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Traummann - Gefunden ohne zu suchen

„Wieso kannst du nicht ein bisschen mehr so sein wie Mr. Darcy?“, fragt mich Franziska, während sie mit mir auf dem Sofa kuschelt und wir zum gefühlten 100. Mal gucken wie Mr. Darcy und Elizabeth Bennet sich von Vorurteilen leiten lassen.

Mürrisch sehe ich sie an. „Du willst also, dass ich ein Arschloch werde?“

„Mr. Dary ist doch kein Arschloch!“, ruft sie empört aus und drischt mit dem Sofakissen auf mich ein. „Er ist ein Gentlemen. Er hat Manieren, die man bei dir erst vergeblich suchen muss. Er ist gescheit und auch noch sehr attraktiv!“

„Du meinst wohl den Schauspieler. Der Typ ist doch nur reine Fiktion.“ Verächtlich lächele ich Franzi an.

„War ja klar. Du wirst es niemals verstehen! Weil du einfach blöd bist!“, murrt sie eingeschnappt und mit knallrotem Gesicht. Wow, wenn sie mich doch auch einmal so in Schutz nehmen würde. Ich bin immerhin ihr Freund, aber an mir lässt sie absolut kein gutes Haar aus.

„Stimmt, er ist ein toller Kerl. Vielleicht sollte ich mir so einen Typen angeln?“ Ich linse zur Seite. Franzi schnappt empört nach Luft. Eigentlich bin ich bi und damit bringe ich meine Freundin gerne mal auf die Palme. Sie hätte es nämlich lieber, wenn ich ein stinknormaler Hetero wäre. Kein Arschficker wie sie es gerne hinter meinem Rücken bei ihren Freundinnen ausdrückt. Wenn sie wüsste was ihr entgeht. Von hinten nehmen ist ja ein absolutes No-Go in unserer Beziehung und wenn ich von anderen Männern rede, geht sie meist sofort an die Decke.

Wieso ich also mit so einer Frau zusammen bin, die mich liebt und gleichzeitig verachtet? Tja, das ist eine sehr gute Frage. Die Antwort darauf suche ich immer noch. Wahrscheinlich, weil ich einfach kein Single sein will. Singledasein ist blöd. Man wird von allen bemitleidet und auch wenn man sich die ganze Zeit vormacht, alleinsein wäre cool, hätte man halt ab und an doch ganz gerne jemanden an der Seite. Franzi kam, sah und blieb.

Ahnt ja keiner, dass sie ein kleines Ekelpaket voller Vorurteile ist. Na ja, wenn ich den Mund halte, ist es auszuhalten, aber in letzter Zeit ist es eben doch sehr anstrengend mit ihr, auch wenn der Sex die Sache wieder ausgleicht. Ich bin halt auch nur ein Mann.

„Vielleicht sollten wir beide uns einen Gefallen tun und uns unseren Mr. Darcy suchen?“, schlage ich unvermittelt vor und sehe mir den Abspann an.

„Wie meinst du das jetzt wieder? Bist du beleidigt?“, fragt sie skeptisch und sucht meinen Blick. Ich erwidere ihn und verziehe meinen Mund zu einer Grimasse. „Ich bin nicht beleidigt, aber mal ehrlich, Franzi. Wie lange wollen wir uns noch etwas vormachen? Wir sind nun mal kein Traumpaar wie die beiden da!“ Demonstrativ deute ich mit dem Finger auf die DVD Hülle.

„Und deswegen sollen wir uns trennen?“ Skeptisch blickt Franzi mich an.

„Du schaust auf mich herab. Glaubst du das merke ich nicht? So langsam habe ich die Faxen dicke. Ich bin auch nur ein Mensch mit Fehlern und Macken. Ich bin nun mal nicht so perfekt wie dein ach so toller Mr. Darcy. Krieg das mal in dein Spatzenhirn! Solche Männer gibt es einfach nicht.“

Ich stehe vom Sofa auf und laufe in die Küche um mir aus dem Kühlschrank eine Bierdose zu holen. Ich öffne die Lasche und trinke einen großen Schluck.

„Du hast mir nicht geantwortet, Thomas.“ Franzi kommt zu mir in die Küche. Ich schließe kurz die Augen und wende mich ihr zu.

„Ich will mich von dir trennnen. Ich hab es satt. Weißt du, es ist meine Sache auf welche Weise ich mich vögeln lasse und ja ich stehe drauf in den Arsch gefickt zu werden!“

Franzi schnappt nach Luft und sieht mich wütend an.

„Ja, ich habe gelauscht, aber du warst auch nicht gerade diskret. Ich bin ein Mensch, ein ganz normaler Mensch wie jeder andere auch und es ist verdammt noch mal meine Sache mit wem ich mein Bett teile. Ob Mann oder Frau, dass geht nur mich was an, klar?! Nicht deine Freunde! Ich habe diese ganze Scheiße mit hetero, bisexuell oder homosexuell so satt! Ich bin ein Mensch verdammt noch mal und keine sexuelle Vorliebe! Fang endlich mal an mich als so anzusehen wie ich eben bin!“, schnauze ich Franzi an.

Sie presst wütend und brüskiert ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.

„Weißt du was? Ich glaube, ich schlafe heute Abend bei Devin. Ich ertrage dich heute einfach nicht mehr!“

„Thomas!“, schreit Franzi mir hinterher als ich ihr einfach die Dose in die Hand drücke und an ihr vorbei laufe. Das Gespräch ist für mich beendet. Ich will einfach nur noch hier weg!

 

***

 

„Was willst du hier?“, brummt Devin und steht lediglich in Boxershorts vor mir an der Haustür. Ich habe ihn aus dem Bett geklingelt und das nimmt er mir äußerst übel.

„Ich habe mich von Franzi getrennt. Ich musste da einfach weg.“ Mit Sack und Pack stehe ich vor der Tür meines besten Freundes und sehe ihn hilflos an. Der wirkt wenig begeistert und rümpft die Nase. Sein Blick gleitet über meine Sachen, dann gibt er sich einen Ruck. „Gut, komm rein.“

Er hilft mir den ganzen Kram ins Haus zu schleppen und schlurft ins Schlafzimmer. „Da nicht rein“, meint er als ich imstande bin ins Wohnzimmer zu treten um dort zu kampieren. „Wieso nicht?“, frage ich verdattert.

„Da schläft der neue Untermieter bis wir in seinem Zimmer fertig gestrichen haben. Drüben riecht es noch nach Farbdämpfen.“

„Ach so?“ Verwundert sehe ich zur Wohnzimmertür und laufe Devin hinterher. Er lässt sich einfach ins Bett fallen. Etwas fehl am Platze bleibe ich im dunklen Schlafzimmer stehen. Schließlich überwinde ich meine Unsicherheit und steige zu Devin ins Bett.

Ich schmiege mich ins Kissen und spüre seinen Atem in meinem Gesicht. Ich würde mich ja gerne noch zudecken was etwas kompliziert ist, weil die Schlafmütze sich einfach draufgeworfen hat. Also muss es so gehen. Ohnehin kann ich nicht sofort einschlafen. Ich drehe mich auf den Rücken und starre an die dunkle Zimmerdecke.

Ich fühle mich ein wenig befreit. Es war längst fällig mal mit Franzi tacheles zu reden. Sie kann sich nun mal nicht alles erlauben und ich habe die ständigen Demütigungen meiner Freundin satt.

Devin wälzt sich auf die Seite und dreht mir dabei seinen breiten den Rücken zu. Meine Hand greift vorsichtig nach einer Haarsträhne und zupft kaum merklich daran.

„Danke, dass du mich hier pennen lässt...“, murmele ich.

Davin brummt.

Lächelnd schließe ich die Augen und versuche doch noch ein paar Stunden Schlaf zu finden.

 

***

 

Am nächsten Morgen strecke ich mich ausgiebig und spüre einen Kopf an meiner Seite. Franzi? Nein, Devin. Sein Arm liegt über meinem Bauch, sein Gesicht drückt sich in mein Shirt, nahe der Hüfte. Mit ausgestreckten Armen bleibe ich im Bett liegen.

Was mache ich jetzt? Eine Nacht bei Devin ist ja ganz okay, aber ich glaube nicht, dass er mich auf Dauer aufnehmen würde. Er scheint ja schon einen Untermieter zu haben. Apropos...

Neugierig befreie ich mich aus Devins Griff und erhebe mich vom Bett. Auf leisen Sohlen tapse ich durchs Schlafzimmer, hinüber in den Flur und zum Wohnzimmer. Leise öffne ich die Glastür und werfe einen Blick in den großen mit Morgenlicht durchfluteten Raum. Der Couchtisch steht vorgeschoben direkt vor dem Schrank in dem der Fernseher steht. Das Sofa ist ausgezogen und mein Blick fällt auf einen nackten Männerkörper.

Mit hochgezogenen Augenbrauen lasse ich meinen Blick über den Leib des Fremden gleiten und pfeife beinahe anerkennend. Nicht schlecht, wirklich gar nicht mal so übel.

Der fremde Schönling hat dunkle braune Haare. Dichtes, volles Haar. Ein strammer und muskulöser Körper und einen knackigen Arsch. Gut, er ist kein Muskelpaket, aber wenigstens hat er überhaupt was zu bieten.

„Was machst du da?“, flüstert Devin auf einmal hinter mir und zerrt mich von der Tür weg.

„Hübscher Untermieter.“ Grinsend folge ich Devin in die Küche. „Hat er auch einen Namen?“

„Ja, Dirk.“ Okay, weniger hübscher Name. Klingt langweilig.

Ich lehne mich an die Küchentheke und sehe zu wie Devin Kaffee aufsetzt. Ich blicke in seine blauen Augen und tue das solange, bis er mir endlich seine genervte Aufmerksamkeit schenkt. „Was?“

„Ich weiß nicht wie schnell ich eine Bude finde...“ Mit klimpernden Wimpern sehe ich ihn an. Devin grummelt und weicht meinem Blick aus.

„Nur ein paar Nächte!“ Ich halte mir die Hände vors Gesicht als würde ich beten wollen.

Devin beißt sich auf die Unterlippe. „Ich habe keinen Platz für dich. Das Gästezimmer ist vergeben.“

„Dann schlafe ich bei dir.“

Devin hält inne und mustert mich.

„Was ist?“, frage ich unwissend.

„Nichts...“, brummt er und stellt eine Tasse in die Kaffeemaschine. Der gefilterte Kaffee fließt in die Tasse.

Ich verziehe mein Gesicht und dränge mich zwischen Devin und die Kaffeemaschine. Dicht an dicht stehen wir zusammen und blicken uns mit grimmiger Miene an. Ich, weil ich wissen will was er zu sagen hat und Devin, weil er so keinen Kaffee machen kann. Und wehe, er bekommt morgens keinen Kaffee! Dann sollte man ihm besser schleunigst aus dem Weg gehen!

„Was 'nichts'?“, hake ich hartnäckig nach und betone das Wort.

Devin seufzt. „Ich kenne dich. Egal wo du bist, nach einer Weile sieht es aus als hätte eine Bombe eingeschlagen! Du hilfst nicht im Haushalt mit und lässt dich gehen, wenn etwas nicht nach deiner Schnauze läuft.“ Devin stemmt sich mit beiden Händen seitlich von mir an der Küchentheke ab. „Oder irre ich mich da etwa?“, fragt er mich ernst.

Ich ziehe einen Schmollmund und sehe auf sein sehr interessantes Sixpack. „Na ja...“ Ganz unrecht hat er nicht. Ich schlucke und kräusele die Lippen wie eine Ente. Devin packt meine Lippen und zwingt mich aufzusehen. „Wflasch dasch...“, murre ich.

„Du räumst deinen Kram auf. Du bist ordentlich und hilfst hier im Haushalt mit. Wenn du hier die faule Sau raushängen lässt, setze ich dich sofort auf die Straße! Hast du verstanden, Tommy?“

Ich nicke artig. Devin lässt von meinen Lippen ab und sofort fahre ich mit meinen Fingern über meinen Mund. „Nächstes Mal beiße ich dich mit meinem Schnabel.“ Schmollend sehe ich Devin an. Der lacht. „Ja, klar. Nächstes Mal.“ Er packt mich an der Hüfte und schiebt mich aus dem Weg.

„Morgen, Leute.“ Ein verwunderter angekleideter Untermieter steht in der Tür. Dirk. Von hinten hübsch anzusehen, von vorne eher weniger. So gar nicht mein Geschmack wie ich bemerke. Er hat eine hohe Stirn, frühe Glatzenbildung. Nicht so mein Ding. Ansonsten sieht er aber ganz nett aus.

„Hi, ich bin Thomas. Ich bleib einige Tage hier.“

„Ach so?“ Dirk wirkt immer noch etwas irritiert und sieht zu Devin, der lediglich mit den Schultern zuckt.

„Woher kennt ihr euch denn?“, fragt er neugierig und setzt sich an den Küchentisch.

„Ich habe Devin mal von einer Party abgeschleppt und ihn genagelt.“ Breit grinsend kassiere ich einen Boxhieb gegen den Oberarm von meinem besten Freund. „Er war so betrunken, dass er gar nicht wusste wie ihm geschah.“ Ich linse zu Devin, der mürrisch auf den Kaffeebecher sieht und ihn mit Milch füllt. „Zumindest scheint es ihm gefallen zu haben.“

„Ihr seid schwul?“, fragt Dirk mit großen Augen.

„Nee, er nicht, aber ich. Bei ihm war es eher so ein hoppla, da ist was in mich gefahren, fühlt sich gut an, aber jetzt nimms wieder raus.“ Lachend bringe ich mich vor Devin in Sicherheit.

„Ich setze dich doch noch vor die Tür!“, brummt er und ist ein wenig rot um die Ohren. Scheint ihm immer noch peinlich zu sein.

„Und du?“, frage ich Dirk und setze mich munter ihm gegenüber an den Tisch.

„Na ja, meine Mutter hat mich rausgeworfen. Da musste ich mir etwas Neues suchen.“ Dirk zuckt mit den Schultern und lächelt verlegen. Aha, so einer ist das wohl. Er lässt sich gerne Zuhause verhätscheln um nur ja keinen Finger zu rühren. Erinnert mich an mich.

Ich stütze mein Kinn auf die Hand und schaue zu Devin. Der lehnt jetzt dort wo ich bis eben noch stand und trinkt seinen Kaffee mit viel Milch. Unsere Blicke verweilen aufeinander, dann wende ich den Blick ab.

„Und was machst du? Arbeitest du?“

Dirk nickt. „Ich arbeite als Schlosser.“

„So, so...“, meine ich langgezogen. Mir fällt eine Bemerkung ein, die ich aber lieber für mich behalte. Ich will Dirk ja nicht gleich ganz vergraulen und ich will auch nicht als Perversling dastehen.

„Arbeitest du auch?“

„Joa, kann man so sagen.“ Ich lächele und habe nicht im Geringsten vor ihm zu sagen, dass ich mir nur einfache Jobs suchen kann, da ich keine Ausbildung genossen habe. Wieso habe ich überhaupt erst angefangen danach zu fragen und wieso wollen alle Leute immer gleich wissen was man arbeitet? Geht es da auch nur wieder um Vorurteile á la, wenn du einen schlechteren Job hast als ich, gebe ich mich lieber nicht mit dir ab, weil du nichts wert bist und es ja eh nie zu etwas bringen wirst?

„Ich gehe mal nach nebenan und packe mein Zeug aus.“ Ich erhebe mich von meinem Platz und flüchte in den Flur um meinen Krempel in Devins Zimmer zu schleppen.

Der kommt auch kurz darauf zu mir und lässt sich auf dem Bett nieder. Er guckt mir eine Weile wortlos beim Auspacken zu.

„Sorry, ich wollte nicht damit anfangen. Mein Gehirn war langsamer als mein Mund.“

„Ja, dein Mund ist in vielen Dingen sehr schnell...“, meint Devin.

Ich halte inne und sehe zu ihm auf. „Du kannst nicht gerade sagen, dass es dir damals nicht gefallen hat.“

„Das bestreite ich auch gar nicht.“

Ich senke den Blick und lasse seufzend, das gerade aus der Tasche gezerrte Shirt auf meinen Schoss sinken. „Du willst mich nicht hier haben.“

Devin schweigt.

„Nur ein paar Tage, bitte! Ich finde schon was.“ Flehend sehe ich ihn an.

Devin verzieht sein Gesicht. „Wir schlafen in einem Bett.“

Verwirrt sehe ich ihn an, dann auf das große Doppelbett. „Ja und?“, frage ich irritiert.

Devin sieht mich abwartend an. „Ich kenne dich, du kannst deine Hände nicht lange bei dir behalten.“

Ich schneide eine Grimasse und weiche seinem Blick aus. Was soll man denn machen, wenn ein toller Körper neben einem liegt? So ein bisschen fummeln tut doch nicht weh.

Ich zerknülle mein Shirt zwischen den Händen und bemerke nur am Rande, dass Devin aufsteht. Seine Hand streicht mir kurz durch die Haare als er das Zimmer verlässt.

Nanu, was ist das denn gewesen?

Ich lange hinauf zu meinen Haaren und sehe ihm hinterher. Was sollte denn diese Geste?

Keine Ahnung wie ich das nun wieder interpretieren soll, also lasse ich es ganz bleiben und kümmere mich um mein Gepäck.

 

***

 

Ich size im Badezimmer auf dem Klodeckel und wedele mir geschäftig einen von der Palme. Wo soll ich das auch sonst machen?

Grüblerisch sehe ich in mein Spiegelbild. Na ja, die Haare. Mehr davon ist im Augenblick nicht zu sehen.

Ich brauche nicht nur dringend eine Wohnung, sondern auch Sex. Soviel ist sicher. Ich kann nicht dauernd um Devin herumschleichen und Dirk steht einfach nur auf dem Schlauch. Einmal habe ich ja versucht ihn anzubaggern, aber das war ein Griff ins Klo. Der Typ springt so gar nicht auf meine Masche an.

Die Tür geht auf und entsetzte Gesichter schauen sich an. Perfektes Timing. Ich komme und Devin ebenfalls. Nur steht der jetzt ziemlich bedröppelt in der Tür und guckt auf meine Zauberflöte die fröhlich mit Sperma nur so um sich wirft.

Knallrot im Gesicht hocke ich auf dem Klo und schaue mir das Desaster an.

„Ich komme später noch mal wieder...“ Devin schließt diskret die Tür und mit heftig pochendem Herzen schaue ich wie paralysiert auf meine schlaffe Banane.

Scheiße war das peinlich!!!

Hastig säubere ich mich und wasche mir die Hände. Ich spritze mir das kalte Wasser ins Gesicht, nur bekomme ich die Röte einfach nicht weg.

Beschämt trockne ich mich mit einem Handtuch ab und stolziere wie eine Marionette durch das Haus auf der Suche nach Devin. Dirk sitzt im Wohnzimmer und guckt sich einen Film an.

Ich suche das Schlafzimmer auf und finde Devin darin vor. Vornübergebeugt sitzt er am Bettende auf der Kante und fährt sich mit der Hand über den Nacken. „Bist du fertig?“, fragt er.

Ich nicke und lasse mich neben ihm nieder. Mein Blick schweift durch das Zimmer.

Ich höre etwas leise Klackern. Devin lutscht auf einem Bonbon herum. Tut er immer, wenn er nervös ist. Seit er mit dem Rauchen aufgehört hat.

Die Stimmung ist angespannt, aber irgendwie auch ein klein wenig elektrisierend.

„Devin?“, frage ich in die Stille hinein.

„Hm?“, brummt er.

„Ist es schlimm, wenn ich meine Finger nicht bei mir behalten kann?“, frage ich zögernd.

„Weiß nicht...“, kommt es vage von ihm.

„Wenn ich sie jetzt nicht bei mir behalten kann?“

„Weiß nicht...“, wiederholt er.

Zögernd lege ich ihm meine Hand auf den Oberschenkel. Ich spüre den rauen Stoff seiner blauen Jeans. Devins Zähne klacken auf den Bonbon. Langsam streiche ich sein Bein entlang. Er zieht scharf die Luft ein. Meine Hand wandert zu seinem Innenschenkel und in den Schritt. Devin hält den Blick gesenkt, so dass ich ihm nicht ins Gesicht sehen kann.

Ich rutsche näher an ihn heran, spüre seinen Körper an meinem und neige den Kopf vor. Ich rieche sein Shampoo und Aftershave. Er riecht so herrlich nach Mann.

Mit der Nase stupse ich gegen seinen Nacken. Der betörende Geruch macht mich ganz kribbelig. Devin atmet hörbar aus.

Unerwartet packt er mein Handgelenk, drückt meine Hand weg und flüchtet aus dem Raum. Überrumpelt bleibe ich zurück und sehe zur Tür. Schöner Mist. Soll wohl einfach nicht sein.

 

***

 

Ich liege im Bett und lausche Devins Stöhnen. Er denkt ich schlafe noch, tue ich nur nicht, während er bei sich Hand anlegt. Er gibt sich ja Mühe leise zu sein, aber so richtig will es ihm nicht gelingen. Zu meinem Ärger wird mein kleiner Freund munter.

Die Misere an der ganzen Sache? Mehr oder weniger gewollt scharwenzeln Devin und ich umeinander herum seit diesem Ausrutscher damals, aber keiner von uns hat sich je richtig getraut den ersten Schritt zu machen. Schließlich habe ich mich in die Beziehung mit Franzi geflüchtet und es lief auch ganz gut soweit, bis ich einen Schlussstrich gezogen habe. Jetzt geht es wieder von vorne los. Devin und ich. Und sein Mitbewohner Dirk.

Der platzt nämlich gerade ins Zimmer und zerstört mir den schönen Moment. Ich stelle mich schlafend.

„Was ist?“, grummelt Devin gereizt.

„Der Fernseher ist irgendwie schrott.“

Devin seufzt und erhebt sich vom Bett. Zusammen verlassen sie das Zimmer. Ich nutze die Gelegenheit und krieche wie eine Schnecke auf Devins Seite. Quer auf dem Bett liegend kuschele ich mich in die warmen Laken und schließe genießerisch meine Augen. Es riecht nach ihm.

 

***

 

Dirk und ich sitzen trauernd vor dem Fernseher.

„Jetzt stellt euch nicht so an! Der ist nur kaputt! Nächsten Monat haben wir genug Zaster um einen Neuen zu kaufen!“, murrt Devin und steht zwischen Tür und Angel. Er stemmt die Hände in die Seiten und schüttelt den Kopf.

„Er war unser bester Freund!“, jammere ich leidend.

„So viele Stunden pure Unterhaltung...“ Dirk, tief betrübt, seufzt herzerweichend.

„Keine Fußballübertragrungen mehr.“

„Keine Erotikwerbung am Abend.“

„Und die ganzen Serien die wir verpassen.“

Mit bedauernden Blicken sehen wir Devin an. Der seufzt genervt. „Ein paar Tage überlebt ihr schon.“

„Tun wir das?“, frage ich Dirk. Der wiegt den Kopf bedächtig von einer Seite zur anderen. „Das wird eine harte Zeit.“

 

***

 

Damit soll er sogar recht behalten. Zu unserem Erstaunen kehrt die Zeitung wieder ins Haus ein. Liest hier eigentlich keiner, weil Nachrichten bisher eher durch den Fernseher konsumiert worden sind. Morgens gibt es also Zeter und Modio am Frühstückstisch, wer denn jetzt welchen Teil bekommt und dann geht es reihum.

Kein Fernsehen mehr, also will jeder an den Laptop. Der einzige im Haus. Was heißt: es gibt Kloppe. Der Stärkste überlebt und das ist Devin. Schließlich gehört das Gerät ihm auch, also müssen Dirk und ich stundenlang warten bis wir endlich mal zum Zug kommen.

Ohne Fernseher müssen wir uns mit uns selbst beschäftigen. Also kramen wir die alten Spiele hervor, vornehmlich Kartenspiele, zocken Durak und besaufen uns regelmäßig Abends. Ein tolles russisches Trinkspiel bei dem es keinen Gewinner gibt, sondern nur einen Verlierer auf den die nächste Runde Vodka geht.

Und wenn man nichts mit sich anzufangen weiß, sofern man nicht in der Arbeit abhängen muss, wird die andere Person im Haus doch wieder sehr interessant. So fällt mir auf, dass Devin tagsüber wie ein Schlot Kaffee trinkt. Bei einer Tasse frühmorgens bleibt es nicht.

Seine Zigaretten hat er gegen Lutschbonbons ausgetauscht und hat praktisch ständig einen im Mund. Er ist also schwer beschäftigt, bitte nicht stören.

Mit der Sauberkeit nimmt er es bitter ernst. Liegt auch nur ein Hemd irgendwo herum sollte man besser nicht im Haus sein. Das könnte ein bitteres Nachspiel haben. Ich spreche da aus Erfahrung.

Wenn er denkt, dass ich in den Morgenstunden noch schlafe ist Devin am Wichsen und Abends geht er wegen seiner Arbeit vor mir und Dirk ins Bett.

Das einzige was er Dirk überlässt ist das Kochen und das kann der so richtig gut. Er arbeitet als Helfer in einer Restaurantküche und hat so einige praktische Kochtipps bekommen. Er selber will aber lieber Hobbykoch bleiben. Ist ihm zu anstrengend, meint Dirk, also so richtig hektisch in einem vollen Haus für zig Leute zu kochen. Kann ich mir gut vorstellen.

Zurück zu Devin.

Der wirkt nämlich etwas konfus. Liegt entweder an den Entzugserscheinungen unseres Fernsehers, möge er in Frieden ruhen oder an der Tatsache, dass ich ihn heute morgen splitterfasernackt im Bad überrascht habe. Ein sehr schöner Anblick übrigens.

Jedenfalls tigert Devin nun schon einige Zeit in der Wohnung herum und Dirk und ich geben uns alle Mühe so zu tun als sei alles völlig normal und dass Devin nicht im geringsten eine Sicherung durchgebrannt ist. Schließlich kommt er zu uns ins Wohnzimmer.

„Du bist schon zwei Wochen hier. Wie lange willst du denn noch bleiben?“, fragt er ohne Umschweife und richtet sich direkt an mich. Ich schlucke. Oh, da war ja noch was.

„Äh...“ Ganz schlau, mehr fällt mir dann aber auch nicht ein. Was soll ich sagen? Dass ich mich hier äußerst wohl fühle? Dass ich mir eine eigene Wohnunng im Prinzip gar nicht leisten kann? Dass ich mit Devin zusammen sein will?

„Ich bin noch auf der Suche?“ Klingt wie eine Frage.

Devin ist wenig angetan. Er wirkt ägerlich und verlässt das Zimmer. Mir bleibt nichts anderes übrig als Dirk sitzen zu lassen und meinem Freund nachzueilen.

Im Schlafzimmer sitzt er auf dem Bett und sieht mir wütend entgegen. „Du hast die ganze Zeit gar keine Wohnung gesucht!“

„Tut mir leid...“, gestehe ich geknickt. Mit der Zeit wird man halt ein wenig bequem, wenn sich nichts tut. „Ich kann mir eine Wohnung nicht leisten.“

„Hättest du mir das nicht mal früher sagen können? Außerdem gibt es doch Zuschüsse! Musst du nur beantragen!“, erwidert Devin forsch.

„Wusste ich nicht...“ Verlegen stehe ich im Zimmer und nestele an meinem Pullover. Plötzlich ganz kleinlaut.

Devin seufzt. „Was mache ich nur mit dir?“ Klingt als würde er mit einem Kleinkind sprechen. Irgendwie fühle ich mich jetzt aber auch so. Da ist wieder die Angst, dass er mich rauswirft.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und senke den Blick.

„Du hast ja nicht mal ein bisschen zur Miete beigetragen.“

„Sorry...“

Devin lehnt sich an die Rückwand des Bettgestells und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ist das alles? Mehr hast du mir nicht zu sagen?“

Ich druckse ein wenig herum und schaue aus dem Fenster. Na ja, zumindest würde ich es gerne. Es ist Abend und die Vorhänge sind bereits zugezogen.

Meine Lippen sind auf einmal ganz trocken und meine Kehle könnte jetzt auch einen Schluck Wasser vertragen.

„Thomas.“ Devin wartet immer noch auf eine Antwort.

Meine Hände fahren in den Nacken und verschlingen sich dort haltsuchend. Mein Blick landet auf dem Boden. „Ich zahle das zurück, also die Zeit die ich bisher hier gewesen bin.“

„Zusätzlich zu der Zeit die du noch bleibst? So viel Geld hast du doch gar nicht.“

„Ich kriege das schon irgendwie zusammen.“

„Ach und wie? Noch mehr Jobs?“, fragt Devin.

„Dann gehe ich halt nebenbei anschaffen...“, murre ich.

„Prima, dann kannst du hier gleich anfangen.“

„Hä? Was?“, verdattert sehe ich auf und direkt in seine Augen. Sollte wohl kein Scherz sein. Devin lacht nicht.

„Die Miete abarbeiten. Los, fang an.“

Noch immer etwas überrumpelt sehe ich ihn an.

„Tust du nur so oder bist du so blöd?“, murrt er und kriecht auf dem Bett zu mir. Er geht auf die Knie und ist ungefähr auf meiner Höhe. Unsere Gesichter trennen nur Zentimeter voneinander. Devins Hände legen sich auf meine Seiten. Ein leichtes Kribbeln durchflutetet meinen Körper und ein zaghaftes Lächeln umspielt meine Lippen.

„Ich habe sehr viel abzuarbeiten...“, raune ich ihm leise zu.

„Ja, dann wirst du noch eine ganze Weile bleiben müssen.“

„Darf ich dich wieder flachlegen?“, frage ich und lehne meine Stirn an seine. Meine Hände gehen bereits auf Wanderschaft und erforschen die warme Haut unter seinem Shirt.

„Ich wüsste nicht was dagegen spricht.“ Davin lächelt und überbrückt die letzten Zentimeter. Wir küssen uns gierig, als hätten wir seit Monaten nur auf diesen einen Moment gewartet.

Devin zieht mich aufs Bett, auf sich ohne unsere Lippen voneinander zu trennen. Ja, doch. Mit diesem Arrangement kann ich leben.

Das erste was ich morgen tun werde? Franzi anrufen und ihr sagen, dass ich meinen Traummann erobert habe.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.10.2014

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