Cover

Prolog



Es begann mit einem Husten.
Die Ärzte hatten keine Ahnung, was es sein könnte. Aber sie wussten eines; Jake wird sterben. Und zwar bald. Sogar sehr bald.
Am Anfang war es einfach nur schwer zu begreifen. Hey, ihr denkt jetzt vielleicht, dass ich irgendwie dumm bin oder so, „sterben“ ist doch nicht schwer zu verstehen. Aber ich verstand es einfach nicht.
Er war mein kleiner Bruder und auch wenn viele was von Brother-Komplex und so reden, ich konnte mir nicht vorstellen, dass Jake nicht mehr da sein würde.
Als dann eine Therapie nach der anderen folgte und die Ärzte irgendwas von „Sterbehilfe“ faselten, da wurde sogar mir langsam klar, dass er nicht mehr DA sein würde. Nicht mehr existieren würde.
Meine Eltern versuchten es zu ignorieren, das versuchte ich auch, aber der Unterschied war, dass ich es einfach nicht schaffte. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, tat es weh, denn ich wusste, dass es das letzte Mal sein konnte.
Während die Ärzte – alles Doktoren und Professoren und was weiß ich alles – anfangs noch von Monaten sprachen, verließen meinen Bruder nach und nach die Farbe im Gesicht, die leichten Ansätze von Muskeln, sein Babyspeck und seine Haare. Für mich war es grausam, dabei zuzusehen. Und schließlich gestanden die Ärzte, dass sie sich geirrt hatten. Jake blieben keine Monate mehr. Sie sagten, er würde den ersten August dieses Jahres nicht mehr erleben.
Heute ist der zwanzigste Juli.


Was wäre, wenn...



20.Juli, Freitag, 18:23 Uhr
„Hey, wie geht’s?“, begrüßte ich ihn. Mein kleiner Bruder sah von seinem Micky-Maus-Heft auf und lächelte. „Gut.“ Auch ich lächelte tapfer, ich wollte nicht, dass er sah, wie sehr mich sein Zustand schmerzte. Natürlich wusste ich nicht, wie er sich gerade fühlte, aber ich wollte ihn nicht zusätzlich mit meinen Sorgen belasten.
„Interessant?“, fragte ich und deutete auf sein Heft. Mit einem Seufzer schüttelte Jake den Kopf und meinte: „Nein, aber die haben hier nichts Besseres.“ Mit einem Grinsen wuschelte ich ihm durch imaginäre Haare. Auch das war eines dieser unerklärlichen Phänomene. Haarausfall, eigentlich nichts Bedrohliches, wenn man es so hört. Aber es war ja auch nur ein äußerliches Merkmal, ein Beweis für seine Krankheit. Und das Wuscheln durch seine Haare war einfach nur eine alte Angewohnheit. Die ich nicht ablegen konnte, selbst nachdem er keine Haare mehr hatte. Seine Haare waren lang und leicht verstrubbelt gewesen, braun und warm, weich und fast flauschig, einer der Gründe für den Stapel Liebesbriefe, den er erhalten hatte.
„Romy hat gefragt, wie es dir geht“, erzählte ich. Leicht fragend schaute er mich an. „Okay, nicht nur Romy, außerdem noch Sophie, Alexandra, Melanie, Leonie, Christina,…“ Mit einer Handbewegung unterbrach er mich. „Nur Mädchen?“ Seine Stimme klang unendlich traurig, als er das so fragte und ich konnte mir denken, warum. Auch mich hätte es verletzt, wenn keiner meiner alten Kumpel nach mir fragen würde, wenn ich im Krankenhaus läge.
Einen Moment lang war ich versucht, ihn einfach anzulügen, vielleicht hätte es ihn erleichtert, aber ich habe mir geschworen ehrlich zu sein, während er… Gott, selbst daran zu denken, fällt mir schwer!
„Na ja, ich habe keinen deiner Kumpel getroffen…“, versuchte ich ihn zu trösten. Lange blickte er mich schweigend an. Dann öffnete er den Mund um etwas zu sagen, doch seine Stimmbänder versagten ihm den Dienst. Auch das war eines dieser Phänomene, manchmal verlor er die Stimme, dann machte er sich einige Stunden lang per Schrift verständlich und dann konnte er wieder sprechen.
„Alles okay?“ Stumm nickte er und ich reichte ihm auf sein Zeichen hin ein Glas Wasser. Während er gierig trank, öffnete ich meine Tasche. „Ich hab was für dich“, verkündete ich stolz und ich hielt ihm einen Stapel Comics hin. Es waren Comics, in verschiedenen Sprachen, angefangen bei Asterix und Obelix auf Englisch, Französisch und Latein über Donald Duck auf Italienisch, Französisch und Deutsch, bis zu Tim und Struppi auf Englisch, Französisch, Deutsch und Japanisch.
Jake hatte ein etwas anderes Hobby als normale Zehnjährige. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, Comics und Mangas und was es nicht sonst noch alles gibt zu vergleichen. Wort für Wort. So lernte er Sprachen. Was er nicht verstand, schlug er in Wörterbüchern nach.
Mit strahlenden Augen nahm er den Stapel entgegen. „WOW!“, formten seine Lippen. Dann lachte er und meinte: „Jetzt habe ich Lesestoff für den Rest meines Lebens!“ Ich schnappte nach Luft. Warum konnte er jetzt schon reden? Gleich danach schnappte ich noch einmal, als mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde. Es war nicht einfach nur so dahin gesagt, das war nicht Jakes Art. Woher er es auch immer wusste, er kannte sein Schicksal, er wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte.
Mein kleiner Bruder bemerkte schließlich, dass ich ihn anstarrte. „Wie viel Zeit bleibt mir noch?“ Die Frage klang so harmlos, vor allen Dingen, weil er sie formulierte. Hin und her gerissen zwischen meinem Schwur ehrlich zu sein und dem Verlangen ihn zu beruhigen schaute ich ihn an. Ich war einfach unfähig etwas zu sagen, ich wusste nicht, was angemessen gewesen wäre.
Als ich schwieg seufzte er leise. Langsam stellte er den Stapel auf den kleinen Tisch, der neben ihm stand. „Reden wir!“, schlug er plötzlich munter vor. „Worüber?“, fragte ich verdutzt. „Über mein Leben, meine Träume, meine Wünsche.“ Manchmal war es wirklich beängstigend, wie erwachsen das Kind plötzlich wirkte. „Gut“, willigte ich zögernd ein.
„Wenn ich so lange leben könnte, würde ich mir zum elften Geburtstag eine richtig tolle Party wünschen“, begann er. Hastig kramte ich meine Kamera heraus. Das war mein kleines Hobby, Filmen. Alles und Jeden, aber nur natürlich, ohne Zwang.
„Ich würde mir nur dafür eine große Villa mieten. Mit einem riesigen Swimmingpool und ganz vielen Frauen!“ Laut lachte ich los. „Schon in deinem Alter?!“, fragte ich und versuchte empört dreinzuschauen, doch es misslang mir fürchterlich. „Was denn, gehört doch irgendwie dazu, zu so einer Party mit Swimmingpool und Villa“, gab er fast schmollend zurück. Immer noch lächelnd nickte ich und forderte ihn auf weiter zu erzählen.
„Wenn ich dann also meine Party feiere, dann sind außer den Frauen noch ganz viele andere Gäste da. Alle meine Freunde und Mama und Papa und du natürlich. Und dann noch ganz viele berühmte Personen! Richard Dean Anderson, Torry Higginson, Joe Flannigan, Amanda Tapping und ganz viele andere Schauspieler und dann noch Georges Prosper Remi, dem Zeichner von Tim und Struppi und René Goscinny und Albert Uderzo, Autor und Zeichner von Asterix und Obelix und die ganzen Zeichner und Autoren von Donald Duck und Mickey Maus und…“
Er redete noch lange, fast eine ganze Stunde lang, und ich verkniff mir, ihm zu erklären, dass die meisten dieser Personen nicht mehr unter den Lebenden weilten.
Nach einer Zeit von einer Stunde und zweiundzwanzig Minuten, er hatte lediglich zwei Mal eine kurze Pause eingelegt um zu trinken, begann ich mir Sorgen um meinen Akku zu machen. Ich hatte ihn nicht aufgeladen und ich war mir nicht sicher, wie lange er noch durchhalten würde. Da ich ihm die ganze Zeit ruhig zugehört hatte und ihn kein einziges Mal unterbrochen hatte, oder vielleicht höchstens, weil ich lachen musste, blickte er mich leicht überrascht an, als ich den Mund aufmachte und meinte: „Jake, ich fürchte…“ Doch ich kam nicht dazu auszusprechen, was ich befürchtete, denn in diesem Augenblick klopfte es und Alex kam rein.
Er war ein sehr alter Freund von Jake, sie kannten sich seit der ersten Klasse und waren bis zur vierten Klasse wie Pech und Schwefel gewesen. Doch Anfang dieses Schuljahres war Jake auf ein Gymnasium gegangen, während Alex weiterhin die Grundschule besuchte. Sie hatten sich nicht mehr so oft gesehen seit dieser Trennung.
„Alex!“, rief Jake überrascht aus. „Schön dich zu sehen!“ Fast bedächtig nickte Alex und antwortete: „Ja, es ist auch schön dich zu sehen.“ Dann zögerte er kurz und lachte. „Wir hören uns an, als wären wir schwul“, stellte er fest und setzte sich auf den einzigen noch freien Stuhl. „Tja, das war ja mal wieder klar, dein großer Beschützer ist auch da“, meinte er mit einem Seitenblick auf mich, aber ich ignorierte ihn und packte meine Kamera wieder ein. „Na dann, Jake, Alex, wir sehen uns.“ Und dann konnte ich es mir nicht verkneifen zu murmeln: „Wobei ich mich auf Alex weniger freue…“
Klar, ich wusste, dass da total kindisch war, aber ich mochte ihn nicht wirklich. Er war immer so überheblich. Und ich war nicht Jakes „großer Beschützer“, ich mochte es nur einfach nicht, wenn jemand meinen kleinen Bruder verprügelte. Na gut, das konnte der kleine Alex vielleicht noch nicht verstehen, aber auf dem Gymnasium hatte Jake einfach viele Feinde. Die Hälfte, weil er mein Bruder war und die andere Hälfte, weil er trotz seines jungen Alters bereits ein Mädchenschwarm war. Und das, obwohl er mein Bruder war! Ich meine ICH war ja auf der Beliebtheitsskala der Mädchen nur ganz knapp vor dem letzen Platz…


Zu Hause angekommen, pfefferte ich meinen Ranzen in eine Ecke meines Zimmers. Gleich als Erstes holte ich meine Kamera heraus und machte den Computer an. Meine Lieblingsbeschäftigung zu Hause war, übrigens erst seit Jake im Krankenhaus lag, die Aufzeichnungen von ihm zu analysieren und zu sortieren und zu schneiden und so.
Ich wollte so viel von ihm behalten und festhalten, wie es nur ging, ich wollte nicht, dass er „in meinem Herzen weiterlebt“, wie die ganzen Psychotherapeuten und so meiner Eltern sagte, ich wollte ihn auf Bildern, Videos, Sprachaufzeichnungen, so, wie er immer gewesen ist, sowohl vor der Krankheit, als auch jetzt.
Während ich mich in diese Aufgabe vertiefte, neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen und es wurde immer dunkler, so dass ich nach einer Weile das Licht anschalten musste. Erst als meine Mutter mich an der Schulter packte und durchschüttelte, wachte ich aus meiner Versunkenheit auf und stellte mit knurrendem Magen fest, dass es fast Mitternacht war.
„Ich mache mir Sorgen um dich“, flüsterte meine Mutter und blickte mich an. Ihre Augen waren rot, denn viele kleine Äderchen in den Augäpfeln waren geplatzt. Das lag in unserer Familie, wenn man weinte, platzten die Äderchen und wer so viel weinte, wie meine Mutter, wenn sie dachte, ich wäre nicht da, der musste einfach total rote Augen bekommen.
„Schon okay, ich wollte das hier nur noch beenden… Jake hat heute ganz viel geredet“, versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie zuckte bei dem Namen ihres Sohnes zusammen. „Ich geh jetzt was essen, was gibt’s heute?“, wechselte ich schnell das Thema.
„Nudeln“, antwortete meine Mutter kraftlos uns sehr leise. Ich stand auf und zwang mich, überhaupt nichts zu sagen. Obwohl mir sehr viel auf der Zunge lag. Nudeln waren Jakes Lieblingsessen, es interessierte ihn überhaupt nicht, welche Soße es dazu gab.
Wir aßen seit Wochen täglich Nudeln. Tortellini, Spaghetti, Makkaroni, Tortiglioni oder auch Rigatoni, Bandnudeln, Spirelli, Hörnchennudeln, Muschelnudeln, Sternchennudeln, Buchstaben, Fadennudel, Spätzle bzw. Knöpfle und Maultaschen waren nur einige der Beispiele. Es gab Nudelsuppen, Nudelsalate, Nudelauflaufe, Nudeln mit den verschiedensten Sorten an Soßen und Beilagen. Langsam begann ich mich zu fragen, wo sie diese ganzen Sachen immer herholte. Und ich wettete mit mir selbst, was es wohl zur nächsten Mahlzeit geben würde. Keiner, weder mein Vater noch ich, beschwerte sich, denn wir wussten, dass dies die Art meiner Mutter war, den baldigen Tod Jakes zu vergessen oder zu ignorieren oder zu verarbeiten, ganz so genau wusste das nur sie.
Es gab Tortellini mit Tomaten-Mozzarella-Oliven-Soße, ich hatte diese Kombination noch gar nicht gekannt, aber es schmeckte gar nicht so schlecht. Nachdem ich zweimal Nachschlag geholt hatte, war ich schließlich satt und ich stellte Teller und Besteck in die Spülmaschine.
In diesem Augenblick hörte ich ein poltern, und es war mir, als käme es von oben. Hastig stürzte ich die Treppe hoch und stürmte ins Schlafzimmer meiner Eltern. Der Kleiderschrank war zusammen gesunken. Es war nur noch ein trauriger Haufen aus geborstenem Holz und vielen Stoffen, Kleidung, die zum Teil heil du zum Teil leicht mitgenommen wirkte.
Ich brauchte lange, fast zwei Stunden, bis ich den Großteil der Sauerei weggeräumt hatte. Als ich den Großteil der Kleidung gerettet und die zerbrochenen Bretter alle entsorgt hatte, holte ich den Staubsauger und begann zu saugen. Mit der zerfetzten Kleidung ließ sich nichts mehr machen, also entsorgte ich auch diese. Als letztes faltete und sortierte die übriggebliebene Kleidung und legte sie ordentlich auf kleine Stapel.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es inzwischen nach drei Uhr morgens war. Sonderlich überrascht darüber, dass meine Eltern nichts von dem eben geschehenen mitbekommen hatten, war ich nicht. Aber ich machte mir ein wenig Sorgen darüber, dass sie noch immer nicht schlafen gingen. Dass sie es nicht leicht hatten, wusste ich ja, aber sie konnten sich doch nicht ewig in diesem Schneckenhaus verkriechen!
Ich ging die Treppe runter und ins Wohnzimmer. Das Licht war immer noch an. Als ich die Tür öffnete, sah ich meine Eltern. Beide lagen erschöpft in den zwei Sesseln und schliefen. Sie hatten sich noch nicht einmal umgezogen. Vermutlich waren sie mitten im Gespräch eingeschlafen. Auf Zehenspitzen lief ich zum Sofa und setzte mich. Die Sessel standen sich gegenüber und dazwischen stand ein kleiner Tisch, und an der längeren Seite des Tisches stand das Sofa.
Ich setzte mich in die Mitte und betrachte abwechselnd meine Eltern. Seit Jake ins Krankenhaus eingeliefert worden war, sah ich meinen Vater immer seltener. Ein Junge in meiner Klasse, sein Name ist Walther, und ja ich weiß, dass der Name nicht gerade schön ist, hatte eine Mutter, die im gleichen Gebäude wie mein Vater arbeitete. Walther hatte mir neulich erzählt, dass seine Mutter sich Sorgen mache, weil mein Vater stets der Letzte war, der das Bürogebäude verließ und der Erste, der es morgens betrat, abgesehen vom Hausmeister natürlich, der dort wohnte. Zwar war ich beruhigt, dass er seinen Kummer nicht in Alkohol ersäufte, aber man sah deutlich, wie fast zwölf Stunden Arbeit am Tag an ihm nagten. Hinzu kamen die fast zwei Stunden, die er täglich brauchte um zur Arbeit hin und von der Arbeit zurück zu fahren.
Sein dichtes schwarzes Haar, das er vor einem halben Jahr noch hatte war nun schon fast vollständig grau. Auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Sorgenfalte eingegraben und nur noch die vielen kleinen Lachfältchen, die noch immer an seinen Augen zu sehen waren, zeigten, was für ein fröhlicher Mensch er früher gewesen war. Die geschwollenen leicht rötlichen Augen deuteten darauf hin, dass er bis vor dem Einschlafen geweint hatte und Spuren von vielen Tränen waren auf seinen Wangen zu sehen. In seiner Hand war ein zerknülltes Taschentuch und auch um den Sessel herum lagen einige benutzte Taschentücher.
Auch meiner Mutter sah man den Schmerz an. Trotzdem sie erst Anfang vierzig war, waren ihre einst braunen langen Haare nun schlohweiß und sie hatte sie zu einem strengen Knoten hinten zusammengebunden. Viele Falten waren in ihrem Gesicht und auch sie hatte eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn.
Ich stand auf und ging auf sie zu. Mit meinen Fingern löste ich vorsichtig den Knoten. Dann holte ich aus dem Bad eine Bürste und kämmte ihre Haare. Sie musste sehr müde sein, denn sie wachte nicht auf. Als ich einigermaßen zufrieden war, lief ich ins Schlafzimmer meiner Eltern und nahm zwei Decken, die ich über ihre Körper ausbreitete.
Es war um vier, als ich endlich fertig war und ich wischte mir den dünnen Schweißfilm von der Stirn. Noch einmal betrachtete ich meine Eltern und es tat mir leid, dass sie so schnell alterten. Sie sahen beide aus, als wären sie um Jahrzehnte gealtert.
Ich stellte mir vor, was passiert wäre, wenn Jake nie krank geworden wäre. Oder wenn es heilbar gewesen wäre. Dann wäre ich wohl nicht so… freundlich zu meinen Eltern.
Vor einigen Tagen hörte ich eine Frau im Supermarkt, wie zu ihrer Freundin meinte, dass ich ihr leid täte. „Weißt du, meine Tochter geht in eine Klasse mit ihm. Sie sagt immer, er sei ein Erwachsener, der die Pubertät und die Jugend übersprungen hat, aber sein Körper sei jung geblieben.“ Die Freundin, unsere Nachbarin von gegenüber, seufzte und nickte. „Er tut einem wirklich leid… Seine Mutter sieht man ja nur noch selten…“ – „Ja“, pflichtete eine dritte Frau, ich kannte sie nicht wirklich gut, aber sie war, glaube ich, die Mutter von einem Klassenkameraden von Jake, ihr bei. „Sie kauft immer so riesige Mengen an verschiedenen Nudelsorten und so.“ Die drei Frauen nickten und seufzten theatralisch. Ich drängelte mich an ihnen vorbei und legte die Sachen, die ich kaufen wollte, auf das Band. Langsam drehte ich mich um und schaute jede der drei ruhig an. „Ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn sie sich um ihre eigenen Sachen kümmern würden.“ Und dann fügte ich noch eine Lüge hinzu, um meine Mutter in Schutz zu nehmen. „Es braucht viel Zeit, Geduld und Kraft um die Beerdigung eines Sohnes zu planen. Da kann sich meine Mutter nicht immer um dem Klatsch sorgen, den Sie hier verbreiten.“ Sie schauten mich schockiert an, teils, weil sie nicht erwartet hatten, dass ich sie gehört hatte und teils, weil nicht gewusst hatten, dass der Tod schon so nah dran war, meinen Bruder mitzunehmen. Mit einem letzten verächtlichen Blick bezahlte ich und verließ den Markt.
Bei dem Gedanken an dieses Ereignis schnürte sich meine Kehle zu. Ich wusste, dass die Frauen Recht hatten. Meine Mutter war wirklich nur noch zum Nudeln kaufen außerhalb dieses Hauses.
Als ich mich wieder auf das Sofa setzte fiel mein Blick auf die Unterlagen, die auf dem Tisch lagen. Einen Moment lang schloss ich die Augen, ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Aber es erklärte, warum meine Eltern geweint hatten.
Wenn mein Bruder nicht krank wäre, säße ich nicht hier, dachte ich. Wenn er nicht krank wäre würden sie nicht weinen. Wenn er nicht krank wäre, würden hier nicht Angebote von verschiedenen Bestattungsunternehmen liegen.


Solocellist


21.Juli, Samstag,08:13 Uhr
Lautes Hämmern weckte mich. Orientierungslos blickte ich mich um. Geschlagene zwei Minuten vergingen, bis ich das Wohnzimmer wieder erkannte. Irgendjemand hatte sämtliche Möbel bis auf das Sofa hinaus getragen. Verwirrt stand ich auf und sackte gleich wieder auf das Sofa zurück, denn der Schlafmangel machte dich bemerkbar.
Gott, was zum Teufel geht hier vor sich?, fragte ich mich. Die Antwort erhielt ich sofort. „Ah, endlich bist du wach!“, tönte eine Stimme. Endlich?! Ich habe kaum vier Stunden geschlafen!
Dann erkannte ich, wem die Stimme gehörte. Frau Schönmann stand vor mir und blickte mich fröhlich an. „Kann ich etwas für Sie tun?“, krächzte ich. Sie lachte. Ja, aus welchem Grund auch immer LACHTE sie! Meine Augen wurden schmal.
„Mensch Junge, du bist ja ganz schön durcheinander! Ihr zieht doch um! Das du das vergisst… Na ja, eigentlich kein Wunder, du hast ja viel um die Ohren, mit deinem Bruder…“ Ich unterbrach sie hastig. „Würden Sie mir bitte sagen, wo ich meine Eltern finde?“, brachte ich höflich hervor. Unsere Nachbarin deutete mit dem Finger aus einem der Fenster und ich stürzte an ihr vorbei. Im Rennen versuchte ich meine Gedanken zu sortieren. Was hatte die Tante da gesagt? Ihr zieht doch um? Was sollte das heißen? Warum wusste ich davon nichts?
Im Garten traf ich gleich auf meinen Vater. „Was… geht… hier… vor… sich?“, keuchte ich, denn ich war den Flur lang, die Eingangstreppe runter, an der Garage vorbei und um das halbe Haus rum gesprintet. „Wir ziehen um“, antwortete mein Vater knapp. „Aber… was soll das heißen? Warum weiß ich davon nichts? Ich will hier nicht weg!“, protestierte ich, doch mein Vater schob mich nur zur Seite und ging vorbei Richtung Garage. Fassungslos starrte ich ihm hinterher, aber er drehte sich nicht um.
Noch immer stark verwirrt und ohne jegliche Ahnung, was hier vor sich ging, schritt ich schnellen Schrittes auf meine Mutter zu, die am Gartenhäuschen stand und einzelne Geräte in Pappkartons verpackte. „Kannst du mir wenigstens sagen, was hier vor sich geht?“, fragte ich sie und sie hielt inne mit ihrer Tätigkeit. „Dein Vater wurde befördert und versetzt. Wir ziehen in eine andere Stadt.“ Ihre Stimme war so ruhig, dass es mir regelrecht Angst einflößte.
„Aber…“, setzte ich an, doch sie unterbrach mich mit einer Handbewegung. „Wir fliegen in einem Monat, aber außer einigen wichtigen Sachen schicken wir den Großteil schon einmal vor“, erklärte sie. „Aber ich…“, begann ich wieder und diesmal genügte ihr Blick, um mich zum Schweigen zu bringen. „Kein Aber!“, sagte sie streng und ich fand nicht die Kraft dazu, ihr zu wiedersprechen.
Ich wollte nicht wegziehen, schon gar nicht in solch einer Situation, aber nach meiner Meinung fragte ja niemand.
Einige Augenblicke lang blickte ich sie einfach nur an, dann machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte in mein Zimmer. Hinter mir ließ ich die Tür zuknallen. Es fiel mir schon schwer, mich von meinem Bruder zu trennen, ich wollte mich nicht auch noch vom Rest meines jetzigen Lebens trennen. Meinen Eltern mochte das lieber sein, aber ich wollte nicht weg.
Wütend stieß ich die Faust in mein Bett. Immer und immer wieder, bis ich erschöpft und müde auf das Bett sank und die Augen schloss. „Ich will nicht weg…“, murmelte ich leise zu niemandem bestimmten, dann zog ich Strümpfe und Pullover aus und legte mich ins Bett. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.


21.Juli, Samstag, 10:43 Uhr
Als ich wieder aufwachte, war meine Decke zerknüllt und mein T-Shirt merkwürdig verdreht. Scheinbar hatte ich einen wirklich wilden Traum gehabt. Eine Weile bleib ich noch liegen, doch als ein Blick auf die Uhr mir sagte, dass es fast elf war, stand ich auf.
Da ich nicht irgendwohin umziehen wollte, durfte ich, um das zu verhindern, nicht helfen. Mir blieben also zwei Möglichkeiten. Entweder ich konnte alles, was meine Eltern oder eventuelle Helfer raustrugen wieder rein tragen und somit alles stark verzögern, oder ich konnte mir einfach meine Kamera schnappen und zu Jake gehen. Da ich der Einzige war, der im Besitz meines Zimmerschlüssels war, konnten sie also nichts von mir einpacken.
Letzteres kam mir realisierbarer vor und so entschied ich mich für Variante zwei. Schnell packte ich meinen Rucksack, diesmal mit Ersatz-Akku und einem leeren acht-Gigabyte-Speicher, ging aus dem Zimmer, schloss die Tür ab und lief die Treppe hinunter.
Als ich an der Küche vorbei ging, überlegte ich kurz und ging schnell rein, um zu gucken, ob noch was zum Knabbern da war. Mit einer Tüte Chips, zweiTafeln Schokolade und ein paar Tüten Brausepulver machte ich mich schließlich auf den Weg.

21.Juli, Samstag, 11:32 Uhr
„Hi“, begrüßte mich Jake. „Du bist ja schon wieder da.“ Belustigt hob ich eine Augenbraue. „Bin ich dir etwa lästig?“, fragte ich vorsichtshalber und setzte mich auf einen Stuhl. „Nein, eigentlich nicht“, lachte er. „…und uneigentlich?“, hakte ich nach. Mit vorgeschobenem Kinn und nach oben gerollten Augen tat er eine Weile so, als müsse er scharf nachdenken. „Hm…“, meinte er schließlich. „Ich glaube, auch nicht.“ Inzwischen hatte ich meinen Apparat wieder ausgepackt und stellte ihn auf ein Stativ, das ich mit gebracht hatte. „Da bin ich aber beruhigt…“
„Du-u“. begann Jake plötzlich. „Was ist?“, fragte ich verdutzt, denn ich war diesen Ton bei Jake nicht gewohnt. „Ich hatte heute einen ganz merkwürdigen Traum“, begann er. „Kann ich ihn dir erzählen?“ Ich nickte und lächelte ihm aufmunternd zu.
Und dann begann er zu erzählen und ich hatte das Gefühl, als wäre das alles wirklich passiert, als wäre mein Bruder viel älter und als würde er mir eine Geschichte aus weit zurück liegender Zeit erzählen.
Man sollte, bevor ich weitererzähle, wissen, dass mein kleiner Bruder Cello spielte, seit er sechs war. Inzwischen war er schon so gut, dass er die meisten Schüler seiner Lehrerin in den Schatten stellte. Aber am liebsten spielte er, wenn er begleitet wurde. Vom Klavier, von der Geige, von einer Bratsche… Er hatte schon mit vielen zusammen gespielt.
Der Traum begann damit, dass er ein Stück hörte. Zwar fiel ihm gerade nicht ein, wie das Stück hieß, doch erkannte er es. Es war ein Cellokonzert, und das Ganze wurde von einem Orchester begleitet.
Obwohl er nicht erklären konnte warum, war er nur ein Beobachter aus der Luftperspektive. Im Schritttempo schwebte er durch einen langen Gang, bis er schließlich auf eine offene Tür stieß. Schnell glitt er hindurch, als könne er es kaum erwarten, in den Raum dahinter zu kommen. Als er durch die Tür durchgeflogen war, sah er, dass er sich in einem Konzertsaal aufhielt.
Der Saal war sehr voll und sehr groß. Geschätzte 1.000 Personen passten hier rein.
Die Tür, durch die er geschwebt war, befand sich in der Loge auf der rechten Seite. Eine Zeit lang blieb er dort, aber dann wurde er neugierig, denn er wollte wissen, wer dort unten den Solocellisten spielte. Er flog etwas höher und glitt über die Köpfe der Leute hinweg.
Und dann sah er SICH. Im Traum war Jake um einige Jahre älter, er selbst wusste nicht so genau, wie viel älter er war, doch er meinte, er sei etwa zwanzig Jahre alt gewesen. Dieser andere Jake saß dort und spielte auf dem Cello. Das Solo. Ganz allein. Begleitet von einem vollständig besetzten Orchester. Er spielte das Solo. (Jake legte sehr großen Wert darauf, dass ich erfuhr, dass ER das Solo spielte. Ich erwiderte dazu nichts, denn ich wusste, dass dies Jakes Traum war. Er hatte schon immer gesagt, es sei sein Traum, Solocellist zu sein.)
Dann wachte er kurz auf, trank etwas Wasser, drehte sich auf die andere Seite und schlief nach einigen Minuten wieder ein.
Diesmal stand er selbst auf der Bühne und der Dirigent, der sich unglaublich stark freute, streckte ihm seine Hand entgegen und zeigte ihm, dass er zu ihm kommen solle. Jake stand auf, nahm das Cello zusammen mit dem Bogen in eine Hand und ging auf den Dirigenten zu. Und nun sah und hörte er den Grund für die große Freude des Dirigenten. Die Menschen applaudierten wie verrückt. Einige schrien und pfiffen sogar. (Das ist eigentlich nicht so üblich in Konzerthäusern oder Opern.)
Eine Weile stand Jake im Rampenlicht und genoss es einfach. Er ließ dieses Gefühl der Freude, dieses Ich-hab’s-geschafft!-Gefühl auf sich ein strömen. Der Dirigent beugte sich zu ihm hin und brüllte fast, damit sie sich verstehen konnten: „Sie haben toll gespielt! Die Leute flippen ja aus!“ und Jake antwortete überglücklich: „Das war mein Traum… Ich wollte schon immer Solocellist sein. Vielen Dank, ich bin ihrem Orchester und insbesondere Ihnen wirklich sehr dankbar!“
Jake blickte verträumt aus dem Fenster und murmelte: „Kein soo besonderer Traum, ich weiß, aber ich würde viel dafür geben, wenn er wahr wäre…“
Während ich ihn so ansah, tat er mir mal wieder leid. Ich versuchte mich in seine Lage hinein zu versetzen, doch es war mir einfach nicht möglich, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie es wäre zu wissen, dass man den nächsten Freitag nicht mehr erleben würde.
„Ich finde schon, dass dieser Traum schön ist. Er ist etwas Besonderes. Du solltest niemals vergessen, was wirklich dein Traum ist. Reichtum, wozu brauch man den so was? Na ja gut, ein bisschen schadet nicht, aber zu viel ist auch nur Gift…“ Mit einem erwachsenen Lächeln –und ja, es gibt tatsächlich Leute, die können erwachsen lächeln – unterbrach Jake mich. „Danke, dass du versuchst mich zu trösten.“ „Danke, dass du mich davon abgehalten hast, wirres Zeug zu reden…“, gab ich zurück.
„Eigentlich ist der Traum noch nicht zu Ende, das heißt, an dieser Stelle bin ich einmal aufgewacht, aber dann bin ich nochmal eingeschlafen…“
Im dritten Teil des Traumes, fand sich Jake in einem kleinen Raum wieder. Es war kalt und die Lampe über Jakes Kopf flackerte fast gespenstig. In der Mitte des Raumes stand ein fünfeckiger Tisch und auf ihm lag ein Cellokasten. Darin lag das Cello, auf dem Jake vorher gespielt hatte.
Es klopfte und Jake öffnete die Tür. Doch draußen war niemand und er schloss mit einem Achselzucken die Tür. Wieder klopfte es und wieder öffnete Jake die Tür. Und schon wieder war niemand draußen. Jake begann an eine Art Streich zu glauben und er riss bei dem nächsten Klopfen dieTür auf und brüllte: „Jetzt reicht‘s aber! Wer auch immer da ist, er möge…“ Weiter kam er nicht, denn da stand jemand. Dieser Jemand war in einen schwarzen bodenlangen Mantel gehüllt, der obendrein noch eine Kapuze hatte, und er hatte sich diese Kapuze auch noch tief ins Gesicht gezogen.
„Wer… wer bist du?“, die Worte hörten sich so fremd und unrealistisch aus Jakes Mund an, sodass er das Gefühl hatte, er wäre in einem Traum. (Okay, er war wirklich in einem Traum, aber das spielte jetzt keine große Rolle.) „Ich bin… nun, das weißt du doch eigentlich ganz genau…“, antwortete dieser Jemand und Jake schreckte zurück. Die Stimme war so gruselig, sie klang, als wäre sie nicht von dieser Welt. „Was ist? Hast du etwa… Angst?“, spottete die Stimme weiter.
„Was willst du?“, krächzte Jake und starrte die Kapuzengestalt voller Angst an. Langsam hob die Gestalt die Arme. Bis zu diesem Zeitpunkt, hatte Jake gar nicht gemerkt, dass dieser Mantel Ärmel hatte, denn sie schmolzen völlig mit dem restlichen Stoff zusammen.
Die Gestalt hob die Kapuze ein wenig an und gab den Blick auf ein bleiches Kinn frei, welches ein wenig den Eindruck machte, als wäre es ein Knochen, der nur noch von Haut überzogen wurde. Vor lauter Angst stolperte Jake zurück in den Raum und knallte die Tür zu.
Von diesem Knall wurde er wach. Er lag schweißüberströmt im Bett und atmete sehr schnell aber nur stoßweise.
Jake blickte mich eine Weile ruhig und nachdenklich an und auch ich schaute ihn tief in Gedanken versunken an. „Was meinst du, wer dieser Jemand war?“, fragte er schließlich in die Stille hinein, doch ich antwortete nicht, denn ich wusste keine Antwort darauf. Wieder vergingen einige Minuten, dann hob ich den Kopf und scherzte: „Der Tod natürlich, wer sonst?“
Wieder blickte mich Jake nachdenklich an. (Langsam macht mir dieses Kind richtig Angst… Wie kann man nur als Zehnjähriger ständig nur so ernst gucken?) Dann nickte er und antwortete: „Ja, stimmt, das klingt plausibel.“ Stirnrunzelnd schaute ich ihn an und knurrte schließlich: „Eigentlich war das nicht ganz ernst gemeint…“
Kurz schnaubte er lachend und zuckte mit den Schultern. „Aber es klingt logisch… Ach ja, hatte ich ganz vergessen, ich hatte danach einen ganz kurzen Traum mit vielen Bildfetzen und so, aber eines habe ich ganz deutlich herausgehört: ,Ich will mir nur holen, was mir zusteht, Jake. Dieser Erfolg mag dich berauschen, doch es ist nicht dein Werk…‘ Wenn du sagst, dass es der Tod war, dann würde das bedeuten, dass er sich mein Leben holen wollte, weil es ihm zustand und…“ Ich unterbrach ihn, in dem ich laut mit der flachen Hand auf den Nachttisch knallte. Empört drehte sich Jakes neuer Bettnachbar zu mir herum, doch ich ignorierte ihn.
„Sag das nie wieder“, flüsterte ich leise. „Sag so etwas nie wieder. Du hast den Tod nicht verdient und dein Leben steht dem Tod nicht zu!“ Die letzten Worte brüllte ich fast und Jake starrte mich angsterfüllt an.
Wortlos packte ich meine Sachen zusammen und stand auf um zu gehen. An der Tür drehte ich mich noch einmal zu Jake um. „Die Ärzte wissen nicht, warum du vielleicht stirbst.“ Das „vielleicht“ sprach ich mit Nachdruck. „Ich hab mal gelesen, dass es Menschen gibt, die sterben, weil sie loslassen, weil sie nicht mehr kämpfen. Gegen den Tod, meine ich. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du länger leben könntest, wenn du nur ein bisschen gegen die Krankheit kämpfst? Oder vielleicht willst du ja sterben!“ Schnellen Schrittes verließ ich das Krankenhaus.
Natürlich war das, was ich gesagt hatte unberechtigt. Das war gemein gewesen. Verletzend, niederträchtig. Es war nicht war, Jake wollte noch nicht sterben, das musste ich doch am besten wissen. Und doch hatte ich es gesagt… Und ich wusste auch warum. Es hatte MICH verletzt zu hören, dass Jake so… so selbstverständlich vom Tod sprach, als ginge es nur um eine kleine Nebensächlichkeit, die nicht allzu wichtig war. Ich wollte nicht, dass er starb. Natürlich war es keine Lösung ihn anzuschreien, doch ich war einfach zu gereizt.
Ich blieb stehen und stellte fest, dass es in Strömen regnete. Inzwischen war ich bis auf die Haut durchnässt. Traurig blickte ich in den Himmel und stellte mir vor, dass dieser Regen Jakes Gefühle wiederspiegelte.



Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir. Orte, Namen und Geschehen sind fiktiv und zufällige Übereinstimmungen mit der Reälität sind nicht absichtilich.
Tag der Veröffentlichung: 28.10.2011

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