Cover

Prolog: Aussichtslos?

„Ja, in einer halben Stunde ist der Termin. Wenn es klappt, bekomme ich den Job vielleicht... Dann kann ich dir und Paps das Geld schicken...“

Ich schaue aus dem Fenster des Busses und sehe wie die Stadt scheinbar an mir vorüber gleitet. Ich sehe zwar nach draußen, aber mit meinen Gedanken bin ich ganz woanders. Einzig das Handy an meinem Ohr und die Stimme meiner besorgten Mutter holen mich wieder in die Realität zurück.

„Ja, ich höre dir zu!“, erwidere ich lächelnd und schüttele den Kopf. „Mir geht’s gut. Mach dir keine Sorgen.“

Natürlich macht sie sich Sorgen. Sie ist ja auch in Italien, während ich hier in der Weltgeschichte herum kurve und mir Arbeit suche. Zurzeit hat es mich nach Deutschland gezogen, aber ganz angekommen scheine ich noch nicht zu sein, jedenfalls kommt es mir manchmal immer noch so vor.

Ich lebe schon eine ganze Weile hier. Land und Leute sind interessant und aufregend, aber irgendwie fehlt etwas. Meine Eltern? Habe ich Heimweh? Bin ich dafür nicht schon etwas zu alt?

Es ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal im Ausland. In den letzten Jahren bin ich ziemlich viel herumgekommen.

Inzwischen lebe ich in einem Einzimmerappartement über einer älteren Dame, weil ich mir einfach nichts besseres leisten kann und Hamburg leider ein ziemlich teures Pflaster ist. Ich hätte mir auch eine WG suchen können, aber da ich eher ein Einzelgänger bin, würde ich es bei mehreren Leuten nicht allzu lange aushalten.

Mir gefällt es so wie es ist. Wäre da nur nicht die Sache mit meinem Job. Zurzeit lässt sich einfach kaum etwas finden und ich hoffe einfach, dass es mit diesem Job klappt. Es muss einfach funktionieren. Irgendwie muss ich ja die Miete zahlen und meine Eltern muss ich ebenfalls unterstützen.

Der Bus hält abrupt an meiner Haltestelle, so dass ich mich hastig am Griff festhalte. Zu blöd, dass gerade so viel los ist, dass ich nur noch einen Stehplatz erwischt habe, umso erleichterter bin ich, dass ich endlich aussteigen kann.

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und merke, dass es knapp wird. Schaffe ich es in einer halben Stunde dorthin? Ein paar Mal umsteigen und ich bin da, aber wenn ich Pech habe, komme ich zu spät. Kein sehr guter Eindruck.

Wieso nur reicht mein Geld nicht mal für ein Taxi?

Gestresst merke ich auch noch, dass ich durch die Hitze ganz verschwitzt bin. Mir kleben die Haare im Gesicht. Ganz toll! Ich lockere meine Krawatte, öffne mein Jackett und laufe, so schnell ich kann, zur U-Bahn.

Auf den Stufen nach unten stolpere ich und schaffe es gerade noch so eben mein Gleichgewicht zu halten, anstatt die Treppe herunter zu fallen. Ich atme tief aus und höre ein lautes Tuten.

„Scheiße! Sag nicht, dass ist meine Bahn?!“, brülle ich und renne was das Zeug hält herunter zu besagter Bahn, die soeben gemächlich vor meiner Nase davon fährt.

„Nein!“ Entgeistert sehe ich der Bahn nach. Ich renne zum Fahrplan und gucke, wann die nächste fährt. „15 Minuten?! Nicht dein Ernst oder?!“ Ich fahre mir mit den Händen durch die verschwitzten Haare, streiche sie mir aus dem Gesicht und lasse resigniert die Arme sinken.

„Ich kann genauso gut heimgehen...“

Unschlüssig bleibe ich auf dem Bahnsteig stehen und sehe, wie die Leute um mich herum laufen, als wäre ich eine Werbesäule, nur dass sie mich nicht ansehen oder gar wahr nehmen.

„Was mache ich jetzt?“ Grübelnd verschränke ich die Arme vor der Brust und setze mich neben einem alten Mann mit Hut und Gehstock auf die Bank. Der Mann wirkt als wäre er im falschen Jahrhundert.

Ob es bei mir auch so ist? Vielleicht soll es einfach nicht sein?

Ich schlucke. Soll ich heimfahren? Zurück zu meiner Familie nach Italien? Zurückkommen wie ein Loser? Aufgeben bevor ich es überhaupt probiert habe?

Heftig schüttele ich den Kopf. Nein!

Ich will nicht als Loser heimkommen. Ich will nicht, dass alle auf mich herabsehen und mich bemitleiden, weil ich es nicht geschafft habe in einem anderen Land Fuß zu fassen! Es ist meine Entscheidung gewesen hierher zu kommen und jetzt muss ich es auch durchziehen! Mit allen Höhen und Tiefen!

Nervös und hibbelig warte ich also auf die nächste Bahn, steige ein und fahre fünf Stationen. Ich steige aus und renne die Stufen der Treppe hinauf, gelange ins Freie und renne über den Zebrastreifen. Grüne Ampeln stehen wohl heute auf meiner Seite, im Gegensatz zur Bahn.

Nach fünf unendlich langen Minuten des Wartens kommt endlich mein Bus und nachdem ich eingestiegen bin, lasse ich mich hinten auf eine Bank fallen, nur um zu bemerken, dass ich mich gerade auf einen Kaugummi gesetzt habe. Schöne Scheiße!

Fluchend befreie ich meine Hose von dem Zeug, setze mich ein paar Reihen weiter vorne hin und muss mich diesmal damit abgeben neben einer telefonierenden Frau zu sitzen, die den ganzen Bus lautstark unterhält.

Der Morgen wird echt immer besser...

Ich muss mich zusammen reißen und einfach das Beste aus der Situation machen. Jammern kann ich immer noch, wenn ich versagt habe.

Endlich kommt das große Gebäude in Sicht. Umgeben von einer riesigen Mauer und einem verzierten schmiedeeisernen Tor steht eine prachtvolle weiße Villa mit grauen Schindeln.

Langsam fährt der Bus daran vorbei und so nehme ich das Haus genauer in Augenschein. Auf der Auffahrt steht eine Limousine, gänzlich in weiß und so langsam kribbelt es in meinen Händen.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich mich als Chauffeur ausgerechnet hier beworben habe! Das ist ein Traum!

Zumal die Bezahlung auch nicht so übel ausfällt.

Aufgeregt warte ich ab, bis der Bus endlich an der Haltestelle hält und sprinte schon beinahe aus dem Gefährt. Ich bin sowieso schon viel zu spät dran!

Ich überquere die Straße und laufe den Gehweg entlang zurück zur Villa.

Außer Atem richte ich meine Haare und meine Kleidung ein wenig her und atme ein paar Mal tief ein und aus.

Nervös drücke ich auf den Summer und eine Stimme ertönt aus der Gegensprechanlage. „Ja bitte?“, fragt mich eine weibliche gelangweilte Stimme.

„Mein Name ist Emilio Foresta! Ich bin wegen des Jobangebotes hier!“, stelle ich mich lauter vor als ich eigentlich wollte.

Ich versuche mich zu entspannen, aber viel bringt das auch nicht. Mit gestrafften Schultern und ruhelosem Blick sehe ich mich um. Wird man mich noch reinlassen?

„Einen Moment...“, ertönt die monotone Stimme wieder und als ich höre wie sich das Tor knirschend öffnet, atme ich erleichtert aus.

Mit wackeligen Beinen, einen Fuß vor den anderen setzend, gehe ich langsam die Auffahrt mit weißen Kieselsteinen entlang und schaffe es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Haustür zu erreichen.

Drei Stufen einer Treppe führen zur Tür, welche mit einem Glasdach versehen ist. An den Seiten stehen zwei Kübel mit irgendwelchen farbenfrohen Blumen. Einzig das verzierte schwarze Geländer lässt das Haus noch eleganter aussehen.

Bevor ich auf die Klingel drücken kann, wird mir geöffnet. Eine Frau mit Brille sieht mich mürrisch und nicht sehr einladend an. Nein, das fängt heute wirklich nicht sehr gut an.

„Guten Tag!“, begrüße ich die Frau noch einmal und nur widerwillig lässt sie mich eintreten. Mein Blick fällt auf ihr legeres Kostüm und der Hochsteckfrisur. Obwohl sie so fein hergerichtet ist, passt ihr Anblick einfach nicht zum Ambiente. Sie wirkt eher wie eine Bibliothekarin.

„Sie sind zu spät!“, stellt sie fest und zeigt mit einer Handbewegung auf ein paar Besucherstühle. Scheinbar bin ich nicht der Einzige, denn neben mir wartet noch jemand.

„Warten Sie einen Moment!“

Schweigend setze ich mich hin und linse zu der anderen bemitleidenswerten Seele, die neben mir sitzt und nervös an den Fingernägeln knabbert. Angeekelt sehe ich wieder starr geradeaus.

„Sind Sie auch wegen des Jobs als Chauffeur da?“, fragt der Mann neben mir interessiert. Ich nicke.

„Ich habe ziemlich gute Referenzen und habe den Job schon so gut wie in der Tasche!“

Warum zum Teufel sollte mich das eigentlich interessieren? Sehe ich so aus als wäre ich wirklich daran interessiert? Augenblick! Heißt das etwa, dass wir beide um die Gunst des Auftraggebers buhlen?

Entsetzt wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Der Kerl neben mir hat den Job doch schon so gut wie in der Tasche, was soll ich dann noch hier? Ich meine, ich habe keine nennenswerte Ausbildung genossen oder gar irgendwelche Referenzen, die ich vorzeigen könnte und zuguterletzt bin ich auch noch viel zu spät dran!

Angespannt wandert mein Blick durch den großen Raum, der so leer wirkt, bis auf die Anmeldung, die Sitzecke für Besucher und ein paar Pflanzen in den Ecken.

Ich schlucke als mir ein Gedanke kommt.

„Haben Sie es Ihnen etwa noch nicht gesagt?“, frage ich vage und sehe ihn höchst erstaunt an. Der Mann erwidert meinen Blick.

„Was meinen Sie?“, fragt er mich verwirrt.

Ich schlucke. „Mir wurde der Job als Chauffeur schon fest zugesagt!“

Der Mann steht abrupt auf, so dass ich erschrocken zusammenzucke. „So eine Unverschämtheit! Wie kann das sein? Das Vorstellungsgespräch lief doch hervorragend! Es stand doch schon so gut wie fest!“, brüllt er wütend.

Oh Mann, was habe ich da nur angerichtet?!

Erbost setzt er sich auf die Stuhlkante und wippt mit einem Bein auf und ab. Er kaut wieder an seinem Fingernägeln und wirft mir einen kurzen Blick zu. „Wieso hat man mich denn heute überhaupt herbestellt? Dann bin ich ja ganz umsonst gekommen?!“, meckert er leise vor sich hin.

Ich zucke mit den Schultern und versuche entspannt und unwissend auszusehen. „Das kann ich mir auch nicht erklären. Vielleicht haben sie ja einen Fehler gemacht?“, versuche ich ihn zu beschwichtigen.

Der Mann steht wieder auf und zieht seinen Anzug zurecht. „Unverschämtheit!“

Wütend geht er an mir vorbei und öffnet die Tür. Kurz darauf sitze ich alleine bei der Anmeldung und atme tief durch.

„Wer hätte gedacht, dass das so einfach ist...“, flüstere ich und lehne mich mit geschlossenen Augen zurück in meinen Stuhl.

Was habe ich mir nur dabei gedacht, jemandem den Job wegzunehmen?

„So so, ich mache also Fehler?“, höre ich eine amüsierte Stimme neben mir. Erschrocken reiße ich die Augen auf und drehe meinen Kopf herum. Vor mir steht die brummige Frau, nun nicht mehr so verschlossen, sondern wirkt leicht amüsiert auf mich.

Hat sie das Gespräch etwa mitverfolgt?

„Nun, da sie der einzige Bewerber sind, können sie Montag anfangen!“, teilt sie mir lächelnd mit und setzt sich auf einen Stuhl neben mir. „Wenn sie dann noch hier unterschreiben könnten...“

Kapitel 1: Eiskalt abserviert

Das ganze Wochenende habe ich auf der faulen Haut gelegen, mich mit Fertiggerichten vollgestopft und versucht mir vorzustellen, wie mein neuer Arbeitgeber wohl so ist.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich den Job wirklich habe!

„Oleg Petrow... Was das wohl für ein Mensch ist?“, murmele ich leise vor mich hin. Auf jeden Fall einer, der reichlich Geld in der Tasche hat.

Der Bus hält an und sofort stehe ich auf und verlasse ihn. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich mein neuer Arbeitsplatz, zumindest ein Teil davon. Die meiste Zeit kutschiere ich diesen reichen Russen von A nach B.

Wozu braucht der Mann eigentlich eine Limousine? Kann er nicht selber fahren? Oder ist er sich zu fein dafür?

Nachdenklich gehe ich zum Tor der Einfahrt und drücke auf den Summer.

„Ja, bitte?“, erklingt die Stimme der Sekretärin.

„Ähm, ich bin's. Emilio Foresta. Also, heute ist mein erster Arbeitstag, wegen dem Job als Chauffeur...“, stammele ich etwas aufgeregt.

„Wir haben bereits auf Sie gewartet!“ Das Tor knirscht und öffnet sich langsam.

„Ah, danke!“ Ich laufe über den Kiesweg und sehe mir die Limousine an, die aussieht als wäre sie wie neu. Wie viele Meter das wohl sind? Im Schätzen war ich noch nie sehr gut.

Ich bin noch nie mit so einem langen Auto gefahren, hoffentlich bleibe ich da nicht irgendwo hängen?!

Mir kommt eine Gänsehaut bei dem Gedanken, allein schon auf der Auffahrt einen Unfall zu bauen und somit auch sofort meinen Job zu verlieren, ehe ich ihn überhaupt richtig begonnen habe.

Ich schüttele meinen Kopf und gehe zielstrebig zur Haustür. Wie schon beim letzten Mal wird mir geöffnet, bevor ich auf die Klingel drücken kann. Wie merkt diese Frau das nur immer wieder?! Steht sie vor dem Türspion und wartet regelrecht auf die Besucher?

Lächelnd stehe ich nun vor der Sekretärin, deren Namen ich nicht kenne und sehe in ihr verschlossenes Gesicht.

„Setzen Sie sich einen Moment, dann kann ich ihnen den Tagesablauf erklären!“, fordert sie mich auf und weist mir einen Platz bei den Besucherstühlen zu. Nickend gehe ich dorthin und nehme Platz, ehe sie es mir gleich tut.

Meine Hände sind schweißnass und so langsam bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, diesem Kerl den Job vor der Nase wegzuschnappen.

„Also gut! Sie fahren Herrn Petrow heute nach Eimsbüttel und anschließend nach Altona. Hier ist ein Zettel mit den Adressen. Im Auto gibt es auch ein Navi, sofern Sie sich hier nicht so gut auskennen...“, erklärt sie mir und reicht mir einen Zettel, auf dem sie alles notiert hat.

„Und wann geht es los?“, frage ich die Frau neben mir.

„Jetzt.“

Ich schlucke. Das heißt also, dass ich mich jetzt beweisen muss. Klasse...

„W-Wo ist Oleg...also Herr Petrow?“, stammele ich nervös.

„Er wird gleich herunter kommen. Sie können draußen im Auto warten. Ach ja, hier sind die Schlüssel für den Wagen.“ Mir wird ein Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln in die Hand gedrückt und aufgeregt stehe ich auf. Mein erster Arbeitstag und ich fühle mich wie an meinem ersten Schultag. Dabei ist das noch nicht mal mein erster Job. Ich habe schon so vieles ausprobiert, aber es ist jedes Mal aufs Neue aufregend.

„Bis dann!“, verabschiede ich mich unschlüssig und werde einfach ignoriert. Die Sekretärin geht zu ihrem Platz an der Anmeldung zurück und tippt irgendetwas in ihren Computer. Ich bin längst Luft für sie. Eine merkwürdige Frau.

Langsam und mit einem Kribbeln im Bauch verlasse ich das Haus und finde mich draußen vor der Limousine wieder.

Ein wirklich schönes Auto, aber ob ich damit auch zurecht komme?

Ich werfe einen Blick auf die beiden Schlüssel in meiner Hand und öffne mit einem der beiden die Fahrertür. Helles Leder, du meine Güte, der Kerl ist sich wirklich für nichts zu fein!

Und jetzt im Sommer besonders unangenehm, wenn man mit der verschwitzten Haut daran kleben bleibt. Wieso kann das Auto keine Stoffbezüge haben? Hat es wenigstens eine Klimaanlage?

Ich setze mich auf den Fahrersitz, lasse die Tür jedoch offen, da ich hier nicht eingehen möchte, bevor es überhaupt erst losgeht.

Die Aufregung lässt inzwischen ein wenig nach, auch wenn ich immer noch gespannt auf Herrn Petrow bin.

Völlig in mich gekehrt schaue ich mir das Innere der Limousine an und bemerke so auch nicht, wie sich mir jemand nähert. Erst als ich die knirschenden Schritte im Kies höre und sich ein dunkler Schatten über mich legt, blicke ich auf.

„Der Motor ist kaputt, wir fahren mit dem BMW.“

Die dunkle und raue Stimme bereitet mir eine Gänsehaut und beschämt von meinem Fauxpas werde ich sofort rot. Wie hätte ich auch wissen sollen, dass der Wagen in dem ich sitze defekt ist?

„Ah... I-ich bin... Sind Sie Herr Petrow?“, stottere ich und könnte mich dafür einmal durch die Kieselsteine wälzen. Immer, wenn ich aufgeregt bin, fange ich an zu stottern und kann kaum klar denken. Kann ich nicht wenigstens heute mal davon verschont bleiben?

Ich schaue direkt in dunkle Augen, einem emotionslosem Blick, aus dem ich nicht erkennen kann, wie ich auf ihn wirke. Seine dunkelbraunen Haare gleiten schon beinahe ins Schwarz über und sein Anzug, düster wie die Nacht, wirkt edel und adrett. Der Mann vor mir sieht nicht nur attraktiv aus, er ist es auch, wie ich neidisch feststellen muss.

Wieso kann ich nicht so aussehen?

In meinem Anzug, den ich mir gerade noch so eben leisten konnte, wirke ich eher plump und nichtssagend.

„Sind Sie wirklich für diesen Job geeignet?“, fragt er mich plötzlich und unerwartet sehe ich den Mann vor mir an. Was soll das denn heißen? Nur, weil ich mich ins falsche Auto gesetzt habe? Hat der sie noch alle? Der spinnt doch!

„A-also...“ Aufgebracht bekomme ich kaum ein Wort heraus und sehe ihn nur entsetzt an.

„Wenn Sie soweit sind, ich warte im BMW...“, meint Oleg und sieht mich stirnrunzelnd an, ehe er sich auf dem Absatz umdreht und zur Garage geht, diese öffnet und sie betritt. Ich höre eine Tür und kurz darauf wird diese zugeschlagen.

Was war das denn eben?

Irgendwie komme ich da gerade nicht ganz mit...

Um den Russen nicht noch weiter warten zu lassen, steige ich hastig aus, schließe den Wagen ab und sehe zu, dass ich ebenfalls in dem dunkelblauen BMW einsteige.

Ebenfalls wie in der Limousine erwartet mich hier feinstes Leder, nur in schwarz statt in beige. Die Scheiben sind verdunkelt, was ganz angenehm ist, bei der grellen Sonne.

Ich stelle Sitz und Rückspiegel ein und starte den Motor.

Hastig gebe ich noch die erste Adresse in das Navi ein, was ein wenig dauert, da ich so etwas nicht täglich benutze und höre von der Rückbank ein langgezogenes Seufzen. Der Herr wartet wohl nicht gerne.

Ich werfe einen kurzen Blick in den Rückspiegel und erstarre als ich direkt in die Augen meines Chefs sehe. Einen Moment lang sehen wir uns beide nur an, ehe ich schnell den Blick senke.

„Dann mal los...“, murmele ich leise und starte den Wagen, fahre ihn langsam aus der Garage heraus und über die Auffahrt. Welcher Idiot hat hier eigentlich Kieselsteine ausgelegt? Das ist doch Gift für jeden Autolack!

In Schneckentempo fahre ich also vorsichtig von der Auffahrt und biege auf die Straße ab. Der Verkehr ist jetzt schon stockend langsam, die Straßen gerammelt voll und das Vorwärtskommen ist mühsamer als gedacht, wenn man nicht so geduldig ist, wie der Mann, der hinter mir sitzt und dauernd so gereizte Töne und Flüche ausspeit.

Es ist als würde ein bockiges Kleinkind auf der Rückbank sitzen.

„Ähm... Was arbeiten Sie denn?“, frage ich und sehe kurz in den Rückspiegel. Oleg sieht aus dem Fenster und achtet scheinbar gar nicht auf mich. Wozu auch? Ich bin ja nur der Chauffeur, mehr nicht.

„Ich habe Sie zum Fahren eingestellt, nicht zum Reden...“, murmelt er leise, aber immer noch so deutlich, dass ich es, zwischen dem Dauergehupe der genervten Autofahrer um mich herum, noch heraushören kann.

„Na ja, also...“ Was soll ich denn darauf erwidern?

Vielleicht redet er nur nicht so gerne mit Fremden? Oder im Allgemeinen nicht?

Irgendwann wird er doch mit mir sprechen müssen...

Mal ehrlich, der Höflichkeit halber kann man doch mal ein wenig Smalltalk mit dem neuen Angestellten führen! Oder ist er sich auch dafür zu fein?

Ich habe ihm nicht einmal eine allzu persönliche Frage gestellt. Was ist so schlimm daran, mir zu erzählen was er für einen Beruf hat?

Es kommt mir vor, als müsse er es verheimlichen, weil er für irgendwelche zwielichtigen Personen arbeitet, aber das ist wahrscheinlich viel zu weit hergeholt.

Zu gerne würde ich jetzt das Radio einschalten, nur um nicht diese angespannte Stille ertragen zu müssen.

Mein Griff um das Lenkrad wird stärker und genervt versuche ich mich wieder auf den Verkehr zu konzentrieren. Gut, wenn der Kerl nicht reden will, keiner zwingt ihn dazu!

Der dichte Verkehrt lichtet sich nur langsam und so allmählich verliere ich ebenfalls die Geduld. Mit den Fingern trommele ich auf dem Lenkrad herum und nach kurzer Zeit, nicht länger als einer halben Stunde, sehe ich den Grund für den langsamen Verkehr. Quer auf der Straße steht ein Wagen mitten auf dem Dach. Überall darum herum liegen Glassplitter der Fenster, Bruchstücke des Wagens und nur allzu deutlich sieht man die starken Bremsspuren. Ein weiterer Wagen wurde scheinbar bei dem Unfall gegen ein Straßenschild geschoben und hatte eine ziemlich deutliche Delle in der Seite. Es sieht aus als hätte jemand versucht, dass Auto zusammenzufalten. Einige Leute sind dabei den Schutt von der Straße zu kehren, die Autofahrer werden von der Polizei mühsam an dem Unfall vorbei geleitet. Ein Krankenwagen steht an der Unfallstelle, aber für den Fahrer des Wagens, der umgekippt ist, scheint es bereits zu spät zu sein. Die Leiche liegt noch mit einem Tuch verhüllt in der Nähe des Wagens, während weitere Leute versuchen, die Fahrerin des anderen Wagens herauszuschneiden.

Wie in Zeitlupe manövriere ich den Wagen den Weg entlang, den der Polizist mir mit Handzeichen weist.

„Was wohl passiert ist?“ Im nächsten Moment wird mir klar, dass ich die Frage laut gestellt habe. Ich werfe einen Blick durch den Rückspiegel und sehe wie Oleg entspannt auf der Rückbank sitzt, die Augen geschlossen hält und seinen Kopf gegen das Fenster gelehnt hat.

Interessiert es ihn denn nicht, was hier geschehen ist? Ich meine, so ein Unfall ist doch schrecklich, wie kann es diesen Mann dann nur so kalt lassen?

Ich schüttele den Kopf und biege an der nächsten Kreuzung nach links ab. Endlich kann ich wieder schneller fahren und da ich nicht möchte, dass mein Chef sich verspätet, versuche ich ihn rechtzeitig in Eimsbüttel abzuliefern.

 

„Ich warte dann wohl solange...“, mutmaße ich und sehe Oleg unentschlossen an, als dieser mit einem Koffer in der Hand aussteigt. Er wirft mir einen stirnrunzelnden Blick zu, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ja, wahrscheinlich sterben bereits einige meiner Gehirnzellen ab.

Ich sehe Oleg hinterher, wie er sich gemächlich vom Auto entfernt, als hätte er alle Zeit der Welt und alle Leute würden nur auf ihn warten.

Das tun sie wahrscheinlich sogar, nur dass er sie warten lässt, würde diese Leute wohl eher weniger ansprechen.

Oleg verschwindet hinter den Glastüren des Gebäudes, das meterhoch in die Höhe schießt. Zu gerne würde ich es jetzt betreten, nur um nachzusehen, wie viele Etagen es dort drinnen gibt. Da braucht man bestimmt eine Woche mit dem Fahrstuhl bis man ganz oben angekommen ist. Was für Menschen arbeiten dort drin? Was genau arbeiten sie?

All das werde ich wohl nie erfahren, es sei denn, ich quetsche Oleg's Sekretärin aus, die genauso wenig gesprächig ist wie er.

Ich habe keinen blassen Schimmer wie lange ich jetzt auf den Kerl warten muss. Ein paar Minuten, eine Stunde, länger?

Ich stelle das Radio ein und lehne mich in meinem Sitz zurück, schließe die Augen und kann mir eigentlich auf die Schulter klopfen oder nicht? Bisher lief es ja soweit ganz gut, wenn man mal davon absieht, dass mein Chef nicht gerade sehr gesprächig ist.

Ich seufze und drehe meinen Kopf mal von links nach rechts, hin und her und trommele gelangweilt mit den Fingern auf dem Lenkrad herum.

Irgendwie habe ich mir erhofft, dass ich doch etwas mehr zu tun bekommen würde, aber dass der Job so langweilig wird, wer hätte das gedacht?

Was habe ich auch erwartet? Wilde Verfolgungsjagden, kreuz und quer durch die Stadt, nur um meinen Boss zu beschützen?

In einem Computerspiel vielleicht, aber nicht im realen Leben...

 

Nach einer 3/4 Stunde kommt Oleg endlich zurück, öffnet die Tür und wirft seinen Koffer achtlos auf die Rückbank. Für einen Moment überlege ich, ob es auch mein Job wäre, ihm die Tür zu öffnen, verwerfe diese Gedanken jedoch sofort wieder, als Oleg mit einem ziemlich gereizten Blick im Gesicht einsteigt und die Tür mit voller Wucht zuschlägt.

„Lief wohl nicht so gut, was?“, entfährt es mir, noch ehe mir einfällt, dass der werte Herr wahrscheinlich sowieso keinen Wert auf meine Meinung legt.

„Fahren Sie mich zur nächsten Bar!“, brummt er und schnallt sich an.

Ich runzele die Stirn. „Aber sollte ich Sie nicht nach Altona fahren?“ Hastig suche ich den Zettel heraus und sehe auf die zweite Adresse. Ich will sie gerade ins Navi eingeben, als Oleg mir doch tatsächlich einen ziemlich unsanften Stoß gegen den Sitz gibt.

„Scheiß drauf! Ich brauche jetzt einen Whiskey!“, meckert Oleg und verwirrt sehe ich ihn an.

Was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen? Vorhin war er noch ganz anders drauf. Was auch immer in dem großen Gebäude passiert ist, schien wohl ziemlich in den Keller gegangen zu sein.

„Also gut, allerdings kenne ich hier keine Bars...“, erwidere ich resigniert.

„Na, ganz toll!“, murrt Oleg.

„Ich könnte aus dem nächsten Supermarkt Whiskey holen...“, grübele ich laut vor mich hin.

„Prima, geht doch! Worauf warten Sie!“, erklingt von hinten Oleg's erwartungsvolle Stimme, rau und dunkel, so dass mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper fährt.

Will der Kerl sich etwa volllaufen lassen? Ich kann nur hoffen, dass er es nicht hier im Auto tun wird.

„In Ordnung.“ Ich starte den Motor, schnalle mich an und fahre vom Parkplatz herunter, auf die Straße. Der Wagen reiht sich im Verkehr ein und angestrengt halte ich Ausschau nach einem Supermarkt. Ich kann nur hoffen, dass die dort auch wirklich Whiskey haben, sonst bin ich wahrscheinlich meinen Job los, bei so einer miesen Laune wie sie der Mann hinter mir hat.

 

Hastig laufe ich durch die Gänge eines Supermarktes und suche den Bereich mit den alkoholischen Getränken. Scheinbar habe ich hier den größten Supermarkt der Stadt erwischt, denn die verwirrenden Gänge scheinen kein Ende nehmen zu wollen, vielleicht liegt es aber auch nur an den vielen Menschen, die zu dieser Zeit jeden Weg auch nur im Keim ersticken und zwar mit ihren Einkaufswagen, welche mein Vorankommen erheblich langsamer werden lassen.

Vor meinem inneren Auge sehe ich Oleg, der mir die Flasche um die Ohren schlägt, nur weil ich eine Minute zu lange gebraucht habe, um ihm seinen Whiskey zu kaufen. Dem Kerl würde ich in seiner momentanen Stimmung alles zutrauen, denn die ist in den letzten Minuten deutlich gesunken.

Endlich komme ich an den gesuchten Regalen an, gehe sie entlang und finde schließlich wonach ich suche. Ich greife nach der Flasche und sehe zu, dass ich zur Kasse komme. Hätte ich nur vorher gewusst, wie viel hier los ist, denn alle Kassen sind voll besetzt und davor sind meterlange Schlangen und in den Einkaufswagen sind viel zu viele Sachen drin! Da bin ich ja Weihnachten nicht mal bei der Kasse!

Ergeben stelle ich mich hinter einer Frau an und sehe ihr dabei zu, wie sie all ihre Einkäufe auf dem Laufband drapiert, als würde es um einen Schönheitswettbewerb gehen. Wenn die wüsste, wie ich meine Einkäufe immer aufs Laufband schleudere, ohne Rücksicht auf Verluste...

„Oh, haben Sie nur eine Flasche?“, fragt sie, als sie mich erblickt und ich in dunkle braune Augen sehe. Ich nicke und sie lächelt mir zu. „Wenn Sie möchten, lasse ich sie vor.“

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und so nehme ich ihr Angebot sofort und ohne mit der Wimper zu zucken an.

Ein Gedanke bahnt sich an, der relativ schnell zu einem zufriedenstellenden Ziel gelangt.

Nach kurzer Fragerei, lassen mich so gut wie alle an der Kasse stehenden Kunden vorbei und so kann ich aufatmend die Flasche bezahlen und den Laden verlassen.

Ich gehe zum Parkplatz und steige ein, reiche Oleg die Flasche, die er sofort öffnet und am Mund ansetzt, um den Whiskey in sich rein zu kippen.

Ich schüttele kaum merklich den Kopf und fahre den Wagen vom Supermarktgeländer herunter, zurück auf die Straße und habe keinen blassen Schimmer wo es jetzt hingehen soll. Ich meine, ich kann Oleg ja schlecht zum nächsten Termin fahren, wenn er vorhat sich hier im Auto volllaufen zu lassen? Soll er etwa da betrunken ankommen? Wobei... Das wäre ja nicht meine Sache, oder? Denn immerhin ist es seine Schuld, nicht meine.

„Soll ich Sie jetzt nach Altona fahren?“, frage ich trotzdem sicherheitshalber nach.

Oleg gibt einen mürrischen Laut von sich und ich nehme es als Zeichen, dass er nicht vorhat heute noch irgendwo anzukommen.

Was hat ihn nur in so schlechte Laune versetzt?

„Soll ich Sie heimfahren?“

„Nein, fahren Sie in der Gegend herum!“

Ich nicke und beschließe für mich, dass ich mir ja mal die Gegend anschauen kann, denn obwohl ich schon länger hier in Hamburg bin, habe ich leider noch nicht allzu viel gesehen. Ich meine, ich bin hier in Hamburg! Das muss man doch gesehen haben!

So fahre ich gemütlich mit dem Wagen durch die Straßen, während sich mein Chef auf der Rückbank so langsam aber sicher betrinkt.

Wie kann man sich nur so gehen lassen, wenn man mal ein wenig Kritik erhält oder ist etwas Schlimmeres passiert? Was kann denn noch schlimmer sein?

Hoffentlich hat er nicht seinen Job verloren! Dann würde ich ja ab morgen auf der Straße stehen oder hat er genug Geld, um mich weiterhin für ihn arbeiten zu lassen? Ich kann es nur hoffen.

 

Eine halbe Stunde fahre ich nun durch den dichten Verkehr, als ich plötzlich etwas an meinem Hals spüre. Was zur Hölle ist das?

Verwirrt sehe ich in den Rückspiegel und staune nicht schlecht, dass sich Oleg vorgelehnt hat und nun an meinen Haaren zupft. Er wirkt dabei so gedankenverloren, aber wahrscheinlich ist er nur dicht vom Alkohol.

„Was machen Sie da?“, frage ich ihn stirnrunzelnd und schaue wieder auf die Straße.

„Hm... Du riechst gut...“, murmelt er und schließt einen Moment seine Augen, wie ich es im Rückspiegel sehen kann. Seit wann sind wir denn beim Du?

„We-Wenn Ihnen das Aftershave gefällt, kann ich ihnen auch die Marke empfehlen oder so...“, stottere ich und weiß nicht wirklich wie ich darauf sonst eingehen soll.

Oleg atmet tief aus, was mir am Nacken eine Gänsehaut bereitet. So langsam wird mir das ganze irgendwie unheimlich.

„Halt an...“, murmelt Oleg. Irritiert sehe ich in den Rückspiegel.

„Ist Ihnen etwa schlecht?“, frage ich sofort lauernd.

Oleg schüttelt den Kopf. „Halt an!“, meint er nun etwas fordernder.

Ich sehe zu, dass ich seiner Forderung nachkomme und suche den nächsten Parkplatz auf. Zum Glück ist er nicht ganz so zugeparkt und hier scheint eher weniger los zu sein, als vorher beim Supermarkt. Ich parke den Wagen etwas abseits und drehe mich dann zu Oleg herum.

„Alles in Ordnung? Ist Ihnen schlecht?“, frage ich ihn noch einmal.

Oleg verharrt noch immer in seiner Position, hält sich an der Kopfstütze fest und betrachtet mich, sieht mir tief in die Augen und noch ehe ich reagieren kann, greift Oleg in meinen Nacken, zieht mich vor, so dass ich mich am Sitz neben mir abstützen muss und küsst mich unsanft und fordernd.

Wie ein erstarrtes Kaninchen hänge ich auf meinem Sitz und lasse mich mit schreckgeweiteten Augen von meinem Chef küssen. Einem Mann, den ich gerade mal seit etwa zwei Stunden kenne!

Was soll ich denn jetzt machen?

Während des Kusses scheint sich mein Denkapparat in Gang zu setzen und sämtliche Szenarien durchzuspielen.

Wenn ich ihn jetzt zurückweise wird der Typ mich doch garantiert feuern!

Ich kann allerdings auch nicht auf den Kuss eingehen, immerhin ist er doch mein Chef und wenn da mehr draus wird?

Was soll der Scheiß?

Wir sind doch beide Männer und keinen Deut schwul! Zumindest ich!

Bei Oleg bin ich mir gerade nicht so sicher...

Ich lasse mich weiterhin küssen, weil mir gerade nichts besseres einfällt, was ich machen könnte und auch weil es Oleg scheinbar großen Spaß bereitet mich zu küssen, warum auch immer, aber dem leisen Keuchen nach zu urteilen, geht er ganz in seiner Aktivität auf.

Ich kann nur hoffen, dass er noch den Rest des Whiskeys trinken wird und sich nicht mehr an den Vorfall erinnert, wenn er später aus seiner Starre als Alkoholleiche erwachen wird.

Bis dahin lasse ich mich wohl besser küssen, ablecken und streicheln, solange es nicht mehr wird, genieße und schweige, so gut es eben geht... Für einen Hetero, der sich nicht ganz so sicher ist, was er von all dem halten soll...

Kapitel 2: Black Out

Mein Boss ist ein Snob! Ein reicher, verwöhnter und arroganter Snob! Er hat den Kuss tatsächlich vergessen!

Gut, dass habe ich ja die ganze Zeit gehofft, aber in der Realität ist das doch irgendwie sehr ernüchternd, wenn man der einzige ist, der noch weiß, was genau vorgefallen ist.

Außerdem hätte ich nie erwartet, dass ich mal sein Schlafzimmer zu Gesicht bekommen würde, aber irgendjemand muss ja diesen Mann voller Pheromone in sein Schlafgemach, welches einem Palast gleich kommt, schleppen.

Allein schon das King Size Bett hat es in sich und könnte glatt eine Großfamilie beherbergen!

Die Bettlacken scheinen aus Seide zu sein. Mitten im Sommer! Spinnt der?

Ich verfrachte meinen Boss ins Bett, der eh kaum noch bei Bewusstsein ist und schaue auf ihn herab, als er sich auf die Seite dreht und die Beine leicht anzieht.

Muss ich ihn jetzt auch noch von seinen Klamotten befreien?

Womit habe ich das nur verdient?

Ich wollte doch nur Chauffeur sein!

Jetzt werde ich unfreiwillig auch noch zum persönlichen Butler gekürt. Wie tief kann ich eigentlich noch sinken?

Widerwillig setze ich mich auf die Bettkante und gleite probehalber mit der Hand über die Bettdecke. Das fühlt sich so... teuer an.

Mein Blick fällt auf Oleg, wie er friedlich auf dem Bett liegt und seinen Rausch ausschläft. Da fahre ich stundenlang mit ihm durch halb Hamburg und er vergisst plötzlich mir nichts dir nichts den Kuss!

Da soll mal einer schlau aus diesem Mann werden.

Ich beuge mich vor, rutsche beinahe selber in die Laken, weil die Matratze so weich ist und befinde mich plötzlich genau vor seinem Gesicht wieder. Seufzend greife ich nach seinem Sakko und versuche es Oleg auszuziehen.

„Ja, grummle du nur. Willst du den Anzug morgen faltenfrei tragen, dann sei so brav und lass dich ausziehen!“, flüstere ich und hebe Oleg's Körper vorsichtig an, um ihm die Jacke auszuziehen. Anschließend greife ich nach seinen Schuhen und befreie ihn auch davon.

Kann ich es so lassen? Ich betrachte den Mann auf dem Bett und greife nach seiner Hose, öffne den Knopf und ziehe den Reißverschluss herunter. Ich stehe auf und ziehe die Hose von seinen Beinen. Mein Blick fällt auf seine enganliegenden Boxershorts. Die sind bestimmt von Armani oder so, bei so einem Design. Eingehend betrachte ich sie und gehe hastig einen Schritt zurück. Was mache ich hier eigentlich? Ich kann doch nicht meinen halbnackten Chef in Augenschein nehmen? Auch nicht, wenn es nur seine Unterwäsche ist!

Kopfschüttelnd beginne ich sein weißes Hemd aufzuknöpfen. Meine Güte, der Kerl ist glatt rasiert wie eine Porzellanpuppe. Würde mich nicht wundern, wenn er weiter unten auch rasiert ist.

Ich ziehe ihm vorsichtig das Hemd aus und sammele seine Kleidungsstücke ein, die alle noch auf dem Bett liegen, um sie auf die Bügel am Kleiderschrank aufzuhängen.

Ich greife nach seiner Krawatte, die er mir im Auto einfach um den Hals gebunden hat und hänge sie ebenfalls dazu.

Ich gehe am Bett vorbei, bleibe einen Moment stehen und betrachte Oleg. Er streckt sich leicht, ehe er weiterschläft, was mir einen halben Herzinfarkt beschert. Hastig verlasse ich sein Zimmer, schließe die Tür leise hinter mir und gehe den Flur entlang zur Treppe, laufe die Stufen hinab und gelange in die Empfangshalle, wo seine Sekretärin fleißig am Computer in die Tasten haut.

Sie schaut kurz auf, als sie meine Schritte hört. „Schläft er?“, fragt sie monoton.

„Ja, wie ein Stein!“, erwidere ich und atme tief aus. „Zum zweiten Termin konnte ich ihn nicht fahren. Irgendetwas lief beim ersten nicht so gut und danach wollte er sich nur noch betrinken.“

Ich bleibe vor ihrem Schreibtisch stehen und betrachte eingehend alle Utensilien, die auf dem Tisch verstreut herumliegen.

„Wahrscheinlich liegt es an seinem Vater, ihm gehört die Firma immerhin. Sie haben öfter Meinungsverschiedenheiten, soweit ich weiß. Das ist nichts Neues!“, meint sie völlig nebensächlich.

Interessant, der Kerl hat also Familienprobleme wie jeder andere Mensch auch, aber muss er sich deswegen gleich betrinken und mich küssen?!

„Dann bis morgen!“, verabschiede ich mich von ihr. Die Sekretärin ignoriert mich einfach. Was habe ich auch erwartet, dass sie in Tränen ausbricht, nur weil ich jetzt heimfahre?

 

Daheim lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre an die Zimmerdecke. Was für ein verrückter Tag. Na ja, wenigstens war der erste Arbeitstag nicht langweilig und im Gegensatz zu mir hat mein Chef einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Nachdenklich streiche ich mit meinen Fingerkuppen über meine Lippen. Bisher habe ich nur Frauen geküsst. Wer hätte gedacht, dass mich mal ein Mann küssen würde, noch dazu einer von höherem Stand. Uns beide trennen doch Welten!

Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob der Kuss mir gefallen hat oder nicht...

Ahnt ja auch keiner, dass der Kerl so forsch zur Sache geht. Seufzend setze ich mich auf und ziehe die Schuhe aus. Ich schäle mich aus meinen Klamotten und laufe lediglich in Boxershorts bekleidet in die angrenzende Küche, um mir in der Kochnische ein Fertiggericht zuzubereiten.

Gelangweilt hocke ich anschließend vor dem Herd und schaue zu wie die Lasagne vor sich hin schmort.

Meine Mutter würde mir erst mal einen Vortrag halten, dass selber kochen ja so viel gesünder sei als dieser Fertigfraß. Dann soll sie mir lieber mal sagen, wie ich das noch nach einem anstrengenden Arbeitstag fertig bringen soll, wenn mir ständig die Augen zufallen und mein Körper sich nach einem Bett und seinem wohlverdienten Schlaf sehnt.

Als das Essen endlich fertig ist, schalte ich den Herd aus, ziehe die Lasagne heraus und setze mich einfach gegen den Kühlschrank gelehnt, mit einem Tellerwärmer unter der Schale haltend, auf den Boden, verschlinge das Mahl und verbrenne mir dabei prompt die Zunge.

Nach dem Essen werfe ich alles in die Spüle, ziehe mir die Boxershorts aus und laufe nackt ins Badezimmer. Ich lasse heißes Wasser in die Wanne ein und setze mich auf den Badewannenrand.

„Ob er wirklich auf Männer steht?“, murmele ich gedankenverloren. Heißt das, mein Chef findet mich attraktiv? War der Kuss nicht irgendwie so was wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

„Scheiße, was ist, wenn er sich in mich verliebt?“ Bestürzt stelle ich den Wasserhahn ab und steige in die Wanne. „Ich kann doch nicht mit einem Kerl schlafen...“, murmele ich kopfschüttelnd.

Gut, mein Chef sieht echt nicht übel aus, aber deswegen lege ich mich noch lange nicht zu ihm ins Bett und lasse mich von ihm vernaschen.

Angestrengt versuche ich mir den Kuss in Erinnerung zu rufen. Ich schließe meine Augen und da ist es wieder, dieses Gefühl als sich unsere Lippen berührt haben, fast ein wenig elektrisierend. Seine Lippen sind feucht vom Alkohol gewesen, haben sich verlangend auf meinen Mund gepresst und seine schlüpfrige Zunge in meiner Mundhöhle wusste erstaunlich gut, was sie zu tun hatte.

Ich gebe es zu, ganz kalt gelassen hat es mich nicht, aber allzu viel hineininterpretieren sollte ich wohl lieber nicht in diesen Kuss, der ihm wahrscheinlich sowieso nichts bedeutet hat.

Männer wie er erlauben sich Späße, aber wenn es ernst wird, heiraten sie Frauen aus reichem Hause, ganz ihrem Stand entsprechend. Warum sollte er sich auch auf seinen Chauffeur einlassen?

Bilde ich mir das nur ein oder fühle ich mich schon ein wenig gekränkt?

Seufzend rutsche ich tiefer in die Wanne, spüre das Wasser an meinem Hals und tauche kurz mit dem Kopf unter, ehe ich prustend wieder auftauche.

Der Kerl kann mir gestohlen bleiben. Ich mache nur meinen Job und mehr nicht!

 

„Es ist mitten in der Nacht, wieso soll ich hier antanzen?“, jammere ich, stehe, lediglich in grauem Shirt und Jeans bekleidet, in der Empfangshalle und schaue die Sekretärin an, als würde die Welt nun doch noch untergehen. Na ja, zumindest meine.

„Herr Petrow hat nach Ihnen verlangt.“

„Das kann ich mir denken, aber wieso nachts? Ich war schon am schlafen! Hat das denn nicht Zeit bis morgen früh? Ich hätte noch mindestens vier Stunden schlafen können!“

„Fragen Sie nicht mich!“, murrt die betagte Frau und verlässt die Empfangshalle in einer Seitentür. Sie ist nur in Schlafmantel und Pantoffeln herumgelaufen, scheinbar wohnt sie hier im Haus.

Ich schaue zur Treppe und gehe die unendlich vielen Stufen schlurfend hinauf, um meinen Chef in der oberen Etage aufzusuchen.

„Herr Petrow?“, rufe ich und sehe mich um.

„Ich bin hier!“, brüllt er ungehalten zurück und kurz darauf höre ich ein leises Fluchen. Tja, das wird dann wohl der berühmte Kater sein.

Ich folge der Stimme zu einem Zimmer am Ende des Flures, wo ich ihn heute Abend nicht abgelegt habe.

Wie sich herausstellt ist es ein Badezimmer. Ein großes Badezimmer! Da passt meines ja bestimmt fünfmal rein!

Staunend sehe ich mich um, ehe ich rechts von mir eine Bewegung wahrnehme und dorthin sehe. Oleg sieht wenig begeistert aus. Er trägt ein weißes Handtuch um die Hüften und ist noch ganz nass am Körper. Einzelne Wassertropfen perlen seine Haut hinab. Wütend packt er mich am Kragen und schubst mich gegen die Kacheln.

„Hat es nicht gereicht? War das die Rache für den Kuss? Du elender Vergewaltiger!“, brüllt er aufgebracht.

Blinzelnd sehe ich ihn an. Was ist denn in den Kerl gefallen? Moment, wieso erinnert er sich plötzlich wieder an den Kuss? Auf der Rückfahrt wusste er doch schon gar nicht mehr, was vorgefallen ist?

Verwirrt sehe ich meinen Boss an. „I-ich habe Sie nicht angefasst!“

„Doch! Meine Kleidung war weg und ich hatte nur meine Boxershorts an! Damit ich es nicht merke oder was? Hat es Spaß gemacht, jemanden zu vögeln, der nicht bei Bewusstsein ist?“

Irre ich mich oder heult er gleich? Nein, das kann keine Träne sein. So ein Mann wie er, würde doch nicht wegen so etwas heulen und zusammenbrechen. Nicht Oleg Petrow! Denke ich zumindest, so gut kenne ich ihn immerhin noch gar nicht.

„Ehrlich, ich habe Sie nicht vergewaltigt! Sie haben sich im Auto volllaufen lassen, ich habe Sie heimgefahren und in Ihr Schlafzimmer gebracht. Dort habe ich Ihnen nur den Anzug ausgezogen, damit er nicht zerknittert. Er hängt an Ihrem Kleiderschrank. Mehr ist nicht gewesen. Ich habe Sie nicht angefasst! So was Abscheuliches würde ich niemals tun!“, erkläre ich brüsk.

Oleg sieht aus als würde er jeden Moment explodieren.

Er atmet tief durch, tritt einen Schritt zurück und lässt von mir ab. „Also ist nichts passiert...“

„Nein!“, erwidere ich. „Ist alles in Ordnung?“ Besorgt sehe ich zu meinem Chef, der im Moment irgendwie verletzlich aussieht oder ist das nur reine Einbildung?

Muss wohl am Schlafmangel liegen.

„Raus hier! Ich will mich anziehen!“, murrt er und schiebt mich aus dem Badezimmer. „A-aber sind Ihre Klamotten nicht im Schlafzimmer?“, frage ich ihn verwirrt.

„Dann hol mir welche!“, meckert Oleg ungehalten und schmeißt die Tür hinter mir ins Schloss. Einen kurzen Augenblick gucke ich auf die verschlossene Tür. Ob er jetzt froh ist, dass nichts passiert ist? In so einem Fall wäre das wahrscheinlich jeder.

Mit hängendem Kopf gehe ich den Flur entlang zum Schlafzimmer und öffne den Kleiderschrank. Will er bei der Hitze etwa im Pyjama schlafen? Bestimmt hat er einen Seidenpyjama. Grinsend durchforste ich den Schrank und kann es nicht glauben. Er hat doch tatsächlich ein T-Shirt und eine Jogginghose in seinem Schrank! Munter suche ich weiter und staune nicht schlecht, als ich auch noch eine Shorts finde. Der Kerl trägt also auch normale Kleidung so wie jeder andere Mensch auch.

Ich greife nach dem Shirt und einer weiten Boxershorts. Bei dem Wetter reicht das vollkommen. Eigentlich würde auch die Boxershorts reichen. Ich werfe das Shirt zurück in den Schrank und gehe zum Badezimmer, wo ich an die Tür klopfe.

„Zimmerservice!“, rufe ich Oleg zu.

Dieser öffnet die Tür und guckt mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. „Reißen wir jetzt auch noch Witze?“, meckert er und ehe er noch weiter ausholen kann, halte ich ihm die Boxershorts vor die Nase. „Der Kleiderschrank ist voll! Mehr hast du nicht gefunden?!“ Streng sieht Oleg mich an und schulterzuckend reiche ich ihm die Hose. „Bei den Temperaturen würden Sie sich in der Nacht ja doch nur von den Klamotten befreien.“

Oleg nimmt die Boxershorts und betrachtet sie. „So was habe ich im Schrank?“, murrt er und schüttelt den Kopf. Wenn der wüsste, was da noch lauert.

Er lässt die Tür offen und scheint sich nicht darum zu scheren, dass ich hier noch stehe. Oleg löst das Handtuch von seiner Hüfte, wirft es in den Wäschekorb und zieht sich die Boxershorts über.

Heiliges Kuddelmuddel! Ich habe meinen Chef nackt gesehen! Seinen Penis in voller Größe und alles andere! Ich weiß wie mein Chef untenrum aussieht! Ich weiß wie er nackt aussieht!

Verlegen mache ich eine Drehung auf dem Absatz und lehne mich an die Wand. Dieser Anblick scheint sich in meine Netzhaut eingebrannt zu haben!

Meine Güte, ist der Kerl gut bestückt! Mit verzogenem Schmollmund schaue ich auf meinen Schritt. Da kann ich nie und nimmer mithalten!

Oleg kommt aus dem Badezimmer und rubbelt sich die Haare trocken.

„Ich gehe dann jetzt. Gute Nacht!“, meine ich und bin gerade imstande das Haus zu verlassen, als Oleg mein Handgelenk packt.

„Du kannst hier schlafen. In ein paar Stunden musst du sowieso hier antanzen, dann lohnt es sich nicht, jetzt heimzufahren!“

Mit hochgezogenen Augenbrauen schaue ich Oleg an, der mein Handgelenk loslässt und mich abwartend ansieht.

„Und wo soll ich schlafen? Was ist meinem Anzug, der ist noch in meiner Wohnung.“

„Ich habe genug Anzüge, davon kannst du dir einen leihen, auch wenn er wohl etwas zu groß sein wird.“ Oleg lässt den Blick über meinen Körper schweifen und ich komme mir vor wie Vieh auf einer Auktion.

„Und wo soll ich schlafen?“, wiederhole ich meine Frage.

„Bei mir. Im Gästezimmer sind zurzeit keine Möbel.“

Ich schlucke und sehe Oleg nach, wie er zum Schlafzimmer geht. Ich folge ihm und sehe zu, wie er das Handtuch am Bettende über das Gestell hängt, um das Bett herumläuft und sich auf der Matratze niederlässt. Unschlüssig bleibe ich im Türrahmen stehen.

„Komm schon rein und schließe die Tür!“, murrt Oleg auffordernd.

Ich gehorche ihm und ziehe meine Schuhe aus, betrete das Zimmer und schließe die Tür. Oleg schaut zu mir und unter seinem Blick entledige ich mich meines Shirts und der Jeans. Was zum Teufel mache ich hier?!

Kurz darauf liege ich neben Oleg im Bett. Wie war das mit dem Chef im Bett zu liegen? Fehlt nur noch, dass er mich vernascht!

Etwas angespannt liege ich in den weichen Laken und weiß nicht wirklich, was ich von der ganzen Situation halten soll. Wer schläft bitte mit seinem Chef im gleichen Bett? Sind im Gästezimmer wirklich keine Möbel? Im gleichen Bett schlafen doch nur kleine Kinder, die nicht wissen, was für Spielchen man darin treiben kann.

Ich linse zu Oleg, der inzwischen gleichmäßig atmet und wohl bereits schläft. Schön für ihn! Ich tue diese Nacht bestimmt kein Auge zu!

„Mhm...“, murmelt Oleg und rückt näher an mich heran. Ich wage es kaum mich zu bewegen, geschweige denn zu atmen. Was mache ich hier?!

Ich drehe den Kopf zur Seite und da es langsam heller wird, kann ich seinen dunkle Silhouette sehen. Oleg's Hand liegt auf meinem Unterarm, seine Lippen berühren meine nackte Haut an der Schulter und unwillkürlich überkommt mich eine Gänsehaut.

Das ist doch verrückt, was wir hier machen! Okay, wir machen zurzeit gar nichts, aber diese Situation ist einfach nur merkwürdig, nachdem der Mann neben mir, mich heute bereits sehr eindringlich geküsst und sogar für einen Vergewaltiger gehalten hat.

 

Als ich aufwache, kann ich immer noch nicht fassen, dass ich tatsächlich doch noch ein paar Stunden geschlafen habe. Ich blinzele ein paar Mal mit den Augen. Das Zimmer ist dank der dunklen Vorhänge schön schattig und lässt die Sonne nicht hinein. Ich schaue an mir herunter und erstarre als ich bemerke in was für einer Stellung Oleg und ich liegen. Meine Arme sind um seinen Rücken geschlungen, halten seinen schlanken Körper fest in einer Umarmung, während Oleg's warmer Atem mein Schlüsselbein streift, sein linkes Bein zwischen meinen Schenkeln liegt und sein rechtes, über meinem äußeren Bein hängt. Zudem bemerke ich gerade, dass er eine Morgenlatte hat, die unnachgiebig gegen meinen Penis drückt.

Möglichst vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, versuche ich von Oleg wegzurobben und schaffe es gerade mal wenige Zentimeter, als er sich regt und die Augen aufschlägt.

„Schon wach?“, fragt er mit leiser rauer Stimme und starr wie ein Stein gucke ich ihm in die Augen. Ich schlucke hart und versuche mich an einem Lächeln.

„Morgen, Sonnenschein!“, grüße ich ihn mit einem gekünstelten Grinsen. Sofort verwandelt sich Oleg's eben noch neutraler Blick in eine finstere Miene. Ruckartig befreit er sich aus meinen Armen und löst sich von mir, setzt sich im Bett auf und hält sich den Kopf. Da sitzt wohl ein brummiger Kater auf seinem Kopf.

„Scheint ja ein schöner Traum gewesen zu sein.“ Ich kann es mir einfach nicht verkneifen.

„Was soll das schon wieder heißen?!“, meckert Oleg. Ungerührt zeige ich auf seine Erektion. Oleg's Blick wandert tiefer und sofort schnappt er nach Luft wie ein Fisch an Land. Wie ein schüchterner Teenager zieht er die Beine an, damit ich nicht weiter auf seine Latte gucken kann.

„Ich gehe schon mal ins Bad. Lassen Sie sich Zeit.“ Mit einem Zwinkern stehe ich auf und klaube meine Klamotten zusammen, die ich einfach nachts auf den Boden geworfen habe. Ich laufe über den Flur und verharre in der Bewegung. Mitten auf der Treppe steht Frau Sekretärin und starrt mich an wie ein Reh einem entgegenkommenden Auto.

„Das... ist nicht, wonach es aussieht!“, flüstere ich ihr verschwörerisch zu.

Sie runzelt die Stirn und scheint mir nicht im geringsten zu glauben. „Wie auch immer, Sie waren nicht zu laut, sehr diskret!“, lobt sie mich und macht auf dem Absatz kehrt.

Verwirrt schaue ich ihr hinterher. Wieso denken alle, eingeschlossen mein Chef, dass ich Sex mit ihm habe?

Ich schaue an mir herunter. Sieht es wirklich so aus? Nächstes Mal sollte ich mich nicht aus seinem Zimmer schleichen. Seufzend gehe ich ins Badezimmer und schließe die Tür hinter mir. Ich vergrabe mein Gesicht in den Klamotten auf meinen Armen und kann es immer noch nicht fassen, was mir hier seit gestern alles passiert.

 

„Wohin geht es heute?“, frage ich und schaue in den Rückspiegel. Oleg sieht mich mit seinen intensiven Augen an und hastig wende ich den Blick wieder ab, schaue auf die Straße und versuche zu vergessen, dass sich sein prachtvoller Penis in meine Gedanken schleicht.

„Eimsbüttel.“

Ich nicke und konzentriere mich auf den Verkehr. Ausnahmsweise kommen wir heute ganz gut durch. Ich bin mal gespannt, ob mein Chef heute wieder kochend vor Wut aus dem Gebäude seines Vaters kommt. Worum es wohl gegangen ist?

Nach einiger Zeit halte ich den Wagen wie üblich auf dem Firmengelände und warte, dass Oleg aussteigt, das tut er auch, allerdings öffnet er sofort meine Tür und sieht auffordernd auf mich herunter.

„Los! Mitkommen!“, meint er forsch. Hastig schalte ich den Motor aus, schnalle mich ab und steige aus dem BMW.

Oleg geht vor und so laufe ich ihm nach, nur nicht in das riesige Gebäude, welches wir gerade passieren. Stirnrunzelnd sehe ich zu, wie Oleg eine schwere Seitentür öffnet. Ich trete hinter ihn in den Gang, der matt erleuchtet wird und gehe eine steinerne Treppe herunter. Ist das hier ein Notausgang oder so?

Oleg öffnet eine weitere Tür und kurz darauf befinden wir uns in der Garage. Was wollen wir denn hier? Aufmerksam sehe ich mich um und sehe zu, wie Oleg vor einem Wagen stehen bleibt. Hat er hier noch ein Auto stehen? Zögernd folge ich ihm, bleibe dann jedoch entsetzt stehen, nur um zu ihm zu laufen.

„Halt! Das können Sie doch nicht machen!“, rufe ich aufgeregt. Ungerührt zieht Oleg weiterhin Kratzer mit seinen Schlüsseln in den silbernen Lack des Wagens.

„Was machen Sie denn da?“ Ich greife nach seinem Arm, so dass er inne hält und zu mir guckt. „Das ist der Zweitschlüssel!“, meint er und hält ihn mir vor die Augen.

„Ja und? Wieso zerkratzen Sie damit den Lack?“

Oleg läuft schnurstracks um das Auto herum und schließt mit dem Schlüssel die Fahrertür auf. Er tritt einen Schritt zur Seite und zeigt auffordernd auf den Sitz. Noch immer verstehe ich nicht, was hier vorgeht.

„Los, pinkel rein!“

Ungläubig sehe ich Oleg an. Das ist jetzt nicht sein Ernst? „Ne-nein, das kann ich nicht!“, meine ich abwehrend. Soll er doch seinen kleinen Kriegszug führen, aber ohne mich!

Oleg kommt zu mir, stellt sich hinter mich und schubst mich vorwärts. Ich halte mich am Auto fest und drehe den Kopf zu ihm herum. „Das kann ich wirklich nicht machen! Ähm... Ich muss auch gerade nicht!“, versuche ich mich zu retten.

„Natürlich kannst du!“, meint er mürrisch und greift mit seinen Armen um mich, öffnet flink meine Hose und greift nach meinem Penis. Schnell greife ich nach seinem Arm. „Nein! Nicht, das geht doch nicht! Ngh...“ Ich kneife die Augen zusammen und unterdrücke ein Stöhnen, als ich seine Finger an meinem Penis spüre.

„Wieso stöhnst du?“, vernehme ich Oleg's tiefe Stimme an meinem Ohr. Sein Atem streift meine Ohrmuschel und mit einem kläglichen Blick sehe ich zu ihm. „Ich kann wirklich nicht...“ Ich schaffe es gar nicht, den Satz zu beenden, denn plötzlich ist sein Gesicht so nahe an meinem. Wir schauen uns in die Augen, viel zu lange und zu nahe. Ich öffne meinen Mund und will etwas sagen, doch kein Laut kommt über meine Lippen. Unbewusst lehne ich mich an den Oberkörper des Russen und wie ein unsichtbares Band werden wir voneinander angezogen. Wenige Zentimeter trennen unsere Lippen, als Oleg kurz inne hält und dann die letzten überbrückt. Sein Mund drückt gegen meinen, seine Lippen bewegen sich gegen meine und langsam erwidere ich den Kuss. Ich schließe meine Augen und nehme nur am Rande wahr, wie seine Hand beginnt an meinem Penis ab und abzufahren. Stöhnend lasse ich seine Zunge in meinen Mund gleiten und werde fester an das Auto gepresst. Durch die Hose des Anzugs spüre ich seinen Penis, der gegen meinen Hintern drückt, während mein Chef mir einen runter holt. Wenige Minuten später komme ich nicht nur in seiner Hand, sondern auch auf dem Sitz des Wagens.

Oleg lässt von mir ab und holt ein Taschentuch aus seiner Hosentasche. „So geht’s auch!“, meint er zufrieden und schiebt mich vom Auto weg. Fassungslos sehe ich zu ihm, wie er die Tür zuwirft und den Wagen abschließt.

„Fahr mich heim!“, ruft er mir zu und geht voraus, während ich noch mit offener Hose und offenem Mund dastehe und mich irgendwie benutzt fühle.

Kapitel 3: Flirten für Fortgeschrittene

Was stimmt nur nicht mit diesem Mann?!

Mit dem Fingern trommele ich auf dem Lenkrad und knabbere gereizt auf meiner Unterlippe herum.

Seelenruhig sitzt er hinter mir im Auto und guckt aus dem Fenster als wäre nie etwas passiert. Herrje! Er hat mir einen runter geholt! In wessen Auto auch immer ich mein Sperma verteilt habe, der wird sich noch freuen, wenn er oder sie das Desaster sieht. Obwohl ich mir denken kann, wem das Auto gehört, wenn Oleg mit einer gewissen Person seit gestern Krach hat und die zufällig zu seiner Familie gehört.

Das gibt ihm trotzdem nicht das Recht mich zu für seine Zwecke zu benutzen!

Schon gar nicht, wenn er mich mit seinen Taten verwirrt und ich nicht weiß, was der zweite Kuss schon wieder zu bedeuten hat, geschweige denn von seinem Blick. Steckt da mehr dahinter oder kam ihm nur die spontane Idee, mich zu befriedigen, damit ich doch noch irgendwie dieses verdammte Auto beschmutze?!

Ich habe so etwas echt nicht nötig! Ich bin lediglich hier, um meine Arbeit zu machen und keine dummen Kinderstreiche zu spielen!

Mürrisch trete ich aufs Gaspedal und fahre los, merke gar nicht, dass die Ampel noch rot ist und realisiere in letzter Sekunde, den Wagen der von links auf uns zukommt. Hastig trete ich auf die Bremse und ruckartig bleibt der BMW mitten auf der Kreuzung stehen, während das andere Auto gerade noch so eben ausweichen kann. Hupend fährt der Wagen an mir vorbei.

„Verdammt! Was soll das?!“, meckert Oleg wütend und tritt heftig gegen meine Rückenlehne.

„Tu-tut mir leid!“, erwidere ich schockiert und halte das Lenkrad so fest mit meinen Händen, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten.

„Herrje! Jetzt fahr schon oder willst du Wurzeln schlagen?!“, herrscht Oleg mich an.

Ich fahre weiter und bin immer noch bis zum Äußersten angespannt. Das hätte mir nicht passieren dürfen! Ich habe einen Fehler gemacht! Was ist, wenn ich deswegen meinen Job verliere? Ich habe Oleg in Gefahr gebracht!

Die Gewissensbisse steigern sich unweigerlich und nur mit Mühe kann ich mich weiterhin auf den Verkehr konzentrieren. Wie konnte mir nur so ein Fehler unterlaufen?!

 

„Was zum Teufel war das vorhin?!“, brüllt Oleg mich angepisst an. Ich stehe das erste Mal in seinem Büro in der großen Villa und lasse unbemerkt den Blick über die edlen schwarzen Ledermöbel und den schweren braunen Holztisch schweifen. Der verzierte rote Teppich fühlt sich erstaunlich weich unter meinen Schuhen an und die schweren dunkelroten Vorhänge verdecken die Sonne, die direkt ins Büro scheint.

„Ich war nicht bei der Sache. Das kommt nicht wieder vor! Es tut mir leid!“, entschuldige ich mich und wage es kaum, dem Russen dabei in die Augen zu sehen.

Oleg steht dicht vor mir, was es mir zusätzlich erschwert. Ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht.

Wird er mich jetzt feuern? War es das? Muss ich wieder zurück zu meinen Eltern nach Italien?

„Wieso warst du nicht bei der Sache?“, fragt Oleg immer noch wütend, aber etwas ruhiger.

„Ich habe nachgedacht...“, murmele ich in meinen nichtvorhandenen Bart.

Oleg seufzt genervt. „Worüber?“, fragt er ungeduldig.

Ich knabbere auf meiner Unterlippe. Ich atme tief durch und sehe ihm dann in die Augen. „Warum Sie solche Sachen mit mir machen. Warum Sie mich benutzen und dauernd küssen und was für ein Problem Sie mit Ihrem Vater haben!“

Irgendwie fühle ich mich besser, jetzt wo es raus ist. Feuern wird Oleg mich wahrscheinlich ohnehin noch, dann ist es auch egal.

Oleg mustert mich und zieht die Augenbrauen zusammen. Er runzelt die Stirn und lehnt sich gegen die Tischkante. Die Arme verschränkt er vor der Brust. Ich schaue zu Boden und warte auf die niederschmetternde Antwort, dass ich mir ab morgen einen neuen Job suchen kann.

„Die Firma sollte ich übernehmen. Zumindest war es so geplant. Ist ja auch normal, dass der Spross vom Chef der nächste Leiter wird. Tja, da habe ich mich wohl zu früh gefreut, denn während ich mich derweil um eine andere Abteilung gekümmert habe, hat es ein Untergebener sich wohl zur Aufgabe gemacht, sich bei meinem Vater einzuschleimen und mir meinen Posten abzuluchsen! So sieht es aus. Das habe ich erfahren und du kannst dir sicherlich vorstellen, wie wenig begeistert ich von der dummen Entscheidung meines Vaters bin!“, erklärt Oleg gereizt. „Wenn er keine Versprechen halten kann, sollte er sie gar nicht erst machen!“

Ich sehe ihn erstaunt an. Hat er all das nur gemacht, weil er die Firma seines Vaters nicht übernehmen darf?

„So leicht werde ich mich aber nicht geschlagen geben! Ich habe hart für meine Position gearbeitet, Tag und Nacht geschuftet und dafür will ich auch meine Belohnung kriegen! Dieser Schmarotzer soll sich eine andere Firma suchen, wo er dem Chef die Füße küssen kann!“, meckert Oleg und schüttelt den Kopf.

„Apropos küssen...“, werfe ich zögernd ein. Oleg sieht zu mir. Sein Blick haftet auf mir, aber ich kann ihn einfach nicht deuten. Wieso kann ich es bei Oleg nie? Woran denkt er gerade?

Oleg bricht den Blickkontakt ab, geht um den Schreibtisch herum und setzt sich auf den Stuhl. „Morgen um die übliche Zeit!“, meint er und fährt seinen Laptop hoch.

„Herr Petrow!“, erwidere ich eindringlich, doch als er mich ansieht halte ich lieber den Mund und verlasse sein Büro.

Was war das denn eben? Wieso hat er mir nicht gesagt, wieso er mich dauernd küsst?

Verwirrt stehe ich im Flur. Ob er das einfach aus einer Laune heraus gemacht hat? Mehr kann da doch gar nicht dahinter stecken oder? Ich meine, wir kennen uns gerade mal ein paar Tage, da kann man nicht von Liebe sprechen. Liebe auf den ersten Blick? Daran glaube ich eher weniger. Dann war es wohl wirklich nur aus einer Laune heraus...?

Ich fühle mich immer noch ein wenig benutzt. Deprimiert lasse ich den Kopf hängen und gehe zur Treppe. Stufe für Stufe laufe ich langsam hinunter. Wenigstens scheine ich meinen Job behalten zu dürfen. Es wäre schlimm, wenn dem nicht so wäre. Ich wüsste gar nicht, was ich in dem Fall machen sollte.

„Hah~....“, seufzend sehe ich zu Frau Sekretärin und gehe zu ihrem Tisch. Sie tippt unentwegt auf ihrer Tastatur ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich seufze noch einmal lautstark. Sie sieht zu mir auf und rümpft ihre Nase. „Haben Sie Liebeskummer?“, fragt sie mich verständnislos.

„Liebeskummer?“, frage ich verdattert.

„Familiäre Probleme? Irgendwelche Leiden?“, fragt sie munter weiter.

„Ah, nein! Nein! Mir geht es gut!“, erwidere ich hastig, ehe sie noch mehr Vermutungen anstellt. Ich verlasse hastig das Haus und bleibe draußen auf der Treppe stehen. Die Hitze schlägt mir förmlich entgegen. Ich schaue in den wolkenlosen Himmel und blinzele als die Sonne mich blendet. Wie kommt sie denn auf Liebeskummer? Ich bin doch gar nicht verliebt! Oder?

Ich lege den Kopf schief und wiege ihn langsam von der einen Seite zur anderen. Es stimmt schon, dass ich extrem oft an Oleg denken muss, seit ich für ihn arbeite. Eigentlich beinahe jede Minute, aber bin ich deswegen gleich verliebt? Wieso zum Teufel Liebeskummer?! Verstehe einer diese Frau!

Ich will gerade die Treppenstufen herunter laufen, als ich inne halte. Mich hat es schon gekränkt, als ich dachte, er würde sich ohnehin nicht auf mich einlassen, weil ich ja nur ein einfacher Chauffeur bin und ihm sowieso nichts bieten kann. Ist es der Standesunterschied, der mir Unbehagen bereitet? Stört es mich, weil er vorhin nicht direkt gesagt hat, wieso er mich geküsst hat?

Vollends verwirrt stehe ich in der prallen Sonne und setze mich auf die Steintreppe.

„Okay, er sieht gut aus und wie er mich geküsst hat, hat mich wirklich nicht kalt gelassen, aber eigentlich stehe ich gar nicht auf Männer. Ich habe doch bisher immer Frauen gedatet...“ Grübelnd starre ich auf die lange Limousine.

Unwillkürlich bildet sich ein Bild vor meinen Augen. Ich und Oleg, beide nackt, auf der Rückbank dieses langen Vehikels, wollüstig unseren Trieben folgend, Oleg in mir, sein Blick auf meinem verschwitzten und erhitztem Körper...

„Nein! Nein! Nein! Auf keinen Fall! Das ist Blödsinn! Schwachsinn!“, meine ich aufbrausend und stehe auf. Ich gehe entschlossen die Stufen herunter, laufe über den weißen Kies und linse doch noch einmal kurz zu der Limousine.

„Nein! Nie und nimmer!“, murre ich und verlasse meinen Arbeitsplatz.

 

Den Rest des Tages laufe ich ruhelos durch meine Wohnung, nackt wohlgemerkt, weil die Hitze kaum auszuhalten ist. Mit meinen Gedanken bin ich inzwischen nur noch bei Oleg. Was vorher nur ein kurzer Gedanke gewesen ist, scheint sich in meinem Gehirn manifestiert zu haben. Jedenfalls werde ich diese kurze perverse Szene nicht mehr los.

„Was mache ich denn jetzt?“, jammere ich und setze mich auf die Bettkante. Ich lasse mich nach hinten sinken, so dass ich etwas unbequem mit dem Kopf an der Wand lehne, was doch arg auf den Nacken geht.

Ich drehe mich auf die Seite und liege schlapp und immer noch deprimiert auf dem Bett. „Das ist doch blöd...“, murmele ich schläfrig. „Ich stehe nicht auf ihn!“

 

Der nächste Tag ist einfach nur furchtbar. Ich habe irgendwie völlig verquer geschlafen, so dass ich mich gerädert fühle und mir einfach nur eine Massage wünsche. Viel Schlaf habe ich auch nicht gefunden. Zu viele Gedanken schwirren mir seit einiger Zeit durch den Kopf. Gedanken, die ich zu gerne wieder verbannen würde. Es ist mir nur leider nicht möglich.

„Warum braucht er nur so lange?“, murre ich und schaue zur Villa. Die Tür ist verschlossen und Oleg lässt sich immer noch nicht blicken, obwohl ich hier auf ihn warten soll. Ich verschränke die Arme vor der Brust, lehne an der Mauer und werfe einen Blick in die Garage, wo der BMW steht. Hoffentlich kann ich mich heute auf den Verkehr konzentrieren. Noch so ein Missgeschick kann ich mir nicht erlauben.

Ich höre, wie eine Tür ins Schloss fällt und schaue zum Eingang. Oleg kommt mit seinem Aktenkoffer in meine Richtung. Sein Blick wirkt entschlossen. Was hat er heute wieder für Pläne? Schon wieder irgendeinen Schabernack?

Ich gehe vor in die Garage und öffne ihm schon mal die Tür. Verwirrt drehe ich mich herum, als ich das Garagentor summen und knirschen höre. „Häh?“ Mehr bringe ich nicht zustande. Wieso schließt Oleg uns hier ein? Es ist stockduster um uns herum, der letzte Lichtspalt unter dem Tor verschwindet und nichts als Finsternis umgibt uns.

„Herr Petrow?“, frage ich irritiert und greife nach der Vordertür, öffne sie und schalte im Wagen das Licht an. „Alles in Ordnung?“

Oleg kommt auf mich zu, stellt seinen Koffer auf dem Boden ab und steht auf einmal so dicht vor mir, dass ich mich schon gegen den Wagen lehnen muss. Oleg schluckt und schaut auf meinen Hals oder irgendwo dort auf der Höhe.

„Ich will das jetzt klären!“, meint er ruhig und mit tiefer Stimme. Ein Schauer rinnt mir über den Rücken. Ich schaue auf seine dunklen Haare und halte gespannt den Atem an. Oleg hebt den Blick und sieht mir direkt in die Augen.

„Ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich fühle mich zu dir hingezogen, klar?!“, meint er mit fester Stimme. Ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht und schlucke. Dann geht es ihm genauso wie mir? Fühle ich dasselbe? Eigentlich nicht oder doch?

Ich weiche seinem Blick aus. Oleg greift grob nach meinem Kinn und dreht mein Gesicht zu sich herum, so dass ich ihn wieder ansehen muss. „Ich bin ein Geschäftsmann! Ich habe keine Zeit für Plänkeleien und ich rede auch nicht gerne um den heißen Brei herum, also lass uns gleich zum Punkt kommen! Ich stehe auf dich und ich habe nicht länger vor es für mich zu behalten! Wenn du damit nicht klar kommst, dann kannst du dir meinetwegen gerne einen neuen Job suchen!“

Abwartend sieht Oleg mich an. Mit großen Augen blicke ich zurück. Das nenne ich mal eine klare Ansage. Ich beiße mir auf die Unterlippe und erst langsam sickern seine Worte richtig zu mir durch. Heißt das, er mag mich? Liebt er mich? Denkt er auch stundenlang an mich so wie ich an ihn?

„I-ich...“, stottere ich zögernd.

„Halt die Klappe!“, meint Oleg, beugt sich vor und küsst mich einfach. Genauso forsch und grob wie bei unserem Kuss. Überwältigt lasse ich mich darauf ein und erwidere die Berührungen seiner Lippen. Oleg steht dicht vor mir, presst seinen Körper an meinen und raubt mir alle Sinne. Wie in Trance stehe ich mit ihm in der matt beleuchteten Garage, eng umschlungen am Auto lehnend und denke an gar nichts.

Nach einer Ewigkeit lösen wir uns voneinander. „Du bist hart!“, stellt Oleg unbeeindruckt fest. Ich grinse. „Du auch.“

Oleg wischt sich über den Mund und greift nach seinem Koffer. Während er ins Auto steigt, öffne ich das Garagentor und steige in den Wagen, schalte das Licht aus und werfe einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Unsere Blicke treffen sich, ehe ich das Auto starte und es langsam aus der Garage rollen lasse. Wir fahren vom Grundstück herunter und werden vom fließenden Verkehr verschluckt.

 

„Bereit?“, frage ich Oleg und richte kurz seine Krawatte. Wir stehen vor dem großen Glaskasten. Oleg schnaubt verächtlich. „Was denkst du von mir? Natürlich!“, meint er und strafft die Schultern. Ich reiche ihm seinen Koffer und energisch reißt er ihn mir aus der Hand, geht Richtung Gebäude und dreht sich nicht mehr um.

Nachdenklich schließe ich die Tür und fahre mir durch die Haare. Ich lehne mich gegen den BMW und starre zum Eingang. Jetzt heißt es wohl warten.

Noch immer kann ich es nicht ganz fassen, was da in der Garage passiert ist. Wie ein Gummiband, das man auseinanderzieht und anschließend wieder loslässt, sind wir aufeinander geprallt und haben zueinander gefunden. Wird das jetzt etwas ernsthaftes? Oleg wirkt nicht als wäre er für halbe Sachen zu haben. Er meint es ernst, todsicher!

„Hah...hahahaha~...“, lachend greife ich mir in den Nacken und massiere meine verspannten Muskeln. Die gute Laune kommt wie aus dem Nichts. Sie ist einfach da und mit ihr verschwinden auch die letzten Zweifel. Wozu den Kopf zerbrechen? Das bringt mir nur neue Zweifel, auf die ich gut und gerne verzichten kann. Ich lasse es einfach auf mich zukommen.

Was macht es schon, dass ich einen Mann mag? Wenn es das Leben so für mich vorgesehen hat, dann ist es eben so. Basta!

Meinen Eltern wird es das Herz brechen, aber ich denke mal, wenn wir irgendwann mit Enkelkindern auftauchen, werden sie es akzeptieren.

Mit verzogenem Mund sehe ich zur Seite. „Wieso denke ich schon an Kinder? Als ob wir schon bei dem Punkt wären!“ Ich schüttele den Kopf über mich selbst.

Tja, da werden die Zweifel wohl schon von Zukunftsplänen abgelöst.

Und wieder Gedanken, die ich schleunigst aus meinem Hirn verbannen muss! Nimmt das denn nie ein Ende?

Treu wie ein Hund, warte ich auf meinen Herrn, bis er endlich wieder erscheint, die Glastür öffnet und zu mir kommt. Statt dem Schwanzwedeln beschleunigen sich Puls- und Herzschlag und erwartungsvoll sehe ich ihm entgegen. Oleg lässt sich erst nichts anmerken, doch dann hebt er den Daumen und nickt mir zu. Kein Lächeln, aber ich bin mir sicher, innerlich ist er am triumphieren und feiern bis zum geht nicht mehr!

Ich halte ihm die Tür auf und bevor Oleg einsteigt, wirft er einen Blick zurück. Er sieht mich an und mustert mich. „Dein Freund ist ein reicher Mann, kommst du damit klar?“, fragt er mich.

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Du kennst meinen Freund?“, necke ich ihn. Oleg schüttelt den Kopf und kaum merklich ziehen sich seine Mundwinkel nach oben. „Kein Siezen mehr?“, fragt er und steigt ein.

„Jedenfalls nicht, wenn wir alleine sind!“, raune ich ihm zu, schließe die Tür und steige vorne ein. „Wohin soll's jetzt gehen?“, frage ich und siehe in den Rückspiegel. Wie immer treffen sich unsere Blicke, verharren in dem kleinen Spiegel und prägen sich den Blick ihres Gegenübers genau ein.

Oleg beugt sich vor, bis ich seinen Atem an meinem Ohr spüre. Ich schließe die Augen und genieße den Moment, als er mir leise und rau ins Ohr flüstert: „Fahr mich ans Ende der Welt oder zu dir nach Hause!“

Epilog: Private Affären

„O-Oleg, so geht das wirklich nicht...“, jammere ich und drehe das Lenkrad nach links. Ich keuche und sehe kurz nach unten. Hastig drehe ich am Lenkrad, als ich drauf und dran bin, den Brunnen mitten in der Einfahrt zu streifen. „Oleg...!“

Oleg sieht zu mir auf und leckt sich über die Lippen. „Damit das klar ist, wenn du unter solchen Bedingungen nicht mal hier einen vernünftigen Kreis fahren kannst, dann lasse ich dich meine Limousine unter keinen Umständen auf der Straße fahren!“, meint er bestimmend und senkt wieder den Kopf.

„Scheiße!“, meckere ich und lehne mein Haupt gegen die Kopfstütze. Mein Atem rast und angespannt versuche ich mich aufs Fahren zu konzentrieren. Ein Kreis nach dem anderen. Ich drücke Olegs Kopf noch tiefer, vergrabe meine Finger in seinen dichten Haaren und bemerke am Rande, dass ich inzwischen komplett verschwitzt bin.

„Oleg, ich kann nicht mehr...“ Ich trete auf die Bremse und sofort hebt Oleg den Kopf und lässt von mir ab. Er setzt sich ordentlich auf den Platz neben mir und reibt sich mit dem Handrücken über die Lippen.

„Wa-... Wieso hörst du auf?!“, frage ich ihn entgeistert.

Oleg zuckt mit den Schultern. „Du hast doch angehalten.“

„Ja, aber...“ Ich lasse den Kopf hängen und werfe einen Blick auf meinen Ständer. Mürrisch sehe ich nach draußen und trete wieder aufs Gaspedal. „Braver Junge!“, lobt Oleg mich und widmet sich wieder meiner unteren Körperhälfte.

Wie kommt der Kerl nur immer auf so ausgefallene Dinge? Und das am Wochenende! Wieso bleiben wir für so etwas nicht im Bett?!

Ich fahre einen extra großen Bogen und lasse Olegs Tortur über mich ergehen. Würde der Wagen stehen, könnte ich es wohl mehr genießen.

Als ich meinen Höhepunkt erreiche, stöhne ich tief und rutsche mit der Hand aus, das Lenkrad lenkt den Wagen mit einem dumpfen Laut direkt gegen den Brunnen. Oleg grummelt und ich stehe noch unter Schock, weil er mir beinahe in den Schwanz gebissen hätte. Anklagend sieht er mich an. „Na, das nenne ich mal einen Höhepunkt!“, grummelt er bissig.

„Sorry...“, murmele ich und sehe auf die Motorhaube. Das Auto hat jetzt bestimmt eine schöne Delle.

Oleg und steigt aus dem Wagen. Er geht nach vorne und besieht sich den Schaden eingehend.

Hastig schließe ich meine Hose und laufe um den Wagen herum zu ihm. „Tu-Tut mir echt leid!“, stammele ich. Oleg sieht zu mir. „Den Schaden arbeitest du ab!“

Ich nicke.

„Du fängst heute noch an!“

Wieder ein Nicken.

„Jetzt in meinem Bett!“

Ein freudiges und erwartungsvolles Nicken.

„Na, dann komm!“, meint Oleg grinsend, greift nach meiner Hand und zerrt mich hinter sich her. Vor der Eingangstür bleiben wir stehen und sehen noch einmal zu der demolierten Limousine zurück. Oleg schaut zu mir auf. „Vielleicht sollte ich dich besser als Butler oder Callboy einstellen?“, meint er nachdenklich.

Empört sehe ich ihn an. „Ich kann fahren!“, erwidere ich brüsk.

Oleg grinst und öffnet die Tür. „Kannst du auch reiten?“, fragt er und leckt sich anzüglich über die Lippen. Grummelnd folge ich ihm. „Ich bin noch Anfänger, als sei lieb zu mir!“, fordere ich mein Recht ein und schließe die Tür hinter mir.

Wir gehen die große Treppe hinauf und nur zu gerne lasse ich mich in Olegs Schlafzimmer entführen. Er dreht sich vor der Tür zu mir herum und lässt sich von mir küssen. „Der Sommer wird immer besser!“, murmelt er leise gegen meine Lippen. Grinsend öffne ich die Tür und schiebe ihn ins Zimmer. „Da kann man nicht klagen!“, erwidere ich amüsiert und schließe die Tür hinter mir. Auf jeden Fall ist es der aufregendste Sommer meines Lebens!

Impressum

Texte: Sandra Marquardt
Bildmaterialien: Google
Lektorat: Lihiel
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /