fingern leicht über die Gravuren entlang.
Den anderen Kelch nahm Ethan in die Hand. Bei genauerer Betrachtung konnte man deutlich erkennen, das hier der Abschnitt gezeigt wurde, wie eine Frau und ein Mann in der Mitte standen. Rund herum standen weitere kleinere Figuren mit kleinen Wappenschilden, auf denen wiederum das Templerritter – Kreuz noch sehr gut zu sehen war. Im Hintergrund waren einige Engel abgebildet, die mit einer Posaune oder ähnlichem in den Himmel hinein bliesen.
Auf der gegenüberliegenden Seite waren wieder die Frau und der Mann abgebildet. Mit einem Heiligenschein über ihren Köpfen fuhren sie auf einem Boot dem Himmel entgegen. "Irgendwas stimmt hier nicht." Vorsichtig fuhr er mit der Hand noch einmal über die jeweiligen Bilder. "Was meinst du?“, fragte Nina. "Das zweite Bild hier wirkt viel neuer als das erste. Schau doch mal“, erklärte Ethan und schob ihr den Kelch rüber. "Tatsächlich. Das erste Bild ist ziemlich blass und ist locker über 200 Jahre alt“, bestätigte Nina. "Hier ist es nicht anders. Zwei Bilder und das eine scheint älter zu sein“, fügte Anja hinzu und schob den Kelch zu Ethan herüber.
Auch auf diesem Bild befanden sich wieder die Mann und die Frau. Diesmal allerdings fliehend dargestellt. Eine Bergkette in weiter Entfernung schien ihr Ziel zu sein. Auf der andere Seite, standen die beiden diesmal vor einem Tor, das von Engeln umflogen wurde. In der Mitte thronte ein Jesusbild und schien sie mit offenen Armen zu empfangen. "Aber das kann nicht sein. Wisst ihr was das bedeuten würde?“, versuchte sich Michael an einer Gegentheorie. "Was meinst du genau?“, fragte Anja nach. "Diese Kelche waren mit den letzten Nachfahren der Ritter versiegelt. Das bedeutet, das jemand nachträglich irgendwann im Laufe der Geschichte die Grabstätten ein zweites Mal aufgesucht hat“, antwortete Michael. "Als Alan und ich damals das Grab öffneten wies nichts auf so etwas hin“, warf Nina ein. "Die Zeichen auf den Kelchen sprechen aber eine andere Sprache. Jemand muss dagewesen sein und wollte unbedingt ein Vermächtnis hinterlassen“, sprach Michael. "Hier passt definitiv etwas nicht zusammen“, grübelte Ethan und blickte abwechseln die Kelche an. "Nehmen wir an das die beiden älteren Bilder eine Art Reise darstellen. Die Ordensritter beten Adam und Eva an. Auf dem anderen Kelch fliehen sie vor etwas."
Nachdenklich griff Nina zur Tasse und nahm einen Schluck Kaffee. "Stellt sich mir die Frage vor was die überhaupt fliehen“, runzelte Ethan fragend die Stirn. Seine Hände griffen nach dem Orangensaft und gossen den Inhalt in ein Glas. Dann nippte er vorsichtig daran. "Die Zahlen auf der Unterseite kommen mir auch spanisch vor“, grummelte Anja. "Eine Chiffre vielleicht?“, fragte Ethan. "Ich bin in solchen Arbeiten leider nicht ausgebildet worden“, fluchte Nina. "Was ist denn mit Frank?“, fragte Anja vorsichtig. "Nein. Auf keinen Fall!“, protestierte Nina und haute mit der flachen Hand auf den Tisch. "Ich werde ihn da nicht mit herein ziehen. Er hat Frau und Kind und hat es verdient ein ruhiges Leben zu führen“, fügte sie wütend hinzu. "War ja nur eine Frage“, entschuldigte sich Anja kleinlaut. "Ist denn da sonst niemand er uns helfen kann?" Fragend blickte Ethan in die Runde. Keine Antwort folgte.
Seufzend nahm Nina wieder am Tisch Platz. "Frank ist der einzige, den ich kenne“, seufzte sie. "Müssen wir ihm denn alles erzählen? Er soll sich doch nur die Kelche ansehen. Vom Orden muss er ja nichts erfahren“, versuchte Ethan einen Kompromiss zu erzielen. "Nina....." Sanft legte sich Michaels Hand auf die ihre. "Wir haben einfach keine Wahl. Ich halte den Vorschlag von Ethan für gut“, sprach er ruhig auf sie ein. "Also gut. Ich rufe ihn an und frage ihn“, gab Nina schließlich nach und kramte ihr Handy hervor. "Hoffentlich bereue ich das nicht." Zögerlich rief sie das Menü auf und wählte Franks Nummer.
Sekunden vergingen ehe Franks Stimme aus dem Lautsprecher hallte. Vorsichtig legte Nina das Handy auf den Tisch und stellte es auf laut. "Nina? Ist alles in Ordnung bei euch?“, fragte Frank besorgt. "Uns geht es gut. Ich rufe in einer andere Sache an“, antwortete sie. "Wie kann ich denn helfen?" "Ich brauche dich, um ein paar Relikte zu untersuchen. Ich komme da einfach nicht weiter“, erklärte Nina. "Ich dachte du brauchtest Abstand?“, hakte Frank an. "Das stimmt. Ich habe mir etwas Arbeit mitgenommen. Das hilft mir meistens“, log sie ihn an. Gott war Ethan froh, das er jetzt nicht das Gesicht von ihr sehen konnte. Sie hatte eindeutig mit der Entscheidung zu kämpfen und hielt die Hände verschränkt vor dem Mund. "Das kann ich verstehen. In einer Stunde kann ich da sein“, schlug Frank vor. Erleichterung machte sich breit. "Das reicht vollkommen aus. Du bist ein Schatz“, bedankte sich Nina. "Lass das nicht meine Frau hören“, scherzte Frank. "Keine Sorge. Also bis nachher." "Bis dann“, verabschiedete sich Frank und legte auf. "Ich werde es mir nie verzeihen können, wenn seiner Familie was zustößt“, seufzte Nina. "Das wird es nicht. Pavla hat kein Interesse daran Unschuldige zu töten. Er ist viel zu fixiert auf uns“, versuchte Michael sie zu beruhigen. Uns? Da war es wieder. Dieses Gemeinschaftswort. Nachdenklich blickte Ethan in die Runde. Sie alle waren Ordensritter. Warum er eigentlich nicht? In den letzten Tagen hatte er sich mehr als bewährt. Aber würden sie ihn aufnehmen? Was ist wenn nicht? Sollte er einfach fragen? "Apropos uns. Ich hätte da mal eine Frage“, sprach Ethan vorsichtig. "Na raus damit“, forderte Anja. "Na wann werde ich eigentlich in den Orden aufgenommen?"
Ungläubig blickten die anderen drei sich gegenseitig an. Dann kehrte Stille ein. Unruhig rutschte Ethan auf dem Stuhl hin und her. "Ist das dein ernst?“, brach Anja das Schweigen. "Warum denn nicht? Spricht etwas dagegen?“, fragte Ethan entrüstet. "Überhaupt nicht. Ich bin irgendwie stolz das du fragst“, lächelte Nina, stand auf und ging zu ihrem Sohn hinüber. "Dein Vater wäre sicherlich begeistert“, sprach sie leise und umarmte ihn. "Ich hab da nichts einzuwenden. Hast du dir das auch gut überlegt“, fragte Michael. "Ich möchte einfach dazugehören und nicht nur ein Mitläufer sein“, erklärte Ethan. "Ich werde die Aufnahmezeremonie vorbereiten“, erklärte Nina freudig. Was würde ihn wohl erwarten?.....................................
Kurz nach dem Gespräch hatte es Ethan auf sein Zimmer verschlagen. Gedankenversunken nahm er sich den Stuhl und setzte sich vor das Fenster. Was würde wohl die Aufnahmezeremonie beinhalten? Wenn man so die Geschichte der letzten tausend Jahre Revue passieren ließ, konnten da wirklich allerhand Rituale in Frage kommen. Angst kroch in seine Glieder. Hoffentlich war es kein Blutopfer? „Du bist doch wahnsinnig!“, schüttelte er ungläubig den Kopf, als es an der Tür klopfte. "Darf ich eintreten?“, fragte Nina. "Klar“, antwortete Ethan und drehte sich herum. "Ich wollte mal unter vier Augen mit dir reden“, erklärte sie leise und betrat den Raum. "Um was geht es denn? ",fragte Ethan neugierig, während seine Mutter auf dem Bett Platz nahm. "Ich bin einfach nur überrascht, dass du dich dem Orden verpflichten willst“, gestand sie. "Ich war selber von mir erschrocken, als der Gedanke dazu aufkeimte“, fügte Ethan hinzu. "Weißt du. Anja, Michael und ich wir haben einen Grund. Wir wurden das ganze Leben auf diese Aufgabe vorbereitet“, sprach sie weiter. "Habe ich in den letzten Tagen nicht mehr als genug bewiesen, dass ich bereit bin?" Besorgt blickte er in Ninas Richtung, die in ihrem Kopf wohl gerade eine passende Antwort zusammenbastelte. "Daran liegt es nicht. Du hast dich wirklich gut geschlagen.....“, begann sie. "Aber?“, fiel ihr Ethan ins Wort. "Ich habe bereits Alan durch den Orden verloren. Ich habe dich bewusst nicht in unsere Lehren eingeführt, da ich andere Pläne für dich hatte“, seufzte sie. "Du wolltest für mich ein normales Leben. Das ich nicht in diesen Untergrundkrieg mit hinein gezogen werde?" Nina nickte zustimmend. "Das war auch eigentlich mein Ziel. Meine Zukunftsplanung sah irgendwie anders aus. Doch es hat sich was verändert." "Das da wäre?“, fragte Nina. "Du hast dein ganzes Leben für die Suche nach den Kelchen geopfert. David hat dich dazu noch behandelt wie eine Sklavin und naja....da ist noch ein Grund“, versuchte Ethan zu erklären, als ihm plötzlich die Röte ins Gesicht schoss. Seine Mutter kommentierte diese Schüchternheit mit einem Schmunzeln. "Anja?“, suchte sich nach Bestätigung. "Sie ist so eine tolle Frau. Aber irgendwie weiß ich damit nicht umzugehen. Vor allem was ist wenn sie nicht so denkt“, bombadierte Ethan sie mit Fragen. "Stopp!“, unterbrach Nina mit einer Handgeste. "Tut mir leid“, entschuldigte sich Ethan. "Das musst du nicht. Du hast dein ganzes Leben damit zu gebracht, für die Schule zu lernen“, lächelte Nina. "Die Schule“, erinnerte sich Ethan, "da war ich auch immer alleine gewesen. Vielleicht rächt sich das jetzt." "Du bist gerade mal Neunzehn Jahre alt. Da hast du noch viel Zeit“, sprach sie ihm Mut zu. "Das hilft mir aber nicht, mit Anja klarzukommen“, grummelte Ethan. "Sie mag dich wirklich. Aber bei ihr ist es ähnlich. Sie wurde das ganze Leben auf den Orden vorbereitet und da waren einfach keine Lücken für Beziehungen." "Wenigstens bin ich nicht der einzige, der sich Schwierigkeiten hinzuschaufelt“, sprach Ethan mit einem sarkastischen Unterton und blickte kurz nach draußen. Die Sonne hatte sich ihren Platz am Himmel zurückgekämpft und den Regen besiegt. Auch der Nebel löste sich allmählich in Wohlgefallen auf. "Vielleicht sollte ich etwas spazieren gehen. Der Wald da draußen lädt ja gerade dazu ein“, überlegte Ethan. "Willst du dich der Situation mit Anja nicht stellen?“, fragte Nina besorgt und stellte sich neben ihn. "Ich kann dir sämtliche Formeln runter rattern. Warum gibt es keine Formel für die Liebe?“, seufzte er fragend. "Ich glaube das wird auf ewig ein Rätsel der Menschheit sein“, grinste Nina und nahm ihren Sohn in den Arm. "Das befriedigt mich gar nicht!“, protestierte Ethan, als es erneut an der Tür klopfte und kurz darauf Anja in der Tür stand. "Oh. Ich wollte nicht stören." Peinlich berührt machte sie auf der Türschwelle kehrt. "Bleib ruhig. Ethan hat mir erzählt, dass er gleich noch in den Wald gehen wollte." Verräterin! Mit wütender Miene kommentierte Ethan die Aussage seiner Mutter. Ein unschuldiges Grinsen folgte. "Das klingt doch gut!“, sprach Anja. "Nicht wahr? Ich finde du solltest ihn begleiten. Frank und ich kommen auch eine Weile ohne euch aus“, erklärte Nina trocken. "Ich komme schon klar. Keine Sorge. Anja hat bestimmt besseres zu tun“, wehrte sich Ethan. "Eigentlich nicht. Außerdem muss doch einer auf dich aufpassen." Einspruch abgelehnt! Jetzt hatte er Nina und Anja gegen sich. Das konnte nun wirklich nicht gut gehen. Die eine grinste ihn unschuldig an. Die anderen konnte sich vor Freude kaum halten, als würde man einem kleinen Kind einen Lolli anbieten. "Ich hab keine Wahl oder?“, fragte Ethan seufzend. "Nein!“, antwortete Anja knapp. "Das kriegst du wieder“, flüsterte er zu Nina herüber und stand auf. "Du wirst mir noch danken“, erwiderte sie leise. "Ich mache mich dann schon einmal fertig“, sprach Anja freudig und verschwand. "Was soll das?“, fragte Ethan laut. "Jetzt zier dich nicht so. Du wirst das schon hinbekommen“, antwortete Nina trocken. "Ich gehe schon mal in Gedanken die Möglichkeiten durch, die alle schiefgehen können“, seufzte Ethan und zog sich an. "Hör auf damit. Denk positiv. Lasse es auf dich zukommen. Dann wird das schon werden“, versuchte Nina ihm gut zuzureden. "Wie ich sagte..... das kriegst du wieder“, wiederholte sich Ethan und schwang die Jacke über. Kurz darauf stand er vor der Tür und wartete. "Kann losgehen!" Voller Elan trat Anja ins Freie und nahm erst einmal eine ordentlich Ladung Sauerstoff auf. "Diese Luft hier ist einfach wunderbar oder?“, fragte sie. "Ja. Es ist sehr angenehm“, antwortete Ethan knapp und ging los. Anja schloss schnell zu ihm auf. Sie hatte deutlich mehr Spaß an dieser Aktivität als umgekehrt. Aber es war ja auch nicht ihre Schuld. Er mochte Anja ja. Sogar sehr. Doch auf der anderen Seite fuhr das Unwohlsein langsam aber sicher auch schwere Geschütze auf. Die sonst so klare Sicht auf die Dinge verbarg sich hinter einem dichten Nebelschleier, während sein Magen wie eine Brausetablette schäumte und eine Party feierte. Wie konnte man sich durch so etwas nur ablenken lassen? Still gingen die beiden Seite an Seite einen kleinen Pfad hinauf, der trotz des morgentlichen Regens erstaunlich fest war. Rechts und links standen die Bäume spalier, als würde Ethan gerade zum Traualtar schreiten. Was für ein gruseliger Gedanke! Wie kam er nur plötzlich darauf? Irritiert blickte er zu Anja herüber, die ihre Hand nach den fallen Blättern ausstreckte. "Du bist so still. Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. "Mir geht es ganz gut. Ich verarbeite gerade nur die letzten Tage“, antwortete Ethan. "Du hast dich extrem gut geschlagen bis jetzt“, versuchte sie sich an einem Kompliment. Auch sie hatte wohl eindeutig Schwierigkeiten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Stille! Das war ein recht kurzer Wortwechsel! "Ich bin in solchen Dingen leider nicht so gut“, versuchte Ethan sich zu rechtfertigen. "Was für Dinge meinst du?“, fragte sie irritiert. "Normalerweise habe ich Dates mit meinen Matheaufgaben. Eine Frau kam in meiner Gleichung noch nie vor." Ein lautes Lachen ihrerseits kommentierte seine Aussage. "Du bist echt drollig“, schmunzelte sie und hakte sich bei ihm ein. "Drollig hatte ich gerade nicht im Sinn." Irritiert starrte Ethan auf seinen linken Arm. Anja war bei ihrer Aktion behutsam vorgegangen angesichts seiner Verletzung und stützte seinen Arm perfekt ab. Unruhig starrte Ethan wieder zu den Bäumen herüber. "Jetzt enstpanne dich mal“, versuchte sie ihn zu beruhigen, während in seinem Kopf die Gleichung einfach keine Lösung hervor brachte.
Dafür schien sein Körper allerdings ganz andere Signale zu senden. Es wurde eindeutig wärmer. Oder ging das von Anja aus, die sich eng an ihn schmiegte? Gott sie roch einfach so herrlich nach Rosen. "Was denke ich denn da?“, erschrak er innerlich. "Lasse es doch einfach zu und geniesse es“, forderte eine andere Stimme in seinem Kopf. Jetzt war es soweit! Engel und Teufel begannen sich gegenseitig in seinem Verstand die Sätze um die Ohren zu schmeißen. Und war da nicht noch eine Gleichung?
Chaos Pur! "Ich finde es schön das wir mal etwas Zeit haben“, sprach Anja erleichtert. "Es ist mal was anderes, als dauernd dem Tod ins Gesicht zu blicken“, bestätigte Ethan und versuchte den beiden Streithähnen in seinem Kopf Einhalt zu gebieten, während Anja ihren Kopf an seine Schulter lehnte. "Du wirkst einfach zu aufgekratzt. Möchte mal wissen, was da in deinem Hirn vor sich geht“, lächelte sie. "Glaub mir das willst du nicht. Mein Verstand versucht sich gerade selbst fertig zu machen“, grummelte er leise. "Dann zeig ihm wer der Boss ist?“, sprach Anja, während die beiden eine Wegkreuzung erreichten. "Nach links oder rechts?" Fragend suchten ihre Augen den Kontakt zu Ethan. "Du darfst entscheiden. Ich muss hier gerade schlichten“, antwortete Ethan nervös. "Soll ich dir helfen?" Langsam löste sie ihren Arm und stellte sich vor ihn.
Unruhig trippelte er den Schuhen auf und ab. Seine Muskeln verkrampften sich. Der restliche Körper ruhte da wie ein Eisblock, während sich die ersten Schweißperlen auf der Stirn bildeten. "Ist dir das ganze unangenehm?“, fragte sie besorgt und trat näher an Ethan heran. Langsam hob sie ihre rechte Hand und fuhr ihm sanft über die Wange. Shit! Musste das Herz gleich auf einmal diesen Turbo einlegen? "Ganz ruhig?“, sprach sie mit sanfter Stimme und kam noch näher. Sollte er jetzt die Beine in die Hand nehmen? Die Gleichung ging zu seinen Ungunsten aus. Sein Körper verweigerte die Befehle. "Mistding!“, fluchte er innerlich.
Andererseits war ihre Berührung so samtweich. Ihre Finger fuhren langsam die Wange hinunter, während ihr Körper noch näher rückte. Jetzt trennten sie nur gefühlte Zentimeter von einander. Ihr warmer Atem vermochte er auf seiner Wange zu spüren. "Nicht das ich noch einen Herzinfarkt kriege“, stammelte er. "Keine Sorge. Vertrau mir einfach“, hauchte sie ihm mit ihren wundervollen Lippen entgegen. "Mein Herz hämmert so unglaublich stark“, versuchte er sich Anja zu erwähren. "Lass dich einfach fallen“, lächelte sie und fuhr näher an den Kopf heran. Gott! Ihre Lippen drohten einander zu berühren! Sein Herz wie eine Rakete davon zu fliegen. Die Party in seinem Bauch zu eskalieren.
Ihre Augen schlossen sich und es war passiert. Sanft legten sich ihre Lippen auf die Seinen und begannen sie lieblich zu streicheln und zu liebkosen.Dann ließ sie kurz von ihm ab. "Tut mir leid. Ich bin normalerweise nicht so“, entschuldigte sie sich leise. "Deine wundervollen Lippen“, stammelte er sich die Wörter zurecht. Ein süßes Lächeln huschte über ihr Gesich ehe sie ihn zu sich heran zog. Eng umschlugen standen sie da. Ihre Blicke, den einen Funken entfachend, der schnell zu einer Flamme heranwuchs. "Komm." Das Feuer der Leidenschaft in ihren Augen sprang auf Ethan über, ehe sich ihre Münder wieder in einem romantischen Liebesspiel vereinten. Rasend schnell verbrannten die Hemmungen und ließ ihn mutiger werden. Wild schlangen sich seine Arme um Anja und drückten sie sanft gegen den nächsten Baum. Sie ließ es geschehen. Aus dem Feuer entfachte sich ein ganzer Brand. Sanft streichelten seine Hände über ihre warme Wange, während seine Lippen sich einen Weg den Hals entlang bahnten. Genussvoll sog er jede Berührung regelrecht auf. "Nicht so schnell“, gab sie leicht stöhnend von sich.
Ethan hielt kurz inne und schaute zu ihr auf. "Jetzt tut es mir leid. Es kam einfach so über mich“, entschuldigte sich Ethan und ging einen Schritt zurück. "Es gibt nichts was dir leid tun müsste. Wir sollten es nur langsam angehen lassen“, lächelte sie und kuschelte sich in seine Arme, die sie auch sogleich ranzogen. Man! Was war das für ein Start in den Tag! Der Kuss hatte alle Dämme gebrochen und was noch viel wichtiger war. Engel und Teufel hatten sich endlich beruhigt. Sein Körper wirkte entspannt und gefasst. "Ich glaube ich muss meine Mutter doch nicht die Leviten lesen“, grinste Ethan. "Sie will nur dein Bestes“, lächelte Anja und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Meinst du die kommen da noch eine Weile ohne uns aus?“, fragte Ethan. "Auf jeden Fall. Wir sollten noch ein wenig weitergehen und die Zeit nutzen“, antwortete Anja und zog ihn sanft auf den linken Weg. "Ich habe mich eigentlich immer gegen Männer gesträubt“, gestand sie, während sie einen Fuß vor den anderen setzte. "Warum das?“, fragte Ethan. "Wegen dem Orden. Ich würde doch jeden Mann vergraulen oder ihn bitten, sein Leben in meine Hände zu legen“, antwortete Anja. "Klingt nach einer schweren Zeit“, sprach Ethan und drükte sie wieder an sich. "Bei dir ist das irgendwie anders. Da ist etwas Besonderes. Vielleicht so eine Gefühl, das ich mich bei dir öffnen kann“, versuchte Anja sich an einer Erklärung. "Sowas wie Schicksal?." "In die Richtung geht es ja. Ist doch verrückt oder?“, suchte Anja nach Bestätigung. "Mein Verstand würde dafür jetzt eine Matheformel parat haben“, grinste Ethan. "Für die Liebe gibt es keine Formel." Sanft stupste sie ihn mit dem Ellebogen in die Seite. "Lass uns jetzt nicht mehr drüber nachdenken. Genießen wir diesen Moment einfach." Sanft fuhr Ethan über ihre wundervollen Haare, während sie weiter in den Wald hineingingen............................
Drei Stunden waren vergangen, seitdem Anja die Initiative ergriffen hatte und Ethan mit einem Kuss überrumpelte. Konnte man das Geschehene überhaupt im Nachgang noch verarbeiten? Pustekuchen. Es war ebend ein völlig neues Gefühl, welches Ethan bis dato überhaupt nicht kannte. Als würde man einen schlafenden Löwen wecken, der nun wild die Zähne bleckend an seinem Gefängnis rüttelte. Und nun da er wach war, verlangte es ihm natürlich auch nach Futter um ihn zu besänftigen.
Liebeshungrig starrte Ethan immer wieder zu Anja herüber. Er sah sie jetzt in einem ganzen anderen Kontext. Noch zu Beginn der letzten Woche war sie einfach nur eine interessante junge Frau. Jetzt wirkte alles auf eimmal anders. Körper und Geist nahmen viel mehr Informationen auf, die vorher nur eine Sekundärrolle spielten. Diese wundervollen Haare, die auf seiner Wange kitzelten. Diese makelose weiße Haut, als hätte Gott sie persönlich geschaffen. Und dann noch diese atemberaubende Figur! Gott! Die Männer mussten ihr wirklich in Scharen hinterher rennen. "Was ist los?“, fragte Anja. Mist! Das Gaffen war wohl aufgefallen! "Ich habe dich nur etwas beobachtet“, versuchte Ethan die Situation zu retten. "Ist dir was besonderes aufgefallen?“, lächelte sie verlegen. "Nur, das du eine so tolle Frau bist. Das ist mir bei der ganzen Lernerei und der Sache mit dem Orden gar nicht so richtig aufgefallen“, antwortete Ethan. "Danke für die Blumen“, sprach Anja mit rot werdendem Kopf. Ein Kuss auf die Wange erfolgte. "Ich meine. Ich versuche. Ach mir fehlen die Worte, um das zu beschreiben“, grummelte Ethan. "Das musst du auch nicht“, kicherte sie leise. "Sag mal? Sollten wir nicht langsam zurück?." Prüfend blickte Ethan auf die Uhr. Der Mittag rauschte mit riesigen Schritten heran. Frank war sicherlich schon da und hatte sich mit Nina zusammen auf die Arbeit gestürzt. Vielleicht konnten sie das Rätsel ja auch schon lösen? "Eine gute Idee“, warf Anja ein mit einer gezielten Kehrtwende ein, die Ethan regelrecht mit riss.
Zwei Stunden später erreichten sie wieder das Landhaus. "Hoffentlich konnten sie etwas heraus finden." Anja beugte sich nach vorne und schnürrte ihre Schuhe auf. Dann stellte sie diese sorgfältig neben die Türe, wo auch die Hausschlappen bereit standen. "Es wäre endlich mal gut zu wissen, dass wir Pavla einen Schritt voraus sind“, sprach Ethan und tat es ihr gleich. "Wir haben schon so lange nach den Kelchen gesucht. Ich kann es kaum glauben, dass wir fast am Ziel sind das Gewölbe zu finden“, sprach Anja euphorisch und öffnete die Tür.
Schließlich gingen die Beiden durch die Tür in den Flur hinein, wo bereits der Duft von gewürztem Fleisch sie begrüsste. "Das riecht aber lecker." Ethan nahm eine kräftigten Zug mit der Nase. "Da seit ihr ja!" Michaels Kopf lugte um die Ecke. "Wir haben etwas die Zeit verloren. Tut uns leid“, entschuldigte sich Anja. "Macht doch nichts. Das Essen dauert eh noch eine Weile. Könnt ihr mal nach Nina sehen? Ich glaube, die haben schon in Gedanken diese Welt verlassen“, scherzte Michael und verschwand wieder in der Küche. Ungläubig schauten Ehan und Anja einander an. Dann gingen sie vorsichtig auf das Wohnzimmer zu, aus dem bereits das Fluchen der beiden Parteien zu vernehmen war. Beim Betreten des Raumes zeigten sich auch die dazugehörigen Körper, sowie ein gewaltiges Chaos. Auf dem Esstisch herrschte eine totale Zettelwirtschaft. Mitten drin standen die Kelche. Wild mit den Armen fuchtelnd stand Nina auf der linken Seite vom Tisch, während Frank auf der anderen Seite demonstrativ die Arme verschränkte. „Was ist denn hier los?“, fragte Ethan. Für einen kurzen Augenblick kehrte Ruhe und die beiden Kontrahenten starrten das Paar wütend an. "Frank will mir eine tolle Geschichte auftischen“, fluchte Nina. "Bist du eine Expertin für alte Schriften?“, warf Frank dazwischen. "Nein! Aber deine Theorie ist einfach unhaltbar“, antwortete Nina empört. "Ich kann nichts dafür. Die Daten sind eindeutig“, rechtfertigte sich Frank. "Jetzt fahrt mal beide etwas runter und dann erklärt ihr uns mal vernünftig um was es geht“, griff Anja mit ruhiger Stimme ein. Grummelnd nahm Nina wieder Platz und griff nach der Kaffeetasse. "Frank. Was genau ist das Problem?“, fragte Ethan. "Es geht darum, das die jeweiligen Bilder auf den Artefakten einmal so um die 200 Jahre alt sind. Geschätzt natürlich“, erklärte Frank. "Das war uns ja schon klar. Die Kelche sind mitten in der französischen Revolution verloren gegangen“, fügte Anja hinzu. "Das kommt ungefähr hin. Die anderen beiden Zeichnungen sind jedoch um einiges jünger. Ich vermute das sie so an die 150 Jahre alt sind." Zielstrebig griffen Franks Hände nach einem der Kelche. "Weißt du eigentlich was das bedeuten würde?“, fragte Nina wütend. "Ganz ruhig." Sanft drückte Anja Nina nach unten. "Das die Kelche noch einmal nachbearbeitet wurden“, antwortete Frank. "Das ist nicht möglich. Als Alan und ich das Grab fanden, war es verschlossen. Es gab keine Anzeichen, das je ein Mensch diese Kammer vor uns betreten hat“, protestierte Nina und nahm genervt einen Schluck Kaffee zu sich. "Diese Schätzungen habe ich nicht erfunden. Ich kann nur das beurteilen was ich da vor mir sehe und die Sache ist eindeutig. Es tur mir leid Nina." "Das ist doch alles nicht logisch. Warum sollte jemand die Kelche vergraben und dann 50 Jahre später wieder ausbuddeln und dann wieder in den Sarg legen?“, fragte Nina. "Woher hast du überhaupt diese Theorie?“, fragte Frank neugierig. Stille kehrte ein. Abwechselnd starrten sich Anja, Nina und Ethan gegenseitig an. "Das ist etwas schwierig, weißt du?“, stammelte Nina. "So leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Du regst dich hier seit einer Stunde auf. Ich kenne dich gut genug. Du verheimlichst doch etwas!“, bohrte Frank energisch nach. "Ach das stimmt doch nicht“, winkte Nina ab. "Ich kann euch nur helfen, wenn ihr mir die ganze Wahrheit sagt“, erklärte Frank. Seufzend sank Nina über dem Kelch zusammen. Jetzt war sie wohl gezwungen sich zu entscheiden. Falls man Frank die Informationen gab, konnte das seine gesamte Familie mit in den Abgrund ziehen. Pavla würde mit ihnen kurzen Prozess machen. Auf der anderen Seite drohte die Gruppe mit den Nachforschungen, sich im Kreis zu drehen. Geschweige denn, dass Frank nicht den Eindruck machte, einfach nachzugeben.
Gott! Was musste seine Mutter gerade durchmachen! Seufzend setzte sich Ethan zu Frank an den Tisch und nahm den Kelch in die Hand. Es musste doch eine Lösung geben, ohne ihm von den Orden zu erzählen. "Streng dich mal an. Versuch deiner Mutter zu helfen“, versuchte er sich selbst innerlich anzuspornen, während sein Blick über das Artefakt fuhr. "Bist du mit der Expedition vertraut, die das Grabmal Anfang des Jahres in Rom entdeckt hat?“, fragte Ethan. "Natürlich. Das ist ein wirklich großer Fund gewesen“, antwortete Frank. "Dort hat man auch Dokumente gefunden. Darunter war ein Tagebuch“, erzählte Ethan weiter. "Das wo von einem geheimen Orden die Rede ist der sich von den Tempelrittern abgespalten hat?“, hakte Frank nach. Nina nickte vorsichtig. "Die Theorie hält sich ja in Archäologenkreisen ziemlich hartnäckig. Wenn ihr mich fragt sind das nur Gerüchte“, sprach Frank. "Was du nicht sagst. Vor deinen Augen stehen zwei Relikte aus dieser Zeit." Grummelnd nahm Nina einen der Kelche auf und klopfte mit der Hand demonstrativ dagegen. "Das hört sich für mich nicht nach Gerüchten an." "Nina. Ich weiß das dein Mann sich bis zu seinem Tod mit dem Thema beschäftigt hat. Aber obgleich seine Reputation sehr gut war. Die Theorie von einem Rosenorden wurde nur belächelt“, seufzte Frank und stand auf. "Das ist doch die Höhe!" Jetzt hielt Nina nichts auf dem Stuhl. Wie von einer Tarantel gestochen sprang sie auf und lief wütend um den Tisch herum. "Nicht doch“, versuchte Ethan seine Mutter zu beruhigen und stellte sich genau in den Laufweg. "Du hast nicht das Recht ihn so zu diskreditieren“, fluchte sie lautstark. "Wie wäre es wenn ihr beide jetzt endlich mal herunter kommt“, warf Anja mit ernster Stimme dazwischen. "Anja hat recht. Vielleicht stellen wir das erst einmal hinten an. Es ist nur eine grobe Schätzung. Ich denke mal für eine genaurere Bestimmung bräuchte man eine genauere Untersuchung?" Mit ernster Miene blickte Ethan zu Frank herüber, der bereits die Unterlagen zusammenräumte. "Natürlich. Es ist eine grobe Datierung. Spielraum ist immer vorhanden“, bestätigte er. "Dann lassen wir das so stehen. Habt ihr denn sonst noch etwas herausgefunden?“, fragte Anja. "Der Zahlencode auf den Griffen könnte eine Chiffre sein. Auf jedem Kelch sind 4 Ziffern abgebildet“, antwortete Frank. "Könnten das Koordinaten sein?“, fragte Ethan. "Da würden dann vier Stellen fehlen." Nachdenklich fuhr Frank mit seinen Händen über die Außenseite der Kelche entlang, während Anja zu Nina hinüberschaute, die sich endlich etwas beruhigt hatte und wieder auf dem Stuhl Platz nahm. Ein kurzer Blick Richtung Kelch. Dann suchte sie den Kontakt zu Ethan. Allen drei schoss der selbe Gedanke in den Kopf. Der dritte Kelch war des Rätsels Lösung. Wenn sich auf ihm auch noch vier Zahlen befanden war die Koordinate komplett. Ein X markierte also den Punkt zum Eingang des Gewölbes. Eigentlich eine einfache Theorie. Doch da war etwas was nicht so recht passte. Grübelnd und mit Falten auf der Stirn blickte Ethan zu Frank herüber. Für die damalige Zeit war so eine komplexe Ortsangabe unüblich. "Frank? Wie alt sind denn die Zahlen auf dem Griff?“, fragte Ethan. "Die passen ungefair in den Zeitrahmen der ersten Zeichnungen“, antwortete sein Gegenüber. Diese Antwort ergab durchaus Sinn.
Innerlich versuchte Ethan den Zeitablauf durchzugehen, während Anja noch ein mal beruhigend auf Frank und Nina einredete. Zielstrebig griffen Ethans Hände nach dem ersten Kelch und drehten ihn so, dass das erste Bild genau in sein Blickfeld geriet. "Hast du was?“, fragte Anja. "Alles gut“, antwortete Ethan, während in seinen Gedanken der Zeitstrahl eine Form annahm. Anschließen platzierten sich die zeitlichen Angaben dazu und kompletttierten das Ganze.
Die Theorie nahm Formen an. Irgendwann im Laufe der französischen Revolution wurde der erste Kelch mit Charigol begraben. Der andere gelangte nach Rom, wo ihm dasselbe Schicksal ereilte, bis im 21. Jahrhundert beide Gräber gefunden wurden. In beiden Fällen war dies die erste Öffnung.
Ethan drehte den Kelch zum zweiten Bild. Aber wie kamen die zweiten Bilder auf den Kelch? Die Analyse machte soweit eigentlich viel Sinn, wenn da nicht dieses eine kleine Problem wäre. Sein Kopf rauchte, während er das Objekt wieder zurückstellte. "Ich glaube wir kommen hier nicht weiter. Wer immer die Bilder eingraviert hat, nahm das Geheimnis mit ins Grab“, seufzte Anja.
Ein Blitz fuhr durch seine Gedanken. Konnte das sein? Ein Hinweis vielleicht? "Du bist ein Genie." Freudig drückte er Anja einen Kuss auf und nahm sich noch einmal beide Kelche vor. Irritiert tauschten die beiden Frauen die Blicke aus. "Was ist denn jetzt los?“, fragte Frank. "Jetzt nicht stören“, bat Ethan und drehte die Kelche um. Irgendwo musste es doch sein. Milimeter für Milimeter suchten seine Augen die Oberfläche ab, bis er es fand.
Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Das habe ich gesucht." Triumphierend deutete er auf zwei kleine Zeichen auf der Unterseite. Die Buchstaben „ML“ waren deutlich zu erkennen. Frank griff nach seiner Lupe und nahm sich derer an. Kurz darauf blickte er zu Ethan herüber. Dann zu Nina. "Dein Sohn ist ein Genie." "Das weiß ich. Aber kann mich jemand aufklären?“, bat Nina völlig ratlos. "Künstler hinterlassen doch meistens eine Signatur. Damit lassen sich Originale feststellen zum Beispiel“, erklärte Ethan. "Na klar! Derjenige der die Kelche graviert hat, ließ ebenfalls seine Kürzel zurück“, sprach Anja. "Genau. Wenn wir herausfinden, wem die Buchstaben gehören, könnte das vielleicht ein Hinweis sein“, erklärte Ethan. "Du bist wirklich ein Genie. Darauf wäre ich nie gekommen." Freudig fiel Anja ihm die Arme. "Hab ich was verpasst?“, grinste Nina unschuldig. Ethan ließ das ganze unkommentiert. "Ich lasse mal mein Laptop darüber laufen. Vielleiht findet sich ja etwas zu." Schnell stand Frank auf und verließ das Wohnzimmer. "Ihr geht drei Stunden spazieren und wir kriegen hier nichts zu Stande. Unglaublich sowas." Ungläubig schüttelte Nina den Kopf. "Es war nur reiner Zufall“, entschuldigte sich Ethan. "Du hast ebend mitgedacht“, lächelte Anja und nahm auf seinen Schoß Platz. Und da zeigte sich wiederf die Schamesröte sowie ein grinsender Blick von Nina. "Essen ist fertig!" Mit ein paar Tellern bewaffnet betrat Michael den Raum. Erschrocken blieb er stehen. "Was ist denn hier los?“, fragte er zu Anja herüber. "Du warst doch auch mal jung“, schmunzelte Nina, während sie das Chaos auf dem Tisch beseitigte. "Es ist nur so ungewohnt. Du hast noch nie einen Mann in dein Leben gelassen“, sprach Michael. "Bei Ethan war das nicht anders. Glaub mir“, versicherte Nina. "Ich habe mir halt Zeit gelassen“, sprach Anja trotzig. Na ob die Ausrede hier auch das Ziel fand "Es ist in Ordnung Kleines. Ich war nur im ersten Moment etwas verwirrt." Michael setzte sich wieder in Bewegung und verteilte die Teller auf den Tisch. Kurz darauf kehrte auch Frank wieder zurück mit dem besagten Laptop zurück und setzte sich wieder an den Tisch. "Ich glaube jetzt will er es unbedingt wissen“, schmunzelte Anja und rückte von Ethan herunter, um sich neben ihn zu setzen. "Das lässt mich jetzt wirklich nicht kalt." Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Präzision huschten seine Finger über die Tastatur. "Das hat aber auch sicher bis nach dem Essen Zeit. Oder?." Langsam drückte Ninas rechte Hand den Bildschirm herunter. "Ist ja schon gut“, gab sich Frank geschlagen und legte den Computer auf Seite. "Brav“, lächelte Nina. "Hast du schon immer gekocht Michael?“, fragte Ethan neugierig. "Ich habe schon viel und gerne gekocht. Habe bestimmt die falschen Gene abgekriegt“, grinste er und stellte den Topf auf den Tisch. Dann nahm er die Kelle und ließ sich reihum die Teller reichen. "Sieht wirklich gut aus“, lobte Ethan, während seine Hände zum Löffel griffen.
Der gewaltige Fleischeintopf mit einer Mischung aus Kartoffeln und Gemüse, roch aber auch verdammt gut, so das er am liebsten sofort über das Essen hergefallen wäre. Unruhig rutschte Ethan auf dem Stuhl hin und her wie ein kleiner Junge, ehe der letzter Teller an Michael selbst ging. Dann begann das gemeinschaftliche Mahl..........
Das Mittagessen hatte sich etwas in die Länge gezogen. Aber vielleicht war das auch ganz gut so. Denn alle schienen so locker und leicht am Tisch miteinander umzugehen. Es wurde getratscht, gelacht, herum gealbert. Das sie eigentlich unter Zeitdruck standen merkte man nicht. Ethan seufzte innerlich. Das war doch ein Anblick, den er sich für seine Zukunft wünschte. Wäre da nicht die Kelchsuche dazwischen gekommen. Nachdenklich half Ethan mit den Tisch abzuräumen und das Geschirr ordnungsgemäßig in den Spüler zu verfrachten. Die übergroßen Teile hatten Anja und er schnell per Hand gemacht. Kurz darauf saßen alle bei einem Glas Bier oder Wein wieder am Tisch. Außer Ethan. Der begnügte sich wieder mit einem Glas O-Saft. "Dann wollen wir doch mal schauen. Ob die Suche was gebracht hat." Langsam hob Frank den Laptop vom Stuhl, stellte ihn auf den Tisch und klappte den Monitor nach oben.
Im Suchfenster standen schon ein paar Suchkriterien, die Frank vor dem Essen eingab. Da standen Worte wie „ML“ und "Frankreich." Darunter standen einige Ergebnisse, die seine Augen auch so gleich sichteten. "Hier! Das könnte interessant sein“, murmelte Frank und fuhr mit der Maus über den Link. Schnell öffnete sich ein neues Fenster mit einer Geschichtsseite über die französische Revolution. Zwischen den ganzen Texten waren einige Bilder eingebettet. Darunter der Sturm auf die Bastille von Jean-Pierre Louis aus dem Jahre 1789. "Lass mal sehen." Anja rutschte über Ethans Schoß und drehte dreist den Laptop herum, was eine überraschten Blick von Frank zur Folge hatte. "Hier steht etwas von einem Michel de Lavignon. Der war im 18. Jahrhundert ein berühmter Bildhauer und Maler“, las Anja laut vor. "Das sagt mir jetzt nichts." Ahnungslos zuckte Nina mit den Schultern, während Anjas Augen sich auf einmal weit öffneten. "Das könnte euch interessieren!" Mit den Händen drehte sie den Laptop zu Nina herum und deutete auf eine Zeichnung. Interessiert beuge sich Nina nach vorne.
Das Bild stellte die Dreifaltigkeit dar. Allerdings auf eine etwas Art und Weise. Links stand ein Mann, Rechts eine Frau. Beide streckten 2 Kelche in den Himmel, wo Jesus auf sie herunter schaute. Zwischen den Körpern befand sich ein heller Durchgang, der von singenden Engeln begleitet wurde. Der Hintergrund zierte ein blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken.
Stille kehrte ein. Alle Beteiligten im Raum schienen so eine Ahnung zu haben. Nur Frank blieb außen vor, während Nina den Laptop wieder zurückdrehte. "Ich kenne das Bild“, durchbrach Frank die Ruhe. "Woher?“, fragte Ethan. "Es ist in Paris ausgestellt. Man kann es dort besichtigen“, antwortete er. "Komisch, das es nicht in Sammlerhand ist“, wunderte sich Michael. "Einige der Arbeiten von Lavigon wurden gestiftet. Dafür hat man ordentlich Geld gelassen“, wandte Frank ein und fuhr den Laptop herunter, als plötzlich das Handy klingelte. Neugierig kramte er in der Tasche herum und holte das brummende Ding hervor. Dann betätigte er eine Taste und hielt es ans Ohr. "Schätzchen. Wie geht es dir?“, fragte Frank. Eine kurze Stillephase folgte. "Ja. Ich hole Linda noch ab. Versprochen." Wieder Stille. "In Ordnung. Wir sehen uns dann nachher. Machs gut“, verabschiedete sich Frank und legte das Handy seufzend weg. "Jetzt hätte ich beinahe einen wichtigen Termin vergessen“, grummelte er und packte die Sachen zusammen. "Das ist doch kein Problem. Du hast uns auf jeden Fall sehr weitergeholfen“, lächelte Nina. "Das freut mich. Aber du hast echt eine komische Art dich zu entspannen“, erwiderte Frank und schulterte den Rucksack. "Es hat mich zumindest eine Weile abgelenkt. Selbst der Streit“, erklärte Nina ruhig, während sie ihn nach draußen begleitete. "Wenn ich noch irgendwas für dich tun kann....“, begann Frank. "Ich habe deine Nummer“, beendete Nina den Satz. Ein kurzes Schmatzen war zu hören, gefolgt von der Haustüre die auf ging und wieder ins Schloss fiel. Kurz darauf kehrte sie zur Gruppe zurück. "Ich glaube das war jetzt wirklich knapp." Michael atmete tief durch und nippte an seinem Bier. "Das ist besser so. Er sollte in unseren Kampf nicht hineingezogen werden“, erklärte Anja. "Sehe ich auch so. Ich hätte nämlich nicht viel länger durchgehalten“, seufzte Nina. "Wenn wir den letzten Kelch haben, ist diese ganze Geschichte vorbei“, sprach Ethan. "Genau. Wir sollten uns endlich an die Arbeit machen. Das Gemälde ist ein Hinweis. Adam und Eva auf einem Bild mit Kelchen? Das ist doch kein Zufall." Ethan nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Er teilte Anja Auffassung. Vielleicht war Lavignon für den Rosenorden aktiv? "Wir müssen uns auf jeden Fall das Bild ansehen“, schlug Ethan vor. "Das denke ich auch“, antwortete Nina knapp, während sie besorgt zu Michael herüberblickte. "Was ist los?“, fragte Anja. "Wir haben über die Prüfung gesprochen. In früheren Zeiten war es so, dass man sich einer schweren Aufgabe stellen musste, um aufgenommen zu werden“, erklärte Nina. "Diese Aufgabe war sehr herausfordernd. Nicht wenige haben dies nicht überlebt“, fuhr Michael weiter fort. Ungläubig blickten Ethan und Anja einander an. Dann ergriff Anja das Wort: "Willst du wirklich Ethan solch eine Prüfung unterziehen?." Besorgt schaute sie zu Nina herüber, während sie sich gleichzeitig an Ethan klammerte. "Ich kann das von dir nicht verlangen Ethan. Du bist mein Sohn. Du hast deinen Wert schon mehr als genug bewiesen“, seufzte Nina. "Aber es wäre nicht richtig." Erschrocken wandte sich Anja wieder ihm zu. Der Griff um seinen Arm verstärkte sich. In ihren Augen spiegelte sich Angst wieder. "Du bist wohl verrückt?“, protestierte sie vehement. "Anja. Du hast diese Prüfung auch gemacht. Genau wie meine Mutter und andere vor euch. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich einen Freifahrtsschein kriege“, erklärte er ruhig und fuhr mit einer Hand sanft durch ihre Haare. "Das ist eine tolle Einstellung“, lobte Michael. "Egal! Er wird nicht gehen. Damit das klar ist!“, widersetze sich Anja. Gott. Sie musste ihn wirklich total gern haben. Noch nie hatte eine Frau ihn so beschützen wollen, wie in diesem Moment. Es tat Ethan schon fast leid, das er sich für die Prüfung ausgesprochen hatte. Aber schlussendlich war es genau die passende Entscheidung, auch wenn er nicht wusste was Nina und Michael von ihm verlangen würden. Es war einfach richtig und wichtig sich selbst etwas zu beweisen und den anderen zu zeigen, das er nicht nur ein Mitläufer war, sondern auch im Stande Verantwortung zu übernehmen.
Vielleicht mochte Anja das im Moment nicht wahr haben. Aber es würde ihn auf jeden Fall stärker machen und ihn mit ihr gleichsetzen. Er wäre würdig ein Partner für sie zu sein. "Anja. Es ist sein Wunsch. Das musst du respektieren“, bat Nina ruhig. "Nicht, wenn es ihn töten könnte. Ich wurde auf meine Prüfung jahrelang vorbereitet. Er nicht!“, erklärte Anja. "Das wissen wir. Deswegen haben wir eine spezielle Aufgabe gewählt“, warf Michael jetzt ebenfalls wütend dazwischen. Ihm gingen die Spirenzchen seiner Nichte wohl langsam auf den Senkel. Sein Blick wurde finster. Die Atmung schwer. Die Faust drückte sich regel in die Tischoberfläche hinein. "Ich bin gespannt“, grummelte Anja. "Wir möchten, das du das Rätsel um die Dreifaltigkeit löst“, erklärte Nina. "Ich soll in das Museum fahren und herausfinden was es mit dem Gemälde auf sich hat?." Seine Mutter nickte zustimmend. "Was wäre passiert, wenn Frank nicht den Hinweis geliefert hätte?“, fragte Anja. "Auch wenn es dich nichts angeht, aber wir hatten bereits einige Aufgaben vorbereitet“, antwortete Michael angesäuert. "Wie soll ich überhaupt da hin kommen? Ich habe ja nicht mal einen Führerschein?“, fragte Ethan. "Michael wird dich zum Museum begleiten und beurteilen“, antwortete Nina. "Lasst mich fahren!“, forderte Anja. "Nein! Du wirst hier mit Nina warten, während wir weg sind. Schluss aus!"
Der Drops zeigte sich gelutscht. Michael hatte unmissverständlich klar gemacht, wer hier der Boss war und hatte dabei keine Rücksicht auf seine Nicht genommen. Wut entbrannt löste sich Anja aus dem Griff und verließ unter Tränen den Raum. "War das wirklich nötig?“, fragte Ethan. „Sie kann dich nicht beurteilen. Ich freue mich ja für euch. Aber sie ist befangen. Es tut mir leid“, entschuldigte sich Michael. "Geh zu ihr Ethan. Sie sollte es verstehen“, bat Nina mit ruhigem Ton, während sie an Ethan heran trat. "Das wird nicht einfach“, seufzte er. "Ich weiß. Aber wenn einer das schafft, dann du." Tröstend legte sie die Arme um ihn und drückte seinen Körper sanft an sich. "Ich hoffe es." Ethan löste sich aus der Umarmung und verließ ebenfalls das Zimmer. Ohne große Umwege stieg er die Treppenstufen hinauf und machte vor Anjas Türe halt. Nun galt es noch ein mal tief durchzuatmen und sich einen Plan zurecht zu legen, um sie zu beruhigen. Vorsichtig klopfte Ethan mit der linken Hand an die Tür. Sekunden vergingen. Nichts passierte. Ein weiteres Mal machte er sich bemerkbar. Doch wieder passierte nichts.
Vorsichtig drückte Ethan die Klinge herunter und spähte durch den entstandenen Spalt in die Räumlichkeit. Ruhig lag Anja auf dem Bett mit der Bettdecke fest im Arm. Ihre Wangen waren gerötet von den ganzen Tränen. "Ich weiß nicht was ich sagen soll." Deprimiert von dem Anblick betrat er langsam das Zimmer. "Vielleicht hatte meine Mutter Recht“, seufzte Anja, während sich Ethan neben sie setzte. "Womit?“, fragte er ruhig. "Sie hat mir immer vorgehalten, dass Männer nur die Sinne vernebeln und mich von der Arbeit ablenken“, antwortete Anja. "Lenke ich dich ab?." "So was darfst du mich nie wieder fragen!“, sprach sie und lehnte sich an seinen Körper an. Zärtlich ließ Ethan seine Hand um ihren Nacken kreisen. "Wenn deine Mutter nie einen Mann in ihr Leben gelassen hätte, wärst du jetzt nicht hier“, erklärte Ethan. "Ich frage mich nur, wie sie das ganze ausgehalten hat? Nicht zu wissen, ob der Mensch, den man am meisten liebt, je nach Hause kommt. Das ist doch schrecklich“, seufzte Anja, die sichtlich die Streicheleinheiten genoss und sich noch mehr an Ethan heran kuschelte. "Sie hat ihm sicherlich einfach nur ihre Vertrauen geschenkt. Das ist ja auch eine wichtige Basis." Irritiert wandte Anja den Kopf herum. "Willst du damit sagen, ich sollte einfach mehr vertrauen?" "Ich habe in den letzten Tagen soviel durchgemacht und es durchgestanden. Du kannst mir auch in dieser Sache vertrauen“, antwortete Ethan. "Was ist wenn dir etwas passiert?“, fragte sie besorgt, während ihre Hand langsam über seine Wange fuhr. "Ich werde nur das Bild begutachten. Dein Onkel ist auch noch da. Es wird alles gut." Sanft gab er Anja einen Kuss auf die Stirn. "Ich habe keine Wahl oder?“, fragte sie genervt. "Ich verspreche dir das ich zurückkomme“, versicherte Ethan. "Also gut. Aber sauer bin ich trotzdem“, grummelte Anja und presste ihre Lippen auf Seine. Langsam schloß Ethan die Augen, während seine Hände ihren Körper umschlangen und den Bauch berührten. "Jetzt will ich dich eigentlich gar nicht mehr gehen lassen“, hauchte sie ihm ins Ohr, ehe sie wieder sanft seine Lippen massierte. Gleichzeitig schoben Ihre Finger seine an den Rand des Pullovers. Vorsichtig wagte Ethan den Schritt in ein völlig neues Land. Leicht ließ er seine Finger über ihren Bauch kreisen. Dabei wich er immer gekonnt auf die Seiten aus um nur ja keine Stelle auszulassen. Gott! Ihre Haut war so weich und warm! Genüßlich fuhr er mit den Fingernägeln die Seite hinauf bis er den Stoff des Bhs erreichte. Kurz hielt er inne. Sein Verstand wurde zu einem Schauplatz, bei dem Angst und Neugier aufeinander trafen und sich in einem Strudel vereinten. Seine Hände zitterten. Das Herz glich mehr einem Presslufthammer. War er zu schnell? Vielleicht gefiel es ihr nicht? Die Angst gewann. Vorsichtig wanderte Ethan zu Anjas Rücken, als plötzlich die Zimmertür laut knarrte.
Erschrocken blickten die Beiden zu Nina herüber, die peinlich berührt, im Türrahmen stand und kein Wort heraus brachte. Mensch, war das peinlich. Grummelnd zog Ethan seine Händer wieder hervor, während seine Mutter mit hochrotem Kopf den Raum verließ. "Ich wollte euch nicht stören“, stammelte sie entschuldigend. "Es ist alles in Ordnung“, lächelte Anja, die offenbar die Situation viel leichter nahm als ihr Gegenüber. "Kannst du nicht anklopften?“, fluchte Ethan und stand auf. "Es tut mir leid“, wiederholte sich Nina. "Sei nicht so grob!" Unsanft stupste Anja ihm in die Seite. "Da halten die Frauen wieder zusammen“, grummelte Ethan angesichts der unsanften Störung. "Eigentlich wollte ich nur sagen, dass Michael abmarsch bereit ist“, erklärte Nina, die sich bemühte wieder normal zu reagieren. "Muss das echt heute noch sein?“, fragte Ethan genervt. "Willst du das Pavla uns findet? Wir müssen ständig in Bewegung sein“, antwortete Nina. "Außerdem. Je schneller du wieder hier bist, desto mehr Zeit bleibt uns für eine Fortsetzung“, grinste Anja verlegen, während sie sich an ihm vorbeischob und das Zimmer verließ. Irritiert und gleichzeitig peinlich berührt schauten Ethan und Nina einander an. "Dafür, das du überhaupt keine Ahnung von Frauen hast, gehst du aber ganz schön ran“, sprach Nina. "Das ist ein Thema über das ich nicht reden möchte“, fluchte er leise, während seine Hände versuchten Hemd und Hose von den Falten zu befreien. "Ich habe nichts weiter gesagt“, entschuldigte sich Nina. Kommentarlos verließ auch Ethan den Raum und ging die Treppe herunter, wo bereits Michael und Anja warteten. "Bist du startbereit?“, fragte er. Ethan nickte zustimmend und zog sich die Lederjacke über. "Bringe ihn bitte heile zurück“, bat Anja. "Ich passe auf ihn auf“, versprach Michael. "Ich wünsche dir viel Erfolg. Du packst das!." Eine Umarmung erfolgte. Dann verließen die Beiden das Haus und stiegen in das Auto. "Du hast dir echt einen tollen Wagen ausgesucht“, sprach Ethan angesichts, des schwarzen Lexus. "Ich finde ihn auch toll“, bestätigte Michael, während er sich den Gurt umschnallte. Ethan tat es ihn gleich und blickte ein letztes Mal zu Anja und Nina herüber, die an der Tür standen............................
Gemütlich lenkte Michael den Wagen über die Straße. Das Radio gab komische Geräusche von sich. Nannten die Franzosen das Gedudel etwa Musik? Warum hatte Ethan auf seiner Flucht quer durch Europa bloß seine Lieblings – CDs zu Hause gelassen? Hier zeigte sich wirklich die Folter in Reinkultur. Genervt drehte er dem Radio den Saft ab. "Das überhaupt irgend einer das da verstehen kann“, grummelte er leise und fuhr das Fenster herunter. "Wahrscheinlich denken die genauso über unsere Volksmusik“, lachte Michael. "Kann ich dich mal was fragen?" "Klar. Raus damit“, antwortete Michael. "Was ist mit Anjas Eltern passiert?" Erschrocken blickte sein Gegenüber zu ihm. "Warum fragst du das?“ "Es interessiert mich einfach. Sie erzählt nicht von ihrer Familie. Du scheinst der Einzigste zu sein, der noch übrig ist“, antwortete Ethan. "Anjas Mutter starb sehr früh. Da war sie gerade mal dreizehn Jahre alt“, begann Michael, während seine rechte Hand einen Gang höher schaltete. "Es war damals sehr dunkel. Sie fuhr von einem Ordenstreffen nach Hause und kam von der nassen Straße ab." "Das ist grauenvoll“, sprach Ethan. "Sie ist wohl auf der Stelle tot gewesen. Anja kam mit dem Verlust nicht klar. Das Band war einfach unzertrennlich“, seufzte Michael. "Was ist mit dem Vater passiert?" "Nach dem Tod seiner Frau gab er dem Orden die Schuld. Wäre sie abends nicht noch einmal losgefahren, hätte sie überlebt“, erzählte Michael weiter, während der Wagen an einer Ampel stoppte. Neugierig streckte Ethan den Kopf etwas aus dem Fenster, um das Schild besser erkennen zu können. Laut Anzeige war es nicht mehr weit bis in die Stadt. Fünf bis zehn Minuten vielleicht, schätzte er, da am Horizont schon die ersten Ausläufer der Metropole zu sehen waren. Die Ampel schaltete auf Grün und Michael fuhr gemächlich los. "Ist er einfach abgehauen?“, fragte Ethan. "Dieser Tag wird immer in meiner Erinnerung bleiben. Er stand mit Anja vor der Tür und gab sie in meine Obhut, dann verschwand er. Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen“, erinnerte sich Michael. "Scheinbar sind alle Familien im Orden irgendwie vom Pech verfolgt“, stellte Ethan fest. Anjas Mutter, sein Vater. Das waren sicher nur zwei Mitglieder auf einer langen Liste von Todesfällen. Hoffentlich würden es, bei der Suche nach den Kelchen, nicht noch mehr werden. Vielleicht sollte Ethan sie in Todeskelche umbenennen? Eine durch aus passende Umschreibung. Nicht alles was einen goldenen Glanz besaß, führte auch zu einem Schatz. Statt den Wein dort hinein zu gießen, war es das Blut von Menschen das symbolisch, rot in seinem Inneren glänzte. Müde von den Gedankenspielen schraubte Ethan etwas am Regler herum und stellte den Sitz so ein, dass er sich etwas hinlegen konnte. "Du willst jetzt schlafen, wo wir gleich da sind?“, fragte Michael irritiert. "Ich muss doch fit sein. Ich habe versprochen wiederzukommen“, gähnte Ethan lautstark. "Ihr passt irgendwie gut zu einander“, sprach Michael. Neugierig drehte er den Körper herum. "Meinst du wirklich?“, fragte er. "Anja ist normalerweise nicht so gefühlsduselig“, grinste Michael. "Ich weiß, was du meinst“, erwiderte Ethan. "Seit sie dich kennt, hat sich einiges verändert. Früher war sie nur auf die Suche fixiert." "Ist bei mir ähnlich. Die Schule war das einzige was mich interessiert hat“, sprach Ethan, während er sich wieder gerade hinlegte. "Tja. Die Frauen schaffen es immer wieder, uns aus dem Konzept zu bringen“, grinste Michael.
Die Aussage traf genau die Mitte der Zielscheibe. Sein Leben war durchgeplant gewesen. Zumindest soweit wie man das eben konnte. Doch Anja sorgte safür, das sämtliche Termine nicht mehr eingehalten werden konnten, zuzüglich der Jagd. Wie sah jetzt seine Zukunft aus? Keinen blassen Schimmer! Die Struktur war zusammen gebrochen. Es wirkte alles so schwammig, als würde man im Trüben fischen und nicht ahnen, was man da aus dem Teich zieht. Andererseits schienen die Gefühle für sie auch etwas positives in Gang zu setzen. Jede Faser seines Körpers war sonderbar ruhig und entspannt. Nicht einmal die Schusswunde tat noch weh. Konnte die Kraft der Liebe so stark sein, das sie alle Hindernisse überwand? In Ethans Kopf suchten bereits die Matheformeln nach einer Lösung für diese Fragen. Allerdings schien hier die Erfolgschance recht niedrig zu sein. "Wir sind da“, riß Michael Ethan in die Realität zurück. Erschrocken fuhr der Körper nach oben. "So schnell schon?." Irritiert stellten seine Hände den Sitz wieder in die aufrechte Position. Anschließend schnallte er sich ab. "Was jetzt?." "Du gehst hinein und löst das Rätsel um den letzten Kelch“, erklärte Michael. Ethan nickte zustimmend und stieg aus dem Wagen aus. Mann, war das kalt! Zitternd zog er den Reißverschluss nach oben. Dann folgte ein kurzer Blick in den Himmel. Die Sonne stand noch sehr hoch. Dasselbe galt nicht für die Temperaturen! Überall auf dem Vorplatz zum Museum, liefen die Menschen dick eingepackt herum. Der Wind wehte die goldbraunen Blätter, der nahegelegenen Bäume heran. Am liebsten hätte Ethan das Schauspiel noch eine Weile beobachtet. Doch die Zeit erlaubte keine Pausen. So nahm er schnell Tempo auf und arbeitete sich einen Weg die weißen Treppen hinauf, bis zum Eingang. An der dorten Drehtür warteten bereits einige Personen auf Einlass, so dass es einige Zeit dauerte bis er selbst an der Reihe war. Schließlich stand er in der Eingangshalle zum Museum. Der erste Schritt war geschafft! Der Zweite stand keine drei Meter entfernt und hießt Ticketschalter. Auch hier hatte sich eine Schlange gebildet. Angenervt stelle Ethan sich in die Reihe, während die Hände nach der Geldbörse suchten. "Mama? Wann sind wir endlich dran?" Vor ihm stand ein kleines Mädchen, welches neugierig am Rockzipfel der Mutter zog. "Gleich Schatz. Die anderen wollen doch auch eine Karte“, antwortete sie ruhig. "Krieg ich danach noch ein Eis?" "Na klar. Sobald wir fertig sind“, lächelte die Mutter und ging einen Schritt vorwärts. Ethan tat es ihr gleich und rückte nach. "Sag mal. Hast du schon das Kindermädchen für morgen angerufen?“, hallte eine weibliche Stimme von hinten. "Ja. Die kommt morgen früh und holt den Kleinen ab“, versicherte der Mann hinter ihm. "Gut. Jonas freut sich doch immer so sehr, wenn er mit Lena Zeit verbringen kann“, sprach die Frau. Wieder ging es eine Schritt nach vorne. Jetzt stand die Mutter am Schalter. Kurze Zeit später war das Gespräch beendet und Ethan stand endlich in Front. "Ein Ticket bitte." Die Dame am Schalter nickte. Sie schien zum Glück Deutsch zu verstehen und gab etwas in ihrem Computer ein. Schnell folgte das kleine Zettelchen und Ethan rückte auf Seite um es zu entwerten. Dann ging es geradewegs zur Information hinüber, wo eine Karte mit den Austellungen aushing. Zum Glück konnte er etwas Französisch. So fand Ethan schnell das gewünschte Ziel und setzte sich in Bewegung Richtung Rolltreppe. "Junger Mann?" Erschrocken drehte er sich um. Vor ihm stand eine ältere Dame, die sichtlich Probleme hatte den Rolator auf die Rolltreppe zu bekommen. "Warten sie. Ich helfe ihnen“, lächelte Ethan und hob die Gehilfe vorsichtig auf die Stufe. "Das ist sehr freundlich“, bedankte sie sich. "Keine Ursache“, winkte Ethan ab.
Kurz darauf erreichte er den ersten Stock. In der der Ferne konnte er bereits ein Schild erkennen, auf dem der Name „Lavignon“ stand. Zügig setzte Ethan sich in Bewegung, so das er nach nur wenigen Augenblicken und einem Slalomlauf durch die Menschenmenge sein Ziel erreichte. Auf den ersten Blick schien es so, als sei die Austellung im hinteren Bereich des Stockwerks verlegt worden. Ein weißer Zwischengang trennte Lavignon vom Rest des Stockwerks ab. Rechts und links vom Eingang waren zwei Skulpuren aufgestellt worden, bei denen es sich um Werke des Bildhauers handelte. Zumindest stand das so auf den Messingschildern unten am Sockel.
Neugierig trat Ethan einen Schritt in den Gang hinein, während sich zwei Kinder an ihm vorbei quetschten. "Seid vorsichtig ihr Beiden!“ Fluchend eilte eine Frau in den Dreißigern ihnen hinterher. "Tut mir leid“, entschuldigte sie sich im Eiltempo bei Ethan. Irritiert rückte er seine Jacke zurecht und ging weiter, bis er in den großen Raum dahinter gelangte. Dort offenbarte sich ihm ein Sammelsurium an Werken, die Lavignon zu seinen Lebzeiten angefertig hatte. Über Marmorskulpturen von nackten Frauen bis hinzu Gemälden in jeder Form war alles dabei. Auch das Zielgemälde hing in einer der Nischen. "Dann wollen wir mal“, atmete Ethan tief durch, während er sich dem Objekt näherte. Neben besagtem Ausstellungsstück war eine Messingplakete angebracht, mit einige Infos über die Herkunft und wann Lavignon das Kunswerk erschaffen hatte. Prüfend blickte Ethan nach oben um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Gott, war das eine beeindruckte Leistung! Die Figuren drohten jederzeit aus dem Rahmen zu springen und loszulaufen. Innerlich begann Ethan zu schmunzeln angesichts des Szenarios, bei dem Adam und Eva nakt durch die Gegend liefen. "Ein beeindruckendes Bild. Nicht wahr?“, unterbrach ihn eine männliche Stimme. "Es ist wirklich sehr schön“, antwortete Ethan, während er sich herumdrehte. Vor ihm stand ein Mann, der gut und gerne schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hatte. Ein maßgeschneiderter Anzug umhüllte, den etwas stabileren Körper. "Es ist immer schön, wenn sich die Jugend für Geschichte interessiert." Lächelnd schob der rechte Zeigefinger die Brille nach oben. "Oh.....Ich schreibe an einer Arbeit über den Maler“, erklärte Ethan in der Hoffnung das seine Lüge nicht auffallen würde. "Lavignon hat mit der Dreifaltigkeit ein Lebenswerk erschaffen, das schon viele namenhafte Besitzer in der Geschichte gesehen hat“, sprach der Mann. "Was macht dieses Bild so berühmt?" "Nun. Es ist die Farbgebung, die Lebendigkeit der Personen. Viele Maler haben sich an dem Göttlichen versucht. Das hier ist eine Neuinterpretation“, antwortete der Mann. "Adam und Eva, die zu Jesus hinaublicken habe selbst ich noch nicht gesehen“, grinste Ethan, während sich seine Blicke auf den Tunnel fixierten. Vorsichtig trat er ein Stück näher heran.
Wie schon auf den Laptop, drangen Lichtstrahlen aus dem Tunnelbereich, dessen Eingang nicht aus Stein bestand, sondern aus Schädelknochen, die jeden Besucher höhnisch angrinsten. Auf dem Torbogen saß Gevatter Tod mit einer Sense in der Hand. Auch wenn das schon recht seltsam aussah, weckte der kleine Schriftzug darunter eher das Interesse. "Was steht denn da?“, fragte er neugierig. "Die Lettern sind in einem alten frazösischen Dialekt geschrieben und sind eine Einladung an die Lebenden“, antwortete der Mann und las laut den Text vor:
"Wo die Freiheit begraben liegt. Dort ruht unter des Toten Wacht, ein heiliger Ort.
Die blutbefleckte Krone zeigt den Erben den rechten Weg.
Denn nur wer dem Feuer folgt und den Ersten Respekt zeigt.
Der wird sitzen zur Gottes Rechten."
Konnte das ein Hinweis sein? Wenn ja, war er ziemlich offen platziert worden, so das die Kirche selbst ihre Vollstrecker längst hätte diese Ort suchen lassen. "Das klingt ja sehr kryptisch. Handelt es sich bei der ersten Zeile um einen Friedhof?“, fragte Ethan. "Es haben sich schon viele Forscher an dem Text versucht. Ein Friedhof war ihnen alle in den Sinn gekommen. Doch es gibt wahrlich genug Grabstätten in und um Paris herum“, seufzte der Mann. Innerlich schlug Ethan mit dem Kopf gegen die Wand. Das wäre ja auch zu einfach gewesen! Grummelnd wandte er sich der zweiten Textzeile zu. Eine Krone wies zuerst einmal auf einen Adeligen hin. Vielleicht einen König? Lavigon hatte dieses Bild zu Zeiten der Revolution gemalt. Das Blut deutete sicher auf einen Mord oder Unfall hin. Grübend lief Ethan auf und ab, während sein Begleiter sich umdrehte. "Tut mir leid. Ich werde gebraucht. Falls sie noch Fragen haben, bin ich gerne bereit ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen.“ Noch ehe Ethan zu einem Satz ansetzen konnte, wandte sich der Fremde zu einem Mann herüber und begann eine Unterhaltung. "Kein Problem“, sprach Ethan leise zu sich selbst, während der Text wieder ins Zentrum des Denkprozesses rückte. Wo genau war er stehen geblieben? Achja! Die Krone! Dabei konnte es sich vermutlich nur um Ludwig XVI handeln, der vom Volke gerichtet wurde. Seine Gebeine wurden 1815 in die Kathedrale von Saint-Denis überführt. Vielleicht war das mit der Totenwache gemeint? Das machte im ersten Moment durchaus Sinn. Allerdings fügte sich der erste Satzteil nicht so ganz ein. Geschweige denn die letzen beiden Sätze. Seufzend setzte sich Ethan auf einen nahegelegen Stuhl, während er versuchte seine Gedanken zu sortieren. "Ist alles in Ordnung mit dir?" Irgendetwas zupfte an seiner Lederjacke. Irritiert blickte Ethan an sich herunter und erblickte ein kleines Mädchen, das ihn mit seinen besorgeten Kulleraugen anblickte. "Lara! Du kannst doch nicht einfach wildfremde Leute ansprechen." Mit schnellen Schritten näherte sich eine junge Frau, die sich sogleich erst einmal auf Augenhöhe zum dem Mädchen begab. "Es ist ja nichts passiert“, versuchte Ethan sie zu beruhigen. "Trotzdem. Man liest heutzutage doch nur noch, das Kinder entführt werden“, rechtfertigte sie sich. "Ich entführe sicherlich keine Kinder“, brummte Ethan. "Verzeihen sie. Das wollte ich ihnen auch nicht unterstellen." Mit einem kleinen Kraftakt hob sie das Mädchen hoch und drückte es an sich. "Entschuldige dich Lara“, forderte sie. "Das ist wirklich nicht nötig“, sprach Ethan ruhig, während das Mädchen zögerlich die Buchstaben herausbrachte. "Geht doch“, lächelte die Mutter zufrieden und ging wieder ihres Weges.
Komische Leute, die hier rumlaufen! "So jetzt habe ich wieder Zeit für sie." Diesmal kam die Stimme von links. Außer Atem stand der ältere Mann wieder an seiner Seite und rückte sich die Krawatte zurecht. "Sie haben nichts verpasst. Ich bin noch an der Totensache dran“, murmelte Ethan. "Das lässt sie nicht los oder?“, fragte der Mann. "Nicht wirklich. Ich glaube kaum, das ein Friedhof gemeint ist. Aber was dann. Wo halten die Toten sonst noch Wache?" "Naja. Ich würde sagen, sie stehen förmlich darauf." Stirnrunzelnd blickte Ethan zu seinem Gesprächspartner herüber. "Unter ganz Paris befindet sich ein Katakombensystem, das im 18. Jahrhundert als Grabstätte genutzt wurde. Einige Tunnelteile kann man besichtigen. Andere sind noch unerforscht“, antwortete der Mann. Konnte das wirklich des Rätsels Lösung sein? Lag unter Ethans Füßen irgendwo ein Relikt aus der Vorzeit begraben, das den entscheidenen Hinweis zum letzten Kelch bewachte? Ein kurzer Blick auf die Uhr erfolgte. 16 Uhr. Es blieb noch genug Zeit, die Theorie zu überprüfen. Schnell wuchtete er den Körper aus dem Stuhl. "Ich danke ihnen für die Hilfe“, lächelte Ethan. "Keine Ursache. Dafür bin ich ja da“, erwiderte der Mann. Dann verschwand Ethan............................
Nichts hielt Ethan jetzt noch an diesem Ort. Die Informationen des Mannes konnten wahr sein oder auch nicht. Zumindest lohnte es sich diesem Hinweis nachzugehen und darauf zu hoffen, dass sich der Weg nicht als falsch erweisen würde. Hastig stieg er in das Auto ein. "Was ist los?." Mit einem stirnrunzeln stellt er die Flasche Wasser in den dafür vorgesehenen Halter in der Mittelkonsole. "Ich habe einige Hinweise. Wenn wir uns beeilen, können wir noch heute abend die letzte Koordinate haben“, antwortete Ethan hastig, während er sich anschnallte. "Jetzt mal langsam. Wo soll ich überhaupt hinfahren“, versuchte Michael ihn zu beruhigen. "Habe ich das nicht gesagt?" Michaels fragender Blick sagte alles. "Tut mir leid. Bin etwas aufgekratzt“, entschuldigte sich Ethan. "Das ist kaum zu übersehen." Michaels Hände umfassten den Autoschlüssel. "Lavignon führt uns direkt in die Katakomben von Paris. Dort ist unser Ziel“, erklärte Ethan. "Bist du dir sicher?" Kurz die Kupplung getreten und den Schlüssel herumgedreht und das Gefährt sprang an. Vorsichtig versuchte Michael sich in den Verkehr einzufädeln. "Auf dem Gemälde gab es einen Schriftzug, eine Art Wegweiser“, begann Ethan zu erzählen, während Michael sich auf die Straße konzentrierte. Ab und an ließ er sich ein Nicken entlocken oder gab ein Raunen von sich. Nach fast zehn Minuten hatte Ethan soweit alles berichtet und sank zufrieden in den Sessel zurück.
Es war vollbracht! Endlich konnte er sich den anderen gegenüber mal beweisen und etwas wichtiges zur Suche beitragen. Und das ganze auch noch völlig alleine! Naja, fast alleine. Ein Teil des Lobes gebührte auf jedem Fall dem alten Mann, der ihm so bereit willig Auskunft in Sachen Geschichte erteilte. "Es ist dauert nicht mehr lange, bis es dunkel wird. Willst du da wirklich noch runter?“, fragte Michael. "Machst du Witze?“, fragte Ethan. "Deine Aufgabe bestand darin das Rätsel zu lösen. Das hast du getan." Langsam bog Michael nach rechts ab auf eine weniger befahrenere Straße. "Mag sein. Aber ich möchte das gerne zu ende bringen. Wenn wir mit den Koordinaten nach Hause kommen, wäre das ein großer Schritt Richtung Gewölbe“, sprach Ethan. Ein Grinsen huschte über Michaels Gesicht. "Was?“ "Ich musste daran denken, wie Nina dich das erste Mal beschrieben hat. Ich hab das Gefühl, als wären das zwei verschiedene Menschen“, schmunzelte Michael. "Ich habe mich schon sehr verändert. Das stimmt“, murmelte Ethan, als das Auto schließlich zum stehen kam.
Vor ihnen stand ein Parklatz. In knapp hundert Schritt Entfernung befand sich das berühmte Eingangshäuschen, welches hinab ins Totenreich führte. Man, war Ethan aufgeregt. Sein Herz begann angesichts des baldigen Abenteuers durch die Decke zu gehen. Seine Hände tippten nervös auf dem Fensterrahmen herum. "Hast du dir eigentlich mal Gedanken gemacht, wie du dich da unten bewegen willst?“ Fragend schaute Michael in seine Richtung. "Ich glaube kaum, dass der dritte Hinweis so offen herum liegt“, seufzte Ethan. "Solltest du da unten auch nur ein mal falsch irgendwo abbiegen, kannst du da unten auch drauf gehen“, erklärte Michael eindringlich. " Genau da unten gibt es einen Hinweis, der uns sicher ans Ziel bringen wird. Wir kaufen uns am besten Karten und sehen ob wir was finden." Grummelnd stieg Michael aus den Wagen und ging nach hinten. "Ich habe mir so etwas schon gedacht“, sprach er, während Ethan auch ausstieg und die Tür sanft zu drückte. "Du bist auf alles vorbereitet was?" Demonstrativ hielt Michael eine Taschenlampe in die Höhe, ehe er diese herüber warf. Gekonnt fing Ethan den kleinen Gegenstand auf und stopfte ihn in die Seitentasche. Dann zog er den Reisverschluss wieder zu und ging schon einmal los. "Ich besorge uns die Karten. Stell du dich schon mal an“, erklärte Michael. Ethan nickte zustimmend und ging die paar Meter im zügigen Tempo an.
Nach wenigen Augenblicken hatte er das Ziel erreicht und stellte sich in die Reihe ein. Vor ihm stand bereits eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen Altersschichten. Da war ein älteres Ehepaar, dass sich leise unterhielt. Dahinter befanden sich zwei Männer mit Kameras in den Händen. In der Mitte standen ein paar junge Damen, die gebeugt über ein Prospekt hingen und sich anregend austauschten. "Guck mal Mami. Der Mann ist wieder da."
Die Stimme kannte Ethan doch? Er blickte nach unten und tatsächlich stand da vor ihm wieder das kleine Mädchen, dass er schon zuvor im Museum gesehen hatte. "So sieht man sich wieder“, lächelte die Mutter. "Wie es aussieht hatten wir dieselbe Idee. Meine Name ist Ethan." Freundlich reichte er ihr die Hand. Sie erwiderte. „Katherina." „Sind sie auf Besuch hier?“, fragte Ethan neugierig. "Mein Freund arbeitet in der Stadt und dieses Wochenende hatte ich endlich mal Zeit ihn zu besuchen“, antwortete die Mutter. "Da werden dann gleich die Sehenswürdigkeiten mit eingebunden." Lächelnd strich Ethan über die Haare des Mädchens hinweg. "Wann kommt man denn schon zu so einer Gelegenheit?“, fragte sie, als Michael sich neben Ethan einreihte und ihm eine Karte überreichte. "Gut das der Schalter nicht so voll wahr. Ist ja echt bitterkalt“, grummelt er und steckte die Hände wieder in die Tasche zurück. "Michael, darf ich dir Katherina vorstellen? Ich habe sie vorhin im Museum schon getroffen“, sprach Ethan. "Freut mich." Schnell tauchte Michaels Hand wieder aus der wärmenden Tasche hervor. "Mich auch“, lächelte Katherina und erwiderte.
Anschließend erfolgte eine kleine Gesprächsrunde, bei der Michael und Katherina allerhand Themen durcharbeiteten. Über die aktuellen Nachrichten, bis zum Arbeitsplatz ihres Freundes war alles dabei. Ethan hielt sich still im Hintergrund. Auch wenn er es zwar nach außen nicht zeigte, so war er doch innerlich sehr aufgeregt. Was passierte, wenn der Hinweis falsch war oder gar Todesfallen den letzten Hinweis bewachten? Mulmig trat Ethan einen Schritt vor den anderen, während sich die Gruppe in Bewegung setzte und in die Tiefen hinabstieg. Dabei gab das ältere Paar die Geschwindigkeit vor, was angesichts von Gehhilfen keine schnelle war. Schließlich erreichten sie nach einer geschwungenen Treppe den Eingang in die Katakomben. Auf einem Schild über dem Torbogen stand in goldenen Lettern:
Entree des Catakombes
"Ich bin ja sowas von aufgeregt“, sprach Katherina, die ihre Tochter fest im Arm hielt. "Mir geht es nicht anders“, erwiderte Michael. Gemächlich setzte sich die Gruppe in Bewegung, während Ethan in seinem Kopf noch einmal die Botschaft durchging
Wo die Freiheit begraben liegt. Dort ruht unter des Toten Wacht, ein heiliger Ort.
Das passte genau zu diesen alten Ruinen. Rechts und links lagen aufgeschichtet die Schädel und Knochen, derer, die für die Freiheit ihres Landes den Tod gefunden hatten. Zudem befanden sich auch die Überreste derer hier, die damals von den Friedhöfen hergebracht wurden. Ethan erinnerte sich wie seine Geschichtslehrerin früher von Seuchen und Krankheiten berichtete, welche die Menschen zu großen Teilen dahinraffte. Dazu kam noch eine massive Überbevölkerung. Das Chaos war perfekt. Wenigstens gaben sich die Totengräber noch Mühe und schichteten die Knochen dekorativ übereinander. Dann wurden Gedenktafeln angebracht, die den Herkunftsfriedhof kennzeichneten. "Man könnte echt meinen, dass die Toten einen anstarren“, murmelte Katherina ängstlich. "Wer weiß schon welche Seelen hier unten noch umherwandern." Ein schiefer Blick von Ethan strafte Michael und seine Aussage. "Seit wann glaubst du an Geister?“, brummte er. "Schon sehr lange. Ich habe mich früher mit diesem Thema sehr beschäftigt“, antwortete Michael. Ungläubig schüttelte Ethan den Kopf. Am liebsten wäre er ja noch weiter darauf eingegangen, wenn die Zeit sie nicht gnadenlos jagen würde. So rief er sich noch mal die zweite Zeile ins Gedächtnis.
Die blutbefleckte Krone zeigt den Erben den rechten Weg.
Vielleicht gab es ja eine Markierung, die einen sicheren Pfad durch das Labyrinth freilegte? Wenn die Theorie stimmte, konnte das hier überall sein. Hunderte Schädel und nur ein Hinweis. „Saubere Arbeit Lavignon“, murmelte Ethan, während Michael zu ihm aufschloss. "Wie sieht es aus?“, fragte er leise. „Nicht gut. Irgendwo muss hier eine Zeichnung oder sowas sein. Eine Krone“, grummelte Ethan. „Das wird nicht einfach“, seufzte Michael. "Nimm du die rechte Seite und ich mach die Linke!“ Fünf Minuten vergingen. Nichts! Das glich doch der Nadel im Heuhaufen. Aber Lavignon musste doch sichergehen, das man den Hinweis fand! Vielleicht war es auch ein Wortspiel? Ein Anagramm? Eine Metapher? Seufzend lehnte sich Ethan gegen die Knochenmauer. "So werden wir nie fündig“, sprach Michael deprimiert. "Wir haben was übersehen. Es muss hier unten sein“, fluchte sein Gegenüber. "Schau mal Mami. Was ist das da hinten?“, unterbrach das kleine Mädchen die Gedankenspiele. "Das ist ein Schrein Liebes“, antwortete Katherina. "Der Mann hat eine Krone auf. Ist der wichtig?" Erschrocken fuhren die Beiden hoch und rannten los. "Bestimmt. Da müssen wir nachher mal den netten Aufpasser fragen." Nach Luft ringend stoppte Ethan an der übernächsten Ecke. Er konnte beobachten wie Katherina auf die Knie ging und die Jacke ihrer Tochter zurecht rückte. "Du holst dir noch den Tod hier unten“, lächelte sie und stand wieder auf. Dann gingen Mutter und Tochter weiter den Gang entlang. Kurz blickte Ethan über seine Schulter um sich zu vergewissern das sein Partner noch da war. „Können wir?“, fragte Michael leise. Ethan nickte, gefolgt von einem Schritt um die Ecke herum. Zielsicher steuerte er die ehemalige Position Katherinas an und schaute sich um. „Da hinten!“ Mit dem rechten Zeigefinger deutete Michael auf eine Statue in knapp zwanzig Meter Entfernung, welche besagten König darstellte. "Ich fasse es nicht, dass ein kleines Mädchen uns zuvor gekommen ist“, grummelte Ethan, während er nahe an das Objekt herantrat.
Optisch stellte dieses Werk wahrlich ein Meisterwerk von Lavignon dar. Diese filigrane Arbeit suchte ihresgleichen. Es wirkte beinahe so, als würde jeden Moment die Versiegelung aufbrechen und Ludwig XVI davon laufen. Die Statue selbst stand auf einem rechteckigen Sockel. Prüfend ließ Ethan seinen Blick wandern. In der linken Hand hielt Ludwig ein Zepter fest an die Brust gedrückt. In seiner ausgestreckten Rechten befand sich ein aufgeschlagenes Buch mit einigen Schriftzeichen darin. "Kannst du das lesen?“, fragte Michael. "Ich kann es versuchen. Anja ist darin viel besser“, antwortete Ethan und ging näher heran.
„Wissen ist das Recht eines jeden denkenden Menschen“
Nachdenklich hob Ethan wieder den Kopf, während er die Worte laut vorsagte. "Wieder mal sehr kryptisch“, sprach Michael. Sein Partner hatte recht. Aber vielleicht ging von diesem Satz auch keine Bedeutung aus? Die Statue stand an einer T – Kreuzung. Zu beiden Seiten hing ging der Weg weiter. Wieder ließ Ethan die zweite Zeile an die Oberfläche kommen. Irgendwo in diesen Worten steckte die verdammte Lösung! Hastig blickte er auf die Uhr. Es blieb nicht mal mehr eine halbe Stunde, bevor man hier den Laden dicht machte. "Ich denke das der rechte Weg gemeint ist“, überlegte Michael laut. "Als wenn das so einfach wäre“, grummelte Ethan. "Manchmal ist das Offensichtliche genau das, was man verbergen will." Gelangweilt kramte Michael seine Flasche aus dem mitgebrachten Rucksack, während Ethan noch einmal die Gänge in Augenschein nahm. Konnte das wirklich so leicht sein? Sollte sein Begleiter Recht haben? Es gab nur einen Weg das herauszufinden. "Testen wir deine Theorie“, sprach Ethan und marschierte los. Michael folgte ihm in sicheren Abstand. Dabei hielt er etwas weißes in den Händen. „Was ist das?“, fragte er neugierig. "Kreide. Ich möchte mich hier unten nicht verlaufen." Zielstrebig steuerte er bei der nächsten Kreuzung eine Ecke an und markierte einen der Schädel mit einem X. Ungläubig schüttelte Ethan den Kopf. Dann bog er nach rechts ab, bis der Weg 50 Meter und drei Ecken weiter ein Ende fand. „Soll das ein Scherz sein?“, murmelte er. "Vielleicht hätten wir doch den anderen Weg nehmen sollen“, sprach Michael. "Wir übersehen da etwas." Langsam schritt Ethan auf die Wand zu. Auf der ersten Blick gab es keine Unterschiede. Der Gang wirkte nicht bearbeitet. Die Knochen wiesen keine Risse oder Schnitte auf. Selbst die Fackelhalter glichen im Großen und Ganzen den anderen. Vorsichtig sank Ethan auf die Knie.
Denn nur wer dem Feuer folgt und den Ersten Respekt zeigt.
Der Anfang der dritten Zeile musste ebenfalls etwas zu bedeuten haben. Vielleicht wiesen die Halterungen den Weg? Mit schnellen Schritten kehrte Ethan noch einmal zur Ecke zurück, nur um dann ernüchternd wieder umzudrehen. Tatsächlich hingen beinahe überall die Überreste der Fackelhalterungen. "Ich mach uns mal Feuer." Zögerlich griffen Michaels Hände den Holststumpf hervor, gefolgt von einem Feuerzeug, das die Flamme entzündete. Das Gleiche tat er auf der anderen Seite, so das der Raum schließlich genug Licht bot, um nährere Forschung zu betreiben. "Ich komme mir vor wie in einem der Filme“, grummelte Ethan, der sich von der Wand mehr erhofft hatte. Doch auch diese bestand nur aus Knochen und grinsenden Schädeln. Genervt ließ er sich nun ganz auf den Boden fallen. "Wir sollten echt morgen wiederkommen. Was bringt uns das hier, wenn wir eingeschlossen sind“, erklärte Michael. "Ich gebe mich so leicht nicht geschlagen“, wehrte sich Ethan, als ihm plötzlich eine Idee in den Kopf schoss. Langsam kroch er in die Miete, kniete nieder und wischte mit der Hand den Staub weg. "Hier sind feine Vertiefungen“, sprach Ethan, während er Michael heranwinkte. "Das könnten einfach nur Ritzen sein, die sich im Laufe der Zeit hier gebildet haben." "Das glaube ich nicht. Der Text sprach davon, das man den Ersten Respekt erweisen soll. Das tut man doch normalerweise in dem man niederkniet“, warf Ethan ein, als plötzlich die Bodenplatte unter seinen Füßen einige Zentimeter nachgab. Erschrocken taumelte er zurück und beobachtete das Schauspiel. Die Platte rastete ein. Gebannt heilten die Beiden den Atem an.
Stille! Nichts passierte. Sekunden vergingen, ehe schließlich ein leises Klacken ertönte, gefolgt von einem kleinen Beben. "Da!." Mit den Fingern deutete Ethan auf die Wand, die sich langsam aber sicher in Bewegung setzte und an Höhe gewann. "Du bist echt ein Genie“, grinste Michael und fuhr mit der Hand rüde über Ethans Haare hinweg. "Einfach nur Zufall. Aber ich spüre das wir ganz nahe sind“, erwiderte er. "Gehen wir!." Mit schnellen Schritten ging Michael in die Dunkelheit hinein. "Hier ist eine Treppe. Seih vorsichtig“, rief er auf halber Strecke nach oben. "Alles klar“, bestätigte Ethan und tat es ihm gleich.
Vorsichtig setzte er einen Schritt nach dem anderen auf die kalten Steinstufen. Im kleinen Kegel der Taschenlampe konnte man verflucht noch mal überall hereintreten. Erschrocken hielt Ethan inne. Vor seinen Augen seilte sich eine mordsdicke Spinne ab. "Mistding!" Mit einer schnellen Handbewegung beseitigte er das Hindernis und ging weiter. "Es ist ganz schön muffig hier“, hallte Michaels Stimme die Treppe hinauf. "Wer weiß wann zu letzt jemand hier unten war“, entgegnete Ethan, der nach einigen Windungen vor Michael zum Stehen kam. "Da vorne endet der Weg." Der Lichstrahl der Lampe bahnte sich einen Weg durch die klaffenden Dunkelheit. Die schwachen Ausläufer tauchten die Wände in ein schummriges Licht. "Jetzt gibt es kein Zurück mehr." Langsam setzte Ethan einen Schritt vor den anderen. Michael folgte ihm. "Wie lange haben die wohl an diesem Tunnel gegraben“, murmelte Ethan. "Ich habe keine Ahnung. Zumindest sind hier keine Knochen wie oben“, sprach sein Hintermann. "Nur ein paar alte Ritterstatuen." Vorsichtig leuchte Ethan nach rechts. In einer Nische stand eine alte Templerrüstung, die sehr viel Ähnlichkeit mit der aufwies, die bereits in Charigols Grab gefunden wurde. Diese hier schien allerdings ein Hotel für Ungeziefer zu sein.
Aus den Augenwinkeln heraus glaubte Ethan plötzlich noch etwas anderes wahrzunehmen. Ein rotes Augenpaar, das im Strahl der Lampe kurz aufzublitzen begann. Dann ertönte ein Geräusch, als würde Metall über Metall schleifen. Ein Schatten huschte vorbei. "Was war das?" Erschrocken versuchte Ethan mit der Lampe dem Ziel zu folgen. Keine Chance! Es war zu schnell. "Vermutlich nur eine Ratte“, antwortete Michael. "Mistviecher!" Zügig gingen die Beiden weiter bis sie das Ende erreichten. Der schmale Gang wurde zu einem riesigen Raum, den die Lampen kaum erfassen konnte. Einzig ein paar Konturen glaubte Ethan zu sehen. Zielstrebig wandte er sich nach rechts zu einer der Fackeln und ließ sie sich von Michael entzünden. Dann ging er reihum und tat das selbste mit den anderen, bis schließlich, das Licht die Dunkelheit verdrängte und Ethan und Michael den Atem rauben ließ...........
Ethan stockte der Atem. Vor seinen Augen erstreckte sich ein gewaltiges Moment, das genau mit der Höhlendecke abschloss. "Wahnsinn“, staunte auch Michael angesichts der zwei großen Adam- und Evastatuen, die sich gegenüberstanden. In ihren Händen hielten beide jeweils einen Kelch der genau mit der Decke abschloss. Zwischen den beiden Körpern befand sich ein Torbogen, dessen steinere Türen verschlossen waren. "Wie groß mag das sein?“, murmelte Ethan, während er wieder die zu Michael zurückkehrte. "Vielleicht an die vier bis fünf Meter. Wie zum Teufel haben die das hier unten so lange geheim halten können?" Neugierig schritt Ethan weitläufig um die Statue herum um sich ein Bild zu machen. "Da muss es noch tiefer gehen. Hier hinten ist nichts“, rief er zu Michael herüber. Dann kehrte er zurück. "Lavignon. Du bist ein Meister“, lächelte Ethan ehe er sich den Rucksack geben ließ und die goldenen Kelche hervorzog. "Dann fangen wir mal an zu suchen“, sprach Michael. Irgendwo an den Statuen musste es so etwas wie Vertiefungen geben, die das Heiligtum freigaben. Ehrfürchtig trat Ethan an Adam heran, während die Hände den kalten Stein berührten. „Ich komme mir vor, wie ein Schuljunge am ersten Schultag“, rief er zu Michael herüber, der sich Eva vornahm. "Alan wäre sicher stolz auf dich“, folgte als Antwort. Traurig senkte Ethan den Kopf. Er hoffte, das es so war. Ach wäre doch nur sein Vater noch am Leben, um das hier mitzuerleben. "Ich setze deine Arbeit fort. Ich hoffe du bist stolz auf mich“, murmelte er in sich hinein und fuhr weiter die Statue entlang bis seine Hände auf eine Unebenheit trafen. Kurz hielt Ethan inne. Dann wischte er den Staub weg, um die Ränder der Vertiefung freizulegen. "Hier könnte einer der Kelche passen!" Wie auf Kommando eilte Michael heran. "Welcher von Beiden passt?“, fragte er leicht außer Atem. "Ich habe keine Ahnung. Wer weiß ob das ganze nicht mit einer Falle gesichert ist." Prüfend verglich Ethan die Vertiefung mit den Kelchen. Allerdings brachte dies keinen Erfolg. „Sollen wir unser Glück herausfordern?." Zielstrebig schnappte sich Michael einen Kelch und ging wieder auf Evas Seite. Hoffentlich geht das gut! Zaghaft drückte Ethan das Artefakt in die Vertiefung. Nichts passierte. Zwar passte er wie angegossen. Doch die Türe bewegte sich keinen Meter. Grummelnd nahm er das Ding wieder heraus, während Michael mit dem selbsten Gesichtsausdruck zurückkehrte.
„Der wird Sitzen zur Gottes Rechten“
Vielleicht bedeutete das ja, den Kelch nach rechts zu drehen? Ein zweiter Versuch konnte nicht schaden. Wieder steckte Ethan das Objekt in das Loch und drehte einmal kräftig. Wie von Zauberhand rastete er nach kurzer Zeit ein und verschwand im Inneren. Ein lautes Knarren ertönte, als würde man etwas Schweres bewegen, gefolgt von einem gleichmäßigen Signal. Ethan erschrack und blickte zu Michael herüber. Sein Begleiter verstand, rannte sofort los und setzte das zweite Objekt ein. Ein zweites Knarren ertönte und die beiden schweren Türen schwangen laut quietschend auf. Jubelnd stürmten die Zwei aufeinander zu. "Saubere Arbeit. Es ist geschafft“, freute sich Ethan. Zügig nahm er den Rucksack auf und trat an die Türschwelle heran. Der eine große Moment war gekommen. Hinter dieser Schwelle befand sich das Geheimnis um den allerletzten Kelch, der schlussendlich die Karte komplettierte und den Eingang zum Gewölbe zeigte. Eine lange Reise die vor mehr als zehn Jahren von seinem Vater begann, wurde durch ihn zu Ende gebracht. Ehrfürchtig übertrat Ethan die Schwelle und ging eine weitere Steintreppe hinab, die in einen kleinen Raum mündete. In der Mitte stand ein großes Steinpodest, auf dem einige Steinformationen abgebildet waren. Desweiteren befanden sich auch hier feine Linien und Quadrate in verschiedenen Größen.
Gott! Sollte das etwa eine Karte sein? Neugierig trat Ethan an das Konstrukt heran. Tatsächlich! Da stand Paris und dort drüben Rom. Diese Erhöhungen stellten bestimmt ein Gebirge da. Das musste er festhalten. Schnell kramte Ethan sein Handy hervor und machte ein Foto von diesem unglaublichen Fund. "Das ist einfach unglaublich“, murmelte Michael, der mit den beiden Kelchen im Rucksack zurückkehrte. "Wie haben die das hingekriegt?“, fragte Ethan, während sein Blick auf eine Markierung in den Bergen viel. Ein weiteres Foto folgte ehe das Handy wieder in die Hemdtasche zurückwanderte. Das X markiert das Ziel. Wie in einem dieser Abenteuerfilme die Ethan aus Kindertagen kannte. Damals hatte er sich vorgestellt selbst einmal eine Entdeckung zu machen. Allerdings war dies zu jener Zeit der Traum eines kleinen Jungen und total albern. Doch jetzt stand er vor seiner ersten eigenen Entdeckung. "Es tut mir leid." Erschrocken wandte sich Ethan um und starrte in einen Pistolenlauf. "Was tust du da?“, fragte er irritiert, während sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen. "Ich kann leider nicht anders. Ich tue es für Anja“, stammelte sein Gegenüber. "Was hat sie damit zu tun?“, bohrte Ethan nach. "Er hat eingesehen, dass es keinen Sinn macht für nichts zu sterben“, hallte eine bekannte Stimme von oben herab, begleitet von mehreren Schritten, die sich näherten. "Du hast doch nicht wirklich......" Wütend starrte er zu Michael herüber, als sich der erste Körper die Treppe herunterbewegte. Saubere schwarze Lederschuhe, Anzug und Krawatte! Das konnte nur einer sein. "Pavla!“, sprudelte es aus Ethan heraus. "Es freut mich sie wiederzusehen." Zügig machte sein Feind Platz, um auch noch die anderen Männer in den kleinen Raum zu lassen. Gelangweilt kramten die Hände, des alten Mannes ein Feuerzeug heraus und steckten eine Zigarette an. "Wie konntest du uns alle nur hintergehen“, fluchte Ethan zu Michael herüber, der langsam die Waffe herunter nahm. "Du weißt gar nicht, wie es ist so ein Leben zu führen!“ Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, während er einem der Männer den Rucksack übergab. "Ich habe meine Schwester an den Orden verloren. Meine Eltern. Alle haben sich einer Sache verpflichtet, für die es sich nicht zu sterben lohnt“, erzählte Michael weiter. "Glaubst du wirklich, dass die Kirche dich gehen lässt?" "Er muss nicht glauben. Es ist ein Teil der Vereinbarung“, antwortete Pavla. "Anja wird ein neues Leben führen. Abseits von Mord und Totschlag und Ritualen."
Ethan schüttelte nur ungläublich den Kopf, während in seinem Kopf eine Welt zusammenbrach. Wie konnte Michael ihm das nur antun? Was hatte ihn so verzweifelt werden lassen, sich ausgerechnet an Pavla zu wenden? War ihm die Freiheit so viel Wert, dafür alles aufzugeben? Nein! Das konnte und wollte Ethan nicht glauben. Vielleicht wurde Michael ja auch irgendwie erpresst. Genau! Das musste es sein. Nina und Anja waren in der Gewalt dieser Schergen. Das konnte gar nicht anders sein. „Darf ich jetzt gehen?“ Fragend blickte Michael zu Pavla hinüber, der mit einer Handbewegung seine Männer andeutete, die Treppe frei zu machen. „Sie haben drei Stunden. Die Maschine wartet nicht“, erklärte Pavla eindringlich. Mit gesenktem Kopf ging der Verräter an Ethan vorbei die Treppe hinauf. „Wissen sie Ethan.....sie sind sich nicht der Folgen bewusst, die das ganze haben könnte." Pavla nahm einen gewaltigen Zug und ließ ihn genüsslich über die Nase entweichen. „Was sollen das für Folgen sein? Das man am Pfeiler der Religion rütteln könnte?“, feixte Ethan, der immer noch damit bemüht war, die Scherben in seinem Verstand aufzusammeln und den Schock zu verdauen. Ungläublig schüttelt Pavla den Kopf. "Stellen sie sich doch mal das Wissen in den falschen Händen vor. Das könnte ganze Kriege auslösen und vielleicht sogar die Menschheit in den Abgrund stürzen“, rechtfertigte sich Pavla. "Das klingt ja alles sehr dramatisch. Sie haben doch nur Angst, das sich die Welt verändert." Wütend drückte sein Gegenüber den Stummel auf den Boden. „Sie haben nicht das Recht über solch ein Wissen zu entscheiden, geschweige denn es zu besitzen. Was glauben sie eigentlich wer sie sind?!." Zügig trat Pavla auf weniger Zentimeter heran. „Sie sind nur ein Mensch, dem das Leben von Gott geschenkt wurde." Ein Fautschlag folgte. Ethans Magen drückte sich zusammen. Die Luft presste sich regelrecht aus der Lunge. „Sie werden noch lernen was es heißt sich zu fügen." Ein weiterer Schlag traf die Magengegend. Schmerzverzehrt sank sein Körper auf die Knie und rang nach Luft, während er sich den Bauch hielt. "Das ist doch schon viel besser“, lachte Pavla und trat einige Schritte zurück. "Sie sind so ein armseliger Mann“, hustete Ethan. Gleichzeitig blickte die Augen zu seinem Gegner hinauf. Diesen Triumph wollte er diesem Hund nicht gönnen! „Los steh auf." Mit letzter Kraft rappelte sich Ethan wieder auf. "Mutig. Ich bewundere diesen Eifer. Diese Hartnäckigkeit. Dieses Feuer“, lobte Pavla. „Damit ist jetzt jedoch Schluss. Ich brauche sie nicht mehr!" Schnell griff die rechte Hand in die Seitentasche,zog eine Pistole hervor und richtete sie auf Ethan. "Noch einen letzten Wunsch?" Langsam legte sich der Zeigefinger um den Abzug herum, als plötzlich ein Geräusch ertönte. Wie auf Knopfdruck gingen die Männer auf die Knie, während eine weitere Gestalt die Treppe hinab stieg und an der Schwelle zu Raum stehen blieb. "Pavla. Der Junge bleibt am Leben“, sprach die weibliche Stimme ruhig, deren Gesicht durch einen Umhang nahezuh vollständig verdeckt wurde. "Seit ihr sicher?" Stille kehrte ein. Dann neigte die vermummte Gestalt den Kopf in Pavlas Richtung. Zögerlich sank die Pistole Richtung Boden. "Nehmt ihn mit. Er wird uns noch von Nutzen sein“, befahl die Gestalt und machte auf der Stelle kehrt. "Natürlich“, bestätigte der alte Mann grinsend mit einer Handbewegung. Ein dumpfer Schlag erfolgte auf Ethans Hinterkopf. Dunkelheit umfing ihn...................................
Erschrocken richtete Ethan sich auf und hielt sich den Kopf. Man! Das waren vielleicht Kopfschmerzen. „Endlich bist du wach“, dröhnte eine Stimme an seine Ohren, während sich eine warme Hand auf seine Stirn legte. „Wo bin ich?" Desorientiert suchte Ethan den Raum nach der Stimme ab, bis er er fündig wurde. „Leila!" Stürmisch drückte er die verschollene Freundin an sich. „Ich freu mich auch dich zu sehen“, rang sie nach Luft. „Was ist passiert? Wie geht es dir?." „Das sind etwas viele Fragen auf einmal“, lächelte Leila, während sie sich zu ihm auf die Pritsche setzte. „Tut mir leid“, entschuldigte sich Ethan. "Macht doch nichts." Mit einem Handgriff rückte Leila die lädierte und dreckige Kleidung zurecht. Doch nich nur der Stoff hatte was abgekommen. Das äußerliche Erscheinungsbild ließ sie einfach nur müde und kaputt wirken. Die Haare hingen zerzaust über ihre Schultern hinweg. Das Gesicht glich einem Schlachtfeld. Die Lippe war aufgeplatzt. Das rechte Auge geschwollen. Die Wange zierte eine lange Wunde. "Was haben die nur mit dir gemacht“, seufzte Ethan. „Nur eine kleine Fragestunde mit den Jungs hier. Aber erzähl mal wie es euch ergangen ist“, sprach Leila. „Es ist in den zwei Tagen viel passiert......“, begann Ethan zu erzählen. Dabei versuchte er die wichtigen Sachen möglichst kompakt und genau herüberzubringen. Angefangen vom zweiten Kelch, den er und seine Mutter in Charigols Grab gefunden hatten bis zu Michaels Verrat, sowie dem Standort des dritten Kelches. Leila kommentierte die Aussagen mit einer Mischung aus Erstaunen, Neugier und Wut. "Ich hätte niemals gedacht, das man uns so verraten würde." Grummelnd stand sie auf. „Ich hoffe, dass Nina und Anja nicht in Schwierigkeiten geraten." Besorgte schaute Ethan auf den dreckigen Fliesenboden. „Die werden mit der Situation schon fertig. Unsere ist dagegen etwas heikler“, erklärte Leila. „Was ist das hier überhaupt für ein Ort?" Fragend blickte er zu ihr herüber, während sie an der schweren Eisentür hantierte. „Ich vermute mal es ist ein Lagerhaus oder eine alte Fabrik“, fluchte sie lautstark, gefolgt von einer Reihe an Beschimpfungen und Handbewegungen, die sich deutlich gegen das Objekt richteten. "Diese beschissene Tür!" Ohne Rücksicht auf Verluste trat Leila gegen die graue Wand zu ihrer Linken. Ein Schmunzeln huschte über Ethans Gesicht. Selbst in diesem kleinen, dreckigen, dunklen Zimmer, das nur von einer Hängelampe beleuchtet wurde und in dem nur eine Pritsche stand, blieb sich Leila ihrer rabiaten Linie treu. „Ich versuche schon seit meiner Ankunft hier diese Tür zu knacken. Aber diese Ding weigert sich einfach zu kooperieren." Schnaubend setzte sie sich wieder zu Ethan. „Wir werden schon einen Weg hier heraus finden“, sprach er ihr Mut zu. „So hatte ich mir Paris nicht vorgestellt“, seufzte sie sarkastisch. „Ich frage mich, warum die uns überhaupt noch brauchen. Sie haben die Kelche und die Koordinaten“, murmelte Ethan. „Das Gewölbe ist nicht das einzige Ziel. Wir sind nur eine kleine Splittergruppe. Es gibt auch noch Mitglieder in den USA und Asien“, antwortete Leila. „Sie wollen den Rosenorden komplett aus der Geschichte tilgen." Erschrocken blickte Ethan zu seiner Zellengenossin herüber, als sich plötzlich Schritte von draußen dem Raum näherten. „Das ist unsere Chance!" Langsam erhob sich ihr Körper und bewegte sich Richtung Tür. „Bist du wahnsinnig? Die haben mit Sicherheit Waffen“, protestierte Ethan.
Doch es war zu spät. Leila hatte sich bereite neben den Türrahmen gestellt und wartete, ehe schließlich, nach einem lauten Klacken durch das Herumdrehen eines Schlüssels die Tür nach Ihnen aufging. Verdutzt blickte ein vermummtes Augenpaar in den Raum hinein. Ein Schritt erfolgte und der schwer, bewaffnete Mann stand mit dem Gewehr vorran im Rahmen.
Dann ging alles blitzschnell. Mit einem schnelle Griff langte Leila nach dem Lauf und zog den Körper um die Ecke, gefolgt von einem schnell Faustschlag ins Gesicht. Ein Jauchzen ihres Gegners ertönte, der taumelnd einige Zentimeter zurückwich und dabei die Waffe fallen lies. „Dich mach ich fertig!" Ein weiterer Schlag erfolgte. Doch diesmal konnte ihr Gegner den Angriff mit der linken Hand abblocken.
Ein wilde Rangelei entstand. Immer schlugen die Fäuste aufeinander ein. Jeder der beiden Kontrahenten parierte eine um das andere Mal gepaart mit einigen Treffern, die doch schluss endlich ihr Ziel trafen. Blut spritzte umher. Leila hielt sich das Gesicht und ging etwas auf Abstand. Wütend fuhr sie mit der Hand über die blutige Stelle hinweg, während der Mann nachsetzte. Mit einem gekonnten Manöver tauchte ihr Körper unter dem Schlag hinweg. Gleichzeitig umschlangen die Arme den Rumpf des Gegners. Mit lautem Kampfgebrüll drückte Leila ihn gegen die Wand. „Du Schlampe!“ Die Spitze des Ellenbogens rammte sich regelrecht in ihren Rücken. Ein Aufschrei erfolgte, der Ethan das Mark in den Knochen gefrieren ließ. Ein weiterer Ellenbogenschlag erfolgte. Diesmal sackte Leila einige Zentimeter ab. Verdammt! Lange konnte sie sich nicht mehr halten. Irgendwas musste er doch tun um ihr zu helfen. Panisch suchte Ethan den Raum ab und erspähte das Gewehr, dass immer noch auf den Boden herum lag. Ohne zu überlegen griffen die Hände nach dem kalten Stahl. „Schluss jetzt!" Die beiden Kontrahenten hielten inne und starten ungläubig zu Ethan herüber. Zitternd starrte er zu seiner Kampfgefährtin herüber. Eine Waffe im Fernsehen oder im Laden zu sehen war eine Sache. Doch so einen Todbringer zu umfassen eine ganz andere andere. „Gute Arbeit“ Vorsichtig näherte sich Leila dem Lauf, als sich plötzlich die Ereignisse überschlugen. Blitzschnell tauchte plötzlich eine Klinge in Ethans Sichtfeld auf. Ein Schuss löste sich. Die Waffe viel erneut zu Boden. Der nachfolgende ohrenbetäubende Knall raubte ihm kurzfristig die Sinne, während der Körper erstarrt verharrte. Wie in Zeitlupe schrie der Mann auf, gefolgt von einem Regen aus Blut, der sich quer über Leila und ihn ergoss. Dann sackte die fleischliche Hülle regungslos in sich zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte Leila zu ihm herüber, ehe die normale Geräuschkulisse wieder an seine Ohren drang.
Stille! Für einen Moment geschah nichts. Langsam drehte sich ihr Körper herum und gab die Sicht auf das Unglück frei. Der Oberkörper des Toten wurde regelrecht zerfetzt. Ein See aus Blut hatte sich darauf gebildet. Andere Teile aus dem Inneren zierten in chaotischen Mustern, die hintere Wand. Was hatte Ethan nur getan? Völlig geschockt sank er zu Boden. Ein Menschleben wurde gerade eben ausgelöscht! Durch ihn! Die Atmung begann sich zu erhöhen. In schnellen Abständen sogen seine Lippen den Sauerstoff förmlich herein, um das schlagenden Herz zu versorgen. „Ethan!“ Besorgt kniete Leila zu ihm herunter, während sich auf dem Körper die Haare aufstellten. Hatte seine Kampfpartnerin etwas gesagt? Ihre Stimme klang aus weiter Ferne an ihn heran, obwohl sie direkt vor ihm kniete und langsam nach dem Gewehr griff. „Du must dich beruhigen. Wir sind noch nicht aus der Nummer heraus“, versuchte sie auf ihn einzureden. „Was.....wie...“, stammelte Ethan leise vor sich hin. „Kriegst du dich in den Griff?" Besorgt stand Leila wieder auf und griff dabei nach seinem Arm, um ihn aufzuhelfen.
Ohne den Hauch einer Gegenwehr ließ er sie gewähren. „Ich habe einen Menschen getötet“, murmelte er immer wieder leise vor sich hin. „Es war Notwehr. Du hast mir dadurch das Leben gerettet." Wieder hallten ihre Worte, wie durch einen langen Tunnel an ihn heran, während sie vorne weg in den schlecht beleuchteten Gang hineinlief. Wie ein Zombie folgte Ethan ihr. „Hier muss doch irgendwo ein Ausgang sein!" Fluchend versuchte sie sich an jeder Tür, die ihnen über den Weg lief, ehe sie plötzlich stehen blieb. „Das glaube ich jetzt nicht." Schon wieder dieser Tunnel! Innerlich schüttelte Ethan den Kopf. Zügig betrat Leila den Raum zur Rechten. Kommentarlos stapfte er ihr nach. „Die Kelche! Wie kann man die nur herumliegen lassen." Zielstrebig stopften die Hände, die Artefakte in den Rucksack zurück, den Michael zuvor noch bei sich trug. Dann verließ sie schleunigst den Raum und zog Ethan hinter sich her, als plötzlich weitere Schritte ertönten. "Verdammt!“ Suchend rannten sie durch jeden Gang, in der Hoffnung nicht ihren Häschern in die Arme zu laufen. „Da!" Mit der Hand deutete Leila auf eine Tür, über die sich ein Schild mit der Aufschrift „Notausgang“ befand. Schnell erhöhte sie das Tempo, so das Ethan kaum noch im Stande war mitzuhalten. Mit rasender Geschwindigkeit zog eine graue Farbenmischung an ihm vorbei und verwandelte den Gang dabei in einen gewaltigen Strudel an dessem Ende das sprichwörtliche Licht wartete. „Gleich geschafft“, hallte Leilas Stimme wieder an seine Ohren, als Ethan plötzlich den Halt verlor, über seine eigenen Füße stolperte und schließlich unsanft zu Boden fiel. Schmerzen durchzogen die Bauchgegend. Die Kniee brannten wie Feuer. „Steh auf!." Von vorne hallten Leilas Worte an ihn heran. Langsam richtete Ethan sich auf und blickte in das Licht hinein. Da stand sie engelgleich und streckte die Hand nach ihm aus. "Beeilung!“ Wild bewegte sich ihre Arme auf und ab, während er noch mal die Reserven mobilisiert und sich aufrichtete. "Du schaffst es“, sprach Leila ihm Mut zu. Vorsichtig setzte Ethan einen Fuß vor den anderen, ehe plötzlich ein gewaltiger Druck von hinten ihn wieder von den Beinen riss und ihm gänzlich die Sinne raubte.
„Aufwachen!“ Eine kalte Dusche holte Ethan in die Wirklichkeit zurück. „Er kommt zu sich." Vor seinen Augen regierte noch ein schwammiges, undurchsichtiges Bild, das mit jeder Sekunde mehr mehr Konturen annahm. „Du hast verdammt viel Aufregung verursacht mein Lieber." Eine Backpfeife folgte, die Ethan endgültig aufschrecken lies. Panisch blickte er umher, dann an sich herunter. Sein Körper saß auf einem alten Holzstuhl. Beine und Hände waren mit Lederriemen fixiert worden. "Was ist......ich weiß nicht“, stammelte er vor sich hin. „Du hast einen meiner Männer getötet. Eigentlich müsste ich dafür eine Kugel verpassen." Das wütende Gesicht einer älteren Dame huschte in sein Blickfeld. „Das reicht! Wir brauchen ihn noch wenn wir die anderen finden wollen“, unterbrach Pavla, der sich nun ebenfalls dazu gesellte. „Wie sie meinen." Genervt wanderte ihre rechte Hand durch die glatten, grauen Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden über der rechten Schulter hingen.
Ansonsten wirkte die Dame mit den Falten im Gesicht eher kühl und kalt. Die braunen Augen hätten vermutlich Ethan schon längst ins Jenseits befördert. Ethan seuftzte. Musste er sich jetzt etwa bei Pavla für sein Leben bedanken? Langsam trat die alte Frau zurück, während sie ihre schwarze Uniform exentrisch zurechtrückte. Ein Seufzer folgte. Dann trat Pavla an ihre Seite. „Lady Crawford. Ihre Rache hat keinen Vorrang, obgleich ich ihrem Drang zu töten durchaus zugeneigt bin." „Hören sie auf zu schmeicheln Pavla. Ich hatte in meinem Leben genug Männer die glaubten damit weit kommen zu können!“, erklärte sie grimmig, während die rechte Hand nach einer Pistole griff. „Hinzu kommt, dass wir die Kelche verloren haben und nun diese Verräter vor uns das Ziel erreichen werden!“ Ohne zu zögern richtete Crawford den Lauf auf Ethan. Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. „Sie wollen doch nicht den Boss verärgern." Langsam drückte Pavlas knorrige Hand ihren Arm weg. „Das will sie garantiert nicht. Crawford stecken sie die Waffe weg!" Mit ernster Miene stand plötzlich David im Türrahmen. „Meinem Sohn wird kein Haar gekrümmt“, lächelte er hinterhältig und trat langsam an Ethan heran. „Du hast mir gerade noch gefehlt“, brummte er angesichts dieser Familienzusammenführung. „Lasst uns alleine“, befahl David mit einer solchen Alkoholfahne, das Ethan am liebsten gleich seinen Mageninhalt herauswürgen wollte. Zum Glück konnte er seinem Magen Einhalt gebieten. „Wie sie meinen“, antwortete Pavla unterwürfig, während er an Crawford vorbei ging. „Das ganze hat noch ein Nachspiel Junge!“ Mit einem mörderischen Blick verließ die alte Schachtel auch endlich den Raum. „Was willst du?“, fragte Ethan direkt. „Spiele dich hier bloß nicht so auf. Ich sage dir wenn du mein Sohn wärst, würde das ganze anders aussehen“, antwortete David, der sich gleichzeitig ein Stuhl nahm und vor ihn hinsetzte. „Ich bin ganz froh, nicht dein Sohn zu sein. Du bist es nicht wert Vater genannt zu werden." Wütend rückte sein Gegenüber näher an ihn heran, "Was glaubst du eigentlich mit wem du hier redest!" Mit voller Wucht donnerte die Faust in Ethans Leib und beförderte den Stuhl einige Zentimeter nach hinten. Schmerzverzerrt wanderte sein Blick Richtung Decke, während die Luft sich aus den Lungen presste.
„Ganz ruhig bleiben. Tief ein- und ausatmen“, versuchte Ethan sich zu beruhigen und den Schmerz zu ertragen. „Wo ist deine Mutter!" Diesmal griff David wüst nach dem Hemkragen und zog den Körper wieder nach vorne. „Ich werde dir nichts sagen“, hustete Ethan. Ein weiterer Schlag folgte. Wie eine Kanonenkugel traft die Hand die linke Wange und drückte den Kopf nach links. „Du bist wirst schon einknicken. Deine Freundin konnte wir nicht brechen. Aber du hast nie eine Ausbildung genossen“, lächelte David zufrieden, während ein kleiner Blutregen Ethans Hemd benetzte. Benommen versuchte er den Kopf wieder in die aufrechte Position zu bringen und gleichzeitig das Klingeln sowie das Dröhnen loszuwerden. War da etwa auch noch ein Zahn abgebrochen? Zumindest verhieß der metallene Geschmack im Mund nichts gutes. Gezielt spuckte er einen Schwall roter Flüssigkeit auf den Boden, ehe das Gesicht sich wieder David zuwandte. Auch wenn ihm das nicht gefiel.....aber sein Stiefvater hatte recht. Er würde niemals so lange wie Leila durchhalten, die vom Orden darauf trainiert wurde zu widerstehen. Welche Optionen blieben also? Sollte seine Kampfgefährtin wirklich entkommen sein, so konnten sie den Vorsprung sicherlich zum Vorteil verwenden, der selbst im Falle von Stunden immerhin noch ausreichend genug war um das Gewölbe zu finden, zu öffnen und das Wissen in Sicherheit zu bringen. „Warum machst du es dir so schwer? Du müsstest nicht leiden. Sag mir einfach wo die anderen sind, dann kannst du gehen“, erklärte David, als plötzlich Pavla den Raum betrat. „Wehe das ist nicht wichtig." Grummelnd schwang er zu dem Untergebenen herum. „Wir haben sie gefunden. Der Peilsender arbeit einwandfrei." „Gute Arbeit“, lobte David. „Sollen wir eingreifen?“, fragte Pavla. „Nein. Wir werden sie beim Gewölbe abfangen. Sie sollen sehen wie nach sie eigentlich dran waren." Grinsend fuhr die Hand über Ethans Wange hinweg. Dann stand er auf. „Bereitet alles vor. Wir brechen auf sobald alles verladen ist." Pavla nickte zustimmend und ging. „Dies wird der letzte Akt sein, bei dem deine Mutter für ihre Verbrechen bezahlen wird." Zufrieden verließ auch David den Raum und überließ Ethan der Stille. Er war allein......................................
War das ein anstrengender Tag gewesen. Zuerst das Date mit Ethan. Dann der entscheidende Hinweis auf den dritten Kelch. Seufzend drehte Anja am Duschhahn, ehe Sekunden später das warme Wasser ihre zarte Haut benetzte und die Kräfte zurückkehren lies. „Anja. Ich habe dir ein paar frische Handtücher hingelegt“, erklärte Nina. „Danke. Hast du schon was von Ethan und Michael gehört?" Fragend spähte sie am Duschvorhang vorbei in den Raum, wo seine Mutter wie angekündigt zwei farbige Handtücher auf die Ablage gelegt hatte. „Noch nicht. Aber es ist ja auch noch früh“, antwortete Nina. „Es wird bereits dunkel draußen." Grummelnd zog sich Anja wieder in die Kabine zurück , griff nach der Duschlotion und drückte sich einen kleinen Klecks davon auf die rechte Hand. „Sobald sich dein Onkel meldet, bist du die erste die es erfährt“, versprach Nina und verschwand. „Hoffentlich dauert das nicht mehr so lange." In Gedanken versunken rieb sie ihren sportlichen Körper von oben bis unten sanft mit der gutriechenden Mixtur ein, während ein wohliger Duft aus verschiedenen Blumen sich in der Dusche ausbreitete. Zielstrebig arbeiteten sich die Hände einen Weg die Oberweite hinauf, wo sie eine Weile verharrten. Stille. Wäre doch bloß jetzt Ethan hier bei ihr. Ein Hauch von Erregung huschte durch ihre Gedankwelt angesichts der Vorstellung, was seine Hände mit ihrem Körper alles anstellen würden. „Mädchen, du bist verrückt!“ Innerlich schüttelte Anja den Kopf. Warum dachte sie nur so etwas Unanständiges? Das konnte ja wohl kaum wahr sein! Es gab eine Mission, die viel wichtiger wahr! Aber der Kuss war einfach zum Dahinschmelzen. Die gefühlvolle Umarmung, die ihrem Körper und Geist einen Hauch von Sicherheit und Geborgenheit vermittelte. Was geschah nur , falls ihm Leid wieder fuhr? Seufzend lehnte sich Anja an die kalten Fliesenwand angesichts, der zwei Parteien, die in ihrem Verstand um die Vorherrschaft kämpfen. „Anja. Michael hat sich gemeldet. Er ist gleich hier“, unterbracht Nina das Gedankenchaos. Irritiert richtete sich der Körper wieder auf. Das war die beste Nachricht des Tages. Hoffentlich hatte Ethan seine Prüfung bestanden. „Alles klar!“, rief sie euphorisch herunter, ehe sie den Duschablauf beschleunigte.
Dreißig Minuten später stand Anja fix und fertig angezogen im Wohnzimmer. Sie hatte sich angesichts der fallenden Temperaturen für eine Jeans und einem dicken Wollpullover entschieden. Die schwarzen Haare hingen provisorisch glatt gekämmt hinten herunter. Ein paar Strähnen hingen über die Stirn. Wäre doch nur mehr Zeit für eine ordentliche Haarpflege gewesen. Allerdings hätte das locker mehr Zeit in Anspruch genommen, die einfach nicht da war.
So saß Anja also voller Spannung im Wohnzimmer und brütete über eine Tasse heißen Früchtetee Marke Himbeer, als Michael wie angekündigt in der Tür stand. „Micha!“ Freudig hüpfte sie vom Stuhl herunter und fiel ihrem Onkel in die Arme. „Endlich. Das hat ja ganz schön lange gedauert“, schimpfte sie. „Wo hast du denn meinen Sohn gelassen?“, fragte Nina. „Ethan?" Vorsichtig spähte Anja an Michael vorbei in den Flur. Nichts! „Was ist passiert?" Langsam trat sie zwei Schritte zurück. Die erwartete freudige Rückkehr ihres neuen Freundes löste sich in Wohlgefallen auf. „Rede endlich." Wütend und zugleich besorgt stapfte Nina auf ihren Ordensbruder zu, der sichtlich mit einer Antwort zu kämpfen hatte angesichts des heftigten Beschusses an Fragen. „Pavla hat ihn“, antwortete Michael schließlich. „Wie bitte?“ Erschrocken taumelte Anja rückwärts auf einen Stuhl zu. „Ich konnte nichts machen. Ethan hatte das Geheimnis gelöst. Wir standen schon in der geheimen Kammer. Doch es waren einfach zu viele“, versuchte er sich an einer Antwort. „Haben sie ihn etwa getötet?“, fragte Nina vorsichtig. „Nein. Er lebt noch. Vermutlich brauchen sie ihn noch“, antwortete er. „Pavla hat dich einfach gehen lassen?“ Wieder gefangen nach dem ersten Schock richtete Anja das Wort an ihren Onkel. Tief in Inneren wusste sie, das hier etwas nicht stimmte. Selbst wenn Pavla widererwarten gegen das Bild, was sich durch Ninas Erzählungen gebildet hatte, handeln würde, so war eines sicher. Die Kirche würde es nicht.
In der Geschichte des Ordens wurde immer auf die Brutälität der Kirche hingewiesen. Das ganze nach dem Motto: Erst schießen, dann Fragen stellen. Das berüchtigte Grummeln machte sich wieder in Anja breit. Vielleicht hatten sie auch einfach nur ihre Taktik geändert, um mehr Informationen zu bekommen. Viel wichtiger war in diesem Moment, das Ethan noch lebte und Michael entkommen konnte. „Das ist eine schwierige Geschichte“, seufzte Michael. „Was ist daran schwer? Pavla würde mit Freuden alle von uns töten. Wie bist du entkommen“, bohrte Nina energisch nach. „Es war einfach Glück. In dem Chaos konnte ich einfach die Flucht ergreifen." Müde setzte sich Michael an den Tisch. „Dann sollten wir los und Ethan retten. Wer weiß, was die alles mit ihm anstellen“, schlug Anja vor. „Bist du wahnsinnig? Wir sind drei und die sind an die zwanzig Leute“, widersprach Michael. „Ich werde meinen Sohn nicht dieser Geissel überlassen." Zügig marschierte Nina in die Küche zurück. „Das ist Wahnsinn. Wenn sie haben was sie wollen, lassen sie ihn gehen." „Woher willst du das wissen?“, fragte Anja. „Pavla ist mehr an uns interessiert. Ethan hat für sie doch keinen Wert." Nervös fuhr Michael durch seine kurzen schwarzen Haare, während Anja irritiert zu ihm herüberblickte.
Eindeutig! Da biß sich die Schlange in den eigenen Schwanz. Irgend etwas verheimlichte ihr Onkel doch! So nervös gab er sich doch sonst nicht. Wurde er etwa von Pavla erpresst? Oder steckte doch etwas ganz anderes dahinter? Vielleicht gelang es ihr aber auch das Geheimnis zu lüften. „Was schlägst du stattdessen vor?“, fragte sie. „Geben wir ihnen was sie wollen. Dann lassen sie Ethan sicherlich gehen“, antwortete Michael. „Bist du wahnsinnig? Wenn sie das Gewölbe vor uns erreichen ist unsere ganze Aufgabe dahin“, rief Nina aus der Küche herüber, ehe sie kurz darauf wieder zurückkehrte. „Was hat uns das schon alles eingebracht? Wir jagen einem Gespenst aus der Geschichte nach." Wütend drehte Michael sich herum. „Ich werde meinen Sohn retten und das Gewölbe finden. Damit das klar ist!“, sprach Nina völlig außer sich. „Das wirst du nicht." Erschrocken wich Anja zurück, als die Hände ihres Onkel plötzlich eine Pistole aus der Jackentasche hervorholten. „Was tust du da?" Jetzt trat auch Nina einige Schritte nach hinten, während Anja nicht glauben konnte was da gerade passierte. Ihr ach so lieber Onkel richtete eine Waffe auf Ethans Mutter. „Anja. Pack deine Sachen wir gehen“, befahl Michael. Wie erstarrt verharrte der Körper auf der Stelle angesichts dieser dramatischen Entwicklung. „Na mach schon!“, wiederholte er mit diesmal deutlicher lauterer Stimmlage. „Du hast meinen Sohn zurückgelassen. Wie konntest du das nur tun?" „Ich tue das für Anja und mich. Es wartet bereits ein Flugzeug auf uns“, antwortete Michael trocken. „Du hast Ethan für ein besseres Leben geopfert. Du bist ein Schwein." Nervös spannte sich der Finger um den Abzug, während Anja immer noch völlig regungslos da stand. Was hatte Michael bloß getan? Er war doch immer so ein fürsorglicher Vater für sie gewesen und ihr alles ermöglicht. Und jetzt das? Konnte sich ein Mensch in so kurzer Zeit verändern? Eine Abrisskugel zerstörte das mentale Gebäude, in dem sich ihre Erinnerungen befanden. Völlig fertig sank Anja auf den nächsten Stuhl nieder. „Ich habe meine Schwester durch diesen Orden verloren. Das gleiche passierte Alan. Weißt du, was das für ein Gefühl war, als meine Nichte vor meiner Tür auftauchte? Verängstigt und Schüchtern nur mit einem kleinen Koffer in der Hand?“, rechtfertigte sich Michael. „Du bist so feige und verkriechst die hinter einem unschuldigen Mädchen?." Ohne zu zögern setzte Nina einen Schritt nach vorne. Plötzlich ein Schuss! Panisch blickte Anja zu ihr herüber. Wurde sie etwa getroffen? „Das war nur ein Warnung. Bleib wo du bist“, erklärte Michael nervös. „Das ist doch wahnsinnig. Du hast uns alle verraten." Traurig wischte Anja die ersten Tränen ihrem aus dem Gesicht. Doch es war zu spät. Der Damm brach. Ein ganzes Tränenmeer bahnte sich den Weg die Wangen hinunter. „Du bist eine Schande für uns alle“, schimpfte Nina, als plötzlich lautstark die Haustür aufschwang. Erschrocken drehte sich Michael um. Das war die Chance!
Mutig wischte Anja die Tränen aus ihrem Gesicht und sprang vom Stuhl auf. „Was zum Teufel....." Unter lautem Kampfschrei ging das Gefluche ihres Gegenübers unter, ehe von rechts Nina ins Bild stürmte und Michael gewaltsam zu Boden stürzte. „Du Drecksschwein!“ Ein heftiges Handgemenge folgte, bei der schließlich die Waffe unter den Tisch rutschte. „Ich mach dich kalt“, schrie Michael panisch auf. „Wo ist mein Sohn. Sag es mir du Hund!“, schrie Nina lautstark auf, die mehr und mehr die Kontrolle über sich verlor. Immer schneller und härter schlug sie auf ihren Gegner ein, der nur mit Mühe noch gegen dieses Trommelfeuer angehen konnte. „ Jetzt zeigst du endlich dein wahres Gesicht." Mit einem gewaltigen Satz schaffte es Michael schließlich Nina auf den Rücken zu zwingen. Grinsend saß er breitbeinig auf ihrem Bauch, während die Hand sich zur Faust ballte. Verdammt! Sie musste doch was tun, bevor noch jemand zu Schaden kam. Panisch blickte Anja umher bis sie Waffe unter dem Stuhl erspähte. Blitzschnell rissen die Arme das Möbelstück auf Seite, gefolgt von einem schnellen Handgriff. „ Schluss jetzt!" Michael hielt inne und blickte in den Pistolenlauf. „Liebes. Nimm die Waffe herunter." Langsam stieg er von Nina herunter. „Das werde ich nicht tun“, widersetzte sich Anja. „Ist es das was du willst? Möchtest du dein Leben für einen Jungen wegwerfen, den du gerade mal knapp zwei Wochen kennst?“, fragte Michael. „Ich habe mich dafür entschieden. Du magst von der Kirche gebrochen worden sein. Mir wird das nicht passieren." Seufzend wischte er sich das Blut aus dem Gesicht. „Ich habe das alles für dich getan. Damit du ein normales Leben führen kannst." Wild mit den Händen fuchtelnd baute sich Michael vor ihr auf. Langsam legte sie den Finger um den Abzug.
Das war nicht mehr ihr Onkel, der sie groß zog. Da stand ein ganz anderer Mensch im Raum, den die Kirche für sich eingenommen hatte. Was war bloß mit ihm passiert, dass eine so liebe Personen solche Änderungen in der Persönlichkeit durchmachte? „Du musst dich entscheiden. Entweder Ethan oder ich Liebes." Vorsichtig trat Michael einen Schritt näher an Anja heran. „Bleib wo du bist“, forderte sie mit zittriger Stimme angesichts der schwere Entscheidung, die sie nun treffen musste. Das Leben eines geliebten Menschen hing nun in ihrer Hand. Schwer kämpfte Anja mit sich selbst. Warum musste ausgerechnet ihr Onkel das Zündlein ander Waage sein. In der einen Schale ruhte die Chance auf ein ruhiges und normales Leben, das sie nie kannte. Auf der anderen Seite befand sich die Mission und Ethan. Nie hätte Anja zu träumen gewagt einen jungen Mann wie ihn kennenzulernen. Anfangs wirkte er noch sehr schüchtern. Sie fühlte sich wie die große Schwester, die einen kleinen Bruder an ihrer Seite aufwies. Doch aus Diesem wurde immer mehr und mehr ein offener und selbstsicherer Mann, der lernte sich auf das Leben einzulassen und was noch viel wichtiger war, auf sie! Wie ein Blitzschlag kehrte die Erinnerung vom Wald wieder in das Gedächtnis zurück, wo Ethan sie zum ersten Mal küsste. Ein Moment, bei dem ihr Magen wie eine Brausetablette aufschäumte. Anja seufzte. Die berühmten Schmetterlinge im Bauch.
Doch auf der andere Seite der Pistole stand doch ihr Onkel. Den konnte sie doch nicht so einfach so erschießen? „Mir reicht es jetzt." Fluchend ging Michael auf sie zu und streckte die Hand nach der Waffe aus, als sich plötzlich ein Schuss löste. Stille! Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu Anja herüber, die überfordert die Waffe fallen ließ. „Micha“, schrie sie panisch auf, während seine Hände die linke Brustseite krampfhaft festhielten. „Was habe ich getan!" Schnell trat Anja an ihn heran und griff ihm stützend unter die Arme. Langsam glitten beide zu Boden, bis Michaels Kopf auf ihrem Schoss zum liegen kam. „Jetzt ruft doch einen Krankenwagen!“, rief sie weinend zu Nina herüber, die noch immer konsterniert das Drama beobachtet hatte. „ Nina, Anja!" Das Chaos war komplett. Jetzt stand auf noch Leila blutüberströmt mit dem Handy in der Hand, im Türrahmen. „Jetzt mach doch endlich“, wiederholte sich Anja ohne überhaupt Notiz von ihrer Freundin zu nehmen. Zu groß saß der Schmerz in diesem Moment. Mit Tränen in den Augen, hielt sie sanft seine rechte Hand fest, während die Stelle um die Wunde herum sich dunkelrot färbte. „Ist das wirklich passiert?" Fragend blickte Michael zu seiner Nichte herüber. „Beruhige dich. Du schaffst das schon. Ist nur ein harmloser Kratzer“, lächelte sie. „Fühlt sich nicht wie ein solcher an“, röchelte er. „Ich hab den Notarzt gerufen. Die sind unterwegs." Schnell kniete Leila auf der andere Seite nieder und hob die blutverschmierte Hand leicht an. Dann hob sie den Körper leicht hoch und blickte seitlich auf den Rücken. „Die Kugel steckt noch fest. Wenn wir sie nicht entfernen, stirbt er uns weg, ehe die hier eintreffen“, erklärte sie schnell und präzise. „Du kannst doch hier nicht an Ort und Stelle die Kugel entfernen?“, warf Anja erschrocken dazwischen. „Vertraue mir. Ich hab auch Ethan damals geholfen. Das hier ist nicht anders“, sprach Leila ruhig. „Nina. Ich brauche Wasser, Lappen, eine Schere und eine Zange oder Pinzette. Anja du hilfst mir ihn auf den Tisch zu tragen." Die beiden Frauen verstanden. Nina verschwand schnell in der Küche, während Anja ihrer Freundin dabei half den schweren Körper Michaels auf den Tisch zu hieven. Kurz darauf kehrte Ethans Mutter mit besagten Untensilien unter dem Arm zurück. Schnell griff Leila nach der Schere und schnitt das Hemd zügig auf. Dann nahm sie einen feuchten Lappen und wusch die Wunde damit frei. „Michael. Das wird jetzt sehr wehtun. Ich muss die Kugel herausholen“, erklärte Leila. Keine Reaktion! Einzig und allein die Hand hielt immer noch fest umschlossen die von Anja.
Hoffentlich taten sie hier das Richtige. Sie konnte gar nicht hinschauen, als Leila nach der schmalen Pinzette griff und sich langsam der Wunde näherte. Sie schloss die Augen. Ein markerschütternder Schrei ertönte, gefolgt von unkontrollierten Bewegungen. „Nina. Halt ihn still“, bat Leila mit ruhiger Stimme. Sekunden vergingen ebenso wie die Schreie Michaels. Sanft löste sich der Griff. „Geschafft!" Vorsichtig öffnete Anja die Augen. Sie hatte schon damals bei Ethans Operation nicht hinsehen können, da ihr sein Leid und der Anblick einfach schwer zu setzten. Hier war das nicht anders. Während Leila die Kugel triumphierend bei Seite legte, musste ihre Onkel wohl angesichts heftigter Schmerzen das Bewusstsein verloren haben. „Du bist echt die Größte." Lobend legte Nina die Hand auf ihre wundervolle Ärztin. Zum zweiten Mal in knapp zwei Wochen hatte Leila Menschen dem Tod entrissen. Anja erinnerte sich daran, wie sie ihre Freundin vor fünf Jahren zum ersten Mal bei einem Praktikum im Krankenhaus traf. Damals war sie mit schweren Blessuren eingewiesen worden. Leila kümmerte sich rührend um sie und war äußerst geschickt im Umgang mit Patienten und deren Behandlung. Ein Vorteil, der sich jetzt als nützlich heraus stellte.
Vorsichtig führte Leila ihren Finger an den Hals, um den Puls zu fühlen. „Alles gut. Ich denke er wird es schaffen“, atmete sie erleichtert auf. „Ich weiß nicht wie ich dir danken soll“, schluchzte Anja, die schnell um den Tisch herumlief und ihre Freundin in den Arm nahm. „Ich bin froh, dass du wieder da bist“, flüsterte sie leise. „Das ich hier bin habe ich Ethan zu verdanken. Er hat mir das Leben gerettet“, erklärte Leila. „Wir dachten schon du wärst tot“, seufzte Nina. „Pavla hielt mich gefangen. Ihm gefiel es wohl, mich ordentlich zu verprügeln." „Was ist mit Ethan?“, fragte Anja. „Das ist eine lange Geschichte. Sie brachten ihn zu mir nachdem Michael ihn verriet. Wir brachen aus. Doch Ethan wurde geschnappt. Ich konnte leider nichts mehr tun“, seufzte Leila. „Es ist nicht deine Schuld“, lächelte Nina. „Ich habe den ganzen Weg hierher überlegt, wie wir ihn retten können. Zum Glück war diese App auf seinem Handy installiert. So konnte ich euch schnell finden." Vorsichtig zog Leila den Rucksack unter dem Tisch hervor, den sie vor der Notoperation dort hingelegt hatte. „Ethan hat die letzten Koordinaten gefunden und ein Foto davon gemacht." Mit einer Handbewegung fielen die beiden Kelche und zwei Handys heraus auf den Rest des Tisches, den Michael nicht blockierte. „Ich weiß wo sie ihn gefangen halten. Wenn wir uns beeilen, können wir sie noch abfangen bevor Pavla zum Gewölbe aufbricht." Nina nickte zustimmend, während Anja besorgt zu Michael hinüberblickte. „Ich hoffe, das er mir das verzeihen kann“, seufzte sie. „Er wird wieder gesund. Aber eigentlich ist es eher Michael, der um Verzeihung bitten sollte.“ Vielleicht hatte Leila recht. Doch es stand auf einem ganz anderen Blatt ob sie die letzten Minuten je vergessen oder geschweige denn verarbeiten konnte. Zumindest würde es niemals so werden, wie es einmal war. In Gedanken ging sie noch einmal die letzten Jahre ihres Lebens durch, während die lauten Sirenen des Krankenwagens an ihre Ohren hallten. Zielstrebig wandte Anja sich um. Hoffentlich würden sie eine passende Erklärung parat haben.....................
Eine Stunde dauerte das ganze Szenario vom Eintreffen des Arztes bis zum Abtransport durch Diesen, während Leila und Nina den Polizisten eine abenteuerliche Geschichte von Suizidgedanken und Depressionen auftischten. Ein Seufzer huschte über Anjas Lippen. Zumindest hatten die zwei Beamten keinerlei Zweifel an den Erzählungen der Beiden, so das die Lüge gewahrt und so das wichtigste Ziel in keinster Weise gefährdet wurde. Laut knarrend viel die Tür ins Schloss. „Ich fühl mich irgendwie unwohl dabei Michael alleine zu lassen." Fest umklammert hielt Anja die Tasse in der Hand, dessen Inhalt schon lange keine Wärme mehr ausstrahlte. „Er ist bei den Ärzten in guten Händen und in Sicherheit“, lächelte Leila zuversichtlich. „Mehr können wir im Moment einfach nicht tun. Ethan braucht unsere Hilfe." In Gedanken versunken nippten die Lippen an ihrem Tee, während Nina weiter ihre Ausführungen präsentierte. Hoffentlich drohte das ganze nicht aus dem Ruder zu laufen. Sebastian hatten sie schon verloren. Beinahe auch noch Michael und jetzt noch Ethan? Nicht das am Ende noch das ganz persönliche Armaggeddon auf sie wartete.
Langsam trottete Anja in die Küche zurück um neues Wasser aufzusetzen. „Fühlst du dich denn einer Rettungsaktion gewachsen? Du siehst ganz schön mitgenommen aus“, fragte Nina besorgt. „Es ist alles in Ordnung. Nur ein paar kleinere Blessuren“, versicherte Leila. „Anja?“ Erschrocken ließ sie beinahe den Wasserbehälter fallen. „Tut mir leid“, entschuldigte sich Nina. „Macht nichts. Ist nur Wasser." Langsam griff Anja wieder nach dem Plastikbehälter und füllte diesen nach. „Ich weiß du machst eine schwere Zeit durch. Aber ich gerade jetzt brauche ich." Ein Seufzer fuhr über ihre Lippen, während sie den Wasserkocher befüllte. „Ihr könnt auf mich zählen. Ich lasse Ethan nicht im Stich“, versicherte Anja und drückte den Startknopf. „Das ist gut. Leila bereitet schon mal alles vor." Mit einem Lächeln auf dem Gesicht verschwand Nina wieder ins Wohnzimmer und ließ sie alleine zurück. Alleine mit einer Gedankenwelt, in der nach und nach alle Stützpfeiler wegbrachen. Der Verrat von Michael hatte sich einfach zu tief in Anjas Verstand eingenistet. Die klare Linie von einst verwischte. Wer war denn noch Freund oder Feind? Langsam griffen die Hände nach der Teepackung. Himbeer – Erdbeergeschmack. Ihre Lieblingsteesorte. Zu Kinderzeiten setzte Michael immer eine frische Kanne auf, wenn sie vom Ordenstraining nach Hause kam. Dazu noch eine schöne Geschichte und der Abend konnte in Ruhe zu Ende gehen. Erneut huschte ein Seufzer über Anjas Lippen. Diese Zeit würde niemals wieder kommen. „Du wirkst so abwesend." Irritiert wandte sie sich um und blickte in Leilas besorgte Miene. „Ihr habt es heute aber mich aus den Gedanken zu reißen“, grinste Anja, gefolgt von einem Piepton des Kochers. Mit einem gekonnten Griff nahm sie die Kanne hoch und schüttete das heiße Wasser in die Tasse. „Ich mache mir Vorwürfe Ethan nicht gerettet zu haben“, seufzte Leila. „Du kannst doch gar nichts dafür“, versuchte Anja etwas von der schweren Last ihrer Freundin abzutragen. „Er hat sich wirklich gemacht. Anfangs hielt ich ihn ja für untauglich." Zügig leerte Leila den Wandschrank und beförderte die kleinen Wasserflaschen in einen zweiten Rucksack. „Ich verstehe nicht, wie es soweit kommen konnte. Ein paar Stunden vorher noch haben wir uns geküsst. Jetzt sowas." Verdutzt hielt Leila inne. „Ihr habt was....?" „Ach das weißt du ja gar nicht. Nina hat uns erfolgreich verkuppelt“, lächelte Anja. „Das freut mich für dich. Ich weiß wie schwer es für dich in der Vergangenheit mit den Kerlen war." „Irgendwas ist bei Ethan anders. Ich kann das nicht so in Worte fassen." Nachdenklich tunkte Anja den Teebeutel in das Wasser und wartete. „So ist die Liebe“, grinste Leila. „Du bist doof“, brummte sie zurück. „Du wirst ihn schon bald wieder haben. Wir sind so nahe am Gewölbe wie schon lange nicht mehr. Die Aufgabe wird erfüllt sein. Die Last von unseren Schultern genommen. Das normale Leben erwartet uns."
Zuversichtlich huschte Leila einen Raum weiter. Wenn dem doch nur so wäre! Immer wieder drückte Anja den Teebeutel in die Tasse. Ein utopischer Gedanke und gleichzeitig auch eine Saat der Hoffnung die ihre beste Freundin da pflanzte. Würde die Kirche sich einfach so geschlagen geben, falls sie das Gewölbe zuerst fanden? Was passierte mit dem ganzen Wissen darin? Ihre Mutter lehrte Anja schon früh, das Gott nicht nur ein geschriebenes Wort in einem Buch sei, sondern etwas, was die Menschen erst noch finden müssten. Das ganze sei mit einer Reise verknüft an dessem Ende die Erleuchtung wartete. War damit das Leben gemeint? Die Frage nach dem Sinn des Lebens glich seit je her einer unlösbaren Aufgabe. Oder einer Gleichung, wie Ethan sicherlich sagen würde. Schmunzelnd hob Anja den Teebeutel heraus und beförderte ihn in den Mülleimer. Dann folgten die obligatorischen 2 Würfelzucker. Umgerührt das Ganze und fertig! Wohlig umspielte der süssliche Duft die Nase, während sie vorsichtig einen Schluck zu sich nahm. Das beruhigte echt die Nerven! Ein weiterer Schluck folgte. Schließlich ging Anja mit der Tasse die Treppe hinauf und betrat ihr Zimmer. „Soll ich dir helfen?" Fragend stand Nina plötzlich in der Tür. „Sehr gerne. Ich werde aber nicht viel mitnehmen“, sprach Anja ruhig. „Leichtes Gepäck wie“, grinste ihr Gegenüber. „Wir sind ja Hals über Kopf aufgebrochen. Bin schon froh das die Schränke mit Ersatzkleidung gefüllt sind." „Frank hat schon immer im Voraus geplant“, erklärte Nina. Mit schnellen Griffen durchkämpte Anja den Schrank und legte dabei die wichtigen Teile auf Seite. „Das ist total nicht mein Klamottentyp." Mit schiefer Miene hielt sie ein Blumenkleid vor ihren Körper und posierte dabei wie ein Model. „Steht dir“, grinste Nina frech.
Nach knapp zehn Minuten war Anja fertig. Sie entschied sich für eine wärmere Variante angesichts der knappen Temperaturen draußen. Geschweige den derer, die noch in den Alpen auf sie warten würden. Jeans, T-Shirt, Pulli und warme Stiefel. Das musste einfach reichen. Zielstrebig streifte Anja sich die warme Lederjacke über, gefolgt von einer Haarbändigungseinlage. Nach wenigen Handgriffen hingen die Haare zu einem Zopf zusammen gebunden über die rechte Schulter. „Auf geht’s!" Mit einem Rucksack in der Hand und dem anderen auf den Rücken ging Leila voran ins Freie, wo bereits Michaels Auto parkte. „Wer von uns fährt?" Fragend blickten die drei Frauen einander an, ehe Nina den Schlüssel ergriff und mit einem kurzen Signal die Heckklappe öffnete, damit Leila die Fracht verstauen konnte. Gleichzeitig stieg Anja auf der Beifahrerseite ein und wartete geduldig bis alle an Bord waren. „ Ethan wir kommen!." Mit einem schnell Griff drehte Nina den Schlüssel herum. Das Auto sprang an und fuhr in die kalte dunkle Nacht hinaus.
Eine Stunde später erreichten sie angegebene Adresse. Allerdings bevorzugte es Nina den Lexus nicht direkt vor der Nase ihrer Feinde zu parken. Stattdessen hielt sie ungefähr dreihundert Meter entfernt auf einem Feldweg, damit sie unentdeckt blieben. Zumindest war so der Plan! Mit leisen Schritten arbeitete Leila sich einen Weg durch das Unterholz. Hinter ihr lief Anja. Nina bildete das Schlusslicht. „Kein Wunder das sich niemand für den Laden interessiert. Der ist ja wirklich abseits jeglicher Zivilisation“, flüsterte Anja nach vorne. „Hier kann wirklich gut seinen kriminellen Machenschaften nachgehen ohne das einer was merkt“, bestätigte Leila, die plötzlich anhielt und nach vorne deutete. Vor ihren Augen erstreckte sich eine gewaltige Mauerwand, die gut und gerne drei bis vier Meter hoch war und in der Länge sicherlich den ganzen Komplex umschloss. „Gib mir mal das Seil und den Haken." Anja nickte, nahm den Rucksack herunter und öffnete ihn. Mit schnellen Handgriffen warf sie ihrer Mitstreiterin die angesagten Utensilien zu, die sogleich Beides miteinander kombinierte. „Hoffentlich geht das gut." Mit einigen gekonnten Schwüngen warf Leila den Haken die Mauer hoch und wartete. Dann zog sie einmal kräftigt. „ Alles klar. Ich geh voran." Schnellen Schrittes arbeitete sich der sportliche Körper die Mauer herauf. Vorsichtig trat Anja an das Seil heran. Endlich würde sich das Training der letzten Jahre bezahlt machen. Zielstrebig umklammerten die Hände das Kletterwerkzeug. Dann noch ein mal schnell Luft geholt und los ging es. Gekonnt arbeitete sie sich den Weg hinauf. Oben angekommen eröffnete sich das gesamte Gelände. Auf dem ersten Blick schien nirgends Licht zu brennen. Hoffentlich war nicht alles zu spät. Elegant sprang Leila auf der anderen Seite in die Tiefe. Ein kurzer Blick in beide Richtungen folgte. Schließlich gab sie das Signal und Anja sprang hinterher. „Ich habe gar keine Wachen gesehen“, flüsterte sie. „Das wundert mich auch. Vielleicht sind die alle im Gebäude“, antwortete Leila, während Nina neben Ihnen zur Landung ansetzte. Zügig setzte sich die Gruppe in Bewegung, während auch dieses Mal Leila die Führung übernahm. Geschickt schlich sich ihr Körper an der Fassade eines der kleinere Gebäude entlang zielstrebig auf das dahinter liegende Objekt zu. Auch hier standen keinerlei Wachen vor der Tür.
Was zum Teufel ging hier nur vor? Waren die alle etwa ausgeflogen? Vielleicht liefen sie auch geradewegs in eine Falle? Leise öffnete ihre Freundin die Tür und schlich hinein. Anja folgte ihr mit Nina im Schlepptau. „Das ist sehr seltsam“, flüsterte Leila, während sie weiter den grauen, schlechtbeleuchteten Flur entgang liefen. Ein mulmiges Gefühl schlich sich in Anjas Kopf. Der Gedanke das hier etwas ganz und gar nicht stimmte, verdichtete sich immer mehr, bis zum einem störenden Klumpen, der einfach nicht aus dem Schädel wollte. Doch noch war es zu früh die Hoffnung ganz aufzugeben. „Hier ist es." Mit einer Handbewegung deutete Leila auf den Raum, wo Ethan Stunden zuvor einen Menschen getötete hatte. Erschrocken hielt Anja inne. Ein dunkler See raus geronnenem Blut zierte den Boden. Die Flecken an der Wand ließen nur erahnen, welche Grausamkeit ihrem Freund hier widerfahren sein musste. „Der Verhörraum ist etwas weiter." Mit schnellen Schritten lenkte Leila die Gruppe weiter den Flur entlang, bis sie vor einer weiteren offenen Tür halt machte. „Die sind echt alle ausgeflogen“, grummelte Nina. „Es ist schön das ihr euch zu uns gesellt." „Was geht hier vor?" Suchend blickte Anja umher, ehe sie in der linken oberen Raumecke eine Kamera mit dazu gehörigem Lautsprecher erspähte. „Ihr hab euch wirklich viel Zeit gelassen. Ich dachte schon, du wolltest Ethan im Stich lassen“, tönte Davids Stimme aus dem kleinen schwarzen Kasten. „Du dreckiges Schwein. Wo ist mein Sohn“, fragte Nina ausfallend „Keine Sorge. Der ist bei mir in guten Händen. Du musst echt lernen dich im Zaum zu halten“, antwortete David. „Was willst du von ihm? Wir haben die Kelche." „Die Artefakte würden unsere Arbeit sicherlich einfacher machen. Aber wenn dein Sohn uns erst einmal zum Gewölbe geführt hat, gibt es nichts was eine Ladung Sprengstoff nicht lösen könnte." Wütend trat Nina gegen die Pritsche. „Wehe du krümmst ihm ein Haar." „Ist das etwa Anja von der ich schon so viel gehört habe? Ethan spricht nur gut über dich." Dieser hinterhältige schleimige Bastard! Zielstrebig lief Anja auf die Kamera zu. „Deine Zeit wird kommen. Jeder kriegt seine Quittung." „Gut das du es ansprichst. Während wir hier reden müssten euch noch geschätzte zwanzig Sekunden bleiben, ehe das gesamte Gebäude in einem Feuerball aufgeht. Grüßt euren sogenannten Gott von mir." Davids Stimme verstummte, gefolgt von einem panischen Blickwechsel. Im Eiltempo rannten die drei los. Verdammt hoffentlich würde die Zeit noch ausreichen, um der Explosion zu entgehen. Zehn Sekunden! Stürmisch eilte Anja hinter Leila her auf den Vorplatz. Fünf Sekunden! Verdammt. Zum rettenden Tor waren es noch gut 30 Meter. Mit riesigen Schritten überholte Ninas Körper den ihren. Zwei Sekunden! Reflexartig hechtete Anja hinter eine kleine Mauer, als plötzlich ein gewaltiger Knall ihr die Sinne raubte. Ein geißender Feuerball riss das alte Fabrikgebäude mühelos auseinander, gepaart mit einer Druckwelle, die Anja über die Mauer beförderte. Laut krachend schlug sie erst auf dem harten Boden auf. Einige Drehungen später landete der Körper im dahinterliegenden Gras. Benommen schützten die Hände die Ohren, während sich am Himmel das Feuer weiter ausbreitete. Es folgte ein gewaltiger Trümmerregen, der überall auf dem Gelände niederging. Unter entsetzlichen Schmerzen drehte Anja sich auf den Rücken und blickte kurz auf. Nur im Haaresbreite einer Katastrophe entronnen! Müde sank der Kopf wieder ins Grüne. „Anja. Geht es dir gut?" Leilas besorgter Gesichtsausdruck rückte in das Blickfeld. Doch das war im Moment egal. Ihr tat einfach alles weh. Von Kopf bis Fuss. Nichts blieb verschont. Erschöpft half ihre Freundin dabei den Oberkörper aufzurichten. Zum Glück hatte die Jacke die meisten Wunden abgefangen. Ein paar blutige Schrammen zierten die Oberarme. Die Jeans war an zwei Stellen gerissen und gab die ramponierten Unterschenkel und Kniee frei. „Ganz ruhig. Du hast eine Platzwunde am Kopf“, erklärte Leila. Eine weitere Wunde? Hatte Anja gar nicht gemerkt bei dem Chaos. Irritiert fuhr sie mit der Hand die Stirn entlang und tatsächlich! Eine kleine Menge Blut benetzte die Finger. „Wie geht es Nina?" Ein kurzer Blick nach rechts offenbarte die gesuchte Person. Humpelnd trat sie an die anderen Beiden heran. Die rechte Hand hielt dabei den linken Arm, der deutlich einiges mehr abgekommen hatte. „Das sieht nicht gut aus." Prüfend wandte sich Leila ihr zu. Ein Metallsplitter ragte aus dem Unterarm heraus. „Das geht schon irgendwie“, brummte Nina. „Spiel nicht die Heldin“, feixte Leila angesichts der schweren Wunde. „Zum Glück leben wir überhaupt noch." Seufzend stand Anja auf und blickte zum brennenden Gebäude herüber. Zumindest noch das, was davon übrig war. „ Was machen wir jetzt?." „Es gibt nur eine Möglichkeit. Wir müssen das Gewölbe erreichen“, erklärte Nina. „Wie sollen wir drei lädierten Weiber es mit einer ganzen Armee aufnehmen?" Besorgt blickte Leila in die Runde. „Wir sind nicht alleine. Es wird Zeit, dass die anderen uns helfen. Gemeinsam können wir, die Rosenritter uns Pavla stellen und die Aufgabe erfüllen." Was für eine Ansprache! Aber Nina hatte recht. Eine Vereinigung sämtlicher Ordenskrieger aus Europa und Asien gab es seit Urzeiten nicht mehr. Die Zeit war reif der Kirche offen gegenüber zu treten, das Gewölbe zu finden, sowie das Wissen mit allen Menschen auf der Welt zu teilen. Die Chancen standen dabei nicht schlecht. Denn das neueste Mitglied des Ordens und so gleich ihr Freund befand sich unter ihren Feinden. „Ethan. Halte durch. Wir kommen. Du bist nicht allein." Mit ernster Miene schaute Anja in den Himmel hinauf...........................
Hier ist wieder Radio Europe mit den neuesten Nachrichten. Es ist neun Uhr. Gestern Nacht hat sich auf einem Fabrikgelände außerhalb von Paris eine Explosion ereignet. Laut Aussagen der Feuerwehr kam jede Hilfe für das alte Bauwerk zu spät. Erst gegen morgen hatte man das Feuer im Griff. Laut Polizei ist die Ursache des Knalls, der noch bis an die Grenzen der Stadt zu hören war unklar. Ein Terroranschlag wird jedoch ausgeschlossen. Zum Glück kamen keine Personen zu Schaden. Wir halten sie über alle weiteren Entwicklungen in diesem Fall auf dem Laufenden. Nun zum Sport.........
Gelangweilt drehte der Beifahrer das Radio ab, während der Wagen über eine holprige Bergstrasse hinweg fuhr. „Den haben wir es aber ordentlich gezeigt was?." „Schade eigentlich das es keine Opfer gab“, brummte der Fahrer. Schade? Erleichtert sank Ethan in den Rücksitz zurück. Zum Glück war seiner Mutter und den anderen nichts passiert. Somit bestand noch Hoffnung das die drei vor Ihnen die Koordinaten erreichten. „Jetzt fahren wir schon seit Stunden durch die Berge. Es ist kalt und mir knurrt der Magen“, beschwerte sich der Fahrer. „Vielleicht finden wir hier oben ja ein Fünf – Sterne – Restaurant für dich." Scherzend kassierte er einen Schulterklopfer von seinem Nebenmann, als plötzlich ein gewaltiger Ruck durch den Wagen fuhr. „Was ist denn jetzt?" Genervt trat der Fahrer auf die Bremse. Dann schnallte er sich ab und verließ das Gefährt.
Draußen traf er schließlich zwei weitere Leute aus dem Konvoi. Wundersam wie David und Pavla überhaupt soviele Männer auftreiben konnten, die auch noch bis an die Zähne bewaffnet, einen kleinen Krieg anzetteln konnten. Ingesamt bestand die Kolonne aus mehr als zehn Fahrzeugen, die schon seit knapp sieben Stunden Richtung Alpen unterwegs waren. In dem Schneckentempo würden sie nie als erste den Treffpunkt erreichen. Die niedrigen Temperaturen, sowie der Schnellfall, der zu dieser Jahreszeit einfach normal war, sorgten immer wieder für kleinere Zwischenstopps. Stapfend trat der Fahrer zurück ans Auto. „Jack. Wir machen hier Rast. Die Schneeketten müssen aufgezogen werden." Jack nickte zustimmend und blickte kurz nach hinten. „Zeit für das Frühstück Kleiner“, grinste er beim Ausstieg. Ethan grunzte. Auch wenn er eine Geisel war, so hatte David dafür gesorgt, dass sein Hunger und Durst gestillt wurden. „Na raus mit dir." Frierend stand Jack auf der rechten Seite und wartete. Zügig schnallte er sich ab und stieg aus dem Fahrzeug. „Was für eine Aussicht“, staunte er angesichts der malerischen Umgebung, die sich im dar bot. Die Kolonne war am Fusse eines Abhangs zum Stehen gekommen, so das man locker bis ins Tal schauen konnte. Da waren Gebäude, Felder, Wiesen Straßen. Genussvoll nahm Ethan eine Ladung dieser kalten, reinen Luft zu sich. Wirklich erfrischend. „Gruppe Alpha baut das Lager auf. Gruppe Beta rüstet die Wagen auf. Ich will in zwei Stunden von hier weg sein“, dröhnte Crawfords Stimme über den Platz. Sie hatte den Laden eindeutig im Griff. Alle taten wie ihnen geheißen. Sechs Männer schaufelten einen Bereich frei für das Feuer frei. Fünf andere hantierten an den Wagen herum. „Präzise, wie ein Uhrwerk." Erschrocken wandte sich Ethan nach rechts, wo David mit einer Zigarette im Mund stand. „Wie kommt es eigentlich, dass eine Frau der Kirche angehört?“, fragte er forsch. „Unsere Gruppe existiert offiziell nicht. Alle Männer und Frauen die du hier siehst leben abseits der Gesellschaft." David nahm einen gewaltigen Zug und ließ ihn durch die Nase entweichen. „Aber genug davon. Du kannst Marie helfen die Vorräte auszuladen, wenn ich dich schon hier durchfüttere." Ein kleiner Schubser folgte, dem Ethan sofort nachkam, da man es sich auf keinen Fall jetzt verscherzen durfte. Seine Gegner hatten ihm weder Handfesseln angelegt oder schlecht behandelt. Was steckte hinter dieser Taktik? Wollte David etwa Mitgefühl zeigen? Vielleicht gab er auch den Befehl, das man ihm kein Haar krümmen sollte, um an die anderen heran zu kommen? Fragen über Fragen, auf die es keine Antwort gab.
Zumindest eines schien sicher. Ein Fluchtversuch käme einem Selbstmord gleich. Hier oben würden die extremen Temperaturen schnell seinen Tribut fordern. So gesehen schien es also am besten zu sein, einfach erst einmal mitzuspielen und auf die drei Damen zu hoffen. „Ethan, hilf mir mal." Hinter einem der kleinere Lkws lugte ein weibliches Gesicht vor. Wie alt war die wohl? Neugierig stapfte er durch den Schnee zu dem Mädchen mit den kurzen roten Haaren herüber. „Trödel nicht rum. Soll ich alles alleine machen?" Grummelnd drückte sie ihm einen Karton in die Hand und deutete auf die Feuerstelle. Kommentarlos trat Ethan genütlich die kurze Reise an. „Beeil dich gefälligst." Das Mädel hatte eindeutig die Hosen an! Seine Beine erhöhten das Tempo, ehe er schließlich zufrieden die Kiste mit den Vorräten am Feuer abstellte. Die ganze Route vollendete Ethan noch drei weitere Male. Dann entließ ihn Marie aus den Diensten. „Hier sollst mir ja nicht verhungern." Keck warf sie ihm ein abgepacktes Hänchensandwich zu. Mit einem kurzen Danke verabschiedete sich Ethan zur Feuerstelle, wo Pavla gerade mal wieder seine Leute einteilte. Ohne ein Wort zu sagen setzte er sich auf eine der Kisten und wärmte die kalten Hände am Feuer. „Tut mir leid, das ich vorhin etwas ruppig war. Darf ich mich setzen?“ Fragend,sowie total angespannt blickte Marie zu ihm herab. „Natürlich“, antwortete Ethan mit einer einladenden Handbewegung. Erleichtert nahm sie neben ihm Platz. „Ich habe einfach zu viel von meiner Mutter“, erklärte Marie, während sie mit dem rechten Zeigefinger auf Crawford deutete. Irritiert tauschte Ethan zwischen Ihnen die Blicke. „Kein Problem. Ich bin schon froh, das nicht permanent eine Waffe auf mich gerichtet ist“, antwortete er. „Du scheinst mir eigentlich in Ordnung zu sein. Wie bist du in diese Situation geraten." Ethan seufzte. Das war wirklich eine verdammt gute Frage. Gedanklich ließ er noch einmal die letzten zwei Wochen Revue passieren, während sein Mund einen kleinen Bissen des Brotes zu sich nahm. „Ich glaube, das war ein ziemlich beschissener Zufall. Was ist mit dir? Du machst mir nicht den Eindruck eine Kampfmaschine wie die da zu sein“, fragte Ethan und deutete auf Jack, der nur knapp einen Meter vom ihm entfernt saß. „Ich weiß mich durchaus zu verteidigen“, grinste Marie keck. „Glaube ich sofort“, schmunzelte Ethan angesichts der verrückten Situation. Wie konnte er sich gerade hier mit der Tochter von Crawford unterhalten? Immerhin wollte sie ihn eigentlich umbringen! Das Ganze lief ganz und gar nicht nach Schema F ab. Im Fernsehen zeigten sie immer Bilder von gewaltätigen Schlägern, herzlosen Killern und solche Dinge. Das hier dagegen wirkte total anders. Hatte David Marie etwa geschickt um ihn auszuhorchen oder gar zu bekehren? Prüfend blickte er zu dem kleinen, süßen, unschuldigen Mädchen herüber, dass genussvoll auf einem Stück Sandwich herumkaute. „Ist was?“, fragte sie lächelnd. „Nichts. Alles ok“, antwortete Ethan knapp. Die Waffen einer Frau waren mannigfaltig. Mann musste vorsichtig sein, um nicht in ihre Fänge zu geraten.
Nach einer guten Stunde und einem interessanten Gespräch mit Marie, ging die Fahrt dann schließlich wie geplant weiter. Dabei war Ethan froh wieder im Wagen zu sitzen. Das junge Mädel hatte einfach eine Sprechgeschwindigkeit drauf, dass nur die Hälfte sein Gehirn erreichte. Nichts desto trotz konnte er sich das wichtigste abspeichern und sich somit ein Bild von ihr machen. Vor seinem geistigen Auge betrachtete Ethan das Bild. Warum Marie der Kirche folgte konnte sie selbst nicht so recht beantworten. Ersten Eindrücken nach konnte es vielleicht eine Art Mutterkomplex sein. Der Drang sich einem Elternteil zu beweisen oder gar in deren Fussstapfen zu treten, war ihm ja nicht fremd gewesen. Das Bild von Marie verschwamm allmählig. Die Konturen verblassten und gaben eine ganz andere Person frei, die ihm ein wehmütiges Gefühl bescherrte. Mit einem warmen Lächeln starrte Alan zu Ethan hinuter. Gott! Wie sehr er doch seinen Vater vermisste. Während der ganzen Abenteuer in den letzten Wochen hatte sich das alles etwas in den Hintergrund gestellt. Doch jetzt wo das Ziel zum Greifen nah war, keimte der wichtige Wunsch, dies am liebsten mit dem Vater zu teilen. Ihm voller Stolz zu sagen. „Hey. Ich habe es geschafft." Eine Suche, die vor über zehn Jahren von Alan begonnen wurde, nahm durch den Sohn ein Ende. Ein Gutes hoffentlich! Die momentane Situation sah allerdings doch etwas prekär aus. „Wofür brauchen wir den Jungen eigentlich?" Grummelnd schaute Jack nach hinten. „Der Boss glaubt das er noch wichtig werden könnte“, antwortete der Fahrer, während das Fahrzeug bei der Fahrt über ein Schlagloch leicht abhob. „Sei doch vorsichtig. Ich möchte nich da unten enden." Fluchend öffnete Jack das Fenster und warf die Zigarette heraus. Dann sperrte er das ekelige Wetter wieder aus, das sich in den letzten paar Minuten drastisch verändert hatte. Die Sonne war dunklen Wolken gewichen. Eine Armee aus weißen Kriegern folgte und legte dabei die ganze Strecke lahm, so dass der Konvoi nur geringfügig vorwärts kam. „Dieses Wetter macht mich noch irre“, fluchte der Fahrer. „Ich sag es ja. Eine tropische Insel. Heisse Girls in Bikinis. Ein paar Cocktails.......“ Träumend lehnte sich Jack in den Sitz zurück, als plötzlich das Mikro ansprach. „Jack. Wie sieht es bei euch da vorne aus?" Pavlas Stimme kratzte förmlich durch die Muschel und war kaum zu verstehen. Zügig griffen die Hände nach dem Gerät. „Die Sicht verschlechtert sich zunehmenst. Wir müssen schon aufpassen nicht von der Straße zu rutschen“, antwortetete Jack. „Laut dem GPS haben wir noch eine lange Strecke vor uns. Wir müssen unser Ziel erreichen. Koste was es wolle...!“ Pavlas Stimme verstummte. „Ich sag es dir. Der würde sogar unser Leben dafür opfern, wenn er könnte“, brummte Jack. „Wir werden für den Einsatz hier gut bezahlt. Was will man mehr? Für die Kohle kannst du locker auf deine Insel und dir genug Frauen kaufen“, lachte der Fahrer. Was waren das nur für Idioten! Gelangweilt starrte Ethan aus dem Fenster. Der Schnee lag bereits Zentimeter tief und bedeckte die Reifen vollends. „Was soll denn das?." Ruckartig kam der Wagen zum Stehen. „Sieh mal nach ob da nicht was geplatzt ist." Fluchend schnürrte Jack sich die Jacke zu , ging nach draußen und lief einmal um die Vorderseite herum. Irritiert zuckte er mit den Achseln, als plötzlich ein gewaltiger Wind aufkam. „Was soll die Scheiße." Mit schweren Schritten stapfte er durch den Schnee, während sein Körper versuchte gegen den Widerstand anzukämpfen. „Beeil dich“, rief der Fahrer, als plötzlich eine gewaltige Böe Jack von den Beinen riss. Ein Aufschrei ertönte. Er war nicht mehr zu sehen! Der Wind wurde stärker. „Da!“ Mit den Fingern deutete Ethan auf Jacks Hand, die sich am Kühler festhielt. „ Was ist da vorne los?“, dröhnte Pavla aus dem Mikro. „Wir haben hier einen massiven Wetterumschwung. Ich glaube hier bricht gleich ein Sturm los." Falsch! Der Sturm war schon da! Noch ehe der Fahrer die letzten Wörter sprach, flog Jacks Körper wild umher und knallte gegen die Streckenbegrenzung. „Beweg deinen Arsch hier herein“, fluchte der Fahrer. Was für ein Schauspiel! Jack schien verletzt zu sein. Nur schwer kam er wieder auf die Beine. Zögerlich setzten die Füße einen Schritt nach den anderen, als plötzlich eine weitere Böe das Auto erfasste. Krampfhaft drückte sich Ethan in den Sitz. Was zum Teufel passierte hier gerade? Ein weiterer Ruck fuhr durch den Wagen. Panisch blickte er durch das beschlagene Fenster nach draußen. Jack war weg! War er etwa....? Der Verstand woltte den Satz nicht beenden. „ Verfluchte Scheiße." Mit schnellen Griffen drehten die Finger den Schlüssel herum. Ein Stottern ertönte. „Komm schon." Wieder nur ein Stottern. Die Karre sprang einfach nicht an! Jetzt war eindeutig der richtige Moment in Panik zu geraten! Zitternd versuchte Ethan sich irgendwie im Auto abzustützen, während ein weiterer Ruck durchs Gefährt fuhr. Sollte dieser Metallsarg hier sein Ende bedeuten? Die Flucht nach draußen war einfach keine Alternative. „Jetzt lass mich nicht hängen." Immer wieder versuchte der Fahrer den Wagen erneut anzuschmeißen. Das Ergebnis blieb dasselbe. Nichts passierte. „Ich werde nicht in dieser Kälte draufgehen." Zu Spät! Ein gewaltiger Windschub drückte sich unter das Auto und warf es regelrecht herum. Krampfhaft hielt sich Ethan am Sitz fest, während sein Kopf heftig mit der Decke Bekanntschaft schloss. Dann folgte das Fenster. Blut spritzte umher. Der Schädel dröhnte. Die Welt begann sich förmlich in seinem Kopf zu drehen, bis die Planken die wilde Fahrt beendeten und das Auto rücklings zum Stehen kam. Benommen hielt sich Ethan den Kopf. Das Bild sortierte sich langsam wieder. Der Fahrer lag auf dem ersten Blick bewusstlos im Sitz. Blut quoll aus einer tiefen Wunde am Hinterschädel. Hastig befreiten die Hände den Körper von den Gurten, ehe sie versuchten, die Tür aufdrückten. Mit viel Gewalteinsatz flog die verbeutelte Tür regelrecht aus den Angeln. Der kalte Wind gepaart mit Schnee bließ Ethan ins Gesicht. Jetzt bloß nicht trödeln. Vielleicht konnte er die anderen Wagen erreichen! Langsam kroch er aus dem Sitz in den Schnee. Wind und Wetter zerrten förmlich an den Klamotten. Die Sicht war gleich Null. Wo zur Hölle waren die anderen Fahrzeuge? Orientierungslos versuchte Ethan in dem Chaos die Kolonne ausfindig zu machen. „ Ethan?." Ruckartig wandte sein Körper sich herum. Das war doch Maries Stimme die den Weg durch diese Wetter fand. „Ich bin hier“, schrie Ethan regelrecht zurück. Keine Antwort folgte. Dafür machte ein anderes Geräusch auf sich aufmerksam. Mit langsam Bewegungen drückte sich der Wagen in die Leitplanke hinein. Jetzt war Eile geboten. Zügig stapfte Ethan um den Wagen herum, als die gewaltige Naturkraft erneut zu schlug. Mit einem schnellen Satz überschlug sich das Auto erneut. Reflexartig schmiss Ethan sich in den Schnee, während der Unterboden nur knapp seinen Kopf verfehlte. Erschrocken blieb er liegen. Sein Herz raste und drohte aus der Brust zu springen. Da musste sich Gevatter Tod wohl noch ne Weile gedulden. Laut krachend rauschte das Beförderungsmittel in die Tiefe, bis der Wind auch die letzten Geräusche verschluckte. Zögerlich richtete Ethan den Oberkörper auf. Zu seinem Glück fing das Auto die meiste Kraft ab, so dass ihm das Schicksal ersparrt blieb ebenfalls in die Tiefe zu stürzen. Dafür machte sich jedoch ein anderes Problem breit. Die Kälte forderte nämlich so langsam ihren Tribut. Der gesamte Körper schmerzte. Das Gesicht wirkte steif. Die Luft brannte in der Lunge. Wenn ihm nicht schnell etwas einfiel, würde er bald erfrieren. Die letzten Reserven mobilisierend versuchte Ethan sich vollends aufzurichten und sich einen Überblick zu verschaffen. Seufzend starrte er nach rechts und links. Eine Richtung konnte nur richtig sein. Schnell entschied sich Ethan sich für den linken Weg und lief los. Entweder traf er gleich auf die Wagenkolonne oder auf den einzigen Wagen, der noch vor ihm gefahren wahr und den Weg freiräumte.
Beinahe steifgefroren glaubte Ethan nach wenigen Metern schließlich was am Horizont zu erkennen. Schemenhafte Umrisse zeichneten sich im Schnee ab. War das vielleicht die ersehnte Rettung. Hoffnung keimte ihn im auf und ließ in schneller voran kommen, bis er schließlich ernüchternd auf die Überreste des Kehrers traf. Das Fahrzeug lag ebenfalls herumgedreht im Schnee. Der Fahrer des Wagens lag entweder bewusstlos oder tot zu seinen Füßen. Prüfend kniete Ethan sich nieder und fühlte den Puls. Nichts. Der Mann war eindeutig tot. Was jetzt? Müde lehnte er sich an die Fahrertür. Der Körper streikte. Die Gedanken wurden ruhig und müde. Das Blickfeld begann kleiner zu werden. Mit letzter Kraft zogen die steifen Hände die Jacke etwas enger. Vielleicht konnte Ethan so noch etwas Zeit schinden, bis die anderen ihn fanden. „Da ist er“ Aus weiter Ferne drang eine männliche Stimme an die Ohren. „Hier.......bin.......ich." Stotternd sackte er in sich zusammen und verlor das Bewusstsein.....
Reflexartig riss Ethan die Augen auf. Was war passiert? Vogelgezwitscher hallte an seine Ohren, während ein süsslicher Duft in der Luft lag. „Mama. Ich glaube er ist wach."Wie Mama? Langsam versuchte sich der Körper in die aufrechte zu begeben. „Guten Morgen du."Kurzfristige Leere im Kopf. Da saß wirklich ein kleines Mädchen auf einem Holzstuhl und rührte gerade in einer Tasse herum. „Bin ich etwa tot?“, fragte er zögerlich. „Noch weit davon entfernt“, kicherte die Kleine, während sie die Tasse herüber reichte. Dankend nahm Ethan ihr die Tasse ab, gefolgt von einer sorgfältigen Prüfung des grünen Inhalts. „Das ist ein Kräutertee. Den kannst du ruhig trinken“, brummte das Mädchen. „Hast du etwa die ganze Zeit auf mich aufgepasst?" Vorsichtig nippten die Lippen an dem Tee. Ein kurzer Geschmackstest! Das ganze schmeckte tatsächlich na einer bunten Mischung aus diversen Pflanzen. Vertrauenswürdig nahm Ethan einen größeren Schluck. „Geht doch. "Grinsend richtete sich der kleine schmächtige Körper auf, als kurz darauf eine weitere Person den Raum betrat. „Lana. Geh doch mal zu deinem Bruder und besorgt mir neue Kleider für unsere Gast." „Natürlich“, antwortete das kleine Ding fröhlich, gefolgt von einem Lächeln, das eindeutig ihrem Patienten galt. Dann machte sie auf der Stelle kehrt und verließ das Zimmer. Die fliegenden, langen, braunen Haare waren das letzte was Ethan noch sah, ehe die Frau die Tür schloss. „Wie geht es dir?“, fragte sie höflich. „Eigentlich recht gut. Das habe ich bestimmt der tollen Pflege zu verdanken“, antwortete Ethan. „Lana ist nicht von deiner Seite gewichen. Ich bin übrigens Anna."Prüfend wanderte ihre rechte Hand auf seine Stirn. Sekunden vergingen. Zufrieden nahm sie diese wieder herunter. „Das Fieber ist weg. Ich war nicht sicher ob du es schaffen würdest."„Wie konnte ich überhaupt überleben und was ist das hier für ein Ort?“, fragte Ethan. „Mein Mann brachte dich hier her. Du bist an einem Ort wo nur Frieden und Harmonie herrscht." Was bitte war das den für eine kryptische Aussage? Stirnrunzelnd blickte er zu Anna herüber. Die große Frau saß einfach nur da und lächelte ihn an, während die Hände zusammen gefaltet auf dem rechten Knie ruhten. Nervös rutsche Ethan etwas zurück. Die Situation wirkte doch etwas kurios. Dann war da noch dieses Zimmer. Keine Tapete, keine Farbe. Helle, braune Holzfasern hielten als Wände her. Über seinem Kopf befand sich ein rechteckiges Fenster, dass die wärmenden Strahlen der Sonne hinein ließ. Die wiederum ließen einen malerischen Blick auf die Einrichtung zu. Da war eine hölzerne Kommode zu Ethans Rechten. Hinter Anna stand ein massiver Holzschrank. Die linke Seite beherbergte einen sauber, aufgeräumten Schreibtisch, an dem ein Stuhl lehnte. In Front hing ein Gemälde, das den berühmten Baum darstellte. Daneben waren noch Adam und Eva zu sehen, sowie die Schlange, die laut Schöpfungsgeschichte die beiden aus dem Paradies vertrieb. An der Decke hing ein Kronleuchter, der drei Kerzen Platz bot. Aber da war trotzdem etwas, was nicht so ganz ins Bild passte.
Grummelnd suchte Ethan den Raum nach dem Fehler in der Gleichung ab, als Lana auch schon mit den besagten Kleidern zurückkehrte. „Bitte schön."Ehrfürchtig trat sie an das Bett heran und legte eine braune Leinenhose und ein weißes Leinenhemd zu seinen Füßen. Den Abschluss bildete eine braune Lederweste. Da war es! Er hatte total vergessen, dass zuvor noch der Schnee beinahe zum eisigen Grab geworden wäre. Aber hier war es irgendwie total angenehm warm, obwohl sich keine Heizung in diesem Zimmer befand. „Wie kann das sein....?“ „Zieh dich an und ich zeige es dir“, erklärte Anna. „Ich warte draußen."Ohne weitere Umschweife verließ sie das Zimmer. Lana jedoch schien dieser Aufforderung nicht nachzukommen. Mit aufgerissenen Augen stand sie einfach nur da und beobachtete. „LANA."Erschrocken zuckte sie zusammen und rannte panisch davon. Was war das bitte für eine Aktion? Langsam griffen die Hände nach dem Klamotten. Mit schiefer Miene betrachtete Ethan die Weste. Das waren ja Unikate! Hoffentlich zerfielen die nicht zu Staub, angesichts des Alters. Dabei konnte er allerdings nur eine Schätzung anhand der Kratzer auf dem Leder abgeben.
Die Gleichung in seinem Kopf setzte sich allmählich zusammen. Das ganze gepaart noch mit dem Wissen, das Nina ihm in Jugendzeiten vermittelt hatte und schließlich war die Lösung komplett. Ethan hatte keine Ahnung! War ja auch eigentlich egal. Zumindest saß die Kleidung wie angegossen. Nur die schweren Stiefel passten nicht so recht ins Bild. Wurscht. Es war Zeit Antworten zu bekommen!
Neugierig trat Ethan an die Tür heran und drückte den Knauf herunter. Leise knarrend schob sich der schwere Raumbegrenzer langsam auf und gab einen gewaltigen Anblick frei. Aber erst nachdem die Sonne ihm kurzfristig die Sicht raubte. „Willkommen in Eden“, lächelte Anna, die an einem Zaun ungefähr drei Meter entfernt stand. Daneben saß Lana auf einem Holzbank. „Was ist das für ein Ort?" Fassungslos schritt Ethan über einen kleinen Steinpfad, während rechts und links die Gräser im warmen Wind einen Begrüssungstanz aufführten. Eine paar Vögel zwitscherten im Takt dazu. Gefangen von diesem Anblick wagte er den letzten Schritt auf die kleine Straße. „Ich bin hin und weg“, staunte Ethan, während Anna ihm die Hand reichte. Dankend griff er danach und ließ sich an die Seite ziehen, wo schließlich in seinem Gehirn alle Lichter ausgingen. Das war einfach nur wunder schön.
Zu seinen Füßen erstreckte sich ein gewaltiges Tal, das von mehreren Holzhäusern durchzogen wurde. Eine Feldstraße verband sie alle miteinander. Im hinteren Teil befanden sich einige Höfe mit dazugehörigen Feldern. Unweit davon standen zwei Mühlen. Daneben wiederum stand ein Blockhaus aus dem fröhlich Rauch stieg. Gegenüberliegend befand sich ein kleiner Wald, der wohl zur Beschaffung der Baumaterialien diente.
Auf einem Hügel in der Mitte des grünen Paradieses ruhte ein kleiner Säulentempel. Wurde da etwa Adam und Eva verehrt? Der Blick wanderte zu weiteren Feldern. Was hier allerdings angebaut wurde konnte Ethan nicht erkennen. Unter seinen Füßen befand sich wohl das Dorfzentrum. Um einen kleinen Brunnen herum standen einige Häuser und eine Kirche. Die Wohnhäuser befanden sich auf dem Abhang im Halbkreis angeordnet. Als wenn das nicht schon genug war, fiel Ethans Blick auf das wohl Anmutigste was er je gesehen hatte. In der mitte von all dem stand ein gewaltiger Baum, dessen Äste weit über den Hügel hinaus ragten. Eingerahmt wurde das ganze Tal von massivem Stein, das sich nach oben hin öffnete und für Verwirrung sorgte. Ungläubig starrte Ethan zu Anna herüber. „Wie kann es sein, dass da draußen ein saumäßiges Wetter ist und hier drin kann ich im Shirt rumlaufen?" „Die Ersten haben diesen Ort geschaffen. Angeblich war dies vor Urzeiten der Ort, wo die Versuchung auf die Welt losgelassen wurde. "War klar! Es musste doch was im Tee gewesen sein. Da waren eindeutig nicht mehr alle Latten am Zaun vorhanden. Innerlich begann Ethan zu lachen. Als wenn der Ursprung der Menschheit hier wäre. Unbeirrt fuhr Anna weiter in dieser phantastischen Geschichte fort. Gleichzeitig ging sie den Feldweg hinab. Lana bildete das Schlusslicht. „Die Theorie hat nur einen Haken. Es war Gott der diesen Ort erschuf." „Nachdem die Ersten ihre fleischliche Hülle abgelegt hatten und in den Himmel aufstiegen, kehrten sie eines Tages zurück, als die Stunde, der Menschen am dunkelsten war." Das wurde ja immer besser und besser. Jegliches fundiertes Wissen wurde hier über Bord geworfen.
Dazu kamen noch die Gesetze der Physik! Bäume, Sträucher, Wiesen und Temperaturen. Alles völlig untypisch für dieses Jahreszeit. Ethans Verstand versuchte sich an einer Lösung. Scheiterte jedoch kläglich. Konnten hier wirklich andere Kräfte am Werk sein? Göttliche vielleicht? „Das ist doch absurd Ethan. Reiß dich zusammen“, faltete er sich selbst zusammen und schloss zu Anna auf. Bestimmt gab es noch mehr solcher Wahnsinns – Geschichten, die sich nicht erklären ließen. Für den Moment jedoch schien ihr nicht nach Reden zu sein. Stattdessen kniete sie immer wieder in ihrem weißen Kleid am Straßenrand nieder und pflückte irgendwelche Pflanzen. „Für wen sind die?." „Oma Hilde. Die Älteste im Dorf und auch Führerin“, antwortete Lana, während sie immer wieder gegen Ethans Bein stupste. „Was soll denn das?“, fragte er mit scharfer Stimme. Erschrocken rannte Lana zu ihrer Mutter. „Verzeihe ihr bitte. Es ist einfach Neugier, die ihre Gedanken lenkt." Beruhigend strichen die Hände über die Haare der Tochter hinweg. „Tut mir leid. Ich bin noch überwältigt von dem Ganzen“, entschuldigte sich Ethan. „Ich glaube das wird sich auch nicht ändern."Beinahe schon entschuldigtend deutete Anna mit der Hand auf eine Gruppe von Menschen, die sich bereits am unteren Wegende zusammen gefunden hatten und scheinbar neugierig auf etwas warteten. Moment! Waren die etwa wegen ihm da? Erschrocken tauschte Ethan die Blicke mit Anna und dem Menschenhaufen. „Ich bin doch nur ein normaler Mensch. Kein Popstar oder so etwas“, erklärte Ethan unsicher. „Sie alle haben halt in ihrem Leben noch nie einen anderen Menschen von außerhalb gesehen. Hier kennt sonst jeder wirklich jeden“, antwortete Anna. „Das soll wohl ein weiterer Scherz sein“, seufzte er, während die drei sich auf den Weg nach unten machten. „Oma Hilde kann dir das alles viel besser erklären als ich das kann."Auf die Erklärung konnte man wirklich gespannt sein. Doch erst einmal galt es sich einen Weg durch die Fans zu bahnen.
Unten angekommen begrüßten ihn dutzende überrascht drein schauende Augen. Vorsichtig trat Ethan einen Schritt nach vorne. Ängstlich wich die Gruppe etwas zurück. „Ihr braucht keine Angst haben“, versuchte Anja die Menge zu beruhigen. „Ist er etwa der Sprecher?" Zögerlich schob sich eine schmale Person zwischen den ganzen Leuten hervor. Das Mädchen wirkte auf den ersten Blick recht groß für das Alter, was Ethan so auf vierzehn oder fünfzehn festlegte. Der Kleidungsstil entsprach dem der anderen. Die schwarzen, schulterlangen Haare hingen wahrlos herunter. „Was. Der Sprecher?“ Heftiges Tuscheln brach unter der Gruppe aus. Fragend blickte Ethan zu Anna und Lana herüber. „Ihr müsst euch beruhigen. Oma Hilde wird entscheiden ob dies der Sprecher der Ersten ist. "Zielstrebig stellte sich Annas Körper zwischen die Massen, so dass eine Gasse geschaffen wurde. Kommentarlos ging Ethan voran ohne auch nur den kleinsten Blick von den Menschen zu lassen. Nicht das die noch über ihn herfielen. Ein mulmiges Gefühl machte sich breit, angesichts der Rolle, die man ihm wohl zuschrieb. Ein Sprecher der Reisenden! Was sollte das überhaupt sein? Verwirrung gesellte sich hinzu. In diesem Moment sehnte Ethan sich wieder nach einem normalen Leben zurück, wo alles genau von seinem Verstand vorher ausgearbeitet wurde. Keine Überraschungen. Keine unangekündigten Termine und vor allem keine Menschen, die ihn auf ein Podest hoben und für etwas hielten, was er eindeutig nicht war. „Ethan, wo bist da nur hinein geritten“, seufzte er innerlich, als die drei die Gruppe hinter sich gelassen hatten. Worte, welche sich nur in seinem Verstand formten. Die Neugier der Menschen hingegen hatte andere Pläne und so sorgte dafür, das jene Menschengruppe im gemächlichen Abstand hinter ihm her trabte. „Das ist doch alles verrückt“, flüsterte er zu Anna herüber. „Wir sind gleich da."Blitzschnell nahm Lana plötzlich an Tempo auf und sauste wie ein Wirbelwind auf ein Haus zu, dass abseits aller anderen Gebäude stand. Auf dem ersten Blick wirkte es wie ein typisch Landhaus mit einer Holzveranda. Eine kleine Treppe führte hinauf in den bedachten Bereich. Dort stand noch ein Schaukelstuhl zur Rechten, auf dem eine Person saß. Gegenüber befand sich noch ein kleiner Tisch und ein Stuhl. An der Decke hing ein Windspiel das fröhlich vor sich hin klimperte. Rund um das Gebäude herum befand sich ein kleiner Garten, in dem allerhand Pflanzen und Gräser prächtig wuchsen. Entgegen der gängigen Mathematik fügte Ethan gedanklich hinzu. „Na du?" Eine alte Dame erhob sich aus dem Stuhl, während das Mädchen stürmisch auf sie zu rannte und sich in die Arme warf. Eine herzliche Umarmung folgte. Offenbahr kannten sie einander sehr gut. Respektvoll wartete Ethan am Treppenabsatz, bis die Begrüssung vorbei war und sich der Körper ihm zu wandte. „Unser Gast ist also wach“, lächelte die Frau leise. „Ich dachte mir, dass du ihn vielleicht sehen wolltest. Wie geht es dir Hilde?“, fragte Anna höflich, während sie die Blumen überreichte. „Das ist lieber von dir. Danke."Zügig gingen die Blumen weiter zu Lana. „Liebes. Würdest du sie bitte in ein Glas Wasser stellen?“ Das Mädchen nickte zustimmend und verschwand im Haus. „Dann wollen wir uns dich mal ansehen."
Prüfend trat Hilde hinab, bis sie vor Ethan zum Stehen kam. „Da bin ich jetzt schon so alt. Ich hätte nie gedacht, das dieser Augenblick je kommen würde."Langsam fuhren die knorrigen, alten Hände über Ethans Wange. „Die Dorfbewohner sind schon ganz aus dem Häuschen“, sprach Anna, während sie auf den Mob in einigen Metern entfernt deutete. „Ich kann es ihnen nicht verübeln. Seit langer Zeit warten wir auf den Sprecher, welcher uns ins gelobte Land führt." Jetzt drohte das ganze wirklich aus dem Ruder zu laufen. Er sollte diese Menschen anführen? Am liebsten hätte er jetzt lautstark losgelacht und der Dame den Vogel gezeigt. Der Respekt und das Mitgefühl verhinderten jedoch Schlimmeres. So musste man sich also eine neue Taktik überlegen, um dieser Lage Herr zu werden. „Er sieht wirklich so aus wie mein Großvater ihn damals beschrieben hat. Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Wie ist deine Name?“, fragte Hilde mit einem warmen Lächeln auf den Lippen. „Ethan“, antwortete er knapp. „Gut. Wir müssen uns unterhalten." Mit einer freundlichen Geste machte sie Platz. Nickend nahm er an, ging vorsichtig die Stufen hinauf und betrat das Haus, wo sich ihm bereits eine kleine gemütliche Wohnstube eröffnete, die in der Mitte von einem Teppich dominiert wurde. An den Wänden hingen rund herum selbst gemalte Bilder, die auf den ersten Blick die Geschichte des Dorfes zeigten. Einige andere zeigten Personen in verschiedenen Altersklassen. Nur einen Meter von Ethan entfernt ging eine weitere Tür ab. Gegenüber dasselbe Schauspiel. Eine kleine Eckkommode aus Holz stand passgenau in der linken Ecke. Auf der anderen Seite befand sich eine kleine Couchgarnitur Marke Eigenproduktion, die auf den ersten Blick sehr gemütlich aussah. In der rechten hinteren Ecke rundete ein kleiner Tisch samt Kerzenleuchter das Bild ab. „Setz dich doch." Kommentarlos nahm Ethan auf der Couch Platz, die dem ersten Eindruck auf jeden Fall gerecht wurde und eine hervorragende Gemütlichkeit aufwies. Anna bevorzugte die andere Seite. Somit blieb für Hilde nur noch der einzelne Sessel übrig. Dies schien die alte Dame aber nicht zu stören und so nahm sie auch Platz gefolgt von einem kräftigten Atemzug. „Du hast sicherlich viele Fragen?" „Ein paar kommen hier schon zusammen“, bestätigte Ethan. „Ich kann mir vorstellen, das dies alles hier auch etwas überwältigend ist. Ich werde versuchen etwas Licht ins Dunkel zu bringen“, lächelte Hilde. „Eigentlich interessiert mich momentan nur eine Frage. Wie kann es sein, das dieser Ort so paradisisch ist, während da draußen eine gewaltiges Unwetter tobt. Das ist einfach physikalisch nicht möglich." Ein leichtes Schmunzeln huschte über Hildes Gesicht. „Was ist denn jetzt?“ Fragend blickte Ethan zu Anna herüber, die auch sichtlich amüsiert schien. „Mein Großvater erzählte mir in jungen Jahren, das ziemlich rationales Denken eine Eigenschaft des Sprechers sei“, erklärte Hilde ruhig. „Das beantwortete die Frage jedoch nicht“, brummte er. „Die Ersten erschufen diesen Ort. Sie sind es auch die uns beschützen und mit allem versorgen was wir brauchen." „Das ist doch absurd. Adam und Eva sind Figuren aus der Bibel. Wie sollen die jemals so etwas erschaffen haben“, protestierte Ethan. „Es muss eine andere logische Erklärung für all das hier geben, als ein zwei Menschen die nur in der Mythologie vorkommen."
Genervt stand Ethan auf und lieb im Raum auf und ab. „Manche Dinge lassen sich nicht erklären sondern sind vom Glauben abhängig“, versuchte Hilde beruhigend auf ihn einzureden. Ohne Erfolg!Aber was wollte sie auch erwarten? Der Glaube an die Grundpfeiler der Wissenschaft war viel größer, als eine Religion, welche die Menschheit seit über 2000 Jahren geleitet hatte. Nur Zahlen konnten etwas beweisen. Denn diese vermochten niemals zu lügen. Dagegen gab es keine Beweise für diese ganzen schwachsinnigen Theorien. Hatten Adam und Eva wirklich existiert? Vielleicht. Aber das wäre noch zu beweisen. Bis zum heutigen Tage waren es nur zwei Namen im wichtigsten Buch des christlichen Glaubens, das selbst in wissenschaftlichen Kreisen bereits heftig diskutiert wurde. Weder die beiden ersten Menschen noch Gott hatten diesen Ort erschaffen. Es musste eine rationale und logische Erklärung geben, als anzunehmen das eine unheimliche Macht das hier zu stande brachte. Seufzend nahm Ethan wieder auf der Couch Platz und fuhr sich gestresst durch die Haare.
Eigentlich konnten Anna und Hilde ja nichts dafür. Sie waren seit Generationen in dem Glauben erzogen worden, das eines Tages der Retter vor ihrer Tür steht. Doch das einzige was hier stand, gab sich offen auf dem Präsentierteller. Wie konnte man so technologisch nur so hinterher hinken? „Tut mir leid. Das hier geht gegen alles was ich glaube“, winkte Ethan entschuldigend ab. „Das kann ich durchaus verstehen. Wenn mir das jemand erzählen tät, würde ich denjenigen auch für verrückt halten“, sprach Anna. „Aber da ist noch eine Sache, die mich beunruhigt." Zittrig erhob Hilde ihren schwachen Körper. „Brauchst du etwas?" „Geht schon Liebes. Ich will nur etwas Tee haben. Meine Stimme ist etwas kratzig. Bin nicht mehr die Jüngste“, kicherte die alte Dame leise. „Lass mich das machen." Fürsorglich half Anna ihr wieder in den Sessel zurück. Dann verschwand sie in der Küche. „Sie ist so ein liebes Kind. Ich werde den großen Tag sicher nicht mehr erleben. Anna wird dann unser Volk mit den Sprechern zusammen in die eine Zeit des Lichts führen. "Erschöpft sank Hilde zurück. Die Atmung wurde etwas schwerer. Gierig sogen die Lippen den lebensrettenden Sauerstoff hinein, um die Lungen zu versorgen. Gott. Irgendwie konnte diese Frau einem ja schon leid tun. Ein Leben lang war sie hingebungsvoll zu ihrem Glauben, welcher ihr auch sicherlich Kraft gab. Selbst jetzt wo die Zeit langsam aber sicher dem Ende entgegen lief, stand sie aufrecht zu allen Dingen, die sie vorher von sich gab. Oder war es nur das Klammern nach einem letzten Strohhalm um in Frieden abtreten zu können? Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch rutschte Ethan näher an Hilde heran. „Sie sprachen gerade von Sprechern? Gibt es da noch mehr?" „Es war immer die Rede von zwei Sprechern. Ein Mann und eine Frau, wie einst die Ersten“, antwortete Hilde leise, während Anna mit einem Tablett zurück kam und etwas Tee in eine Porzellantasse goss. „Der wird dir sicher gut tun“, lächelte sie. „Danke dir." Vorsichtig hob Hilde die Tasse und nahm einen Schluck zu sich. Ruhe kehrte ein. Der alte und gebrechliche Körper sackte leicht in sich zusammen. Das Ringen nach Luft verlangsamte sich. Das Gebräu schien offensichtlich zu helfen.
Auf der anderen Seite begann jedoch Ethans Kopf ordentlich an Fahrt aufzunehmen. Während Anna sich rührend um Hilde kümmerte, geisterte diese eine Sache im Kopf herum. Wenn er der männliche Sprecher war, wer übernahm dann die weibliche Rolle? Zwei Namen schossen ihm blitzschnell in den Kopf. Anja und Leila! Einer von den Beiden würde für diese Rolle in Frage kommen und der alten Dame sicherlich ein Stück Frieden geben.
Auch wenn es ihm nicht gefiel, aber vielleicht sollte er dieses Spiel erst einmal mitspielen, allein um den Zustand Hildes wegen. Zögerlich wanderte seine rechte Hand auf die ihre. „Geht es Ihnen besser?“ „Ich habe neunzig Jahre lang der Zeit getrotzt. So schnell kriegt mich nichts klein“, scherzte sie mit einem gequälten Grinsen im Gesicht. „Sie sollten sich trotzdem etwas ausruhen“, warf Ethan ein. „Er hat recht. Wir brauchen dich noch."Besorgt stellte Anna die Teetasse wieder weg. „Ihr gebt ja doch keine Ruhe“, brummte Hilde wiederwillig. „Niemals. Ich bin so stur wie du." „Anna. Zeig ihm bitte das Grab."„Das mache ich sobald ich dich ins Bett gebracht habe“, antwortete sie. „Du bist einfach eine fürsorgliche Tochter."Mit langsam Schritten setzte sich Hilde in Bewegung, während Annas Arme gleichzeitig den Körper stützten. Hoffentlich würde der Körper noch eine Weile mitmachen......................................
Eine halbe Stunde war Anna weggewesen. Ethan nutzte die Zeit derweil um sich etwas im Haus umzusehen und einige Fragen im Kopf durchzugehen. Auf Nummer eins standen ganz klar Anja, Nina und Leila. Wie es den Dreien wohl ging? Hoffentlich waren sie nicht David und Pavla in die Arme gelaufen. Denn das wäre gleichbedeutend mit einer Niederlage gewesen, da die Kelche wieder in Feindeshand gerieten und so das letzte Rätsel nicht gelöst werden konnte. Ein Weg den Ethan auf keinen Fall einschlagen wollte, denn er war sich sicher, dass bei dem Grab das Hilde erwähnte, um das des letzten Ritters ging, der wohl in diesem Dorf Wache hielt und das entscheidende Bollwerk im Kampf gegen die Kirche darstellte. Aber wie sollten die drei an dem Sturm vorbei kommen? Es hatte seinen Körper schon beinahe die letzten Kräfte gekostet und er war Sportler. Vielleicht konnte Anna ja helfen, sie irgendwie hier her zu bringen. „Da bin ich wieder." Außer Atem stand Anna im Türrahmen, während die Hände Luft zu fächelten. „Wie geht es Hilde?“, fragte Ethan besorgt. „Sie ruht sich aus. Allerdings habe ich die Befürchtung das es nicht mehr lange dauert, bis der Herr ihre unsterbliche Seele zu sich ruft“, seufzte Anna. „Das wird alles wieder werden. Kampflos wird die alte Dame doch nicht aufgeben“, versuchte er ihr Mut zu zusprechen. „Das ist sehr lieb von dir“, lächelte sie dankbar. „Doch jetzt zeige ich dir erst einmal das Grab." Gemächlich setzte Anna sich in Bewegung Richtung Tür. Draußen schlug sie schließlich einen direkten Weg zur Dorfmitte ein, der nicht viel Zeit in Anspruch nahm. Denn nur knapp zehn Minuten später erhob sich bereits ein gewaltiger Hügel, auf dessen Spitz der Baum stand, den Ethan schon zuvor von der Anhöhe aus gesehen hatte. Allerdings sah das ganze Gebilde von nah noch mal beeindruckender aus. Der große Schatten, den die Äste warfen, reichte bis an die ersten Gebäude heran. Ehrfürchtig wagten seine Füße den ersten Schritt hinauf. Eine kurze Pause folgte. Der zweite Schritt setzte sich vor den anderen, bis Ethan schließlich gemeinsam mit Anna die Spitze erreichte. Dort bot sich ihm ein majestätischer Anblick. Zwei gewaltige Statuen standen nackt eng umschlungen unter dem Baum auf gleicher Höhe mit dem Stamm. Die weibliche Hand griff majestätisch in das Astwerk hinein, wo eine steinerne Schlange hinterhältig hinabstarrte. „Wie hoch sind die? Fünf bis sechs Meter?“, fragte er zu Anna hinüber. „Ich weiß es nicht genau“, gestand sie und ging weiter um den Baum herum, wo bereits das nächste Highlight wartete. In Längsrichtung ruhte ein mächtiger weißer Sarkophag auf einem ebenso weißem Sockel. Die Außenseiten zierten fein säuberliche Linien, Striche und Punkte sowie Farben, die eine Geschichte zu erzählen schienen. „Das ist Wahnsinn." Freudig trat Ethan einen Schritt an das Objekt heran. „Dies ist das Grab vom letzten Ritter, der schwor diesen Ort zu beschützen. Sein Tod liegt schon lange zurück. Doch sein Weg des Lebens wurde auf den Steinseiten nieder gebracht“, erklärte Anna. „Einfach unglaublich." Mit großen Augen wanderte sein Körper um das Grab herum, während die Ohren weiterhin den Ausführungen seiner Begleiterin folgten. Die erzählte Geschichte entsprach im meisten Fall genau der, die Nina und Anja ihm schon erklärten . Doch was viel interessanter war der Kelch, der sich im Inneren befinden musste. „Habt ihr den Deckel schon mal angehoben?“, fragte Ethan neugierig. „Das können wir nicht. Die Überreste wurden mit einem Schloss versiegelt, das sich nur mit zwei goldenen Kelchen öffnen lässt. Laut den Überlieferungen soll sich darin ein dritter Kelch befinden“, begann Anna zu erzählen. Aber auch dieses Mal wusste er, was kommen würde. Drei Kelche, eine Karte, ein Ziel. Das Gewölbe des Himmels. Das war die Kurzform des Ganzen, während Anna sich an der langen Version versuchte. Dabei fiel allerdings nicht einmal das Gewölbe. Irritiert blickte Ethan zu ihr hinauf. Wusste keiner hier im Dorf um was es eigentlich wirklich ging oder waren das alles nur gute Schauspieler? Nein! Ungläubig schüttelte er den Kopf. Das war nun wirklich total abwegig. Die Theorie das der Ritter die Leute hier eher im Dunkeln ließ passte besser ins Bild. „Ist alles in Ordnung?“ Fragend blickte Anna zu Ethan herüber, der erschrocken hochfuhr und über den Deckel hinweg schaute. „Alles bestens“, lächelte er, obgleich seine Kopf gedanklich immer wieder gegen die Mauer knallte. Klar! Nun stand er vor dem Sarg und es gab keine Möglichkeit das Ding zu öffnen, da die Kelche sich sonst so befanden. Wütend sank sein Körper ins Gras hinab. „Du hast doch was?“, bohrte Anna nach. „Ich habe die Artefakte nicht bei mir. Verdammt ärgerlich“, fluchte Ethan. „Du hast die anderen Ritter gefunden?" „Meine Freundin sollte die Kelche eigentlich haben. Auch wenn sie weiß, wo dieser Ort hier ist, wird der Schneesturm da draußen ihr einen eisigen Empfang bereiten“, seufzte er. „Ist deine Freundin die Sprecherin?“ Langsam sank jetzt auch Anna ins Gras hinab und lehnte sich gegen die Sargwand.“ Vielleicht. Ich glaube ja nicht mal selber an diese Geschichte, die du mir erzählst." „Du brauchst dir keine Sorgen machen. Die Ersten sehen alles und werden ihr Leben beschützen“, lächelte sie. Dieser pure Optimismus grenzt schon an Wahnsinn. Am liebsten hätte Ethan ihr den Kopf gewaschen für diese Aussage. Doch es gab ja da noch die freie Meinungsäußerung und Religionswahl. Egal wie bekloppt sie auch schien oder welche Rituale dahinter steckten. Solange keine Menschen zu Schaden kamen musste er es so hin nehmen und die ihm selbst auferlegte Rolle so gut wie möglich weiter spielen. „Anna. Da bist du ja." „Jonas!" Freudig stand die Frau auf und fiel dem großen, wirklich gut gebauten Mann in die Arme. „Ich habe über all nach dir gesucht“, japste er leicht außer Atem, während seine Hände einen Bogen in der Hand hielten. Auf dem Rücken befand sich ein Köcher, mit circa zehn Pfeilen drin. „Jetzt hast du mich ja gefunden. Du kennst Ethan?" Jonas nickte zustimmte und reichte seinem Gegenüber die Hand. Ethan erwiderte höflich. „Die Fremden die beim dem Sprecher waren, haben sich ins Tal zurückgezogen. Es gab zahlreiche Opfer." „Die Ersten werden nicht zu lassen, das dieser heilige Ort mit Blut befleckt wird. Wir sind hier sicher“, sprach Anna zuversichtlich. „Da ist noch mehr. Unsere Späher haben anderorts weitere Personen im Blick, die sich Eden nähern." Drei? Konnten das Nina und die anderen sein? „Ich weiß ich habe sicherlich nicht das Recht zu fragen aber..... kannst du sie mir zeigen?" Stille! Für einen kurzen Moment tauschten der muskelbepackte Jonas und er nur Blicke aus. Dann folgte ein Nicken. „Ihr seit der Sprecher. Ich führe euch hin." Noch ehe Ethan sich bedanken konnte, eilte der Hühne auch schon davon. Dabei legte er mit seinen riesigen Schritten solch ein Tempo vor, dass Anna und Ethan kaum hinterher kamen. Die Konsequenz bestand aus massivem Sauerstoffmangel als sie hechelnd das Ziel erreichten. Jonas hingegen verzog nicht eine Miene. Er hatte die Gruppe ohne weitere Schwierigkeiten einen kleinen Steinpfad hinauf geführt, der an der Schwelle zur Kuppel zu einem breiten Höhlengang wurde. Der Weg führte weiter hinauf, bis sie eine kleine Terrasse erreichten, die gut geschützt und verborgen lag, sowie ein seltsames Schauspiel bot. Es wirkte beinahe so, als würde irgend etwas den Schneesturm davon abhalten den Stein zu berühren. Die vielen kleinen weißen Wirbel lösten sich bei Kontakt mit dem Ausguck regelrecht ins Nichts auf. Geschweige denn das es hier draußen nicht mal viel kälter war als drinnen. Freaky! Ein weiteres Geheimnis das einer Lösung bedurfte. Doch jetzt galt es erst einmal die Vermutung zu bestätigen. Zügig schloss Ethan zu Jonas auf, der schon am Rande der Terrasse stand und hinabblickte. Von dort oben hatte man wirklich den gesamten Pfad im Blick. Deutlich zeigten sich die umgestürzten die bereits von einer dicken Schneedecke eingeschlossen waren. Hier und da schaute eine Reifen heraus oder die Seite einer Tür oder das Dach. Weiter südwärts konnte Ethan einen weiteren Spähposten ausmachen, der ebenfalls von einem Mann von Jonas Statur bewacht wurde. Dahinter verschlechterte sich die Sicht. „Da Sprecher." Mit dem rechten Zeigefinger deutete Jonas auf einen kleinen Pfad zwischen den Plattformen, wo drei verhüllte Gestalten im Schnee herumliefen. „Da kann man ja gar nichts erkennen“, grummelte Ethan. „Sie gehören nicht zu den anderen. Die haben wir seit eurem Eintreffen hier im Auge gehabt“, sprach Jonas. Hilfesuchend wandte sich Ethan zu Anna herum. Die Chance war da, dass seine Mutter untem im Schnee herum irrte. Auf der anderen Seite konnte der Schuss auch gewaltig nach hinten los gehen. Das wäre mehr als schlecht. „Wie wollt ihr verfahren?" Nachdenklich starrte Ethan noch einmal herunter. „Ich würde sie gerne von nahem sehen." Jonas nickte und gab dem anderen Posten ein Zeichen. Dann ging alles blitzschnell. Mehrere Männer tauchten reflexartig aus dem Schnee auf und umkreisten die Gruppe. Widerstandslos ließen die drei sich entwaffen. „Kommt. Gehen wir zum Tor." Wieder setzte Jonas sich in Bewegung und führte die Gruppe in einen Nebengang des Ganges, der wiederum über einen Bogen führte. Darunter befand sich ein kleiner Raum, der von zwei Ritterstatuen eingenommen wurde, die ein Tor nach draußen bildeten. „Spannt die Bögen." Eine Reihe von Schützen umstellte das Tor mit Pfeilen im Anschlag. Hoffentlich war das ganze kein Fehler! Schnell wischte die rechte Hand den Angstschweiß von der Stirn, während die Beine nervös vor Angst zitterten. „Beruhige die Ethan. Wenn deine Freundin dabei ist wird sie durch das Tor kommen. Anderfalls werden die Ersten sie abwehren“, versuchte Anna ruhig auf ihn einzuwirken. „Was meinst du abwehren?" „Sie werden sterben“, antwortete der Hühne kühl. „Jonas!" Rüde schlug Anna mit der Hand nach ihm, was ihm nur ein müdes Lächeln entlockte. „Ich bin nur ehrlich“, rechtfertigte er sich. „Du magst zwar jene Krieger anführen. Aber an deinen Mitgefühl müssen wir noch arbeiten“, brummte Anna, als die Männer von draußen zurückkehrten. Nacheinander ließ die unsichtbare Barriere die Krieger passieren, bis die drei Gestalten an der Reihe waren. Stille kehrte ein. Sämtliche Nerven zeigten sich bis zum Bersten angespannt. Sämtliche Finger zitterten um die Wette. Panisch blickte Ethan sich noch einmal um. Hoffentlich löste sich nicht unabsichtlich ein Pfeil, was ein Massaker nach sich ziehen würde. „Tretet ein. Wenn ihr Freunde seit wird euch nichts passieren“, rief Jonas fordernd herunter. Langsam trat der erste an das Tor heran. Ein kurzes zögern. Dann folgte der erste Schritt. Nichts passierte. Ein Raunen ging durch die Menge. „Ruhe da unten“, befahl Jonas lautstark, während die Gestalt mit dem ganzen Körper im Raum stand. Ethan hielt den Atem an. Das war der Moment der Wahrheit. Die Person hatte das Tor unbehelligt passiert. Wer verbarg sich wohl hinter der Maske? Vorsichtig griffen die Handschuhe die Mütze herunter. Danach kam die Schneebrille dran. „Anja?" Völlig aus dem Häuschen starrte Ethan zu seiner Freundin hinab, welche den Blick ebenso erwiderte. „Ethan!" Ohne zu zögern eilte sein Körper die nahegelegene Treppe herunter, vorbei an den Soldaten auf sie zu. „Ich bin so froh dich zu sehen." Mit Tränen in den Augen drückte sie Ethan fest an sich. Man! Wie sehr hatte er das vermisst. Ohne zu zögern wanderten seine Lippen zu den ihren. Ein zärtliches Schauspiel entbrannte, bei dem es völlig egal war, wer gerade noch zu schaute. Schließlich hielt Anja kurz inne. „Wir dachten nicht mehr, dass wir doch noch lebend finden angesichts des Sturmes und des Chaos da draußen." Freudig griff Ethan nach ihrer rechten Hand. „Ich habe gehofft euch wieder zu sehen. Es war nicht leicht“, gestand er. „Aber du hast es überstanden“, warf Nina erleichtert dazwischen, ehe sie sich an Anja vorbei schob und kurz stehen blieb. Sekundenlang tauschten Mutter und Sohn nur Blicke aus. Dann brachen die Dämme. Unter heftigen Tränen zog sie ihn einfach nur an sich und ließ allen Gefühlen freien Lauf. Dabei ertappte Ethan sich selbst, wie einige kleinen Tropfen sich den Weg über seine Wange bahnten. Aber das war egal jetzt. Dieser eine Moment musste ausgekostet. Da durfte ein Mann auch mal weinen. Um die Wette schluchzend lagen sich die Beiden minutenlang in den Armen, ehe Nina zurücktrat. Sie war eindeutig roter im Gesicht. Hoffte er zumindest. Schnell wischte Ethan sich die Tränen aus dem Gesicht, während die letzte Person durch das Portal trat. „Leila?" „Wer sonst“, fluchte sie lautstark, angesichts der Entkleidungsproblematik. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Manche Dinge ändern sich halt nie. Nach einem Ringkampf mit der Jacke stand sie schließlich vor ihm. „Du hast es tatsächlich geschafft“, lächelte sie frech, ehe auch ihre Arme ihn an sich drückten. „Es tut mir leid, das ich dich zurückgelassen habe“, entschuldigte sich Leila. „Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Wir sind alle wieder zusammen. Ich habe euch viel zu erzählen“, erklärte Ethan. „ Nehmt die Waffen runter“, befahl Jonas. Auf Kommando verschwanden die Pfeile wieder in den Köchern. „Es freut mich euch kennen zu lernen. Freunde vom Sprecher sind hier willkommen." Mit langsam Schritten näherte sich Anja der Gruppe. „Sprecher? Was ist das hier für ein Ort?“, fragte Anja. „Frag lieber warum es hier so warm ist“, fügte Leila hinzu. „Das wird eine sehr lange Geschichte glaube ich“, seufzte Ethan....................................................
Die Nacht war inzwischen herein gebrochen. Gemeinsam mit Anna und Lana, saß die Gruppe an eim Tisch, wo Ethan sich erst eimal die Geschehnisse von Nina erzählen ließ. Interessanterweise schienen die drei Frauen einen einfacheren Weg nach Eden gefunden zu haben. Zuvor allerdings scherzten Nina und Leila gemeinsam über die Entstehungsgeschichte des verwegenen Planes. Dabei kam es immer wieder zu kleineren Lachanfällen. Einzig und allein Anja hielt sich etwas bedeckt. Merkwürdig ruhig saß sie einfach nur neben ihm und nippte ab und an dem Tonbecher mit Wasser, der vor ihr auf dem Holztisch stand. Besorgt griff Ethan nach ihrer linken Hand. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Ethan mit leiser Stimme. „Ich bin einfach nur müde und kaputt. Das ist alles“, versicherte Anja. Zwischenzeitlich waren die beiden Frauen bei der Szene angekommen, wo Leila stundenlang über den Koordinaten gebrütet hatte, bis sie endlich eine Karte der Neuzeit darüber legen konnte. So war es der Gruppe schließlich gelungen diesen besonderen Ort zu finden. „Ich bin mal kurz draußen an der frischen Luft." Zögerlich erhob Anja den Körper und verließ den Raum, gefolgt von einem irritiertem Blick Ethans an seine Mutter. „Sie hat viel durchgemacht in letzter Zeit. Du. Michael. Das geht nicht spurlos an einem Menschen vorbei." Besorgt stand Ethan auf. Natürlich hatte seine Mutter recht. Er hatte Anja versprochen wiederzukommen, wenn Michaels Verrat nicht einen Strich durch die Gleichung gemacht hätte. „Ich gehe zu ihr." Nina nickte verständnisvoll und wandte sich wieder Anna zu.
Schweren Herzens setzte Ethan sich in Bewegung, um nach seiner neuen Freundin zu suchen. Diese fand er schließlich draußen am Abhang. Gebeugt lehnte ihr Körper an dem Holzzaun, während der Blick hinab ins Tal fiel. „Ein schöner Anblick nicht wahr?" Mutig stellte er sich neben sie. „Das ist ein wirklich schöner Ort. So unberührt“, antwortete Anja verträumt. „Verdammt geheimnisvoll fehlt da“, fügte Ethan unsicher hinzu. Stille! Musste es immer solche Probleme beim Start eines Gesprächs geben? Worte mussten wohlgewählt und richtig platziert sein, um eine Fehlinterpreation auszuschließen, die wiederum eine gewaltige Kettenreaktion Gang setzen konnte und so weiter und sofort. Am Ende stand konnte jene verhängnisvolle Vernichtung aufwarten. „Ich hätte dich nie gehen lassen sollen“, unterbrach Anja die Gedankenspinnerei. „Du brauchst dir da keine Vorwürfe machen. Niemand konnte so etwas ahnen." Gott sei Dank löste ihr erster Schritt die gesamte Gleichung ins Wohlgefallen auf. „Was wäre passiert wenn du gestorben wärst?." Rüde wandte sie sich zu ihm herum. „Ich habe zwar manchmal selbst nicht daran geglaubt. Doch jetzt stehen wir hier. Am Ziel der Reise“, sprach Ethan. „Ach. Ohne mich gäb es keine Reise und du würdest jetzt sorglos in der Uni sitzen“, brummte Anja. „Langweilig trifft es wohl eher. Du hast mich auf die Reise mitgenommen, die besser ist als jede Unterrichtsstunde. Ich spüre das Leben in mir. So muss sich auch mein Vater gefühlt haben." „Alan wurde für all das hier ausgebildet. Du nicht." Kommentarlos griff Ethan nach ihr und zog sie nahe heran. „Du hast stets auf mich aufgepasst. Du warst meine Lehrerin und eine Gute dazu“, lächelte er. „Ich bin froh, wenn das alles hier vorbei ist. Wir beide brauchen unbedingt ein richtiges Date ohne goldene Kelche und umherfliegende Kugeln“, scherzte sie. „Du darfst den Ort aussuchen." Zärtlich drückte Ethan sie an sich, so dass ihre warmen Wangen einander berührten. „Ich bin froh, dass du an meiner Seite bist“, hauchte er. Ein romantischer Kuss folgte. „Davon kriege ich nicht genug“, flüsterte Anja, während sie kurz Augenkontakt suchte. „Geht mir genauso“, erwiderte Ethan. Schwupps! Schnell hingen die Lippen wieder aufeinander, vereint in einem Liebespiel, das auf keinen Fall unterbrochen werden durfte. Zu heftig tobte ein Wirbelsturm aus Gefühlen in seiner Gedankenwelt herum, welche den Verstand auf ein völlig neues Level hoben. Eine Welt voller Frieden, Ruhe, Wärme und Gelassenheit, in der es nichts gab außer zwei liebenden Menschen, die einander hingaben. Sanft drückten Ethans Hände den wundervollen Körper an die Holzwand, als plötzlich ein Räuspern die Stille durchbrach.
Erschrocken und peinlich berührt fuhren die Liebenden herum. „Mutter“, fluchte Ethan lautstark. „Tut mir leid. Ich hab wohl ein seltenes Talent euch dauernd zu stören“, entschuldigte sich Nina. Seufzend zupfte Anja die Klamotten zurecht. „Ich brauch dringend mehr Privatsphäre." Brummend lief er an seiner verdutzten Mutter vorbei. „Warte. Anna möchte, das wir heute Nacht noch den Sarg öffnen“, rief Nina ihm hinterher. Kurz hielt er inne, machte dann auf dem Absatz kehrt. „Ist sie da sicher? Wer weiß was uns da erwartet." Ein flaues Gefühl in der Magengegend machte sich breit, angesichts der Erinnerung von Charigols Grab. Da wäre er beinahe draufgegangen! „Wir dürfen auf keinen Fall Zeit verstreichen lassen." Mit ernstem Gesichtsaussdruck stand Anna im Türrahmen. In ihrem beiden Händen, die Kelche. Ein Seufzer huschte über Ethans Lippen. „Also gut. Packen wir es an." Nach einer guten halben Stunde hatte sich die Gruppe bestehend aus den vier Frauen, sowie Ethan und Jonas am Hügel eingefunden. „Das ist eine Meisterleistung“, staunte Nina nicht schlecht. „Die beiden Kelche gehören auf den Sargdeckel. Ich weiß allerdings nicht in welcher Reihenfolge“, erklärte Ethan. „Es sieht so als aus würde der Deckel eine Geschichte erzählen." „Soweit war ich heute nachmitag auch Leila“, warf Ethan dazwischen. „Das könnte es sein!" Wie von einer Tarantel gestochen schnappte sich Anja die beiden Kelche und trat an das Grabmal heran. „Was du vor?" „Warte." Mit einer Handbewegung drehte sie Ethan den Saft ab. Schweigen! Zielsicher werkelte Anja am Deckel herum. Hier noch eine bißchen. Da noch eine Drehung. Dann wandte sie sich triumphierend der Gruppe zu. „Auf den Kelchen waren doch auch Bilder. Wenn man genau hinsieht komplettieren diese in richtiger Reihenfolge den Sargdeckel." Völlig Baff starten die anderen einander an. „Hut ab. Wirklich beeindruckend“, lobte Anna. „Danke“, lächelte Anja, ehe der Körper wieder herumschwang. „Lasst mich das machen." Stumpf drängelte Jonas sich vor und stemmte sich gewaltsam gegen die Oberfläche. Ein lautes Knarren und Schieben ertönte, bis die schwere Steinplatte auf der anderen Seite herunterfiel. Ehrfürchtig trat der Hühne einen Schritt zurück. „Bloss nichts anfassen." Ethan riskierte einen flüchtigen Blick.
Wie schon zuvor lagen hier die skelettierten Überreste des letzten Ritter darin. Daneben befanden sich noch diverse Grabbeilagen. Aber das wichtigste war der staubbedeckte, goldene Pokal, welcher von den knochigen Händen fest gehalten wurde. „Das könnte eine Falle sein“, murmelte Ethan, während die Hände zitternd den Kelch anhoben. Dem ersten Anschein nach befand sich an der Unterseite keine stangenartige Halterung. Mühelos vermochte Ethan dem Kelch in die Luft zu heben. „Unglaublich." Ehrfürchtig sank Anna auf die Knie. „Warten wir lieber einen Augenblick ab." Doch auch nach wenigen Sekunden blieb es still. Keine Falle. Keine herabfallenden Bodenplatte. Kein Kampf ums Überleben. „Ich glaube wir können aufatmen." Erleichterung machte sich breit angesichts Anjas Satzes. „Wir haben echt alle drei Kelche. Ich fasse es nicht“, jubelte Leila. „Aber wie finden wir damit jetzt das Gewölbe?“, fragte Nina in die Runde. „Seit jeher wurde uns beigebracht, das im Tempel der Ersten unsere Zukunft liegt." Anna stand langsam auf und deutete mit der Hand auf das Gebäude im Norden. „Ich kann es kaum erwarten“, freut sich Anja.
Klar! Sie waren nur noch wenige hundert Meter davon entfernt, eine jahrhunderte lange Suche zu beenden. Doch irgendwie klammerte sich da noch ein Gedanke hartnäckig fest. Der gesamte Ort beherbergte noch viel mehr Geheimnisse, als es auf den ersten Blick aussah. Die Bedrohnung der Kirche scbwebte auch wie das berühmte Damokles – Schwert diesem Szenario. David würde irgendwann einen Weg in das Innere finden, auch wenn das Menschenleben nach sich zog. Die Menschen hier konnten doch nichts gegen Maschinengewehre und Pistolen ausrichten. Ein Blutbad! Unschuldige Erwachsene und Kinder, die keinerlei Chance hatten. „Hoffentlich finden wir etwas, womit wir Pavla aufhalten können“, murmelte Anja leicht vor sich hin. Ethan teilte die Hoffnung seiner Freundin. Aber die Befürchtung lag eher nahe, das alte und staubige Bücher auf die Gruppe warteten, statt ein Arsenal an Waffen oder ähnliches. Zehn weitere Minuten verbrachte er damit sich vorzustellen, was sie wohl erwarten würde. Der Orden sprach ja immer von einer Möglichkeit, mit der man zu Gott sprechen konnte. Das konnte eine Metapher für viele Dinge sein. Ein Funkegerät zum Herrn war nicht darunter. „Wir sind da." Anna stoppte die Gruppe vor dem kleinen Säulentempel, der ringsrum von Wald umgeben war. Nur ein kleiner Pfad hatte den Weg auf die Anhöhe gezeigt. „Also die Architektur ist ähnlich der Griechen oder Römer." Da kam sie wieder durch. Ninas Ausbildung. So ließ sie es sich nicht nehmen durch die Säulen zu gehen und immer wieder geschichtliche Anekdoten aus jeder Zeit zu präsentieren, die nach geschlagenen fünf Minuten vor dem Tempeleingang endeten. Kommentarlos betrat Ethan, mit den anderem im Schlepptau das Innere, welches sich sehr karg gestaltete. Eigentlich bestand der Saal nur aus den selben Säulen wie draußen. Am Ende der Allee stand ein bauchhoher schmaler Altar mit einer silbernen Schale drauf. Eingerahmt wurde das ganze von zwei Statuen, die mit ihrem gewaltigen Händen, die knapp vier meter hohe Decke zusätzlich abstützten. „Die Wand befindet sich hinter dem Altar." Anna übernahm die Führung und lenkte die Gruppe zum besagten Zielort, wo sich eine reichverzierter Abschnitt des Mauerwerks befand. Auch hier wurden diverse Geschichten nacherzählt. Die Vertiefungen für die Kelche waren deutlich zu sehen. „Was jetzt?“, fragte Anja. „Wir sollten uns mal alle Kelche zu Gemüte führen“, antwortete Nina, die sogleich die Schlüssel auf den Altar stellte. Gleichzeitig nahm sich Ethan die Gravuren vor rund um die Vertiefungen vor, da man davon ausgehen musste, dass der entscheidenden Hinweis sich dort befand. Die Lebensgeschichte der drei Ritter war ja nun auch hinlänglich bekannt. So einfach würde das also nicht sein. Vielleicht lag in der Anordnung der Vertiefungen ein Hinweis? Alle drei zeigten sich symetrisch im Dreieck angeordnet. Auf den ersten Blick wirkte es sogar gleichschenkelig. Um die obere Vertiefung befand sich die Gravur eines gewaltigen Baumes. In der unteren linken Ecke war ein Schiff abgebildet mit feinen Lilien darüber. Gegenüber befand sich eine Krone. Nachdenklich wandte sich Ethan herum, während die rechte Hand das Kinn berührte. Irgendwo hatte er so etwas schon mal gesehen. Aber wo war das? „Was beschäftigt dich?“, fragte Anja. „Das kommt mir bekannt vor“, murmelte er leise vor sich hin, als plötzlich ein Blitz durch seine Gedanken fuhr. „Natürlich“, rief er laut. „Ihr kennt doch die Geschichte. Drei Ritter beschützen das Gewölbe. Zwei von Ihnen zogen aus, um die Karte zu bewahren." Kollektives Schweigen. Ungläublig schüttelte Ethan den Kopf. Da kam ihm einmal die zündende Idee und dann das. „Was willst du uns damit sagen?“, fragte Nina. Seufzend fuhr er mit der Hand über das Schiff. „Der eine ging nach Paris." Die anderen Hand wanderte zur Krone. „Ein anderer nach Rom." Die ersten Lichter gingen auf. „Das ist ein Versuch wert. Hut ab. Du hast eine gute Auffassungsgabe“, lobte Anna. Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. „Reiner Zufall“, winkte Ethan ab, während seine Mutter die Kelche an die passenden Stellen setzte. Erwartungsvoll hielt die Gruppe inne. Nichts passierte. Das konnte doch jetzt nicht sein? Vielleicht war der Mechanismus der Tür hinüber? „Was jetzt?." Wütend trat Ethan an die Wand heran. So leicht wollt er sich nicht geschlagen geben. Sanft drückte er gegen die Kelche. Nichts. Es folgte ein Drehen nach beiden Richtungen, als plötzlich ein dumpfes Klacken ertönte. „Was hast du gemacht?" Anja trat auf die anderen Seite. „Ich habe nur dran gedreht. Mehr nicht“, antwortete Ethan. Wild fuchtelte Anja herum, bis beim Linksdrehen ebenfalls ein Klacken ertönte. Jetzt blieb nur noch ein Schloss übrig. Allerdings lies sich das nicht drehen. Stattdessen gelang es Ethan durch einfaches drücken, die letzte Barriere zu entriegeln. Ein Ruck fuhr den Boden. Staub wirbelte umher. Langsam schwang das Mauerstück nach rechts und gab einen Tunnel frei. „Mutter?." Einladend machte er Platz. Sie sollte die erste sein, die den Moment auskostete. Zwei Jahrzehnte der Suche nach diesem Ort endeten an diesem Punkt. Er hatte einfach nicht das Recht hier vorzugreifen. Lächelnd zog Nina die Taschenlampe hervor und ging voran. Ethan folgte ihr, mit der Gruppe im Schlepptau. „Hat wer ein Feuerzeug?" Fragend griff Anja eine Fackel hervor. „Bin auf alles vorbereitet“, sprach Leila, die den Lichtspender herüberwarf. Schnell war das Holz angezündet, was auch sogleich für noch mehr Licht im Gang sorgte und eine weitere Besonderheit offenbarte. Neugierig trat Ethan an den Fackelhalter heran. Eine schmale Rille, gefüllt mit einer schwarzen Substanz, bahnte sich einen Weg den Tunnel entlang. „Gib mir mal die Fackel bitte." Wie auf Bestellung drückte Anja ihm den Gegenstand in die Hand, ehe er vorsichtig die Flamme in die Flüssigkeit hielt. Ein kurzer Lichblitz folgte. Dann schoss eine Feuerlinie geradewegs in den Tunnel hinein. Wie von Geisterhand entzündeten sich sämtliche Fackeln im Gang sowie im dahinter liegenden Raum, so das keine Taschenlampe mehr nötig war. „Wahnsinn“, staunte Nina, die bereits schon an der Schwelle zum Raum stand und keine Regung von mehr von sich gab. „Ist alles in Ordnung?." Besorgt trat Ethan an ihrer Seite. Überwältigt hielt auch er inne.
Hinter der Schwelle eröffnete sich ihm ein gewaltiger, kreisrunder Raum von ungefähr 10 Schritt im Durchmesser. Die Decke wies drei Stockwerke auf, von denen jedes selbst knapp drei bis vier Meter hoch schien. „Endlich. Das habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet." Ehrfürchtig trat Nina einen Schritt in das Gewölbe hinein. In großen Nischen standen seitlich dutzenden von Bücherregalen, die halbmondförmig herum angeeordnet waren. „So viele Dokumente, Bücher und Schriftrollen." Zögerlich griffen ihre Hände nach einem alten Folianten. „Hier muss die Ritterschaft all ihr Wissen für die Nachwelt dagelassen haben. Es ist auch fein säuberlich alles nach Jahreszahlen beschriftet“, erklärte Nina mit dem Finger deutend, auf die Frontseite, wo in großen goldenen Lettern die Zahl „1450“ sich deutlich zeigte. Beim Jahr „1750“ war dann Schluss, da eine steinere Treppe, den Aufstieg in das zweite Geschoss ermöglichte. Im linken Halbfeld ging es dann weiter bis das Jahr „1815“ erreicht wurde. „Wisst ihr wie lange man braucht, um das hier alles zu sichten?“, fragte Anja, die sich an Ethan vorbeischob und direkt auf ein kleines, rundes Pordest zubewegte, das mittig empor ragte. Darauf befand sich ebenfalls ein Gegenstand, der ebenfalls von einer dicken Staubschicht umhüllt wurde. „Vielleicht ist das etwas wichtiges." Neugierig trat Ethan neben seine Freundin, hob das rechteckige Objekt hoch und pustete einmal drüber. Verdutzt hielt er inne. „Das soll wohl ein Scherz sein“, grummelte er. „Was ist denn?." Nach nur wenigen Augenblicken hatte sich die Gruppe um Ethan versammelt, der einen schwarzen Gegestand in der Hand hielt. „Ist das etwa ein Datenpad?“ Ungläubig nahm Nina ihm das in Folie verschweißte Objekt ab. „Es muss schon jemand vor uns hier gewesen sein“, vermutete Ethan. „Das ist unmöglich. Keiner außer den Sprechern kann die Barriere durchdringen“, warf Anna dazwischen. „Wie bitte soll sonst ein luftdichtes Teil aus der Jetztzeit an diesen Ort kommen“, fragte Ethan rüde. „Wenn man die Staubschicht bedenkt, die darauf war muss es schon Jahre oder Jahrzehnte hier liegen“, theoresierte Anja. „Eher im zweistelligen Bereich“, bestätigte Nina. „Ihr wollt mich verkohlen. Das ist unmöglich“, protestierte Ethan. „Nun. Wir finden es nur heraus wenn wir es öffnen." Wenigstens in dem Punkt stimmte er mit den beiden Frauen überein. Leila und Jonas hielten sich bedächtig im Hintergrund.
Entweder war die Aufregung über den Fund so groß und überwältigend oder sie wollten einfach nichts dazu sagen. Ein kurzer Blick zum Hühnen erfolgte. Bei ihm wohl eher die zweite Möglichkeit. „Gib mir mal das Messer“, bat Nina. Kommentarlos öffnete Leila den Rucksack und drückte ihr das Taschenmesser in die Hand. Dann folgte ein vorsichtiger Schnitt. Ein Zischen ertönte. In Windeseile füllte sich die Folie mit Luft. Nach wenigen Augenblicken war das Schauspiel vorrüber, so dass Hina das Pad herausziehen konnte. „Das ist eine große Farce. Glaubt es mir“, brummte Ethan sichtlich enttäuscht. Es gab einfach keine Erklärung für das technische Gerät an so einem Ort. Die Analyse der Fakten war auch eindeutig. Zu keiner Zeit in der Geschichte der Menschen gab es die Möglichkeiten so ein Gerät zu entwickeln. Erst in den letzten Jahren geriet das Gerät mehr und mehr an Bedeutung.
Somit blieb nur eine Erklärung übrig. Anna und Jonas sagten die Unwahrheit. Es musste einfach jemand hier gewesen sein. Aber sie machte einfach nicht den Eindruck einer Lügnerin. Geschweige denn Jonas, der einfach nur mit leerem Blick die Gruppe im Auge behielt. „Verdammt. Das Mistding geht einfach nicht an." Fluchend legte Nina das Gerät auf Seite. „Lass mich mal sehen“, murmelte Ethan und nahm das technologische Wunderwerk an sich. Er kannte sich ein wenig mit den Geräten aus, da ein paar seiner Freunde aus Schulzeiten die Dinger mit in die Schule nahmen. Und wie das so ist, war Ethan irgendwann gezwungen mitzuziehen und sich selbst so ein Teil zuzulegen samt meterdicker Anleitung. Meistens lagen die Defekte an leeren Akkus oder beschädigten Komponenten. Beides schied in diesem Fall aus. Das Pad wirkte dank der Versiegelung wie neu. Seufzend fuhr er mit den Hände über den Bildschirm hinweg, als plötzlich das Display anging. „Was ist jetzt passiert?“, fragte Anja erschrocken. „Es ist irgendwie angegangen“, stammelte Ethan, während der Ladescreen aufklappte. Kurz darauf erschien eine Windowsoberfläche mit nur einer einzigen Datei darauf. Zögerlich rollte er den Mauszeiger darauf und bestätigte. Ein Video startete. Neugierig rückte Nina an Ethan heran, der völlig schweißnass, versuchte das Bild gerade zu halten. „Das ist doch die Kammer aus Paris“, rief sie erschrocken auf. Tatsächlich zeigten die ersten Sekunden die unberührte Grabkammer, ehe ein Wackler durch das Video fuhr und sich zwei Menschen ins Bild gesellten. „Anja, Ethan. Wenn ihr das hier seht. Ist noch nicht alles zuspät." Erschrocken starrten die Angesprochenen einander an. Das da in dem Video waren doch sie selbst?..........................................
Fortsetzung folgt
Langsam fuhr der schwarze Mercedes in die Tiefgarage ein. „Guten Morgen Doktor Schneider“. Lächelnd beugte sich der Wachmann an der Schranke zu ihm hinunter. „Den wünsche ich ihnen auch. Haben sie heute wieder mal die Frühschicht?“. Zügig kramte er in seiner Anzugjacke nach der Karte für die Schranke. Wo war denn bloß das verdammte Mistding. Hoffentlich lag es nicht noch zu Hause auf den Tisch.
Ungläubig schüttelte Schneider den Kopf. Nein. Auf keinen Fall. Dann hätte seine Frau schon längst das Handy missbraucht um ihn anzurufen. „Wie immer. Haben sie Probleme?“. Erleichtert griffen die Hände nach der Chipkarte und schoben es durch das offene Fenster. „Immer diese Unordnung“, grummelte Schneider, während der Wachmann mit einem Lesegerät hantierte. Sekunden später ertönte ein Piepton und die Schranke fuhr hoch. „Alles in bester Ordnung. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Tag“. „Gleichfalls“, bedankte sich Schneider und setzte das Gefährt wieder in Bewegung.
Müde stoppte er schließlich an dem markierten Parkplatz. Hoffentlich hatte Elise schon den Kaffee fertig. Ohne die nötige Portion Koffein, würde es ein verdammt langer Tag im Büro werden. Aber so wie er sie kannte, waren Sorgen hier völlig unangebracht. Seit zwei Jahren arbeitete sie nun schon als Assistentin für ihn und das mit großen Erfolg. Die Frau war einfach ein Naturtalent in ihrem Fach und verstand es ihm Tag für Tag stetig zu überraschen und zu umsorgen. Ein Glück das die eigene Frau angesichts solcher Fürsorge nicht noch eifersüchtig wurde.
Zügig fuhr der Lift die drei Dutzend Stockwerke hinauf. „Sie haben das 36. Stockwerk erreicht. Willkommen“, dröhnte es aus dem Lautsprecher, während die Glastür zu den Büroräumen aufschwang. „Guten Morgen zusammen“, grüßte er in die kleine Runde. „Morgen Chef“, antworteten die vier Angestellten an ihren Computern. „Wir haben einen wichtigen Tag vor uns. Ich hoffe, sie sind alle hochmotiviert“. „Doktor Schneider. Auf ihrem Schreibtisch liegen ein paar Dokumente die unterzeichnet werden müssen“. „Das fängt ja schon gut an“. Mit einem gequältem Lächeln auf den Lippen trat er an die junge Bürodame vorbei den Gang entlang, an dessen Ende sich sein Büro befand. „Ist denn Elise schon da?“ Keine Antwort erfolgte. Komisch. Normalerweise war sie immer die erste im Büro. Das war eindeutig untypisch für das junge Ding.
Mit einem flauen Gefühl im Magen öffnete er die Türe. Wie zu erwarten war, erspähten die Augen erst einmal das sauber aufgeräumte Büro. Ein sauberer Glasschreibtisch, ein passender Stuhl sowie der hochgefahrene PC ließen darauf schließlich das Elise doch irgendwo sein musste. „Elise?“ Fragend blickte Schneider sich in dem Glaskasten um. Draußen war es noch dunkel. Einzig und allein 3 Lampen ließen den Raum erstrahlen. Irritiert landete der Aktenkoffer auf dem Tisch. „Elise? Sind sie da?“. Immer noch keine Antwort. Wo war die denn bloß? Zielstrebig trugen ihn seine Füße ins Labor, das direkt am Büro angrenzte. „Da sind sie ja!“. Erschrocken fuhr der kleine Kopf mit dem roten Zopf nach oben. Die Brille hing mal wieder auf Halbmast. „Doktor Schneider. Ich habe sie gar nicht gehört“, entschuldigte sich Elise. „Kein Problem. Ist alles in Ordnung?“ Besorgt trat er einen weiteren Schritt in den Raum hinein, auf die Arbeitplatte zu, wo schon dutzende von Papierbögen lagen. Ein Rechenschieber und ein PC, auf dem gerade eine Berechnung durchgeführt wurde. „Ich wurde bereits früh von einem Kollegen geweckt. Ich habe wohl die Zeit vergessen, wie es aussieht“, seuzfte sie angesichts der Uhr über der Tür. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Worum geht es denn?“, fragte Schneider. „Er sagte irgend etwas von ein paar komischen Daten, die letzte Nacht von den Satelliten aufgenommen wurden. Ich sollte da mal drüber schauen und sie bestätigen“, erklärte Elise. „Und?“, bohrte Schneider nach. „Das könnte ein Problem werden. Der PC hat die Daten zwei mal überprüft“. Unsicher schoben ihre Hände den Monitor herum, auf dessen Oberfläche mehrere Punkte rot blinkten. Eine Linie ging von den Lichtern aus, die direkt bei einer blauen Kugel endete.
Grübelnd sank sein Körper auf einen Stuhl. „Wie sicher sind die Berechungen?“. „Zwei Mal dasselbe Ergebnis“, seufzte Elise, die es ihm gleichtat. Ratlos blickten die Zwei einander an. „Wie lange noch?“. „Wenn sämtliche Gleichungen stimmen zwei Monate, plus die üblichen Schwankungen. „Wir sollten das ganze noch ein drittes Mal überprüfen. Ich will da ganz sicher gehen“, erklärte Schneider, als plötzlich ein Schuss ertönte. „Was zum Teufel....?“ Es folgten weitere Schüsse und das entsetzliche Schreien der Männer und Frauen aus dem Vorraum. „Seht mal dahinten nach“, befahl eine rauhe Männerstimme. „Sind das etwa Terroristen?“, flüsterte Elise ängstlich. „Nicht mal im Ansatz“. Schnell rannte Schneider los und kehrte Sekunden später mit der Aktentasche zurück. „Elise. Sie müssen diese Person auf jeden Fall erreichen“. „Was reden sie da für einen Unsinn? Was geht denn hier vor“, stotterte sie. „Das kann ich ihnen jetzt nicht erklären. Nehmen sie den Notausgang. Schnell !“. Zügig drückte die Hände ihr einen Umschlag zu. „Ich kann sie doch nicht alleine lassen“, stammelte Elise. „Sie können nichts tun. Der Inhalt ist viel wichtiger. Also los. Ich werde ihnen etwas Zeit verschaffen“, erklärte Schneider. Seine Assistentin nickte zustimmend und rannte los, während mit einem gewaltigen Knall die Tür aufflog. „Das sie die Anderen töten, war völlig unnötig“. Selbstbewusst stand Schneider auf und blickte zu dem maskierten Mann herüber, der mit einer Pistole bewaffnet deutlich im Vorteil wahr.
Aber das war jetzt auch egal. Es gab nur ein Ziel. Elise Zeit zu verschaffen. Am besten jede Menge davon. „Wo ist der Umschlag“. „Ich habe keine Ahnung wovon sie da reden“, antwortete Schneider trocken. Ein Schuss ertönte. Der Körper zuckte zusammen. Das Herz blieb beinahe stehen. Der PC neben ihm war nur noch ein Haufen Schrott, der rauchend vor sich hin brutzelte. Das war knapp. Er durfte ein paar Sekunden länger leben. „Der nächste Schuss geht nicht daneben“. Langsam taumelte Schneider zwei Schritte zurück. Wie konnte Sektion Zwölf ihn nur so schnell ausfindig machen? Irgendwo musste er einen Fehler gemacht haben. Oder hatten sie etwas die Kommunikation abgehört?
Verdammt! Alles nur wilde Theorien. Das hier und jetzt zählte. Elise war mit dem Umschlag auf und davon. Die Chancen, das der Typ vor ihm sein Leben verschonte ging eigentlich gleich Null. Aber das war auch egal. Schneider wusste welche Gefahren die Aufnahme in den Rosenorden mit sich brachte. Daher war er auch vorbereitet im Gegensatz zu seiner Assistentin. Sie wurde mit einem Schlag in eine völlig neue Rolle hinein geworfen. In einen geheimen Krieg, der schon Jahrhunderte andauerte.
Hoffentlich würde ihr das nicht alles über den Kopf wachsen. „Ein letztes Mal. Wo ist der Umschlag“. „Ich sagte ihnen doch, das ich keine Ahnung habe, wovon sie da eigentlich reden“, protestierte Schneider ehe plötzlich ein gewaltiger Schmerz durch sein Oberschenkel fuhr. Blut spritze umher und tauchte die Glastische in dunkles Rot. „Ich werde ihnen nichts sagen“. Mit schmerzverzehrtem Blick hielt er sich das rechte Bein, während der restliche Körper auf den Stuhl sackte. „Warum wollen sie für so etwas sterben?“, fragte sein Henker. „Weil es einfach Dinge gibt, für die es sich zu sterben lohnt. Abgesehen davon habt ihr einfach nicht das Recht dieses Dokument zu besitzen“, fluchte Schneider. „Schade. Wir werden hier alles auf den Kopf stellen. Nach ihrem Ableben“. „Tun sie was getan werden muss. Ich habe mein Ziel erreicht“. Ein weiterer Schuss ertönte, gefolgt von einer kurzen Schmerzenswelle und Stille............
Verdammt! Warum hatte sie ihn bloß alleine gelassen? Mit dem Umschlag in der Hand hastete sie regelrecht die Fluchttreppe nach unten in der Hoffnung, das da bloß keine schießwütigen Kerle warteten. Ein letzter Griff zur Tür und ehe Elise sich versah stand ihr Körper am Hintereingang des Gebäudes.
Zu Ihren Füssen erstreckte sich eine kleine Parkanlage mit vielen Wiesen und einigen Bäumen, sowie Bänken, die für die Pausen genutzt wurden. „Keine Zeit, Keine Zeit“, ermahnte sich Elise selbst zur Eile und rannte los, den Steinpfad entlang, bis sie außer Atem die Parkbucht erreichte. Kurz inne halten, gefolgt von einem Rundblick. Nichts! Keine bösen Jungs zu sehen. Das war die Chance, um vom Gelände zu entkommen. Zügig nahm sie Tempo auf und eilte zu ihrem Wagen herüber, während die rechte Hand den Schlüssel hervorzog. „Schnell, Schnell“. Mit wenigen Handgriffen entriegelten sich die Türen und der Körper verschwand im Auto. Hoffentlich war es das auch alles wert. Missmutig fiel der Blick auf den Umschlag in der anderen Hand auf dem nur ein einziger Name stand: Nina Stanfield.............
Texte: Sven Troester
Lektorat: Sven Troester
Tag der Veröffentlichung: 14.10.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich vor allem meiner Familie und Freunden, die mir stets immer zur Seite stehen mir die Kraft geben, dieses Projekt in Angriff zu nehmen